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Standpunkt - Schutzgemeinschaft Filder

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40 JAHRE<br />

und kein<br />

bisschen<br />

leiser<br />

40 Jahre <strong>Schutzgemeinschaft</strong> FILDER e.V.<br />

Eine Denk-Schrift 1967 – 2007<br />

Kostenbeitrag: 2,50 Euro<br />

Illustration F. Groß


40 Jahre <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong>, so alt ist keine andere<br />

Umwelt-Bürgerinitiative in Deutschland. Liegt es daran, dass<br />

wir zäher sind, unbeugsamer als alle anderen? Oder liegt<br />

es daran, dass das, was wir schützen wollen, die <strong>Filder</strong>ebene,<br />

von so herausragender Einzigartigkeit ist?<br />

<strong>Filder</strong> heißt Felder – die metertiefen, steinlosen Lössböden<br />

sind von weltweit außergewöhnlicher Fruchtbarkeit. Unsere<br />

bäuerlichen Betriebe schauen auf eine über tausendjährige<br />

Geschichte zurück. Sie versorgen nicht nur unsere Märkte<br />

vor Ort, sondern den gesamten Großraum Stuttgart mit<br />

Getreide, Rüben, Salat und Gemüse – und eben auch mit<br />

dem besonderen <strong>Filder</strong>spitzkraut.<br />

Die <strong>Filder</strong> waren in schlechten Zeiten gefragt, in neueren,<br />

guten Zeiten dagegen werden sie missbraucht. Für unsere<br />

geschichtslosen „Macher“ sind die herrlichen, ebenen und<br />

steinfreien Böden ideale Voraussetzungen, um Großprojekte<br />

zu planen.<br />

Alles begann 1967, als die Landesregierung und der Flughafen<br />

eine gigantische Zerstörung der <strong>Filder</strong>ebene planten.<br />

Die fruchtbaren Äcker sollten unter dem Beton eines<br />

Großflughafens verschwinden. Man dachte an zwei riesige<br />

Parallelstartbahnen und eine dritte, schräg in Richtung Vaihingen<br />

gelegt, da wo heute die Messe steht.<br />

Das war die Geburtsstunde der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> und<br />

auch des Kommunalen Arbeitskreises <strong>Filder</strong>, in dem sich die<br />

von den Flughafenplänen betroffenen Kommunen zusammengeschlossen<br />

haben.<br />

2<br />

Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong>smitglieder,<br />

Seither kämpfen Bürgerinnen und Bürger um den Erhalt<br />

unserer <strong>Filder</strong>. Ein Projekt jagt das nächste: Autobahnausbau-<br />

und verlegung, Startbahnverlängerung, neue Gewerbe-<br />

und Wohngebiete, Straßenbauten, Luftfrachtzentrum<br />

und schließlich die Großmesse.<br />

Die Messe war noch nicht gebaut, da wurde bereits von<br />

einer Westerweiterung des Flughafens, einer Schnellbahntrasse<br />

mit unterirdischem Bahnhof und jetzt sogar von<br />

einer zweiten Start-und Landebahn gesprochen.<br />

Menschen stoßen zur <strong>Schutzgemeinschaft</strong>, weil sie sich ganz<br />

persönlich durch ein Projekt bedroht fühlen, sei es durch<br />

mehr Lärm und Abgase, durch den Wertverlust ihres<br />

Häuschens usw.<br />

Viele davon beschäftigen sich seitdem immer intensiver<br />

auch mit grundsätzlichen Fragen zum Verkehr und zum<br />

Fliegen, zur Gesundheit, zur Ernährung, zum Naturschutz,<br />

ja bis hin zu Fragen des Wachstums oder der Klimaveränderung.<br />

Es bildeten sich Fachleute heraus, die den Gutachtern<br />

in den Verfahren nicht nur Paroli bieten konnten,<br />

sondern sogar oft überlegen waren, da sie die Gesamtzusammenhänge<br />

herausarbeiteten und nicht im Fachidiotentum<br />

hängen blieben. Sie stellten die Frage, was einmal<br />

unseren Kindern dienen wird und nicht die Frage, was<br />

heute kurzfristige Gewinne bringt.<br />

Wir sind auf engagierte Bürgerinnen und Bürger und auf<br />

ihr spezifisches Wissen und ihre Erfahrungen angewiesen,<br />

auf Menschen mit langem Atem.<br />

Wir arbeiten eng zusammen mit den Kommunen, mit<br />

Vereinen, mit politischen Gruppen und Kirchen, mit dem<br />

Aktionskreis und den Landwirten, Naturschützern, mit<br />

Professoren, Rentnern und Schülern …<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> ist so wichtig wie<br />

eh und je.<br />

Sie hat schon viele Regierungen überlebt und muss oft mit<br />

deren Nachlass leben.<br />

Sie wird weiter aufrecht, wie das köstliche <strong>Filder</strong>spitzkraut,<br />

gegen die Zerstörungsideen angehen und sie wird mit Ihrer<br />

Hilfe noch viel älter als 40 Jahre werden.<br />

Steffen Siegel<br />

Vorsitzender der<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> e.V.


„Der geneigte Leser muß vor allen<br />

Dingen wissen, daß es zwei gelobte<br />

Länder in der Welt gibt, das<br />

eine ist das Land Canaan oder<br />

Palästina, das andere ist Württemberg.“<br />

(Bestsellerautor Christian Gottlob<br />

Barth 1843).<br />

Vierzig Jahre hat Mose sein Volk<br />

durch die Wüste in das gelobte<br />

Land geführt.<br />

Vierzig Jahre hat die „<strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong>“ gekämpft, um<br />

unsere Leithammel daran zu hindern,<br />

aus unserem gelobten Land<br />

eine Wüste zu machen.<br />

Vierzig Jahre Kampf gegen die<br />

Habgier und Dummheit der Beton-<br />

und Asphaltmafia, gegen die<br />

Vernichtung unserer fruchtbaren<br />

<strong>Filder</strong>landschaft, gegen die Zerstörung<br />

unserer Heimat.<br />

Der Kampf geht weiter.<br />

Die Hurgler machet sonst<br />

voll älles heh.<br />

Dr. Gerhard Raff,<br />

Historiker, schwäbischer Dichter,<br />

Autor des Buches:<br />

„Herr schmeiß Hirn ra“<br />

40 Jahre <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong><br />

Grußwort von Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker<br />

Viele Bürgerinitiativen kommen und<br />

gehen, aber ein Alter von 40 Jahren<br />

hat noch kaum eine erreicht.<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> e.V. hat<br />

Geschichte geschrieben. Nicht zur<br />

Freude aller, aber zum Wohl der Natur<br />

und zum Wohl der Menschen, die in<br />

einer intakten Landschaft leben und<br />

ihre Heimat erhalten wissen wollen.<br />

Deshalb sage ich: Hut ab vor dem Mut<br />

und dem Durchhaltevermögen der<br />

Tausende aktiver und unterstützender<br />

Bürgerinnen und Bürger, die für eine<br />

gute Sache stehen.<br />

Keine Frage: Der Flughafen ist eine<br />

Realität auf den <strong>Filder</strong>n und die Landesmesse<br />

ist vor kurzem eröffnet worden.<br />

Inzwischen ist die wirtschaftliche<br />

Dynamik auf der <strong>Filder</strong>höhe größer als<br />

unten am Neckar, ganz anders als<br />

noch vor 50 Jahren. Aber das hat in<br />

mehrfacher Hinsicht auch mit Lebensqualität<br />

zu tun. High-Tech-Tüftler<br />

brauchen nicht unbedingt einen<br />

schiffbaren Neckar und auch keinen<br />

Gleisanschluss, sondern Internetanschluss,<br />

gute Luft zum Atmen und<br />

ausreichend Ruhe zum Denken –<br />

ohne Lärm. Dass Fraunhofer und<br />

Max Planck und die Hochschulstandorte<br />

Hohenheim und Vaihingen hier<br />

oben sind, kommt allen zugute. Und<br />

seit die Daimlerzentrale nicht mehr<br />

auf Detroit hören muss, ist die<br />

Stimmung auch in Möhringen wieder<br />

besser.<br />

Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker war<br />

Gründer und erster Präsident des Wuppertal<br />

Instituts für Klima, Umwelt und Energie,<br />

sowie bis 2005 Bundestagsabgeordneter für<br />

Stuttgart-Süd und die <strong>Filder</strong>stadtteile.<br />

Für kreative Arbeit und kreatives<br />

Denken braucht der Mensch einen<br />

Platz mit Lebensqualität. Und die<br />

<strong>Filder</strong>ebene mit ihrem weiten Blick bis<br />

an den Schönbuchrand ist ein guter<br />

Standort, den bis heute tüchtige Landwirte<br />

bewirtschaften. Diese Landschaft<br />

können uns weder die Münchner<br />

noch die Hamburger nachbauen.<br />

Sehen wir zu, dass sie so erhalten<br />

bleibt und nicht zum strukturlosen<br />

Häusermeer und Gewerbeterrain verkommt.<br />

Mein Jubiläumswunsch lautet: Viel<br />

Erfolg beim Wächteramt und weitere<br />

gute <strong>Filder</strong>jahre.<br />

Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker<br />

Beim Startbahnausbau 1992 wird <strong>Filder</strong>erde über erntereife Felder geschoben<br />

3


Grußwort – 40 Jahre <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> e.V.<br />

Bereits vor 40 Jahren hat die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> e.V. Landverbrauch<br />

und zunehmenden Lärm<br />

als Bedrohung erkannt. Mit dem<br />

Flughafenausbau, der Messeansiedlung,<br />

neuen Siedlungsflächen<br />

und den vielfältigsten Infrastrukturmaßnahmen<br />

hat sich das Bild<br />

der <strong>Filder</strong> bis heute stark verändert.<br />

4<br />

Liebe Freunde der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong>,<br />

verehrte Damen und Herren,<br />

gerne gratuliere ich der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> als derzeitiger<br />

Vorsitzender des Kommunalen Arbeitskreises<br />

<strong>Filder</strong> (KAF) zu ihrem<br />

40. Geburtstag. Den meisten unter<br />

Ihnen wird bekannt sein, dass sich<br />

die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> und der<br />

KAF in den sechziger Jahren aus<br />

dem Kampf gegen einen „Generalausbauplan“<br />

des Flughafens heraus<br />

konstituiert haben – und beide inzwischen<br />

seit 40 Jahren bestehen.<br />

Im vergangenen Jahr wurde die<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> für ihr herausragendes<br />

bürgerschaftliches und<br />

ehrenamtliches Engagement mit<br />

einem zweiten Platz im Landeswettbewerb<br />

„Echt gut! Ehrenamt in<br />

Baden-Württemberg!“ in der Kategorie<br />

Umwelt und Natur ausgezeichnet.<br />

Die Auszeichnung zeigt,<br />

dass Ihr Engagement für die Menschen<br />

auf den <strong>Filder</strong>n und für ihre<br />

Lebensbedingungen und Gesundheit<br />

geschätzt und gewürdigt wird.<br />

Heute sind wir wieder an einem<br />

Meist sind die verlorenen Böden bestes<br />

Ackerland und stellen damit auch<br />

die örtliche Landwirtschaft vor immense<br />

Probleme. Die Frage, wie viel<br />

an zusätzlicher Belastung Mensch und<br />

Natur auf den <strong>Filder</strong>n noch zumutbar<br />

ist, muss daher bei jeder künftigen<br />

Planung im Mittelpunkt stehen.<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> e.V.<br />

steht für nachhaltiges und ehrenamtliches<br />

Engagement. Ihr Eintreten für<br />

Ökologie und gegen einen ungehemmten<br />

Landschaftsverbrauch ist<br />

über all die Jahre „modern“ geblieben.<br />

Unsere Demokratie lebt davon,<br />

dass im Diskurs Lösungen gefunden<br />

werden. Hierzu hat die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

einen wichtigen Teil beigetragen.<br />

Der Landkreis Esslingen und insbesondere<br />

der <strong>Filder</strong>raum sind durch eine<br />

sehr starke Wirtschaft mit entsprechender<br />

Infrastruktur geprägt. Bei genauerem<br />

Hinschauen kann man jedoch<br />

erkennen, dass die Städte und<br />

Gemeinden auf den <strong>Filder</strong>n dennoch<br />

ihren Charme und ihre landschaft-<br />

Punkt angelangt, an dem wieder über<br />

eine Flughafenerweiterung diskutiert<br />

wird. Eine zweite Start- und Landebahn<br />

würde nicht nur das Leben und<br />

die Gesundheit der Menschen auf den<br />

<strong>Filder</strong>n, sondern weit darüber hinaus<br />

durch erhöhte Emissionen an Lärm<br />

und Schmutz beeinträchtigen.<br />

Ich persönlich finde es bewundernswert,<br />

mit welchem Engagement Sie<br />

sich, auch nach Niederlagen, noch<br />

immer für den <strong>Filder</strong>raum, seine<br />

Bewohner und die Natur einsetzen.<br />

Innerhalb kürzester Zeit haben Sie im<br />

Vorfeld unseres Aktionstages gegen<br />

den Flughafenausbau im Juli dieses<br />

Jahres 18.000 Unterschriften gesammelt.<br />

Hinter Ihren Aktionen stecken<br />

nicht nur jede Menge Idealismus,<br />

sondern auch das Engagement und<br />

die Unterstützung von sehr vielen<br />

Menschen.<br />

Für die Zukunft wünsche ich der<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong>, dass Sie<br />

viele Menschen unterschiedlicher Ge-<br />

lichen Reize erhalten haben. Diese<br />

„weichen“ Standortfaktoren gewinnen<br />

auch in unserer Region immer<br />

mehr an Bedeutung.<br />

Ich hoffe, dass wir auf den <strong>Filder</strong>n<br />

möglichst viel Natur und damit den<br />

Menschen ein lebenswertes Umfeld<br />

erhalten können. Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> e.V. wird hierzu sicherlich<br />

ihren Teil beitragen.<br />

Ich wünsche der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> e.V. und allen Mitgliedern,<br />

Freunden und Förderern eine harmonische<br />

und erfolgreiche Jubiläumsveranstaltung.<br />

Heinz Eininger,<br />

Landrat<br />

Landkreis Esslingen<br />

nerationen mit Ihrer Vitalität und<br />

Ihrer Begeisterung anstecken können<br />

– und natürlich, dass es uns<br />

gemeinsam gelingt, eine zweite<br />

Start- und Landebahn am Stuttgarter<br />

Flughafen zu verhindern.<br />

Ingo Hacker<br />

BM Neuhausen<br />

1. Vorsitzender des Kommunalen<br />

Arbeitskreises <strong>Filder</strong>


Ein dankbarer, respektvoller und<br />

freundschaftlicher Gruß vom BUND<br />

Wir schreiben das Jahr 2047: ganz<br />

Baden-Württemberg ist überbaut.<br />

Ganz Baden-Württemberg? Nein,<br />

ein kleiner Fleck auf den <strong>Filder</strong>n hat<br />

sich dem Versiegelungswahn entzogen<br />

und leistet Widerstand.<br />

Bürgerinnen und Bürger, Bauern und<br />

Naturschützerinnen, Junge und Alte,<br />

haben sich als <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

zusammengeschlossen, um ihre Heimat<br />

gegen immer neue Straßen, Flughäfen,<br />

Gewerbegebiete und Großmessen<br />

zu verteidigen. Damit es so nicht<br />

kommt, sondern Baden-Württemberg<br />

auch zukünftig noch lebenswert ist,<br />

braucht es den Widerstand allerdings<br />

nicht erst in 40 Jahren, sondern schon<br />

heute.<br />

Deshalb unterstützt der BUND die<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> in ihrem<br />

Engagement gegen den Ausbau des<br />

Stuttgarter Flughafens. Deshalb war<br />

auch der gemeinsame Kampf gegen<br />

die unsinnige Messeplanung richtig,<br />

selbst wenn wir ihn am Schluss nicht<br />

gewonnen haben. Und deshalb ist der<br />

40jährige Widerstand der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

gegen die Zerstörung der<br />

<strong>Filder</strong> so wichtig, denn er macht Mut.<br />

Dass sich so viele Menschen so viele<br />

Jahre für ihre Heimat einsetzen und<br />

trotz mancher Niederlage nicht aufgeben,<br />

ist mehr als ein Symbol. 40<br />

Jahre beharrlicher, fleißiger, mutiger,<br />

bunter und phantasievoller Widerstand<br />

gegen eine zukunftsvergessene<br />

Politik, gibt allen Menschen Zuversicht,<br />

die sich anderenorts für eine<br />

enkelverträgliche Lebensweise einsetzen.<br />

Mich haben die Proteste und<br />

Demonstrationen, die Feste und Aktionen<br />

und vor allem die Begegnungen<br />

mit den Menschen, die sich mit so<br />

viel Engagement und Lebenszeit für<br />

die <strong>Filder</strong> einsetzen, bestärkt und beglückt.<br />

Deshalb zum Geburtstag ein dankbarer,<br />

respektvoller und freundschaftlicher<br />

Gruß. Ich wünschte Euch und<br />

NABU gratuliert <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong><br />

zum 40. Geburtstag<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> wurde<br />

vor 40 Jahren gegründet. Damit ist sie<br />

die älteste, dauerhaft aktive Umwelt-<br />

Bürgerinitiative in Deutschland. Trotz<br />

des verlorenen Kampfes gegen die<br />

<strong>Filder</strong>messe ist sie notwendiger denn<br />

je. Dies beweisen die aktuellen Diskussionen<br />

um die zweite Start- und Landebahn<br />

des Flughafens sowie die gravierende<br />

Umweltbelastung vor Ort.<br />

Der ungebremste Flächenfraß, die<br />

Zerschneidung und Verlärmung der<br />

<strong>Filder</strong> schreien geradezu nach Bürger-<br />

Engagement und Widerstand. Denn<br />

trotz Flughafen, Autobahnen und<br />

Messehallen sind die <strong>Filder</strong> auch weiterhin<br />

Heimat und Lebensraum. Von<br />

Menschen, die hier wohnen wollen,<br />

von Landwirten, die hier arbeiten und<br />

leben wollen, von Tieren und Pflanzen,<br />

die hier zuhause sind. Und nicht<br />

zuletzt von Kindern, die ein Recht auf<br />

Lebensqualität haben und die sich<br />

hier auch in Zukunft noch wohl fühlen<br />

sollen.<br />

Seit über zehn Jahren begleitet<br />

und unterstützt der NABU-Landes-<br />

verband Baden-Württemberg die<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> bei<br />

ihrem unermüdlichen Einsatz. Der<br />

NABU gratuliert der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> sehr herzlich zu ihrem<br />

Geburtstag. Und bedankt sich bei all<br />

den für Lebensqualität, Landwirtschaft<br />

und Umwelt auf den <strong>Filder</strong>n<br />

engagierten Menschen. Einen ganz<br />

besonderen Dank möchte ich an<br />

dieser Stelle stellvertretend an Gabi<br />

Visintin und Steffen Siegel aussprechen.<br />

Die Ausdauer, Beharrlichkeit<br />

und Unerschrockenheit der beiden<br />

„Gallionsfiguren“ der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> ist ein Vorbild<br />

für bürgerliches Engagement und<br />

Ehrenamt weit über die <strong>Filder</strong> hinaus.<br />

Der NABU wünscht der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> Kraft und Energie für<br />

viele weitere Jahre unerschrockenes<br />

Engagement. Und hofft, dass sich<br />

auch in Zukunft möglichst viele Bürgerinnen<br />

und Bürger aktiv in der<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> engagieren.<br />

Auf dem Weg zu einer Politik und<br />

uns, dass eine <strong>Schutzgemeinschaft</strong> für<br />

die <strong>Filder</strong> irgendwann nicht mehr<br />

nötig ist. Einstweilen jedoch brauchen<br />

wir Euch und Euren Einsatz<br />

dringend: für die <strong>Filder</strong>, gegen Lärm<br />

und Zerstörung.<br />

Michael Spielmann, Landesgeschäftsführer<br />

des Bund für Umwelt<br />

und Naturschutz Deutschland<br />

(BUND), Landesverband Baden-<br />

Württemberg e.V.<br />

Kultur der Nachhaltigkeit, die entgegen<br />

weit verbreiteter Sonntagsreden<br />

wirtschaftliche, soziale und ökologische<br />

Belange tatsächlich endlich als<br />

gleichwertig behandelt.<br />

Dr. Stefan Rösler, Landesvorsitzender<br />

des Naturschutzbund (NABU) Baden-<br />

Württemberg<br />

5


Bürger gegen Beton<br />

40 Jahre Engagement für Lebensqualität<br />

und Bürgerrechte<br />

Die heutige <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong><br />

e.V. ist nicht nur die älteste<br />

Bürgerinitiative Deutschlands, sondern<br />

– nach einem Ausspruch des<br />

früheren Ministerpräsidenten Lothar<br />

Späth – auch die „zäheste“. Darin<br />

schwingt, wie wir meinen, trotz aller<br />

Kontroversen auch ein Stück Respekt<br />

mit, Respekt nämlich für die Standfestigkeit<br />

und Durchhaltekraft von<br />

Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern,<br />

die nichts anderes wollten als<br />

ihre demokratischen Rechte wahrnehmen.<br />

Die Bürgerinitiative wurde im Herbst<br />

1967 gegründet, und zwar unter dem<br />

Namen „<strong>Schutzgemeinschaft</strong> gegen<br />

Großflughafen Stuttgart e.V.“ Der<br />

konkrete Anlass war die Bekanntgabe<br />

des sogenannten Generalausbauplans<br />

für den Flughafen Stuttgart von Prof.<br />

Gerlach.<br />

Er sah auf den <strong>Filder</strong>n drei Startbahnen<br />

vor, die längste sollte 4310 Meter<br />

umfassen. Dagegen erhob sich bei<br />

den Kommunen und der Bevölkerung<br />

ein Sturm der Entrüstung. Die Gemeinden<br />

sahen ihre Entwicklungschancen<br />

gefährdet, die Landwirte<br />

wehrten sich gegen den Verlust ihrer<br />

Ackerflächen und die <strong>Filder</strong>bewohner<br />

befürchteten in großer Mehrheit eine<br />

dramatische Verschlechterung ihres<br />

Wohnumfelds, mehr Lärmbelastung<br />

und tiefe Eingriffe in die <strong>Filder</strong>landschaft.<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> verstand sich<br />

von Anfang an als Vertretung der<br />

gesamten Bevölkerung, die vom Flughafen<br />

und den Auswirkungen des<br />

Flugverkehrs betroffen ist. Es ging<br />

nicht um Ideologie, wie manche uns<br />

vorwarfen, es ging auch nicht um<br />

einen scheinbaren Kampf Tradition<br />

gegen Fortschritt, und schon gar nicht<br />

um Parteiinteressen. Vielmehr ging es<br />

schlicht um das Recht auf ein humanes<br />

Leben. Dieses sahen die Menschen<br />

bedroht durch rücksichtslose technokratische<br />

Pläne, die jedes Maß vermissen<br />

ließen.<br />

Zweifellos zeichnete sich im Aufstand<br />

gegen den Gerlach-Plan schon die Aus-<br />

6<br />

einandersetzung der 70er Jahre zwischen<br />

einer grenzenlosen Wachstumseuphorie<br />

und der Frage nach einer<br />

Lebensqualität ab, die nicht dem<br />

Kommerz- und Profitdenken Vorrang<br />

gibt, sondern die elementare Werte<br />

wie Heimat, eine intakte Natur und<br />

nachbarliches Miteinander als Menschenrechte<br />

betrachtet und sie verteidigt.<br />

Aus diesem Grunde galt der Kampf<br />

der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> von vornherein<br />

nicht allein der Ablehnung des<br />

überzogenen Gerlach´schen Mammutplans<br />

(er verschwand bereits1969 in<br />

den Schubladen der Stuttgarter Amtsstuben),<br />

sondern auch der Eindämmung<br />

der bestehenden Fluglärmbelastung,<br />

unter der die Menschen litten,<br />

insbesondere während der Nachtzeit.<br />

Durch den gemeinsamen Einsatz<br />

der Bürgerinitiative und der Kommunen<br />

erhielt Stuttgart als erster<br />

Verkehrsflughafen 1968 ein Nachtstartverbot<br />

und später auch ein Nachtlandeverbot<br />

(1973).<br />

Darauf sind wir heute noch stolz. Ob<br />

Kinder oder Jugendliche, ob kranke<br />

oder alte Leute, Berufstätige oder<br />

Rentner – sie alle haben ein Anrecht<br />

auf Nachtruhe, wenn sie gesund bleiben<br />

wollen. Deswegen sind die vor<br />

mehr als dreißig Jahren erreichten<br />

und heute noch geltenden Nachtflugbeschränkungen<br />

für die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

in keiner Weise verhandelbar.<br />

Auch in Zukunft nicht.<br />

Der Vorstand der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

hat sich frühzeitig der von Pfarrer<br />

Kurt Oeser geleiteten „Bundesvereinigung<br />

gegen Fluglärm“ angeschlossen,<br />

die auf ein Gesetz zum Schutz vor<br />

Fluglärm hinarbeitete, das dann im<br />

März 1971 in Kraft trat. Auch internationale<br />

Kontakte wurden gesucht,<br />

z.B. zu der Schweizer Vereinigung<br />

„Association contre le Bruit“,<br />

denn es war einsichtig, dass nur durch<br />

eine länderübergreifende politische<br />

Kampagne die mächtige Flugzeugindustrie<br />

dazu gebracht werden<br />

konnte, z.B. neue lärmärmere Triebwerke<br />

herzustellen. Airbus machte<br />

den Anfang.<br />

Dr. Liesel Hartenstein, Vorsitzende der<br />

„<strong>Schutzgemeinschaft</strong> gegen Großflughafen<br />

Stuttgart e.V.“ 1969 – 1994 und<br />

Bundestagsabgeordnete bis 1998<br />

Zwei Merkmale haben die Arbeit der<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> über vier Jahrzehnte<br />

hinweg geprägt: Sie hat stets<br />

eine enge Kooperation mit den Kommunen<br />

gesucht und sich bemüht,<br />

keine Spaltung eintreten zu lassen,<br />

weder zwischen den verschiedenen<br />

Bürgergruppen mit ihren Eigeninteressen<br />

noch zwischen der östlichen und<br />

der westlichen <strong>Filder</strong>region.<br />

Dass eine Startbahnverlängerung um<br />

1380 Meter nach Osten die alten<br />

Gemeinden Nellingen und Scharnhausen<br />

sowie Neuhausen und Denkendorf<br />

stärker treffen würde als den<br />

Westen, lag auf der Hand, dagegen<br />

bedrohte der Kahlschlag von 70 ha<br />

Schönbuchwald auf der Weidacher<br />

Höhe und erst recht die geplante<br />

Abtragung der Kuppe – eine ökologische<br />

Barbarei erster Ordnung! wie<br />

ein Hohenheimer Professor sagte – die<br />

mittlere und westliche <strong>Filder</strong>, allen<br />

voran Bernhausen, Plieningen, aber<br />

auch Möhringen und Vaihingen.<br />

Hauptgrund: Die Veränderung des<br />

Kleinklimas, da Gewitter, Stürme und<br />

Nachtfröste über die ungeschützten<br />

Flächen hereinbrechen würden, sobald<br />

der Wald als Bollwerk fehlt. Bis<br />

heute sind die Landwirte der <strong>Filder</strong>,<br />

die um ihren fruchtbaren Lössboden


ingen, eine starke Stütze der Bürgerinitiative;<br />

sie haben mit ihren<br />

Äckern, auf denen bestes Gemüse<br />

gedeiht, ein entscheidendes Pfand für<br />

die Zukunft der Region in der Hand.<br />

Auch die Kirchen haben unseren<br />

Kampf und unsere Ziele nach Kräften<br />

unterstützt. Das sei ausdrücklich anerkannt.<br />

Pfarrer Becker (Echterdingen)<br />

hat eindringliche Worte gegen<br />

die moderne Hybris gefunden, dass<br />

alles machbar sei: „Wir sind Geschöpfe<br />

und nicht die Herren der Welt“. Ihm<br />

sei auch an dieser Stelle für seinen<br />

Einsatz gedankt. Und ebenso Pfarrer<br />

Martin Guther, der bis 1987 die Evangelische<br />

Kirchengemeinde in Plieningen<br />

betreute. Er hat unerbittlich<br />

nach den Prioritäten gefragt und nach<br />

der christlichen Verantwortung der<br />

Politik. Was ist wichtiger, Betonflächen<br />

und Asphaltpisten oder gesunde<br />

Luft und das Heimatrecht der<br />

Menschen? „Welche Lebensqualität<br />

wollen wir heute, und was bleibt<br />

folglich noch für morgen übrig?“<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> braucht sich<br />

nicht das Etikett anhängen zu lassen,<br />

sie nehme stets eine Contra-Stellung<br />

ein. Dies wurde oft genug versucht<br />

und gegen uns verwendet. Gewiss ist<br />

unbestreitbar, dass die Bürgerinitia-<br />

tive sich energisch und konsequent<br />

gegen die Zubetonierung der Landschaft,<br />

gegen brutale Eingriffe in den<br />

Lebensraum <strong>Filder</strong>, gegen die Vernichtung<br />

bäuerlicher Existenzen und<br />

ebenso gegen die Missachtung demokratischer<br />

Rechte wehrte und<br />

wehrt – und dafür Argumente hat.<br />

Aber sie bezieht gleichzeitig eine Pro-<br />

Stellung, wo es geboten ist: nämlich<br />

für mehr Lebensqualität, für das Recht<br />

auf gesundheitliche Unversehrtheit,<br />

sprich für eine ausreichende Nachtruhe,<br />

für das Existenzrecht unserer<br />

Bauern, für die Bewahrung der <strong>Filder</strong><br />

als Kulturlandschaft, für den Erhalt<br />

der Natur mit ihrer Artenvielfalt.<br />

Wägt man Pro und Contra gegeneinander<br />

ab, so wird sich die Schale<br />

eindeutig auf die Seite der Pro-Ziele<br />

neigen.<br />

In der Sicht der Bevölkerung hat die<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> zweifellos mitgeholfen,<br />

das Leitbild des mündigen<br />

Bürgers zu formen und das Selbstbewusstsein<br />

der Menschen zu stärken.<br />

Schon das ist in einer lebendigen Demokratie<br />

ein Schritt nach vorne, auch<br />

wenn in der Sache ab und zu Niederlagen<br />

einzustecken waren. Kompromisse<br />

sind das tägliche Brot im<br />

politischen Geschäft. Aber es gibt<br />

Situationen, wo keine Kompromis-<br />

se mehr zulässig sind. Das gilt für<br />

Grundentscheidungen, die das menschliche<br />

Überleben in der Zukunft und<br />

den Fortbestand des Planeten betreffen.<br />

Von politischer Seite wurde in den<br />

harten Jahren des Kampfes viel Vertrauen<br />

zerstört, insbesondere durch<br />

die Nichteinhaltung gegebener Versprechen.<br />

Der immer wieder beschworene<br />

Grundsatz, die Landesregierung<br />

wolle nur einen Europa- und Mittelstreckenflughafen<br />

mit 3000 km<br />

Reichweite, war schnell vergessen,<br />

genauso wie die mehrfach bekräftigte<br />

Zusage (erstmals 1961!), es werde<br />

keine weiteren Großprojekte auf den<br />

<strong>Filder</strong>n mehr geben. Deshalb haben<br />

die Bürger gelernt, wachsam zu<br />

bleiben und auf ihre eigene Kraft zu<br />

vertrauen. Dies gilt auch künftig.<br />

„Erst wenn der letzte Baum gerodet,<br />

der letzte Fluss vergiftet, der letzte<br />

Fisch gefangen ist, werdet ihr merken,<br />

dass man Geld nicht essen kann“. An<br />

diese berühmt gewordene Mahnung<br />

des indianischen Häuptlings Seattle<br />

aus dem Jahr 1854 sollte man immer<br />

wieder erinnern.<br />

Dr. Liesel Hartenstein<br />

7


<strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

8<br />

gegen<br />

Großflughafen e.V.<br />

1967 – 1987: Erfahrungen, Erfolge<br />

und Niederlagen<br />

Oktober 1967<br />

Gründung der „<strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

gegen Großflughafen e.V.“ in einem<br />

Nebenzimmer des Hotels „Post“ in<br />

Plieningen. 52 Teilnehmer waren gekommen,<br />

darunter einige Bürgermeister<br />

aus <strong>Filder</strong>gemeinden.<br />

Vorausgegangen war im Sommer<br />

1967 die Veröffentlichung des Generalausbauplans<br />

(GAP) von Prof. Gerlach,<br />

der den Flughafen Echterdingen<br />

mit dem Bau von drei Startbahnen<br />

zu einem interkontinentalen Großflughafen<br />

machen wollte. Die Empörung<br />

der Bevölkerung schlug hohe<br />

Wellen.<br />

1968 – erste Erfolge: Nachtstartverbot<br />

Anfang des Jahres zählte die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

schon 1000 Mitglieder,<br />

im Oktober 1968 hatten sich bereits<br />

5.000 Flughafenausbaugegner in der<br />

Bürgerinitiative zusammengeschlossen.<br />

In enger Kooperation mit dem<br />

„Kommunalen Arbeitskreis Flughafen<br />

Stuttgart“, der 22 Städte und Gemeinden<br />

umfasste, setzte die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

ein Nachtstartverbot für<br />

Strahlflugzeuge durch. Es trat am<br />

1. November 1968 in Kraft.<br />

1969 / 1970: Lärmschutzkommission<br />

und Lärmschutzbeauftragter<br />

Vom Innenministerium wurde eine<br />

Lärmschutzkommission berufen, in welche<br />

die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> zwei Vertreter<br />

entsenden konnte. Außerdem<br />

setzte das Ministerium auf Drängen<br />

der Initiative einen Lärmschutzbeauftragten<br />

ein, der nicht nur als Beschwerde-Instanz<br />

fungierte, sondern auch bis<br />

Ende 1970 neue An- und Abflugwege<br />

erarbeitete, die Schulen und bewohnte<br />

Gebiete möglichst verschonten.<br />

Eine Fluglärm-Überwachungsanlage<br />

mit sieben Messstellen wird einge-<br />

richtet. Ende 1969 wurde der Gerlach-<br />

Plan endgültig aufgegeben.<br />

1971 / 1972<br />

Die Forderung nach sofortigen Schallschutzeinrichtungen,<br />

insbesondere für<br />

Schulen und stark belastete Wohngebiete,<br />

wurde von der Landesregierung<br />

abgelehnt. Am 31. März 1971<br />

fanden auf dem Stuttgarter Flughafen<br />

123.000 Flugbewegungen statt, davon<br />

waren 27.927 militärische Flugbewegungen.<br />

Ein neuer Flughafenstandort<br />

wird gesucht, leider ohne Erfolg.<br />

1973 / 1974 : Nachtflugverbot<br />

Nach heftigen Kämpfen setzen <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

und Kommunen 1973<br />

auch ein Landeverbot für Düsenflugzeuge<br />

durch. Damit galt ein allgemeines<br />

Nachtflugverbot für Starts von<br />

23 Uhr – 6 Uhr. Ausgenommen blieben<br />

Nachtpostmaschinen, Starts- und<br />

Landungen in Not- und Katastrophenfällen<br />

sowie Maschinen mit Sondergenehmigungen.<br />

Die Mitgliederzahl der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

stieg ständig – Mitglied wurde,<br />

Signet der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> gegen Großflughafen<br />

und 30 Jahre altes Plakat (links unten);<br />

gestaltet von Eberhard Hartenstein<br />

wer sich anmeldete und einmalig fünf<br />

Mark bezahlte. So sammelten sich viele<br />

1000 Personen und Bürgergruppen<br />

unter dem Dach der <strong>Schutzgemeinschaft</strong>.<br />

Zur laufenden Information<br />

wurde neben Flugblättern, Prospekten<br />

und Pressemitteilungen auch ein<br />

„Fluglärm-Report“ heraus gegeben.<br />

1975 / 1976<br />

Ablehnung einer „Interimsstartbahn“<br />

bei Bernhausen (Vorschlag des Gutachters<br />

Kossak), die wenige Meter vor<br />

den Balkonen der ersten Wohnhäuser<br />

Bernhausens vorbeigeführt hätte.<br />

Landesregierung will Sanierung der<br />

alten Startbahn mit einer Verlängerung<br />

um 1380 Meter verquicken. Die<br />

Kommunalreform macht aus 13 Städten<br />

und Gemeinden auf den <strong>Filder</strong>n die<br />

drei Städte Ostfildern, <strong>Filder</strong>stadt und<br />

Leinfelden-Echterdingen.<br />

1977 – 1979: Hearing und<br />

Ausbaubeschluss<br />

Protestfahrt rund um das geplante<br />

Erweiterungsgelände. Traktor-Demo<br />

zum Schlossplatz in Stuttgart. Ein Gutachten<br />

von Prof. Gösele stellt offiziell<br />

fest, dass bei einem Ausbau der<br />

Lärmpegel im Ostfilderbereich erheblich<br />

ansteigt. Ein „Charter-Drehkreuz<br />

des Südens“ wird geplant.<br />

1978 wird das lauteste Jahr seit Bestehen<br />

des Flughafens. Am 1. Dezember<br />

1979 findet ein Flughafen-Hearing<br />

mit Ministerpräsident Späth in der<br />

Rundsporthalle Bernhausen statt. Große<br />

Beteiligung der Bevölkerung. Am<br />

21. Dezember 1979 Ministerratsbeschluss<br />

zur Verlängerung der Startbahn<br />

und Verlegung der Autobahn.<br />

1980 / 1982: Planfeststellung<br />

wird vorbereitet<br />

Die Ausbaupläne sehen für eine Erweiterung<br />

des Flughafenareals und


die Verlegung der Autobahn fast 240<br />

Hektar vor. Man plante zwei Parallelrollwege<br />

sowie die Abholzung der<br />

Weidacher Höhe. Es soll eine Lärmfestschreibung<br />

des Dauerschallpegels<br />

auf dem Wert des lautesten Jahres<br />

1978 (!) erfolgen. 34 bäuerliche Betriebe<br />

sind gefährdet. Protestveranstaltung<br />

und zweiter Rundmarsch um<br />

das geplante Ausbaugelände. „Null-<br />

Meter-Beschluss“ auf der 7. Mitgliederversammlung<br />

der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

1982.<br />

1983: Erfolgreiche Kampagne<br />

gegen Mammutplanung –<br />

41.509 Einsprüche<br />

Alle Städte und Gemeinden auf den<br />

<strong>Filder</strong>n, der Kreistag Esslingen und der<br />

Stadtrat in Stuttgart lehnen die Pläne<br />

ab. Kommunale Verwaltungen und<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> übernehmen Einspruchsberatungen.<br />

Innerhalb der gesetzten<br />

Frist gehen 41.509 Einsprüche<br />

beim Regierungspräsidium ein. Die<br />

hervorragende Kooperation zwischen<br />

Kommunalverwaltungen und Bürgerorganisation<br />

wird auch öffentlich als<br />

einmalig in der Bundesrepublik gelobt.<br />

Auftrag des Kommunalen Arbeitskreises<br />

an den Schweizer Gutachter<br />

Urs Graf zur Erstellung eines eigenen<br />

Sicherheitsgutachtens. Die ICAO in<br />

Montreal und britische Experten bestätigen<br />

das Ergebnis von Graf, wonach<br />

aus sicherheitstechnischen Gründen<br />

keine Verlängerung um 1380 m<br />

notwendig ist.<br />

1985 / 1986 : Neue Planauflage<br />

und weitere 42.324 Einwendungen<br />

Das neue Berechnungsmodell erfordert<br />

eine zweite Planauflage. Zum Erstaunen<br />

aller, reichen die Bürger noch<br />

mehr Einsprüche als beim ersten Mal<br />

ein, nämlich genau 42.324. Die Bahnverlängerung<br />

konnte nicht verhindert<br />

werden, aber die Mühe hat sich dennoch<br />

gelohnt: Die Autobahn darf aus<br />

hydrogeologischen Gründen nicht in<br />

einem elf Meter tiefen Einschnitt<br />

verlegt werden, der Erlachsee zwischen<br />

Neuhausen und Denkendorf soll nicht<br />

mehr zum Auffangen der Autobahnabwässer<br />

missbraucht werden, die<br />

Weidacher Höhe wird geschont, die<br />

Bäume werden nur noch auf zehn<br />

Hektar „wuchshöhenbegrenzt“ und<br />

vieles mehr.<br />

1987: Vier Wochen Erörterungsverhandlung<br />

mit Bürgerbeteiligung<br />

Im Januar 1987 werden vom RP vier<br />

Wochen lang Erörterungsverhand-<br />

Gabi Visintin (hier mit dem Kabarettisten Peter Grohmann) wird 1994 zur Vor-sitzenden<br />

der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> gewählt. Mit weiteren zehn Frauen und Männern im Vorstand<br />

kämpft sie zuerst gegen die Resignation der Menschen auf den <strong>Filder</strong>n, nach dem die<br />

Gerichte den Ausbaubeschluss der Startbahnverlängerung bestätigen. Zusammen mit<br />

dem Landwirtschaftlichen Ortsverein Echterdingen (Fritz Auch-Schwarz) und dem Naturschutzbund<br />

(NABU) Baden-Württemberg initiiert die SG <strong>Filder</strong> 1996 den Aktionskreis<br />

„Die <strong>Filder</strong> leben lassen!“ Rund 4000 Menschen kommen 1998 zum Aktionstag<br />

gegen das Landesmessegesetz und bilden eine Menschenkette zwischen Plieningen<br />

und Echterdingen. Es folgen Planfesstellung mit knapp 23.000 Einsprüchen, Erörterung,<br />

Planfesstellungsbeschluss und die brachiale Durchsetzung der Interessen der Messeplaner<br />

im Sommer 2004. Nach zehn Jahren an der Spitze des Widerstands tritt Gabi<br />

Visintin in die zweite Reihe des SG <strong>Filder</strong>-Vorstands zurück.<br />

lungen in der Bernhäuser Rundsporthalle<br />

durchgeführt, unter Beteiligung<br />

von vielen Hunderten von<br />

Bürgern. „Wir haben die besseren<br />

Argumente“ stellte OB Gerhard Koch<br />

aus Ostfildern, der damalige Vorsitzende<br />

des Kommunalen Arbeitskreises<br />

mit großer Bestimmtheit und<br />

unter starkem Beifall fest. Trotzdem<br />

erfolgte durch Regierungspräsident<br />

Dr. Bulling am 30. September 1987 der<br />

Planfeststellungsbeschluss. Fazit: An<br />

den Maximalforderungen wird festgehalten.<br />

Nach zwanzig Jahren ehrenamtlicher<br />

Arbeit und intensivem Einsatz in der<br />

Bürgerinitiative und den Kommunen<br />

erklärt die <strong>Schutzgemeinschaft</strong>: Wir<br />

ziehen vor Gericht!<br />

Und dann ?<br />

Es folgen mehrere Gerichtsverfahren,<br />

bei denen wir trotz guter Argumente<br />

unterliegen und schließlich verweigert<br />

das Verfassungsgericht die Annahme<br />

einer Beschwerde gegen die einzigartig<br />

hohe Festlegung des Streitwerts,<br />

wonach sich die Gerichtskosten bemessen,<br />

die wir aufbringen müssen.<br />

Mit Hilfe unzähliger Spenden schaffen<br />

wir auch diese Hürde.<br />

Zu Beginn der 90er Jahre werden für<br />

die Startbahn herrliche Äcker hem-<br />

mungslos weggeschoben, Baumaschinen<br />

bestimmen das Bild. Und noch<br />

während die Planierer am Werken<br />

sind, beginnt die Diskussion um eine<br />

Großmesse auf den <strong>Filder</strong>n. Zorn und<br />

Resignation breiten sich aus.<br />

Doch da kommt eine junge Frau<br />

und reißt uns mit ihrem Elan<br />

wieder mit. Gabi Visintin aus Bonlanden,<br />

Mutter zweier, damals<br />

kleiner Kinder, die unter der Luftbelastung<br />

ständig husten mussten,<br />

übernimmt 1994 den verantwortungsvollen<br />

Posten der Vorsitzenden<br />

der <strong>Schutzgemeinschaft</strong>.<br />

Vor allem durch die Messepläne<br />

erweiterten sich die Aufgaben der<br />

„<strong>Schutzgemeinschaft</strong> gegen Großflughafen“,<br />

was sich in der Namensänderung<br />

niederschlug. Wir<br />

nannten uns nun „<strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> e.V.“.<br />

Gabi Visintin führte die Bürgerinitiative<br />

mehr als 10 Jahre mit unglaublichem<br />

Einsatz durch die verrückte<br />

Messe-Planungszeit.<br />

Wir verdanken der versierten Journalistin<br />

nicht nur unsere Wiederbelebung,<br />

sondern auch die Professionalisierung<br />

unserer Pressearbeit.<br />

Sie war und ist die gute<br />

Seele der Bürgerinitiative.<br />

9


Der Messewiderstand<br />

„Wir können alles, außer demokratisch“<br />

stand auf einem Plakat im <strong>Filder</strong>camp Sommer 2004. Das Regierungspräsidium hatte die Besitzeinweisungen<br />

für das geplanten Messeareal gerade verschickt.<br />

Der Widerstand der Messe ist ein Lehrstück<br />

für Demokratie in doppeltem<br />

Sinne. Auf der einen Seite die rund<br />

130 Grundstücksbesitzer – unter ihnen<br />

die in ihrer landwirtschaftlichen Existenz<br />

bedrohten Bauern – die ein ganz<br />

klares Nein gegenüber den Plänen des<br />

Landes formulierten, die Stadt Leinfelden-Echterdingen,<br />

die auf ihre<br />

Planungshoheit pochte und mehrmals<br />

gegen die Messepläne stimmte, die<br />

23.000 Menschen die in ihren Einsprüchen<br />

im Planfestellungsverfahren auf<br />

die hohe Belastung durch Verkehr<br />

und Emissionen hinwiesen, das große<br />

Bündnis aus allen Teilen der Bevölkerung:<br />

Stadträte und BürgerInnen<br />

aller Coleur, Ärzte, Pfarrer, Landwirte,<br />

Künstler, Ingenieure, Historiker, Hausfrauen,<br />

Lehrer, Arbeiter, Rechtsanwälte,<br />

Programmierer... Auf der anderen<br />

Seite der Staat, der alle Mittel –<br />

unter demokratischen Gesichtspunkten<br />

auch sehr fragliche – einsetzte, um<br />

doch noch zu seinem Ziel zu kommen.<br />

Der Wille der Eigentümer und der<br />

Stadt wurde mit Brachialgewalt gebrochen.<br />

Ein historischer Abriss:<br />

Dez. 93 Wer eine neues Projekt plant,<br />

sei es ein Wohngebiet oder eine Messe,<br />

muss zuerst einen Bedarf begrün-<br />

10<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Susanne<br />

Schulte,<br />

Ostfildern<br />

“Es ist nicht immer<br />

leicht heutzutage,<br />

sich selbst<br />

für das, was man<br />

als richtig und<br />

notwendig erachtet, auch wirklich<br />

einzusetzen. Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> bietet mir hierfür<br />

eine Möglichkeit. Ich bin froh,<br />

dass es sie mit den hervorragend<br />

engagierten Mitgliedern gibt und<br />

danke ihnen für ihre glänzende<br />

Arbeit.“<br />

den, dann ein Konzept entwickeln, für<br />

eine seriöse Finanzierung sorgen und<br />

schließlich einen Standort suchen.<br />

Nicht so in Baden-Württemberg!<br />

Im Dezember 1993 erblickt ein Standortgutachten<br />

der Planungsfirma<br />

„weidleplan“, das im Auftrag der<br />

Messegesellschaft erstellt wurde, das<br />

Licht der Welt. Eine 200 Hektar große<br />

Fläche neben dem Flughafen auf Echterdinger<br />

Markung wurde dafür ausgesucht.<br />

Ausgegangen wird von einer<br />

– durch nichts begründeten – Bausumme<br />

von 600 Millionen DM (!),<br />

heute 300 Mio. Euro. Landwirte und<br />

Grundstücksbesitzer, die aus der Zeitung<br />

davon erfuhren, dass ihr Land<br />

einer Messe weichen soll, Stadträte<br />

und Bürger sowie Mitglieder der<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> beginnen<br />

das Projekt zu hinterfragen und lehnen<br />

ein weiteres Großprojekt neben<br />

dem Flughafen ab.<br />

Juli 95 Darauf folgt im Sommer eine<br />

Bedarfsanalyse von weidleplan, die<br />

natürlich den Bedarf begründet.<br />

März 97 Der baden-württembergische<br />

Ministerpräsident Erwin Teufel,<br />

Stuttgarts Oberbürgermeister Schuster<br />

sowie der Vorsitzende des Regionalparlaments<br />

Eberhard Palmer erstellen<br />

ohne jedes inhaltliche Konzept<br />

einen Finanzierungsplan für die geplante<br />

Messe. Die Kosten werden<br />

willkürlich auf 1 Milliarde DM (heute<br />

500 Mio. Euro) festgelegt.<br />

Sommer 97 Die ersten Kaufangebote<br />

der Landsiedlung gehen an die Landbesitzer.<br />

Das Angebot von 100 DM /qm<br />

liegt weit über dem „normalen“<br />

Ackerpreis, aber auch tief unter dem<br />

Preis von Gewerbeflächen.<br />

Nov. 98 Wahrscheinlich auf Druck der<br />

Gegner und auf Grund der dünnen<br />

Ergebnisse des ersten Bedarfsgutachtens<br />

werden plötzlich die Größenanforderungen<br />

an die Messe reduziert.<br />

Gesucht wurde nun ein Areal in<br />

einer Größe von maximal 100 Hektar.<br />

Die Kernmesse soll nur noch 65 Hektar<br />

beanspruchen. Das Ergebnis der nun<br />

erforderlichen zweiten Suchschleife ist<br />

wieder Echterdingen.<br />

Die SG <strong>Filder</strong> prüft zusammen mit<br />

dem NABU das 2. Standortgutachten<br />

und stellt eklatante Fehler fest: Dass<br />

auf den <strong>Filder</strong>n die Eigentumsrechte<br />

von rund 150 Grundstücksbesitzern<br />

betroffen waren, während in Böblingen<br />

(Platz 2 im Standortgutachten)<br />

mit dem alten Militärflugplatz ein<br />

Gelände in öffentlicher Hand zur Verfügung<br />

stand, wurde im Gutachten<br />

nicht gewertet. Dagegen wurde der<br />

Aufwand für die Kampfmittelbeseitigung<br />

auf dem alten Böblinger<br />

Flughafen als Minuspunkt für den<br />

Standort Böblingen angesetzt. Die<br />

kritische Prüfung der Messekritiker<br />

ergab: Der Echterdinger Standort<br />

wurde auf Biegen und Brechen zur<br />

Nummer 1 des Gutachtens erkoren.<br />

Kein Wunder allerdings, wenn man<br />

weiß, dass weidleplan schon lange am<br />

Stuttgarter Flughafen auf der Honorarliste<br />

stand und sich Folgeaufträge<br />

auf den <strong>Filder</strong>n versprach. Mit allen<br />

Tricks wurde auf das Ziel <strong>Filder</strong>messe<br />

hingearbeitet.<br />

Moderner Landraub<br />

Dez. 98 Nachdem der NABU-Rechtsanwalt<br />

Krüger im Dezember 1997 darauf<br />

verwiesen hatte, dass die Messe<br />

nach geltendem Recht nicht gegen<br />

den Willen der Betroffenen gebaut<br />

werden konnte und weder „Zuckerbrot“<br />

noch „Peitsche“ bei Stadt und<br />

Grundbesitzern fruchteten, ließ die<br />

Regierung ein Landesmessegesetz<br />

entwerfen und kurz vor Weihnachten<br />

im Landtag verabschieden.<br />

Darin steht zum Beispiel:<br />

– Es besteht ein Bedarf für eine Landesmesse.<br />

– Sie dient der Stärkung der wirtschaftlichen<br />

Infrastruktur.<br />

– Die Anfechtungsklage gegen einen<br />

Planfeststellungsbeschluss hat keine<br />

aufschiebende Wirkung ( = Sofortvollzug).<br />

– Für die Messe ist die Enteignung<br />

zulässig.


– Mit Hilfe des Mittels der Besitzeinweisung<br />

darf schon gebaut werden,<br />

bevor die Enteignung rechtskräftig<br />

ist. Ein Widerspruch dagegen hat<br />

keine aufschiebende Wirkung.<br />

Anmerkung: Solche scharfe Vorgaben<br />

gab es bislang selbst bei Projekten<br />

nicht, die unstrittig „im öffentlichen<br />

Interesse“ waren, etwa beim Flughafenausbau.<br />

Über die Jahre waren wir von den<br />

Messeplanern einiges an Arroganz<br />

und Dreistigkeit gewohnt. Was dann<br />

aber passierte, hatte eine völlig neue<br />

Qualität:<br />

So hat sich beispielsweise der Regierungspräsident<br />

Udo Andriof, Leiter<br />

einer Kontrollbehörde, die eigentlich<br />

völlig unabhängig zu beurteilen hat,<br />

ob ein Verfahren formal rechtens ist<br />

oder nicht, über die Jahre hinweg ungeniert<br />

über diesen Grundsatz hinweggesetzt.<br />

Er war und ist bis heute<br />

nicht unabhängiger Kontrolleur, sondern<br />

Partei. Er wollte die Messe auf<br />

den <strong>Filder</strong>n und gab sogar ungefragt<br />

Anregungen, wie sie am geschicktesten<br />

durchzusetzen sei. Die Stuttgarter<br />

Zeitungen betitelten Andriof denn<br />

auch als Helfershelfer des Ministerpräsidenten.<br />

Hier wurde der Rechtsstaat<br />

auf den Kopf gestellt.<br />

Juli 02 Erörterungsverfahren durch<br />

das Regierungspräsidium (22.800 Einsprüche).<br />

Frühjahr 03 Planfeststellungsbeschluss.<br />

Udo Andriof, dessen Befangenheit wir<br />

während der Erörterung thematisierten,<br />

hatte die Messepläne nahezu<br />

unverändert durchgewunken.<br />

Dez. 03 Endgültiger Planfeststellungsbeschluss.<br />

Sechs betroffene Landwirte<br />

klagen mit Unterstützung der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

gegen den Planfeststellungsbeschluss<br />

und das Landesmessegesetz.<br />

Febr. 04 Das Stuttgarter Verwaltungsgericht<br />

verhandelt. Richterin ist Jutta<br />

Semler. Wie die StZ im April schreibt,<br />

hängt auch ihr eine gewisse Befangen-<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Gerhard Härer,<br />

Aichtal<br />

„Für mich als Aichtaler<br />

Bürger kann<br />

es nicht egal sein,<br />

wie sich die <strong>Filder</strong><br />

entwickeln, da<br />

sich der Straßenund<br />

Luftverkehr<br />

auch hier bei uns negativ auswirkt<br />

und die Lebensqualität beeinträchtigt.“<br />

heit an. Sie ist die Gattin des Wirtschaftsanwalts<br />

Semler, dessen Kanzlei<br />

CMS für die Messegesellschaft die no-<br />

Illustration F. Groß<br />

tarielle Beurkundung der Landkäufe<br />

auf den <strong>Filder</strong>n vornahm. Sie erlässt<br />

ein knallhartes Urteil. Einige Aussagen<br />

aus dem Urteil:<br />

– Das Landesmessegesetz ist verfassungskonform.<br />

(Doch Frau Semler<br />

hat dies weder ernsthaft geprüft<br />

noch hat sie unseres Erachtens die<br />

Kompetenz dies zu tun. Diese Frage<br />

hätte von Anfang an vom Bundesverfassungsgericht<br />

geprüft werden<br />

müssen).<br />

– Der Streitwert wird auf ein Mehrfaches<br />

des Üblichen festgesetzt.<br />

– Frau Semler gesteht uns zu, dass das<br />

Land eigentlich nicht die Gesetzgebungskompetenz<br />

hat und widerspricht<br />

damit Rechtsanwalt Dolde,<br />

Anwalt des Landes und „Messegesetz-Erfinder“.<br />

Doch sie „rettet“ das<br />

Land, indem sie einen neuen Erklärungsstrang<br />

für das Messegesetz<br />

findet.<br />

– Eine Berufung wird nicht zugelassen.<br />

Auch das ist einzigartig bei<br />

einem so strittigen Gesetz.<br />

Wir müssen auf Zulassung der Berufung<br />

klagen. Diesem Antrag wird im<br />

Mai 04 stattgegeben. Zudem stellen<br />

wir einen Eilantrag beim Mannheimer<br />

Verwaltungsgerichtshof gegen den<br />

jetzt möglichen Sofortvollzug, wie er<br />

im Messegesetz steht.<br />

20. April 2004 Das Massenenteignungsverfahren<br />

gegen rund 150 Grundeigentümer<br />

beginnt. Eine große Trak-<br />

11


tordemonstration staut den Verkehr<br />

weit über Vaihingen hinaus. RP Andriof<br />

verletzt die Persönlichkeitsrechte<br />

der Betroffenen, indem er die Grundstücksbesitzer,<br />

die beim RP antreten<br />

müssen, öffentlich bekannt gibt. Zudem<br />

muss der RP einen befangenen<br />

Beisitzer in der Enteignungskommission<br />

auswechseln.<br />

Mai 2004 Die Enteignungsverhandlungen<br />

ziehen sich. Wir warten auf<br />

eine Entscheidung des Mannheimer<br />

Verwaltungsgerichtshofs zum Sofortvollzug.<br />

Doch es tut sich nichts – auch<br />

weil Rechtsanwalt Dolde für seine<br />

Erwiderung lange braucht.<br />

Die Verzögerungen vor Gericht erklären<br />

sich heute: Sie gehörten zum<br />

Konzept, den Widerstand zu brechen.<br />

Inzwischen hatte die Messegesellschaft<br />

und das RP ein neues Druck-<br />

Werkzeug ins Spiel gebracht: Im Enteignungsverfahren<br />

wurden die Grundstücksbesitzer<br />

mit dem Fakt konfrontiert,<br />

dass die Messeprojektgesellschaft<br />

jetzt keine 53 € mehr für den<br />

qm mehr bezahlen wollte, sondern<br />

nur noch 20 € für Flächen im Messerandgebiete<br />

und 25 € für das Kerngebiet.<br />

Das extra angefertigte Gutachten<br />

wurde von RP Andriof unterstützt,<br />

wohingegen er unser – von<br />

kompetenten Fachleuten erstellte<br />

Gegengutachten – in Gänze verwarf.<br />

Das Ziel des Preispokers war klar, doch<br />

es stellte sich die Frage: Entweder ist<br />

das Ackerland tatsächlich 53 Euro<br />

Wert oder das Land hatte bei den<br />

Käufen im Vorfeld Steuergelder veruntreut.<br />

Juli 2004 Der Baubeginn wird von<br />

Anfang Juli auf Ende Juli verschoben,<br />

mit dem Hinweis, man wolle die Ernte<br />

schonen.<br />

28. Juli 2004 Unser Eilantrag wird<br />

abgelehnt. Wieder wird die Verfassungskonformität<br />

des Landesmessegesetzes<br />

bestätigt und die Messe als<br />

ein Projekt der „Daseinsvorsorge“ de-<br />

12<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Liesel und<br />

Manfred Illi<br />

Ostfildern<br />

Ruit<br />

„Keine <strong>Filder</strong>äcker<br />

für noch<br />

mehr Billigflieger.“<br />

finiert – diesmal vom VGH Mannheim.<br />

Wäre dieser Beschluss früher gekommen,<br />

hätten wir schon eher<br />

vor das Bundesverfassungsgericht<br />

gehen können!<br />

29. Juli 2004 Genau einen Tag nach<br />

der Ablehnung des Eilantrags werden<br />

die Standardbesitzeinweisungen<br />

ausgefahren. Dies ist so punktgenau<br />

aufeinander abgestimmt, dass man<br />

von einer Unabhängigkeit weder beim<br />

Regierungspräsidium noch – und das<br />

ist noch viel schlimmer – bei der Justiz<br />

ausgehen kann. Diese maßgeschneiderte<br />

Aktion hat in einem Rechtsstaat<br />

nichts zu suchen!<br />

Damit werden die Betroffenen bewusst<br />

unter Druck gesetzt:<br />

1. Durch die Ablehnung unseres Eilantrags<br />

kann und soll gleich großflächig<br />

mit der Abtragung des Mutterbodens<br />

begonnen werden, das<br />

heißt es sollen unumkehrbare Tatsachen<br />

geschaffen werden. Unter<br />

diesem Druck folgen die inzwischen<br />

fünf klagenden Landwirte – Walter<br />

Stäbler hatte sein Haus und Land<br />

vorher völlig überraschend verkauft<br />

– einer Einladung ins Staatsministerium.<br />

2. Erst in dem Moment, in dem das<br />

VGH-Urteil vorliegt, können wir vor<br />

das Verfassungsgericht gehen, das<br />

Baggerblockade 1.9.2004<br />

ja auch noch Zeit für die Entscheidung<br />

braucht. Gleichzeitig aber<br />

läuft die Zeit davon, weil es der<br />

Sofortvollzug möglich macht, dass<br />

die Bagger sofort anrollen und die<br />

Lösskrume unwiederbringlich zerstören.<br />

3. Die Enteigneten sollen nur 20 bzw.<br />

25 statt der 53 € bekommen.<br />

4. Ulrich Bauer, der Leiter der Projektgesellschaft<br />

neue Messe, und ein<br />

Sprecher der Landesregierung posaunen<br />

heraus, dass die verbleibenden<br />

Landwirte – nach dem Verkauf<br />

Walter Stäblers – nun nicht mehr<br />

existenzbedroht seien, da ja genug<br />

Fläche zur Verfügung stünden. Dabei<br />

handelte es sich um eine bewusste<br />

Irreführung, wie es sich auch<br />

bei den Verhandlungen der Landwirte<br />

mit dem Staatsministerium<br />

zeigte. Dort wurde händeringend<br />

nach Flächen außerhalb der <strong>Filder</strong><br />

gesucht, um wenigstens einen Teilausgleich<br />

für die verbleibenden<br />

existenzbedrohten Landwirte zu<br />

finden.<br />

Das gesamte Vorgehen ist nur damit<br />

zu erklären, dass man offensichtlich<br />

eine Heidenangst vor der Entscheidung<br />

des Bundesverfassungsgerichts<br />

hatte.<br />

Die Situation wurde für Landwirte<br />

und Grundstücksbesitzer immer enger:<br />

Die Landwirte hatten keine Chance<br />

mehr, zu ihrem Recht zu kommen,<br />

bevor ihr gesamter Boden weggeräumt<br />

war. Es war nur nachvollziehbar<br />

und richtig, dass sie sich in dieser<br />

verzweifelten Lage entschlossen, zu<br />

verkaufen und übereinkamen, dass<br />

nur einer oder zwei weiterklagen.<br />

Diese Möglichkeit wurde ihnen durch<br />

einen weiteren erpresserischen Trick<br />

der Landesregierung zunichte gemacht:<br />

Nach harten Verhandlungen<br />

der Bauern und ihres Kreisobmanns<br />

bot das Land den Bauern (und den<br />

Grundstücksbesitzern), die jetzt in<br />

letzter Minute „freiwillig“ verkauften<br />

die 53 €, allerdings nur unter der<br />

Voraussetzung, dass alle (!) mitmachten.<br />

Wenn nur einer weiterklagen<br />

würde, würden alle (!) Verbliebenen<br />

nur noch 20/25 € erhalten – auch die<br />

vielen Grundstücksbesitzer, die ihr<br />

Land an die klagenden Landwirte<br />

verpachtet und ebenfalls bis jetzt<br />

nicht verkauft hatten. Dadurch wurden<br />

die Klagewilligen unter moralischen<br />

Druck gesetzt. Über ihre Klage<br />

wäre wahrscheinlich erst Monate<br />

später entschieden worden, d.h.<br />

sie hätten das Wegschieben des<br />

Bodens nicht mehr verhindern können<br />

und hätten trotzdem einen hohen<br />

Wertverlust ihrer Grundstücke<br />

hinnehmen müssen. Durch die „Erpressung“<br />

waren die Landwirte nicht<br />

mehr nur für sich allein verantwortlich,<br />

sondern nun auch noch für<br />

die finanzielle Entschädigung vieler<br />

anderer.


Jan. 2006 Zwei Echterdinger Nebenerwerbslandwirte<br />

klagten später dennoch<br />

weiter. Letztendlich ließ das Bundesverfassungsgericht<br />

die Beschwerde<br />

aber aus formalen Gründen nicht zu.<br />

Es argumentierte, die beiden Altlandwirte<br />

hätten bereits gegen den Plan-<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Karsten Meurer,<br />

Leinfelden-<br />

Echterdingen-<br />

Stetten<br />

„Die <strong>Filder</strong>gegend<br />

steht im Fokus<br />

der Politik. Immer<br />

mehr industrielle<br />

Entwicklung wird hier geballt und<br />

angesiedelt. Neue Landesmesse,<br />

Industriegebieterweiterung, ICE<br />

Bahnhof, ICE Trasse und und<br />

und... Wenn es nach dem Willen<br />

der Politiker ginge, dann wäre<br />

insbesondere die zweite Startbahn<br />

des Flughafens bereits beschlossene<br />

Sache. Zum Glück regt<br />

sich hiergegen ein wohlorganisierter<br />

Widerstand der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> und vertritt die<br />

Interessen der hier lebenden<br />

Menschen.“<br />

feststellungsbeschluss klagen müssen,<br />

jetzt sei es zu spät. Man stelle sich vor:<br />

Ein (juristisch nicht erfahrener) Landwirt<br />

legt Einspruch gegen die vorgelegten<br />

Pläne ein – wie knapp 23.000<br />

andere auch. Dennoch wird ein Planfeststellungsbeschluss<br />

ausgesprochen.<br />

Daraufhin fordert die Behörde den<br />

Landwirt auf, zu verkaufen, sonst<br />

werde er enteignet. Jetzt ist der<br />

Landwirt direkt betroffen und will<br />

sich gegen die Enteignung wehren.<br />

Doch das Gericht verwehrt es ihm, die<br />

Grundsatzfrage des Landesmessegesetzes<br />

– ob für einen Wirtschaftsbetrieb<br />

wie die Messe enteignet<br />

werden kann – klären zu lassen. Diese<br />

Handlung ist ein Armutszeugnis für<br />

das Bundesverfassungsgericht. Und<br />

für diese Entscheidung, ob es den<br />

Antrag zulässt, hat das Bundesverfassungsgericht<br />

zudem noch ein Jahr<br />

lang gebraucht!<br />

Im Gegensatz zu manchen Medienberichten<br />

und Meinungen muss an<br />

dieser Stelle festgestellt werden: Das<br />

Landesmessegesetz ist damit immer<br />

noch nicht auf seine Rechtmäßigkeit<br />

überprüft worden. Dabei ist das<br />

Landsmessegesetz doch so brisant,<br />

dass die politische Ebene und erst<br />

recht die verschiedenen juristischen<br />

Instanzen, von sich aus das Bundesver-<br />

fassungsgericht zwecks Klärung hätten<br />

anrufen müssen. Eine Forderung,<br />

die z.B. Karl Wanner, der die CDU-<br />

Messegegner im LE-Stadtrat anführte,<br />

immer wieder erhob.<br />

Fazit: An vielen Stellen wurde mit<br />

unanständigen Mitteln gearbeitet bis<br />

hin zu erpresserischem Druck.<br />

In der Politik ist man Scheinheiligkeit,<br />

Überheblichkeit und Machtmissbrauch<br />

schon fast gewöhnt. Dass aber auch<br />

angeblich neutrale Behörden (Regierungspräsidium)<br />

und sogar die Justiz<br />

ganz offenkundig Zweifel an ihrer<br />

Unabhängigkeit aufkommen lassen,<br />

ist selbst uns, die wir in fast 40 Jahren<br />

Bürgerinitiative vieles erfahren haben,<br />

in dieser krassen Form bisher nicht<br />

untergekommen.<br />

Gabi Visintin und<br />

Steffen Siegel<br />

Illustration F. Groß<br />

Der ehemalige Leiter der Projektgesellschaft<br />

Neue Messe, Ulrich<br />

Bauer:<br />

„Die Verkehrsbelastung für Leinfelden-Echterdingen<br />

wird durch<br />

die geplanten Verkehrsbauten<br />

geringer“ (FZ; 14. 11. 2001)<br />

13


STUTTGART 21<br />

Geheimnisvoller Flughafenanschluss<br />

Fünf Abschnitte bei Stuttgart 21 sind planfestgestellt. Fünf von sieben, zwei fehlen noch. Offenbar sind es die<br />

schwierigsten, unter anderem der Flughafenanschluss mit seinen zwei Bahnhöfen (Fernbahnhof und Gäubahn-<br />

Bahnhof).<br />

Wie wir wissen, gibt es unter anderem<br />

auch deshalb Probleme, weil die jetzige<br />

Trasse nach Rohr nur für den S-<br />

Bahn-Verkehr ausgelegt und genehmigt<br />

ist (schmalere Gleisabstände für<br />

max. 80 km/h). Die „Lösung“ wird<br />

wohl sein, dass der bei Stuttgart 21<br />

vorgesehene Regional- und Fernverkehr<br />

ebenfalls diese maximale Geschwindigkeit<br />

einhalten muss. Ein<br />

weiteres Problem ist die geplante eingleisige<br />

Ausschleifung zum Fernbahnhof,<br />

die zu Fahrwegausschlüssen<br />

führt und daher die betriebliche Flexibilität<br />

erheblich einschränkt. Wir gehen<br />

davon aus, dass es eine Billiglösung<br />

geben wird, weil nämlich das<br />

Interesse an der Verknüpfung der Verkehrsträger<br />

Bahn und Flieger schon<br />

deutlich nachlässt. So lassen die Fahrgastzahlen<br />

zum Großflughafen Frankfurt,<br />

aber auch zum Flughafen Köln<br />

aus Sicht der Bahn zu wünschen übrig.<br />

Im letzteren Fall hat dies dazu geführt,<br />

dass Fernverkehrsverbindungen<br />

über den Flughafen wieder gestrichen<br />

wurden. Klar ist, dass Flughafenchef<br />

Fundel und seine Landesregierung<br />

gerne so was Schickes vor der Haustüre<br />

hätten, die Bahn ist aber vielleicht<br />

schon desillusioniert und demotiviert.<br />

Lassen wir uns überraschen.<br />

14<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Gerd Hütter,<br />

Stuttgart-<br />

Plieningen<br />

„Der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong><br />

solidarische Grüße<br />

von “jenseits<br />

der Autobahn“<br />

aus Plieningen-Birkach, denn nur<br />

gemeinsam können wir etwas gegen<br />

die Zerstörung von Landschaft<br />

und Umwelt bewirken. Ihre energischen<br />

Proteste gegen den Flughafenausbau<br />

sind beispielhaft und<br />

motivieren die Bevölkerung zu<br />

mehr Engagement. Weiter so!“<br />

Grundsätzlich ist dieses Verknüpfungskonzept<br />

von Flugverkehr und Bahnverkehr<br />

auch falsch, denn in solchen<br />

Knoten bestimmt der Schnellere den<br />

Takt. Die ökologisch sinnvollere Bahn<br />

wird dann nämlich zum Zubringer für<br />

den schädlichen Flugverkehr.<br />

Auch ist das bei Stuttgart 21 vorgesehene<br />

Bahnhofskonzept hochgradig<br />

albern. Der Fernbahnhof liegt zwar direkt<br />

an der Messe, befindet sich aber<br />

250 Meter weg vom Check-In. MessebesucherInnen,<br />

in der Regel ohne großes<br />

Gepäck, kommen direkt an der Messe<br />

an. Flugreisende, in der Regel mit schwerem<br />

Gepäck, schleppen dieses 250<br />

Meter zum Check-In. Ein Geheimtipp<br />

für Flugreisende wäre daher: „Steigen’se<br />

am Hauptbahnhof um in den<br />

RE nach Singen. Wenn Sie dann am Gäubahn-Bahnhof<br />

(heutiger S-Bahnhof) aussteigen,<br />

sind’se direkt am Check-In. Aber<br />

wenn das zu lange dauert, bis ein RE nach<br />

Singen in den unterirdischen Hauptbahnhof-Engpaß<br />

hinein passt, dann<br />

fahren’se einfach mit der S-Bahn“.<br />

Das konnten Sie übrigens schon immer.<br />

Aber wenn die DB und die „bahnfahrende<br />

Politik“ (gibt es so was<br />

überhaupt?) meint, es mache Sinn, mit<br />

dem ICE mit viel Energieaufwand den<br />

<strong>Filder</strong>aufstiegstunnel 4 Minuten lang<br />

hinaufzubrettern, um dann sogleich<br />

wieder energi(e)sch abzubremsen,<br />

und wenn die Bahnreisende das Preis-<br />

Auf diesen Feldern hat sich die neue Messe<br />

breit gemacht<br />

Grafik DB AG<br />

Leistungsverhältnis (ICE-Zuschlag bzw.<br />

längere Fahrtzeit nach Ulm) in Ordnung<br />

finden, na dann… Wir finden, das<br />

macht weder ökologisch noch ökonomisch<br />

Sinn. Aber wir sind ja auch nicht<br />

Ministerpräsident oder Bahnchef.<br />

Interessant wird auch die Frage sein,<br />

wie man den Fernbahnhof und die<br />

Trasse unter den bestehenden Messeund<br />

Flughafengebäuden bauen will,<br />

ohne dabei deutliche Mehrkosten in<br />

Kauf nehmen zu müssen. Bekanntlich<br />

wollte die Messe ja vor Jahren das<br />

Planfeststellungsverfahren gemeinsam<br />

mit der DB durchführen, was die<br />

DB jedoch damals ablehnte.<br />

Nun, wir sind gespannt auf die Auslegung<br />

der Pläne, zumal ja im Planfeststellungsverfahren<br />

gerade der Anschluss<br />

des Flughafens bei der Abwägung<br />

zwischen Stuttgart 21 und<br />

der Alternative Kopfbahnhof 21 mit<br />

ausschlaggebend war. Was ist, wenn<br />

es jetzt nur noch ein „Anschlüssle“<br />

wird? Nein, das wird das Eisenbahnbundesamt<br />

nicht irritieren, und schon<br />

gar nicht den Verwaltungsgerichtshof


in Mannheim. Aber die Leinfelden-<br />

Echterdinger haben auf jeden Fall<br />

plötzlich Regional- und Fernverkehr<br />

vor der Tür. Ach ja, und die SSB hat<br />

auch schon die Idee, von Leinfelden<br />

aus auf dieser Trasse zum Flughafen<br />

zu fahren. Und jetzt hätte ich es doch<br />

fast vergessen: Die beiden Bahnhöfe<br />

am Flughafen sind ja „<strong>Filder</strong>bahnhöfe“!<br />

Sie erschließen die <strong>Filder</strong>n. So<br />

wird dies ernsthaft in den Hochglanzbroschüren<br />

der DB verkauft! Also,<br />

wenn die <strong>Filder</strong>bewohner, die man ja<br />

offensichtlich für blöd hält, daran denken<br />

sollten, von diesen Bahnhöfen aus<br />

mit dem Zug in die Region oder in die<br />

weite Welt zu fahren, dann müssten<br />

sie ja da erstmal hinkommen. Und wie<br />

kommen sie dahin, wenn nicht mit<br />

dem Auto (und bekanntlich steigt,<br />

wer ins Auto einsteigt, nicht mehr<br />

aus), dann mit dem Bus. Herrlich, jede<br />

Buslinie müsste dann beide Bahnhöfe<br />

bedienen! Die Berufspendler und<br />

Schüler und alle anderen Fahrgäste<br />

werden begeistert sein.<br />

Die Initiative „Leben in Stuttgart –<br />

Kein Stuttgart 21“ gratuliert der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> zu ihrem 40-Jahre-Jubiläum.<br />

Wir sind ja nur zwölf<br />

Jahre alt. Zwölf lange, streitvolle Jahre.<br />

Ein paar Jahre werden schon noch<br />

Aktuelles zum <strong>Filder</strong>bahnhof<br />

Im Oktober 2007 erklärte das Bundesverkehrsministerium:<br />

So wie bisher gedacht, kann der <strong>Filder</strong>bahnhof nicht gebaut werden!!<br />

Für die Planer von Stuttgart 21 bedeutet dies einen herben Rückschlag!<br />

Der Grund ist, dass die Bahnsteige für Fernzüge, die über die S-Bahnstation<br />

geführt werden sollen, so umgebaut werden müssten, dass sie für die<br />

S-Bahn nicht mehr brauchbar wären. Also denkt man an einen zusätzlichen<br />

Tunnel hin zum geplanten Fernbahnhof. Und das alles unter einer Messe,<br />

die bereits in Betrieb ist, mit Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe.<br />

Es gibt doch die bessere Alternative: Gäubahn lassen wo sie ist, auch als<br />

Ausweichstrecke bei Sperrung des S-Bahntunnels, und über den Westbahnhof<br />

hinunter in den Stuttgarter Kessel fahren und im Kopfbahnhof<br />

einschleifen – also die Wiederentdeckung der bestehenden Trasse!<br />

Dann fährt auch kein IC durch LE!<br />

dazu kommen. Und am Ende wollen<br />

wir noch immer Stuttgart 21 verhindern.<br />

Die Kundgebung am 24. September<br />

2007 auf dem Stuttgarter Marktplatz<br />

und der Verlauf des Bürgerbegehrens<br />

machen uns Hoffnung.<br />

Illustration F. Groß<br />

„Die Art der Präsentation im April 1994 war ein überfallartiger Vorgang.<br />

Gegner und Skeptiker sind nicht imstande gewesen, die Sache zu zerreden.<br />

Ein Musterbeispiel, wie man solche Großprojekte vorstellen muss.“<br />

Heinz Dürr, ehem. Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG zu<br />

Stuttgart 21 (SN,14.2.95).<br />

Gangolf Stocker,<br />

Sprecher der Initiative „Leben in<br />

Stuttgart – Kein Stuttgart 21“<br />

15


„<strong>Filder</strong> kommt von Felder“<br />

Flughafen und Messe begraben<br />

die besten Böden unter sich<br />

Walter Vohl, langjähriger Kreisobmann<br />

des Bauernverbands Esslingen und engagierter<br />

Kämpfer für die Interessen<br />

der Bauern und der <strong>Filder</strong>, kommentiert<br />

den Geburtstag der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

so: „Ein 40. Geburtstag ist für<br />

einen Schwaben ein Grund zu feiern.<br />

Dass wir nach 40 Jahren die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> nötiger denn je brauchen,<br />

ist wahrlich kein Ruhmesblatt für<br />

die politisch Verantwortlichen in Land,<br />

Region und der Stadt Stuttgart.“<br />

Seit dem Bau des Flughafens auf den<br />

besten Böden des Landes sind die<br />

Bauern der <strong>Filder</strong> in ständiger Bedrängnis,<br />

durch den Entzug landwirtschaftlicher<br />

Flächen ihre Existenz zu<br />

verlieren. So haben allein zwischen<br />

1979 und 2003 über die Hälfte der<br />

Bauern auf den <strong>Filder</strong>n ihre Betriebe<br />

aufgegeben. Dies geschah in vielen<br />

Fällen nicht freiwillig, sondern aufgrund<br />

des Entzugs landwirtschaftlicher<br />

Flächen.<br />

Es gab nur deshalb keinen Aufruhr,<br />

weil das Angebot an Arbeitsplätzen<br />

ausserhalb der Landwirtschaft groß<br />

war. Nicht allein die großen Infrastruktureinrichtungen<br />

wie Flughafen,<br />

Straßen und Messe waren und sind<br />

die Ursachen für diesen überproportionalen<br />

Strukturwandel, sondern<br />

auch die stetige Entwicklung der<br />

Städte und Gemeinden.<br />

Bei näherer Betrachtung kann man<br />

aber den Kommunen der <strong>Filder</strong> durchaus<br />

attestieren, dass sie mit der Fläche<br />

16<br />

verantwortungsbewusst umgegangen<br />

sind. Die Arbeitsplatzdichte pro Hektar<br />

Gewerbefläche und die Einwohnerdichte<br />

pro Siedlungsfläche ist<br />

nirgends im Land so hoch wie auf den<br />

<strong>Filder</strong>n. Zusätzlich erstreckt sich die<br />

Inanspruchnahme landwirtschaftlicher<br />

Flächen durch die Kommunen<br />

immer über längere Zeiträume, so<br />

dass man sich darauf einstellen kann.<br />

In der Regel waren es auch nicht die<br />

allerbesten landwirtschaftlichen Flächen,<br />

die einer Bebauung zugeführt<br />

wurden.<br />

Blick auf Plieningen mit Messebaukränen<br />

Ganz anders bei den Großprojekten.<br />

Flughafen und Neue Messe haben fast<br />

ausschließlich beste landwirtschaftliche<br />

Ackerflächen mit einer Bodenpunktzahl<br />

von 80 und mehr unter sich<br />

begraben. Diese Tatsache macht uns<br />

Bauern betroffen. Wir haben immer<br />

versucht, den Befürwortern klar zu<br />

machen, dass es ein irreversibler Fehler<br />

ist, Böden mit einem so hohen<br />

natürlichen Ertragspotenzial zu versiegeln.<br />

Dieses Argument haben sich<br />

nur die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> und vor<br />

allen Dingen auch der Historiker Gerhard<br />

Raff zu eigen gemacht.<br />

Im Gegenteil, uns wurde von den<br />

Befürwortern der Messe immer wieder<br />

entgegen gehalten, wir Bauern<br />

würden doch nur Überschüsse produzieren,<br />

die mit Steuermitteln gelagert<br />

oder entsorgt werden müssen.<br />

Dass in so kurzer Zeit, noch vor der<br />

Messeeröffnung, die landwirtschaftlichen<br />

Vorräte auf ein historisches Tief<br />

sinken, die Preise für Getreide steil<br />

nach oben gehen, hat alle überrascht.<br />

Für die betonierte Fläche kommt es<br />

aber zu spät.<br />

Zwölf Hektar ökologisch gestaltete<br />

Trittsteine, (die die Messeplaner als<br />

Ausgleich für mindestens 120 Hektar!!<br />

entzogene Fläche einplanten; Anmerkung<br />

der Redaktion) bringen auf dem<br />

Papier die Welt wieder in Ordnung,<br />

niemals aber in Wirklichkeit und satt<br />

machen sie erst recht niemanden.<br />

Wir Bauern helfen mit, eine noch größere<br />

und stärkere <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

zu bilden, der es gelingt, so viele Menschen<br />

zu mobilisieren, dass weitere<br />

Großprojekte politisch verhindert<br />

werden. Juristisch wird es immer<br />

schwerer, weil das Land die Gesetze so<br />

zimmert, dass vor Gericht unsere<br />

Chancen schlecht stehen. Deshalb<br />

lasst uns gemeinsam politisch weiter<br />

kämpfen.<br />

Walter Vohl, Landwirt aus Stetten<br />

2007: Das <strong>Filder</strong>-Spitzkraut wurde<br />

als regionale Spezialität in die<br />

„Arche des guten Geschmacks“<br />

aufgenommen.


Wilhem Hertig (✝ 2004), Heinz Bauer (✝ 2006)<br />

Zwei außergewöhnliche Menschen, die<br />

die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> geprägt haben.<br />

Traktordemonstration 1998; 65 Schlepper fahren von den <strong>Filder</strong>n zum<br />

Stuttgarter Schlossplatz<br />

OB Wolfgang Schuster 1997 auf den Vorhalt , dass eine<br />

Milliarde DM (ca. 500 Mio €) für die Messe nie ausreiche:<br />

„Wir werden auf keinen Fall nachschießen, dann werden<br />

eben nur 80.000 statt 100.000 Quadratmeter Messefläche<br />

gebaut.“ (SZ 27.3.97)<br />

OB Schuster 2007 bei der Eröffnung der inzwischen 806<br />

Mio € teuren Messe:<br />

„Ich würde mich freuen, Sie in wenigen Jahren zur<br />

Eröffnung des Erweiterungsbaus einladen zu dürfen.“<br />

(SN 20.10.07)<br />

Wilhelm Hertig, (Ehrenvorstand<br />

der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong>), Plieningen,<br />

Landwirtsschaftsobmann,<br />

Baumwart, Ortschronist und unermüdlicher<br />

Kämpfer für den Schutz<br />

der <strong>Filder</strong>, aufrecht und unbestechlich;<br />

so lehnte er die Landesehrennadel<br />

ab, weil er keine Auszeichnung<br />

von denen annehmen wollte,<br />

„die auf den <strong>Filder</strong>n Ungutes anrichten“.<br />

In seiner bescheidenen Art<br />

strahlte er mehr Würde aus als alle<br />

„hohen Herren“.<br />

Heinz Bauer, Plattenhardt, unser<br />

Grafiker und ständiger Ideenproduzierer;<br />

sein LandArt Projekt, wo er<br />

Künstler und Bauern gegen den Flughafenausbau<br />

vereinte, ist einzigartig.<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> lebte<br />

von seinen Zeichnungen, Plakaten,<br />

Karikaturen, Karten, Fotos und vor<br />

allem von seinen Ideen.<br />

Vor dem neuen Schloss wird <strong>Filder</strong>erde ausgebracht und Kraut gepflanzt.<br />

Plakataufschrift: Diese Fläche staatlichen Eigentums haben wir<br />

symbolisch enteignet zum Zwecke der Demonstration eines öffentlichen<br />

Interesses an der Erhaltung der Fruchtbarkeit des<br />

<strong>Filder</strong>bodens. (Juristensprache übersetzt: „Beton kascht et esse“)<br />

Unsere <strong>Filder</strong>camphütte muss der Bulldozergewalt weichen (1.10.04)<br />

17


Klimakiller Flugzeug<br />

Unser Erdball ist von einer Lufthülle (Atmosphäre) umgeben. In etwa fünf Kilometer Höhe – das ist lächerlich<br />

wenig – können wir schon nicht mehr richtig atmen oder gar auf Dauer leben. Diese Lufthülle ist ein ganz<br />

dünnes, hochempfindliches „Häutchen“, das es dem Menschen erst ermöglicht zu leben und das uns gegen<br />

das unwirtliche, unendliche Universum schützt. Doch seit einigen Jahrzehnten blasen wir in dieses empfindliche<br />

Häutchen, das sich über Jahrmillionen ausgebildet hat, tagtäglich unvorstellbare Mengen von Gasen und<br />

Stäuben, die der normalen Zusammensetzung der Luft nicht entsprechen. Dies geschieht mit steigender<br />

Tendenz.<br />

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das<br />

empfindliche Gleichgewicht nachhaltig<br />

gestört ist, also sich das Klima<br />

nachhaltig ändert.<br />

Ein weit unterschätzter Verursacher<br />

dieser Klimaänderung ist der Flugverkehr.<br />

In einer Höhe von rund zehn<br />

Kilometern – die Luft ist dort bereits<br />

extrem dünn – stoßen Flugzeuge<br />

Dreck und heiße Abgase aus. Unter<br />

der starken UV-Strahlung, die dort<br />

herrscht, wirken die Emmissionen dramatisch<br />

klimaschädigend. In dieser<br />

Höhe bildet sich unter dem starken<br />

Unterdruck ein Schmutzschleier, der<br />

den ganzen Globus umschließt. Weil<br />

es nur einen ganz langsamen vertikalen<br />

Stoffaustausch in dieser Höhe<br />

gibt, wächst der Schmutzschleier unaufhaltsam<br />

weiter. Anders als unten<br />

auf der Erde, findet in der oberen<br />

Luftschicht praktisch keine Auswaschung<br />

durch Regen statt. Ein Verstärken<br />

des Treibhauseffekts ist die unausweichliche<br />

Folge.<br />

Nach dem Uno-Klimabericht 2007 sind<br />

Flugzeuge „nur“ mit 3,5% am weltweit<br />

ausgestoßenen Treibhausgas CO 2<br />

beteiligt. Das klingt relativ wenig,<br />

aber die in großen Höhen ausge-<br />

18<br />

stoßenen Gase wirken wesentlich<br />

stärker auf das Klima, als wenn sie auf<br />

dem Erdboden ausgestoßen würden.<br />

Fachleute belegen die Klimawirkung<br />

der Flugzeuge deshalb mit einem<br />

Faktor 3 bis 4. Das bedeutet: Flugzeugabgase<br />

haben einen Anteil an<br />

der Klimaschädigung im Bereich von<br />

etwa 10%. Bedenkt man, dass sich der<br />

Flugverkehr bis 2020 verdoppeln und<br />

bis 2030 verdreifachen soll, wird die<br />

Klima-Brisanz des Fliegens klar. Fliegen<br />

ist die klimaschädlichste Art, sich<br />

fortzubewegen<br />

Wolkenbildung durch Kondensstreifen<br />

Kondensstreifen bilden sich am Himmel,<br />

wenn der Wasserdampf der Luft<br />

an den von den Düsentriebwerken<br />

ausgestoßenen feinen Rußpartikeln<br />

kondensiert. Die Luft in dieser ansonsten<br />

extrem staubarmen Luft in<br />

diesen großen Höhen ist zwar feucht,<br />

der Wasserdampf kann sich jedoch<br />

mangels so genannter Kondensationskeime<br />

nirgends niederschlagen.<br />

Wer hat nicht schon gesehen, wie sich<br />

Kondensstreifen, langsam verändern,<br />

sich ausdehnen und irgendwann nur<br />

noch als Wolken erkennbar sind.<br />

Es entstehen hohe Schleierwolken<br />

(Zirrus), die die globale Erwärmung<br />

verstärken. Deutlich wurde der Klimaeinfluss<br />

der Flugzeuge z.B. während<br />

des dreitägigen Flugverbots nach den<br />

Terroranschlägen (11. September 2001)<br />

in den USA. Der Temperaturunterschied<br />

zwischen Tag und Nacht war in<br />

diesen 3 Tagen deutlich erhöht.<br />

<strong>Filder</strong> und Klima<br />

Wenn es durch einen Klimawandel<br />

wärmer wird, dann werden dünne<br />

Humusschichten wie auf der Alb austrocknen<br />

und bei zu erwartenden<br />

starken Regengüssen weggeschwemmt.<br />

Die metertiefen, wasserhaltigen <strong>Filder</strong>lössböden<br />

dagegen werden nicht<br />

so schnell austrocknen und dann noch<br />

viel wichtiger als heute für unsere<br />

Ernährung sein. Wer also eine Betonpiste<br />

für Flugzeuge auf <strong>Filder</strong>boden<br />

baut, sündigt zweifach: Einmal, weil<br />

Flieger das Klima schädigen, zum<br />

zweiten, weil dann der wichtige <strong>Filder</strong>humus<br />

als Lebensgrundlage fehlt.<br />

Deshalb: Die <strong>Filder</strong> leben lassen! Damit<br />

auch Menschen und Tiere leben<br />

können.<br />

Steffen Siegel<br />

Foto: C. Vogg


„Jesus Christus spricht: Was nützt es einem Menschen,<br />

wenn er die ganze Welt gewinnt, sich selbst dabei<br />

aber verliert und Schaden nimmt?“<br />

(Lukas 9, 25)<br />

Was nützt es? Wozu ist es gut?<br />

Was bringts? So fragen wir, bevor<br />

wir Entscheidungen treffen. Wir stellen<br />

Kosten-Nutzen-Berechnungen an.<br />

Was habe ich davon? Lohnt sich die<br />

Sache?<br />

Und wer uns etwas verkaufen<br />

will, der preist sein Produkte in den<br />

höchsten Tönen an, und welche Vorteile<br />

wir doch davon haben. Wollt ihr<br />

euch wirklich diese einmalige Chance<br />

entgehen lassen?<br />

Genauso geschieht es bei dem, was<br />

hier auf unseren <strong>Filder</strong>n geplant ist.<br />

Wir fragen uns: Was nützt es? Wozu<br />

soll das alles gut sein? Brauchen wir<br />

das und wollen wir das? …. Sie malen<br />

uns alles fast mit paradiesischen<br />

Farben vor Augen und versuchen uns<br />

klarzumachen, dass das alles letztlich<br />

auch uns nur nützt…. Aber um welchen<br />

Preis, das alles?<br />

Jesus fragt auch: Was nützt es?<br />

Was nützt es einem Menschen, wenn<br />

er die ganze Welt gewinnt? Jesus<br />

fragt auch nach dem Nutzen des Gewinnmachens.<br />

…. Für ihn gibt es offenbar<br />

viel wichtigeres als Gewinne zu<br />

machen. Er hinterfragt alles Gewinnstreben.<br />

Er ist also der Meinung: Viel<br />

besitzen, eine Menge haben ist nicht<br />

alles und auch nicht das Wichtigste im<br />

Leben eines Menschen.<br />

Vor dem <strong>Filder</strong>denkmal, von links: Gabi Visintin, Dr. Hans Huber,<br />

Pfarrer Hans-Peter Becker, OB Wolfgang Fischer<br />

Hast du was, dann bist du was,<br />

sagt ein Sprichwort. Und in der Tat<br />

gelten die unter uns viel, die viel haben.<br />

Entsprechend nehmen sich viele<br />

die als Vorbilder und so wie die zu<br />

werden als Lebensziel. Aber sind solche<br />

Menschen auch glücklich? Sind sie<br />

mit ihrem Leben zufrieden? Ist viel zu<br />

haben Sinn und Zweck eines Menschenlebens?<br />

Was nützt mir das alles,<br />

wenn ich keine Zeit habe, mein Leben<br />

zu leben und zu genießen, sondern<br />

nur gelebt werde und getrieben? Was<br />

nützt es mir, wenn meine Ehe darüber<br />

zerbricht und meine Freundschaften,<br />

weil ich sie nicht mehr pflegen kann?<br />

Was, wenn meine Umwelt darüber<br />

kaputtgeht, ich mich nur noch mit Hilfe<br />

von Lärmschutzfenstern in meiner<br />

Wohnstube unterhalten kann oder<br />

die Fenster ständig geschlossen halten<br />

muss, damit ich es einigermaßen erträglich<br />

habe? Was nützt das alles,<br />

wenn ich nur noch auf Betonfassaden<br />

starre beim Blick aus meiner Wohnung<br />

oder statt Blütenduft nur Autoabgase<br />

zu riechen bekomme? Und<br />

was nützt das alles, wenn ich darüber<br />

krank werde, körperlich oder seelisch<br />

krank? Das kanns also nicht sein.<br />

Wir dürfen nicht vergessen, dass<br />

unsere Entscheidungen heute nicht<br />

nur uns betreffen. Wenn wir fragen:<br />

Was nützt es? dann interessiert uns<br />

normalerweise, was bringt das alles<br />

mir? Aber das ist zu kurzsichtig. Vielleicht<br />

haben wir tatsächlich persönlich<br />

Nutzen von manchem, was man hier<br />

plant. Aber haben das auch noch unsere<br />

Kinder und Enkel? Was haben<br />

die davon, wenn das Geld vom Landverkauf<br />

längst verbraucht ist? Welche<br />

Welt hinterlassen wir denen?<br />

Jesus warnt davor, sich selbst, sein<br />

eigenes Selbst, seine Mitte zu verlieren….<br />

(Aus einer Ansprache von Pfarrer<br />

Hans-Peter Becker, Echterdingen,<br />

am 13. Juli 1997)<br />

Pfarrer Hans-Peter Becker mit dem Posaunenchor Echterdingen bei seiner<br />

Ansprache in der landwirtschaftlichen Halle der Familie Bayha<br />

19


Die zweite Startbahn<br />

Eine absurde Idee<br />

Im Jahr 2000, also bereits vor sechs Jahren, trat Flughafenchef Georg Fundel mit der unsäglichen Überlegung<br />

an die Öffentlichkeit, die bestehende Start- und Landebahn (SL-Bahn) um 300 bis 600 Meter zu verlängern und<br />

eine zweite Start- und Landebahn parallel dazu zu bauen.<br />

Der Flughafenchef wurde damals allerdings<br />

von Ministerpräsident (MP)<br />

Erwin Teufel zurückgepfiffen, unter<br />

anderem mit der Aussage : „Ich halte<br />

mich selbstverständlich an die verbindlichen<br />

Zusagen, die wir vor zehn<br />

und fünfzehn Jahren im Zusammenhang<br />

mit dem Ausbau der Bahn gemacht<br />

haben“ (StN, 3.5.2000). Gemeint<br />

sind die Aussagen von Lothar<br />

Späth, der den <strong>Filder</strong>bewohnern in<br />

den 80er Jahren versprach, der Ausbau<br />

des Flughafens sei das letzte<br />

Großprojekt auf den <strong>Filder</strong>n.<br />

Offensichtlich hält Ministerpräsident<br />

Günther Oettinger nicht soviel von<br />

den Versprechen seiner Vorgänger.<br />

Unmittelbar nach der Landtagswahl<br />

im Frühjahr 2006 kündigte Flughafenchef<br />

Fundel ein Gutachten über eine<br />

zweite Startbahn an und MP Oettinger<br />

sagte nur, er wolle dieses Gutachten<br />

„ergebnisoffen prüfen.“<br />

Die neue Bahn soll südlich zwischen<br />

Bernhausen und Neuhausen, parallel<br />

zur bestehenden und weit nach Osten<br />

verschoben, bis über die Autobahn<br />

hinweg verlaufen. Eine Horrorvision,<br />

besonders für alle Bewohner im Einflugbereich<br />

des Flughafens. Seit kurzem<br />

wird auch über eine zweite<br />

Variante nördlich der Autobahn zwischen<br />

Plieningen und Scharnhausen<br />

spekuliert.<br />

Eine zweite Bahn würde erneut 150<br />

bis 200 Hektar allerbestes Ackerland<br />

für alle Zeiten zerstören.<br />

Flughafenchef Fundel lieferte öffentlich<br />

folgende Zahlen nach:<br />

2006 hatte der Flughafen 10 Millionen<br />

Flugpassagiere. Reizt man die jetzige<br />

Bahn aus und baut dann noch eine<br />

zweite dazu, so könne man bis zu 23<br />

Millionen Passagiere befördern. Das<br />

heißt, die Flugbewegungen würden<br />

sich grob gerechnet mehr als verdoppeln<br />

und damit auch der Flughafenzubringerverkehr<br />

sowie der Lärm, die<br />

Abgase und die Staus. Dazu kommen<br />

die Folgewirkungen der neuen Messe:<br />

20<br />

Mindestens an Messeeröffnungstagen<br />

werden sich Messe- und Flughafenverkehr<br />

gegenseitig strangulieren. Im<br />

September stauten sich bei einer Doppelmesse<br />

die Autos auf der B27 bis<br />

nach Pliezhausen zurück.<br />

Der Widerspruch der betroffenen Kommunen<br />

ließ nicht lange auf sich warten.<br />

Inzwischen haben außer dem KAF<br />

(Kommunaler Arbeitskreis <strong>Filder</strong>) mehr<br />

als 20 Gemeinden – von Herrenberg<br />

über die <strong>Filder</strong>orte und den Schurwald<br />

bis nach Plochingen – klare Resolutionen<br />

gegen diese Pläne gefasst. Die<br />

Unterschriftenaktion der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> gegen eine zweite<br />

Startbahn führte bis jetzt zu über<br />

23.000 (!) Unterschriften.<br />

Warum will der Flughafen<br />

ausbauen?<br />

Die Zuwachsraten am Stuttgarter Flughafen<br />

kommen einmal durch das Winterdrehkreuz<br />

zustande, das heißt Stuttgart<br />

entwickelt sich zum Umsteigeplatz.<br />

Von überall her karrt man Touristen<br />

an, die hier neu sortiert in die<br />

ganze Welt weiterfliegen.<br />

Der wesentliche Grund für den Passagierzuwachs<br />

aber sind die Billigflieger,<br />

die der Flughafen mit aller Macht<br />

fördert und herholt. Nur 20 Prozent<br />

der Billigflugpassagiere stammen übrigens<br />

aus der Region (StN 11.5.06).<br />

Wenn aber subventionierte Billigflieger<br />

die Leute zum Shoppen außer<br />

Landes verführen, so schadet dies der<br />

heimischen Wirtschaft und insbesondere<br />

den Einzelhändlern in den Innenstädten.<br />

Es wird ein Bedarf geweckt,<br />

den vorher niemand kannte. Neben<br />

dem Kaufkraftexport leidet auch der<br />

innerdeutsche Tourismus unter dieser<br />

neuen Entwicklung. Der einzige, der<br />

davon profitiert ist der Flughafen,<br />

(siehe auch Artikel zu Billigfliegern<br />

vom VCD).<br />

Schon lange vor der Diskussion um<br />

eine zweite Startbahn plante der Flughafen<br />

eine Westerweiterung auf fast<br />

30 Hektar für 20 bis 40 Flugzeugab-<br />

stellflächen zwischen dem Echterdinger<br />

Polstermarkt und dem Parkhaus<br />

P0. Inzwischen ist klar, dass die geplante<br />

Westerweiterung, die eine Verdoppelung<br />

der Flugzeugabstellflächen<br />

bedeutet, nur Sinn macht, wenn<br />

eine 2. Startbahn kommt. Das heißt,<br />

die Westerweiterung ist das Einstiegstürchen<br />

in die 2. Startbahn. Auch das<br />

im Jahr 2000 gebaute neue Luftfrachtzentrum<br />

im Süden ist heillos überdimensioniert.<br />

Sollen dort einmal Flugzeuge<br />

für eine zweite Startbahn abgefertigt<br />

werden? Spielte man auch<br />

hier bereits mit falschen Karten, als<br />

vom hohen Bedarf an Frachtflächen<br />

die Rede war?<br />

Lärmgrenzwerte – nur<br />

Makulatur?<br />

Flughafen und Politik halten sich nicht<br />

mal an klare, verbindliche Grenzen,<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Heinz Blank,<br />

Altbach<br />

„Flugzeuge nach<br />

und von Osten<br />

überqueren in allen<br />

drei Flugkorridoren<br />

bei Altbach<br />

das Neckartal.<br />

Seit der Verlegung und Verlängerung<br />

der Startbahn um 1380 m<br />

nach Osten, die 1996 fertiggestellt<br />

wurde, und der Passagierzahlerhöhung<br />

von damals 3,5 Millionen<br />

(80er Jahre) auf heute 10 Millionen,<br />

haben wir im Neckartal neben<br />

der Zunahme der Schadstoffemissionen<br />

den erhöhten Fluglärm<br />

ungedämmt direkt von oben. Es ist<br />

eine Horrorvorstellung, dass eine<br />

zweite Start- und Landebahn –<br />

2000 Meter in unsere Richtung<br />

und durch das tiefere Überfliegen<br />

des Neckartales – den Lärm noch<br />

einmal in gleichem Maß steigern<br />

könnte wie in den vergangenen 20<br />

Jahren. Sie darf nicht realisiert<br />

werden.“


N und S: markieren die möglichen<br />

Gebiete für das Betonband<br />

einer zweiten Startund<br />

Landebahn (nördlich<br />

bzw. südlich der Autobahn).<br />

Dazu kommen Rollwege und<br />

Sicherheitszonen.<br />

Echterdingen<br />

Messe<br />

geplante Westerweiterung<br />

die von Behörden und Gerichten schon<br />

mehrfach festgeschrieben wurden. So<br />

heißt es im Planfeststellungsbeschluss<br />

des Startbahnausbaus Anfang der<br />

neunziger Jahre: „Die Lärmfestschreibung<br />

schreibt zwingend vor, dass<br />

nach dem Ausbau beim Dauerschall<br />

an keinem Punkt (auf den <strong>Filder</strong>n) das<br />

Lärmniveau des Jahres 1978 überschritten<br />

werden darf“. Seit 1978 sind<br />

die einzelnen Flugzeuge zwar durch<br />

bessere Technik leiser geworden, die<br />

Flugzahlen haben sich aber seither<br />

mehr als verdreifacht. Eine zweite<br />

Startbahn würde zu einer Verdoppelung<br />

der heutigen Fluggastzahlen –<br />

heute 10 Millionen – führen. Die geplanten<br />

Startbahnen, sei es die Nordoder<br />

Südvariante, liegen dazuhin seitlich<br />

neben der bestehenden Bahn. Es<br />

würde also nicht „nur“ lauter, es würden<br />

völlig neue Gebiete verlärmt.<br />

Da fragt man sich, welchen Wert haben<br />

eigentlich bindende Planfeststellungsbeschlüsse<br />

oder Gerichtsentscheide?<br />

Eine klare Begrenzung des Flughafenwachstums<br />

gebietet uns auch die für<br />

alle erkennbare Klimaveränderung.<br />

Flughafen<br />

Plieningen<br />

N<br />

Scharnhausen<br />

Luftfrachtzentrum<br />

S<br />

Bernhausen<br />

Bild: Flughafen Stuttgart GmbH, bearbeitet von der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong><br />

Das Flugzeug ist das Verkehrsmittel,<br />

das am stärksten klimabeeinflussend<br />

wirkt (siehe Klimakiller Flugzeug).<br />

Werden unsere Kinder noch tief durchatmen<br />

können?<br />

Ist es nicht erstaunlich, dass in unserem<br />

Autoland Baden-Württemberg,<br />

Industrie und Politik beginnen, wenn<br />

auch viel zu zaghaft, solche Autos zu<br />

fördern, die weniger CO 2 produzieren,<br />

weniger Feinstaub? Ja, sogar von<br />

Fahreinschränkungen ist die Rede.<br />

Wie kann es dann aber sein, dass die<br />

gleichen Politiker eine zweite Startbahn<br />

in Erwägung ziehen und damit<br />

den klimaschädlichen Flugverkehr<br />

noch weiter anheizen?<br />

Gutachten-Theater<br />

Nachdem sich der Widerstand gegen<br />

die 2. Startbahnpläne immer stärker<br />

formiert, hat Ministerpräsident<br />

Oettinger jetzt ein Gutachten angekündigt,<br />

das das vom Flughafen<br />

für Ende November angekündigte<br />

Gutachten zu einer zweiten SL-Bahn<br />

noch einmal „ergebnisoffen“ bewerten<br />

soll. Hier kann nur noch von<br />

einem absurden Theater gesprochen<br />

werden: Georg Fundel, der Flugha-<br />

fenchef, ist Angestellter des Landes –<br />

und dessen Gutachten soll durch das<br />

Land noch einmal begutachtet werden.<br />

Was mag da wohl herauskommen?<br />

Wie sagte doch MP Oettinger bei der<br />

Pressekonferenz zur Messeeröffnung:<br />

Ob eine zweite Startbahn kommt „ist<br />

letztlich eine Frage des Bedarfs der<br />

Flughafengesellschaft, von Kosten<br />

und von Nutzen.“ (SZ 18.10.07) Er<br />

spricht nicht etwa von der Zerstörung<br />

allerbester Böden oder von lärmgeplagten<br />

Menschen oder von Klimaschäden<br />

usw.<br />

Doch damit nicht genug: Der Flughafenchef<br />

Georg Fundel spricht jetzt<br />

auch noch davon, dass er morgens<br />

schon ab 5 Uhr anfangen will zu<br />

fliegen. Was will er noch alles? Eine<br />

zweite Startbahn und/oder eine Aufhebung<br />

des (eingeschränkten) Nachtflugverbots?<br />

Wann endlich pfeift ihn<br />

die Landesregierung – sie ist schließlich<br />

Hauptgesellschafterin beim Flughafen<br />

– oder der mit Politikern<br />

besetzte Flughafen-Aufsichtsrat zurück?<br />

Wer hat hier eigentlich das<br />

Sagen?<br />

21


Nicht mehr auszuhalten<br />

Würde eine zweite Startbahn realisiert,<br />

verlören Wohnungen von Holzgerlingen<br />

im Schönbuch über die <strong>Filder</strong><br />

bis nach Altbach im Neckartal an Wert,<br />

Kindergärten könnten ihre Fenster<br />

nicht mehr öffnen, Naherholung würde<br />

zunehmend unmöglich… Schon<br />

heute ist der Fluglärm an manchen<br />

Tagen kaum mehr auszuhalten.<br />

Milliardenbeträge, für Messe und<br />

Flughafen ausgegeben, fehlen unserer<br />

Gesellschaft für Sinnvolleres wie<br />

Schulen und Ausbildung und müssen<br />

einmal von unseren Kindern aufgebracht<br />

werden.<br />

Nicht nur deren Gesundheit steht auf<br />

dem Spiel, auch deren politischer und<br />

gestalterischer Spielraum. Die eigentlichen<br />

Verursacher der Misere, die heute<br />

unseren Kindern eingebrockt wird,<br />

können zukünftig nicht mehr zur Rechenschaft<br />

gezogen werden, weil sie<br />

längst nicht mehr an der Macht sind.<br />

Zusammengefasst:<br />

Die größenwahnsinnigen Pläne für<br />

eine zweite Startbahn, die auf einem<br />

Wortbruch fußen, sind nicht hinzunehmen,<br />

sie sind eine Kriegserklärung<br />

an die <strong>Filder</strong> und ihre fruchtbaren<br />

Böden, sie sind eine Kriegserklärung<br />

an das Klima und damit an die Bevölkerung<br />

und die Kinder.<br />

Steffen Siegel, Gabi Visintin<br />

22<br />

Lautes Flugzeug? Beschweren Sie sich bei:<br />

Lärmschutzbeauftragter Flughafen Stuttgart,<br />

Tel: 0711- 948 4711 (werktags 8-16 Uhr)<br />

Mail: fluglaermstuttgartairport@gmx.de,<br />

Fax: 0711-948 4711<br />

„Aktionstag gegen eine 2. Startbahn“ mit einer Fahrradsternfahrt zum großen Zelt<br />

am 7.8.2007 in Neuhausen. Es kommen insgesamt 3000 Startbahngegner/innen.<br />

Das eingeschränkte Nachtflugverbot<br />

für Stuttgart<br />

(festgeschrieben im Planfeststellungsbeschluss, Oktober 1987)<br />

Mit Inbetriebnahme der neu ausgebauten Start- und Landebahn im Jahr<br />

1996 sind die allgemeinen Betriebszeiten für strahlgetriebene Luftfahrzeuge<br />

mit einem Lärmzeugnis nach ICAO-Annex 16, Kapitel 3 (das sind die leiseren),<br />

auf 6.00 Uhr bis 23 Uhr für Starts und auf 6.00 Uhr bis 23.30 Uhr für<br />

Landungen beschränkt worden.<br />

Von diesem Nachtflugverbot generell ausgenommen sind:<br />

– alle nichtstrahlgetriebenen Luftfahrzeuge, also Propellerflugzeuge<br />

und Hubschrauber, sowie alle militärischen Fluggeräte.<br />

– Starts und Landungen von Kapitel 3-Flugzeugen im Nachtluftpostdienst<br />

der Deutschen Post AG.<br />

– Landungen bei Verspätung von strahlgetriebenen Kapitel 3-Flugzeugen,<br />

wenn die planmäßige Ankunftszeit vor 23.30 Uhr liegt und die verspätete<br />

Landung vor 24 Uhr erfolgt.<br />

– bei Benutzung des Flughafens als Not- oder Ausweichflughafen aus<br />

meteorologischen, technischen oder sonstigen Sicherheitsgründen.<br />

– im Einsatz für Katastrophenschutz oder für medizinische Hilfeleistungen.<br />

– bei Vermessungsflügen zur Überprüfung der flugsicherheitstechnischen<br />

Anlagen und Navigationseinrichtungen.<br />

Das Regierungspräsidium kann zudem in begründeten Einzelfällen Ausnahmen<br />

zulassen, wenn dies im öffentlichen Interesse, insbesondere zur<br />

Aufrechterhaltung der Sicherheit des Luftverkehrs oder zur Vermeidung von<br />

Störungen des Luftverkehrs erforderlich erscheint.<br />

Beschwerden über militärische Flugbewegungen:<br />

Department of the Army – Public Affairs Office<br />

Tel: 0711- 7292712, Fax: 0711- 7292570<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Reinhart Hund,<br />

lärmgeplagter<br />

Denkendorfer:<br />

„Es ist nicht einzusehen,<br />

dass auch beim<br />

Thema zweite Startbahn<br />

wieder Entscheidungen<br />

über die Köpfe<br />

der Wähler hinweg getroffen werden"<br />

Georg Fundel: „Die Westerweiterung<br />

ohne zweite Startbahn wäre nicht<br />

logisch“ (SZ; 6.05.06)


Städte und Gemeinden<br />

gegen die zweite Startbahn<br />

Seit Mitte 2006 formiert sich auch der Widerstand der Kommunen gegen eine weitere Start- und Landebahn. Den<br />

Auftakt machte der Kommunale Arbeitskreis <strong>Filder</strong> (KAF). Er beschloss im Juli 2006 einstimmig: „Der<br />

ständige Ausschuss beim Kommunalen Arbeitskreis <strong>Filder</strong> lehnt auf der Basis der vorliegenden Informationen die<br />

Pläne für eine zweite Start- und Landebahn ab.“ (Der KAF vertritt die Kommunen: Denkendorf, Esslingen, <strong>Filder</strong>stadt,<br />

Leinfelden-Echterdingen, Neuhausen, Ostfildern, Steinenbronn, Stuttgart)<br />

Unabhängig vom gemeinsamen KAF-Beschluss sprachen sich folgende (24) Kommunen im Großraum<br />

Stuttgart in eigenen Beschlüssen gegen eine zweite Bahn aus (Stand Herbst 2007):<br />

Herrenberg Plieningen Altdorf, Kreis Böblingen<br />

Birkach Holzgerlingen Weil im Schönbuch<br />

Schönaich Hildrizhausen Steinenbronn<br />

Waldenbuch Wolfschlugen Leinfelden-Echterdingen<br />

Berkheim Denkendorf Neuhausen a.d.F.<br />

Aichtal Stadt Esslingen Baltmannsweiler<br />

Deizisau Lichtenwald <strong>Filder</strong>stadt<br />

Plochingen Altbach Ostfildern<br />

Foto: S. Melzian<br />

Von links nach rechts: Bürgermeister Ingo Hacker, Neuhausen, KAF-Vorsitzender; Helmut Schumacher, Landwirt, Bernhausen, Vorstandsmitglied der<br />

Schutzgem. <strong>Filder</strong>; Steffen Siegel, Neuhausen, Vorsitzender der Schutzgem. <strong>Filder</strong>; Bürgermeister Frank Ziegler, Wendlingen, nach der Pressekonferenz,<br />

wo zum Aktionstag der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> und der Gemeinde Neuhausen am 8.7.2006 eingeladen wurde. Im Hintergrund der Flughafenzaun.<br />

Georg Fundel: „Wenn ein Flughafengeschäftsführer sich jeden Tag in erster Linie um Ökologie kümmert, ist er falsch<br />

in der Firma.“ (EZ, 24.10.2006)<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> meint: „Wenn er sich aber ausschließlich um Ökonomie kümmert, mit Sicherheit auch.“<br />

23


Wer Startbahnen<br />

24<br />

sät, wird<br />

BILLIGFLIEGER<br />

ernten<br />

Ein altes – aber nach wie vor gültiges – Motto lautet: „Wer Straßen<br />

sät, wird Verkehr ernten“. Gemeint ist damit, dass neu gebaute<br />

Infrastruktur nicht nur bestehenden Verkehr aufnimmt, sondern<br />

immer auch neuen Verkehr erzeugt, den sogenannten ‚induzierten<br />

Verkehr’. Das Angebot schafft sich also seine Nachfrage.<br />

Doch gilt das auch für den Flugverkehr?<br />

In den letzten Jahren war der<br />

Flugverkehr der am stärksten wachsende<br />

Verkehrsträger. Diese Entwicklung<br />

ging einher mit einer Zunahme<br />

von kleinen, regionalen Flughäfen,<br />

die meist auf Betreiben ehrgeiziger<br />

Lokalpolitiker eine Passagierfluglizenz<br />

erhalten haben. Da<br />

diese Flughäfen in der Regel nicht<br />

kostendeckend zu betreiben sind,<br />

werden sehr oft Billigfluglinien mit<br />

allerhand Subventionen oder verbilligten<br />

Gebühren geködert. Und genau<br />

diese Billigfluglinien sind es, die<br />

entscheidend zum Wachstum im Flugverkehr<br />

beigetragen haben.<br />

Auch im Landesflughafen Leinfelden-<br />

Echterdingen, quasi dem Maybach<br />

unter den baden-württembergischen<br />

Flughäfen, wird schon rund ein Drittel<br />

des Flugverkehrs von Billigfluglinien<br />

abgewickelt. So haben sich im Geschäftsjahr<br />

2006 ‚Germanwings’ und<br />

‚TUIfly’ Stuttgart als neuen Standort<br />

auserkoren. Bleibt die Frage nach der<br />

Henne und dem Ei. Bedienen diese<br />

Billigflugangebote eine wachsende<br />

Nachfrage? Oder wird eine Nachfrage<br />

von den Angeboten erzeugt,<br />

weil ja Geiz angeblich immer noch<br />

geil ist?<br />

Zwar sind Billigflugangebote für den<br />

Kunden nicht immer so billig, wie es<br />

die Werbung verspricht. Den wenigsten<br />

gelingt es, für 9,90 Euro mal eben<br />

zum Shoppen nach Mailand oder<br />

London zu fliegen. Trotzdem erreichen<br />

diese Angebote mit den vermeintlich<br />

niedrigen Preisen auch jene<br />

Menschen, die bisher nicht geflogen<br />

sind oder nur selten fliegen.<br />

Zu Risiken und<br />

Nebenwirkungen<br />

fragen Sie die<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

Etwa 60 Prozent aller Billigflugkunden<br />

geben an, nur wegen des<br />

Schnäppchenpreises zum allerersten<br />

Mal ins Flugzeug gestiegen zu sein.<br />

Und von diesen neuen Kunden hätten<br />

mehr als zwei Drittel ihre Reise ohne<br />

das Billigflugangebot gar nicht angetreten.<br />

Etwa ein Drittel wäre mit<br />

einem umweltfreundlicheren Verkehrsmittel<br />

gereist, z.B. mit der Bahn.<br />

Aus Sicht des Verkehrsclubs Deutschland<br />

(VCD) ist es offensichtlich, dass es<br />

sich beim größten Teil des Billigflugbetriebes<br />

um unnötigen, induzierten<br />

Verkehr handelt. So wird eine nicht zu<br />

rechtfertigende Belastung für Klima,<br />

Umwelt, Mensch und – angesichts der<br />

unverschämten Subventionen im Flugverkehr<br />

– auch für die Volkswirtschaft<br />

erzeugt.<br />

Darüber hinaus wird der Preiskampf<br />

im Flugverkehr auf dem Rücken der<br />

Beschäftigten ausgetragen. Gewerkschaften,<br />

Tarifverträge oder bezahlte<br />

Fortbildungen sind bei den Billigfluglinien<br />

kaum zu finden. Auch die<br />

Sicherheit leidet unter dem harten<br />

Wettbewerb, denn einige Billigflieger<br />

bewegen sich in der Pilotenausbildung<br />

oder der Flugzeugwartung<br />

nur äußerst knapp innerhalb der<br />

gesetzlichen Vorgaben.<br />

Ziel politischen Handels müsste eigentlich<br />

sein, Verkehr und die damit<br />

Grafik: Heinz Bauer<br />

verbunden Belastungen zu vermeiden.<br />

Wo Verkehr nicht vermeidbar ist,<br />

sollte er auf umweltverträgliche Verkehrsmittel<br />

verlagert und dann möglichst<br />

nachhaltig abgewickelt werden.<br />

Stattdessen wird auf den <strong>Filder</strong>n der<br />

Flughafenausbau vorangetrieben und<br />

unnötiger (Billig-) Flugverkehr erzeugt,<br />

für den es eigentlich gar keine Nachfrage<br />

gibt.<br />

Das ist ökonomischer und ökologischer<br />

Unsinn. Und deshalb unterstützt<br />

der VCD die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> im Widerstand gegen<br />

eine zweite Start- und Landebahn für<br />

den Landesflughafen. Herzlichen Glückwunsch<br />

zum 40jährigen Jubiläum!<br />

Werner Korn - Geschäftsführer -<br />

VCD Landesverband<br />

Baden-Württemberg e.V.<br />

www.vcd-bw.de


FLUGLÄRM<br />

Die Geißel der <strong>Filder</strong> und der Region<br />

Endlich bestätigt die Landesregierung<br />

schwarz auf weiß, was<br />

wir <strong>Filder</strong>-Bewohner ohnehin schon<br />

längst wissen: Die Region rund<br />

um den Flughafen Stuttgart ist<br />

der Lärmschwerpunkt in Baden-<br />

Württemberg. Dies ist das Ergebnis<br />

der aktuellen Erhebung zur<br />

tatsächlichen Lärmbelastung des<br />

Umweltministeriums Baden-Württembergs.<br />

Die Ergebnisse sind auf<br />

Lärmkarten dokumentiert. Notwendig<br />

geworden waren diese<br />

Messungen aufgrund der Richtlinien<br />

der Europäischen Union<br />

zum so genannten Umgebungslärm<br />

in nationales Recht. Hierzu<br />

sind bis 2009 Aktionspläne zu<br />

erstellen, die aufzeigen müssen,<br />

wie die Lärmbelastung vermindert<br />

werden kann.<br />

Ein weiteres Indiz für die extreme<br />

Lärmbelastung auf den <strong>Filder</strong>n rund<br />

um den Flughafen kann angeführt<br />

werden: Wir auf den <strong>Filder</strong>n – die<br />

Kommunen, das Land und die Flughafen<br />

Stuttgart GmbH (FSG) – nehmen<br />

viel Geld in die Hand, um Konzepte<br />

für die Lärmreduzierung zu<br />

entwickeln, etwa in Schallschutzprogramme,<br />

in der Lärmminderungsplanung<br />

oder im Lkw-Verkehrslenkungskonzept<br />

<strong>Filder</strong>. Nur: Es wird gemessen,<br />

erhoben und berechnet. Doch<br />

davon wird es nicht leiser auf den <strong>Filder</strong>n!<br />

Es muss etwas getan werden!<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Katja Schnabl<br />

Neuhausen<br />

„Für unsere Werte<br />

müssen wir kämpfen<br />

und nicht resigniert<br />

den Kopf<br />

in den Sand stecken,<br />

nach dem Motto,<br />

die machen ja sowieso was sie<br />

wollen. Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

wehrt sich nun seit 40 Jahren. Dafür<br />

möchte ich Euch danken und ermutigen<br />

weiter kämpferisch zu bleiben.<br />

Es ist leider notwendig.“<br />

Dies zeigt: Wir auf den <strong>Filder</strong>n wissen<br />

um die Lärmbelastung in unserem<br />

Lebensraum.<br />

Die Fluglärmberichte<br />

Die FSG betreibt acht Messstellen rund<br />

um den Flughafen, jeden Monat legt<br />

der Flughafen seinen Fluglärmbericht<br />

vor, zwei Mal im Jahr tagt die Fluglärmkommission,<br />

der Lärmschutzbeauftragte<br />

berichtet regelmäßig. Und<br />

das Ergebnis? An der Fluglärmmessstelle<br />

M4 Bernhausen ist es am lautesten.<br />

Am 26. Juli 2007 zum Beispiel<br />

war es mit 87 dB (dB = Dezibel, Maß<br />

für den Lärmwert) besonders laut.<br />

(Dabei ist dieser Wert ein Mittelwert<br />

über den ganzen Tag.) Hier in Bernhausen<br />

bestimmen die Flugzeuggeräusche<br />

die Gesamtgeräusche; ebenso<br />

an der Messstelle M6 Steinenbronn<br />

(56 dB am selben Tag). An den anderen<br />

sechs Fluglärmmessstellen – M1<br />

Scharnhausen, M2 Berkheim, M3 Neuhausen,<br />

M5 Stetten, M7 Echterdingen,<br />

M8 Denkendorf – überwiegen die<br />

Umgebungsgeräusche. Das ist ein Hinweis<br />

darauf, wie stark die <strong>Filder</strong> vom<br />

Gesamtlärm belastet sind, egal ob er<br />

aus der Luft oder von den Straßen<br />

(A8, Regional- und Verbindungsstraßen)<br />

kommt.<br />

Ursache und Wirkung<br />

Was sind die Ursachen dieses erhöhten<br />

(Flug)lärms? Ein Blick in den<br />

Bericht des Fluglärmschutzbeauftragten<br />

für den Flughafen Stuttgart gibt<br />

uns die Antwort (38. Jahresbericht,<br />

2006):<br />

– Die Flugbewegungen haben sich in<br />

den letzten 10 Jahren erheblich erhöht<br />

(1996: 140.000; 2006: 168.000<br />

= + 20%).<br />

– Auch die Ausnahmegenehmigungen<br />

von den Nachtflugbeschränkungen<br />

wurden kontinuierlich erhöht (Starts<br />

und Landungen 2001: 104, 2006:<br />

215, = + 107%; Triebwerksstandläufe<br />

2001: 62, 2006: 123, = + 71%).<br />

Diese Entwicklung findet ihren deutlichen<br />

Niederschlag in den zunehmenden<br />

Fluglärmbeschwerden (2005:<br />

946, 2006: 1.520, = + 60%). Die Beschwerdeschwerpunkte<br />

(über 40 Beschwerden)<br />

liegen verteilt rund um<br />

den Flughafen, aber auch in der weiteren<br />

Umgebung (Denkendorf, Steinenbronn,<br />

Waldenbuch, Leinfelden/<br />

Echterdingen, Stuttgart/Stadtteile, Neuhausen<br />

a.d.F., Stgt.-Vaihingen/Rohr/<br />

Kaltental, Bernhausen, Scharnhausen).<br />

Als Ursachen werden angeführt:<br />

Zunahme der Gesamtflugbewegungen,<br />

Zunahme der Beschwerden über<br />

Flugabweichungen, Nachtflugbewegungen,<br />

militärischer Flugbetrieb, Flughafenlärm<br />

und Fluglärm allgemein,<br />

Kleinflugzeuge, zivile Hubschrauberflüge.<br />

Viele, die sich einige Male beschwert<br />

haben, resignieren längst, da<br />

ihre Beschwerden ohne jede Resonanz<br />

bleiben.<br />

Diese Ergebnisse sind insofern von<br />

Bedeutung, als in den zurückliegenden<br />

20 Jahren die Düsenflugzeugbewegungen<br />

sich mehr als verdoppelt<br />

haben (1985: 25.000, 2005: 65.000, = +<br />

160%) und im gleichen Zeitraum der<br />

an den Fluglärmmessstellen ermittelte<br />

Lärm erstaunlicherweise ganz erheblich<br />

zurückgegangen ist (1985: 61 dB,<br />

2005: 54 dB) – bezogen jeweils auf die<br />

sechs verkehrsreichsten Monate Mai<br />

bis Oktober. Dies ist zugleich die Grundlage<br />

für die Berechnung des Beurteilungspegels<br />

nach dem Fluglärmgesetz.<br />

Dazu muss man wissen, dass dieser<br />

Pegel nicht gemessen wird, sondern<br />

nur nach der „Anleitung zur Berechnung<br />

von Fluglärmpegeln“ (AzB) aus<br />

den Flugbewegungen, verknüpft mit<br />

den Flugzeugtypen, berechnet wird.<br />

Lärmmessung und Bewertung<br />

All dies erschwert für den „interessierten<br />

Laien“ die Nachvollziehbarkeit<br />

der berichteten Lärmbelastung. Hinzu<br />

kommt eine Vielzahl an DIN-Normen,<br />

VDI-Richtlinien oder behördlichen<br />

Empfehlungen. Hier werden immer<br />

die verschiedenen Lärmarten und<br />

Lärmquellen betrachtet und die Betroffenheit<br />

der Bevölkerung mit Lärm-<br />

Zuschlägen oder -Abschlägen abgeschätzt.<br />

Festzuhalten ist: Derzeit gibt es in<br />

Deutschland kein System von Richtoder<br />

Grenzwerten, mit dem die Frage<br />

der Zumutbarkeit von Fluglärm zu<br />

Lasten der Bevölkerung verbindlich<br />

25


eantwortet werden kann. Die im<br />

Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm<br />

enthaltenen Lärm-Werte (75 dB und<br />

67 dB) beschreiben lediglich Zonen, in<br />

denen bestimmte bauliche Nutzungen<br />

nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />

zulässig sind. Einigkeit besteht<br />

darin, dass diese Werte nicht zeitgemäß<br />

sind. Diesem Sachverhalt wird<br />

im novellierten Fluglärmgesetz teilweise<br />

Rechnung getragen, wobei allerdings<br />

auch die Lärm-Berechnung<br />

modifiziert und neue Kenngrößen<br />

eingeführt wurden, was die Fortschreibung<br />

bzw. Vergleichbarkeit nicht<br />

gerade erleichtert. In jedem Fall begründen<br />

sich die Lärm-Werte nicht aus<br />

Wirkungsuntersuchungen, sondern sie<br />

wurden so festgelegt, wie es die finanziellen<br />

Möglichkeiten zuließen.<br />

In einer großen Studie der DFG (Deutsche<br />

Forschungsgemeinschaft) in den<br />

70er Jahren wurde festgestellt, dass<br />

die Belästigung ausgehend vom Fluglärm<br />

viel stärker ist als bis dahin angenommen.<br />

Es wurde klar, dass der<br />

Mittelwert allein wenig aussagekräftig<br />

ist. Er erlaubt keine vernünftige<br />

Aussage über Kommunikationsstörungen<br />

und das „Aufwecken“ durch<br />

26<br />

Fluglärm. Die Störungen hängen wesentlich<br />

von der Anzahl der Einzelschallereignisse,<br />

deren Maximalpegel<br />

und weiteren Größen ab.<br />

Sind zwei Flugzeuge doppelt so<br />

laut wie eines?<br />

Das menschliche Gehör ist ausschließlich<br />

in der Lage, Änderungen des<br />

Schalldrucks wahrzunehmen. Dabei<br />

muss man sich darüber im Klaren sein,<br />

dass die Messung in Dezibel (dB) einer<br />

logarithmischen Skala folgt. Das heißt,<br />

wenn sich die Anzahl der Flugzeuge<br />

verdoppelt, so verdoppelt sich nicht<br />

die dB-Zahl, sie erhöht sich nur um<br />

3dB. Wenn wir zum Beispiel bei den<br />

jetzigen Flugbewegungen irgendwo<br />

einen Mittelwert von 75 dB(A) messen,<br />

so wird dieser Wert nur auf harmlos<br />

klingende 78 dB(A) steigen, wenn<br />

sich die Flugzahlen verdoppeln.<br />

Fakt ist: Die Lästigkeit von Fluglärm<br />

kann nicht nur mit einem (berechneten!)<br />

Mittelungspegel beschrieben<br />

werden, sondern die beim Überfliegen<br />

auftretenden Einzelpegel müssen<br />

mit berücksichtigt werden. Dies ist in<br />

der Fachwelt unstrittig. Hierbei werden<br />

der Ereignispegel und die maxi-<br />

Illustration F. Groß<br />

male Pegelhöhe sowie die Ereignisdauer<br />

miteinander verknüpft.<br />

Warum kämpfen wir gegen den Fluglärm<br />

und damit für mehr Ruhe? Lärm<br />

und damit Fluglärm ist – neben dem<br />

Flächenverbrauch – das ungelöste Umweltproblem<br />

schlechthin, ganz besonders<br />

im Hinblick auf die gesundheitlichen<br />

Auswirkungen. Wie oben<br />

gezeigt wurde, sind „Lärmgrenzwerte“<br />

ein Buch mit mehr als sieben<br />

Siegeln! Unser Ohr interessiert das<br />

aber herzlich wenig von welcher<br />

Quelle der Lärm kommt, ob vom<br />

Vogelgezwitscher, vom Rasenmäher<br />

oder vom Flugzeug. Der objektiv messbare<br />

Schalldruck ist die eine Seite, die<br />

subjektive Empfindung eine andere<br />

und die gesundheitliche Auswirkung<br />

noch eine weitere.<br />

Lärm, das ungelöste Umweltproblem<br />

Die Lärmwirkungsforscher, also Mediziner,<br />

die die Auswirkungen des Lärms<br />

auf die Gesundheit erforschen, sehen<br />

die Grenze zur Gesundheitsgefährdung<br />

bei 65 dB. Ab hier ist das Risiko<br />

für Herzkreislauferkrankungen nachweislich<br />

erhöht. Lärm kann zu Hör-


<strong>Standpunkt</strong><br />

Conny Geeve,<br />

Stuttgart-<br />

Vaihingen<br />

„Die <strong>Filder</strong> ist Wirtschafts-<br />

und zugleichLebensraum.<br />

Dieser Lebensraum<br />

– unser<br />

Lebensraum – ist schon heute<br />

durch Fluglärm und Straßenverkehr<br />

beeinträchtigt. Eine Vergrößerung<br />

der Belastung und eine<br />

weitere Zerstörung ist nicht hinnehmbar.<br />

Der Schutz der <strong>Filder</strong><br />

und ihrer Landwirtschaft geht uns<br />

alle an. Gegen mächtige Wirtschaftsinteressen<br />

brauchen wir<br />

eine große Solidarität, einen langen<br />

Atem und pfiffige Ideen“.<br />

schädigungen führen, behindert die<br />

Kommunikation und Umweltorientierung,<br />

erregt das zentrale und vegetative<br />

Nervensystem, stört Schlaf und<br />

Entspannung, beeinträchtigt das<br />

Leistungsvermögen, die Konzentrationsfähigkeit<br />

und somit das Lernen.<br />

Fazit: Lärm ist lästig und Lärm<br />

macht krank.<br />

Bezüglich der vom Lärm ausgehenden<br />

Gesundheitsgefahren und erheblichen<br />

Belästigungen sind viele neue Erkenntnisse<br />

hinzugetreten: „Stark belästigt“<br />

fühlen sich Menschen bei 60<br />

dB, und zwar vom Fluglärm 19%,<br />

vom Straßenverkehrslärm 12,4% und<br />

vom Schienenverkehrslärm 6,4%. Bei<br />

Fluglärm von 54 dB, Straßenverkehrslärm<br />

von 59 dB und Schienenverkehrslärm<br />

von 64 dB fühlen sich 10% der<br />

Bevölkerung stark belästigt. Die Zusammenhänge<br />

zwischen Belästigung<br />

und Schallpegeln der verschiedenen<br />

Geräuscharten sind empirisch gesichert,<br />

offen ist die Erklärung für die<br />

Unterschiede.<br />

Ein Erklärungsversuch basiert auf dem<br />

messbaren Unterschied der Lautheit<br />

der drei Quellarten bei gleichem Mittelungspegel,<br />

ein anderer beruht darauf,<br />

dass Schutz vor Fluglärm im<br />

Gegensatz zu Straßen- und Schienenlärm<br />

durch das Ausweichen in Gebäude<br />

kaum möglich ist, eine dritte<br />

Erklärung ergibt sich aus der Frequenzzusammensetzung<br />

und dem<br />

zeitlichen Verlauf des Pegels. Sowohl<br />

beim Landen als auch beim Starten<br />

treten schnelle Pegeländerungen und<br />

tonale Phasen auf, die weder bei<br />

Eisenbahnlärm noch bei Straßenverkehrslärm<br />

zu beobachten sind.<br />

Bewertungsschwellen „erheblich“ oder<br />

„unzumutbar“ im rechtlichen Sinne<br />

regelt die „Verkehrslärmschutzverordnung“<br />

16. BImSchV: Danach gelten<br />

Grenzwerte für Wohngebiete mit 59<br />

dB tagsüber und 49 dB nachts. 10%<br />

der Bevölkerung in Deutschland sind<br />

davon stark belästigt. Dies gilt allgemein<br />

als Schwellenwert, ab dem<br />

von einer „erheblichen Belästigung“<br />

auszugehen ist. Weiter errechnet sich<br />

hieraus, dass für den 24-Stunden-<br />

Pegel (Tag und Nacht) ab 63 dB im<br />

rechtlichen Sinne eine erhebliche Belästigung<br />

vorliegt. Bei Fluglärm sind<br />

dies 53 dB.<br />

Diese allgemeinen Zuordnungen müssen<br />

differenziert werden hinsichtlich<br />

der verschiedenen Nutzungen, also<br />

allgemeine Wohngebiete, Kurgebiete,<br />

Krankenhäuser, Schulen etc. Darüber<br />

hinaus kann eine „Unzumutbarkeitsschwelle“<br />

abgeleitet werden. Sie liegt<br />

für Fluglärm bei 61 dB tagsüber und<br />

bei 51 dB nachts. Bezüglich der Belästigung<br />

sind insbesondere für die<br />

Nachtzeit weitere Differenzierungen<br />

möglich, die sich aus Aufweckreaktionen<br />

ergeben.<br />

Nachtflugverbot erhalten<br />

Die Frage, wann Lärm nachts als<br />

erheblich belästigend anzusehen ist,<br />

ist eng mit der Häufigkeit und Höhe<br />

der Schallereignisse verknüpft, wobei<br />

häufig die Spitzenpegel und deren<br />

Häufigkeit als Kenngrößen herangezogen<br />

werden. Die Betrachtungen<br />

und Berechnungen kommen zum<br />

Ergebnis, dass ein Nachtpegel außen<br />

von 43 dB nicht überschritten werden<br />

sollte, wenn eine Aufweckwahrscheinlichkeit<br />

von 10% eingehalten<br />

werden soll. Allerdings kann der<br />

Lärmpegel hier nicht als das alleinige<br />

Kriterium gelten; denn auch bei<br />

sinkendem Mittelungspegel können<br />

bei gleichzeitiger Erhöhung der Überflugzahl<br />

die Belästigung bzw. die Aufweckreaktionen<br />

zunehmen. Dies ist<br />

für die Fragestellung des Nachtflugverbots<br />

von zentraler Bedeutung. Aus<br />

Sicht der Gesundheitsvorsorge reicht<br />

es also nicht aus, lediglich den Lärmpegel<br />

nachts festzusetzen. Es muss<br />

auch die Anzahl der Lärmereignisse<br />

festgeschrieben werden.<br />

Es mag schon sein, dass wir immer<br />

noch viel zu wenig wissen, dass die<br />

Messungen und Messmethoden nicht<br />

so einfach vergleichbar oder über-<br />

tragbar sind, dass für die Fluglärmmessungen<br />

ganz spezielle Verfahrensvorschriften<br />

gelten (AzB), dass<br />

nicht alles in einen Topf geworfen<br />

werden darf, dass man nicht Äpfel mit<br />

Birnen vergleichen darf. Doch trotz<br />

alledem ist eines unbestritten: Ein<br />

Drittel der Menschen in Deutschland<br />

fühlt sich vom Fluglärm belästigt<br />

und die Wohngebiete rund<br />

um den Flughafen Stuttgart führen<br />

die Baden-Württemberg-Lärmhitliste<br />

an.<br />

Was ist zu tun?<br />

1. Sofort jegliche Ausbaupläne für mehr<br />

Flugverkehr stoppen. Keine zweite<br />

Start- und Landebahn!<br />

2. Billigflug nicht fördern und subventionieren<br />

3. Ein striktes Nachtflugverbot erlassen<br />

und einhalten<br />

4. Lärmminderungsplan FILDER und<br />

Lkw-Lenkungskonzept umsetzen<br />

5. Landesweites Flugverkehrskonzeptes<br />

unter Nachhaltigkeitsaspekten entwickeln<br />

6. Fluglärmgesetz novellieren und die<br />

Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung<br />

übernehmen<br />

7. Flugbenzin besteuern<br />

8. Lärmarme Triebwerke entwickeln<br />

und bauen<br />

Mehr Info: Internet: www.lubw.<br />

baden-wuerttemberg.de - Startseite<br />

LUBW > Themen > Lärm<br />

Plakat und Aufklebermotiv;<br />

gestaltet von Eberhard Hartenstein<br />

27


Fliegen ab Stuttgart – Goldammer im Flughafenzaun (Foto: Gerd de Haan, Ostfildern)<br />

O-Ton: Umwelt und Flughafen<br />

Georg Fundel, Geschäftsführer des Flughafen Stuttgart, äußert sich auf<br />

der CD „Prominente pro Umwelt“ 2004, so:<br />

„Wenn ein Vogel in ein Triebwerk gerät,<br />

kann das für das Flugzeug verheerende<br />

Folgen haben und selbstverständlich<br />

für die Menschen, die im<br />

Flugzeug sitzen.<br />

Um weder Waffen noch Gift einsetzen<br />

zu müssen, bemühen wir uns durch<br />

eine Beratung unserer Nachbarn, dass<br />

keine Gehölze, dass keine Früchte auf<br />

Bäumen wachsen und auch – wir haben<br />

einen kleinen See –, dass dort<br />

möglichst keine Fische drin sind, damit<br />

wir eben Vögel vom Flughafen fernhalten.<br />

Das Gras vom Flughafen ist ein wunderbares<br />

Gras. Einfach deswegen, weil<br />

hier die Natur sich vieles zurückgeholt<br />

28<br />

<strong>Standpunkt</strong><br />

Irmgard Bürck,<br />

Wolfschlugen<br />

„Ruhe, Luft und<br />

Boden sind dem<br />

Größenwahn geopfert<br />

worden.<br />

Das darf nicht so<br />

weitergehen!“<br />

hat. Und diese extensiven Grassorten<br />

haben sehr viele Blümchen, sehr viele<br />

Dinge, die, glaube ich, in einer Milch<br />

sehr gut schmecken würden.<br />

Also, nachdem ich ja einen Beruf<br />

habe, wo Kerosin eine gewisse Rolle<br />

spielt, bin ich bemüht in meiner<br />

Freizeit, wo immer es möglich ist, das<br />

Auto stehen zu lassen, und wenn’s das<br />

Wetter und die Terminsituation zulässt,<br />

fahre ich tatsächlich auch mit<br />

dem Fahrrad ins Büro oder nach<br />

Feierabend nach Hause.“<br />

Ausschnitt aus der CD „Prominente pro Umwelt“<br />

2004, eine Produktion der Hochschule der<br />

Medien; Hrsg.: Ministerium für Umwelt und<br />

Verkehr des Landes Baden-Württemberg. 24<br />

Wortbeiträge; 7. Wortbeitrag: Georg Fundel<br />

Georg Fundel: „Wir spielen seit<br />

ich hier bin mit offenen Karten“<br />

(FZ, 12.05.06)<br />

Umweltministerin Tanja Gönner:<br />

„2,5% aller tödlichen Herzinfarkte<br />

gehen auf Lärmbelastung<br />

zurück“ (SZ. 11.9.2007)<br />

Schild am Stausee, südlich des Flughafens 1993<br />

Aus einem frühen Flugblatt der<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> 1977:<br />

„Die Bevölkerung auf den <strong>Filder</strong>n<br />

muss mit dem Flughafen und seinen<br />

Belastungen leben.<br />

Der Flughafen aber muss mit<br />

seinen Beschränkungen leben.“


Landesverband Baden-Württemberg e.V.<br />

Außerparlamentarischer Antrag an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg<br />

Antragssteller: BUND, NABU, VCD, <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> e.V., 10. Mai 2007<br />

Global denken – vor Ort handeln<br />

Wir fordern den Klima-Check für baden-württembergische Flughäfen<br />

Der UN-Klimabericht enthält eine lebenswichtige<br />

Botschaft: Es ist Fünf vor<br />

Zwölf. Die Erde steht vor einem Klimakollaps.<br />

Nur wenn die Menschheit<br />

jetzt handelt, können die schlimmsten<br />

Folgen noch verhindert werden. Nur<br />

wer vor Ort handelt, hilft mit, unsere<br />

Lebensgrundlage zu retten. Die Botschaft<br />

des UN-Klimaberichts darf nicht<br />

versanden oder zerredet werden. Denn<br />

es geht um die Existenz unserer Erde<br />

und aller Menschen. Auch Deutschland<br />

ist betroffen: die Fruchtbarkeit<br />

der Böden, die Volkswirtschaft, die<br />

Gesundheit der Menschen, die Lebensqualität.<br />

Deshalb muss jetzt ALLES auf den<br />

Prüfstand. Es darf zu keiner Verschlimmerung<br />

des CO 2-Notstands mehr kommen.<br />

Überall wo es möglich ist, müssen<br />

Schritte zum Rückbau der CO 2-<br />

Emissionen eingeleitet werden. CO 2-<br />

Verursacher müssen auf Herz und<br />

Nieren geprüft werden. Dazu gehört<br />

der Flughafen Stuttgart, der gerade<br />

wieder eine neue Versiegelung von<br />

wertvollem Boden im Auge hat und<br />

den Flugverkehr weiter ausdehnen<br />

will.<br />

Flughäfen und Flugzeuge gehören<br />

zu den besonders umweltbelastenden<br />

Einrichtungen:<br />

– Weltweit tragen Flugzeuge rechnerisch<br />

mit einem rund 3,5 prozentigen<br />

Anteil zum CO 2-Ausstoß<br />

bei. Die Wirksamkeit ihrer Emissionen<br />

ist aber um das Dreifache höher,<br />

weil der Flugverkehr die dünne<br />

Erdhaut mit Abgasen und Wasserdampf<br />

empfindlich beeinträchtigt.<br />

Unterzeichner:<br />

BUND<br />

Dr. Brigitte Dahlbender<br />

Landesvorsitzende Baden-<br />

Württemberg<br />

Landesverband Baden-Württemberg e.V. Landesverband Baden-Württemberg e.V.<br />

NABU<br />

Dr. Stefan Rösler<br />

Landesvorsitzender<br />

Baden-Württemberg<br />

– Die Energiebilanz eines Flugzeugs<br />

ist extrem ungünstig; Tonnen von<br />

Kerosin sind notwendig, um ein Flugzeug<br />

zum Abheben zu bringen und<br />

in der Luft zu halten.<br />

– Start und Landebahnen sowie die<br />

Zubringerstraßen versiegeln sehr viel<br />

Erde. Im Fall des Stuttgarter Flughafens<br />

handelt es sich um eine Erde,<br />

die überdurchschnittlich fruchtbar<br />

ist und angesichts des globalen<br />

Trends sich ausbreitender Steppen<br />

und Wüsten immer wichtiger wird.<br />

Die Auswirkungen des Flughafen<br />

Stuttgarts sind schon heute gesundheitsgefährdend<br />

Im vergangenen Jahr hat der Flughafen<br />

Stuttgart mit 10 Millionen Fluggästen<br />

eine Schallgrenze erreicht, die<br />

nicht allein die direkten Anrainer<br />

enorm belastet, sondern die Bürgerinnen<br />

und Bürger in großen Teilen<br />

des Großraums Stuttgarts. Die Zahl<br />

der Flugbewegungen hat sich von<br />

1989 mit 88.000 Flugbewegungen auf<br />

163.000 Flugbewegungen im Jahr<br />

2006 fast verdoppelt. Das Ziel des<br />

Stuttgarter Flughafens, jetzt auch<br />

noch eine zweite Startbahn für Charterflüge,<br />

Winterdrehkreuz und Billigflug<br />

durchzusetzen, steht nicht<br />

allein den Interessen der Bevölkerung<br />

von Plochingen im Neckartal bis<br />

Holzgerlingen im Schönbuch entgegen.<br />

Es trifft ganz Baden-Württemberg.<br />

Eine zweite Startbahn würde<br />

eine Verdoppelung der heutigen<br />

Fluggastzahlen auf über 20 Millionen<br />

bedeuten. Mit einer enormen Steigerung<br />

der Lärmereignisse ist zu<br />

rechnen.<br />

VCD<br />

Werner Korn, Geschäftsführer<br />

Landesverband<br />

Baden-Württemberg<br />

Der Flughafen Stuttgart muss auf<br />

den Prüfstand – Ausbau-Überlegungen<br />

sofort einstellen<br />

Wir fordern von der Landesregierung<br />

mit gutem Beispiel voranzugehen und<br />

angesichts des UN-Klimaberichts, eine<br />

nachhaltige Politik umzusetzen. Das<br />

Land muss jetzt die Weichen für eine<br />

klimaschonende Wirtschaft stellen.<br />

Deshalb beantragen wir, die folgenden<br />

Maßnahmen umzusetzen:<br />

– Statt Machbarkeitsstudie für die 2.<br />

Startbahn – Klimaschutz-Check des<br />

Flughafens. Dabei ist nicht das Machbare<br />

die Maxime, sondern das ökologisch<br />

Notwendige!<br />

– Das Land wirkt darauf hin, dass der<br />

Flughafen Stuttgart sofort jegliche<br />

Ausbau-Pläne für mehr Flugverkehr<br />

einstellt, z.B. die Westerweiterung<br />

und die 2. Startbahn.<br />

– Das Land verhindert eine weitere<br />

Anwerbung von Billigfliegern.<br />

– Keine weitere Förderung der Flughafen-Infrastruktur<br />

für mehr Flugverkehr.<br />

– Förderung der Bahn statt des Flughafens.<br />

– Erstellung einer landesweiten Flugverkehrskonzeption<br />

unter Nachhaltigkeitsaspekten.<br />

– Einrechnung der sozialen und ökologischen<br />

Folgekosten in den Flugticketpreis.<br />

– Start einer Initiative des Landes für<br />

die Besteuerung des Flugbenzins.<br />

– Einführung einer Emissionsabgabe mit<br />

dem Ziel, die Start- und Landeentgelte<br />

entsprechend der Schadstoff- und<br />

Lärmemissionen zu verteuern.<br />

– Wirksame Einbeziehung des Flugverkehrs<br />

in den Emissionshandel.<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> e.V<br />

Steffen Siegel<br />

Vorsitzender<br />

29


Schadensbegrenzung –<br />

ein Fall für die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong><br />

+ Ziel der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong><br />

ist es, ein <strong>Filder</strong>schutzgebiet<br />

zu erhalten – als Reservat für die<br />

Landwirtschaft und zur Naherholung.<br />

Der Flughafenausbau vor zehn Jahren<br />

und die erst kürzlich fertig gestellte<br />

Messe konnten nicht verhindert werden.<br />

Die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong><br />

kann hier leider nur noch Schadensbegrenzung<br />

betreiben.<br />

Sie passt darauf auf, dass sich die Aktivitäten<br />

des Flughafens und der Messe<br />

in den gesteckten Grenzen der<br />

Planfeststellungsbeschlüsse bewegen<br />

und sie wird auch darauf achten, dass<br />

die Messegesellschaft das extra für sie<br />

gezimmerte Landesmessegesetz nicht<br />

„vergisst“ und nicht mit Rockkonzerten<br />

und Boxkämpfen übertritt. Das<br />

spezielle Messegesetz ermöglicht Enteignungen<br />

für Messen, Tagungen und<br />

Kongresse, andere Verwendungszwecke<br />

sind nicht erlaubt. Auch<br />

nächtlicher Lärm durch Großereignisse<br />

ist durch den Planfeststellungsbeschluss<br />

nicht gedeckt.<br />

Ohne die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong>,<br />

damals noch <strong>Schutzgemeinschaft</strong> gegen<br />

Großflughafen, gäbe es kein<br />

eingeschränktes Nachtflugverbot, wäre<br />

die Weidacher Höhe in Stetten<br />

(Ortsteil von Leinfelden-Echterdingen)<br />

abgeholzt und abgetragen und es<br />

ginge bei Aus-und Neubauten meist<br />

um das „Wie“ und nicht um das<br />

„Ob“! Bei der <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> können die Probleme, die<br />

diesen Landstrich betreffen zusammengetragen<br />

und können Erfahrungen<br />

ausgetauscht werden. Es wird<br />

gemeinsam nach einer Lösung gesucht.<br />

+ Was die <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

<strong>Filder</strong> gegen eine 2. Startbahn unternimmt<br />

Wir leben mit dem jetzigen Ausmaß<br />

des Flughafens – wohl oder übel. Es<br />

braucht aber weder eine West-Erweiterung<br />

für Flugzeugabstellplätze,<br />

noch eine luftseitige Kapazitätserhöhung<br />

der ersten Start- und Landebahn,<br />

noch eine zweite Start- und<br />

Landebahn. Egal wo eine zweite<br />

Startbahn von der Flughafengesellschaft<br />

angedacht ist – sie passt nicht<br />

30<br />

mehr in die <strong>Filder</strong>landschaft. Sie passt<br />

nicht in die dicht besiedelte Region<br />

Stuttgart. Sie passt nicht in eine Zeit,<br />

in der die Klimabombe tickt.<br />

Langfristig geht es um eine Vermeidungsstrategie<br />

des Flugverkehrs.<br />

+ Zusammenarbeit zwischen Kommunen<br />

und <strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

weiter ausbauen<br />

Vom Schönbuchrand bis ins Neckartal<br />

gibt es schon Gemeinderatsbeschlüsse<br />

und Resolutionen gegen eine weitere<br />

Startbahn (siehe Seite 23)<br />

+ Weitere Sensibilisierung von<br />

Gemeinderäten, Bezirksbeiräten,<br />

Landtagsabgeordneten und Parteien<br />

Gespräche, gemeinsame Aktionen,<br />

Informationsaustausch<br />

- Bei den Kommunen dafür werben,<br />

den Kommunalen Arbeitskreis <strong>Filder</strong><br />

(KAF) weiter zu entwickeln,<br />

- und Mitglied in der „Bundesvereinigung<br />

gegen Fluglärm“ (BVF) zu<br />

werden (wer es noch nicht ist);<br />

+ Zusammenführen aller Bürgerinnen<br />

und Bürger sowie Gruppierungen,<br />

die sich gegen die <strong>Filder</strong>zer-<br />

Emblem des Aktionskreises, Idee von<br />

Helmut Nolda, gestaltet von F. Blankenhorn<br />

Ehrenamtspreis<br />

Beim Wettbewerb: „Echt gut! Ehrenamt in Baden-Württemberg 2006“<br />

wählte die Bevölkerung die <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> auf den zweiten Platz.<br />

störung sowie den zunehmenden<br />

Lärm und Emissionen wehren wollen;<br />

z.B. im Aktionskreis „Die <strong>Filder</strong> leben<br />

lassen!“<br />

+ Bündnisse mit Initiativen und<br />

Verbänden<br />

Beispiel: Außerparlamentarischer Antrag<br />

(siehe Seite 29)<br />

+ Unterschriften gegen die 2. Startbahn<br />

Stand Herbst 2007: 23 000 Unterschriften<br />

+ Aktionen<br />

Zum Beispiel Aktionstage, Demonstrationen,<br />

Felderrundfahrten, Oettinger-<br />

Besuche etc.<br />

+ Öffentlichkeits- und Informationsarbeit<br />

mit Informationsständen, Veranstaltungen,<br />

Pressekonferenzen, Presseerklärungen<br />

etc.<br />

+ Juristischer Widerstand<br />

Als letztes Mittel ziehen wir den juristischen<br />

Widerstand in Betracht


Der Vorstand der<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong><br />

1987<br />

Vorsitzende: Dr.Liesel Hartenstein, Echterdingen<br />

Stellv. Vors.: Dagmar Halm, Stgt.-Birkach<br />

Stellv. Vors.: Manfred Raff, Stetten<br />

Öffentlichkeitsarbeit:<br />

Jörg Huber, Stgt.-Vaihingen<br />

Kassier: Hermann Steck, Bernhausen<br />

Beisitzer: Helmut Gehrung, Stgt.-Plieningen<br />

Ingrid Grischtschenko, Stetten<br />

Andreas Klütz, Bernhausen<br />

Helmut Schumacher, Bernhausen<br />

Irene Sekler, Ostfildern-Kemnat<br />

Steffen Siegel, Neuhausen .<br />

Ehrenvorstand: Wilhelm Hertig, Plieningen<br />

Gabi Visintin,<br />

Vorsitzende<br />

von<br />

1994<br />

bis<br />

2004<br />

2007<br />

Vorsitzender: Steffen Siegel, Neuhausen<br />

Stellv. Vors.: Ingrid Grischtschenko, Stetten<br />

Stellv. Vors.: Wolfgang Feldner, Stgt.-Plieningen<br />

Öffentlichkeitsarbeit:<br />

Gabi Visintin, Bonlanden<br />

Kassier: Eberhard Alber, Echterdingen<br />

Beisitzer: Frank Grafe, Echterdingen<br />

Rolf Keck-Michaeli, Wolfschlugen<br />

Michael von Koch, Stgt.-Möhringen<br />

Prof. Dr. Willfried Nobel, Bernhausen<br />

Dr. Jörg Schnellbach, Bernhausen<br />

Helmut Schumacher, Bernhausen<br />

Signet des Aktionskreises gegen den Flughafenausbau<br />

in den 80er Jahren<br />

Plakat von Heinz Bauer<br />

Seit kurzem in Plieningen<br />

Unterstützung von über all her<br />

Stefan Rösler (NABU)<br />

„Jede heute noch bewusst in Kauf genommene<br />

oder gar geförderte CO2-<br />

Steigerung ist, wie wenn Sie ihr Kind,<br />

das schon einen schweren Sonnenbrand<br />

hat, aktiv und bewusst weiterhin<br />

ungeschützt der Sonne aussetzen.“<br />

31


Aktionstag in Bernhausen am<br />

18.06.2006 (Foto: J. Schnellbach)<br />

Werden Sie Mitglied bei der <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> e.V.<br />

Jahresbeitrag: 12,50 Euro<br />

Wenden Sie sich an das SG <strong>Filder</strong><br />

Vorstandsmitglied: Rolf Keck,<br />

In den Kirchhofländern 33,<br />

72649 Wolfschlugen<br />

Mehr Informationen finden<br />

Sie unter:<br />

www.schutzgemeinschaft-filder.de<br />

Kindermal-Wettbewerb<br />

des Fördervereins Kinder-und-Jugendheim Neuhausen e.V.<br />

Aktionstag 8.7.2007<br />

Gemeinsam sind wir stärker<br />

<strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong>,<br />

Spendenkonto<br />

Kreissparkasse Esslingen,<br />

Kontonr.: 105 976 51, BLZ: 61150020<br />

Verantwortlich: <strong>Schutzgemeinschaft</strong> <strong>Filder</strong> e.V, Steffen Siegel (Tel. 07158/5850), Gabi Visintin.<br />

Ein besonderer Dank gilt Friederike Groß, die uns ihre Karikaturen zur Verfügung stellte.<br />

Gestaltung: Carl Vogg Grafik-Design, <strong>Filder</strong>stadt<br />

Fotos: Steffen Siegel<br />

Moritz Hölzer, Neuhausen, 7 Jahre<br />

SCHUTZ-<br />

GEMEINSCHAFT<br />

FILDER

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