MÄA-24-23 online
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Münchner Ärztliche Anzeigen TITELTHEMA 7<br />
erst der Anschluss an das System.<br />
Zwischen den einzelnen Schritten<br />
wird viel Zeit vergehen, weil wir<br />
zunächst eine Unmenge von Daten<br />
bekommen werden, aus denen wir<br />
dann die eigentliche Information<br />
konstruieren müssen. Wir rechnen<br />
mit ca. fünf Jahren Studiendauer. Da<br />
wir Neuland betreten, kann der Prozess<br />
noch nicht komplett vorhergesehen<br />
werden, aber alles wird sehr<br />
kontrolliert ablaufen. Und sollte<br />
irgendwann der Eindruck entstehen,<br />
dass die Patientensicherheit gefährdet<br />
ist, ist die Implantation auch<br />
wieder reversibel.<br />
Haddadin: Es wird so sein als würde<br />
man über Jahre hinweg neue motorische<br />
Fähigkeiten lernen, sie erweitern<br />
und auf neue Kontexte anwenden.<br />
Zunächst wird man versuchen,<br />
zielgerichtete und dynamische<br />
Bewegungen zu steuern. Danach<br />
wird es um Greif- und eventuell auch<br />
Manipulationsvorgänge gehen. Es<br />
erhöhen sich also Komplexitätsstufen<br />
und Anforderungen. Wir hoffen,<br />
dass auch die Fähigkeiten der Testperson<br />
an den Systemen mit der<br />
Zeit wachsen, damit wir die Algorithmen<br />
so „trainieren“ können, dass<br />
eine immer bessere Prothese entsteht.<br />
Welche Herausforderungen gab<br />
und gibt es bei der Studie?<br />
Haddadin: Wir erhoffen uns einen<br />
weiteren Quantensprung, weil wir<br />
diese einmalige Situation mit unseren<br />
drei Expertisen hier in München<br />
haben und weil dies gepaart ist mit<br />
weltweiten großen Fortschritten in<br />
der KI. Diese Fortschritte basieren<br />
allerdings auf vielen, vielen Daten,<br />
also auf Big Data. Ein großes Anliegen<br />
von mir ist, mit einer abzähl-<br />
Möchten Sie<br />
mitmachen?<br />
Ihr*e Patient*in hat Interesse und<br />
kommt für die Studie in Frage?<br />
Schreiben Sie per Mail an<br />
✉ aid-studie@mri.tum.de, damit<br />
die Expert*innen des Klinikums<br />
rechts der Isar dies in einem<br />
Screening prüfen können.<br />
baren Anzahl an Patient*innen diese<br />
Methoden so zu erweitern, dass sie<br />
mit beliebigen Mengen von Daten<br />
zurechtkommen. Die gute Nachricht<br />
ist, dass wir hier in München Methoden<br />
der KI, des maschinellen Lernens,<br />
entwickelt haben, die diese Art<br />
der Dateneffizienz bereits eingebaut<br />
haben.<br />
Wann können Menschen mit starker<br />
Querschnittlähmung mit dieser<br />
Neuroprothese selbstständig<br />
leben?<br />
Meyer: Das kann ich nicht sagen,<br />
und es ist sehr schwer, hier in die<br />
Zukunft zu schauen. Unsere Arbeit<br />
bringt sicher nicht sofort einen<br />
schnellen Erfolg. Ich rechne aber<br />
damit, dass es nach den fünf Jahren<br />
mit dieser Studie deutlich schneller<br />
vorangeht.<br />
Jacob: Damit die Menschen das System<br />
irgendwann eigenständig<br />
anwenden können, wird es noch<br />
andere technologische Entwicklungen<br />
brauchen, die nicht in unserem<br />
Fokus liegen. Die derzeitigen Systeme<br />
sind an ein klinisches Laborsetting<br />
gebunden. Man kann die Messapparaturen<br />
und Konnektoren nicht<br />
einfach mit nach Hause nehmen und<br />
sich dann dort z.B. die Zähne putzen.<br />
Aber nach unserer hoffentlich erfolgreichen<br />
Studie wird es sicher ein<br />
paar ingenieurtechnische Durchbrüche<br />
geben, um das System für den<br />
Heimgebrauch zu etablieren.<br />
Was haben die Patient*innen<br />
davon, wenn sie mitmachen, und<br />
wie können sie Kontakt zu Ihnen<br />
aufnehmen?<br />
Haddadin: Dieses Projekt existiert<br />
so europaweit noch nirgends, und<br />
auch in den USA arbeiten nur wenige<br />
Kolleg*innen an solchen Lösungen.<br />
Neue Systeme werden natürlich nur<br />
dann entwickelt, wenn es auch Patient*innen<br />
gibt, die bei der Entwicklung<br />
mithelfen möchten. Sie sind als<br />
Proband nicht Konsument, sondern<br />
Teil der Entwicklung einer Technologie,<br />
die vielleicht in der Zukunft vielen<br />
Menschen helfen kann. Wer Interesse<br />
hat, schreibt uns einfach eine<br />
Email an aid-studie@mri.tum.de.<br />
Das Gespräch führte Stephanie Hügler<br />
Prof. Dr. ing. Sami Haddadin ist<br />
Executive Director der Munich<br />
Institute of Robotics and Machine<br />
Intelligence (MIRMI) an der Technischen<br />
Universität München (TUM)<br />
und Inhaber des Lehrstuhls für<br />
Robotik und Systemintelligenz.<br />
Versorgungsforschung der LMU<br />
Foto: Andreas Heddergott TUM<br />
Wir hoffen, dass der<br />
Roboter irgendwann<br />
mit Patient*innen<br />
interagieren kann.<br />
Prof. Dr. ing. Sami Haddadin