Zuhause unter Fremden - Azubis im Jugendwohnheim
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SPIESSER TICKT<br />
Donnerstag, 12. Juni 2008 10:16<br />
<strong>Zuhause</strong> <strong>unter</strong> <strong>Fremden</strong> - <strong>Azubis</strong> <strong>im</strong> Jugendwohnhe<strong>im</strong><br />
Für einen Ausbildungsplatz in eine andere Stadt zu gehen, ist heute normal. Doch mit der<br />
Mobilität kommen die Fragen: Wo komme ich <strong>unter</strong>? Wie bezahle ich das? Wie krieg ich da<br />
Anschluss? Für viele <strong>Azubis</strong> sind Jugendwohnhe<strong>im</strong>e die Antwort. Die Nachfrage wächst. Das<br />
Image hinkt noch hinterher<br />
Ich finde es gut, dass ich jemanden da<br />
habe, der ein bisschen älter ist und<br />
mir helfen kann. Die Betreuer sind<br />
nicht so wie Eltern, eher so wie große<br />
Geschwister. Michael, 17, lernt<br />
Konstruktionsmechaniker<br />
Auswärts <strong>Zuhause</strong><br />
Auf der Internetseite auswaertszuhause.de<br />
sind Deutschlands<br />
Jugendwohnhe<strong>im</strong>e aufgelistet<br />
Im langen Flur <strong>im</strong> dritten Stock hängen Poster von Marilyn<br />
Monroe, Homer S<strong>im</strong>pson und der Mona Lisa. Wie <strong>unter</strong>schiedlich<br />
die Jugendlichen sind, die <strong>im</strong> Jugendwohnhe<strong>im</strong> Salesianum in<br />
München einen Platz gefunden haben, lässt sich erahnen.<br />
Der erste Eindruck bestätigt sich schnell, die Bewohner kommen<br />
aus Hof, Lübeck oder Magdeburg, manche sind gerade 15<br />
geworden, andere feiern ihren 20. Geburtstag. Aber alle haben ein<br />
gemeinsames Ziel: den erfolgreichen Abschluss einer<br />
Berufsausbildung in München.<br />
Die Berufsberater predigen Mobilität<br />
"An meinen ersten Tag hier kann ich mich noch gut erinnern",<br />
erzählt Michael, 17, der Konstruktionsmechaniker werden will.<br />
Ich hatte schon Bammel, vor allem wegen der anderen<br />
Mitbewohner.<br />
Die Nachfrage nach Wohnhe<strong>im</strong>plätzen für <strong>Azubis</strong> wächst. Kein<br />
Wunder, denn die Berufsberater in den Arbeitsagenturen<br />
predigen Mobilität, und für ihre Wunschausbildungen nehmen<br />
viele Jugendliche weite Entfernungen in Kauf.<br />
Es gibt einige Dinge, die man beachten sollte, wenn man sich für<br />
ein Jugendwohnhe<strong>im</strong> entscheidet. In großen Wohnhe<strong>im</strong>en ist das<br />
Freizeitangebot oft besser, kleine Wohnhe<strong>im</strong>e können eher ein<br />
familiäreres Umfeld bieten. Nicht zu vergessen: Die<br />
Ausbildungsstelle sollte gut und schnell erreichbar sein.<br />
Wenn es in der Ausbildung mal nicht so gut läuft<br />
"Wir legen großen Wert darauf, dass die <strong>Azubis</strong> nicht nur ein Bett und was zu Essen haben, auch der<br />
Rest muss st<strong>im</strong>men", sagt Salesianum- Chef Pater Ewald Häusler SDB. Mit Rest meint er einen<br />
Ansprechpartner, der hilft, wenn es in der Ausbildung mal nicht so gut läuft.<br />
Die <strong>Azubis</strong> sind in Gruppen von 20 bis 30 Leuten in einem Wohnkomplex aufgeteilt. Jede Gruppe hat<br />
einen Betreuer. "Ohne die würde hier gar nichts laufen", sagt Michael. "Sie helfen uns, schauen, dass<br />
wir uns um unsere Ausbildung kümmern und solche Sachen. Die Betreuer sind dabei nicht wie Eltern,<br />
eher wie große Geschwister."
Das Essen hier ist nicht schlecht, aber<br />
wenn ich es mit Dahe<strong>im</strong> vergleiche,<br />
fehlt mir doch etwas. Lydia, 17, macht<br />
eine Ausbildung zur Kauffrau <strong>im</strong><br />
Einzelhandel<br />
Jugendwohnhe<strong>im</strong> Salesianum<br />
www.salesianum.de<br />
kann, schaff ich das auch."<br />
Ich würde meiner besten Freundin<br />
empfehlen, in einem<br />
Jugendwohnhe<strong>im</strong> zu wohnen.<br />
Ricarda, 17, will Uhrmacherin werden<br />
Gewinnen!<br />
Wir verschenken das Buch "Uni-<br />
Angst und Uni-Bluff heute" und den<br />
aktuellen Jobguide Praktikum von<br />
Matchboxmedia und hunderte andere<br />
Gewinne<br />
Auf zwei Sportplätzen können die <strong>Azubis</strong> Basketball und Fußball<br />
spielen, außerdem gibt es eine Kegelbahn, ein Fitnessstudio,<br />
Billardtische und ein Schw<strong>im</strong>mbad.<br />
Eine der Regeln ist: Kein Lärm nach 23 Uhr.<br />
"Wenn ich gegen 16 Uhr von der Arbeit komme, gibt es erst mal<br />
Kaffee, danach Fernsehen, Sport oder ich geh einfach in die<br />
Stadt. Ab 18 Uhr wird gegessen, danach können wir machen, was<br />
wir wollen", erzählt Michael vom Alltag <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>.<br />
Bemuttert fühlt Michael sich nicht: "Eigentlich darf man hier<br />
alles, wenn man sich an ein paar Grundregeln hält." Eine dieser<br />
Regeln ist: Kein Lärm nach 23 Uhr.<br />
Seit Herbst 2007 gibt es auch Mädchen <strong>im</strong> Salesianum.<br />
Inzwischen wohnen hier 430 Jungs und 23 Mädchen. "Ein echtes<br />
Paradies", grinst Martina, 17. Sie macht eine Ausbildung zur<br />
Zahnmedizinischen Fachangestellten. Aber Jungs und Mädels<br />
wohnen getrennt.<br />
Die Zweifel vom ersten Tag sind bei Michael verschwunden.<br />
Mittlerweile ist er <strong>im</strong> zweiten Lehrjahr: "Mein Vater ist damals<br />
auch nach München in die Lehre gegangen. Und wenn der das<br />
In Deutschland gibt es etwa 600 Jugendwohnhe<strong>im</strong>e. Das<br />
größte hat 460 Plätze, das kleinste nur zehn Betten.<br />
Jugendwohnhe<strong>im</strong>e bieten nicht nur die Unterkunft sondern<br />
auch Verpflegung und pädagogische Betreuung für <strong>Azubis</strong>, die<br />
nicht zu Hause wohnen können.<br />
Andreas Finke vom Webportal Auswärts <strong>Zuhause</strong><br />
bekommt viele Anfragen nach Plätzen: "Meistens wird dort<br />
gesucht, wo es wirtschaftlich gut läuft, wo Unternehmen und eben<br />
auch Ausbildungsplätze sind." Das neueste Wohnhe<strong>im</strong> wurde in<br />
Erfurt eröffnet.<br />
Was kostet das? Da will sich Finke nicht festlegen lassen:<br />
"Jedes Wohnhe<strong>im</strong> macht seine eigenen Preise." Die Kosten<br />
würden aber <strong>im</strong>mer <strong>unter</strong> der ortsüblichen Miete einer Wohnung<br />
liegen. Die Arbeitsagenturen geben Geld dazu. Offiziell heißt das<br />
Berufsausbildungsbeihilfe. Die Höhe hängt vom Einkommen der<br />
Eltern ab, der Azubi muss die Beihilfe beantragen. Im Münchner<br />
Salesianum zahlen die <strong>Azubis</strong> 550 Euro <strong>im</strong> Monat. Im<br />
Jugendwohnhe<strong>im</strong> in Leipzig kostet der Monat 300 Euro. Mit<br />
allem drum und dran: Vollpension, Freizeitangeboten und<br />
Betreuung.
Wenn ich keinen Bock auf die<br />
anderen habe, kann ich mich auch auf<br />
mein Z<strong>im</strong>mer verziehen. Martina, 17,<br />
wird Zahnmedizinische<br />
Fachangestellte<br />
© 2008 SPIESSER<br />
Die Personalabteilungen hören gern, wenn Bewerber <strong>im</strong><br />
Gespräch erzählen, dass sie in einem Jugendwohnhe<strong>im</strong> wohnen.<br />
Das Risiko, dass der neue Azubi nach drei Monaten seine Lehre<br />
wegen He<strong>im</strong>weh oder Fremdeln abbricht, ist dann einfach<br />
geringer, sagt Finke.<br />
Als zentrale Anlaufstelle bei der Suche nach<br />
Jugendwohnhe<strong>im</strong>en gibt es die Internetseite auswaertszuhause.de.<br />
Im Mai wurde sie aufgemöbelt. Als nächster Schritt<br />
sollen alle 600 Jugendwohnangebote in Deutschland da zu finden<br />
sein. Viele sind es jetzt schon.<br />
Text: Franziska Fassbinder, Fotos: Marcus Lechner