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Die Orange #2 - Domschule Schleswig

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56<br />

19.Oktober<br />

Mit der Bahn bis zum<br />

Hauptbahnhof, vier Stunden Fahrt, dann mit<br />

dem Taxi zum Prenzlauer Berg in die gebuchte<br />

Ferienwohnung, zu Fuß knapp fünfzehn Minuten<br />

bis zum Alex. Als wir (das heißt: meine Eltern,<br />

meine Schwester und ich) bei der genannten<br />

Adresse ankommen, entpuppt sich das<br />

ehemalige Arbeiterviertel als grundsanierte<br />

Wohngegend, für eine Woche Urlaub gut, für<br />

längere Zeit okay.<br />

Niemand ist da, die Vermietern ist nicht<br />

pünktlich, sodass wir Zeit haben, die ersten<br />

Impressionen einer Großstadt auf uns wirken zu<br />

lassen, erste Erkenntnis meinerseits: Berlin ist<br />

größer als <strong>Schleswig</strong>. Und es sieht besser aus;<br />

dafür dass ich es bisher nur aus dem Kriegsfilm<br />

"Der Untergang" gekannt hatte.<br />

Dann kommt sie doch. Sie entschuldigt sich und<br />

führt uns zu unserer Wohnung in einem<br />

Hinterhof. Zweite Erkenntnis meinerseits: Hier<br />

wurde also der "Untergang" gedreht.<br />

<strong>Die</strong> Kabel hängen aus der Hauswand, zwei von<br />

vier Wohnungen scheinen unbewohnt. Ein<br />

Kompliment an den Architekten - dieses Haus<br />

muss seit Jahrhunderten hier stehen.<br />

Dann die Wohnung: "Das ist unsere Uschi",<br />

meint die Vermietern. Uschi nimmt keine Notiz<br />

von uns, sondern putzt schnell weiter.<br />

"Hier schlafen Sie.... hier die Kinder, meine<br />

Nummer haben Sie ja" - sie geht. Uschi geht<br />

auch.<br />

Kurzer Besuch der Hakkeschen Höfe am Abend.<br />

Dann ist es Nacht über Berlin.<br />

20.Oktober<br />

Mängelliste zusammengestellt und nochmals bei<br />

der Vermieterin angerufen:<br />

Teppich verdreckt, Möbel kaputt, Essensreste<br />

unter dem Bett, kaputte Heizung, vom Staub<br />

verstopfter Ablüfter, eine nicht abschließbare<br />

Haustür, verschimmelte Wände, eine<br />

Klospülung ... die immer spült - immer; ein<br />

Wasserhahn, aus dem kein Wasser kam; eine<br />

Klobürste, die zur Wende angeschafft worden<br />

schien ... oder irgendwann davor (Berlin ist 800<br />

Jahre alt).<br />

Vermietern kommt, sieht und gibt zu :"Also wenn<br />

man das aus der Sicht des Mieters sieht..." und<br />

erstattet viel Geld zurück.<br />

Am Mittag fahren wir ins Kaufhaus des Westens.<br />

Eine Bastion der Dekadenz, die da Mitten in<br />

Berlin unermüdlich Menschen von der Straße<br />

zerrt und in ihren Rachen wirft.<br />

Wenn man als gutbürgerlicher Normalverdiener<br />

erst mal drin ist, will man auch gerne wieder<br />

A TRIP TO BERLIN<br />

Ein Kurzurlaub in unsere wunderschönen Hauptstadt<br />

<strong>Orange</strong> <strong>#2</strong> Winter 2009<br />

raus - Restaurants:<br />

voll, Restaurant-<br />

Preise: exorbitant.<br />

Deswegen essen wir nebenan im KaDeWe für<br />

Arme (Karstadt). Neben uns wickeln zwei<br />

fürsorgliche Mütter ihre Babys auf dem<br />

Restaurant-Tisch.<br />

Dann Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, die gar<br />

nicht an Kaiser Wilhelm denkt, sondern an den<br />

Krieg erinnern soll, weil das Dach nach der<br />

Zerbombung nicht wieder aufgebaut wurde.<br />

Immerhin stand Bruno Ganz schon mal als<br />

Engel drauf.<br />

Auf dem Weg zum Brandenburger-Tor dann ein<br />

kurzer Abstecher zum Holocaust-Mahnmal. Ich<br />

bin skeptisch: viel Beton; wenn man sich auf die<br />

kleineren Blöcke am Eingang draufsetzt, wird<br />

die Hose dreckig. Ich betrete das Labyrinth der<br />

Stehlen und bin sehr beeindruckt. Ein Gefühl<br />

des nicht endenden Gefangenseins, etwas sehr<br />

Beklemmendes. Sehr empfehlenswert.<br />

Das Brandenburger Tor ist dann, wenn man<br />

darunter steht, irgendwie doch nicht so groß und<br />

beeindruckend, aber einige nette Soldaten von<br />

der russischen Armee (die Verkleidung sieht<br />

verblüffend echt aus) warten auf der anderen<br />

Seite; man kann sich mit ihnen fotografieren<br />

lassen. Kein Wunder, dass der Ost-Block bei<br />

dieser Truppenmoral zerfallen ist.<br />

Abends ist auf dem Alexander-Platz noch immer<br />

so viel los, wie am Tage. Ein karibisch<br />

anmutender Musiker sitzt zwischen den<br />

Passanten und spielt immer mehrere<br />

Instrumente gleichzeitig - eines davon konnte<br />

ich als Didhgeridoo identifizieren, ein anderes<br />

war eine Art Xylophon. Ansonsten benutzte er<br />

noch eine Säge und eine Menge Luftballons.<br />

Berlin ist eine Kulturstadt - musikalisch könnte<br />

sie <strong>Schleswig</strong> mit seinen Jürgen Drews -<br />

Konzerten beinahe Konkurrenz machen.<br />

21.Oktober<br />

Rauf auf den Fernsehturm. Während wir eine<br />

Stunde in der Schlange anstehen, klettert<br />

jemand am Seil die gläserne Außenwand eines<br />

Hochhauses hoch. Nach dem Fernsehturm<br />

Besichtigung des Pergamonmuseums (für den<br />

humanistisch gebildeten Domschüler essentiell).<br />

Wobei das Museum einen Abstecher wert ist,<br />

denn im Gegensatz zu heimischen Museen, wo<br />

man sich Modelle und Zeichnungen der antiken<br />

Städte ansehen kann, sind die antiken Städte<br />

dort tatsächlich nachgebaut. So ist es vom<br />

Pergamon-Altar bis zum Ischtar-Tor nur ein<br />

Katzensprung.<br />

Am Abend sind alle erschöpft und es liegt eine<br />

gewisse Spannung in der Luft, zumal wir uns<br />

nicht einig werden, welches Verkehrsmittel das<br />

günstigste ist, um wieder in die Wohnung zu<br />

kommen. Als wir endlich mit der U-Bahn in

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