Update Immunthrombozytopenie
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG
Update Immunthrombo zytopenie
– etablierte Standards und neue
Empfehlungen
Prof. Dr. Axel Matzdorff, Schwedt
© A. Matzdorff
Epidemiologie und Pathophysiologie
Klinik und Diagnostik
aktuelle Therapieempfehlungen
Immunthrombozytopenie und COVID-19
ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG
XXX IMMUNTHROMBOZYTOPENIE
Prof. Dr. Axel Matzdorff
Asklepios Klinikum
Uckermark GmbH,
Schwedt
Zusammenfassung
Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine seltene
Erkrankung („Orphan Disease“). Ursache ist eine
fehlgeleitete Immunreaktion gegen die eigenen
Thrombozyten und Megakaryozyten. Viele Patienten
haben nur leichte Blutungszeichen; schwere
Organ- und insbesondere ZNS-Blutungen sind
glücklicherweise selten. Bei der Entscheidung zur
Behandlung spielt nicht mehr nur die Thrombozytenzahl
und die Blutungsneigung eine Rolle.
Man orientiert sich daran, ob ein Patient neu diagnostiziert
wurde, ob die ITP persistiert oder ob sie
bereits chronisch geworden ist. Außerdem müssen
zahlreiche weitere individuelle Faktoren berücksichtigt
werden. Die traditionelle Erstlinientherapie
bleibt die Gabe von Glucocorticoiden. Für die
Zweitlinie sind heute die Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten
Romiplostim und Eltrombopag
etabliert. Aktuell wurde der SYK-Inhibitor Fostamatinib
zugelassen und zahlreiche weitere Wirkstoffe
sind in der Entwicklung. Die Splenektomie bleibt
speziellen Krankheitssituationen vorbehalten. Im
Rahmen einer COVID-19-Erkrankung kommt es
häufig zu Thrombozytopenien. Dies stellt für ITP-
Patienten eine besondere Herausforderung und
Risikosituation dar. Erste Empfehlungen der Fachgesellschaften
werden vorgestellt.
Keywords: Immunthrombozytopenie | Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist |
Fostamatinib | COVID-19
Lernziele
Nachdem Sie die Lerninhalte der CME gelesen haben, ...
F können Sie die verschiedenen Krankheitsphasen der ITP unterscheiden,
F haben Sie die wichtigsten Schritte der Erstdiagnostik verstanden,
F können Sie die Standardtherapien der Erst- und Zweitlinie benennen,
F können Sie Befunde und Empfehlungen zur COVID-19-assoziierten Thrombozytopenie
wiedergeben.
Einleitung und Definitionen
Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine
erworbene Thrombozytopenie, verursacht durch
eine fehlgesteuerte Immunreaktion gegen die körpereigenen
Thrombozyten und Megakaryozyten.
Ein weit verbreitetes Eponym ist die Bezeichnung
Morbus Werlhof (1735 Erstbeschreibung der ITP
als „Morbus Maculosus Haemorrhagicus“ durch
Paul Gottlieb Werlhof). Die alte Bezeichnung
idiopathische thrombozytopenische Purpura sollte
nicht mehr verwandt werden, da die ITP weder
idiopathisch ist – man weiß, dass es sich um eine
Autoimmunkrankheit handelt – und weil viele
Patienten gar keine Purpura haben [1, 2].
Man unterscheidet drei Krankheitsphasen,
die sich nach der Dauer der Erkrankung richten
(Tabelle 1) [3]. Nach internationaler Übereinkunft
sollte eine ITP außerdem nur dann diagnostiziert
Tabelle 1 Stadieneinteilung der ITP und Therapieziele (modifiziert nach [3])
Stadium Definition Therapieziel
neu
diagnostiziert
persistierend
chronisch
bis zu 3 Monate nach Diagnosestellung,
Spontan remissionen
noch häufig
zwischen 3 und 12 Monaten nach
Diagnosestellung, Spontanremissionen
weniger häufig
mehr als 12 Monate nach Diagnosestellung,
spontane Remission
nicht mehr wahrscheinlich
Blutstillung und Kuration, bei kurzer Therapiedauer unter
Inkaufnahme von Nebenwirkungen
Blutungsstillung und Kuration, da Therapie häufiger längerfristig,
sind Nutzen und Nebenwirkungen stärker
gegeneinander abzuwägen
Blutungsstillung und Kuration, Lebensqualität, ggf. unter
Inkaufnahme einer chronischen Thrombozytopenie, Therapie
nur bei schwereren Blutungen zwingend, bei oligooder
asymptomatischen Patienten auch „Watch & Wait“
möglich
Anmerkung: Vor 2009 wurde nur zwischen „akuter“ und „chronischer“ ITP unterschieden und die Grenze arbiträr
bei 6 oder 12 Monaten gezogen; ITP: Immunthrombozytopenie
2
werden, wenn die Thrombozytenzahl wiederholt
unter 100x109/l liegt [1]. Dieser Schwellenwert ist
niedriger als die übliche untere Normbereichsgrenze
für Thrombozyten (meist um 150x109/l).
Man hat den niedrigeren Wert gewählt, weil milde
Thrombozytopenien zwischen 100–150x109/l
sehr häufig sind, sich oft spontan zurückbilden
und in der Regel keiner Behandlung bedürfen.
Dies soll im Umkehrschluss aber nicht heißen,
dass eine persistierende milde Thrombozytopenie
keiner differenzialdiagnostischen Abklärung
bedarf. Sie könnte das erste und einzige Zeichen
einer ernsten Erkrankung oder einer Medikamentennebenwirkung
sein.
In den letzten 2 Jahren sind die ITP-Leitlinien
der American Society of Hematology [4],
der Internationale Consensus Report [5] und die
deutsche Onkopedia Leitlinie [3] überarbeitet
worden. Die aktuellen Empfehlungen wurden in
diesen CME-Artikel eingearbeitet.
Epidemiologie
Die ITP ist selten und zählt zu den sog. „Orphan
Diseases“. Die Inzidenz liegt bei 0,2–0,4 Neuerkrankungen
pro 10.000/Jahr. Die Prävalenz ist
höher mit 0,9 und 2,6 pro 10.000, weil die Erkrankung
bei Erwachsenen häufig chronisch verläuft.
Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 50–55
Jahre, d. h. viele Patienten sind noch berufstätig
und die Erkrankung hat erhebliche soziale und
finanzielle Auswirkungen.
Man unterscheidet eine primäre Form (keine
auslösende Ursache erkennbar; ca. 80 % der Fälle)
und sekundäre Formen (ausgelöst z. B. durch Medikamente
oder andere Erkrankungen; ca. 20 %) [6].
Im Folgenden soll nur die häufige primäre ITP
besprochen werden. Für die seltenere sekundäre
ITP sei auf Lehrbücher der Hämatologie verwiesen.
Die ITP ist nicht erblich. Wenn ein Patient
von mehreren, vermeintlich an ITP-Erkrankten,
in seiner Familie berichtet, dann sollten man an
! Die ITP ist eine
„Orphan Disease“.
Tabelle 2 Einteilung der Thrombozytopenien (modifiziert nach [3, 7, 8, 9])
verminderte Thrombozytenbildung
vermehrter Thrombozytenverbrauch
F Schädigung des Knochenmarks (z. B. durch Medikamente,
Alkohol, Zytostatika, Strahlung u. a.)
F Infiltration und Verdrängung des Knochenmarks
(hämatologische Neoplasien, seltener solide Tumoren)
F Myelofibrose
F myelodysplastische Syndrome
F Knochenmarkshypo-/aplasie, paroxysmale nächtliche
Hämoglobinurie
F Wiskott-Aldrich Syndrom: gestörte Thromboztenneubildung
und gesteigerter Verbrauch (s. rechts)
F schwerer Vitaminmangel
F seltene erbliche Thrombozytopenien: Bernard-Soulier-
Syndrom, Glanzmann-Thrombasthenie, MYH9-assoziierte
Syndrome u. a.
F auch bei der Immunthrombozytopenie ist die
Thrombozytenbildung im Knochenmark gestört
primäre Immunthrombozytopenie
F keine auslösende Ursache erkennbar
sekundäre Immunthrombozytopenie
F medikamentös induziert
F bei Autoimmunerkrankungen
F bei Antiphospholipid-Syndrom
F bei Immundefizienz-Syndromen (variables Immundefektsyndrom [common variable
immunodeficiency], autoimmun-lymphoproliferatives Syndrom [Canale-Smith-Syndrom],
Wiskott-Aldrich-Syndrom)
F Evans-Syndrom (u. a. bei Lymphomerkrankungen, z. B. CLL)
F bei Hepatitis, HIV u. a. viralen Infektionen
F nach Impfungen
weitere immunologische Thrombozytopenien (nicht Immunthrombozytopenie)
F Heparin-induzierte Thrombozytopenie
F Thrombozytopenie nach GP-IIb/IIIa-Inhibitor-Gabe
F posttransfusionelle Purpura
F Schwangerschafts-assoziierte Thrombozytopenie
F neonatale Alloimmunthrombozytopenie
weitere Verbrauchs-Thrombozytopenien (nicht immunologisch)
F mikroangiopathische hämolytische Anämien (TTP, HUS)
F Verbrauchskoagulopathie
F Von-Willebrand-Syndrom Typ IIb
F massive Lungenembolie
F große Hämangiome
andere Thrombozytopenien
F Thrombozytopenie bei Milzvergrösserung
F Thrombozytenverlust bei massiver Blutung
F multifaktorielle Thrombozytopenie bei schwerkranken Patienten oder Patienten auf der Intensivstation („ICU-Thrombocytopenia“ [7, 8, 9]
Probleme der Laboranalytik
F Pseudothrombozytopenie (EDTA-Thrombozytopenie)
CLL: chronische lymphatische Leukämie; EDTA: Ethylendiamintetraessigsäure; HIV: humanes Immundefizienz-Virus; HUS: hämolytisch-urämisches Syndrom; ICU: Intensice Care Unit;
MYH9: myosin heavy chain 9; TTP: thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
3
ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG
IMMUNTHROMBOZYTOPENIE
! Die ITP ist nicht
erblich.
! Die der ITP zugrunde
liegende immunologische
Störung
manifestiert
sich in der Bildung
von Thrombozyten-
Autoantikörpern,
einer Funktionsstörung
von T-Lymphozyten
und einer
beeinträchtigten
Thrombozytopoese.
! Typisch sind Petechien
und kleine
Hämatome, untypisch
sind große
Hämatome und
Gelenkblutungen.
alternative Ursachen, z. B. eine der seltenen erblichen
Thrombozytopathien denken (Tabelle 2) [3,
7, 8, 9].
Bei Kindern und Jugendlichen beträgt die ITP-
Inzidenz 0,2–0,7 Neuerkrankungen pro 10.000/
Jahr und die Prävalenz 0,4–0,5 pro 10.000. Die
Prävalenz ist bei Kindern deutlich geringer als
bei Erwachsenen, weil die pädiatrische ITP nur
selten chronisch wird. Häufig geht bei Kindern
der Erkrankung ein Infekt voraus. Wegen des
meist selbstlimitierenden Verlaufs über nur
wenige Wochen oder Monate unterscheidet sich
die Therapie: häufig wird bei Kindern trotz niedrigster
Thrombozytenwerte eine „Watch & Wait“-
Strategie verfolgt und nur bei klinisch relevanten
Blutungen behandelt. Für Weiteres sei auf die pädiatrische
ITP-Leitlinie verwiesen [10].
Pathogenese
Ursächlich ist eine fehlgeleitete Immunreaktion
gegen die eigenen Thrombozyten und Megakaryozyten.
Diese Immunreaktion beschränkt
sich nicht nur auf Autoantikörper, sondern
betrifft auch andere „Arme“ des Immunsystems
(Tabelle 3) [3]. Was die Immundysregulation initial
auslöst ist bisher nicht bekannt. Bei Kindern
findet man häufig einen Infekt in der Anamnese,
bei Erwachsenen ist dies nicht der Fall. Kürzlich
wurde beschrieben, dass mesenchymale Stammzellen
beim Zustandekommen und der Aufrechterhaltung
der Immundysregulation eine wichtige
Rolle spielen [11, 12].
Klinik
Typische Blutungssymptome der ITP sind Petechien,
Hämatome und Schleimhautblutungen,
Tabelle 3 Pathomechanismen der ITP (modifiziert nach [3])
Autoantikörper gegen Thrombozyten
F induzieren die Bindung von Thrombozyten an Fc-Rezeptoren und einen vermehrten
Abbau in Milz und Leber
F induzieren die Bindung von Thrombozyten an den Ashwell-Morell-Rezeptor der Leber
mit anschließendem Abbau
F induzieren eine komplement-vermittelte Schädigung der Thrombozyten
F binden an Thrombozytenoberflächenrezeptoren (GP IIb/IIIa u. a.) und behindern
deren Funktion
T-Lymphozyten
F Verminderung der regulatorischen T- Lymphozyten (TREGs) führt zu Immundysregulation
F direkte Schädigung von Thrombozyten durch T-Lymphozyten
Hemmung der Thrombozytopoese
F Schädigung der Megakaryozyten durch Antikörper
F verstärkter Abbau von Thrombopoetin
F verminderte Thrombopoetinbildung
etwas weniger häufig urogenitale oder verstärkte
Menstruationsblutungen. Selten sind Organblutungen
und insbesondere ZNS-Blutungen
(<1 %). Große Hämatome und Gelenkblutungen
sind nicht typisch und sprechen eher für eine
plasmatische Gerinnungsstörung (Hämophilie,
Verbrauchskoagulopathie). Ca. 30 % der erwachsenen
ITP-Patienten haben gar keine Blutungssymptome
und werden nur zufällig z. B. bei einer
Routineuntersuchung entdeckt [2].
Eigenartigerweise ist die ITP nicht nur eine
hämorrhagische Diathese, sondern auch eine
thrombophile Erkrankung. ITP-Patienten entwickeln
leichter Thrombosen [13, 14]; man führt
dies auf die erhöhte Reagibilität der neugebildeten
Thrombozyten zurück. Dies ist einer der
Gründe, warum man bei der Behandlung z. B.
mit Thrombo poetin-Rezeptor-Agonisten die
Thrombozytenzahl nicht zu stark anheben will
(s. Abschnitt Zweitlinientherapie mit Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten).
Eine weitere Konsequenz
dieser Beobachtung ist, dass man seine
Patienten darüber aufklärt, sich nicht nur bei
Blutungen, sondern auch bei Symptomen einer
Thrombose (Schmerzen im Bein, Schwellung,
Rötung) mit dem Arzt in Verbindung zu setzen.
Diagnostik
Die ITP ist eine Ausschlussdiagnose. Es gibt keinen
Laborwert, der eine ITP „sichert“. Für die
Basisdiagnostik bei Erstvorstellung reichen in
der Regel die in Tabelle 4 [3] genannten Punkte.
Wenn ein Patient mit Petechien und Hämatomen
eine isolierte Thrombozytopenie und sonst
normale Laborwerte hat und die Anamnese und
Untersuchung keine alternative Ursache erkennen
lassen, dann kann man eine ITP annehmen und
die Therapie sofort einleiten.
Zur Diagnose der ITP gehört zwingend die
Begutachtung des Blutausstriches. Diese Untersuchung
wird heute in der Regel nicht vom primärversorgenden
Arzt, sondern in einem externen
Labor durchgeführt. Man sollte den Labormediziner
bitten, besonders auf die Form der Erythrozyten
(Fragmentozyten dürfen nicht übersehen
werden, eine thrombotisch-thrombozytopenische
Purpura [TTP] wäre ein hämatologischer Notfall)
und die Form der Thrombozyten (Ausschluss
einer erblichen Thrombozytopathie) zu achten.
Die Untersuchung auf Thrombozyten-Autoantikörper
gehört nicht zur Diagnostik der neudiagnostizierten
ITP, sondern sollte Patienten mit
persistierender bzw. chronischer ITP und atypischem
Krankheitsverlauf vorbehalten bleiben.
4
Tabelle 4 Basisdiagnostik bei Erstvorstellung und Verdacht auf ITP (modifiziert nach [3])
Anamnese
körperliche
Untersuchung
Labor
aktuelle/frühere Blutungen, Infektionen, Medikamente (Gerinnungshemmer!), Alkohol,
Schwangerschaft, frühere Thrombosen, Familienanamnese, Berufsanamnese
Blutungszeichen inkl. Schleimhäute, Lymphknoten, Leber-, Milzgröße (evtl. Sonografie),
Exantheme etc.
initial immer Ausschluss einer EDTA-Pseudothrombozytopenie in Spezialröhrchen, erst danach
weitere Labordiagnostik: Differenzialblutbild, Blutausstrich, Elektrolyte, Leber-, Nierenwerte,
Quick/INR, aPTT; Fibrinogen, Urin (Hämaturie?)
aPTT: aktivierte partielle Thromboplastinzeit; EDTA: Ethylendiamintetraessigsäure; INR: international normalized ratio
Relevant ist nur der Nachweis von an die Thrombozyten
gebundenen Autoantikörpern. Die von
Laboren manchmal angebotene Bestimmung
freier Autoantikörper ist nicht diagnostisch und
sollte unterbleiben.
Eine Knochenmarkpunktion ist im Rahmen
der initialen ITP-Diagnostik meist nicht notwendig,
wohl aber bei atypischen Symptomen
(Lymphknkoten, Milzvergrösserung), bei atypischen
Laborbefunden (Leukopenie, Leukozytose,
Kreatinin, Leberwerte und Lactatdehydrogenase
[LDH], etc.) und insbesondere bei fehlender
therapeutischer Ansprache. Sie wird außerdem bei
Patienten über 60 Jahren häufiger angeboten, weil
mit zunehmendem Alter myelodysplastische Syndrome,
Lymphome, Myelome auch mal mit dem
Bild einer isolierten Thrombozytopenie auftreten
können. Die Thrombozytopenie bei ITP stellt für
die Knochenmarkpunktion kein Blutungsrisiko
dar und sollte die Diagnostik nicht verzögern.
Therapieindikation
Die Therapieindikation richtet sich heute nicht
mehr nach der Thrombozytenzahl. Der traditionelle
Thrombozytenschwellenwert von
20–30x109/l wurde schon vor Jahren verlassen.
Das wichtigste Kriterium ist, ob der Patient blutet
und wie stark er blutet. Erst danach kommen die
Thrombozytenzahl und die weiteren in Tabelle 5
[3] genannten Faktoren.
Erstlinientherapie
Als Erstlinientherapie wird heute wie vor 50
Jahren ein Glucocorticoid gegeben, in der Regel
Predniso(lo)n oder Dexamethason (Dosierungen
s. Tabelle 6 [3]). Keines der beiden Glucocorticoide
ist dem anderen eindeutig überlegen;
die Entscheidung welches dem Patienten rezeptiert
wird, sollte der Erfahrung des behandelnden
Arztes vorbehalten bleiben. Die meisten
Patienten zeigen daraufhin einen Anstieg der
Thrombozytenzahl und ihre Blutungszeichen
verschwinden. Alle aktuellen Leitlinien betonen,
dass Glucocorticoide nicht zu lange gegeben
werden sollten [3, 4, 5]. Wenn der Patient
anspricht, wird man zügig mit der Dosisreduktion
beginnen und spätestens nach 6 Wochen
sollte das Glucocorticoid beendet sein. Wenn der
Patient nach 14 Tagen nicht oder nur minimal
anspricht, dann wird man zügig auf eine Zweitlinientherapie
umsteigen.
60–80 % der ITP-Patienten zeigen auf Glucocorticoide
zumindest initial eine gute Ansprache.
Wenn dann die Dosis reduziert und das Corticoid
abgesetzt wird, fällt bei vielen die Thrombozytenzahl
wieder ab. Eine Zweitlinientherapie ist also
eher die Regel als die Ausnahme.
Glucocorticoide und Osteoporose
Glucocorticoide sind aufgrund ihrer häufigen
Nebenwirkungen (Akne, Blutdruckerhöhung,
Gewichtszunahme, Schlafstörungen u.v.m.) bei
Patienten und Ärzten nicht sehr beliebt. Viele
dieser Beschwerden klingen nach Beendigung
der Glucocorticoid-Therapie glücklicherweise
schnell wieder ab. Langfristig relevant ist aber das
Osteoporoserisiko, insbesondere bei älteren ITP-
Patienten. Zur Minderung des Osteoporose- und
Frakturrisikos bei ITP-Patienten hat die British
Tabelle 5
! Die Therapieindikation
richtet sich
heute nicht mehr
nach der Thrombozytenzahl.
! Die Erstlinientherapie
war und bleibt
die Gabe von Glucocorticoiden.
Entscheidungsfaktoren für und gegen eine Behandlung
(modifiziert nach [3])
F klinische Blutungsneigung
F Thrombozytenzahl
F Krankheitsstadium (neu diagnostizierte vs. persistierende vs. chronische ITP)
F bisheriger Krankheitsverlauf und Blutungsanamnese
F bisherige Nebenwirkungen der Behandlung
F Konsequenzen für Ausbildung und Beruf (Berufsunfähigkeit vermeiden)
F Patientenalter, Nebenerkrankungen, Begleitmedikation (insbes. Antikoagulanzien)
F Zugang zu ambulanter und stationärer fachärztlicher Versorgung
F Erfahrung des betreuenden Arztes / der Klinik in der Therapie der ITP
F Patientenpräferenz, Gesundheitskompetenz, psychosoziale Situation
F bei Kindern und Jugendlichen stärkerer Bewegungsdrang, deshalb besondere
Berücksichtigung des Verletzungsrisikos in Kindergarten, Schule, Freizeitaktivitäten
5
ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG
IMMUNTHROMBOZYTOPENIE
Tabelle 6
Dosierung und Applikation der wichtigsten Erst- und Zweitlinien-Medikamente
(modifiziert nach [3])
Predniso(lo)n
Methylprednisolon
Dexamethason
i.v. Immunglobulin
Eltrombopag
Romiplostim
Fostamatinib
Avatrombopag
1–2 mg/kg p.o. für 1–2 Wochen, danach Dosisreduktion beginnen, Glucocorticoid sollte nach
spätestens 6 Wochen beendet sein
bei schweren Blutungen 125–1000 mg i.v. für 5 Tage, danach
umstellen auf Predniso(lo)n p.o. und Dosisreduktion wie oben
40 mg p.o. für 4 Tage, danach 14–28 Tage Pause, bei Bedarf können diese Zyklen 4–6mal
wiederholt werden
bei schweren Blutungen 0,3–1 g/kg, evtl. über mehrere Tage verteilt
Anfangsdosis 50 mg, Langzeitdosis 25–75 mg, Die Dosis sollte solange angepasst werden,
bis eine stabile Thrombozytenzahl (≥ 50×10⁹/l) erreicht ist. Die Maximaldosis soll 75 mg einmal
täglich nicht überschreiten. Der Zielbereich der Thrombozytenzahl ist 50-150x10⁹/l. Die
Thrombozytenzahl soll nicht über 250x10⁹/l ansteigen. Die Thrombozytenzahl sollte anfangs
wöchentlich, dann alle 4 Wochen kontrolliert werden.
Anfangsdosis 1 μg/kg KG, Langzeitdosis meist 3–10 μg/kg KG, Die Dosis sollte solange in
Schritten von 1 μg/kg KG erhöht werden, bis eine stabile Thrombozytenzahl (≥50x10⁹/l) erreicht
ist. Die Maximaldosis soll 10μg/kg KG einmal wöchentlich nicht überschreiten. Der
Zielbereich der Thrombozytenzahl ist 50–150x10⁹/l. Die Thrombozytenzahl soll nicht über
250x10⁹/l ansteigen. Die Thrombozytenzahl sollte anfangs wöchentlich, dann alle 4 Wochen
kontrolliert werden.
Anfangsdosis 2x100 mg p.o. tgl., nach 4 Wochen Erhöhung der Dosis bis auf 2x150 mg möglich,
bis eine stabile Thrombozytenzahl (≥ 50x10⁹/l) erreicht ist. Die Maximaldosis soll 300 mg
täglich nicht überschreiten.
Die empfohlene Anfangsdosis von Avatrombopag beträgt 20 mg (1 Tablette) einmal täglich
zusammen mit einer Mahlzeit. Die Dosis sollte solange angepasst werden, bis eine stabile
Thrombozytenzahl (≥50x10⁹/l) erreicht ist. Die Maximaldosis soll 40 mg (2 Tbl.) einmal
täglich nicht überschreiten. Der Zielbereich der Thrombozytenzahl ist 50–150x10⁹/l. Die
Thrombozytenzahl soll nicht über 250x10⁹/l ansteigen. Die Thrombozytenzahl sollte anfangs
wöchentlich, dann alle 4 Wochen kontrolliert werden. Weitere Details s. Fachinformation.
Tabelle 7 Empfehlungen zur Osteoporoseprophylaxe bei Patienten mit ITP (modifiziert nach [15])
Risikoabschätzung
F hohes Risiko:
– ≥70 Jahre
– postmenopausale Frauen und Männer ≥50 Jahre mit osteoporotischen Frakturen in der Vorgeschichte
– Steroidtherapie ≥7,5 mg Prednisolon für 3 Monate (→ Kumulativdosis 682 mg)
F bei allen anderen:
– Bestimmung des Frakturrisikos [z. B. Online-Rechner (auf Deutsch): https://www.sheffield.ac.uk/FRAX/tool.
aspx?lang=de] (geprüft 29.1.21)
Beispielrechnungen für kumulative Steroiddosis
F Prednisolon: 1 mg/kg für 1 Woche, dann Dosisreduktion um 10 mg/Woche bis auf 0,5 mg/kg, dann
Dosisreduktion um 5 mg/Wo, bei 70 kg → Kumulativdosis 2.520 mg
F Dexamethason: 40 mg/d für 4 Tage, 2 Zyklen → Prednisolonäquivalenzdosis 2.133 mg
allgemeine Maßnahmen
F Beratung aller Patienten die Corticosteroide bekommen über Maßnahmen, die das Osteoporoserisiko
vermindern können
F Alkohol und Nikotin vermeiden, Sport
F Bestimmung von Serum-Calcium- und Vitamin-D-Spiegeln, Sicherung ausreichender Vitamin-D- (800 IU/d)
und Calcium-Supplementierung (700–1200 mg/d)
medikamentöse Prophylaxe
F bei Patienten mit hohem Osteoporose- und Fraktur-Risiko Gabe von Bisphosphonaten (z. B. Alendronat,
Risedronat)*
* Alendronat in Deutschland nur für Frauen zugelassen, Risedronat für Männer und Frauen
6
Society of Haematology aktuelle Empfehlungen
publiziert (Tabelle 7) [15].
Erstlinientherapie
Diagnose ITP 1
Zweitlinientherapie mit
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten
Anfang der 90er Jahre fand man, dass bei ITP-
Patienten die Thrombopoetinspiegel im Vergleich
zu gesunden Menschen zwar erhöht, aber nicht so
hoch sind, dass sie den vermehrten Thrombozytenabbau
kompensieren (relativer Thrombopoetinmangel).
Ausgehend von dieser Beobachtung
wurden die Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten
(TRA) entwickelt und 2009 Romiplostim, im
Folgejahr Eltrombopag in der EU zugelassen. Im
Januar 2021 erfolgte die Zulassung eines dritten
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten, Avatrombopag.
TRA sind heute Standard in der zweiten
Therapielinie nach Steroidversagen (Abb. 1,
Tabelle 6 [3]). Dabei ist die arzneimittelrechtliche
Zulassung zu beachten. Bisher war Romiplostim
nur für Patienten mit einer Krankheitsdauer von
mindestens 12 Monaten zugelassen. Diese zeitliche
Begrenzung wurde ebenfalls im Januar 2021
aufgehoben und Romiplostim kann jetzt allen
Patienten mit primärer ITP nach Versagen der
Erstlinientherapie mit Glucocorticoiden angeboten
werden, unabhängig von der Krankheitsdauer.
Damit ist die Wartezeit vieler Patienten bis sie
TRA bekommen können entfallen. Eltrombopag
ist weiterhin erst ab dem 6. Erkrankungsmonat
zugelassen, Avatrombopag und Fostamatinib nur
bei chronischer ITP, d. h. nach dem 12. Monat
(Abb 2).
Bei über 90 % der Patienten erreichen TRA
zumindest ein vorübergehendes Ansprechen. Die
Zahlen zum langfristigen Ansprechen schwanken
je nach Studie zwischen 30 % und 90 %. Ziel
der TRA-Therapie ist es, eine Thrombozytenzahl
zwischen 50–150x109/l zu erreichen, d. h. eine
Normalisierung der Thrombozytenzahl wird
nicht angestrebt. Die Thrombozytenzahl sollte
auch nicht über 250x109/l ansteigen. Der Arzt
muss wissen, dass es am Anfang der Therapie
häufig zu deutlichen Schwankungen der Thrombozytenzahl
kommen kann, was viele Patienten
verunsichert. Man braucht dann die Dosis des
TRA nicht ständig neu anpassen. Stattdessen
wird man sich nach der klinischen Blutungsneigung
und dem Mittelwert mehrerer Messungen
richten.
Die häufigsten Nebenwirkungen von TRA
sind Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie
Symptome der oberen Luftwege. Diese Beschwerden
sind jedoch meist vorübergehend und gering-
keine oder nur leichte Blutungen
(WHO °0-II)
Thrombozyten
>20–30 ×10 9 /l
Watch & Wait
Zweitlinientherapie
Drittlinientherapie
oder
Thrombozyten
<20–30 ×10 9 /l
Glucocorticoide
(Prednisolon,
Methylprednisolon,
Dexamethason)
keine Remission oder Rezidiv
keine oder nur
minimale Blutungen
Watch & Wait
oder
relevante Blutungen
oder Therapiewunsch
keine Remission oder Rezidiv
keine oder nur
minimale Blutungen
Watch & Wait
oder
TRA 2, 4 , Fostamatinib 5
oder Splenektomie 6
relevante Blutungen
oder Therapiewunsch
(alphab. Reihenfolge 6 )
Azathioprin
Ciclosporin
Cyclophosphamid
Danazol
Hydroxychloroquin
Mycophenolat mofetil
Rituximab
oder
Kombinationen
oder
Splenektomie
gradig. TRA sind längerfristig deutlich besser verträglich
als Glucocorticoide.
Remission nach Absetzen von TRA
Es gibt zunehmend Berichte, dass bei einigen
Patienten nach dem Absetzen von TRA die Thrombozytenzahlen
nicht wieder abfallen. Übersichtsarbeiten
nennen Remissionszahlen von 13 %
bis 30 % [16, 17]. Wenn ein Patient gut auf TRA
anspricht und die Thrombozyten längere Zeit im
Zielbereich liegen (50–150x109/l), kann deshalb ein
Absetzversuch unternommen werden. Wichtig ist
es, den TRA nicht abrupt, sondern schrittweise und
langsam über mehrere Wochen bis Monate auszuschleichen
[17]. Ein entsprechendes Schema wurde
schwere oder lebensbedrohliche Blutungen
(WHO °III-IV)
Notfall
1. Glucocorticoide und i.v. Immunoglobuline
2. im Einzelfall erwägen: Thrombozytenkonzentrate,
TRA 2, 3 , Rituximab 3 , Notfallsplenektomie
1 ITP = Immunthrombozytopenie; 2 TRA = Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist; 3 „off-label“; 4 Zulassung beachten: Romiplostim
ist unmittelbar nach Versagen der Erstlinientherapie mit Glucocorticoiden zugelassen, Eltrombopag „off-label“ bei Erkrankungsdauer
kürzer als 6 Monate, Avatrombopag und Fostamatinib „off-label“ bei Erkrankungsdauer kürzer als 12 Monate;
5 Splenektomie möglichst erst nach dem 12. Monat; 6 Zulassungsstatus beachten
Abb. 1: Therapiealgorithmus (modifiziert nach [3])
! In der zweiten Therapielinie
sind die
Thrombopoetin-
Rezeptor-Agonisten
etabliert.
7
ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG
IMMUNTHROMBOZYTOPENIE
! Fostamatinib ist ein
neuer Wirkstoff zur
Therapie nach Versagen
von Glucocorticoiden.
! Die Milzentfernung
ist für einige Patienten
immer noch eine
anzustrebende Therapieoption.
Notfalltherapie
Bei schweren Blutungen (WHO Grad III, Grad IV)
wird man natürlich alle Wirkstoffe einsetzen, die
verfügbar sind. In der Regel gibt man zunächst i.v.
Glucocorticoide und i.v. Immunglobuline. Wenn
das nicht ausreicht, wird man TRA und Rituximab
hinzunehmen. Deren Wirkung tritt jedoch nicht ad
hoc ein. Wenn ein sofortiger Anstieg der Thrombokürzlich
von einer italienischen ITP-Expertengruppe
publiziert (Abb. 3) [17]. Die Remissionsrate
scheint umso höher zu sein, je früher im Verlauf
einer ITP die TRA verordnet wurden. Dass man
nach der aktuellen Zulassungserweiterung für
Romiplostim diesen TRA früh einsetzen darf,
nämlich unmittelbar nach Versagen der Erstlinien-Glucocorticoid-Therapie
und noch während
der Phase der neu diagnostizierten ITP, könnte zu
einer Verbesserung der Remissionsraten beitragen.
Fostamatinib
2020 wurde als weitere Zweitlinientherapie Fostamatinib
zugelassen. Fostamatinib ist ein neuer
(„First in Class“) Wirkstoff aus der Klasse der SYK
(Spleen Tyrosine Kinase)-Inhibitoren. SYK spielt
bei der Phagozytose und dem Abbau von antikörperbeladenen
Zellen in der Milz eine wichtige Rolle
und Studien haben gezeigt, dass Fostamatinib bei
der ITP wirksam ist [18, 19].
Der Zulassungstext erlaubt eine Verordnung
in der Zweitlinie nach nur einer Vortherapie, z. B.
nach Versagen von Glucocorticoiden. Da sich die
Zulassung aber auf die chronische ITP beschränkt
wäre eine Verordnung vor dem 12. Krankheitsmonat
„off-label“. In der Praxis wird man Fostamatinib
deshalb bevorzugt in der Drittlinie, nach Versagen
oder bei Unverträglichkeit von TRA einsetzen.
Milzentfernung
Die Splenektomie ist die älteste und was die Rate
an dauerhaften Remissionen angeht immer noch
wirksamste Therapie. Zwei Drittel aller splenektomierten
Patienten erreichen eine partielle oder
komplette Remission und brauchen keine weitere
Therapie. Dennoch wird diese Therapie heute viel
Zweitlinientherapie
seltener gewählt als noch vor 30 Jahren, weil die
meisten Patienten diese Operation vermeiden und
alle medikamentösen Optionen vorher „ausreizen“
möchten. Es gibt aber auch Patienten, die keine
medikamentöse Langzeittherapie wünschen. Hier
sollte die Splenektomie frühzeitig angeboten werden.
Wenn der Patient eine Splenektomie wünscht,
dann wird man ihm dennoch empfehlen, bis zum
Ende des ersten Erkrankungsjahrs zu warten. In
den ersten 12 Monaten sind nämlich Spontanremissionen
der ITP nicht ganz selten, dann würde
die Notwendigkeit zur Splenektomie entfallen.
Rituximab
1998 wurde Rituximab erstmals bei einem Patienten
mit chronischer, therapierefraktärer ITP erfolgreich
eingesetzt. Seither sind zahlreiche Fallberichte und
Studien publiziert. Im Mittel erreicht Rituximab bei
60 % der Patienten eine kurzfristige Steigerung der
Thrombozytenzahl. Es kommt jedoch zu Rezidiven.
Die längerfristigen Remissionsraten liegen bei
10–40 % [20]. Rituximab ist in keinem Land der Welt
zur Therapie der ITP zugelassen und so wird es nach
Ablauf des Patentschutzes wohl auch weiterhin bleiben.
Als Notfallmedikament bei Patienten, die auf
keine Therapie ansprechen und bluten gehört Rituximab
jedoch in die therapeutischen Erwägungen.
Avatrombopag nach dem 12. Erkrankungsmonat
Fostamatinib nach dem 12. Erkrankungsmonat
Eltrombopag kann nach dem 6. Erkrankungsmonat begonnen werden
Romiplostim kann unmittelbar nach Versagen von Erstlininientherapie-Glucocorticoiden begonnen werden
Erstlinientherapie Glucocorticoide
Diagnose
3 Monate 6 Monate 12 Monate
neu diagnostizierte ITP
persistierende ITP
chronische ITP
ITP=Immunthrombozytopenie
Abb. 2: Krankheitsphasen und arzneimittelrechtliche Zulassung (Stand 1/2021; © A. Matzdorff)
8
Therapie mit Eltrombopag oder Romiplostim
Thrombozytenzahl stabil zwischen 50 und 150×10 9 /l für 6 Monate*
Eltrombopag
Romiplostim
alle 2 Wochen Reduktion der
Eltrombopag-Wochen-Dosis in
25 mg Schritten,
bis 25 mg täglich erreicht**
alle 2 Wochen Reduktion der
Romiplostim-Wochen-Dosis in
1 μg/kg Schritten,
bis 1 μg/kg erreicht**
für 2 Wochen
25 mg jeden 2. Tag**
2 bis 3 Gaben
1 μg/kg alle 2 Wochen**
für 2 Wochen
25 mg jeden 4. Tag**
2 bis 3 Gaben
1 μg/kg alle 3 Wochen**
absetzen
absetzen
* Es gibt bisher keinen Konsens, wie lange die Thrombozytenzahl vor einem Absetzversuch stabil im
Zielbereich eingestellt sein sollte. Die Angaben in der Literatur schwanken zwischen 4 und 12 Monaten.
Die hier angegebenen 6 Monate stammen aus der aktuellen Publikation von Zaja et al [17].
** Solange die Thrombozytenzahl nach der Dosisreduktion nicht wieder unter 30×10 9 /l abfällt (nicht
unter 50×10 9 /l bei Patienten die Blutungen hatten) reduziert man weiter.
Abb. 3: Absetzschema (modifiziert nach [17])
ITP als Risikofaktor für venöse und
arterielle Thromboembolien
Bei der ITP kommt es nicht nur zu Blutungen,
auch das Risiko venöser und arterieller Thromzyten
erzwungen werden muss (Notfall-OP, ZNS-
Blutung), dann erreichen Thrombozytenkonzentrate
zumindest einen kurzfristigen Anstieg der
Werte und ein Sistieren der Blutung. Meist benötigt
man mehr als die üblichen 1–2 Konzentrate und
sollte die Blutbank entsprechend vorbereiten.
ITP, Lebensqualität, Fatigue
Viele ITP-Patienten erleben eine deutlich reduzierte
Lebensqualität. Dies gilt besonders zu Anfang der
Erkrankung, wenn Blutungssymptome noch häufig
sind und wenn der Patient bzw. seine Angehörigen
erst lernen müssen, mit der Thrombozytopenie
umzugehen. Neben Blutungen und den Nebenwirkungen
der Therapie klagen viele ITP-Patienten
zusätzlich über Erschöpfungssymptome, Müdigkeit,
bis hin zu depressiven Störungen („Fatigue“).
Die Ursachen dieser ITP-assoziierten Fatigue sind
nicht geklärt und wahrscheinlich multifaktoriell:
Einschränkungen der körperlichen Aktivität aufgrund
der Thrombozytopenie, verminderte Teilhabe
an sozialen Kontakten, Stigmatisierung durch
Blutungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen.
Eigenartigerweise scheint kein
direkter Zusammenhang zwischen Thrombozytenzahl
und Fatigue zu bestehen. Auch nach Besserung
der Thrombozytenzahl klagen viele Patienten weiter
über Fatigue-Symptome [21, 22]. Es fällt auf, dass
diese Beschwerden in der älteren wissenschaftlichen
Literatur zur ITP kaum bis gar nicht erwähnt wurden
und die Relevanz der Einschränkungen auch
heute noch vielfach unterschätzt wird. Erst in den
letzten Jahren wurden geeignete Instrumente zur
Erfassung von Lebensqualität und Fatigue bei ITP-
Patienten entwickelt. Bei der Konzeption von Studien
und bei der Beurteilung von Wirksamkeit und
Zusatznutzen neuer ITP-Therapien werden „Patient
Reported Outcomes“ wie Fatigue und Lebensqualität
zukünftig eine wichtige Rolle spielen.
9
ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG
XXX IMMUNTHROMBOZYTOPENIE
! Bei einer COVID-
19-Erkrankung
kommt es häufig zu
Thrombozytopenien.
Die Ursachen
dafür sind sehr
unterschiedlich.
boembolien ist deutlich erhöht [23]. Die ITP ist
somit gleichzeitig eine hämorrhagische als auch
eine thrombophile Erkrankung. Die Patienten
sind selbst bei Werten <50x109/l nicht vor Herzinfarkten,
Schlaganfällen oder Thrombosen
geschützt. Bei entsprechenden Symptomen sollten
diese Differenzialdiagnosen nicht hintangestellt
werden. Als Konsequenz für die tägliche Praxis
gilt, dass alle ITP-Patienten über die Symptome
einer Thrombose informiert werden sollten und
wissen müssen, wo sie sich außerhalb der Dienstzeit
und an Wochenenden vorstellen können.
ITP und COVID-19
Bei 20–30 % der an COVID-19 erkrankten Patienten
wird ein Thrombozytenabfall berichtet [24].
Meist sinken die Werte nur knapp unter 150x109/l.
Höhergradige Thrombozytopenien sind glücklicherweise
selten, wenn sie auftreten, dann bei
schwerem oder letztlich tödlichem Krankheitsverlauf.
Die Ursache für die COVID-19-assoziierte
Thrombozytopenie ist multifaktoriell [25]:
F Die Zytokinfreisetzung im Rahmen der SARS-
CoV-2-Infektion schädigt das Knochenmark.
F Autoreaktive B-Zellen, die sich gegen Thrombozyten
und Megakaryozyten richten, werden
im Rahmen der Immunantwort gegen SARS-
CoV-2 reaktiviert.
F Thrombozyten sind ein Teil des angeborenen
(innaten) Immunsystems und werden beim
Kampf gegen SARS-CoV-2 verbraucht.
F COVID-19 schädigt die Lunge und es gibt
Hinweise, dass die Lunge einen eigenen Anteil
an der Thrombozytopoese hat.
F Bei vielen schwerkranken Patienten auf der
Intensivstation wird auch ohne COVID-19 ein
vermehrtes Auftreten von Thrombozytopenien
beschrieben („ICU-Thrombocytopenia“
[7, 8, 9]).
Die COVID-19-assoziierte Thrombozytopenie
entwickelt sich typischerweise erst ein paar
Tage nach Beginn der Erkrankungssymptome
und bildet sich nach deren Abklingen in der Regel
wieder zurück.
Zur Prophylaxe wird empfohlen, dass alle ITP-
Patienten Hygiene-, Mundschutz- und Abstandsregelungen
einhalten. Werden ITP-Patienten immunsuppressiv
behandelt (hoch dosierte Steroide, Rituximab,
Azathioprin, Mycophenolat, Cyclophosphamid),
kann das Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu
infizieren und einen schweren COVID-19-Verlauf
zu entwickeln, erhöht sein. Es gibt bisher keine
Berichte über einen schwereren Krankheitsverlauf
bei Patienten nach Splenektomie [26].
Bezüglich der Therapie der Thrombozytopenie
wird von vielen Experten empfohlen, in der
aktuellen Pandemiesituation längerfristige und
höher dosierte Glucocorticoidtherapien zu vermeiden
[27, 28, 29]. Es fällt jedoch auf, dass in
den bisher veröffentlichten Einzelfällen und kleinen
Fallserien viele der Patienten trotzdem mit
Glucocorticoiden behandelt wurden. Dies schien
den COVID-19-Krankheitsverlauf zumindest
nicht negativ zu beeinflussen. Meist brauchten
die Patienten aber noch weitere ITP-spezifische
Therapien, bis die Thrombozytenzahl anstieg, was
für einen frühen Einsatz von i.v.-Immunglobulinen
und Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten
spricht (Tabelle 8) [27, 28, 29].
Aktuell fragen viele ITP-Patienten, ob sie sich
mit ihrer Erkrankung auch gegen COVID-19
impfen lassen können. Grundsätzlich gilt, dass
ITP-Patienten alle Standardimpfungen erhalten
sollten, nur Lebendimpfungen sind in Einzelfällen
kontraindiziert. Deshalb sollten sie sich auch
so schnell wie möglich gegen COVID-19 impfen
lassen; die Wahl des Impfstoffes spielt keine Rolle.
„ITP-spezifische“ Nebenwirkungen wurden bisher
Tabelle 8
Empfehlungen zur Behandlung der ITP im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung
(modifiziert nach [27, 28, 29])
wenn Glucocorticoide, dann möglichst niedrige Startdosis 20 mg Predniso(lo)n und Steigerung auf 1 mg/kg nur,
wenn Thrombozyten nicht reagieren und frühestens nach 3–5 Tagen und wenn sich COVID-19 in dieser Zeit durch
Glucocorticoide nicht verschlechtert hat
Indikation für Dexamethason nicht von ITP abhängig, allein von Schwere der COVID-19
i.v. Immunglobulin, wenn schneller Thrombozytenanstieg notwendig
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist erwägen, wenn Glucocorticoide vermieden werden sollen (Zulassungsstatus
beachten)
Tranexamsäure und Thrombozytenkonzentrate nur bei schweren und schwersten Blutungen
wenn Thrombozytenzahl steigt, dann bei COVID-19-Patienten auch Thromboseprophylaxe erwägen
10
nicht beschrieben. Viele Impfungen können bei
ITP-Patienten auch s.c. verabreicht werden, weil
man bei Thrombozytopenie nicht gerne i.m. spritzt
(Übersicht s. [30]). Die derzeit zugelassenen Impfstoffe
zur COVID-19-Schutzimpfung müssen aber
strikt i.m. verabreicht werden, keinesfalls s.c.; man
nimmt dann eine sehr feine Injektionskanüle (z. B.
23 oder 25 Gauge) und komprimiert die Einstichstelle
anschließend über mindestens 2 Minuten.
Neue Therapien „in der Pipeline“
BTK (Bruton-Tyrosin-Kinase)-Inhibitoren werden
bisher zur Therapie von B-Zell-Lymphomen
eingesetzt. Sie hemmen auch die Antikörperproduktion
von Plasmazellen. Kürzlich wurde gezeigt,
dass der BTK-Inhibitor Rilzabrutinib bei intensiv
vorbehandelten ITP-Patienten einen guten Anstieg
der Thrombozytenzahl erreicht [31].
IgG und andere Serumproteine werden kontinuierlich
mittels Pinozytose in Endothel- und
Knochenmarkszellen aufgenommen, zum Lysosom
transportiert und dort abgebaut. Der neonatale
Fc-Rezeptor (FcRn) schützt IgG vor diesem
lysosomalen Abbau, indem er es zur Zelloberfläche
rezirkuliert, wo es dann wieder in den Blutkreislauf
abgegeben wird. Rozanolixizumab und
Efgartigimod sind FcRn-Antagonisten, die diese
Rezirkulation stören und dadurch den lysosomalen
Abbau von IgG-Autoantikörpern fördern.
Beide Wirkstoffe werden aktuell bei chronischer
ITP in Studien untersucht [32, 33].
Die Komplement-vermittelte Zellschädigung
ist ein weiterer Pathomechanismus im Rahmen
der chronischen ITP. Sutimlimab ist ein Antikörper
gegen C1s. Er verhindert sowohl die komplement-bedingte
Zellschädigung als auch die
Aktivierung von autoimmunen B-Zellen und die
Produktion von Autoantikörpern. In einer Studie
erreichte Sutimlimab bei vorbehandelten ITP-
Patienten innerhalb weniger Stunden (!) einen
raschen und anhaltenden Anstieg der Thrombozytenzahl
[34].
Fazit für die Praxis
Noch vor wenigen Jahren beschränkten sich die
Therapieoptionen für ITP-Patienten auf Glucocorticoide,
i.v.-Immunglobuline und die Splenektomie.
Durch die Entwicklung der TRA ist für die
allermeisten Patienten eine langfristige Anhebung
der Thrombozytenzahl bei guter Lebensqualität
möglich geworden; einige erreichen unter dieser
Therapie sogar dauerhafte Remissionen, die
auch nach dem Ausschleichen der TRA anhalten.
Zahlreiche weitere Wirkstoffe sind mittlerweile
neu verfügbar geworden oder stehen kurz vor
der Zulassung. Die zukünftige Behandlung der
ITP sollte sich nicht mehr allein an der Thrombozytenzahl
und Blutungsneigung orientieren,
sondern jedem Patienten eine individuelle und
wenig belastende Therapie mit guter Lebensqualität
ermöglichen.
Literatur
1. Rodeghiero F et al., Blood 2009, 113:2386–2393
2. Rodeghiero F et al., EHA Annual Meeting Abstract, https://library.
ehaweb.org/eha/2020/eha25th/294131/francesco.rodeghiero.italian.registry.on.active.adult.immune.thrombocytopenia.html,
zugegriffen
03. Januar 2021
3. Matzdorff A et al., https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/immunthrombozytopenie-itp/@@guideline/html/index.
html, zugegriffen: 03. Januar 2021
4. Neunert C et al., Blood Adv 2019, 3:3829–3866
5. Provan D et al., Blood Adv 2019, 3:3780–3817
6. Moulis G et al., Am J Hematol 2017, 92:493–500
7. Greinacher A, Selleng S, Blood 2016, 128:3032–3042
8. Thachil J, Warkentin TE, Br J Haematol 2017, 177:27–38
9. Zarychanski R, Houston DS, Hematology Am Soc Hematol Educ Program
2017, 2017:660–666
10. Holzhauer S et al., https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/086-
001.html, zugegriffen 03. Januar 2021
11. Marini I, Bakchoul T, Hamostaseologie 2019, 39:227–237
12. Wen R et al., Blood Coagul Fibrinolysis 2020, 31:113–120
13. Ekstrand C et al., Thromb Res 2019, 178:124–131
14. Le Guenno G et al., Intern Med J 2019, 49:1154–1162
15. Hill QA et al., Br J Haematol 2019, 185:410-417
16. Iino M et al., Int J Hematol 2020, 112:159–168
17. Zaja F et al., Blood Rev 2020, 41:100647
18. Connell NT, Berliner N, Blood 2019, 133:2027–2030
19. Bussel J et al., Am J Hematol 2018, 93:921–930
20. Deshayes S et al., Rev Med Interne 2020, [Epub ahead of print], DOI
10.1016/j.revmed.2020.05.016
21. Grace RF et al., Br J Haematol 2020, 191:98–106
22. Mitchell E et al., Br J Haematol 2019, 186:777–781
23. Ekstrand C et al., Thromb Res 2019, 178:124–131
24. Lippi G et al., Clin Chim Acta 2020, 506:145–148
25. Amgalan A, Othman M, J Thromb Haemost 2020, 18:1514–1516
26. Engelhardt M et al., https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/
guidelines/asplenie-und-hyposplenismus-frueher-praeventionvon-infektionen-und-thrombosen-nach-splenektomie-oder-funktioneller-asplenie/@@guideline/html/index.html,
zugegriffen 03.
Januar 2021
27. Bussel J et al., https://www.hematology.org/covid-19/covid-
19-and-itp, zugegriffen 03. Januar 2021
28. Pavord S et al., Br J Haematol 2020, 189:1038–1043
29. v. Lilienfeld-Toal M et al., https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/coronavirus-infektion-covid-19-bei-patienten-mitblut-und-krebserkrankungen/@@guideline/html/index.html?chapter=6.2.28#ID0ETJBG,
zugegriffen 03. Januar 2021
30. https://www.rki.de/de/content/infekt/impfen/stichwortliste/g/injektionsort_tabelle
31. Kuter DJ et al., ASH Annual Meeting Abstract, Blood 2020, 136
(Supplement 1):13–14
32. Newland AC et al., ASH Annual Meeting Abstract, Blood 2020, 136
(Supplement 1):6–7
33. Robak T et al., Blood Adv 2020, 4:4136–4146
34. Broome CM et al., ASH Annual Meeting Abstract, Blood 2020, 136
(Supplement 1):14–15
EINHALTUNG ETHISCHER
RICHTLINIEN
Interessenkonflikt: Der korrespondierende
Autor Prof. Dr. Axel Matzdorff,
Schwedt erklärt, dass er sich bei der Erstellung
des Beitrags von keinen wirtschaftlichen
Interessen leiten ließ und
dass folgende potenziellen Interessenkonflikte
vorliegen: Beratungs- bzw.
Gutachtertätigkeit: AMGEN, Aspen, AstraZeneca,
Boehringer Ingelheim, Bristol-
Myers Squibb, Gilead, GlaxoSmithKline,
Grifols, Leo Pharma, Novartis, Pfizer, Sanofi,
Swedish Orphan Biovitrium, Roche,
UCB Biopharma; Besitz von Geschäftsanteilen,
Aktien oder Fonds: Familienbesitz
Aktien (Roche, Johnson&Johnson);
Honorare: Honorare gehen an das Asklepios
Klinikum Uckermark; andere finanzielle
Beziehungen: AbbVie, AMGEN,
Aspen, Astellas, AstraZeneca, Bayer Vital,
Bristol-Myers Squibb, Celgene, CSL
Behring, Chugai, Eisai, Eusapharm, Gilead,
GSK, Incyte, Ipsen, Janssen, Leo Pharma,
Lilly, MSD, Mundipharma, Novartis,
Pfizer, Pierre Fabre, Roche, Sanofi, Teva;
potentielle immaterielle Interessenkonflikte:
Mitgliedschaft ASORS, ASH, DGHO,
ESMO, GTH
Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche
Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen
Gutachtern geprüft wurde. Der
Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung
sowie die CME-Fragen frei sind
von werblichen Aussagen und keinerlei
Produktempfehlungen enthalten.
Die Amgen GmbH, München, unterstützt
das Projekt mit 17.500,– Euro.
Im Indikationsgebiet der Fortbildung
ist folgender Wirkstoff des Sponsors
zugelassen: Romiplostin
IMPRESSUM
Redaktion:
Dr. Hildegard Hausmann,
Dr. Sabine Lohrengel
Corporate Publishing
(verantwortlich):
Ulrike Hafner,
Tiergartenstr. 17, 69121 Heidelberg
Beilage in „Der Onkologe“
Band 27, Heft 7, Juli 2021
Springer Medizin Verlag GmbH
Aschauer Str. 30
81549 München
Geschäftsführer: Joachim Krieger,
Fabian Kaufmann
Die Springer Medizin Verlag GmbH
ist Teil der Fachverlagsgruppe
Springer Nature.
© Springer Medizin Verlag GmbH
Konzeption und Layout:
Künkel + Lopka Werbeagentur,
Heidelberg
Druck: Druckpress GmbH, Leimen
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,
Handelsnamen, Waren bezeichnungen
usw. in dieser Beilage berechtigt auch
ohne besondere Kennzeichnung nicht
zu der Annahme, dass solche Namen
im Sinne der Warenzeichen- und
Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von
jedermann benutzt werden dürfen. Für
Angaben über Dosierungsanweisungen
und Applikationsformen kann vom
Verlag keine Gewähr übernommen
werden. Derartige Angaben müssen
vom jeweiligen Anwender im Einzelfall
anhand anderer Literaturstellen auf ihre
Richtigkeit überprüft werden.
11
FRAGEBOGEN
ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG
IMMUNTHROMBOZYTOPENIE
Fragen zum Thema „Immunthrombozytopenie“
! Nur jeweils eine
Antwor t ist richtig.
Dieser CME-Kurs wurde von
der Bayerischen Landesärztekammer
mit 2 Punkten in der
Kategorie I zur zertifizierten
Fortbildung freigegeben und
ist damit auch für andere Ärztekammern
anerkennungsfähig.
Diese Fortbildung
ist gültig vom
1. Juli 2021 bis 30. Juni 2022
Sie können an dieser Fortbildung
nur online teilnehmen:
www.springermedizin.de/
cme-mit-partnern
Für eine erfolgreiche Teilnahme
müssen 70 % der Fragen richtig
beantwortet werden. Pro Frage
ist jeweils nur eine Antwortmöglichkeit
zutreffend.
Bitte beachten Sie, dass
Fragen wie auch Antwortoptionen
online abweichend von
der gedruckten Fassung in zufälliger
Reihenfolge
ausgespielt werden.
Bei inhaltlichen Fragen erhalten
Sie beim Kurs auf
www.springermedizin.de/cmemit-partnern
tutorielle Unterstützung.
Bei technischen Problemen erreichen
Sie unseren Kundenservice
kostenfrei unter der Nummer
(0800) 77 80 777 oder per
Mail unter
kundenservice@
springermedizin.de.
Datenschutzhinweis:
Mit dem Einreichen dieses
Fragebogens erklären Sie Ihr
Einverständnis, dass Name, Anschrift
und akademischer Grad
zu Zwecken der Zusendung der
Teilnahmebescheinigungen und
der anonymisierten Verarbeitung
(z. B. wie viele Ärzte sich an
der Zertifizierung beteiligt haben)
gespeichert werden.
1. Der Immunthrombozytopenie (ITP) liegt ...
ein angeborener Thrombozytenfunktionsdefekt
zugrunde.
ein angeborener Immundefekt zugrunde.
eine angeborene Mutation des Thrombopoetin-
Gens zugrunde.
eine erworbene Störung des Immunsystems
zugrunde.
eine erworbene Störung des plasmatischen
Gerinnungssystems zugrunde.
2. Wenn mehrere Personen mit einem ITPähnlichen
Bild in einer Familie auftreten, ...
spricht das für eine primäre ITP.
spricht das für eine sekundäre ITP.
spricht das für eine infektiöse Form der ITP.
spricht das für eine familiäre EDTA-Pseudothrombozytopenie.
spricht das gegen eine ITP.
3. Wie hoch ist der Anteil von erwachsenen
Patienten mit ITP ohne Blutungssymptome?
unter 1 %
unter 10 %
unter 15 %
unter 20 %
ca. 30 %
4. Wenn ein ITP-Patient Blutungssymptome hat,
dann typischerweise:
Petechien, Hämatome, Schleimhautblutungen
großflächige Hämatome
Gelenkblutungen
häufige Darmblutungen
häufige ZNS-Blutungen
5. Welche Aussage zur Erstlinientherapie der
primären ITP ist richtig?
In der ersten Therapielinie werden Glucocorticoide
gegeben.
In der ersten Therapielinie werden Gluco corticoide
mit Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten
kombiniert.
In der ersten Therapielinie werden
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten gegeben.
In der ersten Therapielinie wird Rituximab
gegeben.
Die Wahl der Erstlinientherapie ist völlig frei.
6. Welche Aussage zur Therapie mit
Glucocorticoiden ist richtig?
Glucocorticoide beginnt man mit einer niedrigen
Dosis, z. B. Predniso(lo)n 20 mg tgl. und steigert
dann langsam, bis die Thrombozytenzahl steigt.
Glucocorticoide beginnt man mit einer
hohen Dosis, z. B. Predniso(lo)n 1–2 mg/kg,
und schleicht dann zügig aus innerhalb von
insgesamt max. 6 Wochen.
Glucocorticoide sollten über mindestens 6
Wochen, besser länger gegeben werden.
Glucocorticoide sollten maximal 2 Wochen
gegeben und dann immer gestoppt werden.
Es gibt keine Empfehlungen zur Dauer der
Erstlinientherapie mit Glucocorticoiden.
7. Welche Aussage zu Thrombopoetin-Rezeptor-
Agonisten ist richtig?
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten hemmen
den mutierten Thrombopoetin-Rezeptor.
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten blockieren
Thrombozyten-Autoantikörper.
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten
kompensieren einen relativen Thrombopoetin-
Mangel.
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten stimulieren
Megakaryozyten in der Leber.
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten hemmen
Autoantikörper-bildende Lymphozyten.
8. Welche Aussage zur Zweitlinientherapie der
primären ITP ist richtig?
Der Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist
Eltrombopag ist für alle Patienten nach Versagen
der Erstlinientherapie unabhängig von der
Krankheitsdauer zugelassen.
Der Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist
Romiplostim ist für alle Patienten nach Versagen
der Erstlinientherapie unabhängig von der
Krankheitsdauer zugelassen.
Der SYK-Inhibitor Fostamatinib ist für alle
Patienten nach Versagen der Erstlinientherapie
unabhängig von der Krankheitsdauer zugelassen.
Rituximab ist für alle Patienten nach Versagen
der Erstlinientherapie unabhängig von der
Krankheitsdauer zugelassen.
Es gibt keine arzneimittelrechtlichen
Zulassungsbeschränkungen, ab welcher
Erkrankungsdauer eine bestimmte
Zweitlinientherapie verordnet werden darf.
9. Die Splenektomie wird ...
heute nicht mehr angeboten.
in der zweiten Therapielinie angeboten, weil sie
preiswerter ist als die medikamentösen Therapien.
in der dritten Therapielinie angeboten, weil
sie weniger Remissionen erreicht als die
medikamentösen Zweitlinientherapie.
Patienten angeboten, die keine medikamentösen
Dauertherapien wünschen.
nach dem 3. Erkrankungsmonat angeboten,
weil nach dann keine Spontanremissionen mehr
auftreten.
10. Welche Aussage bezüglich COVID-19 ist
richtig?
Es kommt häufig zu Thrombozytopenien.
Es kommt häufig zu Thrombozytosen.
Die Ursache der COVID-19-assoziierten Thrombozytopenien
ist immer ein Thrombopoetin-Mangel.
Die Ursache der COVID-19-assoziierten Thrombozytopenien
ist immer ein medikamenten toxischer
Effekt.
Das Auftreten der Thrombozytopenie kündigt die
Heilung der COVID-19-Erkrankung an.
67634
12