22.02.2024 Aufrufe

recke:in - Das Magazin der Graf Recke Stiftung Ausgabe 1/2024

Alles begann auf einem Acker in Ostwestfalen-Lippe. Dem neu gegründeten Verein zur Rettung verwahrloster Knaben überließ ein benachbarter Landwirt zu guten Konditionen ein Stück Land. Dort entstand ein Kinderheim, damals noch Rettungshaus genannt. In 175 Jahren entwickelte sich daraus eine hochprofessionelle heilpädagogisch-therapeutische Einrichtung: die Jugendhilfe Grünau. Beständig, bunt, bewegt wie sie ist auch diese Ausgabe der recke:in, in der sich alles um die die Jubilarin dreht.

Alles begann auf einem Acker in Ostwestfalen-Lippe. Dem neu gegründeten Verein zur Rettung verwahrloster Knaben überließ ein benachbarter Landwirt zu guten Konditionen ein Stück Land. Dort entstand ein Kinderheim, damals noch Rettungshaus genannt. In 175 Jahren entwickelte sich daraus eine hochprofessionelle heilpädagogisch-therapeutische Einrichtung: die Jugendhilfe Grünau. Beständig, bunt, bewegt wie sie ist auch diese Ausgabe der recke:in, in der sich alles um die die Jubilarin dreht.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

AUSGABE 1/<strong>2024</strong><br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> <strong>Das</strong><br />

Magaz<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

BESTÄNDIG<br />

BUNT<br />

BEWEGT<br />

175 Jahre<br />

Grünau


Marmelade<br />

und an<strong>der</strong>e Rituale<br />

BRYAN<br />

KLEINER KOCH AUS GRÜNAU<br />

25 Sorten Marmelade <strong>in</strong> 500 Gläsern – das ist die<br />

Ausbeute des letztjährigen Marmeladekochens <strong>in</strong><br />

Grünau. So wie <strong>der</strong> sechsjährige Bryan schw<strong>in</strong>gen<br />

viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche aus den Wohngruppen<br />

<strong>der</strong> Bad Salzufler Jugendhilfe jeden Herbst<br />

den Kochlöffel, um Früchte, überwiegend aus dem<br />

eigenen Garten, <strong>in</strong> riesigen Töpfen zu Marmelade<br />

zu verarbeiten. Die f<strong>in</strong>det dann, wie an<strong>der</strong>e selbst<br />

gemachte Leckereien und Dekorationen, reißenden<br />

Absatz beim jährlichen Adventsbasar auf dem<br />

Gelände <strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau. Die E<strong>in</strong>nahmen<br />

helfen, den e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en lang gehegten<br />

Wunsch <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen zu erfüllen.<br />

Doch das Marmeladekochen wie auch <strong>der</strong> Basar<br />

stehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em größeren Zusammenhang: Rituale<br />

s<strong>in</strong>d wichtig für die jungen Menschen <strong>in</strong> Grünau.<br />

Mehr darüber erfahren Sie <strong>in</strong> unserem Newsportal:<br />

www.<strong>recke</strong>-on.de/rituale<br />

on


Editorial<br />

Liebe<br />

Leser<strong>in</strong>,<br />

lieber<br />

Leser,<br />

2022 haben wir unser 200-jähriges<br />

Bestehen gefeiert. 2023 das nächste Jubiläum:<br />

175 Jahre Diakonie. Und <strong>in</strong> diesem<br />

Jahr feiert unsere Tochtergesellschaft, die<br />

Jugendhilfe Grünau <strong>in</strong> Ostwestfalen-Lippe,<br />

ihren 175. Geburtstag!<br />

<strong>Das</strong> 19. Jahrhun<strong>der</strong>t war geprägt von<br />

e<strong>in</strong>em christlich motivierten sozialen<br />

Pioniergeist. Im Zuge <strong>der</strong> Industrialisierung<br />

schritt die Verelendung großer Teile<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung voran. Der Staat fühlte<br />

sich dafür lange Zeit nicht verantwortlich.<br />

Wie <strong>Graf</strong> von <strong>der</strong> <strong>Recke</strong>-Volmerste<strong>in</strong> hat<br />

auch e<strong>in</strong> Pastor aus Schötmar bei Bad Salzuflen<br />

die Not gesehen und sich, geprägt<br />

von christlichen Überzeugungen, für die<br />

davon betroffenen Menschen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Pastor August Weßel aus Schötmar gründete<br />

1849 mit an<strong>der</strong>en engagierten Bürgern<br />

e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong>e »Rettungsanstalt für<br />

verwahrloste Knaben« zu errichten. <strong>Das</strong><br />

geschah dann auch – auf e<strong>in</strong>em Acker des<br />

Landwirts Simon August Nacke, den dieser<br />

zu »guten Konditionen«, heißt es <strong>in</strong> den<br />

Chroniken, zur Verfügung stellte. Auf diesem<br />

Acker entstand Grünau.<br />

Passende Antworten auf gesellschaftliche<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen: <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong><br />

<strong>Stiftung</strong>, Diakonie und Jugendhilfe Grünau<br />

standen dafür schon lange, bevor es den<br />

Sozialstaat gab. Die Pioniere von damals<br />

bauten ausschließlich auf persönliches<br />

Engagement und private Spenden. Heute<br />

übernehmen wir als diakonisches Unternehmen<br />

diese wichtigen Aufgaben im<br />

Auftrag des Staates und entwickeln immer<br />

wie<strong>der</strong> neue und passende Lösungen<br />

und Angebote für Menschen mit Unterstützungsbedarf.<br />

Am Beispiel Grünau<br />

kann man den Bogen schlagen: Längst<br />

geht es nicht mehr nur darum, »verwahrlosten<br />

Knaben« das Allernötigste <strong>in</strong><br />

Form von Essen, e<strong>in</strong>em Dach über dem<br />

Kopf und e<strong>in</strong>er Erziehung angedeihen zu<br />

lassen. Heute ist es e<strong>in</strong> komplexes und<br />

<strong>in</strong>dividuelles Hilfenetzwerk für K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendliche, die sehr wohl auch Verwahrlosung<br />

erlebt haben – <strong>in</strong> Form von Vernachlässigung<br />

o<strong>der</strong>, noch viel schlimmer,<br />

Gewalt und Missbrauch. Diese <strong>Ausgabe</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>recke</strong>:<strong>in</strong> gibt anlässlich des 175. Geburtstags<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong><br />

dieses Hilfenetzwerk.<br />

Beständig, bunt, bewegt – so haben die<br />

Mitarbeitenden im Vorfeld <strong>der</strong> Jubiläumsplanungen<br />

»ihr Grünau« selbst beschrieben,<br />

und so lässt sich auch dieses Heft lesen:<br />

Beständig ist Grünau, weil dort seit 175<br />

Jahren e<strong>in</strong> sicherer Ort für junge Menschen<br />

zu f<strong>in</strong>den ist, mit Kont<strong>in</strong>uitäten wie zum<br />

Beispiel dem gedeihlichen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> mit<br />

dem benachbarten Hof <strong>der</strong> Familie Nacke.<br />

Bunt ist Grünau, weil die jungen Menschen<br />

und die sie begleitenden Mitarbeitenden<br />

e<strong>in</strong>e Welt <strong>der</strong> Vielfalt und Kreativität schaffen,<br />

wie beispielhaft den Comic, <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em medienpädagogischen Workshop<br />

entstand. Und auch unser geplantes Zirkusprojekt<br />

wird ganz sicher bunt se<strong>in</strong>! Und<br />

bewegt ist Grünau, weil sich die Hilfen für<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen immer weiterentwickelt<br />

und <strong>in</strong>dividualisiert haben, um<br />

Kreisläufe von B<strong>in</strong>dungsstörungen und<br />

Gewalt zu durchbrechen.<br />

Näheres dazu <strong>in</strong> diesem Heft.<br />

Wir wünschen Ihnen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>formative<br />

und unterhaltsame Lektüre und hoffen,<br />

dass sie Ihnen e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck davon gibt,<br />

wie wichtig und anspruchsvoll die Arbeit<br />

<strong>in</strong> Grünau und an an<strong>der</strong>en Orten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong> ist. »Wir haben hier<br />

die Chance, e<strong>in</strong>en mündigen Menschen<br />

<strong>in</strong> die Gesellschaft zu entlassen«, hat e<strong>in</strong><br />

Mitarbeiter <strong>in</strong> Grünau im Zuge unserer<br />

Interviews für dieses Heft gesagt. <strong>Das</strong> sei<br />

aufwändig und koste natürlich auch Geld.<br />

»Aber«, sagt er, »die gesellschaftlichen<br />

Folgekosten wären viel höher, wenn dieser<br />

Aufwand nicht betrieben würde.«<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne freuen wir uns auf die<br />

weiteren Jahrzehnte gedeihlicher<br />

Zusammenarbeit <strong>in</strong> Grünau.<br />

Ihre<br />

Petra Skodzig<br />

F<strong>in</strong>anzvorstand<br />

Ihr<br />

Jens Leutner<br />

Personalvorstand<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong><br />

3


Wer wir<br />

s<strong>in</strong>d & was<br />

wir tun<br />

Jugendhilfe<br />

Grünau<br />

Die <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong> ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> ältesten diakonischen<br />

E<strong>in</strong>richtungen Deutschlands. 1822 gründete <strong>Graf</strong> von <strong>der</strong><br />

<strong>Recke</strong>-Volmerste<strong>in</strong> e<strong>in</strong> »Rettungshaus« für Straßenk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> Düsselthal. Zur K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendhilfe kamen die<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenhilfe (1986) und die Altenhilfe (1995) h<strong>in</strong>zu.<br />

Heute besteht die <strong>Stiftung</strong> aus den Geschäftsbereichen<br />

<strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> Erziehung & Bildung, <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> Sozialpsychiatrie<br />

& Heilpädagogik und <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> Wohnen &<br />

Pflege. Ebenfalls zur <strong>Stiftung</strong> gehören die <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong><br />

Pädagogik gGmbH, die Jugendhilfe Grünau <strong>in</strong> Bad Salzuflen,<br />

die <strong>Graf</strong>-<strong>Recke</strong>-K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten gGmbH, das<br />

Haus <strong>Recke</strong>blick im <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> Quartier Neumünster<br />

und die Dienstleistungsgesellschaft DiFS GmbH.<br />

Mehr Informationen und aktuelle News<br />

aus <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong>:<br />

www.graf-<strong>recke</strong>-stiftung.de<br />

www.graf-<strong>recke</strong>-karriere.de<br />

www.200Jahre<strong>Graf</strong><strong>Recke</strong>.de<br />

Die Jugendhilfe Grünau, heilpädagogischtherapeutische<br />

E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong><br />

Pädagogik gGmbH, bietet K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Jugendlichen<br />

und ihren (familiären) Bezugssystemen<br />

Unterstützung <strong>in</strong> stationären,<br />

teilstationären und ambulanten Sett<strong>in</strong>gs.<br />

Die Angebote s<strong>in</strong>d spezialisiert auf die<br />

Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen nach<br />

massiven Erfahrungen von emotionaler<br />

o<strong>der</strong> körperlicher Verwahrlosung, Misshandlung<br />

o<strong>der</strong> sexualisierter Gewalt.<br />

www.gruenau-jugendhilfe.de<br />

www.facebook.com/<strong>Graf</strong><strong>Recke</strong><strong>Stiftung</strong><br />

www.x<strong>in</strong>g.de/companies/<strong>Graf</strong><strong>Recke</strong><strong>Stiftung</strong><br />

www.<strong>in</strong>stagram.com/<strong>Graf</strong><strong>Recke</strong><strong>Stiftung</strong><br />

www.l<strong>in</strong>ked<strong>in</strong>.com/company/<strong>Graf</strong><strong>Recke</strong><strong>Stiftung</strong><br />

<strong>recke</strong>:<strong>in</strong><br />

<strong>Das</strong> Magaz<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Ausgabe</strong> 1/<strong>2024</strong><br />

Herausgeber Vorstand <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

E<strong>in</strong>brunger Straße 82, 40489 Düsseldorf<br />

Redaktion Referat Kommunikation & Kultur<br />

<strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong>, Dr. Roelf Bleeker<br />

Gestaltung Claudia Ott, Nils-Hendrik Zündorf<br />

Bildnachweis Jugendhilfe Grünau, Dirk Bannert,<br />

Ev. Johanneswerk e. V., jihane37/Adobe Stock<br />

Druckerei V+V Sofortdruck GmbH, 4.300 Exemplare<br />

Umweltschutz <strong>recke</strong>:<strong>in</strong> wird CO2-neutral gedruckt.<br />

4 <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/2023


Erst mal<br />

checken wer<br />

heute da ist!<br />

6<br />

10<br />

Den Dienstplan Check ich mehrmals am Tag. Ist<br />

schon wichtig, wer da ist.<br />

tück gehts dann ab <strong>in</strong> die<br />

n mit dem Bulli, auch wenn ich<br />

gehen würde.<br />

14<br />

16<br />

Inhalt<br />

6<br />

Kreuz & quer<br />

Grünau <strong>in</strong> Jahren und Bil<strong>der</strong>n<br />

8<br />

Daten und Fakten<br />

Grünau <strong>in</strong> Zahlen<br />

10<br />

Bunt: Oscars Welt<br />

In Grünau werden Super- und<br />

Alltagshelden <strong>in</strong> Comics gesetzt<br />

20<br />

Schule nervt mich<br />

14<br />

Beständig: Verbunden seit Generationen<br />

E<strong>in</strong> gedeihliches Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

seit Ururgroßvaters Zeiten<br />

16<br />

Bewegt: Den Kreislauf durchbrechen<br />

Therapieprofis bearbeiten<br />

Traumata <strong>in</strong> Grünau<br />

, aber manchmal kann es<br />

auch ganz lustig se<strong>in</strong><br />

Diakonische Kultur von<br />

A bis Z: W wie Wurzeln<br />

Was Psalm 23 mit <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

Grünau zu tun hat<br />

22<br />

Herzensprojekt Zirkus<br />

Für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> Grünau<br />

soll die Projektwoche <strong>der</strong><br />

Jubiläumshöhepunkt werden<br />

28<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 5


KREUZ & QUER<br />

Zentrum Grünau: <strong>Das</strong> Haupthaus an<br />

<strong>der</strong> Mittelstraße <strong>in</strong> Bad Salzuflen mit<br />

Psalm 23 über <strong>der</strong> Tür (siehe Seite 20)<br />

<strong>in</strong> Jahren ...<br />

1849<br />

Im März <strong>in</strong>itiiert Pastor August<br />

Weßel aus Schötmar die Gründung<br />

e<strong>in</strong>es Vere<strong>in</strong>s zur Rettung<br />

verwahrloster Knaben. Der<br />

Ehrsener Landwirt Simon August<br />

Nacke überlässt dem Vere<strong>in</strong> zu<br />

günstigen Konditionen e<strong>in</strong> Stück<br />

Land, auf dem e<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>heim<br />

gebaut wird (Seite 14). Am<br />

25. Juli wird <strong>der</strong> Grundste<strong>in</strong> für<br />

die Rettungsanstalt gelegt, 1850<br />

wird das Gebäude e<strong>in</strong>geweiht.<br />

Vier Jungen leben anfangs hier.<br />

1901<br />

Nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung des<br />

Bürgerlichen Gesetzbuches än<strong>der</strong>t<br />

Grünau se<strong>in</strong>e Statuten und aus<br />

dem Vere<strong>in</strong> wird e<strong>in</strong>e <strong>Stiftung</strong>. E<strong>in</strong><br />

Jahr zuvor zählte die E<strong>in</strong>richtung<br />

382 Jungen. Acht Jahre später<br />

öffnet sie sich für die Belegung<br />

mit »Zwangszögl<strong>in</strong>gen«, die<br />

gerichtlich zur Fürsorgeerziehung<br />

verurteilt s<strong>in</strong>d.<br />

1932<br />

Die Belegung <strong>in</strong> Grünau ist stark<br />

rückläufig, das K<strong>in</strong><strong>der</strong>heim wird<br />

geschlossen. 1935 übernimmt<br />

die Innere Mission Bielefeld,<br />

heute Ev. Johanneswerk e. V.,<br />

die E<strong>in</strong>richtung und führt sie als<br />

evangelisches Erholungsheim<br />

weiter, ab 1940 als Altenheim<br />

für Frauen im Haupthaus.<br />

Nach dem Krieg ziehen<br />

elternlose Flüchtl<strong>in</strong>gsk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> das alte Schulgebäude.<br />

1970<br />

<strong>Das</strong> Altenheim wird geschlossen<br />

und das Haupthaus wie<strong>der</strong><br />

mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n belegt. Die alte<br />

Schule wird abgerissen, die<br />

Gesamtbelegung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>heims<br />

von 60 auf 48 K<strong>in</strong><strong>der</strong> reduziert.<br />

Es handelt sich nach dem<br />

damaligen Sprachgebrauch<br />

um »verhaltensgestörte,<br />

milieugeschädigte und<br />

lernbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te K<strong>in</strong><strong>der</strong>«.<br />

1980<br />

Grünau wandelt sich konzeptionell<br />

zu e<strong>in</strong>er heilpädagogisch-therapeutischen<br />

E<strong>in</strong>richtung. Die<br />

erste Außenwohngruppe mit<br />

fünf Jungen und zwei Mädchen<br />

wird <strong>in</strong> Schötmar e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Es folgt 1985 die erste<br />

teilstationäre Gruppe, die später<br />

<strong>in</strong> das umgebaute Speicherhaus<br />

auf dem Hof Nacke zieht.<br />

1992<br />

E<strong>in</strong>richtung des gruppenübergreifenden<br />

therapeutischen<br />

Fachdienstes (Seite 16).<br />

2000<br />

Eröffnung e<strong>in</strong>er »<strong>in</strong>ternen«<br />

Schulklasse und Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />

Kooperation mit dem Kreis Lippe<br />

zur Gründung <strong>der</strong> Schulstation<br />

Grünau. Heute werden dort 24<br />

Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

vier Lerngruppen beschult.<br />

2007<br />

Die erste Gruppe für sexuell<br />

übergriffige Jungen ist bereits<br />

seit e<strong>in</strong>em Jahr im Betrieb, als<br />

die bundesweit erste Gruppe<br />

für sexuell grenzverletzende<br />

Mädchen <strong>in</strong> Grünau eröffnet wird.<br />

2017<br />

Die <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

übernimmt die heilpädagogischtherapeutische<br />

E<strong>in</strong>richtung<br />

Grünau vom Ev. Johanneswerk,<br />

die nun als Jugendhilfe Grünau,<br />

heilpädagogisch-therapeutische<br />

E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong><br />

Pädagogik gGmbH, firmiert.<br />

2019–2023<br />

Umfassende Bau- und<br />

Sanierungsmaßnahmen seitens<br />

<strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> Grünau auf dem<br />

Zentrumsgelände <strong>der</strong> Jugendhilfe.<br />

6<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2024</strong>


KREUZ & QUER<br />

Arbeiten<br />

<strong>in</strong> Grünau<br />

»<strong>Das</strong>s ich nach Grünau gekommen b<strong>in</strong>,<br />

hatte e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen Grund: Hier habe<br />

ich alle Voraussetzungen gesehen, me<strong>in</strong>e<br />

Vorstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit umzusetzen.«<br />

<strong>Das</strong> sagte e<strong>in</strong>e langjährige Mitarbeiter<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> Grünau 2021 im Interview für unser<br />

Newsportal <strong>recke</strong>-on.de. E<strong>in</strong>e junge Kolleg<strong>in</strong><br />

räumte e<strong>in</strong>, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> zum Teil schon<br />

herausfor<strong>der</strong>nd seien. »Aber ich f<strong>in</strong>de das<br />

total spannend und kann ihnen so viel<br />

mitgeben.« E<strong>in</strong>richtungsleiter<strong>in</strong> Mart<strong>in</strong>a<br />

Wagner (Foto) durfte sich auch dieses Jahr<br />

wie<strong>der</strong> über den kununu-Top-Company-Award<br />

freuen, <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong> bereits<br />

zum zweiten Mal <strong>in</strong> Folge verliehen wurde.<br />

Die Jugend von heute spielt ja viel zu wenig draußen! Steile<br />

These, und <strong>in</strong> Grünau zweifellos falsch. <strong>Das</strong> großzügige<br />

Gelände mit vielen Spielgeräten und Kletterbäumen gibt den<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen allen Freiraum, sich auszupowern.<br />

Grünes<br />

Grünau<br />

... und Bil<strong>der</strong>n<br />

Sport <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Scheune<br />

Schule auf<br />

dem Bauernhof<br />

Unterricht auf dem Bauernhof? Für die<br />

24 Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>der</strong> Schulstation<br />

Grünau ist das Rout<strong>in</strong>e: Sie kommen jeden<br />

Tag auf den Hof <strong>der</strong> Familie Nacke und lernen<br />

im alten Düngerschuppen und nebenan<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hübschen Fachwerkhaus – nach<br />

entsprechendem Umbau (Seite 14).<br />

on<br />

Und wenn das Wetter doch mal schlecht ist? Dann<br />

können sich die jungen Grünauer<strong>in</strong>nen und Grünauer<br />

auch mit Dach überm Kopf austoben. E<strong>in</strong>e alte Scheune<br />

dient als Mehrzweckhalle mit Indoor-Soccer, Sp<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g,<br />

Kletterwand, Bogenschießen, Trampol<strong>in</strong> und mehr. Sport<br />

spielt <strong>in</strong> Grünau e<strong>in</strong>e große Rolle. Warum? E<strong>in</strong> Interview<br />

und e<strong>in</strong> Video aus <strong>der</strong> »Sportscheune« gibt es unter<br />

www.<strong>recke</strong>-on.de/sport-gruenau<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong><br />

7


GRÜNAU<br />

<strong>in</strong> Zahlen<br />

72<br />

stationäre Plätze:<br />

47 Plätze im Zentrum Grünau,<br />

verteilt auf 7 Gruppen und Apartments,<br />

25 Plätze außerhalb<br />

61 %<br />

39 %<br />

44<br />

teilstationäre Plätze,<br />

verteilt auf 5 Angebote<br />

<strong>in</strong> Oerl<strong>in</strong>ghausen, Ubbedissen,<br />

Bielefeld-Mitte und<br />

Bad Salzuflen<br />

4<br />

Leitung<br />

11<br />

Mitarbeitende<br />

im Fachdienst<br />

(Therapie)<br />

116<br />

Gesamtzahl<br />

<strong>der</strong> begleiteten jungen<br />

Menschen<br />

172<br />

Gesamtzahl<br />

<strong>der</strong> Mitarbeitenden<br />

15<br />

Technischer Dienst/<br />

Fahrdienst<br />

17<br />

Hauswirtschaft<br />

4<br />

Verwaltung<br />

121<br />

Pädagogische<br />

Fachkräfte<br />

8 <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2024</strong>


SOZIALPSYGRÜNAU<br />

Aus <strong>der</strong> Vogelperspektive:<br />

Luftbild vom Zentrumsgelände im<br />

Bad Salzufler Ortsteil Ehrsen<br />

1 TAGESGRUPPE<br />

SCHULSTATION<br />

Bad Salzuflen<br />

3 AUSSENWOHNGRUPPEN<br />

Bielefeld<br />

1 TAGESGRUPPE<br />

1 FÜNF-TAGE-GRUPPE<br />

6 THERAPIE-INTENSIVGRUPPEN<br />

1 INTENSIVGRUPPE<br />

MEHRZWECKHALLE »SPORTSCHEUNE«<br />

VERWALTUNG<br />

Ubbedissen<br />

1 TAGESGRUPPE<br />

1 TAGESGRUPPE<br />

Oerl<strong>in</strong>ghausen<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 9


GRÜNAU<br />

10<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2024</strong>


GRÜNAU<br />

»Was du im Netz siehst, kannst du<br />

selber«, sagt Sozial- und Medienpädagoge<br />

Benjam<strong>in</strong> Reuter. Er hat mit zwölf<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen aus Grünau<br />

<strong>in</strong> Ferienworkshops Comics über <strong>der</strong>en<br />

Superhelden entwickelt, gestaltet und<br />

produziert. Es sei wichtig, die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Medienwelt zu begleiten,<br />

betont Benjam<strong>in</strong> Reuter. Zum Jubiläum<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung sollte nun e<strong>in</strong> Comic<br />

entstehen und aus dem Leben <strong>in</strong> den<br />

Wohngruppen berichten. Der zwölfjährige<br />

Oscar übernahm die Hauptrolle.<br />

Oscars Welt<br />

Von Achim <strong>Graf</strong><br />

Comics«, sagt Benjam<strong>in</strong> Reuter, »haben <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

e<strong>in</strong>en riesigen Anklang gefunden.« Und<br />

so kam e<strong>in</strong> Workshop zum Thema, den <strong>der</strong><br />

Sozialpädagoge <strong>in</strong> den Sommerferien 2023 für die Wohngruppen<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau <strong>in</strong> Bad Salzuflen anbot,<br />

genau zur rechten Zeit. Michelle und Kathar<strong>in</strong>a haben sich<br />

sofort angemeldet, Philip und Alexan<strong>der</strong> auch; ihr Interesse<br />

war groß. An Oscar h<strong>in</strong>gegen g<strong>in</strong>g <strong>der</strong> Hype um die<br />

Bil<strong>der</strong>geschichten bislang ziemlich vorbei. Doch das hat<br />

sich geän<strong>der</strong>t. Jetzt, pünktlich zum Jubiläum <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

Grünau, ist <strong>der</strong> Zwölfjährige selbst Teil <strong>der</strong> bunten<br />

Comicwelt.<br />

Angefangen aber hatte alles mit e<strong>in</strong>em Comic-Workshop<br />

im Sommer, genau genommen waren es sogar drei.<br />

Auf se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung h<strong>in</strong> hatten sich <strong>in</strong>sgesamt zwölf<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche aus verschiedenen Wohngruppen<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 11


GRÜNAU<br />

zurückgemeldet, die Benjam<strong>in</strong> Reuter alle<br />

unterbr<strong>in</strong>gen musste. »<strong>Das</strong> Interesse hat<br />

mich schon überrascht«, bekennt er. »Sie<br />

mussten ja zu gleich drei Term<strong>in</strong>en da se<strong>in</strong>,<br />

und das <strong>in</strong> den Ferien.« Doch niemand<br />

sei vorzeitig ausgestiegen. Der Eifer war<br />

zweifellos auch se<strong>in</strong>em Konzept geschuldet,<br />

das Neul<strong>in</strong>ge wie Fortgeschrittene gleichermaßen<br />

ansprach. »Me<strong>in</strong> Job ist es, zu motivieren<br />

und auch das notwendige Handwerkszeug<br />

mitzugeben«, sagt er.<br />

<strong>Das</strong> gel<strong>in</strong>gt Benjam<strong>in</strong> Reuter immer<br />

wie<strong>der</strong>. 13 Jahre lang arbeitete <strong>der</strong> Sozialpädagoge<br />

<strong>in</strong> verschiedenen stationären<br />

Wohngruppen <strong>in</strong> Grünau, seit letztem Jahr<br />

ist er nun pädagogischer Mitarbeiter <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Tagesgruppe. Doch bereits vor längerer<br />

Zeit begann <strong>der</strong> 40-Jährige zusätzlich<br />

mit gruppenübergreifenden Angeboten, hat<br />

zuletzt se<strong>in</strong>e Stundenzahl im Fachdienst<br />

noch aufgestockt. »Da kannst du dich als<br />

Erwachsener mit den eigenen Hobbys e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen«,<br />

freut er sich. Wie etwa im Bereich<br />

Musik, wo er <strong>in</strong> diversen Projekten se<strong>in</strong>e<br />

Erfahrung als Mitglied e<strong>in</strong>er Indie-Rockband<br />

weitergibt – und se<strong>in</strong>e Begeisterung<br />

gleich mit.<br />

»Ich probiere<br />

es e<strong>in</strong>fach mal.«<br />

OSCAR<br />

DIGITALISIERUNG<br />

<strong>Das</strong> kommt gut an. Auch wenn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Coronapandemie<br />

viele Angebote ziemlich ausgebremst<br />

wurden. »Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Gruppen<br />

aber durften sich weiter treffen, sie<br />

wohnen ja zusammen«, sagt Benjam<strong>in</strong> Reuter.<br />

Und so kam ihm die Idee, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Biber-<br />

Gruppe e<strong>in</strong> Hörspiel aufzunehmen. Die Neuvertonung<br />

von Die drei ??? und <strong>der</strong> Super-<br />

Papagei, <strong>der</strong> ersten Folge <strong>der</strong> Kultreihe überhaupt,<br />

hatte man sich vorgenommen, alle<br />

Rollen wurden mit Bewohnern <strong>der</strong> Gruppe<br />

besetzt. »Justus, Peter und Bob wurden zu<br />

Florian, L<strong>in</strong>us und Mauricio«, erzählt Benjam<strong>in</strong><br />

Reuter. »<strong>Das</strong> hat allen so viel Spaß<br />

gemacht.«<br />

Für ihn war diese positive Erfahrung<br />

letztlich <strong>der</strong> Anstoß, sich <strong>in</strong> diesem Bereich<br />

auch pädagogisch zu professionalisieren. Er<br />

ließ sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge, unterstützt von <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung, berufsbegleitend zwei Jahre<br />

lang <strong>in</strong> Remscheid an <strong>der</strong> »Akademie <strong>der</strong><br />

Kulturellen Bildung« zum Medienpädagogen<br />

weiterbilden. Video, Bil<strong>der</strong> und Ton, das<br />

habe ihn privat schon immer gereizt, dazu<br />

komme die Digitalisierung, »e<strong>in</strong> enorm<br />

wichtiges Thema«, betont er. In e<strong>in</strong>em ersten<br />

Actionvideo mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

aus Grünau g<strong>in</strong>g es, ob mit dem Kettcar<br />

o<strong>der</strong> auf dem Skateboard, laut Reuter<br />

vor allem darum, den jungen Leuten e<strong>in</strong>es<br />

nahezubr<strong>in</strong>gen: »Was du im Netz siehst, das<br />

kannst du selber!«<br />

»Zeig, was du kannst«, das war nicht<br />

alle<strong>in</strong> das Motto des ersten Angebots, das<br />

bei <strong>der</strong> Vorführung im Saal, standesgemäß<br />

mit Popcorn und Softdr<strong>in</strong>ks, hervorragend<br />

ankam. Es ist <strong>der</strong> Ansatz für se<strong>in</strong>e Medienarbeit<br />

<strong>in</strong>sgesamt: K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

fit zu machen für die digitale Welt, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

sie nicht nur konsumieren, »son<strong>der</strong>n aktiv<br />

werden, selbst produzieren und gestalten«,<br />

sagt er. Zu 100 Prozent Kompetenz zu vermitteln<br />

sei dabei gar nicht das Ziel. Als<br />

Medienpädagoge vermittle er vielleicht zu<br />

40 Prozent Wissen und zu 60 Prozent Spaß.<br />

»Wenn’s gut läuft«, me<strong>in</strong>t er mit e<strong>in</strong>em Gr<strong>in</strong>sen.<br />

Wichtig sei, junge Menschen »<strong>in</strong> ihren<br />

Medienwelten zu begleiten, wie wir es auch<br />

<strong>in</strong> ihren an<strong>der</strong>en Welten tun«.<br />

EINE GUTE GESCHICHTE ALS ZIEL<br />

Die analoge Welt <strong>der</strong> Comics passt da nur<br />

vor<strong>der</strong>gründig nicht so recht <strong>in</strong>s Bild. Denn,<br />

wie könnte es an<strong>der</strong>s se<strong>in</strong>, auch <strong>der</strong> schönste<br />

Band, die aufwändigste Graphic Novel,<br />

wird längst <strong>in</strong> digitaler Form auf den Weg<br />

gebracht. »Es gibt zum Beispiel richtig gute<br />

Apps, <strong>in</strong> denen man Fotos im Comicstil<br />

aufbereiten kann«, erläutert Benjam<strong>in</strong> Reuter.<br />

Zeichnen zu können sei deshalb gar<br />

nicht notwendig. <strong>Das</strong> sichere e<strong>in</strong>e Nie<strong>der</strong>schwelligkeit,<br />

alle könnten dabei se<strong>in</strong>, sagt<br />

Reuter. E<strong>in</strong>e gute Geschichte zu erzählen<br />

bleibe das Ziel.<br />

Diese wurde bei den Workshops im Sommer<br />

<strong>in</strong> Zweierteams entwickelt und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

sogenannten Storyboard festgehalten.<br />

Meistens passieren hier die D<strong>in</strong>ge die<br />

überall passieren und dazugehören…<br />

…nur dass hier echt viel<br />

reflektiert wird.<br />

Da wollen<br />

wir jetzt noch<br />

mal sprechen<br />

Am Ende des<br />

Tages ist dann aber endlich Freizeit und<br />

zocken angesagt


GRÜNAU<br />

»Die Kids haben bemerkt,<br />

was sie alles können.«<br />

BENJAMIN REUTER


GRÜNAU<br />

Verbunden<br />

seit Generationen<br />

14<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2024</strong>


Simon August Nacke und se<strong>in</strong><br />

Ururenkel: Albrecht Nacke mit e<strong>in</strong>em<br />

Gemälde se<strong>in</strong>es Vorfahren<br />

GRÜNAU<br />

Von Roelf Bleeker<br />

Se<strong>in</strong> Ururgroßvater überließ den Grün<strong>der</strong>n von<br />

Grünau e<strong>in</strong>st das Land für e<strong>in</strong> »Rettungshaus«.<br />

Heute steht Albrecht Nacke für die 175 Jahre<br />

andauernde Verb<strong>in</strong>dung zwischen se<strong>in</strong>er Familie und<br />

<strong>der</strong> heutigen Jugendhilfe Grünau. Auf se<strong>in</strong>em Hof<br />

gehen Grünauer K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche e<strong>in</strong> und aus.<br />

Der Weg zum Hof <strong>der</strong> Familie Nacke<br />

ist holprig, aber viel befahren.<br />

Zwischen Wohnhaus und Wirtschaftsgebäuden<br />

stehen für e<strong>in</strong>en<br />

landwirtschaftlichen Betrieb überraschend<br />

viele Autos. Erntehelfer? Um diese Jahreszeit,<br />

im Januar, wohl kaum. <strong>Das</strong> Wohnhaus<br />

reckt sich hoch zur Rechten. Über e<strong>in</strong>e<br />

mächtige Treppe erreicht man die E<strong>in</strong>gangstür.<br />

Es öffnet Albrecht Nacke. »Wenn <strong>der</strong> Hof<br />

voll mit Autos steht, ist Unterricht«, erklärt<br />

<strong>der</strong> Hausherr.<br />

Unterricht? Auf e<strong>in</strong>em Bauernhof im<br />

Bad Salzufler Ortsteil Ehrsen? Ja, denn <strong>der</strong><br />

Hof <strong>der</strong> Familie Nacke ist e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er.<br />

Nicht nur wegen se<strong>in</strong>er langen Geschichte<br />

als »e<strong>in</strong> vornehmer Hoff« <strong>in</strong> Ehrsen, wie<br />

man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zitat von 1612 <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigens<br />

von <strong>der</strong> Familie Nacke <strong>in</strong> Auftrag gegebenen<br />

Chronik nachlesen kann. Son<strong>der</strong>n vor allem<br />

wegen se<strong>in</strong>er ganz beson<strong>der</strong>en Verb<strong>in</strong>dung<br />

zur Jugendhilfe Grünau.<br />

Vom Hof zum Gelände <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

Grünau s<strong>in</strong>d es nur e<strong>in</strong> paar Hun<strong>der</strong>t Meter<br />

über die Mittelstraße, die sich durch kle<strong>in</strong>e<br />

Ortschaften und über malerische Hügel <strong>in</strong><br />

Ostwestfalen-Lippe schlängelt. 1849 war es<br />

Simon August Nacke, <strong>der</strong> Ururgroßvater von<br />

Albrecht Nacke, <strong>der</strong> dem neu gegründeten<br />

Vere<strong>in</strong> »zur Rettung verwahrloster Knaben«<br />

e<strong>in</strong> fast zwei Hektar großes Areal »zu guten<br />

Konditionen für 500 Taler« verkaufte, wie es<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> erwähnten Chronik heißt.<br />

SCHULE IM DÜNGERSCHUPPEN<br />

Die Verb<strong>in</strong>dung zwischen »Anstalt«,<br />

»K<strong>in</strong><strong>der</strong>heim« o<strong>der</strong> »Jugendhilfe«, wie die<br />

E<strong>in</strong>richtung über die Jahrzehnte genannt<br />

wurde, und Hof Nacke riss nie ab. Bis heute.<br />

Und seit gut 20 Jahren gehen auch K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus<br />

Grünau hier fast täglich e<strong>in</strong> und aus. Etwa <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> »Schulstation«, e<strong>in</strong>er Kooperation zwischen<br />

dem Kreis Lippe als Schulträger und<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau. 24 junge Menschen<br />

aus Grünau lernen auf dem Gelände im<br />

umgebauten Düngerschuppen. Schule auf<br />

dem Bauernhof: Für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen,<br />

für die selbst die Unterstützung<br />

e<strong>in</strong>er För<strong>der</strong>schule nicht ausreicht, ist das<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Lernumgebung. Neben <strong>der</strong><br />

Schulstation nutzte auch viele Jahre die heilpädagogische<br />

Tagesgruppe Grünau den Hof.<br />

Hierfür wurde Mitte <strong>der</strong> 1980er-Jahre das<br />

Speicherhaus umgebaut, berichtet Albrecht<br />

Nacke beim Hofrundgang. Im August letzten<br />

Jahres ist die Tagesgruppe <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Haus gleich<br />

nebenan gezogen, das Außengelände auf<br />

dem Hof wird von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aber weiterh<strong>in</strong><br />

gern genutzt.<br />

Doch Hof und Jugendhilfe verb<strong>in</strong>det noch<br />

viel mehr. Anekdoten wie die vom »Nähkreis<br />

Grünau«, <strong>in</strong> dem sich laut Chronik <strong>in</strong> den<br />

1920er-Jahren »mehrere Damen aus dem<br />

Kreis <strong>der</strong> Schötmarener Honoratioren« auf<br />

Hof Nacke trafen, um zu stricken und das<br />

Gestrickte zugunsten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung Grünau<br />

zu verkaufen, geben e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck von<br />

dieser Verb<strong>in</strong>dung. Er selbst und se<strong>in</strong>e drei<br />

Söhne, berichtet Albrecht Nacke, s<strong>in</strong>d mit<br />

Grünau aufgewachsen, haben mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

dort gespielt. E<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er drei Söhne<br />

ist Hofnachfolger Matthias Nacke. Dieser<br />

wohnt mit se<strong>in</strong>er Frau und drei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

im Erdgeschoss des Wohnhauses, Albrecht<br />

Nacke lebt mit se<strong>in</strong>er Frau im ersten Stock.<br />

Matthias Nacke hat sich mittlerweile mit<br />

an den Küchentisch im ersten Stock gesetzt<br />

und erzählt, er habe während se<strong>in</strong>es Studiums<br />

nebenbei als Hilfskraft und Nachtbereitschaft<br />

<strong>in</strong> Grünau gearbeitet.<br />

Noch wichtiger für die Jugendhilfe Grünau<br />

aber ist das Engagement <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

Grünau, <strong>der</strong>en Vorsitzen<strong>der</strong> Albrecht Nacke<br />

heute ist. Er steht damit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition<br />

se<strong>in</strong>er Vorfahren, e<strong>in</strong> Familienmitglied war<br />

immer im Vorstand. Die <strong>Stiftung</strong> löste 1901<br />

den Vere<strong>in</strong> ab, den <strong>der</strong> Pastor August Weßel<br />

damals für die Rettungshausarbeit gegründet<br />

hatte, und machte das Projekt zukunftsfest.<br />

In se<strong>in</strong>er Küche mahnt Albrecht Nacke<br />

heute: »Hier wurde etwas geschaffen für den<br />

Erhalt für kommende Generationen.«<br />

<strong>Stiftung</strong>szweck ist die Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Arbeit mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Die <strong>Stiftung</strong><br />

Grünau erfüllt diese Vorgabe seit gut zehn<br />

Jahren auch als Eigentümer<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gebäude<br />

auf dem Gelände <strong>der</strong> Jugendhilfe. Damals<br />

übernahm sie das Immobilienmanagement<br />

vom alten Träger, dem Ev. Johanneswerk e. V.<br />

<strong>in</strong> Bielefeld. »Die Rolle <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> hat sich<br />

dadurch verän<strong>der</strong>t«, sagt ihr Vorsitzen<strong>der</strong>.<br />

Doch als <strong>der</strong> Betrieb <strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau<br />

2017 von <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong> übernommen<br />

wurde, erwies sich genau diese<br />

Konstellation als e<strong>in</strong>e günstige. Die <strong>Stiftung</strong><br />

Grünau als Vermieter<strong>in</strong>, die Tochter <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong>,<br />

die <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> Pädagogik gGmbH, als<br />

Betreiber<strong>in</strong> – geme<strong>in</strong>sam erfüllen sie den<br />

Zweck im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>.<br />

»Früher hatte ich drei Hüte auf: Vermieter,<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> und des<br />

För<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>s«, sagt Albrecht Nacke. Beim<br />

Hofrundgang trägt er e<strong>in</strong>e Schiebermütze,<br />

<strong>der</strong> s<strong>in</strong>nbildlichen Hüte s<strong>in</strong>d es aber immer<br />

noch zwei. Den Hut des Vermieters auf<br />

dem Hof hat Hofnachfolger Matthias übernommen.<br />

Den För<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>svorsitz hat Albrecht<br />

Nacke noch <strong>in</strong>ne. »Der För<strong>der</strong>vere<strong>in</strong><br />

macht das, was Großeltern machen.« Soll<br />

heißen: Während die <strong>Stiftung</strong> sich um das<br />

Notwendige kümmert, sorgt <strong>der</strong> För<strong>der</strong>vere<strong>in</strong><br />

für schöne Geschenke, ermöglicht kulturelle,<br />

soziale und sportliche Aktivitäten.<br />

Großvater Nacke weiß, wovon er spricht:<br />

Als Opa hat er für se<strong>in</strong>e Enkel e<strong>in</strong>e lange<br />

Rutsche auf <strong>der</strong> großen Wohnhaustreppe<br />

<strong>in</strong>stalliert.<br />

GEDEIHLICHES MITEINANDER<br />

Für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>in</strong> Grünau<br />

gibt es e<strong>in</strong>en Bolzplatz und Spielgeräte<br />

auf dem Hof, außerdem Kletterbäume<br />

und Verstecke. »Früher war <strong>der</strong> Hof voll<br />

mit Viechern«, erzählt Nacke. Kühe und<br />

Schwe<strong>in</strong>e gibt es schon lange nicht mehr.<br />

Als re<strong>in</strong>er Ackerbaubetrieb würden die<br />

vielen Nebengebäude landwirtschaftlich<br />

deutlich weniger genutzt, sagt Albrecht<br />

Nacke. Umso glücklicher sei er, dass die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus Grünau da seien. »Dadurch<br />

ist hier richtig Leben und jeden Tag was<br />

los.« Wie zur Bestätigung rufen ihm K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

die gerade auf dem Bolzplatz kicken,<br />

e<strong>in</strong> vielstimmiges »Hallo, Herr Nacke« zu.<br />

Der grüßt freundlich zurück und lächelt:<br />

»Es ist e<strong>in</strong> gedeihliches Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.«<br />

Und das seit 175 Jahren. //<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 15


GRÜNAU<br />

Den Kreislauf<br />

durchbrechen<br />

16<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2024</strong>


GRÜNAU<br />

»<strong>Das</strong><br />

macht<br />

schon sehr<br />

viel mit<br />

e<strong>in</strong>em.«<br />

In Grünau verarbeiten junge Menschen<br />

schlimmste Erlebnisse. Die Mitarbeitenden des<br />

therapeutischen Fachdienstes helfen ihnen<br />

bei <strong>der</strong> Verarbeitung ihrer Traumata, damit<br />

aus e<strong>in</strong>er zerstörten K<strong>in</strong>dheit ke<strong>in</strong> zerstörtes<br />

Leben wird. Dabei dürfen die Therapieprofis<br />

sich auch selbst nicht aus dem Blick verlieren.<br />

SVEN REIBOLD<br />

LEITER FACHDIENST<br />

Von Roelf Bleeker<br />

*<br />

Unsere Angebote s<strong>in</strong>d spezialisiert<br />

auf die Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen nach massiven<br />

Erfahrungen von emotionaler<br />

und körperlicher Verwahrlosung,<br />

Misshandlung und sexualisierter<br />

Gewalt.<br />

Die meisten jungen Menschen, die nach<br />

Grünau kommen, haben furchtbare<br />

Erfahrungen gemacht, s<strong>in</strong>d geschlagen,<br />

missbraucht, vernachlässigt worden, wurden<br />

teils selbst gewalttätig, sexuell übergriffig.<br />

E<strong>in</strong>ige ziehen sich komplett zurück,<br />

verletzen sich selbst. Ihre Geschichten<br />

erzählen von zerstörten K<strong>in</strong>dheiten. Daran,<br />

dass aus diesen zerstörten K<strong>in</strong>dheiten nicht<br />

zerstörte Leben werden, arbeiten die Pädagog<strong>in</strong>nen<br />

und Pädagogen <strong>in</strong> den Wohnund<br />

Tagesgruppen <strong>in</strong> Grünau täglich. Unterstützt<br />

werden sie dabei schon seit 1992<br />

von e<strong>in</strong>em gruppenübergreifenden Fachdienst.<br />

Fünf <strong>der</strong> Therapieprofis haben wir<br />

zum Gespräch im »Blauen Salon« getroffen,<br />

dem Besprechungsraum im Haupthaus <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe Grünau im ländlich gelegenen<br />

Bad Salzufler Ortsteil Ehrsen.<br />

Der Fachdienst hat e<strong>in</strong>e<br />

gruppen- beziehungsweise<br />

angebotsübergreifende<br />

Funktion. Er verfügt über<br />

den Unterstützungsbedarfen<br />

entsprechendes, spezialisiertes<br />

Fachwissen.<br />

Sven Reibold ist seit 2007 Leiter des Fachdienstes.<br />

Se<strong>in</strong> Vorgänger Frie<strong>der</strong> Morgenstern<br />

hat schon Anfang <strong>der</strong> 1970er-Jahre<br />

begonnen, heiltherapeutische, später auch<br />

spieltherapeutische und motopädagogische<br />

Angebote zu <strong>in</strong>stallieren. Mit <strong>der</strong> Zeit wurde<br />

das Angebot immer differenzierter. Die fünf<br />

Therapeut<strong>in</strong>nen und Therapeuten im »Blauen<br />

Salon« stehen mit ihrer Fachlichkeit für<br />

dieses differenzierte Spektrum:<br />

Anna Ste<strong>in</strong>bach-Klatt, systemische Therapeut<strong>in</strong><br />

im Fachdienst, kam 2003 nach Grünau.<br />

Schon damals habe die E<strong>in</strong>richtung als<br />

Vorreiter<strong>in</strong> gegolten, er<strong>in</strong>nert sie sich. Noch<br />

länger dabei ist Delikttherapeut<strong>in</strong> Kirsten<br />

Becker. Sie begann 1990 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />

Grünau als Pädagog<strong>in</strong> im Gruppendienst <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> ersten Intensivgruppe für schwer traumatisierte<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Traumatisierungen und systemische<br />

E<strong>in</strong>flüsse aus dem Herkunftsumfeld<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> seien lange Zeit nicht gesehen<br />

o<strong>der</strong> anerkannt worden. »Heute sagen wir:<br />

Wir sehen den Grund, warum du etwas tust.«<br />

Familientherapeut Matthias Gu<strong>der</strong> formuliert<br />

es so: »Damals entstand <strong>der</strong> Gedanke: Warum<br />

glaubt mir das K<strong>in</strong>d nicht, wenn ich ihm<br />

sage, du bist e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>er Typ? <strong>Das</strong>s das mit<br />

e<strong>in</strong>em schwer geschädigten Selbstbild zu tun<br />

hat, mit Erfahrungen und Herkunft, das war<br />

damals neu.« Und Motopädagoge Michael<br />

Haubrock, seit 46 Jahren <strong>in</strong> Grünau, er<strong>in</strong>nert<br />

sich gut daran, als Traumatherapie und<br />

Supervision <strong>in</strong> die Jugendhilfe E<strong>in</strong>zug hielten.<br />

»Auf Fortbildung wurde schon damals<br />

sehr viel Wert gelegt, wir bekamen von <strong>der</strong><br />

KIRSTEN BECKER<br />

DELIKTTHERAPEUTIN<br />

*<br />

»Wir sehen<br />

den Grund,<br />

warum du<br />

etwas tust.«<br />

Die markierten Passagen<br />

stammen von <strong>der</strong> Homepage<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau.<br />

Die vollständige fachliche<br />

Darstellung <strong>der</strong> Angebote<br />

f<strong>in</strong>den Sie dort:<br />

www.gruenau-jugendhilfe.de<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 17


GRÜNAU<br />

Leitung viele Flyer <strong>in</strong> die Fächer gelegt, um<br />

uns darauf aufmerksam zu machen, vieles<br />

war auch verpflichtend.« Heute vermitteln die<br />

Therapeuten ihr Wissen auch <strong>in</strong>tern weiter<br />

und ergänzen so s<strong>in</strong>nhaft das externe Weiterbildungsangebot,<br />

auf das die Jugendhilfe Grünau<br />

bis heute viel Wert legt.<br />

Unter Therapie verstehen<br />

wir die Anwendung von<br />

psychotherapeutischen<br />

Verfahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Behandlung<br />

von psychischen Störungen<br />

bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

sowie <strong>der</strong>en Bezugssystemen.<br />

Dabei kommen methodisch<br />

def<strong>in</strong>ierte Interventionen zur<br />

Anwendung, die e<strong>in</strong>en systematisch<br />

verän<strong>der</strong>nden E<strong>in</strong>fluss auf den<br />

E<strong>in</strong>zelnen o<strong>der</strong> auf das jeweilige<br />

System nehmen und den Umgang<br />

und die Bewältigungsfähigkeiten<br />

damit aufbauen und för<strong>der</strong>n.<br />

DIE KLEINEN UND GROSSEN ERFOLGE<br />

Wie def<strong>in</strong>iert man Erfolg <strong>in</strong> Grünau? »Es<br />

s<strong>in</strong>d die kle<strong>in</strong>en Schritte«, sagt Anna Ste<strong>in</strong>bach-Klatt.<br />

»Wenn sich e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d auf die<br />

Stunde freut, e<strong>in</strong> Interesse hat, etwas zu<br />

lernen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Verhalten zu än<strong>der</strong>n.« »<strong>Das</strong><br />

Schöne ist, die Ressourcen zu f<strong>in</strong>den«,<br />

ergänzt Kirsten Becker. »Mit e<strong>in</strong>em Jungen<br />

habe ich e<strong>in</strong>e lange Radtour gemacht. Am<br />

Ende lag er total erschöpft im Flur. Heute<br />

fährt er bei Radrennen mit.« Und Kollege<br />

Gu<strong>der</strong>, <strong>der</strong> mit den jungen Menschen an<br />

»Regulationsmöglichkeiten für starke Emotionen«<br />

arbeitet, beschreibt es so: »Es geht<br />

um junge Menschen, die im Alltag getriggert<br />

und von Gefühlen geradezu überschwemmt<br />

werden. Wenn e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Junge bislang nur<br />

›vernichten o<strong>der</strong> vernichtet werden‹ kannte<br />

und so auch mit se<strong>in</strong>en Konflikten und<br />

Stimmungsschwankungen umg<strong>in</strong>g, wenn<br />

dieser Junge dann durch unsere Zusammenarbeit<br />

Wege und Zwischenwege f<strong>in</strong>det, das<br />

Gespräch sucht o<strong>der</strong> sich e<strong>in</strong>fach an e<strong>in</strong>en<br />

reizarmen Ort begibt, dann ist es für uns e<strong>in</strong><br />

großer Erfolg.«<br />

MATTHIAS GUDER<br />

FAMILIENTHERAPEUT<br />

»Es geht<br />

um junge<br />

Menschen,<br />

die von<br />

Gefühlen<br />

geradezu<br />

überschwemmt<br />

werden.«<br />

Wie Kirsten Becker hat auch Michael Haubrock<br />

im pädagogischen Gruppendienst<br />

begonnen, e<strong>in</strong>ige Jahre war er ihr Teamleiter.<br />

Beide entschieden sich später für den<br />

Wechsel <strong>in</strong> die therapeutische Arbeit. Heute<br />

gestaltet <strong>der</strong> 64-Jährige die motopädischen<br />

und die Sportangebote <strong>in</strong> Grünau (siehe<br />

auch Titelgeschichte <strong>der</strong> <strong>recke</strong>:<strong>in</strong> 1/2023).<br />

»Gerade beim Sport zeigen mir die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

immer wie<strong>der</strong>, was sie können. Ich frage<br />

dann nach: Ist dir bewusst, was du da gerade<br />

geschafft hast?«<br />

Die Fachtherapien wenden sich<br />

beson<strong>der</strong>s den Beziehungsund<br />

Sozialkontexten zu. Hier<br />

werden gerade im E<strong>in</strong>zelkontakt<br />

Exklusivzeiten angestrebt, <strong>in</strong><br />

denen beson<strong>der</strong>s positive und<br />

för<strong>der</strong>liche Beziehungsgestaltungen<br />

und -erfahrungen (…) hergestellt<br />

werden. Ebenso werden<br />

Selbstwirksamkeit gestärkt und<br />

Erfolgserlebnisse vermittelt.<br />

Und wenn alle Bemühungen <strong>in</strong>s Leere laufen<br />

und jegliche Therapie versagt? Sven Reibold<br />

er<strong>in</strong>nert sich an e<strong>in</strong>en Jungen, <strong>der</strong> es<br />

<strong>in</strong> Grünau nicht geschafft hat, se<strong>in</strong>en Krisen<br />

zu entkommen. Natürlich werde dann<br />

geschaut, ob es <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Angebote <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe Grünau an<strong>der</strong>e Möglichkeiten<br />

gibt. Aber manchmal helfe nur die Trennung.<br />

Die geme<strong>in</strong>same Wegst<strong>recke</strong> sei dann<br />

zu Ende, beschreibt Matthias Gu<strong>der</strong>. »Wir<br />

s<strong>in</strong>d Wegbegleiter von A nach B, und das<br />

endet auch irgendwo.«<br />

»ES BLEIBT HIER«<br />

Auf diesen Wegen gehen die Mitarbeitenden<br />

mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n geme<strong>in</strong>sam durch tiefe<br />

Abgründe. »Die D<strong>in</strong>ge, die wir hören,<br />

erleben, mitfühlen, das macht schon sehr<br />

18<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2024</strong>


GRÜNAU<br />

ANNA STEINBACH-KLATT<br />

SYSTEMISCHE THERAPEUTIN<br />

»Weil wir<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> engen<br />

Verb<strong>in</strong>dung<br />

mehr<br />

schaffen.«<br />

MICHAEL HAUBROCK<br />

MOTOPÄDAGOGE<br />

viel mit e<strong>in</strong>em«, sagt Sven Reibold. Da brauche<br />

es im Privaten e<strong>in</strong>en Ausgleich. »<strong>Das</strong> private<br />

Sett<strong>in</strong>g ist wichtig. Wie genau jemand<br />

etwas verarbeitet, das ist sehr <strong>in</strong>dividuell«,<br />

so <strong>der</strong> 52-jährige Diplompsychologe. Er<br />

tanke bei se<strong>in</strong>er Familie auf, sagt er. Motopädagoge<br />

Haubrock macht nicht nur im<br />

Rahmen se<strong>in</strong>er Angebote viel Sport, son<strong>der</strong>n<br />

auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Freizeit, das ist se<strong>in</strong><br />

Ausgleich. Über das, was er als Therapeut<br />

hört und mitfühlt, sagt er: »Es bleibt hier.«<br />

Je<strong>der</strong> müsse Wege für sich f<strong>in</strong>den: »Wenn<br />

es uns nicht gut geht, kann es den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

auch nicht gut gehen.« Familientherapeut<br />

Gu<strong>der</strong> bekennt, dass das, was er hier tut, ihn<br />

nach wie vor berühre. »Sonst wäre ich hier<br />

falsch.« Nur zu nahe gehen dürfe es den Profis<br />

nicht. »Sekundäre Traumatisierung« nennen<br />

die Grünauer Therapeuten es, wenn die<br />

Grenze nicht aufrechterhalten werden kann.<br />

E<strong>in</strong> ganz wichtiger Aspekt sei <strong>der</strong> kollegiale<br />

Austausch, sagen alle fünf, nicht nur<br />

<strong>in</strong> den wöchentlichen Fachdienst-Runden.<br />

Fachlich, weil »wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> engen Verb<strong>in</strong>dung<br />

»Ist dir<br />

bewusst,<br />

was du da<br />

gerade<br />

geschafft<br />

hast?«<br />

mehr schaffen können, wenn wir aus verschiedenen<br />

Perspektiven draufschauen«,<br />

me<strong>in</strong>t Anna Ste<strong>in</strong>bach-Klatt. Aber auch<br />

zwischenmenschlich. Austausch und Vernetzung,<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu achten, das gehört<br />

für die Profis unbed<strong>in</strong>gt dazu.<br />

In Grünau wird die Gleichung von <strong>der</strong><br />

zerstörten K<strong>in</strong>dheit und dem zerstörten<br />

Leben <strong>in</strong>frage gestellt. »Wenn ich davon ausgehe,<br />

dass wir traumatisierte und b<strong>in</strong>dungsgestörte<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben und diese Traumata<br />

und B<strong>in</strong>dungsstörungen von Generation zu<br />

Generation weitergegeben werden, dann<br />

können wir das unterbrechen«, glaubt Kirsten<br />

Becker. »Dadurch gebe ich den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen die Chance, ihr Leben zu<br />

verän<strong>der</strong>n. Wir können den Kreislauf durchbrechen.«<br />

Sie hat sexuell grenzverletzende<br />

Jugendliche erlebt, die sagen: »Hätte sich<br />

jemand das früher angeschaut, hätte ich früher<br />

daran arbeiten können, wäre es an<strong>der</strong>s<br />

gelaufen.«<br />

HEIMAT GRÜNAU<br />

Sven Reibolds Erzählung von dem Jungen,<br />

<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Krisen <strong>in</strong> Grünau nicht überw<strong>in</strong>den<br />

konnte, geht übrigens noch weiter.<br />

Der <strong>in</strong>zwischen 16-Jährige habe sich<br />

kürzlich wie<strong>der</strong> gemeldet, berichtet Sven<br />

Reibold. »Er hat e<strong>in</strong>en Ort gefunden, wo<br />

er sich entwickeln konnte. Jetzt möchte er<br />

noch e<strong>in</strong>mal hierherkommen, zur Verselbstständigung.«<br />

Über geeignete Möglichkeiten<br />

werde im Moment noch beraten, sagt <strong>der</strong><br />

Fachdienstleiter, aber e<strong>in</strong>es zeige dies doch:<br />

»Auch Prozesse, die verme<strong>in</strong>tlich nicht ans<br />

Ziel gekommen s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiger Teil<br />

e<strong>in</strong>es Lebens. Und Grünau war trotzdem –<br />

zum<strong>in</strong>dest für e<strong>in</strong>e gewisse Zeit – e<strong>in</strong>e Heimat<br />

für diesen Jungen.« //<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 19


GRÜNAU<br />

W<br />

wie Wurzeln<br />

Diakonische<br />

Kultur<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong><br />

<strong>Stiftung</strong><br />

von A bis Z<br />

Awie Abendmahlsfeiern<br />

20<br />

In dieser Rubrik stellen wir die vielfältigen Elemente <strong>der</strong><br />

diakonischen Unternehmenskultur vor. Dabei nehmen wir<br />

vor allem die sichtbaren Elemente <strong>in</strong> den Blick. Sie s<strong>in</strong>d<br />

Ausdruck <strong>der</strong> unsichtbaren, nicht ausdrücklichen und teilweise<br />

unbewussten Unternehmenskultur mit ihren diakonischen<br />

Werten und Haltungen. Heute geht es um Wurzeln. In Grünau<br />

<strong>in</strong> Bad Salzuflen s<strong>in</strong>d diese schon im Namen auff<strong>in</strong>dbar.<br />

wie Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung – Nachhaltigkeit<br />

B<br />

C<br />

Dwie Diakonie-Fortbildungen<br />

Ewie Ehemaligentreffen<br />

Fwie Feste<br />

Gwie Gottesdienst »zum Anfassen«<br />

H<br />

Iwie <strong>in</strong>klusive Konfirmandenarbeit<br />

Jwie Jubilarsehrung<br />

Kwie Kronenkreuz-Verleihung<br />

Lwie lebendiger Adventskalen<strong>der</strong><br />

wie Mitarbeitendengottesdienst<br />

M<br />

Nwie Nächstenliebe – tausendfach täglich gelebt!<br />

Owie Oasentag<br />

P<br />

Rwie <strong>Recke</strong>-Tag<br />

Swie Seelsorge<br />

Twie Trauerbegleitung<br />

wie Wurzeln<br />

Q U V W X Y<br />

Zwie Zakk: große Mitarbeitendenfeste im Düsseldorfer Kulturzentrum Zakk<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2024</strong>


GRÜNAU<br />

Von Dietmar Redeker<br />

»Wir s<strong>in</strong>d aus e<strong>in</strong>er lebendigen Tradition<br />

<strong>in</strong>novativ.« So steht es im Leitbild <strong>der</strong> Diakonie<br />

Deutschland. E<strong>in</strong>e lebendige Tradition<br />

lebt davon, dass wir die Wurzeln unserer<br />

Arbeit pflegen.<br />

Die diakonische Jugendhilfe Grünau, die<br />

<strong>in</strong> diesem Jahr den 175. Geburtstag feiert,<br />

trägt die Wurzel, den Beg<strong>in</strong>n ihrer Arbeit, im<br />

Namen: »Grünau«. Unter diesem Namen ist<br />

sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region Bad Salzuflen bekannt. Und<br />

»Grün-Au« f<strong>in</strong>den die Besucher<strong>in</strong>nen und<br />

Besucher auch auf e<strong>in</strong>er Ste<strong>in</strong>tafel über dem<br />

Portal des Haupthauses <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung.<br />

Dort wird deutlich, woher <strong>der</strong> Name kommt:<br />

Aus dem bekannten Psalm von dem guten<br />

Hirten, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Schafe auf e<strong>in</strong>er grünen<br />

Aue weidet.<br />

Dieser gute Hirte ist e<strong>in</strong> Bild für Gott, <strong>der</strong><br />

uns Menschen auf unserem Lebensweg<br />

begleitet. Und <strong>der</strong> uns das, was wir zum leiblichen<br />

und seelischen Wohlergehen brauchen,<br />

schenkt. Im Bild: Gott weidet uns auf<br />

e<strong>in</strong>er grünen Aue. Der Name »Grünau« im<br />

S<strong>in</strong>ne dieser biblischen Wurzel verspricht<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen und ihren<br />

Familien, dass sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau<br />

gute Hirt<strong>in</strong>nen und Hirten, gute Pädagog<strong>in</strong>nen<br />

und Pädagogen f<strong>in</strong>den, die im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />

christlichen Nächstenliebe für sie da s<strong>in</strong>d.<br />

»Grünau« verspricht, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen, die <strong>in</strong> ihrem jungen Leben<br />

auch schon Durstst<strong>recke</strong>n erlebt haben, hier<br />

auf »saftigen grünen Auen« wachsen und<br />

stark werden können.<br />

Grüne Auen und Wiesen gibt es übrigens<br />

auch wortwörtlich rund um die Jugendhilfe<br />

Grünau. Diese liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er idyllischen<br />

hügeligen Landschaft mit Weiden, Äckern<br />

und Waldstücken etwas außerhalb von Bad<br />

Salzuflen. Und auf dem Campus selber ist<br />

es auch sehr grün, mit e<strong>in</strong>em plätschernden<br />

Bach und e<strong>in</strong>er großen Streuobstwiese.<br />

Hier können K<strong>in</strong><strong>der</strong> wun<strong>der</strong>bar <strong>in</strong>mitten<br />

<strong>der</strong> Natur spielen und auch mal den Alltag<br />

vergessen.<br />

Ich f<strong>in</strong>de es sehr passend, dass die Grün<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau vor 175 Jahren<br />

diesen Namen gewählt haben. Er verb<strong>in</strong>det<br />

die bildliche und die wörtliche Bedeutung<br />

von saftigen, fruchtbaren grünen Auen.<br />

Auch K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche f<strong>in</strong>den die<br />

Sprachbil<strong>der</strong> dieses Psalms passend für ihr<br />

Leben: Öfter wählen Konfirmand<strong>in</strong>nen und<br />

Konfirmanden den Satz »Der Herr ist me<strong>in</strong><br />

Hirte, mir wird nichts mangeln« als ihren<br />

Konfirmationsspruch aus. Und manchmal<br />

auch den Satz: »Und ob ich schon wan<strong>der</strong>te<br />

im f<strong>in</strong>stern Tal, fürchte ich ke<strong>in</strong> Unglück;<br />

denn du bist bei mir.« Vor allem Jugendliche,<br />

die schon die Schattenseiten des Lebens<br />

kennengelernt haben, fühlen sich von diesem<br />

Bild angesprochen. E<strong>in</strong> Junge sagte<br />

dazu: »Ich glaube, dass ich auch aus dem<br />

dunkelsten Tal wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Licht komme!« //<br />

Er weidet mich auf e<strong>in</strong>er grünen<br />

Aue: Psalm 23 über <strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangstür<br />

des Haupthauses <strong>in</strong> Grünau<br />

Dietmar Redeker,<br />

Pfarrer bei <strong>der</strong><br />

<strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 21


GRÜNAU<br />

<strong>Das</strong> Projekt<br />

Mutmacher:<br />

Zirkuswoche für<br />

Grünauer K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen dürfte es<br />

<strong>der</strong> Höhepunkt des Jubiläumsjahres werden:<br />

Zum 175-jährigen Bestehen kommt<br />

e<strong>in</strong> Mitmach-Zirkus nach Bad Salzuflen auf<br />

das Gelände <strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau. »Wir<br />

freuen uns, dass wir den Zirkus Soluna für<br />

die Gestaltung e<strong>in</strong>er Zirkus-Projektwoche<br />

gew<strong>in</strong>nen konnten«, sagt E<strong>in</strong>richtungsleiter<strong>in</strong><br />

Mart<strong>in</strong>a Wagner. So bekämen die<br />

mehr als 100 K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung die Möglichkeit, Zirkusluft<br />

zu schnuppern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sommerferienwoche<br />

voller Luftakrobatik und Clownerie,<br />

Feuerkünsten und Zauberei. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d nur<br />

e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> geplanten Workshops, <strong>in</strong> denen<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen neue Fähigkeiten<br />

erlernen o<strong>der</strong> schon vorhandene<br />

reaktivieren und ausbauen können.<br />

E<strong>in</strong>richtungsleiter<strong>in</strong> Wagner hat schon<br />

mal abgefragt, worauf sich die jungen<br />

Grünauer<strong>in</strong>nen und Grünauer beson<strong>der</strong>s<br />

freuen: »Ich wünsche mir, e<strong>in</strong>e Feuershow<br />

zu sehen o<strong>der</strong> selber Feuer zu spucken«, hat<br />

<strong>der</strong> zwölfjährige Just<strong>in</strong>as geantwortet, und<br />

Michelle, ebenfalls zwölf Jahre alt, möchte<br />

gerne »etwas Akrobatisches lernen«.<br />

»Wir freuen uns, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen so e<strong>in</strong> tolles Event zu ermöglichen«,<br />

sagt Mart<strong>in</strong>a Wagner. »Neben dem<br />

Ausprobieren <strong>der</strong> künstlerischen und akrobatischen<br />

Angebote stehen für uns Freude,<br />

Spaß und das positive Erleben von Geme<strong>in</strong>schaft<br />

im Vor<strong>der</strong>grund.« Dies wie<strong>der</strong>um<br />

mache den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Mut und helfe ihnen<br />

auch, die Herausfor<strong>der</strong>ungen des Lebens<br />

und Belastungen besser zu bewältigen.<br />

Nach e<strong>in</strong>er Woche voller Übungen und<br />

Workshops sollten die Akteur<strong>in</strong>nen und<br />

Akteure dann zirkusreif se<strong>in</strong>. <strong>Das</strong> dürfen sie<br />

im Rahmen des Jubiläumssommerfestes am<br />

17. August beweisen. Dann zeigen die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendlichen <strong>in</strong> zwei Vorstellungen,<br />

was sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Projektwoche erlebt, ausprobiert<br />

und gelernt haben. //<br />

Um dieses beson<strong>der</strong>e<br />

Zirkusprojekt zu<br />

f<strong>in</strong>anzieren, freut sich<br />

die Jugendhilfe Grünau<br />

über Unterstützung:<br />

Sie können mit e<strong>in</strong>er<br />

Spende unter dem<br />

Stichwort »Zirkus«<br />

Ihren Beitrag leisten<br />

und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen e<strong>in</strong>e<br />

unvergessliche Woche<br />

bescheren.<br />

Danke<br />

22<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2024</strong>


IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> Grünau<br />

mehr Teilhabe schenken!<br />

Ob digitale Bildungshelfer, Freizeitausflüge<br />

o<strong>der</strong> tiergestützte Angebote:<br />

Mit Ihrer Hilfe können wir den mehr<br />

als 100 K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe Grünau Freude<br />

und schöne Erlebnisse schenken.<br />

Die Unterstützung durch engagierte<br />

Menschen und Firmen macht<br />

beson<strong>der</strong>e Projekte möglich. Unseren<br />

Jobmesse <strong>in</strong> Ostwestfalen<br />

setzt sich für K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

Dank <strong>der</strong> Unterstützung durch die Jobmesse My Job<br />

OWL konnten K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche aus Grünau<br />

e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>termärchen-Zirkusvorführung <strong>in</strong> Pa<strong>der</strong>born<br />

besuchen. »Die Jugendhilfe Grünau zu unterstützen<br />

ist für mich e<strong>in</strong>e Herzensangelegenheit. Mit den Spendengel<strong>der</strong>n<br />

kann ich Freude schenken und Unterstützung<br />

bieten, wo sie am dr<strong>in</strong>gendsten gebraucht wird«,<br />

sagt Geschäftsführer<strong>in</strong> Melanie Wöllner. Die Jobmesse<br />

stattete die E<strong>in</strong>richtung zudem mit iPads aus. »Die<br />

langjährige Unterstützung möchten wir nicht missen«,<br />

bedankte sich E<strong>in</strong>richtungsleiter<strong>in</strong> Mart<strong>in</strong>a Wagner.<br />

Helfer<strong>in</strong>nen und Helfern danken wir<br />

deshalb von Herzen. Im Jubiläumsjahr<br />

unserer heilpädagogischtherapeutischen<br />

E<strong>in</strong>richtung mit<br />

dem Motto »Beständig, bunt, bewegt«<br />

freuen wir uns über Geburtstagsspenden,<br />

die dabei helfen, K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit<br />

Belastungen besser zu för<strong>der</strong>n und<br />

ihre Teilhabe zu stärken.<br />

Wunsch erfüllt:<br />

W<strong>in</strong>termärchen<br />

<strong>in</strong> Pa<strong>der</strong>born<br />

Ihre Spende<br />

hilft!<br />

Schöne<br />

Erlebnisse<br />

spenden!<br />

Spendenkonto:<br />

<strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> Pädagogik gGmbH<br />

Grünau<br />

Sparkasse Lemgo<br />

IBAN DE18 4825 0110 0008 0380 44<br />

BIC WELADED1LEM<br />

Stichwort: RI Grünau<br />

Wenn Sie e<strong>in</strong>e Spendenquittung möchten,<br />

geben Sie bitte Ihre Adresse an.<br />

Ihre Ansprechpartner<strong>in</strong><br />

Mart<strong>in</strong>a Wagner<br />

E<strong>in</strong>richtungsleiter<strong>in</strong><br />

Telefon 05222. 9471-0<br />

Fax 05222. 9471-10<br />

m.wagner@graf-<strong>recke</strong>-stiftung.de<br />

www.gruenau-jugendhilfe.de/<br />

ueber-uns/spenden<br />

Unterstützung von<br />

Tier und Natur benötigt<br />

In <strong>der</strong> Begleitung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen mit<br />

belastenden Erfahrungen will die Jugendhilfe Grünau ihr<br />

natur- und tiergestütztes Angebot ausbauen. »Wir erleben,<br />

dass die Arbeit mit Tieren und das Erleben <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Natur e<strong>in</strong>e äußerst heilsame und för<strong>der</strong>liche Wirkung<br />

auf sie hat«, sagt E<strong>in</strong>richtungsleiter<strong>in</strong> Mart<strong>in</strong>a Wagner.<br />

Die Therapie for<strong>der</strong>e den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n viel Kraft ab. »Sie<br />

benötigen e<strong>in</strong>en sicheren und verlässlichen Rahmen, um<br />

sich auf die therapeutische Aufarbeitung ihrer traumatischen<br />

Erlebnisse e<strong>in</strong>lassen zu können.« Bei <strong>der</strong> tiergestützten<br />

Pädagogik pflegen und versorgen die Jungen<br />

und Mädchen das Tier und erleben positive Selbsterfahrungen.<br />

Für solche Angebote werden Spenden benötigt.<br />

Positive Erfahrungen:<br />

Kontakt zu Tieren<br />

kann K<strong>in</strong><strong>der</strong> stärken<br />

»Wir freuen uns,<br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong><br />

tolles Zirkusevent<br />

ermöglichen zu<br />

können.«<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong><br />

23


UND WANN<br />

MIT DIR?<br />

Beständig. Bunt.<br />

Bewegt. Seit 175 Jahren.<br />

Jugendhilfe<br />

Werde Teil des <strong>Graf</strong>-<strong>Recke</strong>-Teams!<br />

www.graf-<strong>recke</strong>-karriere.de/grünau<br />

www.facebook.com/<strong>Graf</strong><strong>Recke</strong>Karriere www.<strong>in</strong>stagram.com/<strong>Graf</strong><strong>Recke</strong>Karriere

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!