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Die Neue Hochschule Heft 6-2023

Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Beim Spielen lernen: Gamification und Serious Games

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22 BERICHTE AUS DEM hlb DNH 6 | <strong>2023</strong><br />

Bürokratie an HAW – zum Verzweifeln!<br />

<strong>Die</strong> überbordende Bürokratie in Deutschland ist eines der größten<br />

Investitionshemmnisse und behindert auch uns Wissenschaftler an<br />

der Entfaltung unserer Produktivkräfte. Der hlb will in den nächsten<br />

Monaten Irrwüchse und Lösungsmöglichkeiten sammeln und aufzeigen,<br />

was die <strong>Hochschule</strong>n selbst ändern können.<br />

Wahrscheinlich kann jede Leserin und jeder Leser<br />

dieses Beitrags aus dem Stand heraus zwei, drei<br />

Beispiele aus seiner Arbeit berichten, die den Bürokratiewahnsinn<br />

(„Sagen, was ist“ ist nicht nur das<br />

Motto des „Der Spiegel“, sondern genauso wissenschaftliche<br />

Verpflichtung) illustrieren können:<br />

– Profilbildungen der HAW, die monatelang Hunderte<br />

von Arbeitsstunden vieler Funktionsträgerinnen<br />

und Funktionsträger binden und im<br />

Ergebnis zu Profilen führen, die zu gut 80 Prozent<br />

deckungsgleich sind und damit eben kaum<br />

Alleinstellungsmerkmale herausstellen<br />

– Programmakkreditierungen, die selbst bei einer Reakkreditierung<br />

einen Studiengangsbeauftragten<br />

schnell ein Semester kosten können (um von den<br />

geforderten Inputs für eine Systemakkreditierung<br />

gar nicht erst zu reden) 1<br />

– Reisekostenanträge und -abrechnungen, die für<br />

eine spätere Erstattung im vielleicht zweistelligen<br />

Bereich die Arbeitskraft einiger Stunden und<br />

mehrerer Beschäftigter in Anspruch nehmen<br />

– Materialanforderungen und Barvorlagen, bei<br />

denen die Haushaltsstelle nicht allein den Antrag,<br />

den Angebotsvergleich, die Auftragsvergabe<br />

und -genehmigung und die Rechnung sehen<br />

will, sondern auch noch einen Kontoauszug zum<br />

Nachweis der Rechnungszahlung desjenigen, der<br />

privat in Vorlage getreten ist<br />

– Forschungs- und Transferförderung und damit verbundene<br />

Projekttöpfe, deren Recherche und passgenaue<br />

Beantragung schon wochenlange Vorarbeit<br />

mit ungewissen Erfolgsaussichten erfordern<br />

<strong>Die</strong> Liste ließe sich beliebig – und leider – fortsetzen.<br />

<strong>Die</strong> gut vierstelligen Antworten aus wiederholten<br />

hlb-Befragungen unter den HAW-Professorinnen<br />

und -Professoren lassen sich komprimiert wie<br />

folgt wiedergeben:<br />

– Nahezu alle Kolleginnen und Kollegen fühlen<br />

sich durch bürokratische Zumutungen in ihrer<br />

Lehre und Forschung erheblich beeinträchtigt.<br />

– Im Zeitverlauf beklagt die weit überwiegende<br />

Mehrheit der Antwortenden eine zunehmende<br />

Belastung durch bürokratieverursachten Schlupf.<br />

Dabei müssen zwei Quellen der Bürokratiebelastung<br />

unterschieden werden:<br />

– Da sind zum einen supranationale und nationale<br />

Rechtsetzer (EU, Bund, Land). Zurzeit scheint es<br />

so, als ob auf diesen Ebenen dringende Handlungsnotwendigkeiten<br />

einmal mehr erkannt<br />

wurden. Leider nicht zum ersten Mal (Bürokratieabbau<br />

ist ein Thema, seit es Bürokratie<br />

gibt), sodass abzuwarten gilt, ob die unbefriedigenden<br />

Wachstumsaussichten, die immer lauter<br />

gewordenen Klagen bspw. der Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände BDA,<br />

die verbreitete Medienschelte diesmal dazu führen,<br />

dass Gesetze, Verordnungen, Richtlinien,<br />

Erlasse, Anleitungen nicht weitere Fragebögen,<br />

Anträge, oft schlecht gestaltete (Papier!-)Formulare,<br />

Nachweise, Belegpflichten etc. nach sich<br />

ziehen – die Entwürfe für das Gebäudeenergiegesetz<br />

oder die Kindergrundsicherung stimmen<br />

nicht optimistisch.<br />

– Zum anderen wuchert die von den <strong>Hochschule</strong>n<br />

selbst produzierte Bürokratie. So drängt<br />

sich immer stärker der Eindruck auf, dass viele<br />

Hochschulverwaltungen zu „Misstrauensverwaltungen“<br />

geworden sind, die als erstes Bestreben<br />

haben, sich selbst aus der Schusslinie zu bringen,<br />

indem alles doppelt und dreifach gesichert<br />

wird, statt dass sie zu „Ermöglichern“ würden.<br />

Im Zuge der auch an den <strong>Hochschule</strong>n weiter<br />

dringend erforderlichen Digitalisierung von Verwaltungsabläufen<br />

muss darauf geachtet werden,<br />

dass der Workflow vereinfacht und verschlankt,<br />

wenn nicht – wahrscheinlich oft die beste und<br />

1 Damit soll keineswegs einer Rückkehr zu einer Detailsteuerung durch die Wissenschaftsministerien das Wort geredet werden. Aber<br />

es hat sich herausgestellt, dass die – grundsätzlich sinnvolle – Verantwortungsverlagerung in das Wissenschaftssystem selbst eben<br />

nicht zu Entbürokratisierung an den <strong>Hochschule</strong>n beigetragen hat – im Gegenteil: Bürokratie wurde auch „nach unten“ verlagert<br />

und unter Schlagworten wie „unternehmerische <strong>Hochschule</strong>“ oder „Qualitätsmanagement“ von Akkreditierungsagenturen und<br />

<strong>Hochschule</strong>n treffsicher ergänzt.

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