04__LB173.pdf - Lübeckische Blätter
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L Ü B E C K I S C H E<br />
B L Ä T T E R<br />
23. Februar 2008 · Heft 4 · 173. Jahrgang · Zeitschrift der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit<br />
Travemünde, Stadtteil oder „Städtchen“?<br />
Aufbruch zu einem Ort, dessen Vergangenheit viel über Lübecks Gegenwart erzählt<br />
Von Manfred Eickhölter<br />
„Travemünde ist heute ein fester Bestandteil<br />
von Lübeck – jedoch mit eigener,<br />
individueller Geschichte, die spannende<br />
Aspekte aufweist. Vieles ist noch über<br />
diesen Ort – das ‚Städtchen’ – zu entdecken.“<br />
Der das schrieb, heißt Thorsten Albrecht,<br />
er ist Kunsthistoriker und er ist der<br />
Verfasser der Chronik „Travemünde. Vom<br />
Fischerort zum See- und Kurbad“. Seine<br />
Chronik erschien 2005 als Heft 19 einer<br />
Schriftenreihe des Archivs der Hansestadt<br />
Lübeck, zwanzig Jahre nach dem ersten<br />
Band, dafür aber der bei weitem umfangreichste.<br />
Doch steht der Kunsthistoriker Albrecht<br />
mit seiner Begeisterung nicht allein<br />
auf weiter Flur, auf dem Leuchtenfeld?<br />
Kulturelle Meinungsführer in Lübeck sehen<br />
Travemünde scheinbar anders. Manfred<br />
Finke, dem die Altstadt von Lübeck<br />
ans Herz gewachsen ist, reagierte spontan<br />
auf unsere Anfrage, ob er nicht für die<br />
<strong>Lübeckische</strong>n <strong>Blätter</strong> Travemünde besichtigen<br />
wollte, mit dem Satz: „Ach, der<br />
Weg dort hinaus ist so weit“. Und als wir<br />
bei Thomas Radbruch um Travemünde-<br />
Bilder anklopften, antwortete dessen befreundete<br />
Agentur: „Haben wir nicht. Wir<br />
versuchen, ihn dort hinzubewegen, aber er<br />
mag nicht.“<br />
Spricht aus diesen Äußerungen Hochmut,<br />
Verachtung, mangelndes Interesse?<br />
Vermutlich das Gegenteil. Wer genau hinschaut,<br />
dem schmerzen die Augen. Der<br />
Ortskern um die St. Lorenz-Kirche, Torstraße,<br />
Jahrmarktstraße, Vorder- und Hinterreihe,<br />
ist sicher keine Heimstätte für<br />
Hauseigentümer, die sich über Vorgaben<br />
der Denkmalpflege beklagen. Kaum vorstellbar,<br />
dass ein und dieselbe Behörde die<br />
„Häuser in Travemünde“, Edvard Munch, 19<strong>04</strong> (Foto: MKK HL)<br />
Altstädte von Lübeck und Travemünde betreut.<br />
Zwei Welten: hier das sensible Gespür<br />
für den kulturhistorischen Wert von<br />
Schuppen, Querhäusern, für Blockzargengefüge<br />
und aufklaubbare Aufschieblinge,<br />
dort an fast jeder Fassade … aber: schauen<br />
Sie selbst!<br />
Und warum findet Thomas Radbruch<br />
in Travemünde keine Motive? Er, der<br />
doch auch in Lübecks Altstadt an allem<br />
vorbeischauen kann, was diesen Baukör-<br />
per verwundet, vernarbt, schlecht verheilt<br />
erscheinen lässt, verdunkelt sich ihm das<br />
fotografische Auge, weil bei jeden Blick<br />
durch die Linse das Maritim-Hotel, das<br />
seit dreißig Jahren im ehemals nobelsten<br />
Luxus-Seebad alle Sichtachsen beherrscht,<br />
sich dazwischen schiebt?<br />
Dr. Friedhelm Fischer, der zum 200<br />
Geburtstag des Seebades den Richtung<br />
weisenden Beitrag zu „Stadtbaugeschichte<br />
und Stadterneuerung“ im Auftrag des<br />
Abbildung auf der Titelseite: Travemünde, Vorderreihe mit Fischerbooten, um 1920 (Foto: Museum für Kunst und Kulturgeschichte Hansestadt Lübeck)<br />
<strong>Lübeckische</strong> <strong>Blätter</strong> 2008/4 65