Selbstbefriedigung - Weißes Kreuz
Selbstbefriedigung - Weißes Kreuz
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Einstiegsalter vieler Jugendlicher in die Pornografie<br />
bei bereits 11 Jahren liegt, also oft noch<br />
vor dem ersten „feuchten Traum“, den ersten<br />
eigenen Orgasmuserfahrungen, die mit ca. 12<br />
Jahren beginnen. In diesem Alter haben leider<br />
viele (42% der 11- bis 13-Jährigen ermittelte<br />
die Dr.-Sommer-Studie) 8<br />
schon die heftigsten und<br />
schlimmsten Sexpraktiken<br />
gesehen.<br />
Und trotzdem möchte<br />
ich diese Möglichkeit<br />
(SB im Jugendalter ohne<br />
Pornografie) hier nennen,<br />
um derjenigen willen, die keine Pornografie<br />
konsumiert haben (auch keine Pornobilder<br />
im Kopf haben) und vielleicht schon seit Wochen<br />
und Monaten ihren Erstorgasmus, vielleicht<br />
sogar einen feuchten Traum, mit einem<br />
schlechten Gewissen mit sich tragen. Dieses<br />
Thema wird im Artikel von Markus Schäller<br />
vertieft werden.<br />
<strong>Selbstbefriedigung</strong> mit pornografischen<br />
Bildern/Filmen<br />
Bevor ich zum schwierigeren zweiten Bereich<br />
komme, möchte ich den großen, klar<br />
abtrennbaren dritten Bereich ansprechen. SB<br />
mit Pornografie ist klar Sünde, hier finden wir<br />
zahlreiche Stellen in der Bibel (z.B. Mt. 5,27–<br />
28). Die Bewertung ist eindeutig. Es ist die<br />
große Herausforderung der seelsorgerlichen<br />
Begleitung bis hin zur Therapie, Menschen auf<br />
diesem Weg aus dieser sündigen Gewohnheit<br />
(teilweise sogar Sexsucht) zu begleiten.<br />
<strong>Selbstbefriedigung</strong> ohne pornografische<br />
Bilder – Zwei Lebensrealitäten<br />
Im zweiten, deutlich kleineren Bereich sind<br />
verschiedene Wege zur SB möglich, die ohne<br />
pornografischen Inhalt stattfinden.<br />
Lebensrealität Singles<br />
Was bedeutet „SB ohne pornografische Bilder“<br />
konkret für Singles? Es gibt alleinstehende<br />
Frauen und Männer, die für sich erleben,<br />
dass sie schon durch leichte mechanische Reizung<br />
(enge Hose bei der Frau, „Morgenlatte“<br />
beim Mann) kurz vor einem Orgasmus stehen.<br />
Durch weiteres kurzes Reiben geschieht der<br />
Orgasmus, ohne pornografische Gedanken.<br />
Wie ist diese SB zu einzuordnen? Nun könnte<br />
man kurz gefasst sagen, dass der Sinn von<br />
Sexualität doch Vermehrung und dem Partner<br />
Liebe zeigen, „etwas Schönes geben“ ist. In<br />
der christlichen Sexualethik wird teilweise von<br />
Liebessexualität, die nur funktioniert, wenn<br />
sie auf den Partner angelegt ist, gesprochen.<br />
Demgegenüber sei dann jede SB auch ohne<br />
Pornografie Egosexualität, weil man sich nur<br />
um sich dreht, ergo sei diese SB Sünde. Dazu<br />
ergänzend wäre noch das oft genannte Argument<br />
anzuführen, dass der Begriff für Sünde<br />
im Griechischen ja Zielverfehlung bedeutet,<br />
und wenn Sex auf einen Partner angelegt ist,<br />
um ihn zu erfreuen, und zur Vermehrung, dann<br />
wäre der Schluss naheliegend, SB als Sünde<br />
einzuordnen. Doch manch einer wird jetzt zu<br />
6<br />
Weisses<strong>Kreuz</strong> Zeitschrift für Lebensfragen<br />
Lieber Leser, wenn du<br />
verheiratet bist, dann stelle doch<br />
mal in einer ruhigen Minute<br />
deinem Ehepartner diese Frage:<br />
„Wie oft am Tag/in der Woche<br />
denkst du an Sexualität?“<br />
Recht sagen: „Moment mal, den anderen erfreuen<br />
und Vermehrung, dass ist ja nicht alles,<br />
man selbst darf ja auch das schöne Gefühl genießen.“<br />
Stimmt, dieses Ziel gibt es für Singles<br />
durchaus, wenn auch nicht die beiden anderen<br />
Aspekte. Und ist ihr Leben zielverfehlt, nur<br />
weil sie keinen Partner<br />
gefunden haben? Ganz<br />
sicher nicht! Und in Sachen<br />
Sexualität? Klar,<br />
kann ich keinen Partner<br />
beschenken etc., aber ich<br />
kann schon schöne sexuelle<br />
Gefühle erleben.<br />
Dieser eine Sinn bleibt doch bestehen. Ist das<br />
einem Single etwa untersagt? Diese Frage wird<br />
oft unbeantwortet gelassen. Eine Möglichkeit<br />
ist sicher, sich zu enthalten, den Wunsch nach<br />
Sexualität an Gott abzugeben. Das ist leicht gesagt,<br />
wenn man verheiratet ist, das aber zu leben<br />
kann unendlich schwer sein. Nicht wenige<br />
landen aus Verzweiflung und durch das Gefühl,<br />
eh schon sündig zu sein, mit ihrer SB irgendwann<br />
in der Pornografie. Hier kann – meiner<br />
Ansicht nach – die „SB ohne Pornografie“ eine<br />
hilfreiche und schützende Möglichkeit sein. Sicher<br />
muss auch dies in einem gesunden Maße<br />
und nicht in einer suchtartigen Struktur gelebt<br />
werden (s. 1.Kor. 12,16). Dies zu beachten gilt<br />
aber für jede Art von Sexualität.<br />
Wichtig ist, dass die „SB ohne Pornografie“<br />
immer Lerneffekte mit sich bringt, die man in<br />
der Ehe wieder verlernen muss, wie z.B. „ich<br />
kann es zu jeder Zeit, an meinem Wunschort<br />
praktizieren“. Diese Struktur ist in der Ehesexualität<br />
völlig anders. Ich werde mich auf den<br />
Partner einstellen müssen und hoffentlich wollen.<br />
Gute Ehekommunikation ist notwendig.<br />
Damit man mich nicht missversteht: Für jüngere<br />
Menschen finde ich es sehr ratsam, gerade<br />
im Blick auf eine eventuelle spätere Ehesexualität,<br />
die Spannung „Sex haben zu wollen<br />
und noch nicht erleben zu können“ aushalten<br />
zu lernen.<br />
Wenn man einfach in die „SB ohne Pornografie“<br />
ausweicht und diese bei jedem kleinen<br />
Anflug von sexueller Lust oder bei der Bewältigung<br />
von Frust als „Seelentröster und Verdrängungstechnik“<br />
praktiziert, findet sicher eine<br />
Zielverfehlung statt.<br />
Wichtig ist auch zu beachten, dass Menschen,<br />
die schon in einem regelmäßigen Pornografiekonsum<br />
drin hängen, es ungleich schwerer<br />
haben werden, eine „SB ohne Pornografie“<br />
zu praktizieren oder überhaupt zu entwickeln,<br />
da das Kopfkino – angefüllt mit Pornobildern –<br />
fast immer aktiviert wird.<br />
Verheiratet und <strong>Selbstbefriedigung</strong>?<br />
Hier passt der etwas merkwürdige Begriff<br />
„Not-<strong>Selbstbefriedigung</strong>“. Für verheiratete<br />
Menschen, insbesondere bei Männern, habe<br />
ich festgestellt, dass dieser mittlere Bereich<br />
eine hilfreiche Notlösung sein kann, gerade,<br />
wenn es um die Häufigkeit der Sexualität<br />
geht. Manche Paare haben von ihrer Anlage<br />
her zwar ein ähnliches Bedürfnis, aber „normal“<br />
ist, dass ca. 90% der Ehepaare es anders<br />
erleben. Ein Mann hätte z.B. gerne 2–4 mal in<br />
der Woche Geschlechtsverkehr und denkt teilweise<br />
bis zu 30- bis 50-mal am Tag an Sex mit<br />
seiner Frau. Seine Frau hingegen findet einmal<br />
in der Woche schon viel. Lieber Leser, wenn<br />
du verheiratet bist, dann stelle doch mal in einer<br />
ruhigen Minute deinem Ehepartner diese<br />
Frage: „Wie oft am Tag/in der Woche denkst<br />
du an Sexualität?“<br />
Man kann sicher zu guten Kompromissen<br />
kommen. Aber nicht jedem Ehepaar gelingt<br />
das, besonders nicht, wenn Krankheiten die<br />
Sexualität vielleicht für Monate oder Jahre verhindern<br />
oder es beruflich bedingte Phasen gibt,<br />
in denen man längere Zeit an verschiedenen<br />
Orten leben muss. Hier kann die „Not-SB“ eine<br />
Hilfe sein, zur Entspannung beitragen, sowie<br />
auch die Versuchlichkeit reduzieren. Wichtig<br />
ist, diese Variante zuvor mit seinem Ehepartner<br />
zu besprechen. UND: Grundlegendes Ziel muss<br />
der gemeinsame Geschlechtsverkehr sein.<br />
Fazit: Das „Drei-Bereiche-Modell der <strong>Selbstbefriedigung</strong>“<br />
will keine Versuchung oder<br />
Verwirrung schaffen, sondern:<br />
die biblisch-theologische Komplexität des<br />
Themas verdeutlichen<br />
die Vielfalt der Lebensrealitäten<br />
berücksichtigen<br />
Verhaltensmöglichkeiten zur Diskussion<br />
stellen<br />
vor dem „Tsunami der Pornografie“<br />
warnen und Hilfen anbieten.<br />
So bleibe ich abschließend in diesem herausfordernden<br />
Thema bei dem: „… prüft aber<br />
alles, das Gute haltet fest. Von aller Art des<br />
Bösen haltet euch aber fern.“ 1.Thess. 5,21<br />
1 (26.11.2010, http://de.wikipedia.org/wiki/<strong>Selbstbefriedigung</strong>).<br />
2 (26.11.2010, http://de.wikipedia.org/wiki/<strong>Selbstbefriedigung</strong>).<br />
3 Noonan, John T. (1969), Empfängnisverhütung,<br />
zitiert in Schirrmacher, Thomas (2006): Familienplanung<br />
– eine Option für Christen? S. 126ff.<br />
4 Hoyndorf, Stephan (1995), Behandlungen sexueller<br />
Störungen, Weinheim: Beltz.<br />
5 Baum, Rainer und Katrin (2010), Mit Teens über Sex<br />
reden, Christliche Verlagsgesellschaft mbH, Dillenburg.<br />
6 Hilkens, Myrthe (2010), McSex – die Pornografisierung<br />
unserer Gesellschaft, Orlanda Verlag.<br />
7 Schirrmacher, Thomas (2008), Internetpornografie…<br />
und was jeder darüber wissen sollte, SCM Hänsler.<br />
8 Gernert, Johannes (2010), Generation Porno, Fackelträger<br />
Verlag GmbH.<br />
Dr. Matthias Burhenne<br />
arbeitet im „Forum Wiedenest e.V.“<br />
(ehemals Missionshaus Bibelschule<br />
Wiedenest) als Seel sorgereferent<br />
und ist in den Bereichen Seelsorge/<br />
Beratung, Gemeindeberatung und<br />
Männerarbeit tätig.