Vis à Vis Juli 2023: Sommerliches Lebensgefühl in der Region Weilheim

„DER PERFEKTE TAG
AUF DEM WASSER“
OB SCHIFFSFÜHRER, PASSAGIERE ODER DIE
STEGWARTIN: BEI EINER FAHRT ÜBER DEN
STARNBERGER SEE SIND ALLE GLÜCKLICH
Kapitän Karl Mühlbauer an seinem Arbeitsplatz.
Lasciatemi cantare con la chitarra in mano“ singt
Toto Cutugno und erfüllt die Kommandobrücke der
EMS Berg mit italienischer Schlagermusik, während
das 35 Meter lange und 8,30 Meter breite Schiff beinah
lautlos über den Starnberger See gleitet. Denn
die jüngste Neuanschaffung der Bayerischen Seenschifffahrt
fährt mit Lithium-Ionen-Akkus, die über Nacht mit
Ökostrom geladen werden. „Anfangs waren wir skeptisch“,
sagt Karl Mühlbauer, der vorsichtig an die Anlegestelle vor
dem Seehotel Leoni heranmanövriert. „Inzwischen sind wir
Schiffsführer aber sehr angetan davon, wie schnell der Elektro-Dampfer
reagiert.“ Ein geübter Kontrollblick in die Rückspiegel
und auf die Bildschirme der verstellbaren Kameras
und das größte E-Motorschiff auf deutschen Seen hält behutsam
und ohne zu touchieren vor dem Anlegesteg.
25 Jahre an Bord der Bayerischen Seenschifffahrt
Es ist ein warmer, sonniger Montagmorgen im Juni, die meisten
Passagiere sind älter, fahren mit Ermäßigung von Starnberg
über Berg und Leoni am Westufer, um dann zu kreuzen
und im Osten Possenhofen und Tutzing anzusteuern. Sie genießen
die Ruhe an Deck der EMS Berg sowie auf dem See.
„Heute ist wirklich ein guter Tag“, sagt der Schiffsführer zufrieden,
dem Betriebsleiter Matthias Leis einige Stunden zuvor
eine Urkunde für seine 25-jährige Firmenzugehörigkeit
ausgehändigt hat. „Am Wochenende kann es schon ein rechter
Kampf sein mit den 600 zugelassenen Motorbooten, den
Stand-Up-Paddlern, Schwimmern und Segelbooten.“ Da sei,
auch wenn die Ausflugsdampfer rechtlich Vorfahrt hätten,
natürlich immer erhöhte Vorsicht geboten. Heute allerdings
gehört der zweitgrößte bayerische See, den ein leichter
Wind zerzaust, fast exklusiv den Gästen, die Mühlbauer und
seine aus einem Kassierer und einem Matrosen bestehende
Crew per Lautsprecher über die Sehenswürdigkeiten an den
Ufern informieren.
Mühlbauer, 53 und Vater zweier Töchter, ist gelernter
Schreiner. Er erinnert sich: „Vom Fleck weg am Telefon bin
ich damals eingestellt worden.“ Dass er ein Vierteljahrhundert
an Bord bleiben würde, habe der große, kräftige Mann,
der mit seinem Oberarmtattoo das Klischee eines Seemannes
erfüllt, nicht geahnt. Unter den knapp 40 Mitarbeitenden,
die Betriebsleiter Leis unterstehen, sind die meisten
Handwerker: Neben Schreinern auch Maler, Schlosser,
Elektriker oder Bootsbauer. Denn auch die Instandhaltung
der vier Schiffe, allen voran des Katamarans MS Starnberg,
übernimmt die Crew außerhalb der Saison selbst, die bis
Kirchweih dauert.
Die Kollegen sind wie gute Freunde
„Ist schon schee hier“, brummelt Mühlbauer, auch wenn
man es nach so langer Zeit vielleicht nicht immer genug zu
schätzen wisse. Nach einem Jahr als Matrose war der Bernrieder
bereits zum Kassierer aufgestiegen. Den TÜV-geprüften
Schiffsführerschein hatte Mühlbauer zwar schon seit
zwei Jahrzehnten in der Tasche, eine Stelle als Schiffsführer
wurde aber erst vor vier Jahren frei. „Genug Zeit, um erfahrenen
Kollegen über die Schulter zu schauen und zu lernen,
wie man sich in schwierigen Situationen verhält“, sagt der
53-Jährige. Heute seien die meisten Arbeitskameraden wie
gute Freunde. An Tagen, wenn nicht viel los sei, hocke man
viel beieinander und ratsche miteinander.
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