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Heilung – Wunsch oder Wirklichkeit? - Grüner Kreis

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forTsETZunG von sEiTE 6<br />

Opioidabhängigen (Zanki, 2010), die über die<br />

Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie/MUW<br />

durchgeführt wurde, hat<br />

gezeigt, dass Betroffene eine Therapie positiv<br />

bewerteten, wenn sie an ihre individuellen<br />

Bedürfnisse angepasst war, aus medizinischer,<br />

pharmakologischer und psychosozialer Betreuung<br />

bestand, wobei erst Fortschritte im<br />

sozialen Bereich zur Akzeptanz und positiven<br />

Bewertung der Opioiderhaltungstherapie<br />

führten. Fehlende psychosoziale Betreuung<br />

(p=0,0072), fehlende soziale Kontakte mit<br />

FreundInnen (p=0,0105) und Vorliegen krimineller<br />

Aktivitäten (p=0,0074) wurden als<br />

Prädiktoren für den illegalen Drogenkonsum<br />

in der Therapie eruiert. Man kann daraus<br />

schließen, dass Bemühungen Richtung sozialer<br />

Reintegration der suchtkranken PatientInnen<br />

die Reduktion des Drogenkonsums<br />

beeinflussen und in Folge zur Zufriedenheit<br />

mit der Therapie beitragen. Die erfasste Unzufriedenheit<br />

mit der Therapie, die zum Abbruch<br />

geführt hat, wurde durch die schlechte Qualität<br />

der Gespräche und das Gefühl, die Hilfe<br />

nicht bekommen zu haben, die man gesucht<br />

hat, beeinflusst. Diese Ergebnisse aus der Praxis<br />

scheinen neurowissenschaftlich begründbar<br />

zu sein. Über gute Erfahrungen, die PatientInnen<br />

in der Erhaltungstherapie machen,<br />

schaffen sie es, ihr problematisches Verhalten<br />

in den Griff zu bekommen, und gewinnen an<br />

Lebensqualität. Eine Auseinandersetzung<br />

mit dem Menschen in seiner individuellen<br />

biographischen Situation ist unerlässlich, um<br />

Sucht umfassend betrachten und behandeln<br />

zu können. Eine Voraussetzung dafür ist ein<br />

multiprofessioneller Zugang. Als wesentliche<br />

Erfolgsparameter einer Erhaltungstherapie<br />

können physische Rehabilitation (gesundheitliche<br />

Stabilisierung), soziale/berufliche<br />

Reintegration und Stabilisierung, Ausstieg<br />

aus der Beschaffungskriminalität und Abkehr<br />

vom illegalen Drogenmarkt, Erwerb von Copingstrategien<br />

bzw. Verbesserungen im Umgang<br />

mit Stress betrachtet werden.<br />

Eine Sonderstellung in der Gruppe substanzabhängiger<br />

PatientInnen nehmen gravide<br />

Frauen und junge Mütter ein, die einer besonders<br />

engmaschigen, multidisziplinären<br />

und einfühlsamen Betreuung bedürfen. Mit<br />

Interventionen, die an gravide Frauen gerichtet<br />

sind, tragen wir gleichzeitig die Verantwortung<br />

für die Entwicklung der Neugeborenen. In stabilisierender<br />

Erhaltungstherapie können wir<br />

einen Beitrag für eine positive Erfahrungswelt<br />

und Gestaltung der Mutter-Kind-Beziehung<br />

leisten. Im Sinne der neuesten neurowissen-<br />

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Adinoff, B. (2004). Neurobiologic Processes in<br />

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reward learning, or incentive salience? Brain<br />

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Wien: Facultas Verlag.<br />

Hyman SE. (2005). Addiction: a disease of<br />

learning and memory. American Journal of<br />

Psychiatry, 162(8), 1414-22.<br />

schaftlichen Erkenntnisse sollen wir jede uns<br />

zur Verfügung stehende Möglichkeit nutzen,<br />

um unseren PatientInnen gute Erfahrungen<br />

zu ermöglichen, an denen sie merken, dass uns<br />

ihre Bedürfnisse wichtig sind. Unsere opioidabhängigen<br />

Mütter mit Kindern haben viel<br />

Freude am gemeinsamen Aufenthaltsraum<br />

und Spielraum, den wir für sie in der Drogenambulanz<br />

gestaltet haben.<br />

univ. Prof. Dr. Gabriele fischer<br />

Universitätsklinik für Psychiatrie und<br />

Psychotherapie<br />

Medizinische Universität Wien<br />

Währinger Gürtel 18-20<br />

A-1090 Wien<br />

Tel.: +43 (0)1 40400-2116<br />

Fax: +43 (0)1 40400-3629<br />

gabriele.fischer@meduniwien.ac.at<br />

www.meduniwien.ac.at<br />

grünerkreiserfolg grünerkreiseinrichtungen in der suchttherapie |<br />

Hyman SE, Malenka RC & Nestler EJ. (2006).<br />

Neural mechanisms of addiction: the role of<br />

reward-related learning and memory. Annual<br />

Reviews of Neuroscience, 29, 565-98.<br />

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Basis of Addiction: A Pathology of Motivation<br />

and Choice. American Journal of Psychiatry,<br />

162 (8), 1403-1413.<br />

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and neurobiology of addiciton: an incentivesensitization<br />

view. Addiction, 95(2), 91-117.<br />

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gelten? In: Batthyány D. & Pritz A. (Hrsg)<br />

Rausch ohne Drogen. Substanzungebundene<br />

Süchte. Springer, Wien New York, S. 19-45.<br />

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Von der Goltz C & Kiefer F. (2009). Learning<br />

and memory in the aetiopathogenesis of addiction:<br />

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Zanki, M. (2010). Hochrisikoopioidabhängige.<br />

Akzeptanz gegenwärtiger Therapieangebote bei<br />

Betroffenen. VDM Verlag Dr. Müller<br />

TexT: univ. Prof. Dr.<br />

GaBriELE fisChEr,<br />

fachärZTin für PsychiaTrie<br />

UnD neUroLoGie,<br />

LeiTerin Der DroGenaMbULanZ,sUchTforschUnG<br />

UnD ­TheraPie<br />

Der UniVersiTäTskLinik<br />

für PsychiaTrie UnD<br />

PsychoTheraPie an Der<br />

MeDiZinischen UniVersiTäT<br />

iM aLLGeMeinen<br />

krankenhaUs in Wien;<br />

mmaG. maLGorZaTa<br />

ZanKi, kLinische<br />

PsychoLoGin UnD<br />

GesUnDheiTsPsychoLo­<br />

Gin, WissenschafTLiche<br />

MiTarbeiTerin an Der<br />

UniVersiTäTskLinik<br />

für PsychiaTrie UnD<br />

PsychoTheraPie an Der<br />

MeDiZinischen UniVersiTäT<br />

Wien.<br />

foTos: univ. Prof.<br />

Dr. GaBriELE fisChEr,<br />

mmaG. maLGorZaTa<br />

ZanKi, ruDi frÖsE,<br />

WoMan<br />

sommer 2010 7

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