Birkhof_Hengst-Magazin_2024_klein

VERANSTALTUNGEN
Foto: Jan Reumann
„Der Strohballen-Satz“
Gastartikel: Kim Krelings Kolumne
im PFERDESPORT Journal
Birkhof-Fohlenchampionat
presented by vetmedpro.de | 6. August 2023
Sieger | je 1.-3. Platz
Hengstfohlen Dressur
v. Esperanto-Fürst Rousseau
aus der Zucht von Günther Kolb
v. Filox-Dancier
aus der Zucht von ZG Bäuerle
v. Filox-Topas
aus der Zucht von Doris Maurer
Hengstfohlen von
Esperanto-Fürst Rousseau
Stutfohlen Dressur
v. Montgomery-Fahrenheit
aus der Zucht von Reinhold
Marschall
v. Esperanto-Stedinger
aus der Zucht von Martin Meder
v. Esperanto-Kronprinz/T.
aus der Zucht von Gebhard Geiger
Stutfohlen von
Montgomery-Fahrenheit
Springfohlen
v. Arezzo Man-Stedinger
aus der Zucht des Stutenmilchgestüt
Schwarz
v. Candid-Likoto xx
aus der Zucht von ZG Stöferle
v. Arezzo Man-Casall
aus der Zucht von Franz Daiber
Stutfohlen von
Arezzo Man-Stedinger
Der beste Satz, den ich je auf einem
Turnier übers Mikrofon direkt vom
Veranstalter gehört habe:
„Wir haben noch genug Tribünenplätze:
Wer noch einen Platz
braucht, kann sich einfach hier
vorne einen Strohballen mitnehmen
und ein Plätzchen am Hang
suchen.“ So gehört Anfang August
beim Dressurfestival auf dem
Gestüt Birkhof.
In diesem Satz steckt jede Menge
drin:
• Zuallererst eine faszinierend simple
Praxisnähe.
Bevor man überlegt, woher man
spontan noch fünf Leute bekommt,
die weitere Strohballen-Sitzreihen
aufbauen, kann das jeder Zuschauer
selbst erledigen. Es klappte hervorragend.
• Keine Angst vor Unruhe.
Es klingt fast komisch: Ein Dressurturnier
mit Prüfungen bis zum Grand
Prix-Niveau und dann auch noch für
junge Grand Prix-Nachwuchspferde
und die Zuschauer tragen ihre
Strohballen in direkter Viereck-Nähe
hin und her. Aber auch das war gar
kein Problem. Rund ums Viereck war
nie absolute Ruhe, es herrschte eine
gleichmäßige normale ‚Lebendigkeit‘,
sodass einzelne Bewegungen gar keine
Rolle spielten bzw. nicht auffielen.
Sterile Ruhe, wie man sie nicht selten
am Rande eines Dressurvierecks
erlebt, macht Entspannung für Pferd
und Reiter oft viel schwieriger.
• Unglaublich viele Zuschauer.
Der Birkhof liegt nun wirklich nicht
in Ortsmitte, ist nicht per Bus zu
erreichen oder in Laufnähe einer
größeren Ortschaft. Häufige Argumente,
warum wenig Besucher zu
Turnieren kommen. Ausgeschrieben
waren auch keine Springprüfungen
oder Vereinsquadrillen, die gerne als
‚Lockvögel‘ für Zuschauer im Programm
dienen. Und trotzdem war
‚die Hütte voll‘. Es wurde kein Eintritt
verlangt. Die Stimmung auf dem Turnier
war rundum familienfreundlich,
es gab lecker zu essen und zu trinken
und die Geselligkeit am Abend wurde
groß geschrieben – mit Open-Air-
Kino, Beachvolleyball und Live-Band.
Aber das alles kann einen Punkt nicht
ersetzen: Die enge regionale Verknüpfung
zu den Orten drumherum,
zu den Menschen vor Ort. Nur diese
Nähe macht es möglich, dass ein
Dressurfestival zu einem Familienfest
wird, bei dem längst nicht alle
Interesse daran haben, ob die Piaffe
am Fleck geritten war oder nicht.
• Neue Pferdefans erreichen.
Genau den ‚Piaffe-am-Fleck-odernicht-Zuschauern‘
wurde trotzdem
sehr viel Spaß am Pferd vermittelt:
über eine sehr kurzweilige Show vom
verkleideten Führzügel-Finale, über
Voltigieren, Reiterspiele, Springwettbewerbe
bis zur Mini-Shetty-Herde.
• Perfekte Verknüpfung.
Jeder Veranstalter muss mit seinem
Event einen Mehrwert erzielen, sonst
gibt es die Veranstaltung nicht lange.
Ob dieser Mehrwert finanzieller Art
oder ganz anderer Art ist, ist egal. Ob
man beispielsweise die Gelegenheit
nutzt und den Menschen vor Ort erklärt,
was man überhaupt in seinem
Betrieb dort tut? Wieso und was man
mit den Pferden macht? In welchen
Bereichen man überall auf die Faszination
Pferd trifft? Mehrwerte, die
man langfristig spürt.
Herzlichkeit jedem einzelnen
gegenüber
Natürlich muss man zugeben, dass
die Strohballen-Tribüne nicht überall
einsetzbar ist. Man braucht zum
Beispiel eine gewisse Hanglage an
Viereck oder Parcours, weil sonst
die dritte Reihe schon nichts mehr
sieht. Man kann sicher auch nicht
bei bezahlten Tribünenplätzen auf
die Getreide-Sitzkissen verweisen.
Dass dieses Konzept nicht auf internationale
Fünf-Sterne-Turniere eins
zu eins anwendbar ist, ist auch klar.
Vielleicht kann dieser ‚Tribünen-
Strohballen-Satz‘ ein Mutmacher für
Veranstalter sein: Das Einzige, was
wirklich perfekt sein muss, sind die
Bedingungen für die Pferde und zum
Reiten, alles andere ist vielleicht viel
variabler, als man denkt. Aber ganz
wichtig sind die regionale Rund-ums-
Jahr-Nähe, die Herzlichkeit jedem
Besucher, Reiter, Zuschauer gegenüber
und das Bestreben, die eigene
Freude am Pferd zu teilen. Dann wird
ein Strohballen am Viereckrand zum
besten Tribünenplatz, den man sich
vorstellen kann.
Widrige Wetterverhältnisse ließen das
Turnier auf dem Gestüt Birkhof fast ins
Wasser fallen – aber gute Bedingungen
für die Sportler, die Herzlichkeit der
Gastgeber gegenüber jedem Einzelnen
und ein buntes Rahmenprogramm mit
Strohballen-Tribüne für die Besucher
machten alles wett.
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