26.12.2012 Aufrufe

Wolfgang Rieger Ringstraße 118 D-73257 Köngen - SPD-Mitglieder ...

Wolfgang Rieger Ringstraße 118 D-73257 Köngen - SPD-Mitglieder ...

Wolfgang Rieger Ringstraße 118 D-73257 Köngen - SPD-Mitglieder ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

___<br />

<strong>Wolfgang</strong> <strong>Rieger</strong><br />

<strong>Ringstraße</strong> <strong>118</strong><br />

D-<strong>73257</strong> <strong>Köngen</strong><br />

<strong>Wolfgang</strong> <strong>Rieger</strong>, <strong>Ringstraße</strong> <strong>118</strong>, D-<strong>73257</strong> <strong>Köngen</strong><br />

PER E-MAIL<br />

Herrn<br />

Rainer Arnold MdB<br />

Deutscher Bundestag<br />

Platz der Republik 1<br />

11011 Berlin<br />

Telefon: 07024 / 8 51 95<br />

E-Mail: wolfgang@rieger-koengen.de<br />

Ihre Nachricht vom Ihre Zeichen Dokumentname Datum<br />

17.01.2012 ARNOLD.MDB.2.DOC 03.02.2012<br />

Betreff:<br />

Ihre Meinungsäußerung zu Stuttgart 21 in der Filderzeitung vom 05.01.2012<br />

Sehr geehrter Herr Arnold,<br />

vielen Dank für Ihre unerwartet umfangreiche Antwort auf meine Mail vom 14.01.2012. Allerdings<br />

rennen Sie mit dem größten Teil des Textes bei mir offene Türen ein. Daher vermute ich, dass Sie<br />

mir einen Text geschickt haben, der ursprünglich für Ihre Parteifreunde gedacht war, die noch<br />

stramm hinter dem geplanten Kurs der „Christlich-Sozialen Union“ stehen.<br />

Ich finde es sehr schön, dass Sie mit dem einen Auge den Murks benennen, mit dem die Bahn die<br />

Fildern beglücken will. Aber wenn Sie das andere Auge auch aufmachen, können Sie den Murks in<br />

allen anderen Planungsabschnitten in seiner ganzen Tiefe erkennen. Es gibt zweierlei Murks zu unterscheiden:<br />

erstens Murks wie den Fildermurks, der mit (wessen?) Geld wieder geheilt werden<br />

könnte, zweitens Murks, der auch mit keinem Geld der Welt geheilt werden kann, sozusagen systemimmanenter<br />

Murks. So ein Murks zweiter Art liegt infolge von Zwangsrandbedingungen fast<br />

überall im Bereich des Grubenbahnhofs vor, z. B. als Gleise und Bahnsteige mit fünffach zu großer<br />

Neigung 1 , als nicht-barrierefreier Zugang, als Todesfalle mindestens für Behinderte im Katastrophenfall,<br />

als nicht ausreichende Leistungsfähigkeit. Letzteres wurde belegt mit einem sogenannten<br />

Stresstest, in dem in beispiellos kaltschnäuziger Manier gelogen worden ist. Ohne sich in die Tiefen<br />

der Simulation begeben zu müssen, erlaubt es die Engelhardtsche Normierung des „Ergebnisses“<br />

jedermann, dieses mit dem Stand der Technik in allen anderen Bahnhöfen zu vergleichen, um dann<br />

die gegenüber dem Stand der Eisenbahntechnik um 50 % höhere Durchsatzleistung als Lüge zu<br />

entlarven (siehe Folie 42 der Schlichtungspräsentation von Palmer).<br />

1 Die Ausnahmegenehmigung wird u. a. damit begründet, dass die Bahnsteige in Querrichtung eine Innenneigung bekommen,<br />

sodass ein quer zu den Gleisen rollender Wagen stets zur Bahnsteigmitte hin rollen soll. Hierbei wird aber übersehen,<br />

dass die Querneigung bei Wagen, die in Falllinie der Gleise rollen, also parallel zur Bahnsteigkante, keinerlei Wirkung<br />

hat, schon gar keine positive. Im Gegenteil: ein exakt parallel zu den Gleisen rollender Kinderwagen droht je nach<br />

Lastverteilung der Räder und Wirkung der Rollreibung eher in Richtung Gleis abgelenkt zu werden. Bei einem Neigungsverhältnis<br />

Längs zu Quer von 1:1 wie etwa beim Tiefbahnhof verlaufen die Höhenlinien unter 45° zur Bahnsteigkante,<br />

daher wird jeder Wagen, dessen Rollrichtung deutlich hiervon abweicht, unweigerlich rechts oder links ins Gleisbett stürzen,<br />

sofern keine anderen bremsenden Einflüsse wirksam sind. Die Idee der Querneigung ist zwar zur Sammlung des von<br />

der Decke tropfenden Regenwassers günstig, aber für die Sicherung von Kinderwagen ein Trugschluss.


BRIEF AN RAINER ARNOLD MDB SEITE 2 VON 5 SEITEN<br />

Zitat:<br />

Die Einstiegsniveaus sind bei S‐Bahn und Fernverkehrszügen unterschied‐<br />

lich und ein solches Konzept ist nicht zeitgemäß. Diese Kritik wiegt umso<br />

schwerer, wenn man an Menschen mit Behinderung und Eltern mit Kinderwägen<br />

denkt. In diesem Punkt müssen die Pläne korrigiert werden.<br />

Für diese Einschätzung bin ich Ihnen sehr dankbar, aber gilt denn das nicht mindestens ebenso<br />

beim Tiefbahnhof, was dort zu allem Unglück nicht einmal korrigiert werden kann? Barrierefreiheit<br />

und Brandschutz des geplanten Tiefbahnhofs sind eine Karikatur im Vergleich mit den aktuellen<br />

Qualitäten des Kopfbahnhofs. Bei einer Diskussionsveranstaltung zwischen Prof. Bodack und Projektsekretär<br />

Dietrich vom 23.11.2011 erdreistet sich Letzterer allen Ernstes, dem Tiefbahnhof eine<br />

sechsmal so gute Barrierefreiheit zu bescheinigen wie dem Kopfbahnhof. Bei der Nachfrage aus<br />

dem Publikum, wie denn im Katastrophenfall die Hilfsbedürftigen angesichts nicht benutzbarer<br />

Aufzüge nach oben kommen, wusste er nur, dass das irgendwie mit fremder Hilfe erfolgt. „Wo ist<br />

hier das Problem?“ fragt er da noch. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Alten, Behinderten und<br />

Eltern mit Kinderwagen, entspricht aber völlig dem „sachlichen“ Stil der Auseinandersetzung vor<br />

der Volksabstimmung.<br />

Öffnen Sie mindestens beide Augen und erkennen Sie den angerichteten S-21-Globalmurks!<br />

Die Bahn wird seit Jahren systematisch unterwandert von der Automobillobby. Wie Wölfe im<br />

Schafspelz gebärden sich alle Bahnvorstände, die eigentlich aus der Automobilindustrie kommen:<br />

Dürr als trickreicher Bürgertäuscher (siehe Wendlinger Zeitung vom 21.11.2011), Mehdorn, mit<br />

dem nach Ludewig wieder ein Bock zum Gärtner gemacht wurde, und Grube als der große Terminator,<br />

der die Durchsetzungsschwächen seiner Vorgänger im Amte mit eiserner Stirn gegen Wände<br />

jeglichen Werkstoffs zu beantworten gewillt ist. Ludewig war der Einzige, der nicht der Autolobby<br />

(ange-)hörig war. Weil er den Raffgiermaßstäben des Aufsichtsrates nicht gerecht werden<br />

wollte, wurde er vorzeitig entsorgt. Die Führung der Bahn hat heute weder die eisenbahntechnische<br />

Fachkompetenz noch den Willen, Eisenbahnbetrieb als soziale Dienstleistung zu betreiben.<br />

Seit der Privatisierung der Bahn ist sie von einem eisenbahnfeindlichen Virus befallen. Wie beim<br />

Verscherbeln der Wasserversorgungen geht es hier nur noch um Reibachmaximierung. Die infiltrierte<br />

Autolobby ruiniert die innovative Weiterentwicklung der Bahn, sie fault vom Kopfe her.<br />

Während Europa in noch nie da gewesenem Maße Staatspleiten drohen, ist im vergangenen Jahr<br />

endlich eine epochale Weichenstellung erfolgt, nämlich die Entscheidung zum Umstieg auf erneuerbare<br />

Energien. Dass dieser Paradigmenwechsel die Entwicklung einer völlig neuen Energiewirtschaft<br />

erfordert, ist ebenso klar wie der Zwang zur Energieeffizienz. Wenn die Bürger auf ihre geliebten<br />

Glühbirnen verzichten sollen, dann müssen erst recht die öffentlichen Verwaltungen alle<br />

Wege zur Energieeinsparung nutzen. Von dieser Verpflichtung bleiben die S-21-Projekttreiber aber<br />

völlig unbeeindruckt. Die Schienenverkehrswege, die gegenwärtig rund um Stuttgart praktisch<br />

horizontal verlaufen, sollen ersetzt werden durch eine Berg- und Talbahn, die zudem noch in weiten<br />

Bereichen in strömungsungünstigen Tunnelröhren verlaufen. Das kostet alles unnötig Energie.<br />

So wie Ihnen besonders der Filderbereich am Herzen liegt, so ist es bei mir die Schnellbahnstrecke<br />

nach Ulm, die immerhin zwischen unser beider Heimatgemeinden hindurch führen soll. Dieser<br />

Streckenabschnitt spottet jedem vernünftigen Eisenbahnfortschritt und konnte nur durch die erlogenen<br />

Drexlerschen Kaufmannsgüterzüge scheinbar wirtschaftlich gerechnet werden. Inzwischen<br />

dürfte Ihnen so klar sein wie mir, dass die Wendlinger wohl nie von zusätzlichem Güterzuglärm<br />

geplagt werden, die Wirtschaftlichkeit wurde somit dreist erschlichen. Seit fünfzig Jahren fordern<br />

die süddeutschen Eisenbahner eine ertüchtigte Strecke zur Überwindung der Schwäbischen Alb<br />

unter Vermeidung des Nadelöhrs der Geislinger Steige. Und was hat sich die Bahn stattdessen<br />

ausgedacht? Eine sog. Schnellbahnstrecke mit der 150-%igen Steigung der Geislinger Steige! Zudem<br />

ist auch noch der Höhenunterschied um mindestens 150 m größer! Die Energieeffizienz wird hiermit<br />

ad absurdum geführt. Laut Geißler soll genügend Geld für jede Dummheit vorhanden sein, gilt


BRIEF AN RAINER ARNOLD MDB SEITE 3 VON 5 SEITEN<br />

das auch für die Energie? Auf dieser Strecke können keine Güterzüge fahren, außerdem würden<br />

das die Verkehrsträger gar nicht wollen, da unbezahlbar.<br />

Wie soll nun die ganze Misere finanziert werden? Den plötzlichen Meinungsumschwung kurz nach<br />

der Volksabstimmung habe ich schon erwartet – nur nicht von Ihnen, sondern vom Baumeister<br />

Grube, dessen einziges Ziel es ist, Kasse zu machen. Bei der verordneten Volksabstimmung über<br />

Kosten, die den Abstimmenden bis heute vorenthalten werden, wird meiner Ansicht nach die ganze<br />

Regierung vom Bahnchef am Nasenring herumgeführt, obwohl einzig und allein über die gedeckelten<br />

Kosten abzustimmen war. Der Kostendeckel begrenzt den Finanzierungsbeitrag des Landes<br />

zu einem Projekt der Bahn. Wenn die Bahn schlecht wirtschaftet, soll sie als Bauherrin das Risiko<br />

tragen und nicht das Land. Wer in der Ehe misswirtschaftet, hat auch keinen Anspruch auf nachträglich<br />

aufgestockte Hochzeitsgeschenke. Der Kostendeckel wurde daher wohlweislich von beiden<br />

Regierungsparteien als Sicherheit in die Koalitionsvereinbarung eingebaut, denn die Regierung<br />

ist verpflichtet, Schaden vom Land zu wenden. Und das gilt nach der Volksabstimmung ebenso<br />

wie davor.<br />

Zitat:<br />

Diese Argumente sind meiner Ansicht nach von so großer Bedeutung, dass<br />

man angesichts dessen den Kostendeckel im Interesse der betroffenen Be‐<br />

völkerung nicht zur heiligen Kuh erklären kann.<br />

Dass S 21 nicht zu den geplanten Kosten gebaut werden kann, war für Grube gleich nach der<br />

Volksabstimmung sonnenklar, nur vorher hat er das seltsamerweise nicht gemerkt. Und Sie tun es<br />

ihm jetzt gleich. Wer eine Ware anbietet, die mit Mängeln behaftet ist, muss auf eigene Kosten für<br />

Nachbesserung sorgen, das weiß jeder Handwerker. Das unternehmerische Risiko darf doch nicht<br />

auf den Kunden abgewälzt werden. Wenn Grube den vereinbarten Kostenrahmen sprengt, muss er<br />

eben die Kuh auf eigene Kosten schlachten – oder den Deal zurückgeben.<br />

Ihr Brief erweckt den Eindruck, als ob allein die Reparatur des Fildermurkses den vereinbarten Kostendeckel<br />

sprengte. Davon kann keine Rede sein. Der Deckel wird von allen notwendigen Murks-<br />

Nachbesserungen gemeinsam noch weiter angehoben – aber gesprengt ist er schon längst! Gesprengt<br />

ist er schon seit Jahren, und nur der Maulkorb Günther Oettingers für seine Beamten hat<br />

dieses Faktum im Safe verschwinden lassen. Durch all den noch mit Geld behebbaren Murks wird<br />

der Kostendeckel weiter angehoben, und die Teuerung sowie die aufkommenden technischen<br />

Risiken im Laufe der gigantischen Bauzeit werden ihn ins Uferlose treiben.<br />

Zitat:<br />

Es geht aber nicht darum, den Kostendeckel prinzipiell und ohne Maß und<br />

Ziel anzuheben. Vielmehr geht es um zumindest teilweise unabdingbare Maß‐<br />

nahmen, die zu qualitativen Verbesserungen führen und deshalb nicht einer<br />

Deckelung zum Opfer fallen dürfen.<br />

Wehret den Anfängen. Wer schon von einem unumkehrbaren Projekt spricht, wenn es noch nicht<br />

einmal begonnen hat, der handelt erst recht zwanghaft, wenn die Spielschulden über ihm zusammenzuschlagen<br />

drohen, zumal für jede Dummheit ja die Steuerzahler gerade stehen. Wodurch<br />

werden denn Maß und Ziel in den nächsten 20 Jahren bestimmt? Genau dieses verbindliche Maß<br />

und Ziel wollten die Bürger vor der Volksabstimmung wissen – und wissen es heute noch nicht.<br />

Zitat:<br />

Wer allerdings immer noch glaubt, über eine Anhebung des Kostendeckels<br />

Stuttgart 21 verhindern zu können, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt<br />

– oder nicht erkennen wollen.


BRIEF AN RAINER ARNOLD MDB SEITE 4 VON 5 SEITEN<br />

Wie sagte Ulbricht: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Dabei war sie in seinem<br />

Kopf schon fertig. Ebenso ist in den Köpfen der Projekttreiber der Kostendeckel längst geplatzt.<br />

Mit der bisher stets erfolgreichen Methode, Projekte auf Murks-Niveau zu kalkulieren, um hinterher<br />

den Geldgeber mit Nachforderungen für die notwendigen Verbesserungen zu erpressen, muss endgültig<br />

Schluss sein, zumal hier die gigantische Größenordnung der Projektkosten leicht zur finanziellen<br />

Agonie der Kostenträger (im Wesentlichen der Stadt!) führen kann.<br />

Die Zeichen der Zeit haben viel mehr jene nicht erkannt, die meinen, ihr von der Denke her 20 Jahre<br />

altes und damit total veraltetes und trotzdem noch unfertiges Projekt in blinder Nibelungentreue<br />

unverändert durchziehen zu können, ohne die epochalen Veränderungen in unserer Gesellschaft<br />

zur Kenntnis zu nehmen. Solche Weltentrücktheit kann sich nur leisten, wer heute von dieser<br />

Dummheit profitiert und am Ende nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden kann.<br />

Sie sind der einzige klarsichtige S-21-Befürworter in der <strong>SPD</strong>, der sich nicht scheut, die Planungsfehler<br />

öffentlich anzuprangern, das rechne ich Ihnen hoch an. Aber der konsequente kleine Schritt in<br />

die richtige Richtung fehlt noch. Damit die zweifellos notwendigen Verbesserungen für den Nahverkehr<br />

im Filderbereich finanzierbar sind, muss jeglicher Kostenballast abgeworfen werden, der<br />

zur Sprengung des Kostendeckels beiträgt. Kann das Projekt im vorgesehenen Kostenrahmen nicht<br />

realisiert werden, so ist es qualifiziert abzuschließen, so steht es im Finanzierungsvertrag. Die Volksabstimmung<br />

war eine einseitige Farce, sie aber jetzt noch hochzustilisieren zu einer Willensbekundung<br />

des Bürgers, das Projekt zu Open-End-Kosten durchzusetzen, ist pervers.<br />

Setzen Sie bitte Ihre Kompetenz dazu ein, den Spuk zu beenden, bevor er uns an den Bettelstab<br />

bringt. Wirken Sie auf Ihre Partei ein, Vernunft anzunehmen und sich von der Drexlerschen Geiselhaft<br />

loszusagen. Setzen Sie sich für Vernunft und für Maß und Ziel ein, und lassen Sie uns ein innovatives<br />

Nahverkehrssystem verwirklichen, das dem Bürger nützt und nicht den Immobilienspekulanten.<br />

Alternative Modelle hierzu gibt es neben Ihren Vorschlägen noch genügend, ich füge Ihnen als<br />

Mailanhänge beispielhaft zwei Aufsätze von Bodack (Bahnzukunft für Baden-Württemberg …) und<br />

Arnoldi (Einbindung des Flughafens Stuttgart …) bei, die sich besonders mit der Filderproblematik<br />

beschäftigen. Verschaffen Sie Sach- und Fachargumenten in Ihrer Partei die gebührende Anerkennung,<br />

nachdem sie bei der Schlichtung lediglich als Feigenblatt einer angeblich ergebnisoffenen<br />

Diskussion herhalten mussten. Die große Zahl von Bahnfachleuten unter den Projektgegnern wurde<br />

bei der Schlichtung als Statisten missbraucht, das war von vorn herein ein abgekartetes Spiel.<br />

Wenn das die Zukunft des Expertenwesens in Deutschland ist, dass objektive Fachurteile nicht<br />

mehr mit Verstand gewürdigt werden dürfen, dann gute Nacht.<br />

Zitat:<br />

Und mir war es dabei – unter Berücksichtigung aller Schwierigkeiten, die<br />

bei der Realisierung eines solchen Großprojektes entstehen – immer wich‐<br />

tig, die Chancen, die das Projekt Stuttgart 21 gerade auch für den Regio‐<br />

nalverkehr bringt, nicht aus den Augen zu verlieren!<br />

Erstens bringt S 21 für den Nahverkehr unter dem Strich kaum Vorteile, denn die Nachteile sind<br />

ebenso groß. Zweitens – und das ist viel wichtiger – ist die Behauptung, S 21 sei die Voraussetzung<br />

für die Weiterentwicklung des Nahverkehrs, eine der vielen Lügen wie die Ausstiegslüge. So<br />

wie die Elektrifizierung der Südbahn angeblich die direkte Folge von S 21 ist, aber gleich nach der<br />

Volksabstimmung wieder kassiert wurde, genauso unwahr ist auch die Koppelung von S 21 und<br />

Nahverkehr. Umgekehrt wird ein Schuh draus: S 21 soll als Rechtfertigung dafür herhalten, dass<br />

die Region bisher die Weiterentwicklung des Nahverkehrs schlicht verpennt hat. Statt sich in Größenwahnphantasien<br />

zu ergehen, wäre sie gut beraten gewesen, das Netz zum Vorteil der Berufspendler<br />

auszubauen, denn das ist seine Aufgabe. So wie die S-Bahn nach Kirchheim dreißig Jahre<br />

Bedenkzeit gebraucht hat, bekommt die Region andere, wesentlich notwendigere Nahverkehrserweiterungen<br />

nicht auf die Reihe, zum Beispiel:


BRIEF AN RAINER ARNOLD MDB SEITE 5 VON 5 SEITEN<br />

• Dass das hoch industrialisierte Filstal bisher ohne S-Bahn ist, ist eine Schande, und vom Neckartal<br />

ab Wendlingen aufwärts ganz zu schweigen.<br />

• Die zuerst aufgelassene, dann vermisste Schienenverbindung von Weil der Stadt nach Calw hat<br />

eine positive Rentabilitätsprognose und kommt trotzdem nicht.<br />

• Die Anbindung der Industriezentren östlich des Remstals an den Nahverkehrs- und Wirtschaftsraum<br />

Stuttgart ist meines Wissens noch nicht einmal einer Erwähnung wert gewesen.<br />

• Die Weiterführung der S-Bahn von Bernhausen nach Neuhausen ist von S 21 absolut unabhängig<br />

und wäre ohne großen Aufwand und mit sicherer Auslastung möglich.<br />

• Eine dringend gebotene Fortsetzung der S-Bahn von Neuhausen ins Neckartal kann ebenfalls<br />

angegangen werden ohne S 21, denn eine Zusammenlegung mit der diskutierten Schnellbahnstrecke<br />

entlang der Autobahn verbietet sich ohnehin, erstens damit nicht die gleiche Verflechtung<br />

ungleicher Verkehrssysteme eintritt wie beim Fildermurks am Flughafen, zweitens weil der<br />

Nutzen der S-Bahn zwischen Neuhausen und Wendlingen gleich Null ist. Eine Weiterführung<br />

über Wolfschlugen und Grötzingen nach Neckartailfingen und dort Anschluss an die Neckartalbahn<br />

erschlösse dagegen gleich drei Industriegebiete und ausgedehnte Wohngebiete.<br />

Helfen Sie mit, von der Bahn endlich Kostenwahrheit zu verlangen und das Projekt notfalls wie im<br />

Finanzierungsvertrag vorgesehen geordnet zu beenden. Für einen Teil der gesparten gigantischen<br />

Summen muss der Nahverkehr energisch vorangetrieben werden, sowohl auf den Fildern als auch<br />

im ganzen Land. Angeblich ist der Süden der wirtschaftlich erfolgreichste Teil Deutschlands, aber<br />

merkwürdigerweise haben wir in Stuttgart das mickrigste Verbundnetz von allen Großstädten, und<br />

das darf nicht sein.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

<strong>Wolfgang</strong> <strong>Rieger</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!