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kulturnews_06_2024

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6/<strong>2024</strong> Das Magazin für Popkultur<br />

Beth Gibbons<br />

Das wichtigste Solodebüt des Jahrzehnts<br />

MUSIK<br />

BUCH<br />

KUNST<br />

Opulenter<br />

Hollywoodpop<br />

LINDSEY<br />

STIRLING<br />

Bissige<br />

Gegenwartsanalysen<br />

T. C. BOYLE<br />

Gigantische<br />

Installationen<br />

JOANA VASCONCELOS


Titelfotos: Domino Records (Beth Gibbons) | Heather Koepp (Lindsey Stirling) | Peter-Andreas Hassiepen (T. C. Boyle) | Lore Kalamala (Joana Vasconcelos)<br />

4 Musik<br />

4 Pop<br />

28 Jazz + Klassik<br />

68 Klubs + Konzerte<br />

34 Special<br />

SciFi + Horror + Fantasy<br />

40 Film<br />

40 Kino<br />

46 Streaming + DVD<br />

48 4Teens<br />

52 Buch<br />

52 Literatur<br />

56 Krimi<br />

58 Kunst + Kultur<br />

Der Juni ist Pride Month, und der Kampf gegen die Kriminali -<br />

sierung, Stigmatisierung und Ausgrenzung aufgrund von sexueller<br />

Identität ist so wichtig wie lange nicht. Findet auch John Grant:<br />

„Ich lebe nun seit vielen Jahren in Reykjavík und habe die<br />

isländische Staatsbürgerschaft, aber jeden Tag überlege ich, ob<br />

ich nicht zurückgehen sollte, um vor Ort zu sein und zu kämpfen“,<br />

erzählt er in unserem Interview auf Seite 19. Vor vielen Jahren<br />

hat der Musiker und LGTBQ-Aktivist die USA verlassen, wendet<br />

sich in seinen Songs aber immer wieder gegen das konservative<br />

Amerika. Auch auf seinem aktuellen Album „The Art of the Lie“,<br />

das nicht gerade zufällig im Juni erscheint. „Mit meiner Musik<br />

dagegenzuhalten, reicht mir nicht mehr“, sagt er – und denkt<br />

dabei an die rasant ansteigende Gewalt gegenüber der queeren<br />

Community und die Zensur von Literatur. „Schon in den 80ern<br />

hat Frank Zappa eine christliche Theokratie prophezeit – und da<br />

sind wir jetzt angekommen.“<br />

Von der Situation in Afrika erzählt der ergreifende Debütroman des<br />

24-jährigen Nigerianers Chukwuebuka Ibeh. In seinem Heimat -<br />

land wird Homosexualität mit bis zu 14 Jahren Freiheitsentzug<br />

bestraft, in den islamisch geprägten Bundesstaaten droht gar<br />

die Todesstrafe durch Steinigung. Ibeh wehrt sich mit zarter<br />

und doch so scharfkantiger Sprache, wenn er in „Wunden“ eine<br />

Coming-of-Age-Geschichte erzählt, die das Verstecken und die<br />

Selbstverleugnung dokumentiert (Seite 52).<br />

Sounds gay, we’re in!<br />

Foto: Lauren Harris<br />

9 Rachel Chinouriri<br />

Inhalt<br />

Ganz andere Töne schlagen die Stars der lesbischen Dating -<br />

show „Princess Charming“ an, wenn sie gemeinsam mit Ricarda<br />

Hofmann vom „Busenfreundin“-Podcast auf ihre „Pride Special<br />

<strong>2024</strong>“-Tour gehen (Seite 67). Auf unseren 4Kids + 4Teens-Seiten<br />

stellen wir regenbogenfarbene Jugendbücher vor, die für Toleranz<br />

werben und eine bunte Party feiern. Und natürlich haben wir<br />

die queeren Stimmen auch in unserem Special zu SciFi,<br />

Fantasy und Horror nicht vergessen, das auf Seite 34 beginnt.<br />

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Viel Vergnügen mit noch mehr Kultur!<br />

Kultur erleben<br />

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<strong>kulturnews</strong> | 3


Musik<br />

In der glattgewalzten Poplandschaft nimmt Charli XCX eine<br />

Sonderstellung ein: Hintergrund als Songwriterin, Freund -<br />

schaften mit Hyperpopvorreitern wie A. G. Cook und<br />

Undergroundcredentials auf der einen, Mainstreamappeal<br />

und Starpower auf der anderen Seite. Der seit Jahren prophezeite<br />

Erfolg hat lange auf sich warten lassen, ehe „Crash“<br />

im Jahr 2022 endlich die Charts geknackt hat – Charli selbst<br />

nennt es ihr „Sell-out-Album“. Mit ihrer sechsten Platte<br />

„Brat“ bringt die Britin nun beide Seiten zusammen, verbindet<br />

Pop und Klub – und macht sich im Video zur Single „360“<br />

über das eigene Image lustig, wenn sie gemeinsam mit<br />

Rachel Sennott, Julia Fox und Chloë Sevigny das „new hot<br />

internet girl“ sucht. Irgendwie ironisch, irgendwie aber auch<br />

ernst gemeint – der klassische Charli-Spagat eben. mj<br />

Foto: Warner Music<br />

4 | <strong>kulturnews</strong>


Szene<br />

Foto: Universal Music<br />

Lust auf Meer<br />

In dem Wissen, dass Billie Eilish Wasser fürchtet, wirft das dunkelblaue<br />

Tauchgangcover ihrer dritten Platte Fragen auf und trifft doch den Kern:<br />

Denn Eilish lebt von solchen Extremen. Der Albumtitel „Hit me hard and<br />

soft“ sowie ihr Hang zu zweiteiligen Stücken, die etwa aus weichen<br />

Akustiktönen in kantigen Discopop münden, spiegeln dieses Paradox<br />

wider. Die 22-Jährige ist mehr Kunstwerk als Musikerin – es lohnt sich,<br />

zwischen den Zeilen, Melodien und Bildern ihres neusten Werks zu<br />

lesen. Sie sagt, die Farbe Blau sei, wie sie sich wahrnehme; ihr drittes<br />

Album sei sie: „Es fühlt sich wie die ,When we all fall asleep, where do<br />

we go?‘-Version von mir an. Es fühlt sich an wie meine Jugend und, wer<br />

ich als Kind war“. Mit ihrer neuen Musik hat Eilish ihr authentisches<br />

Selbst aus ihren einstigen Wurzeln neu erbaut. jm<br />

„Das ist ganz<br />

genau der Scheiß,<br />

den man lernt<br />

in Therapie“<br />

Aus: „Therapie“<br />

Zu lieben und zu leben sind die beiden großen Heraus -<br />

forderungen, an denen sich Wanda seit fünf Alben ab -<br />

arbeiten. „Diese Sessions waren eine transzendentale<br />

Erfahrung“, fasst Marco<br />

Wanda den Entstehungs -<br />

prozess des aktuellen, sechsten<br />

Albums „Ende nie“<br />

zusammen. Womöglich gilt<br />

hier wirklich die alte Binse:<br />

Musik ist Therapie. Be hand -<br />

lungsgründe gibt es für die<br />

Wiener Rockband genug.<br />

Foto: Luis Engels<br />

Gou it again!<br />

Wenn es einen Spagat braucht, um Rave und Radio zu<br />

vereinen, ist Peggy Gou Meisterturnerin: Features mit<br />

Kylie Minogue und Lenny Kravitz auf der einen, Gigs in<br />

den relevantesten Technoklubs auf der anderen Seite.<br />

Online inszeniert sich die Südkoreanerin zu Recht wie<br />

ein Popstar, ist ihr mit „(It goes like) Nanana“ 2023<br />

doch einer der größten Hits des Jahres gelungen.<br />

Obwohl Gou spätestens seit 2018 und erst recht „It<br />

makes you forget“ auf dem Zettel aller House-Fans stehen<br />

sollte, erscheint mit „I hear you“ erst jetzt ihr<br />

Debütalbum, mit dem sie ihre unnachahmliche Fähig -<br />

keit, Pop und Techno zu jonglieren, perfektioniert:<br />

Citypop trifft auf Trance, 90er-House à la Robin S. auf<br />

Faithless-Gedächtnis Rave, Ostblockzieh harmonika<br />

auf spanischen Rap. fe<br />

RUMPELIGE RETROGROOVES<br />

Kennen wir uns?<br />

Foto: Jessie Morgan<br />

Foto: XL Recordings<br />

Kaum zu glauben, dass Alfie Templeman erst 21 Jahre alt ist. Immerhin<br />

schreibt der Popboy seit sechs Jahren Songs, die bereits in zwei<br />

Soloalben gemündet sind. Da kann der Pool an Kreativität schon mal<br />

leergepumpt sein. Und wo zieht es einen Anfang 20-jährigen Süd -<br />

engländer in der Krise hin? Nach Miami und LA, wo Nile Rodgers<br />

den Jungen mit frischen Grooves versorgt hat. Zurück im grauen<br />

Südengland, hält der Glow glücklicherweise an, und so klingt<br />

Templemans drittes Album „Radiosoul“ nach Foals, Jungle und Parcels:<br />

Manchmal rumpeln die Retrogrooves, um gleich wieder clean und elektronisch<br />

zu spuren. Templemans neue Acid-Pop-Songs wirken, als<br />

würde man sie schon ewig kennen. fe<br />

<strong>kulturnews</strong> | 5


Musik<br />

„Ich habe oft gedacht:<br />

Was tun wir hier?“<br />

Beth Gibbons veröffentlicht Meisterwerke – doch darüber reden will sie nicht.<br />

Dann muss eben Produzent James Ford erklären, was das Solodebüt der Portishead-Sängerin<br />

zum wohl wichtigsten Album dieses Jahrzehnts macht.<br />

James, erinnerst du dich noch an den<br />

Moment, in dem du zum ersten Mal die<br />

Stimme von Beth Gibbons gehört hast?<br />

James Ford: Da war ich noch ein Teenager<br />

und habe das Portishead-Debüt „Dummy“<br />

ganz allein in meinem Schlafzimmer gehört.<br />

Ehrlich gesagt wusste ich beim ersten Mal<br />

nicht so recht, was ich mit diesem Sound<br />

anfangen sollte. Vielleicht hatte die Platte<br />

einen schweren Start, weil ich die CD von<br />

meinem Vater bekommen hatte, aber diese<br />

dunkle und geheimnisvolle Musik war auch<br />

ganz anders als die Sachen, die ich damals<br />

sonst so gehört habe. Trotzdem hat mich<br />

Beths Stimme dazu gebracht, dass ich sie<br />

immer wieder gehört habe, und nach und<br />

nach ist sie eine meiner Lieblingsplatten<br />

geworden. Vor allem aber ist es definitiv das<br />

erste Mal gewesen, dass ich mich intensiver<br />

mit der Produktion von Musik beschäftigt<br />

habe: Warum klingt das alles so seltsam und<br />

so interessant?<br />

Beth hat mehr als zehn Jahre an ihrem<br />

Solodebüt gearbeitet. Wann bist du dazugekommen?<br />

Ford: Ungefähr auf halber Strecke, es war<br />

auf jeden Fall noch vor der Pandemie. Beth<br />

hatte zunächst allein und dann gemeinsam mit dem Talk-Talk-Schlag -<br />

zeuger Lee Harris an den Songs gearbeitet. Sie wollte weg von Portishead:<br />

keine Elektronik, Loops oder Samples. Es ging darum, elektronische<br />

Texturen mit akustischen Instrumenten umzusetzen, und die beiden<br />

waren an einem Punkt angelangt, an dem sie Hilfe brauchten.<br />

Du bist kein Egoproduzent, sondern stellst dich ganz in den Dienst der<br />

Musiker:innen, mit denen du arbeitest. Macht es dir Spaß zu experimentieren,<br />

oder hast du es lieber, wenn Künstler:innen ganz klare<br />

Vorstellungen haben?<br />

Ford: Für mich war der langsame Prozess ungewohnt, denn ich arbeite<br />

eigentlich sehr schnell. Wir haben immer für ein oder zwei Wochen gearbeitet<br />

und dann mehrere Monate pausiert. Aber das Experimentieren<br />

macht Spaß. Der Arbeitsprozess bestand vor allem darin, dass ich Dinge<br />

ausprobiere. Beth hat mich angeleitet, und sie hat sich dann die Sachen<br />

rausgesucht, die ihr gefallen haben.<br />

Hast du gezählt, wie viele verschiedene Instrumente du auf dem<br />

Album spielst?<br />

Ford: Irrwitzigerweise bestimmt 30 oder 40. Bassklarinette und Violine<br />

James Ford (45) hat als Produzent für die<br />

Arctic Monkeys, Depeche Mode, Florence<br />

And The Machine und zuletzt für die Pet<br />

Shop Boys und Blur gearbeitet. Er ist für<br />

das Album „Myths of the near Future“ von<br />

den Klaxons verantwortlich, das im Jahr<br />

2007 den Mercury Prize gewonnen hat. Mit<br />

Jas Shaw bildet Ford das Duo Simian<br />

Mobile Disco, im Jahr 2023 ist mit „The<br />

Hum“ sein Solodebüt erschienen.<br />

Foto: Pip Bourdillon<br />

habe ich etwa nie zuvor gespielt, und Beth<br />

hat mir auch ein Dreierpack Blockflöten in<br />

die Hand gedrückt, mit denen ich zuletzt in<br />

der Grundschule zu tun gehabt hatte.<br />

Allerdings habe ich auch mitgezählt, wenn<br />

ich etwa eine seltsam gestimmte Gitarre ge -<br />

spielt und dabei auf dem Boden gelegen<br />

habe. Und für „Tell me who you are today“<br />

hat Beth vorgeschlagen, dass ich die Saiten<br />

des Klaviers mit einem Löffel bearbeite. Es<br />

ging in erster Linie immer darum, spezielle<br />

Sounds aus den Instrumenten rauszuholen.<br />

Wenn etwas zu konventionell klang, wollte<br />

Beth das meist nicht.<br />

Stimmt es, dass ihr sogar auf dem<br />

Boden rumgerobbt seid und Tiergeräusche<br />

imitiert habt?<br />

Ford: Es waren eher Atemgeräusche. (lacht)<br />

Da ging es um den Raumsound, und wir<br />

haben Mikrofone in die Luft gehalten, damit<br />

über unseren Köpfen ein Pfeifen entsteht. Ich<br />

habe oft gedacht: Was tun wir hier? Aber die<br />

Platte profitiert von all diesen Details, und<br />

diese Aufnahme haben wir etwa für „Floating<br />

on a Moment“ verwendet.<br />

War es auch Beths Idee, bei diesem Stück<br />

mit einem Kinderchor zu arbeiten?<br />

Ford: Das sind tatsächlich Beths Kids, und wir haben das dann so bearbeitet,<br />

dass es nach einem Chor klingt. Den Gesang haben wir häufig bei<br />

Beth in Bristol aufgenommen, wo sie ein kleines Gartenhausstudio hat.<br />

Währenddessen haben die Kinder in einem aufblasbaren Pool gespielt,<br />

was in dem Song ja auch zu hören ist. „All going to nowhere“, was für<br />

ein trostloser Satz. Aber es ist unglaublich ergreifend, wenn die lieblichen<br />

Kinderstimmen diese nihilistische Zeile singen.<br />

Trotz allem steckt auch Hoffnung in dem Album, und sei es auch nur, dass<br />

man in diesen dunklen Zeiten endlich wieder Beth an seiner Seite hat.<br />

Ford: Mir war es wichtig, auch musikalisch immer wieder anschmieg -<br />

same Passagen als Ausgleich zu haben. Aber klar, unsere Gegenwart ist<br />

extrem niederschmetternd. Zudem verhandelt Beth in ihren Songs das<br />

Älterwerden, es geht um die eigene Sterblichkeit, den Verlust von<br />

Freunden und Familie.<br />

„Lives outgrown“ wird aus vielen Gründen in die Musikgeschichte eingehen.<br />

Womöglich auch, weil es die erste Platte ist, auf der die<br />

Wechseljahre ein zentrales Thema sind.<br />

Ford: Stimmt, sie ist da sehr explizit, und mir fällt nichts Vergleichbares<br />

6 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

Foto: Netty Habel<br />

ein. Ich habe mit ihr viel über das Älterwerden gesprochen, und gerade<br />

weil ich zuletzt auch mit etablierten Künstlern wie Blur und den Pet Shop<br />

Boys gearbeitet habe, fällt mir auf, wie sehr es mich berührt, wenn ältere<br />

Stimmen mit Leidenschaft von den Punkten im Leben berichten, an<br />

denen sie sich gerade befinden. Die Musikindustrie setzt ja vor allem auf<br />

die Jugend, und auch wenn Energie und eine<br />

charmante Naivität natürlich oft spektakulär<br />

sind, kann Lebenserfahrung das auch toppen.<br />

Beth ist der Gegenentwurf zu einer Madonna,<br />

die für immer 18 sein will.<br />

Die Intensität ihrer Musik wird dadurch ge -<br />

steigert, dass sie seit den Anfängen von<br />

Portishead konsequent Interviews verweigert<br />

hat. Mich hat es komplett überrascht, dass<br />

sie die Ankündigung von „Lives outgrown“<br />

zumindest mit ein paar Kommentaren flankiert<br />

hat.<br />

Ford: Wir haben nicht darüber gesprochen,<br />

aber ich vermute, dass ist den Spielregeln des<br />

Social-Media-Alltags geschuldet. Und sie hat<br />

es ja so minimalistisch wie möglich gehalten.<br />

Die Magie meiner größten Helden wie Prince<br />

Lives outgrown<br />

ist gerade erschienen<br />

oder David Bowie speist sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass sie sich<br />

dieser Nahbarkeit stets verweigert haben, und in gewisser Weise macht<br />

es ein Frank Ocean heute auch nicht anders. Beth kann sich das mit<br />

ihrer Stimme rausnehmen. Selbst wenn wir zusammen gearbeitet und<br />

den Gesang aufgenommen haben, hatte ich jedes Mal eine Gänsehaut.<br />

Selbst dann, wenn das Arbeiten mit ihr zur<br />

Geduldsprobe geworden ist?<br />

Ford: Auch wenn ich schnell arbeite, bin ich<br />

eigentlich ein sehr geduldiger Mensch. Ja,<br />

Beth hat das mehr herausgefordert als jede:r<br />

Künstler:in zuvor. Für mich war das Album<br />

schon ein Jahr früher fertig als für Beth. Selbst<br />

als ich ihr erklärt habe, dass wir bereits krass<br />

überzogen haben und ich andere Projekte zu<br />

erledigen hatte, wollte sie immer noch ein<br />

Detail überarbeiten. Aber genau das macht sie<br />

eben auch zu einer der herausragendsten<br />

Künstler:innen unserer Zeit.<br />

LIVE 2. 6. Berlin<br />

Interview: Carsten Schrader<br />

<strong>kulturnews</strong> | 7


Musik<br />

Apocalypse<br />

soon<br />

von links: Colin Caulfield, Andrew Bailey,<br />

Ben Newman, Zachary Cole Smith<br />

Foto: Shervin Lainez<br />

Mit ihrem vierten Album begleiten DIIV die graduelle Zerstörung unserer Welt.<br />

Auch die Band hat die Aufnahmen nur knapp überlebt.<br />

Ben, Cole, Colin, bei „Frog in boiling Water“ denke ich sofort an die<br />

Metapher von dem Frosch, der nicht merkt, wie das Wasser um ihn<br />

herum zu kochen anfängt. Wer ist in eurem Szenario der Frosch?<br />

Ben Newman: Es geht auf jeden Fall auch ums Klima, aber eigentlich<br />

um alles zugleich. Jeder Song auf dem Album handelt von einem anderen<br />

Thema. Cole hat sich an die Sache mit dem Frosch aus einem Buch erinnert,<br />

das er vor langer Zeit gelesen hat, und die Idee mitgebracht, als das<br />

Album schon fertig war. Er hat den Titel vorgeschlagen, und uns war<br />

sofort klar, dass er alles zusammenfasst.<br />

Zachary Cole Smith: Der banale Abstieg in die Dystopie, der so langsam<br />

und alltäglich ist, dass du nicht merkst, wie schlimm es wirklich ist.<br />

Lässt sich die Metapher auch auf euch als Band<br />

übertragen? Ihr hattet ja einige Probleme mit der<br />

Produktion des Albums …<br />

Smith: Wenn man die Metapher so weit treiben will,<br />

war der Tag, an dem wir uns als Band ausgesprochen<br />

haben, sozusagen das Rausspringen aus dem Topf.<br />

Colin Caulfield: Das mit dem banalen Abgleiten ins<br />

Dystopische gilt auch für Beziehungen: Oft werden<br />

die Dinge schlimm, bevor man überhaupt erkennt,<br />

was passiert. Es ist schwer, ein destruktives System<br />

zu konfrontieren, während du gleichzeitig mit deinen<br />

persönlichen Bedürfnissen beschäftigt bist. In einer<br />

Gruppe ist es dasselbe, weil es immer einen Grund<br />

Frog in boiling Water<br />

ist gerade erschienen<br />

gibt, das Gespräch aufzuschieben: Ich muss nach Hause, was erledigen,<br />

wir müssen das Album beenden …<br />

Ihr habt ganze vier Jahre daran gearbeitet und hattet mehrere<br />

Fehlstarts.<br />

Smith: Da treffen sich die beiden Ebenen. Die materiellen Bedingungen<br />

für Musiker:innen waren noch nie so schlecht wie jetzt. Wenn wir das<br />

Album besser machen wollen, müssen wir auch länger ohne Geld auskommen.<br />

Das verstärkt natürlich die Spannungen in der Band, weil es<br />

nicht mehr nur um unsere Kreativität oder Freundschaft geht – es geht<br />

um unser Leben und das unserer Familien.<br />

Ursprünglich sollte das Album wesentlich elektronischer klingen, jetzt<br />

stehen doch wieder Gitarren im Mittelpunkt. Hat<br />

das auch mit der durchgestandenen Krise zu tun?<br />

Caulfield: Wenn du genau hinhörst, fallen dir noch<br />

Sprengsel aus dem Computer auf. Hast du mal was<br />

über das Making-of von „Apocalypse now“ gelesen?<br />

Coppola hatte eine genau durchgeplante Vision für<br />

den Film. Doch der Dreh hat sich ewig gezogen, und<br />

das Drehbuch hat sich immer mehr verändert.<br />

Ab einem bestimmten Punkt schaffst du nicht wirklich<br />

mehr den Film, sondern reagierst nur noch darauf,<br />

was der Film will. So war es bei uns auch:<br />

ein Abenteuer.<br />

Interview: Matthias Jordan<br />

8 | <strong>kulturnews</strong>


Schicht<br />

für<br />

Schicht<br />

Musik<br />

reservix.de<br />

dein ticketportal<br />

Auf dem Debütalbum schält Rachel Chinouriri<br />

ihren Indierock und diverse Traumata, bis nur<br />

noch Liebe übrig bleibt.<br />

›<br />

Laut aktuellem Traumadiskurs ist wenig wichtiger, als das<br />

ominöse innere Kind zu umarmen. Doch obwohl Rachel<br />

Chinouriri ihr Debütalbum selbst als eine Ansammlung unterschiedlichster<br />

Umgangsformen mit den eigenen Traumata beschreibt, verzichtet<br />

sie auf etwaigen Heilungshokuspokus. Womöglich, weil sie<br />

sich mit ihren 25 Jahren sowieso noch in Rufweite zur eigenen<br />

Kindheit bewegt, oder, weil sie Narben trägt, die schlicht kein<br />

Selfcare-Ratgeber zu heilen imstande wäre: Als Tochter simbab -<br />

wischer Eltern, aufgewachsen in prekären Verhältnissen in<br />

Südlondon, waren Entwurzelung, Rassismus und Unterdrückung früh<br />

ein Thema. Anstatt sich mit ihrer Familie in die Kirche zu flüchten,<br />

wurden Indierock und Britpop ihre Anker: Coldplay statt Gospel,<br />

Songwriting statt Beichte. Einige Jahre und drei EPs später steht nun<br />

ein Debütalbum an, das klingt, als wäre es bereits ihr zehntes. „What<br />

a devastating Turn“ ist groß und doch intim, dringlich und unausweichlich,<br />

aber ungeschönt direkt wie ein Tagebuch. Eine Erzählung<br />

von Trennung, Tod und transgenerationalen Traumata.<br />

Dabei bildet speziell der Sound der ersten Hälfte des Albums diese<br />

inhaltliche Schwere kaum ab: 2000er-Indiegitarren tänzeln um<br />

Chinouriris smoothe Gesangsmelodien, während anmutiger Britpop<br />

mit 80er-Claps und soften Synthies betupft wird. Unter all der erhabenen<br />

Tanzbarkeit brodelt es allerdings: Zugehörigkeitsfragen, verpackt<br />

in hymnische Chorusse („The Hills“), Absagen ans eigene<br />

Helfersyndrom („Never need me“) und süffisante Abrechnungen mit<br />

lästigen Ex-Freunden, pfeifend und rappend vorgetragen, irgendwo<br />

zwischen Lily Allen und Sleaford Mods („It is what it is“). Verpanzert<br />

sich Chinouriri zunächst noch hinter Nihilismus und Humor, steuert<br />

alles auf die bereits im Albumtitel angelegte Wende zu. Und so, wie<br />

sich der Sound allmählich schält, immer akustischer und zärtlicher<br />

wird, beginnt auch die Londonerin, sich zu öffnen, berichtet vom Selbst -<br />

mord einer Frau im Angesicht einer Abtreibung (Titeltrack), dem Tod<br />

eines jungen Familienmitgliedes („Robbed“) und tiefem Selbsthass<br />

(„I hate myself“). Dass Chinouriri schließlich nur mit Akustikgitarre bei<br />

der Liebe landet, widerlegt versöhnlich die Ausgangsthese des Openers:<br />

„My god, it’s sinking in/There’s no point in anything”. Womöglich hat<br />

sie sich da getäuscht.<br />

Felix Eisenreich<br />

What a devastating Turn ist gerade erschienen.<br />

LIVE 16.–18. 8. Hamburg, Dockville<br />

<strong>kulturnews</strong> | 9<br />

Foto: Lauren Harris<br />

01.03.25 Düsseldorf<br />

03.03.25 Frankfurt<br />

04.03.25 Stuttgart<br />

08.03.25 Wien<br />

14.03.25 München<br />

... und weitere Termine<br />

28.07.24 Pratteln<br />

31.07.24 Berlin<br />

04.08.24 Köln<br />

08.08.24 Hamburg<br />

04. – 07.<br />

JULI<br />

Alle Angaben ohne Gewähr<br />

Ben Becker<br />

01. & 02.11.24 Berlin<br />

22. & 23.11.24 Düsseldorf<br />

04.12.24 München<br />

14.12.24 Bremen<br />

12.02.25 Potsdam<br />

...und weitere Termine<br />

Joanna<br />

Gemma Auguri<br />

03.09.24 Silent Green, Berlin<br />

Pippo Pollina<br />

07.07.24 Passau<br />

13.07.24 Riehen<br />

11.08.24 Berlin<br />

01.10.24 Leipzig<br />

02.10.24 Wolfsburg<br />

...und weitere Termine<br />

Tickets unter reservix.de<br />

Hotline 0761 888499 99


Musik<br />

Grüner wird’s nicht!<br />

Foto: Holly Whitaker<br />

Die drei Mitglieder von Goat Girl trauen sich mehr als je zuvor –<br />

indem sie sich ein Vorbild an der Natur nehmen.<br />

Rosy, Holly, Lottie, auf eurem dritten Album klingt ihr sehr selbstbewusst<br />

und souverän. Woher kommt diese neue Sicherheit?<br />

Rosy Jones: Sie kommt einfach natürlich mit der Zeit. Aber dadurch,<br />

dass wir marginalisierten Gendern angehören, waren wir lange Zeit nicht<br />

so selbstsicher. Ich persönlich hatte am Anfang wenig Vertrauen in mich,<br />

das muss sich erst aufbauen. Die Leute um dich herum können dabei<br />

helfen, was ein Grund ist, warum wir gemeinsam so gut funktionieren.<br />

Holly Mullineaux: Wir kennen uns auch gegenseitig besser, was vor allem<br />

für mich gilt, weil ich ja später dazugekommen bin. Dieses Album hat<br />

zwar immer noch lange gebraucht, aber der Prozess hat sich müheloser<br />

angefühlt als beim Vorgänger. Wir haben erstmals offiziell koproduziert<br />

und mehr ausprobiert. Der Song „Motorway“ etwa hat weder Gitarre<br />

noch Bass.<br />

„Below the Waste“ wirkt sehr organisch, arbeitet<br />

viel mit Streichern und Naturgeräuschen – und<br />

thematisch geht es ja auch viel um Prozesse in<br />

der Natur.<br />

Pendlebury: Am Anfang, als ich mit dem Schreiben<br />

der Texte angefangen habe, war alles eher ein<br />

Gedankenstrom. Aber dieselben Themen sind immer<br />

wieder aufgetaucht, auch in meinen Träumen und<br />

den Büchern, die ich gelesen habe. Es ist die Welt um<br />

dich herum, die mit einfließt. Als ich etwa das Demo<br />

zu „Pretty Faces“ in meinem Schlafzimmer aufgenommen<br />

habe, hat es geregnet, also habe ich einfach das<br />

Mikro aus dem Fenster gehalten.<br />

Below the Waste<br />

erscheint am 7. Juni<br />

Was genau bedeutet der Titel für euch?<br />

Mullineaux: Für mich bedeutet es, sich anzuschauen, was unter den<br />

Dingen liegt, vor allem den Dingen, die überflüssig oder nicht hilfreich<br />

sind. Da kann es natürlich um die Umwelt gehen, aber auch um den Um -<br />

gang mit anderen Menschen. Es hat etwas von einem Aufstehen:<br />

Es erkennt die Ekelhaftigkeit der Gesellschaft an, versucht aber, sie<br />

zu überwinden.<br />

Pendlebury: Es geht auch darum, sich den Zyklen des Lebens auszuliefern.<br />

Wir leben in der Stadt, also ist unsere Vorstellung der Natur anders<br />

als von Leuten, die auf dem Land aufgewachsen sind. Aber gerade diese<br />

Ästhetik fasziniert mich: Wurzeln, die aus Häusern wachsen, oder<br />

Bäume, die sich um Telefonzellen ranken.<br />

Spannend, dass du Zyklen erwähnst, denn der erste und letzte Song<br />

gehen ineinander über. Ist das ganze Album ein Zyklus?<br />

Jones: Eigentlich sollte der Opener später im Album<br />

kommen, aber dann hatte Holly die Idee, ihn an den<br />

Anfang zu setzen. Wir haben viel darüber gesprochen,<br />

wie cool es ist, wenn Alben mit einer Art Einleitung<br />

beginnen, die den Rest vorbereiten. Das ist auch von<br />

klassischer Musik inspiriert, die ja viel mit wiederkehrenden<br />

Motiven arbeitet – auch etwas, das wir mit diesem<br />

Album stärker einbeziehen konnten.<br />

Interview: Matthias Jordan<br />

LIVE<br />

11. 10. Nürnberg | 12. 10. Köln | 13. 10. Berlin<br />

10 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

Fanboy’s<br />

Daydream<br />

„Rock’n’Roll Star!“ bietet den bisher tiefsten<br />

Einblick in David Bowies kreative Hochphase.<br />

›<br />

Kaum einen Künstler kann man so tiefgehend und nerdig lieben wie<br />

David Bowie: Seine verschiedenen kreativen Phasen sind wie Disko -<br />

grafien von ganz unterschiedlichen Musikern – vom Glam Rock der 70erüber<br />

den Krautrock der 80er-Jahre bis hin zur kreativen Wieder auferstehung<br />

mit modernem Pop in den 20ern des neuen Jahrtausends. Dabei hat<br />

jede:r wohl einen Lieblings-Bowie – und für die meisten ist das sein<br />

androgynes Rockstar-Alien Ziggy Stardust.<br />

Das ausführliche Boxset „Rock’n’Roll Star!“<br />

bietet nun jenen Fans die Gelegenheit, noch<br />

tiefer in sein Schaffen einzutauchen – mit<br />

29 bisher unveröffentlichten Tracks, zwei<br />

Büchern und einer 36-seitigen Zusammen -<br />

stellung von Nach drucken aus persönlichen<br />

Notizbüchern des Künstlers. jl<br />

Rock’n’Roll Star! erscheint am 14. Juni.<br />

DIE LIVE SENSATION AUS NEW ORLEANS<br />

"mixes his signature blues-influenced howl with<br />

doses of country, soul and rock"<br />

Foto: Brian Ward<br />

tickets<br />

02.10.24 | CH_Rubigen, Mühle<br />

03.10.24 | CH_Langenthal, Old Capitol<br />

04.10.24 | München, Freiheitshalle<br />

05.10.24 | Winterbach, Lehenbachhalle<br />

<strong>06</strong>.10.24 | Mainz, Frankfurter Hof<br />

08.10.24 | Köln, Kulturkirche<br />

15.10.24 | Hamburg, Fabrik<br />

16.10.24 | Berlin, Lido<br />

audio<br />

<strong>kulturnews</strong> | 11


Musik<br />

Bitte<br />

recht<br />

freundlich!<br />

Foto: Joséphine Leddet<br />

Auf ihrem Debüt klangen King Hannah noch düster und angespannt.<br />

›<br />

Nun aber lässt sich das britische Indierock-Duo in neue Richtungen treiben.<br />

Optimistisch und zuversichtlich sind Wörter, die einem beim Sound<br />

von King Hannah so ziemlich als Letztes durch den Kopf gehen.<br />

Zu sehr hat der mit Shoegaze infizierte Indierock des Liverpooler Duos<br />

bisher „Schneisen unter die Haut geschlagen“. Genau diese Wörter nehmen<br />

Hannah Merrick und Craig Whittle in den Mund, um ihren zweiten<br />

Longplayer „Big Swimmer“ zu beschreiben. Die neue Entspanntheit<br />

beginnt schon beim großartigen Titelstück, das mit hellem Vintage-Folk<br />

und Sharon van Etten als Gastsängerin verführt. „Der Titel“, sagt Merrick,<br />

„ist eine Metapher dafür, niemals aufzugeben und der eigenen Version zu<br />

folgen“. Das erklärt auch, warum sowohl der Opener als auch die meisten<br />

der anderen Songs auf „Big Swimmer“ in verschiedenen Richtungen<br />

ausufern – gerade noch sturmerprobt und gitarren -<br />

getrieben, im nächsten Moment anlehnend und von<br />

flirrender Leichtigkeit umwoben.<br />

Überall, wo zuvor bleierne Tristesse begeistert hat,<br />

wenden sich King Hannah nun der Hoffnung zu,<br />

ohne dabei allerdings das entschlossene Aufbäumen<br />

zu vernachlässigen. Einflüsse von Mazzy Star und<br />

PJ Harvey bis zu Bill Callahan und John Prine sind<br />

zu erahnen oder so offensichtlich wie im finalen Song<br />

„John Prine on the Radio“. „Diese Einflüsse sind schon<br />

immer Teil unserer Musik gewesen“, räumt Merrick<br />

ein, „aber nun hört man die Musik, die wir mögen,<br />

sehr viel deutlicher heraus“.<br />

Big Swimmer<br />

erscheint am 31. Mai<br />

Jeder Song wirkt wie eine Reise, auf der man die Gelassenheit findet, mit<br />

Unvorhersehbarkeiten umzugehen. „Wir hatten viel mehr Zeit, dieses<br />

Album zu schreiben, was bedeutet, dass wir die Songs nehmen konnten,<br />

die wir wirklich mögen, während vorher der Druck größer war, schnell<br />

fertig zu werden“, erklärt Merrick die entschleunigte Atmosphäre, die<br />

„Big Swimmer“ trotz Noise-Momenten kennzeichnet. Gleichzeitig waren<br />

die beiden sich einig, mit dem zweiten Album dicht an ihrem Livesound<br />

zu bleiben, der beim Debüt aufgrund der Pandemie noch nicht aus -<br />

reichend erprobt gewesen war. Die neuen Songs sind nun auf großer<br />

US-Tour entstanden. Eine Erfahrung, die sich auf den traumwandelnden<br />

Desertrock von „Somewhere near El Paso“ genauso ausgewirkt hat<br />

wie auf den Sheryl-Crow-Moment in „New York,<br />

let’s do nothing“. Einfach im Van auf endlosen<br />

Straßen unterwegs sein, ein Motel in der Ödnis gegen<br />

ein Hostel in der Metropole tauschen. Vor allem aber<br />

eins mit sich sein. Da wundert es wenig, dass die<br />

ehemals in Melancholie Ertrinkenden nun diese Zeile<br />

so entwaffnend wie aufbruchsbereite Slacker-Hobos<br />

singen: „You gotta take it slow if you’re gonna make it<br />

out of here.”<br />

Verena Reygers<br />

LIVE<br />

5. 9. Berlin | 19. 9. Hannover<br />

12 | <strong>kulturnews</strong>


Same same<br />

but different<br />

Foto: Juliana Giraffe<br />

Ihr Folkpop schwelgt in der Vergangenheit. Was aber noch lange<br />

nicht heißt, dass Marina Allen sich nicht weiterentwickelt.<br />

Marina, der erste Song auf deinem neuen<br />

Album heißt „I’m the same“ – hast du dich<br />

seit deinem letzten Album „Centrifics“ denn<br />

gar nicht weiterentwickelt?<br />

Marina Allen: Doch! (lacht) Beim Songwriting<br />

für „Centrifics“ bin ich sehr nach Plan vorgegangen,<br />

bei „Eight pointed Star“ hatte ich<br />

dagegen kein bestimmtes Konzept im Kopf. Im<br />

Gegenteil, ich habe viel entspannter und un -<br />

gezwungener gearbeitet.<br />

Musikalisch hast Du schon immer entspannt<br />

geklungen, aber nun wirkst du nahezu befreit.<br />

Allen: Das liegt zum einen daran, dass ich viel<br />

offener war, zu experimentieren und mich<br />

überraschen zu lassen. Aber auch daran, dass<br />

ich mit tollen Musikern im Studio war, die es<br />

geschafft haben, die Platte in sieben Tagen<br />

einzuspielen, obwohl wir das Studio für zehn<br />

Tage gebucht hatten.<br />

Stichwort überraschen lassen: Was war<br />

denn für dich die größte Überraschung bei<br />

der Produktion?<br />

Allen: Wahrscheinlich der Prozess, in dem<br />

„Red Cloud“ entstanden ist. Ich war sehr<br />

nervös, weil ich nur eine Rohfassung von dem<br />

Song hatte. Gleichzeitig war in meinem Kopf<br />

aber eine ganz konkrete Vision. Dass sich die<br />

anderen so gut in diese Vision hineinversetzen<br />

konnten und der Song schließlich genau so<br />

geworden ist, wie ich ihn mir vorgestellt habe,<br />

hat mich am meisten überrascht.<br />

Man sagt dir gerne nach, dass du nach Joni<br />

Mitchell und Carole King klingst. Stimmt’s?<br />

Allen: Bei meinen ersten beiden Alben haben<br />

viele gedacht, ich sei ausschließlich von den<br />

60er- und 70er-Jahren beeinflusst. Das bin<br />

ich zwar auch, aber ich bin auch ein riesiger<br />

Fan von PJ Harvey und Liz Phair.<br />

Du hast viel von Prozessen gesprochen.<br />

Ganz konkret: Wie hast du dich durch diese<br />

Platte verändert?<br />

Allen: Jedes Mal, wenn du ein Ziel hast und dieses<br />

Ziel erreichst, verändert sich etwas. Alben<br />

sind wie Meilensteine, mit jedem reifst du auf<br />

die eine oder andere Art. Je mehr Musik ich<br />

veröffentliche, desto mehr fühle ich mich wie<br />

die Musikerin, die ich im Grunde sein will. Es<br />

geht nicht darum, erfolgreicher zu sein, eher<br />

darum, auf einer spirituellen Ebene dir selbst<br />

näherzukom men. So betrachtet, kommt mein<br />

bestes Album erst noch. (lacht)<br />

Interview: Verena Reygers<br />

Eight pointed Star erscheint am 21. Juni.<br />

<strong>kulturnews</strong> | 13


Szene<br />

Das Schweigen<br />

brechen<br />

Während sich andere Schauspieler:innen mit<br />

Biografien verewigen, hat sich Oscarpreisträgerin<br />

Sam Morton mit Produzent Richard Russell<br />

zusammengetan und sich musikalisch porträtieren<br />

lassen. Entstanden ist „Daffodils & Dirt“: eine<br />

Elektro-Altpop-Verhandlung von Mortons Auf -<br />

wachsen in Kinderheimen und Pflegefamilien, die<br />

von Russell mit fiktionalen Inhalten flankiert wird.<br />

„Es fühlte sich an, als sei ich mein Leben lang<br />

zum Schweigen gebracht worden, und dann sagte<br />

jemand zu mir: Du darfst nun sprechen“ – und<br />

singen. jm<br />

Abb.: Sedsoulciety<br />

Das Revival des Vinyls dauert an, beschränkt sich bei vielen<br />

Schönwetterfans aber auf Alben. Echte Kenner:innen da -<br />

gegen erinnern sich, dass das 7″-Singleformat die heutige<br />

Popmusik entscheidend geprägt hat. In Hamburg bringt das<br />

neu gegründete Label Sedsoulciety Recordings ikonische<br />

Funk-, Soul- und Boogiesingles heraus, darunter Hits von<br />

Bobby Byrd und Cool Million. mj<br />

Foto: Anton Corbijn<br />

Der große Bruder<br />

Es liegt nahe, die australische Psychrockband Pond mit Tame<br />

Impala zu vergleichen. Immerhin sind beide Bands eng befreundet,<br />

und neben den Tame-Impala-Mitgliedern Julien Barbagallo<br />

und Cam Avery war selbst Frontmann und kreative Seele Kevin<br />

Parker lange Zeit Drummer und Produzent von Pond. Und doch<br />

ist die Band aus Perth mehr als der kleine Bruder von Tame<br />

Impala. Denn während sich Parker zunehmend dem Pop verschrieben<br />

hat, zieht es Pond auf ihrem aktuellen Album „Stung!“<br />

dorthin, wo alles angefangen hat:<br />

in die absolute Freiheit des Psych -<br />

rock. Und so gönnen sie sich<br />

düstere Synthiewände über organischen<br />

Drums und achtminütige<br />

Songs, in denen Kirchenglocken<br />

in Saxofon, Querflöte und<br />

derangiert-hypnotische Gitarren -<br />

soli übergehen. fe<br />

Foto: Michael Tartaglia<br />

Still got it<br />

Wenn Metalbands ihr angestammtes Genre verlassen,<br />

führt das oft nicht zu viel. Anders bei Darkthrone:<br />

Das Duo hat in den 90er-Jahren zwar Black Metal mitbegründet,<br />

sich aber seither zunehmend davon distanziert.<br />

Mittlerweile voll und ganz in der dankbaren „Wir<br />

machen, was wir wollen“-Zone angekommen, verorten<br />

sie sich auch mit „It beckons us all“ irgendwo zwischen<br />

Doom, Black, Thrash und Heavy Metal – glänzen aber<br />

noch immer mit dem Songwriting, das sie schon mit 20<br />

zu Legenden gemacht hat. jl<br />

Foto: Peer Olav Kittilsen<br />

14 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

UND DANN WAR ALLES ANDERS<br />

Frank Turner über den Moment, in dem Kultur sein Leben verändert hat<br />

Foto: Shannon Shumaker<br />

„Meine einzige Reaktion war: What the Fuck!“<br />

„Als ich zehn Jahre alt war, war mir Musik wirklich noch scheißegal.<br />

Meine Eltern haben klassische und Kirchenmusik gehört. Zu der Zeit war<br />

ich vor allem verrückt nach Warhammer, diesem Tabletop-Spiel mit den<br />

kleinen Figürchen. Und ganz nebenbei: Ich war richtig beschissen darin.<br />

Wie so oft war ich also mit einem Freund am Warhammer spielen, und<br />

die Tür zum Zimmer seines älteren Bruders stand einen Spalt offen, weshalb<br />

ich an seiner Wand ein Iron-Maiden-Poster erspähen konnte.<br />

Natürlich hab ich gedacht, dass es ein Warhammer-Poster sein muss.<br />

Was sonst? Ich wollte meinem Kumpel erst nicht glauben, als er meinte,<br />

dass es ein Band-Poster sei. Ich mein’: Welche Band kann so cool sein?<br />

Natürlich kannte ich Bands aus dem Radio, Bon Jovi, Duran Duran und<br />

so was, aber keine Band, die je so cool sein könnte wie dieses Poster. Zu<br />

Hause habe ich dann meinen Eltern von diesem Ding namens Iron<br />

Maiden erzählt. Und tatsächlich hat mir mein Vater nur kurze Zeit später<br />

eine Kopie von „Killers“, dem zweiten Iron-Maiden-Album, auf Kassette<br />

besorgt. Für ihn ist das bis heute sein größter Erziehungsfehler. Ich kann<br />

mich immer noch daran erinnern, wie ich die Kopfhörer aufgesetzt habe<br />

In Bahrain geboren, in England aufgewachsen, war Frank<br />

Turner schon immer ein Wandler zwischen den Welten. Ob<br />

Folk, Indierock oder Punk – der 42-Jährige liebt es, sich<br />

auszuprobieren. Auf seinem zehnten Album „Undefeated“<br />

lehnt er sich in den Poppunk der 1990er- und 2000er-<br />

Jahre, den Sound seiner Jugend – und er rechnet mit den<br />

Idealen seines 15-jährigen Punk-Ichs ab.<br />

und der Opener „The Ides of March“ mit diesen ikonischen Drums eingesetzt<br />

hat. Meine einzige Reaktion war: What the Fuck! So etwas hatte ich<br />

noch nie zuvor gehört. Das Entscheidende war aber, dass es meins war.<br />

Niemand hat mir diese Musik aufgezwungen, sie mir gezeigt, nicht<br />

meine Eltern, nicht meine Schwester. Ich hab sie verdammt noch mal<br />

selbst gefunden.“<br />

Aufgezeichnet von fe<br />

<strong>kulturnews</strong> | 15


Musik<br />

JOSH KAUFMAN<br />

Songwriter,<br />

Multiinstrumentalist, Produzent<br />

für Bob Weir, The War On<br />

Drugs, Taylor Swift u.v.m.<br />

ANAÏS MITCHELL<br />

Singer/Songwriterin, Autorin,<br />

acht Tonys und ein Grammy<br />

für das Broadway-Musical<br />

„Hadestown“<br />

ERIC D. JOHNSON<br />

Kopf der Fruit Bats,<br />

früher Mitglied der Shins,<br />

Komponist<br />

für Filmmusik<br />

LIVE 15. 11. Hamburg<br />

Wie geschmiert<br />

Foto: Jay Sansone<br />

Die Folk-Supergroup Bonny Light Horseman ist längst kein Nebenprojekt mehr.<br />

Um trotzdem spontan zu bleiben, reibt das Trio schon mal ein Klavier mit Olivenöl ein.<br />

Anaïs, Eric, viele Bands sind bei ihrem dritten Album schon komplett<br />

routiniert. Bei euch ist das anders: Das Debüt war ja ursprünglich als<br />

einmaliges Projekt gedacht, der Nachfolger dann eher die Bestätigung,<br />

dass ihr eine richtige Band seid. Seid ihr mittlerweile angekommen?<br />

Eric D. Johnson: Ich glaube schon, allerdings haben wir versucht, uns<br />

wieder mehr in eine ungewohnte Situation zu begeben, um das Aben -<br />

teuer des ersten Albums einzufangen.<br />

Anaïs Mitchell: Unser Debüt war ja stark geprägt von traditionellen<br />

Songs, beim zweiten haben wir begonnen, mehr selbst zu schreiben.<br />

Dieses Mal wussten wir schon, dass wir das gemeinsam hinkriegen, also<br />

konnten wir spontaner sein.<br />

Ist es deshalb ein Doppelalbum geworden?<br />

Mitchell: Wir konnten uns einfach von keinem<br />

Song trennen – also haben wir sie alle zu Tisch<br />

gebeten. (lacht) Ich würde sagen, etwa die Hälfte<br />

ist in Irland entstanden, die andere in unserem<br />

Heimatstudio in New York.<br />

Ihr habt in Irland nicht etwa im Studio, sondern<br />

in einem Pub aufgenommen. Wie ist es dazu<br />

gekommen?<br />

Mitchell: Es war eine dieser mystischen Sachen,<br />

die mir am Anfang meiner Karriere oft passiert<br />

sind. Ich war auf Tournee mit Rozi Plain gewesen,<br />

die Bassistin von This Is The Kit und auch selbst<br />

Songwriterin ist. Sie hat mir Joe vorgestellt, dem<br />

der Pub gehört. Als wir mit Bonny Light Horseman<br />

ein paar Auftritte in Irland hatten, wollten wir<br />

Keep me on your Mind/<br />

See you free<br />

erscheint am 7. Juni<br />

Songs aufnehmen, die uns unter den Nägeln gebrannt haben, aber kein<br />

Studio hat uns so richtig gefallen. Da ist mir eingefallen, dass ich ja einen<br />

Typen kenne, dem ein Pub gehört. Wir haben ihn dann für drei Tage in<br />

Beschlag genommen.<br />

Wie hat dieser Ort die Aufnahmen beeinflusst?<br />

Johnson: Diese Stadt in Irland ist sehr alt, wunderschön, ein bisschen<br />

hippiemäßig. Sie hat sich angefühlt wie unsere Band, mit traditionellen<br />

Aspekten, aber einem modernen Überbau. Am dritten Tag waren Gäste<br />

des Pubs dabei. Es ist kein Livealbum, aber es hat eine besondere Atmo -<br />

sphäre erzeugt, dass ein Publikum dabei gewesen ist.<br />

Mitchell: Am Ende ist fast alles, was auf dem<br />

Album gelandet ist, an diesem Tag entstanden.<br />

Vielleicht hat es was mit der irischen Kultur zu<br />

tun, aber die Leute haben total verstanden, worum<br />

es geht. Sie haben mitgesungen, und auf dem<br />

Album kannst du die Autos draußen vorbeifahren<br />

und die Gläser klirren hören.<br />

Stimmt es, dass ihr das Klavier mit Olivenöl eingerieben<br />

habt, um es am Knarzen zu hindern?<br />

Ich wusste gar nicht, dass das funktioniert.<br />

Johnson: Da müsstest du unseren Experten Josh<br />

fragen. Aber ja, eigentlich wollten wir diese Im -<br />

perfektionen, doch das Klavier hat so laut geknarrt,<br />

dass es ablenkend gewesen wäre. Und das einzige<br />

Schmiermittel, das wir finden konnten, war nun<br />

mal Olivenöl. (lacht)<br />

Interview: Matthias Jordan<br />

16 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

FESTIVAL DAY<br />

MRS. GREENBIRD / LINA BÓ / JOSHUA PATRON /<br />

SUNDANCE IN MOONLIGHT<br />

WINGENFELDER<br />

25.08.<strong>2024</strong><br />

26.08.<strong>2024</strong><br />

AKUSTIK QUARTETT / SUPPORT: MRS. GREENBIRD<br />

Open-Air<br />

im StrandGut Resort<br />

st. peter-ordinG<br />

Foto: Madeline McManus<br />

King of Klagelied<br />

Anstatt zu resignieren, lässt er sich von<br />

Krisen beflügeln. John Cale läuft mit 82<br />

noch mal zur Hochform auf.<br />

›<br />

Dass Alter bloß eine Zahl sei, mag in der Welt geiler alter Böcke<br />

stimmen. Es hilft beim Versuch, John Cales Artpop zu verstehen,<br />

aber nur bedingt. Schließlich hinterlassen 82 Lebensjahre ihre Spuren.<br />

Es sind Spuren, die bis in die 60er-Jahre zurückreichen, als sich Cale<br />

mit The Velvet Underground und seinem Kumpel Andy Warhol auf<br />

dem subversiveren Ende des Hippie-Spektrums bewegt hatte, ihm<br />

gegenüber die Beatles und ein John Lennon, der heute in etwa so alt<br />

wäre wie Cale. Wie damals findet sich der 82-Jährige auch jetzt in<br />

Zeiten des Aufruhrs und der Paradigmenwechsel wieder: Rechtsruck,<br />

Klimakatastrophen, zügelloses Wachstum. Grund genug, wütend zu<br />

sein. Und so kultiviert der gebürtige Waliser mit seinem neuen Album<br />

„POPtical Illusion“ eine Wut fernab blinder Mittzwanziger-Explosivität<br />

oder verbitterter Rentnerpöbeleien vom Beckenrand. Seine Wut ist eine<br />

zugewandte Sorge, ein Unbehagen, das sich zwischen knarzenden<br />

Slowdancern und synthetisch-surrealistischen Klageliedern ausbreitet.<br />

WOLFGANG NIEDECKEN (BAP)<br />

AM PIANO MIKE HERTING / PROGRAMM „DYLANREISE & GESCHICHTEN<br />

UND LIEDER AUS DEM LEBEN“ / SUPPORT: GRILLMASTER FLASH<br />

MAX GIESINGER<br />

AKUSTIK-KONZERT IM QUARTETT / SUPPORT: JESSE TELLEM<br />

YARED DIBABA<br />

& DIE SCHLICKRUTSCHER<br />

28.08.<strong>2024</strong><br />

31.08.<strong>2024</strong><br />

Jetzt Tickets & Packages sichern unter<br />

www.strandgut-resort-shop.de<br />

powered by<br />

DAS NEUE ALBUM<br />

27.08.<strong>2024</strong><br />

STRANDGUT<br />

ACOUSTIC<br />

Se 猀 ions<br />

klein · fein · exklusiv<br />

<strong>2024</strong><br />

„Avoid the mistakes we made when we were younger“, singt Cale in<br />

„Davies and Wales“, was mehr eine zukunftsgerichtete Warnung als<br />

ein Rückblick auf jugendliche Peinlichkeiten ist. Obwohl sich dieses<br />

Album kaum festlegen mag, es aus eklektischen Soundfragmenten<br />

von HipHop bis Punk und gedanklichen Collagen besteht, scheint dieser<br />

Mann auf eine bescheidene Art etwas Essenzielles verstanden zu<br />

haben: wie wir uns gegenseitig Schmerzen zufügen („Edge of<br />

Reason“), den Grund dafür auch bei uns selbst zu suchen haben („I’m<br />

angry“) und trotzdem irgendwann loslassen müssen („How we see the<br />

Light“). Nur zu gern verzeiht man Cale seinen mitunter pastoralen<br />

Gestus, schlummern unter all der magischen Poesie doch Humor und<br />

ernsthaftes Interesse an einer besseren Welt: „The right-wingers burning<br />

their libraries down”, verkündet er über düster wummernden<br />

Synthies („Setting Fires“). Hoffentlich behält er recht. Es sind die<br />

Krisenzeiten, die Cale wieder zur Hochform auflaufen lassen.<br />

„POPtical Illusion“ ist wie schon der Vorgänger „Mercy“ das Konzen trat<br />

einer seit Pandemiebeginn neu entfachten Kreativität. „Can I close another<br />

chapter in the way we run our lives?“, fragt Cale. Für Erste gern, auch<br />

wenn’s das noch lange nicht gewesen sein wird.<br />

Felix Eisenreich<br />

POPtical Illusion erscheint am 14. Juni.<br />

<strong>kulturnews</strong> | 17


SINKANE<br />

WE BELONG<br />

Musik<br />

COMA<br />

FUZZY FANTASY<br />

Foto: Ashley Olah<br />

JESSICA PRATT<br />

HERE IN THE PITCH<br />

KING HANNAH<br />

BIG SWIMMER<br />

Listen HERE<br />

›<br />

Abgetaucht<br />

Auf ihrem zweiten Album nehmen The Marías uns mit<br />

auf eine Reise in die Tiefen der Seele.<br />

Wenn The Marías ihre neue Platte<br />

„Submarine“ genannt haben, ist dieser<br />

Titel natürlich musikhistorisch vorbelastet.<br />

Doch trotz psychedelischer Grundierung ist die<br />

US-Band denkbar weit von dem fidelen<br />

Kinderlied entfernt, mit dem das Wort gemeinhin<br />

assoziiert wird. Man könnte auch sagen:<br />

Wo das U-Boot der Beatles quietschgelb war,<br />

klingt das der Marías irgendwie blau – und das<br />

liegt nicht nur am Cover. Denn die Metapher<br />

bedeutet für die Band nicht etwa Eskapismus:<br />

Es ist ein Abtauchen in die Tiefen der eigenen<br />

Seele, um das es Frontfrau María Zardoya<br />

geht. Und so sind die Texte auf „Submarine“<br />

intim und persönlich, es geht um komplexe<br />

Beziehungen und psychische Weiter ent -<br />

wicklung. „Damals war ich konfliktscheu und<br />

bin immer weggelaufen, wenn jemand über<br />

etwas Ernstes reden wollte“, sagt die Sängerin<br />

etwa über das Schreiben der Single „Run your<br />

Mouth“. „Ich habe gelernt, dass das ein Schutz -<br />

mechanismus war und mir die Fähigkeit fehlte,<br />

mich zu öffnen.“<br />

Zardoya und ihrem Partner, Drummer Josh<br />

Conway. Der Sound ist dabei absichtlich weniger<br />

bombastisch als auf dem Debüt „Cinema“,<br />

trotzdem werden Fans sich zurechtfinden – so<br />

gibt es etwa mit „LeJos de ti“ und „Ay no puedo“<br />

erneut zwei Songs, die die in Puerto Rico ge -<br />

borene Zardoya auf Spanisch singt. Überhaupt<br />

ist es ihr Gesang, dem das Album einen<br />

Großteil seiner emotionalen Schlagkraft verdankt.<br />

Dass es die abenteuerlichen Klänge im<br />

Hintergrund gar nicht braucht, damit ihre<br />

Stimme fesselt, beweist die jazzige Klavier -<br />

ballade „If only“ – bevor ein Trompetensolo<br />

den Song in neblige Noir-Sphären hebt. Kein<br />

Wunder, dass zu Zardoyas Einflüssen viele<br />

Größen des Jazzgesangs zählen, mit Norah<br />

Jones bekommt eine von ihnen in „Sienna“<br />

sogar einen Shout-out. Jones ist ja bekanntlich<br />

die Tochter von Ravi Shankar, der George<br />

Harrison einst das Sitarspielen beigebracht hat –<br />

die nächste Beatles-Connection.<br />

Volle Kraft voraus!<br />

Matthias Jordan<br />

Musikalisch getragen wird der Trip in die Tiefe<br />

von dem leicht angefunkten, träumerischen<br />

Indierock der Band unter der Leitung von<br />

Submarine ist gerade erschienen.<br />

LIVE 1. 11. Berlin | 3. 11. Köln<br />

WWW.CITYSLANG.COM<br />

18 | <strong>kulturnews</strong>


k fusion präsentiert<br />

Musik<br />

Foto: Hördur Sveinsson<br />

Doppelwumms<br />

LIVE <strong>2024</strong><br />

Natürlich kämpft LGTBQ-Aktivist John Grant gegen das konservative<br />

Amerika. Doch was ist mit dem deutschen Kanzler?<br />

27. JULI | LÖRRACH STIMMEN FESTIVAL<br />

28. JULI | KÖLN PALLADIUM<br />

30. JULI | BERLIN ADMIRALSPALAST<br />

John, eigentlich ist „The Art of the Lie“ ein<br />

typisches John-Grant-Album, bei dem der<br />

dunkle Kern mit Humor und Wortspielereien<br />

ummantelt ist. Aber trotz Funkiness und musikalischer<br />

Opulenz ist die Wahrschein lich keit so<br />

hoch wie nie zuvor, dass die Hörer:innen verheult<br />

aus der Platte auftauchen.<br />

John Grant: Stimmt, aber in Zeiten wie diesen<br />

tut einem das doch ganz gut. (lacht)<br />

Mit „Father“, „Mother and Son“ und „Daddy“<br />

sind gleich drei Songs dabei, die dein Auf -<br />

wachsen als queerer Teenager unter reli -<br />

giösen Fanatikern verarbeiten. Ist dieses<br />

Thema jetzt wieder aufgeploppt, nachdem<br />

du eigentlich schon deinen Frieden damit<br />

gemacht hattest?<br />

Grant: Einerseits liegt das sicher an der politischen<br />

Situation. Weil meine ganze Familie im<br />

Jahr 2016 Trump gewählt hat, ist das alles<br />

wieder in den Vordergrund gerückt. Andererseits<br />

ist es wohl auch eine Frage des Alters. Du<br />

kannst dir deine eigene Familie suchen und<br />

dich der queeren Community zuwenden. Aber<br />

es gibt kein Entkommen, irgendwann musst<br />

du dich der Auseinandersetzung stellen.<br />

Es ist bewundernswert, wie du dich trotz<br />

aller Hoffnungslosigkeit auch mit dieser Platte<br />

wieder gegen das konservative Amerika<br />

stellst.<br />

Grant: Es gibt so viele Tage, an denen ich<br />

nicht mehr weiter weiß. Ich lebe nun seit<br />

vielen Jahren in Reykjavík und habe die isländische<br />

Staatsbürgerschaft, aber jeden Tag<br />

überlege ich, ob ich nicht zurückgehen sollte,<br />

um vor Ort zu sein und zu kämpfen. Mit meiner<br />

Musik dagegen zu halten, reicht mir nicht<br />

mehr. Schon in den 80ern hat Frank Zappa<br />

eine christliche Theokratie prophezeit – und<br />

da sind wir jetzt angekommen.<br />

Wie würdest du „Twistin Scriptures“ ins<br />

Deusche übersetzen? Freie Bibelauslegung?<br />

Grant: Oh, ihr habt so geile Verben im<br />

Deutschen. Vielleicht: Bibelverse verzerren.<br />

Oder besser noch: Bibelverse verstümmeln.<br />

Bei deiner Liebe zur deutschen Sprache und<br />

speziell zur Lautmalerei habe ich ein bisschen<br />

Angst, dass du wegen des Doppel -<br />

wumms jetzt mit Olaf Scholz sympathisierst.<br />

Grant: Das habe ich gar nicht mitbekommen.<br />

Was bedeutet „Doppelwumms“?<br />

Och, so hat er nach dem russischen Überfall<br />

auf die Ukraine die staatlichen Entlastungen<br />

genannt, damit wir trotz steigender Energie -<br />

preise durch den Winter kommen.<br />

Grant: (lacht) Okay, sagen wir so: Ich habe ihn<br />

jetzt zumindest ein kleines bisschen lieber.<br />

Interview: Carsten Schrader<br />

The Art of the Lie erscheint am 14. Juni.<br />

LIVE 6. 11. Köln | 7. 11. Berlin<br />

<strong>kulturnews</strong> | 19<br />

/RBK_FUSION<br />

Tickets & infos unter<br />

www.reservix.de & www.rbk-fusion.de


Musik<br />

Träumen<br />

Die US-amerikanische<br />

Violinistin Lindsey Stirling hat<br />

in ihrer Karriere sehr viel erreicht.<br />

In ihrem Privatleben besteht jedoch<br />

noch Optimierungspotenzial.<br />

Lindsey, die Stücke auf deinem neuen Album „Duality“ haben etwas<br />

wuchtiges, monumentales, cineastisches. Ist das Album deine Be -<br />

werbung, um endlich den Soundtrack für einen großen Hollywoodfilm<br />

zu komponieren?<br />

Lindsey Stirling: Ja, komm, wir rufen jetzt sofort zu sammen bei den<br />

Machern von „Dune“ an du fragen, ob sie interessiert<br />

sind. (lacht) Ich finde, mein Stück „Evil Twin“<br />

passt total super in diese surreale Wüstenwelt.<br />

„Dune“ ist eine Triloge, zwei Teile sind schon<br />

draußen. Eine Chance hast du also noch.<br />

Stirling (lacht): Eben. Im Ernst, ich würde liebend<br />

gerne Musik für einen Film machen. Ich spekuliere<br />

ein bisschen darauf, dass dieses Album mich<br />

diesem Ziel näherbringt. Die Hauptmotivation für<br />

„Duality“ war das aber nicht.<br />

Sondern?<br />

Stirling: Wie eigentlich immer, habe ich versucht,<br />

mich mit Hilfe meiner Musik besser kennenzulernen.<br />

Hört sich an, als wäre das ein lebenslanger Prozess.<br />

Duality<br />

erscheint am 14. Juni<br />

Stirling: Gott ja, ich fürchte, das ist auch so. (lacht) Wir Menschen sind<br />

zerrissene Wesen. Wir sind so vieles gleichzeitig, und selbst das reicht<br />

uns häufig nicht aus. Ich führe schon mein Leben lang Ausein -<br />

andersetzungen mit mir selbst. Mal bin ich überzeugt, dass ich alles<br />

schaffen kann und dass meine Träume bestimmt wahr werden. Doch die<br />

andere Seite ist auch stark, sie lässt mich alles<br />

hinterfragen, zweifeln, mich wertlos fühlen. Das<br />

ist schon aus psychologischer Sicht sehr faszinierend,<br />

und ich habe bereits Jahre damit verbracht,<br />

schlauer aus mir selbst zu werden und zu lernen,<br />

welche Teile meines Innenlebens ich ausbauen<br />

und welche ich besser rausreißen sollte.<br />

Klingt nicht gerade einfach, Lindsey Stirling<br />

zu sein.<br />

Stirling: Das ist es auch nicht. Andererseits ist es<br />

natürlich auch fantastisch. Ich habe die Chance,<br />

mich mit meiner Kunst wirklich mitzuteilen und<br />

auszuleben, das ist ein Geschenk. An guten Tagen<br />

stelle ich mir vor, dass ich ein magisches Wesen<br />

20 | <strong>kulturnews</strong>


Musik<br />

erlaubt<br />

Keep Me On Your Mind<br />

/ See You Free<br />

LP/CD (Jagjaguwar)<br />

MARINA<br />

ALLEN<br />

Eight Pointed Star<br />

LP/CD (Fire)<br />

LIVE<br />

15. 10. Düsseldorf | 18. 10. Hamburg<br />

19. 10. Berlin | 22. 10. Frankfurt<br />

POND<br />

Stung!<br />

LP/CD<br />

(Spinning Top Records)<br />

Foto: Heather Koepp<br />

Into The Blue<br />

LP/CD (Dead Oceans)<br />

bin, das in einer überaus praktischen Welt<br />

zurechtkommen muss. An schlechten wird diese<br />

Magie durch immer wieder heraufkriechende<br />

Depressionen bedroht. Gerade in Phasen der<br />

Unsicherheit ist es eine permanente An -<br />

strengung, mir ein positives Gedankengerüst<br />

zu bauen.<br />

Woraus besteht dein Gedankengerüst?<br />

Stirling: Oft aus Traumszenarien. Ich stelle mir<br />

vor, mein großes Idol Pink ruft an und fragt<br />

mich, ob ich mit ihr auf Tour gehen möchte.<br />

Oder dass ich nachher im Supermarkt den<br />

Mann meiner Träume kennenlerne. Ist noch<br />

nie passiert, aber träumen ist ja erlaubt.<br />

Wenn du eine Sache aussuchen müsstest:<br />

Pink oder Mann?<br />

Stirling: Dann nehme ich den Mann. (lacht)<br />

Dein neuer Song „Survive“, auf dem Sarah<br />

Blackwood von Walk Off The Earth die Rolle<br />

der Vokalistin übernimmt, ist deine Eigen -<br />

komposition, basiert aber auf Gloria Gaynors<br />

„I will survive“. Was hast du für eine<br />

Geschichte mit dem Song?<br />

Stirling: Ich liebe ihn halt. Für mich ist „I will<br />

survive“ der perfekte Trennungssong. Als ich<br />

letzten Sommer „Survive“ geschrieben habe,<br />

ging es mir richtig dreckig, ich hatte gerade<br />

eine richtig beschissene Trennung hinter mir.<br />

Aber ich wusste, mein Herz wird wieder heilen,<br />

und ganz ehrlich, dass ich ohne diesen Vogel<br />

besser dran bin, war mir schon klar, als wir<br />

noch zusammen waren. Ich schreibe nur selten<br />

so konkret über die Liebe, meist handeln<br />

meine Stücke ja eher von Feen und Elfen und<br />

sowas. Aber „Survive“ hat mir so richtig in der<br />

Seele gutgetan.<br />

Interview: Steffen Rüth<br />

<strong>kulturnews</strong> | 21<br />

THE LEMON<br />

TWIGS<br />

A Dream Is All We Know<br />

LP/CD/MC<br />

(Captured Tracks)<br />

Peanuts<br />

LP/CD (Chrysalis)<br />

14.10.<strong>2024</strong> Köln, Jaki<br />

15.10.<strong>2024</strong> Berlin, Privatclub<br />

16.10.<strong>2024</strong> Hamburg, Nochtwache<br />

cargo-records.de<br />

cargorecordsgermany<br />

cargorecords


Platten<br />

Die beste Musik<br />

# 6/<strong>2024</strong><br />

H Ö R H I G H L I G H T<br />

#6/<strong>2024</strong><br />

K.I.Z<br />

Görlitzer Park<br />

Eklat Tonträger/Warner Music<br />

RAP Spätestens seit „Hurra die Welt<br />

geht unter“ sind K.I.Z Deutschraps unangefochtene<br />

Könige des Konzeptsongs. Mit<br />

„Görlitzer Park“ besteigt das Trio nun auch den<br />

Thron des Konzeptalbums. Angetrieben von<br />

biografischen Einblicken, umreißen Tarek,<br />

Maxim und Nico die jüngere Genese Berlins<br />

und landen in unserer politischen Gegenwart.<br />

Es ist das Nachwende-Berlin, lange vor der<br />

Gentrifizierung Kreuzbergs: Arabella läuft im<br />

TV, der Heimweg gleicht einer Mutprobe,<br />

Klappmesser und 20-Cent-Wassereis sind die<br />

wichtigsten Utensilien, um den Sommer voll<br />

jugendlicher Feindseligkeiten und eigener Un -<br />

sicherheit zu überstehen. Doch wieso erzählen<br />

uns die Herren das? Etwa Nostalgie? Keines -<br />

wegs. Die von Hakenkreuzgraffitis gesäumte<br />

Ost-Berliner Vergangenheit, die Tarek auf dem<br />

NNDW-Hit „Jahrmarkt“ so akkurat einfängt, ist<br />

der Ausgangspunkt neuer rassistischer Ressenti -<br />

ments („Sensibel“). Die verschwendete Jugend<br />

hat ihre Spuren hinterlassen („Berlin wird dich<br />

töten“, „Die Party ist vorbei“) und Freunde<br />

geraubt („Lächel doch mal“). Und der „Görli“<br />

wird zum Symbol gescheiterter Sozial politik<br />

(Titelsong). Dass die Band trotz allem weder die<br />

Lust an den eigenen Abgründen noch an pointierten<br />

Lines verloren hat und die Beats von<br />

Haftbefehl-Hommagen und rumpelndem Boom<br />

Bap bis zu Trance reichen, macht dieses Album<br />

womöglich zum besten ihrer Diskografie. fe<br />

Foto: Philipp Gladsome<br />

Shelter Boy<br />

Mercyland<br />

Scruff Of The Neck<br />

BRITPOP Natürlich surft er die Neue Neue<br />

Deutsche Welle, und Referenzen wie<br />

Betterov, Edwin Rosen und auch Drangsal<br />

gehen voll auf – nur ist Simon Graupner alias<br />

Shelter Boy zugleich eben auch der Brit -<br />

popboy dieser Szene. Da ist der verunsicherte<br />

Teenager, der auf der Rückbank eines Autos<br />

auf dem Weg in die Schule bei Zwickau ist.<br />

Seine Nachmittage verbringt er kiffend in<br />

Skatepark, ständig in Angst, dass er mit seiner<br />

introvertierten Andersartigkeit aneckt.<br />

Und da ist der heutige Musiker, der seine<br />

Vergangenheit abgeschüttelt hat und bei<br />

dem im Manchester ansässigen Label Scruff<br />

Of The Neck unter Vertrag ist. „Mercyland“<br />

funktioniert als musikalischer Entwicklungs -<br />

roman, bei dem es um ostdeutsche<br />

Neonazis, Männlichkeitsbilder, psychische<br />

Gesundheit und das Festhalten an den eigenen<br />

Träumen geht. Seinem größten Vorbild<br />

widmet Graupner einen eigenen Song<br />

(„Jamie T forever“), doch es sind vor allem<br />

hymnische Stücke wie „Messed up Kids“,<br />

„Moving backwards“ und das fast schon<br />

postpunkige „Growing Pains“, die diesen<br />

Sommer auch in den ostdeutschen Indie -<br />

discos rauf und runter laufen werden. cs<br />

Dehd<br />

Poetry<br />

Fat Possum<br />

INDIEROCK Dehd haben ihr fünftes Album zu<br />

großen Teilen auf einem Roadtrip geschrieben.<br />

Das erklärt zum einen die verschiedenen, aber<br />

immer amerikanischen Genres, die auf „Poetry“<br />

anklingen: „Necklace“ und „Light on“ erinnern<br />

an den Collegerock der 90er, „Hard to love“ hat<br />

Country-Untertöne, der Closer „Forget“ Shoe -<br />

gaze-Texturen. Zugleich fängt das Album das<br />

Gefühl ein, in Sommernächten durch wilde Land -<br />

schaften zu brettern. Das Trio setzt erneut auf<br />

seine Stärken: Ohrwurmmelodien, die explosive<br />

Mischung aus Emily Kempfs expressiver und Jason<br />

Ballas flacher Stimme, Eric McGradys unprätentiöse<br />

Drums – und gute Vibes. Selbst einen absoluten<br />

Tiefpunkt, an dem der Tourstress bei Kempf zu<br />

einem Nervenzusammenbruch geführt hat, verwandelt<br />

die Band in eine Ode an die Freundschaft<br />

(„Dist B“). Eine Ausnahme ist „Knife“, ein Song voller<br />

Bitterkeit, Herzschmerz und anti patriarchalem<br />

Zorn mit Zeilen wie „I laughed and I smiled and I<br />

played it sweet/But now I kill you in my sleep“. Es<br />

ist der letzte Track, der auf „Poetry“ gelandet ist –<br />

gut möglich, dass er den Weg in eine Zukunft weist,<br />

in der Dehd mehr Raum für Grau töne und Ab -<br />

gründe lassen. Wäre doch auch mal spannend. mj<br />

22 | <strong>kulturnews</strong>


Platten<br />

La Luz<br />

News of the Universe<br />

Sub Pop<br />

INDIEROCK Neulich hieß<br />

es in den Nachrichten, es<br />

sei nur noch eine Frage der<br />

Zeit, bis sich außer irdisches<br />

Leben auf der Erde zeige.<br />

Dass La Luz mit „News of<br />

the Universe“ auf diese<br />

Prophezeiung hinweisen<br />

wollen, ist möglich, schließlich bezieht sich das US-Trio mit seinem<br />

fünften Album auf die Science-Fiction-Autorin Octavia E. Butler. Mehr<br />

noch aber versucht La-Luz-Frontfrau und Songwriterin Shana<br />

Cleveland in den zwölf Songs ihre Brustkrebsdiagnose zu verarbeiten.<br />

Entsprechend verunsichert und schwerelos, lost in space und irdischverträumt<br />

klingt das Album, das gerade mal 35 Minuten dauert. Was<br />

in aller Ambivalenz charmant bis herausfordernd sein könnte, ist eher<br />

unentschlossen bis langweilig. Zwar zeigt das Quartett auf seinem<br />

Debüt für Sub Pop alle psychedelischen Facetten von Surf bis Folk,<br />

experimentiert mit Gitarren, Synthies, Orgel und Schlagzeug, bleibt<br />

damit aber zu oft hinter den Erwartungen zurück, die es seit seiner<br />

Gründung vor zwölf Jahren beständig geweckt hat. Mehr wirkt<br />

„News of the Universe“ wie ein orientierungsloses Raumschiff, das nie<br />

richtig abhebt. vr<br />

DER KLEINE GITARREN-LIEBLING DES MONATS<br />

VON JÖRG TRESP (DEVILDUCK RECORDS)<br />

12. - 14. SEPTEMBER <strong>2024</strong><br />

IN ST. PETER-ORDING<br />

Spoon Benders<br />

How Things repeat<br />

Nadine Records<br />

Psych-Rock is back! Hier mag<br />

dieses großartige Musikgenre<br />

vielleicht eher noch die Älteren<br />

ansprechen, aber das wird sich<br />

ziemlich bald ändern, denn in<br />

den USA schlägt der Psych-<br />

Rock gerade alles kurz und<br />

klein – ob alt oder jung, männlich oder weiblich, spielt dabei keine<br />

Rolle. Und so war ich Zeitzeuge beim tollen Treefort-Festival in Boise<br />

(Idaho), wo ich eine Euphorie in mich aufnehmen konnte, die ich<br />

lange nicht erlebt habe. Exemplarisch sollen hier die Spoon Benders<br />

aus Portland, Oregon zum Zuge kommen, denn an vielen mag ihr<br />

zweites Album „How Things repeat“ wahrscheinlich und völlig zu<br />

Unrecht vorbeigegangen sein. Diese Schande gilt es auszumerzen,<br />

und schon der Opener „Dichotomatic“ zeigt den Groove und Druck<br />

dieses gemischten Doppels und leitet einen acht Songs währenden<br />

Trip ein, der die ganze Breite des Psych-Rocks abdeckt und die<br />

Monotonie des Stoner Rocks mit Leichtigkeit an die Seite drängt.<br />

<strong>kulturnews</strong> | 23


Platten<br />

Full Of Hell<br />

Coagulated Bliss<br />

Closed Casket Activities<br />

GRINDCORE Es mutet seltsam an, bei einer<br />

Band von Zugänglichkeit zu sprechen, die in<br />

so extremen Gefilden unterwegs ist wie Full<br />

Of Hell. Doch wo das fünfte Studioalbum des<br />

Quartetts aus Maryland den angestammten<br />

Sound der Band zugespitzt und verdichtet<br />

hat, ist der Nachfolger eingängig und luftig<br />

wie nie. „Coagulated Bliss“ erscheint kaum<br />

ein halbes Jahr nach „When no Birds sing“,<br />

der Kollaboration mit der Shoegaze-Band<br />

Nothing, und diese jüngste von vielen<br />

Zusammenarbeiten hat mehr Raum denn je<br />

geschaffen: Überall wurden die Stell schrauben<br />

gelockert, sodass einzelne Momente auch<br />

beim ersten Hören schon glänzen – und nicht<br />

erst, wenn man sich durch die vielen Ebenen<br />

des verschlungenen Sounds getunnelt hat:<br />

„Half Life of Changelings“ öffnet mit einem<br />

schräg-fallenden Noise-Rock-Riff, „Fractured<br />

Bonds to Mecca“ stampft mit Doom-Einschlag<br />

voran, und der Titeltrack wartet mit einem<br />

Garage-Rock-Riff auf, das den vielleicht<br />

ersten Full-Of-Hell-Ohrwurm liefert. Fans werden<br />

darin das kreative Songwriting erkennen,<br />

über das Full Of Hell schon immer verfügt<br />

haben, aber „Coagulated Bliss“ wird vielleicht<br />

auch endlich die Herzen der Post-Punk, Mathund<br />

cs erobern, die der Band eigentlich schon<br />

längst gehören sollten. jl<br />

Girli<br />

Matriarchy<br />

All Points<br />

ALT POP „Mädchenhaft“ – ein Begriff, den<br />

Girli mit ihrem Künstlerinnennamen als<br />

etwas Kraftvolles definieren möchte. Die<br />

unkonventionelle Alt-Pop-Sängerin steht für<br />

Empower ment, umso mehr auf ihrem zweiten<br />

Album. Ihre Musik lebt von expliziten<br />

Texten wie in „Nothing hurts like a Girl“: „No<br />

one knows me better, no one gets me wetter“.<br />

Ihre Beats sind energetisch, tangieren<br />

80er-Synthie sounds („Overthinking“) oder<br />

explosiven Dancepop („Feel my Feelings“).<br />

Obwohl sie Themen wie schmerzhafte<br />

Trennungen oder depressive Verstimmungen<br />

behandelt, bleiben ihre Melodien leicht und<br />

beflügelnd. Eine große Rolle in Girlis Musik<br />

spielen queeres Erwachen und Feminismus.<br />

Der Titelsong „Matriarchy“ spiegelt diese<br />

Essenz wider: „When we touch, we fuck, we<br />

fuck the patriarchy“. Neben Identität und<br />

Verbunden heit geht es um das Finden von<br />

Selbstliebe, wie Girli im letzten Song<br />

„Happier her“ beweist. Hier lernen wir sie reifer<br />

und teils akustisch kennen – eine Seite,<br />

die ihr ebenfalls gut steht. jm<br />

Foto: Claryn Chong<br />

James Vincent<br />

McMorrow<br />

Wide open, Horses<br />

Nettwerk Music Group<br />

FOLKPOP Sein Name ist das Komplizierteste an<br />

James Vincent McMorrow. Musikalisch steht<br />

der irische Singer/Songwriter nämlich für gefühligen<br />

Folkpop, der nicht weh tut, aber genügend<br />

Schmiss besitzt, um sich für Festivalbühnen zu<br />

empfehlen. Oder fürs Radio. Eine Besonderheit<br />

zeichnet den Musiker, der mit „Wide open, Horses“<br />

sein immerhin siebtes Album veröffentlicht, dann<br />

doch aus: seine Stimme. Die passt nämlich oft<br />

nicht richtig zu den behaglichen Melodien.<br />

Wenn McMorrow das sanfte Getrappel von<br />

Schlagzeug und Gitarre im Opener „Never gone“<br />

durchbricht, das introvertierte „Stay cool“<br />

aufraut oder in „White out (Demo)“ unbeteiligt<br />

flüstert, verwandeln sich die auf den ersten Blick<br />

vorhersehbaren Songs in nuancierte Arrange -<br />

ments, die „Wide open, Horses“ vor zu viel<br />

Belanglosigkeit bewahren. Da wird es mal dynamisch<br />

mit Claps, mal flirrend mit Steel Guitar,<br />

und am Ende wartet mit „Meet me in the Garden“<br />

sogar ein spannender Finalsong, der trotz eines<br />

Anflugs von Pathos auf das ganz große Drama<br />

verzichtet. Komplex statt kompliziert. vr<br />

24 | <strong>kulturnews</strong>


Platten<br />

NxWorries<br />

Why Lawd?<br />

Stones Throw<br />

SOULHOP Vor acht Jahren<br />

haben Sänger, Rapper und<br />

Drummer Anderson .Paak<br />

und Produzent und Beat -<br />

maker Knxwledge ihren<br />

gemeinsamen Erstling „Yes<br />

Lawd!“ veröffentlicht, jetzt<br />

gibt es die Fortsetzung.<br />

Vom Titel ausgehend wirkt<br />

es, als wäre dem Duo in der Zwischenzeit einiges an Sicherheit<br />

abhandengekommen. Und tatsächlich scheint „Why Lawd?“ eine<br />

Krise zu dokumentieren. Zwar gibt es die souligen Sounds und exaltierten<br />

Raps, die wir von beiden gewohnt sind, und mit „FallThru“<br />

auch den expliziten Sex-Song, der bei .Paak nie weit entfernt ist. Doch<br />

egal, ob sich NxWorries bei „KeepHer“ Thundercat, auf „Where I go“<br />

H.E.R. für einen Rap-Part oder Snoop Dogg für „FromHere“ dazuholen –<br />

es geht immer wieder um unglückliche Liebe, Verrat und Verlassen -<br />

werden. Dabei sei nur nebenher erwähnt, dass sich .Paak vor ein paar<br />

Monaten hat scheiden lassen. Knxwledge passt sich der gedämpften<br />

Stimmung seines Kollegen an und setzt auf Beats, die eher ans Herz<br />

gehen als in die Beine – vor allem kurze Zwischentracks und<br />

Anderson .Paaks dann doch ununterdrückbarer Humor erinnern<br />

daran, dass das hier immer noch ein Stones-Throw-Album ist. mj<br />

NEUES VON GESTERN<br />

Diverse<br />

Der Text ist meine Party –<br />

Die Hamburger Schule 1989–2000<br />

Tapete<br />

HAMBURGER SCHULE Vielleicht lag es am kommerziellen Erfolg von<br />

Tocotronic, Die Sterne und Blumfeld, dass so viele der Protagonist:innen<br />

über Jahrzehnte abgestritten haben, Teil dieser (Jugend-)Bewegung<br />

ge wesen zu sein. Jetzt aber wird die Hamburger Schule mit Nachdruck<br />

festgeschrieben: Natascha Geier hat für den NDR eine zweiteilige Doku<br />

gedreht, beim Ventil Verlag erscheint ein Buch von Jonas Engelmann –<br />

und die Compilation „Der Text ist meine Party“ macht die Musik dazu.<br />

Natürlich sind neben dem Dreigestirn auch weitere bekannte Acts wie<br />

Bernd Begemann, die Goldenen Zitronen und Kante vertreten, doch<br />

spannend wird die Zusammenstellung vor allem durch die weithin<br />

vergessenen Wegbereiter:innen des Diskurspop: Knarf Rellöms Huah!,<br />

Concord um Julia Lubcke, Cpt. Kirk & oder die jüngst reformierten<br />

Ostzonen suppen würfel machenkrebs. Der wunderbare Titel dieser<br />

Anthologie stammt übrigens aus „Party“ von Kolossale Jugend, der<br />

Band des vor zwei Jahren verstorbenen Kristof Schreuf. Wobei natürlich<br />

jeder der ins gesamt 18 Beiträge ein vergleichbares Hochkaliber in<br />

den Lyrics hat, das als Namensgeber getaugt hätte, etwa Blumfeld:<br />

„Politisch und sexuell anders denkend“. cs<br />

DAS SOLO-DEBUTALBUM<br />

JETZT ERHÄLTLICH AUF CD, VINYL UND DIGITAL


Plattenchat<br />

SOUND OF KULTURNEWS<br />

listen on <strong>kulturnews</strong>.de<br />

Auflegen oder aufregen?<br />

Platten, die man im Juni hören muss – oder eben nicht.<br />

EELS<br />

JON MUQ<br />

LARY<br />

TITEL<br />

Eels Time!<br />

VÖ<br />

7. 6.<br />

TITEL<br />

Flying away<br />

VÖ<br />

gerade erschienen<br />

TITEL<br />

Stereo noir<br />

VÖ<br />

gerade erschienen<br />

Christine: Teils melancholische, teils träume -<br />

rische Nachdenkmusik, ohne dabei deprimierend<br />

zu werden. Erinnert mich stellenweise an<br />

die Strokes. Die Stimme kam mir sofort sehr<br />

bekannt vor. Ich konnte mir nicht erklären,<br />

woher, bis mir aufgefallen ist, dass seine alten<br />

Songs Teil des „Shrek“-Soundtracks sind.<br />

Ich bin Fan!<br />

Jonah: Fan war ich auch lang, und es tut gut,<br />

mal wieder was von Mark Oliver Everett zu<br />

hören – mehr noch, wenn er seine Altherren -<br />

blues-Tendenzen außen vor lässt. Wo aber<br />

gerade mit Steve Albini ein anderer Held meiner<br />

Jugend gestorben ist, würde ich Everett auf<br />

seinem drölfzigsten Album aber vielleicht sogar<br />

das verzeihen.<br />

Felix: Ich hab die letzten drölf (14) Alben wohl<br />

verschlafen, und dieses lullt mich hinten raus<br />

auch ordentlich ein. In Sachen Jugendheld<br />

bin ich sowieso eher Team Oger. Wobei es<br />

„Sweet Smile“ in meine Riege der Lieblings -<br />

song geschafft hat.<br />

Matthias: Bei mir funktionieren auch die<br />

lahmeren Songs, solange sie so melodisch<br />

komponiert und solide produziert sind wie<br />

hier. Einer meiner Favoriten: Das Liebeslied<br />

„I can’t believe it’s true“ – denkbar einfach,<br />

denkbar effektiv.<br />

Christine: Einzelne Stellen haben vielleicht<br />

Ohrwurmpotenzial, aber das Album entspricht<br />

eher weniger meinem Geschmack. Vieles<br />

kommt mir sehr willkürlich vor, seien es Lyrics,<br />

Melodien oder einfach der Aufbau der Songs.<br />

Hat meiner Meinung nach leider keinen<br />

Wiedererkennungswert.<br />

Felix: Dafür ist die diasporische Geschichte<br />

hinter diesem Album unglaublich: Jon Muq<br />

ist als Kreuzfahrtschiffmusiker dem prekären<br />

Leben in Uganda entflohen, um schließlich in<br />

Texas zu ankern und dort dieses Debüt zu<br />

schreiben. Aber ja, mir sind Nummern wie<br />

„Butterflies“ auch zu schnulzig. Womöglich<br />

aber perfekter Kreuzfahrtsound?<br />

Matthias: Gut möglich, dass tropische Sonnen -<br />

untergänge das Album ganz anders klingen<br />

lassen. Das wirft generell die Frage auf, wie<br />

wichtig Kontext ist: Ohne die Hintergrund -<br />

geschichte und auf Deutsch übersetzt wäre<br />

„Crying, laughing, loving, living“ womöglich<br />

nicht weit weg von „Lachen, weinen, tanzen“.<br />

Jonah: Ich fühle mich wie früher, wenn ich<br />

in der Schule meine Hausaufgaben nicht ge -<br />

macht hatte. Habe die Pressetexte (wie sonst<br />

auch) ignoriert und bin jetzt plötzlich gespannt,<br />

ob die Entstehungsgeschichte so schlimme<br />

Songs wie „Shake shake“ retten kann.<br />

Christine: Eigentlich gefällt mir deutsche Musik<br />

sehr gut, weil Texte in der Muttersprache oft<br />

nahbarer sein können. Leider haben mich die<br />

Texte bei diesem Album nicht wirklich überzeugen<br />

können, aber wahrscheinlich auch,<br />

weil mir die Stimme an manchen Stellen zu<br />

anstrengend ist.<br />

Matthias: Lustig, bei mir ist das bei Musik mit<br />

deutschen Texten eher umgekehrt, Lary mag<br />

ich dafür. Allerdings hat mir auch anfangs<br />

der Zugang gefehlt, weil ich das Album mit<br />

Pop-Ohren gehört habe. Erst die französische<br />

Version von „Stella“ hat mir klargemacht:<br />

Das ist eigentlich Chanson.<br />

Jonah: Du hast grad in Worte gefasst, was ich<br />

vorher nur schlecht greifen konnte. Anders als<br />

bei Nnella ist das hier Chansonesques, wie<br />

ich es mag: ein bisschen düster, ein bisschen<br />

verbraucht. „Ironisch, dass man mit nem<br />

Lebemann/Wirklich alles außer leben kann“<br />

gehört mit zum Besten, was ich dieses Jahr<br />

an deutschen Texten gehört habe.<br />

Felix: Obwohl das Album immer an der<br />

Grenze zum Deutschpop balanciert, gefällt mir<br />

das sehr gut. Gerade die Ode an die Schwäche,<br />

die Antikriegshyme „Krieger“, die sich so viel<br />

Raum und Zeit lässt, ist fantastisch. Wer hätte<br />

gedacht, dass „99 Lufballons“-Referenzen an<br />

die EU-Hymne so gut funktionieren?<br />

26 | <strong>kulturnews</strong>


Plattenchat<br />

Foto: Nils Heuner<br />

Foto: Sascha Wysk<br />

Foto: privat<br />

GASTHÖRERIN<br />

Foto: privat<br />

MATTHIAS JORDAN<br />

stellt wiederholt fest, dass es<br />

alte Männer in dieser Chat -<br />

runde nicht gerade leicht<br />

haben, lässt sich aber davon<br />

nicht seinen Geburtstag verderben.<br />

Eher destilliert er aus<br />

dem Decemberists-Doppel -<br />

album geduldig eine perfekte<br />

EP heraus. Das ist doch ein<br />

jugendliches Hobby, oder?<br />

JONAH LARA<br />

hat das mit dem Jungsein<br />

schon längst aufgegeben, ist<br />

aber insgeheim beruhigt,<br />

dass ihm der Altherren-Blues<br />

nur in Teilen, moderner Soul<br />

und Pop dagegen umso<br />

besser gefallen. Um ein<br />

bisschen Eels-Nostalgie<br />

kommt er dennoch nicht rum.<br />

FELIX EISENREICH<br />

gehört als „Shrek“-Fan noch<br />

zum jugendlichen Teil dieser<br />

Runde. Für Kollegen Jordan<br />

und Lara empfiehlt er eine<br />

Kreuzfahrt mit Jon Muq.<br />

Da gibt’s mit Sicherheit<br />

auch Rentnergymnastik<br />

und Massagesessel. Und<br />

gemeinsam mit Lary winkt<br />

er dann vom Ufer und lässt<br />

einen Luftballon steigen.<br />

CHRISTINE GERSTMAIER<br />

greift als Praktikantin der Musikredaktion<br />

unter die Arme und beweist nicht nur<br />

beim Identifizieren von „Shrek“-<br />

Soundtracks ein überaus genaues Ohr.<br />

Nur schade, dass sie sonst keins der<br />

Alben so richtig umgehauen hat.<br />

Allerdings ist sie damit in diesem Monat<br />

nicht allein …<br />

MRCY<br />

NNELLA<br />

THE DECEMBERISTS<br />

TITEL<br />

Volume 1<br />

TITEL<br />

Close to a Reality<br />

TITEL<br />

As it ever was, so it will be again<br />

VÖ<br />

gerade erschienen<br />

VÖ<br />

gerade erschienen<br />

VÖ<br />

14. 6.<br />

Christine: Eine gute Mischung aus tanzbaren<br />

und entspannenden Melodien, die ich mir<br />

gerne im Hintergrund beim Kochen anhören<br />

würde. Mir würde wahrscheinlich kein Song<br />

besonders stark im Gedächtnis bleiben – heißt<br />

aber nicht, dass ich es für das Ambiente nicht<br />

gerne laufen lassen würde.<br />

Felix: Dann gibt’s bei dir wohl Soul Food,<br />

Christine. Diese opulenten Grooves und um -<br />

armenden Refrains wie etwa von „Flowers in<br />

Mourning“ erinnern mich angenehm an die<br />

alten Jungle-Sachen. Das perfekte Album für<br />

den ausgebrochenen Sommer!<br />

Jonah: Ich bin eher beim letzten sonnigen Tag,<br />

bevor der Herbst beginnt, wenn Barney Lister<br />

und Kojo Degraft-Johnson bei „Lorelei“ melancholisch<br />

angehauchten Soul auf moderne Pro -<br />

duktion treffen lassen. Vielleicht eine Typfrage,<br />

aber großartig ist das natürlich trotzdem.<br />

Matthias: Mit Kopfstimme gesungener Soul<br />

holt mich eigentlich immer ab, das ist auch<br />

hier nicht anders. Allerdings gibt es bei mir<br />

ein starkes Gefälle zwischen den schnelleren<br />

Songs wie „Days like this“ und den Balladen<br />

à la „Seven Candles“, die lassen mich eher<br />

kalt. Aber ich bin ja auch bei Marvin Gaye<br />

eher ein Fan der frühen Sachen …<br />

Christine: Sehr experimentell. Man merkt, dass<br />

Nnella etwas Einzigartiges schaffen möchte.<br />

Obwohl ich eigentlich oft auf diesen experimen -<br />

tellen Kram stehe, konnte mich dieses Album<br />

aber leider nicht ganz abholen. Trotzdem würde<br />

es mich nicht überraschen, wenn jemand<br />

anderes riesiger Fan davon wäre.<br />

Jonah: Die Vorarlbergerin macht vieles richtig,<br />

und doch will bei mir der Funke nicht so recht<br />

überspringen. Nur, wenn Nnella richtig auffährt<br />

und etwa bei „St. Valentine“ die Streicher einsteigen,<br />

geh ich richtig mit. Sonst ist mir das<br />

leider noch zu close an der reality eines<br />

Chanson-Donnerstags in der Szenekneipe.<br />

Matthias: Bin da bei dir. Auf dem Papier müsste<br />

mir das Album sehr liegen, beim Hören reißt<br />

mich nichts so richtig mit. Am spannendsten<br />

fand ich den Moment, als Nnella auf „Hin &<br />

weg“ inmitten englischer Lyrics plötzlich im<br />

Vorarlberger Dialekt singt. Was hältst du als<br />

halber Österreicher davon, Felix?<br />

Felix: Musste an der Stelle auch kurz stocken.<br />

Dabei finde ich es eigentlich immer sehr sympathisch,<br />

wenn Sänger:innen ihren Dialekt<br />

nicht verstecken. Und von kultiger<br />

Mundartmusik ist Nnella sowieso meilenweit<br />

entfernt. Dafür lehnt sie sich viel zu euphorisch<br />

in die große Tragik.<br />

Christine: Typische Indiefolksongs, bei denen<br />

ich beim Hören am liebsten in einem Van leben<br />

würde, um im Spätsommer durch Ackerfelder<br />

und grüne Wiesen zu fahren. Dabei trage ich<br />

weiße Kleider, und alle denken, ich wäre eine<br />

coole Hippiebraut, die zu The Decemberists<br />

aus der Reihe tanzt. Würde ich mir außerhalb<br />

von dieser Situation aber wahrscheinlich<br />

nicht anhören.<br />

Matthias: Selten, dass ich mich ein Album so<br />

hin- und herreißt. Bei einem Song wie „The<br />

Black Maria“ mit Waldhorn und Harmonie -<br />

gesang musste ich kurz sogar an Neutral Milk<br />

Hotel denken, nur um zwei Tracks später bei<br />

„Born to the Morning“ komplett aus der Kurve<br />

zu fliegen.<br />

Felix: Einzig die Schunkelbläser bei „Oh No!“<br />

oder „America made me“ halten mich noch in<br />

der Kurve. Ansonsten ist mir das alles zu sehr<br />

Altherrenromantik: Pedal-Steel-Gitarre und ein<br />

sehnsüchtiges „Seattle down and watch the<br />

Sun rise“? Danke, nein.<br />

Jonah: Bei „Oh no!“ sitze ich plötzlich mit<br />

Mitte 50 in der Tapas-Bar und römer mir<br />

gepflegt einen hinter die Rüstung. Dass mir<br />

das gefällt, hätte ich auch nicht gedacht, aber<br />

auf Albumlänge funktioniert das absolut nicht –<br />

und das, obwohl ich Pedal Steel und Land -<br />

romantik sonst so gern hab!<br />

<strong>kulturnews</strong> | 27


Jazz + Klassik<br />

Dreigestirn<br />

Foto: Leandro Manuel Emede<br />

Il Volo waren noch Kinder, als ihr Höhenflug in einer italienischen Castingshow begonnen hat. Nun<br />

sind die einstigen Pop-Oper-Crossover-Kids um die 30 und haben schon drei Mal den Papst getroffen.<br />

Piero, Ignazio, Gianluca, wie kam es eigentlich, dass ihr euch als<br />

Jungs schon in die Oper verliebt habt?<br />

Piero Barone: Wir haben da tatsächlich alle einen ähnlichen Werdegang.<br />

Es waren unsere Großeltern, die uns diese Musik nahegebracht haben.<br />

Die italienische Geschichte ist reich an herausragenden Stimmen in diesem<br />

Genre, denken wir nur an Luciano Pavarotti oder an Andrea Bocelli.<br />

Wir möchten diese Fackel weitertragen.<br />

Kommen denn mehr Omas und Opas oder mehr Enkel zu euren<br />

Konzerten?<br />

Ignazio Boschetto: Sie kommen alle zusammen. Und bringen auch die<br />

Eltern mit.<br />

Ihr habt 2010 mit „O Sole mio“ euren ersten großen Erfolg gefeiert,<br />

2015 wart ihr mit „Grande Amore“ beim ESC auf Platz drei, das neue<br />

Album „Ad Astra“ beinhaltet fast nur Eigenkompositionen.<br />

Gianluca Ginoble: Langweilig wird es nicht. Gerade haben wir zum<br />

bestimmt zehnten Mal in der Arena di Verona gesungen, in Italien ist das<br />

so ziemlich das Größte. Wir haben jetzt schon die Hälfte unseres Lebens<br />

zusammen verbracht, eigentlich ist das total der Wahnsinn. Aber das ist<br />

unser Leben, und wir haben nach wie vor große Lust darauf.<br />

Wie kommt ihr miteinander aus?<br />

Ginoble: Gut, meistens. Manchmal haben wir morgens noch keine Lust<br />

zu reden. Und es stimmt schon, so ein Erfolg spielt ein bisschen mit deinem<br />

Kopf, wenn du jung bist. Aber wir mögen uns schon sehr, schließlich<br />

haben wir die großartigsten Momente unseres Lebens zusammen<br />

verbracht. Wir waren zusammen in einem japanischen Tempel, haben<br />

zusammen mit Barbra Streisand getourt, waren zusammen beim Papst.<br />

Wie oft habt ihr den Heiligen Vater getroffen?<br />

Barone: Einmal beim Weltjugendtag in Panama, zweimal in Rom. Der<br />

Papst ist cool, wirklich. Er hat sogar ein Selfie mit uns gemacht. (lacht)<br />

Eure Lieder sind romantisch, leidenschaftlich. Warum hören sich<br />

Songs über große Gefühle und die große Liebe auf Italienisch besser<br />

an als in anderen Sprachen?<br />

Ginoble: Italien ist das Land der Musik. Musikalische Begriffe wie lento oder<br />

adagio kommen aus dem Italienischen. Verdi und Puccini haben im 19. Jahr -<br />

hundert einige der schönsten Melodien aller Zeiten geschrieben, sie waren<br />

die Ed Sheeran und Taylor Swift ihrer Epoche. Und es klingt wie ein Klischee,<br />

ist aber Realität: Italiener lieben das Drama, gerade auch in der Musik.<br />

Womit hängt das zusammen?<br />

Barone: Das muss etwas mit unserem Land zu tun haben. Italien ist dramatisch<br />

schön. Das Meer, die Berge, das Essen, die Menschen. Es<br />

kommt ja nicht von ungefähr, dass Italien in der ganzen Welt so einen<br />

Zauber entfacht. Wir wollen positive Botschafter für unser Land sein.<br />

Ihr interpretiert auf der neuen Platte Queens „Who wants to live forever“.<br />

Ewig leben wollt ihr also auch?<br />

Boschetto: Nein, nein. Uns ist Qualität wichtiger als Quantität. Wir finden<br />

den Song einfach sehr schön, er handelt vom Leben, von der Ewigkeit,<br />

von den ganz großen Dingen. Eben Drama durch und durch.<br />

Ad Astra ist gerade erschienen.<br />

Interview: Steffen Rüth<br />

LIVE 16. 10. Düsseldorf | 17. 10. Berlin | 19. 10. Frankfurt<br />

28 | <strong>kulturnews</strong>


Jazz + Klassik<br />

Ganz so<br />

wie früher<br />

Foto: Simon Emmett<br />

Schon zum zweiten Mal kehrt Starcellist Hauser zu seinen<br />

Klassik-Wurzeln zurück – doch bleibt er für Überraschungen gut.<br />

›<br />

Sowohl als Mitglied des Erfolgsduos<br />

2Cellos als auch als Solokünstler hat sich<br />

Hauser einer Mission verschrieben: die Viel -<br />

seitigkeit des Cellos beweisen. In der Praxis<br />

bedeutet das Michael-Jackson-Cover, eine<br />

Tour mit Elton John, ein Weihnachtsalbum<br />

und mit „The Player“ eine Platte voller Latin-<br />

Pop-Hits. Im Vergleich dazu wirkt ein Album<br />

mit ausschließlich klassischer Musik fast<br />

schon einfallslos. Doch Fans wissen, dass<br />

Hauser mehr ist als ein Interpret, der Kroate ist<br />

auch – vielleicht vor allem – ein Arrangeur.<br />

Und auch in der Welt der Klassik gibt es genügend<br />

Stücke, die er für das Cello adaptieren<br />

kann. Wie schon beim Vorgänger ist auf<br />

„Classic II“ also nicht etwa Saint-Saëns’<br />

„Schwan“ zu hören, sondern Werke, die für<br />

alle möglichen Instrumente geschrieben wurden,<br />

darunter Bachs „Arioso“, Brahms’ „Wiegen -<br />

lied“ oder Mozarts Klavierkonzert Nr. 23.<br />

„Ich bin mit diesen Kompositionen aufgewachsen,<br />

sie haben mich schon immer begleitet“,<br />

erklärt Hauser die Auswahl der Stücke, unter<br />

denen sich mit Yirumas ursprünglich fürs<br />

Klavier geschriebem Hit „Kiss the Rain“ auch<br />

etwas Neoklassik findet. Zwei Tracks haben<br />

dabei besondere Bedeutung für ihn: Das „Lied<br />

an den Mond“ aus Dvořáks Oper „Rusalka“ hat<br />

er als Cellostudent in London für sich selbst<br />

transkribiert und damit seine Bestimmung ge -<br />

funden. Und das dem barocken Komponisten<br />

Albinoni zugeschriebene „Adagio“, ebenfalls von<br />

Hauser selbst für das Cello arrangiert, hat ihm<br />

einst auf YouTube zum Durchbruch verholfen.<br />

Wie schon bei „Classic“ wird Hauser vom<br />

London Symphony Orchestra unter der<br />

Leitung von Robert Ziegler begleitet. „Sie sind<br />

wirklich eines der besten Orchester der Welt“,<br />

schwärmt er. „Ich glaube, wir haben wieder<br />

dieselbe Magie eingefangen.“ Magie ist das<br />

Stichwort, denn für den Musiker selbst scheinen<br />

die „Classic“-Alben den Kern seines<br />

Schaffens darzustellen. „Es ist das, was ich<br />

am meisten genieße – wenn ich zu meinen<br />

Wurzeln, zum klassischen Repertoire zurückkehre“,<br />

sagt er. „Ich habe Hunderte von Tracks,<br />

von denen ich mich auf diese Weise inspirieren<br />

lassen kann, also freue ich mich darauf,<br />

in Zukunft noch viele weitere ,Classic‘-Alben<br />

zu veröffentlichen!“<br />

Matthias Jordan<br />

Classic II ist gerade erschienen.<br />

LIVE 17. 7. Regensburg<br />

<strong>kulturnews</strong> | 29


Jazz + Klassik<br />

Weit<br />

weg<br />

von<br />

zu Hause<br />

Foto: Emily Dennison<br />

Mit der in Manchester aufgenommenen Live-EP wandelt<br />

das britische Jazztrio GoGo Penguin auf den Spuren der Beatles.<br />

Doch Bassist Nick Blacka schwärmt vor allem von einer anderen Stadt.<br />

Nick, eure neue EP trägt den Titel „From the North“. Was ist die<br />

Geschichte dahinter?<br />

Nick Blacka: Der Titel ist eine Hommage an das Studio in Manchester,<br />

in dem wir seit 2016 aufnehmen. Das Gebäude war früher die Heimat<br />

von Granada TV, einem lokalen Fernsehsender aus Manchester. „From<br />

the North – It’s Granada Televsion“ war der Slogan. Wir wollten diesem<br />

Ort, an dem wir so gerne sind, und der Stadt Manchester ein Denkmal<br />

setzen. Schließlich ist auch sie Teil unserer Band-Identität.<br />

Viele legendäre Bands wie etwa die Beatles sind früher in diesen<br />

Fernsehstudios aufgetreten. Das muss ein besonderes Gefühl sein,<br />

dort live aufzunehmen.<br />

Blacka: Es fühlt sich wirklich gut an, vor allem, weil<br />

wir damals schon überzeugt waren, dass wir nie wieder<br />

die Gelegenheit dazu haben würden, dieses Studio<br />

zu betreten. Es kam aus heiterem Himmel, als wir eingeladen<br />

wurden, wir haben dann aber direkt zugesagt,<br />

weil wir den Sound im Live-Raum schon immer<br />

geliebt haben. Das erste Mal waren wir für eine<br />

Youtube-Live-Session in diesem Studio und haben<br />

dann auch unser Album „A humdrum Star“ dort aufgenommen.<br />

Es war ein wirklich schöner Moment für uns,<br />

eine weitere Gelegenheit zu bekommen, dort aufzutreten.<br />

Ihr veröffentlicht seit über zehn Jahren gemeinsam<br />

Musik. Wie schafft ihr es nach einer so langen Zeit,<br />

From the North<br />

ist gerade erschienen<br />

immer wieder auf frische Ideen zu kommen?<br />

Blacka: Ich denke, dass wir uns als Band weiterentwickelt haben und in<br />

den letzten zehn Jahren viel passiert ist. Wir haben immer gesagt, dass ein<br />

Album eine Momentaufnahme dessen ist, wer man in diesem Moment<br />

ist, und dass sich Menschen im Laufe ihres Lebens verändern. Eine Band<br />

ist da nicht anders. Am Anfang hatten wir viele Ideen und viel zu beweisen,<br />

aber jetzt konzentrieren wir uns mehr auf das, was wir sagen wollen. Es<br />

ist wichtig, dass man beim Schreiben seinem Instinkt vertraut. Wenn wir<br />

Zeit und Energie in den Prozess investieren, entsteht aus der harten<br />

Arbeit normalerweise etwas Gutes.<br />

Was sind eure liebsten Momente, die ihr bei Live-Shows hattet?<br />

Blacka: Es gibt viele Lieblingsmomente. Eine meiner<br />

schönsten Erinnerungen ist der erste Auftritt in New<br />

York. Ich wusste nicht, was die Leute von uns halten<br />

oder ob sie uns mögen würden, und ich erinnere<br />

mich, dass ich im Januar in einem Klub in New York<br />

gespielt habe. Draußen schneite es, und die Leute<br />

warteten in einer langen Schlange darauf, dass die<br />

Türen geöffnet wurden. Es hat sich einfach unglaublich<br />

besonders angefühlt, so weit weg von zu Hause<br />

zu sein, zum ersten Mal in einem neuen Land, und die<br />

Leute haben gewusst, wer wir waren.<br />

Interview: Christine Gerstmaier<br />

30 | <strong>kulturnews</strong>


Jazz + Klassik<br />

Iiro Rantala<br />

HEL Trio<br />

Tough Stuff<br />

ACT<br />

NORDIC JAZZ Nicht einmal<br />

der mit wirklich allen<br />

nordischen Wassern ge -<br />

waschene Jazzhead muss<br />

zwingend wissen, wer<br />

sich hinter dem Band -<br />

namen Trio Töykeät verbirgt.<br />

Als der finnische Pianist Iiro Rantala mit diesem Trio Erfolge<br />

feierte, hatte außerhalb Skandinaviens noch kaum jemand wahr -<br />

genommen, mit welchen Pfunden die Drei in Sachen Jazz wuchern<br />

können. Das Trio hat sich bereits 20<strong>06</strong> wieder aufgelöst, und seitdem<br />

übt sich Rantala in Klassik, Filmmusik und diversen Crossover-<br />

Projekten. Jetzt gibt's den Vollgas-Tastenmann wieder im Dreierpack –<br />

mit Drummer Anton Eger und dem britischen Bassisten Conor Chaplin.<br />

„Tough Stuff“ ist für Rantala und seine Begleiter eine intensive<br />

Spielwiese, auf der alles zu gehen scheint: clowneskes Uptempo,<br />

klassikinspirierte Momente, swingaffine Fingerflitzereien – alles mit<br />

hohem Funfaktor und virtuoser Leichtigkeit. Endlich mal wieder ein<br />

Pianotrio, das nicht in melancholischer Bedeutungsschwere versinkt,<br />

sondern hörbar mit Spaß bei der Sache ist. ron<br />

KÖLN<br />

HANNOVER<br />

MANNHEIM<br />

MÜNCHEN<br />

19.02.2025<br />

. 2 0 2 LANXESS S ARENA<br />

20.02.2025<br />

0 2 . 2 0 2 ZAG ARENA<br />

22.02.20252 2 . 2 0 2 SAP ARENA<br />

23.02.2025<br />

2 . 2 0 2 OLYMPIAHALLE<br />

STUTTGARTT<br />

25.02.2025<br />

2 . 2 0 2 5<br />

HANNS-MARTIN-SCHLEYER-HALLE<br />

H E R -HAL L E<br />

LEIPZIG<br />

28.02.2025<br />

2 . 2 0 2 QUARTERBACK IMMOBILIEN ARENA<br />

DORTMUND<br />

D<br />

01.03.2025<br />

. HAMBURG<br />

WESTFALENHALLEE L E<br />

02.03.2025<br />

03.2 0 2 BARCLAYS ARENA<br />

KARSTEN JAHNKE KONZERTDIREKTION & AEG PRÄSENTIEREN<br />

OKTOBER<br />

SO <strong>06</strong> KÖLN<br />

THEATER AM TANZBRUNNEN<br />

FR 18 BERLIN<br />

UBER EATS MUSIC HALL<br />

SA 19 HAMBURG<br />

KAMPNAGEL - K6<br />

SONNTAGS AN DER GEIGE ZUPFEN<br />

AEGPRESENTS.CO.UK KJ.DE THEBIANCADELRIO.COM<br />

Andrew Bird<br />

Trio<br />

Sunday Morning Put-on<br />

Blue Note<br />

JAZZFOLK Es gibt tausende<br />

Versionen von „Caravan“,<br />

diesem geheim nisvoll orientalischen<br />

Duke-Ellington-<br />

Standard, von Ella bis Monk,<br />

von Busta Rhymes wurde er<br />

gesamplet. Nun ist ein weiteres Cover hinzugekommen, der Drummer<br />

verschleppt einen trockenen Beat, eine gezupfte Geige setzt ein, dann<br />

wird sie gestrichen, und spätestens, als der Sänger das Wort „Night“<br />

betont, wird klar: Das hier hat Klasse. Andrew Bird, der von jedem mit<br />

Herz für seinen mal poppigen, mal experimentellen Indie-Folk geliebt<br />

wird, hat als Student von morgens bis abends Jazz im Radio gehört –<br />

in diese Zeit taucht er mit seinem 17. Album ein. Der Künstler firmiert<br />

nun als Andrew Bird Trio – klassische Jazz-Namensgebung. Wo bei<br />

Jazzplatten ein Blasinstrument zu hören ist, erklingt hier Birds Violine,<br />

so wehmütig wie nie. Und hat Birds Stimme jemals weicher, präsenter<br />

geklungen? Der Titel beschreibt ganz unironisch das, was man jeden<br />

Sonntagmorgen tun sollte: im Halbschlaf zur Anlage schlurfen und<br />

eine wirklich gute, relaxte Jazzplatte auflegen. Eine wie diese hier. jp<br />

<strong>kulturnews</strong> | 31<br />

29.<strong>06</strong>.<strong>2024</strong> • NIENDORF<br />

Jazz Baltica<br />

03.07.<strong>2024</strong> • FRANKFURT<br />

Euro <strong>2024</strong> Festival Frankfurt<br />

Fan Zone Mainufer<br />

28.07.<strong>2024</strong> • HILDESHEIM<br />

Marktplatz Musik Festival<br />

19.09.<strong>2024</strong> • FREIBURG<br />

Jazzhaus<br />

AUSVERKAUFT!<br />

20.09.<strong>2024</strong> • STUTTGART<br />

BIX Jazzclub<br />

29.09.<strong>2024</strong> • KASSEL<br />

Theaterstübchen<br />

30.09.<strong>2024</strong> • OBERHAUSEN<br />

Ebertbad<br />

01.10.<strong>2024</strong> • HAMBURG<br />

Fabrik<br />

18.10.<strong>2024</strong> • BRAUNSCHWEIG<br />

Westand<br />

TICKETS: (0 40) 4 13 22 60<br />

UND UNTER → KJ.DE<br />

AUSVERKAUFT!<br />

19.10.<strong>2024</strong> • BRAUNSCHWEIG<br />

Westand<br />

09.11.<strong>2024</strong> • KIEL<br />

Pumpe<br />

10.11.<strong>2024</strong> • HERFORD<br />

Museum Marta<br />

12.11.<strong>2024</strong> • LEVERKUSEN<br />

Scala, Leverkusener<br />

Jazztage


Jazz + Klassik<br />

Foto: BMG<br />

Bruderherzen<br />

›<br />

Der verstorbene Paco de Lucía gilt als bester Flamenco-Gitarrist aller Zeiten.<br />

Wie gut er schon als Kind war, beweisen neu entdeckte Aufnahmen mit<br />

seinem Bruder Pepe, die mehr als 60 Jahre alt sind.<br />

Mit Wunderkindern ist das so eine Sache. Heutzutage beginnen ihre<br />

Karrieren oft auf Plattformen wie YouTube, wo man sich etwa den<br />

12-jährigen Justin Bieber beim Singen ansehen kann. Das war früher<br />

nicht so – es gibt keine Aufnahmen des jungen Mozart. Paco de Lucía<br />

und sein Bruder Pepe, zwei Giganten des Flamenco, sind weit vor dem<br />

Internet geboren, und so haben Fans nie damit gerechnet, einen Blick in<br />

die Kindheit der beiden zu bekommen. Doch „Pepito y Paquito“ bietet<br />

genau das: 21 Tracks, aufgenommen in den Jahren 1959 und 1960, als<br />

Pepe und Paco gerade einmal 13 bzw. elf Jahre alt waren.<br />

Ein Mann namens Quique Benitez hat die Tonaufnahmen gemacht, ein<br />

Freund der Familie – „für mich wie Familie“, sagt Pepe de Lucía, der seinen<br />

kleinen Bruder schon um zehn Jahre überlebt hat. 40 Jahre haben die<br />

Lieder in einem Schrank gewartet, bis sie zufällig gefunden wurden –<br />

immer noch in Algeciras, dem Geburtsort der Brüder. „Das Leben wollte,<br />

dass wir sie finden“, sagt Pepe. „Die Überraschung ist riesig, wenn du<br />

dich plötzlich selbst hörst und nicht wiedererkennst.“<br />

Als Zeitkapsel ist „Pepito y Paquito“ allemal interessant – doch was ist<br />

mit dem Album als Album? Es wird niemanden überraschen, dass die<br />

Lucía-Brüder schon als Kinder hervorragende Musiker waren. Tatsächlich<br />

ist nur an Pepes Stimme zu erkennen, dass hier nicht zwei Erwachsene<br />

am Werk sind. Natürlich kam das Können nicht aus dem Nichts: Beide<br />

Brüder wurden von ihrem Vater, ebenfalls Flamenco-Gitarrist, von klein auf<br />

gedrillt. Dabei war Paco der gehorsamere der beiden, wie sich Pepe erinnert.<br />

„Er hatte jeden Tag die Gitarre dabei und hat all die Stunden geübt, die mein<br />

Vater verlangt hat. Ich auf der anderen Seite habe es manchmal ge schafft,<br />

mich davonzuschleichen und Unfug anzustellen“, sagt er und lacht.<br />

In den Liedern selbst gibt es nur selten etwas zu lachen. Es sind 15 verschiedene<br />

Flamenco-Stile, die die Brüder durchmessen, oft inspiriert von<br />

damals aktuellen Veröffentlichungen von Stars der Szene wie Niño Ricardo:<br />

Tangos, Soleares, Bulerías und Pepes Lieblingsstil, die Sequiriya. Ihnen<br />

allen gemein sind Leidenschaft und Dramatik, oft grenzt die Atmosphäre<br />

an Schwermut – oder liegt das nur an der Vergänglichkeit, für die diese<br />

alten Aufnahmen heute stehen? Pepe selbst fühlt beim Hören Trauer und<br />

Schmerz, sagt er. „Vor allem Trauer, weil man sieht, wie die Zeit damals<br />

die Person reflektiert, die man jetzt wird – wenn das Alter einen wieder<br />

zum Kind macht.“<br />

Auch sonst hält der Altmeister nichts vom Verklären: „Ich glaube an die<br />

Geburt und den Tod, nicht mehr“, sagt er. „Der Rest ist Überleben.“ Sicher<br />

spielt dabei auch der Verlust seines Bruders eine Rolle. „Ich wünschte,<br />

ich könnte ihm alles erzählen, was ich fühle“, sagt Pepe. „Wenn er zuhören<br />

könnte, würde ich ihm sagen, dass er mich beschützen soll.“ Ob Paco ihn<br />

hören kann, ist unmöglich zu sagen. Fest steht immerhin: Wer sich auch<br />

nur ein bisschen für Flamenco interessiert, sollte dieses Album hören.<br />

Pepito y Paquito ist gerade erschienen.<br />

Matthias Jordan<br />

32 | <strong>kulturnews</strong>


Jazz + Klassik<br />

Magnus Öström<br />

& Dan Berglund<br />

SOUNDTRACK-HIGHLIGHTS<br />

AUF VINYL<br />

CHAINSAW MAN<br />

e.s.t. 30<br />

ACT<br />

NU JAZZ Dass Esbjörn Svenssons<br />

Trio e.s.t. in den 1990er Jahren<br />

den Beginn einer neuen Ära für<br />

Jazztrios markiert hat, muss an<br />

dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Der 2008 unter tragischen<br />

Umständen ums Leben gekommene Pianist hat das große Erbe einer<br />

Musik hinterlassen, die sich dem Jazz verpflichtet fühlt und gleichzeitig<br />

von großartigen Songstrukturen lebt. „Unterm Strich wird immer wieder<br />

klar, dass diese Musik gespielt werden und nicht in einer Schublade<br />

verschwinden sollte", sagt e.s.t.-Drummer Magnus Öström heute, drei<br />

Jahrzehnte nach dem internationalen Durchbruch des Trios. Öström<br />

und Bassist Dan Berglund haben Freunde und Wegbegleiter wie Joel<br />

Lyssarides, Magnus Lindgren, Verneri Pohjola und Ulf Wakenius für<br />

zwei Konzerte in der Kölner Philharmonie und der Stockholmer<br />

Filadelfia-Kirche versammelt. Das Kölner Konzert wurde im Oktober<br />

vergangenen Jahres mitgeschnitten. Selbst für Ersthörer wird sich die<br />

Magie der Kompositionen Svenssons auf „e.s.t. 30“ voll entfalten. Es<br />

ist nicht die erste Hommage an das Werk des Schweden, es wird nicht<br />

die letzte sein – aber es ist sicherlich eine der emotionalsten. ron<br />

SOLO LEVELING<br />

LASS ES REGNEN!<br />

Nduduzo<br />

Makhathini<br />

uNomkhubulwane<br />

Blue Note<br />

SPIRITUAL JAZZ Es heißt, er<br />

habe schon als Teenager seine<br />

Fähigkeiten als traditioneller<br />

Heiler entdeckt. Nduduzo<br />

Makhathini ist keiner dieser<br />

Musiker, die sich durch ihre<br />

Kunst enger mit ihrer spirituellen Seite zu verbinden suchen – die<br />

Spiritualität ist bei dem südafrikanischen Pianisten schon vorher da<br />

gewesen. Bereits der Opener seines neuen Albums hat enorme<br />

meditative Kraft. Makhathini spielt eine hypnotische, simple Figur,<br />

sprechsingt dazu und nutzt die Bantu-typischen Klicklaute.<br />

„uNomkhubulwane“ ist seine Hommage an die gleichnamige Zulu-<br />

Regengöttin. Wassergeister und Trankopfer finden sich in seinen<br />

Titeln, und der Glaube an die Kraft der Zahl Drei. Als dreiteilige Suite,<br />

eingespielt im klassischen Trio, ist das Album nicht nur ein Tribut an<br />

südafrikanische Riten, sondern auch an die reiche Jazztradition des<br />

Landes. Bei allem Einfluss von Bop und Blues: Diese singenden,<br />

melancholischen Melodien, die man sich doch immer mit dem Anflug<br />

eines Lächelns gespielt vorstellen darf, findet man so nur im Süden<br />

dieses viel zu oft übersehenen Kontinents. jp<br />

ASSASSIN’S CREED MIRAGE<br />

<strong>kulturnews</strong> | 33


Auf in andere Welten!<br />

Auch wenn unser Special von Fantasy bis Horror reicht, so hat sich diesmal doch<br />

ein leichter Schlag hin zum Horror ergeben: Wenn selbst in der zweiten Staffel<br />

der Fantasyserie „House of the Dragon“ das Gemetzel so richtig losgeht, ist mit<br />

lieblichen Fabelwesen endgültig Schluss!<br />

Gott dreht durch<br />

„Star Wars“, „Jurassic Park“, „RoboCop“: Über Jahrzehnte hat<br />

Stop-Motion-Experte Phil Tippett die größten Blockbuster mit<br />

wilden Kreaturen und futuristischen Maschinen bevölkert. Die<br />

letzten 30 Jahre hat er im Geheimen an seinem Herzensprojekt<br />

gearbeitet: einem komplett handanimierten Film, in dem seiner<br />

Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Am Ende ist aus Mad God<br />

(gerade auf Blu-ray und DVD erschienen) eine apokalyptische<br />

Vision geworden, in der ein maskierter Attentäter durch die<br />

Unterwelt reist, um die Stadt der Monster zu zerstören.<br />

Foto: Plaion Pictures<br />

Die Hintergrundbilder dieses Specials<br />

sind Szenenfotos aus „Mad God“<br />

34 | <strong>kulturnews</strong>


SciFi | Horror | Fantasy<br />

Noch nicht Schicht<br />

im Schacht<br />

Das deutsche Fantasybestseller-Kollektiv legt<br />

nach und spinnt die Geschichte von mehreren<br />

ungleichen Helden in Grubenstadt weiter: tolle<br />

Charaktere, ein überzeugender Weltenbau und<br />

viel Spannung und Humor. Band drei hält locker<br />

das hohe Niveau der Vorgänger.<br />

Foto: Warner Bros.<br />

Talkshow des Grauens<br />

Neben seinem übermächtigen Konkurrenten Johnny Carson<br />

wirkt Talkshow-Host Jack Delroy (David Dastmalchian) wie ein<br />

kleines Licht. Um aus dem Schatten des TV-Schwergewichts<br />

herauszutreten und seine eigene Sendung „Night Owls“ vor dem<br />

Aus zu bewahren, muss Jack ein großer Coup gelingen. Die<br />

Halloweennacht 1977 soll alles verändern. Zu Gast: Ein<br />

Medium, ein Magier, eine Expertin für Paranormales und ein<br />

junges Mädchen, das von einem Dämon besessen ist. Niemand<br />

kann ahnen, welch unvorstellbares Grauen in Late Night with<br />

the Devil (ab 13. 6. im Kino) auf das Studiopublikum und vor<br />

allem auf Gastgeber Jack Delroy wartet.<br />

Bernhard Hennen, Mira Valentin, Sam Feuerbach, Greg Walters,<br />

Torsten Weitze Minen der Macht – Der Grauzorn<br />

Fischer Tor, <strong>2024</strong>, 480 S., 18 Euro<br />

Fantasy mit KI<br />

Interessante Mischung aus Fantasy und Endzeit-<br />

Science-Fiction, erweitert durch die Präsenz einer<br />

mächtigen KI: Die junge Flora lebt als<br />

Ausgestoßene in einem öden Ort in einer heißen,<br />

unwirtlichen Welt. Ihr Leben verändert sich erst,<br />

als der Gelehrte Konstantin sie als Auszubildende<br />

erwählt. Doch Meister Konstantin hat viel größere Macht, als es auf<br />

den ersten Blick scheint … Was ist sein Plan für die Welt? Und welche<br />

Rolle wird Flora darin spielen?<br />

Robin Hill Strom<br />

Penhaligon, <strong>2024</strong>, 464 S., 18 Euro<br />

:<br />

<strong>kulturnews</strong> | 35


SciFi | Horror | Fantasy<br />

Foto: Capelight Pictures<br />

Wie der Vater so die Tochter<br />

Regisseur M. Night Shyamalan („The sixth Sense“) soll seinen Töchtern<br />

jeden Abend selbst erdachte Gute-Nacht-Grusel-Geschichten erzählt haben.<br />

Das Ergebnis: Mit They see you (ab 6. 6. im Kino) präsentiert seine<br />

Tochter Ishana ihren ersten eigenen Mysterythriller. Mina (Dakota Fanning,<br />

„Ripley“) geht auf einen Trip in die absolute Düsternis. Nachdem sie sich<br />

in einem Wald verlaufen hat, steht sie plötzlich in einem Raum mit drei<br />

Fremden, die alle von einer unbekannten Macht gefangen gehalten werden.<br />

Wie ihr Vater in seinen Filmen erhöht auch Ishana Shyamalan die Spannung<br />

mehr und mehr – bis zu einem denkwürdigen Finale.<br />

After Ork<br />

Über sieben Bände haben uns die Orks<br />

aus Michael Peinkofers Fantasysaga<br />

bestens unterhalten. Jetzt erscheint das<br />

große Finale, und wieder ziehen die beiden<br />

Ork-Brüder Rammar und Balbok in<br />

die Welt hinaus, um – nicht ganz frei -<br />

willig – am Ende die Welt zu retten.<br />

Foto: Plaion Pictures<br />

Michael Peinkofer Die Krone der Orks<br />

Knaur, <strong>2024</strong>, 400 S., 17,99 Euro<br />

36 | <strong>kulturnews</strong>


SciFi | Horror | Fantasy<br />

Zwischen Leben<br />

und Tod<br />

Justin Cronin ist seit seiner großartigen<br />

Trilogie „Der Übergang“ ein internationaler<br />

Bestsellerautor. Ein hohes literarisches<br />

Niveau verknüpft mit einer schlüssigen<br />

Endzeitvision unserer Welt machten die Romane einzigartig. Jetzt<br />

liegt endlich ein neuer Roman von Cronin vor. Die Bewohner der<br />

Insel Prospera verbringen ein paradiesisches Leben, bis mit 100<br />

Jahren die Lebensenergie aufgebraucht ist. Danach führt der Weg<br />

auf eine Nachbarinsel, wo ein neues, weiteres Leben warten soll.<br />

Proctor Bennet ist der Fährmann, der die Alten der Gesellschaft<br />

als Fährmann zu ihrem neuen Zuhause bringt. Seine Aufgabe hinterfragt<br />

er erst, als sein Vater die Fähre besteigen muss. Bennets<br />

Welt gerät vollends ins Wanken, als er eine kryptische Botschaft<br />

erhält, die unliebsame Wahrheiten enthüllt …<br />

Justin Cronin Ferryman – Der Tod ist nur der Anfang<br />

Goldmann, <strong>2024</strong>, 720 S., 28 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Rainer Schmidt<br />

Foto: Paramount Pictures<br />

Sag. Kein. Wort<br />

A quiet Place: Tag Eins (ab 27. 6. im Kino) ist Teil drei der<br />

Horrrorfilmreihe und geht zurück an den ersten Tag der Invasion.<br />

Im Mittelpunkt des Films steht die junge Sam (Lupita Nyong’o)<br />

mit ihrer Katze, die auf den Straßen New Yorks unterwegs ist,<br />

als die Außerirdischen die Invasion starten. Gezielte<br />

Sprengungen von Infrastruktur gehen einher mit ersten<br />

Überfällen der blinden Monster mit dem hervorragenden Gehör.<br />

Kein Wimmern, kein Husten, kein befreites Lachen von<br />

Menschen mehr: Wer einen Laut macht, ist tot. Sind die<br />

Außerirdischen vom Lärm der Menschen so sehr genervt?<br />

Magisch, fesselnd und atemberaubend spannend –<br />

Die Fantasy-Sensation aus Korea<br />

Vier auserwählte Völker.<br />

Vier Götter.<br />

Vier Helden, die sich auf eine<br />

gefährliche Reise begeben,<br />

um eine uralte Prophezeiung<br />

zu erfüllen.<br />

Band 2<br />

erscheint im Juli<br />

Band 1<br />

Hardcover | € 22,– [D]


SciFi | Horror | Fantasy<br />

Foto: Plaion Pictures<br />

Foto: © 2023 Home Box Office, Inc. All rights reserved<br />

Armee der Drachen<br />

House of the Dragon ist mit der zweiten Staffel (ab 17. 6. auf<br />

Sky und Wow) zurück. Der GoT-Ableger hat in Staffel eins die<br />

Protagonisten wie auf einem Schachfeld in Position gebracht,<br />

jetzt geht der Kampf los. Sowohl König Aegon als auch Königin<br />

Rhaenyra beanspruchen die Herrschaft über Westeros, und alle<br />

Drachen, die nicht bei drei auf den Bäumen waren, werden für<br />

den Kampf trainiert. Bereits Staffel eins hatte bewiesen, dass<br />

„HotD“ die mit Abstand besten Drachen auf den Bildschirm<br />

bringen kann.<br />

Verliebt in einen<br />

Superhelden<br />

Wer die Romane von Adam Silvera mag, wird<br />

diese Trilogie von T.J. Klune lieben. Im<br />

Eröffnungsband erzählt der auf queere<br />

Fantasy spezialisierte US-Autor von Nick<br />

Bell. Bei dem 16-jährigen Teenager wurde<br />

ADHS diagnostiziert, er leidet unter dem frühen Tod seiner Mutter,<br />

und er hat ein ungewöhnliches love interest: Nick ist in Shadow<br />

Star verknallt, einen Superhelden, der über seine Heimatstadt<br />

Nova City wacht. Klune erzählt mit Action, Humor und vor allem<br />

aber viel Empathie und Feingefühl für Nicks innere Kämpfe. Mitte<br />

Juni folgt „The Extraordinaries – Neue Helden“, der<br />

Abschlussband „The Extraordinaries – Alte Geheimnisse“ ist für<br />

September angekündigt.<br />

T.J. Klune The Extraordinaries – Die Außergewöhnlichen<br />

Heyne, <strong>2024</strong>, 576 S., 20 Euro<br />

38 | <strong>kulturnews</strong>


SciFi | Horror | Fantasy<br />

Der Herr<br />

ohne Ringe<br />

Keine Hobbits, keine Orks, dafür Tolkiens<br />

Interpretation eines altenglischen<br />

Gedichts über einen Wikingerangriff im<br />

10. Jahrhundert. Ein wahres Fest für alle,<br />

die Tolkien nicht nur als Weltenbauer<br />

schätzen, sondern auch als Professor für<br />

englische Literatur.<br />

J.R.R. Tolkien Die Schlacht von Maldon<br />

Klett Cotta, <strong>2024</strong>, 304 S., 26 Euro | Aus d. Engl. v. H. W. Pesch<br />

Fantasy – wie<br />

noch nie!<br />

Lee Young-Do hat das Fantasygenre in<br />

Südkorea etabliert und dabei gleich noch<br />

bewiesen, dass das Genre auch ohne Elfen<br />

und Zwerge funktioniert. „Die Legende vom<br />

Tränenvogel“ fußt auf koreanischen Mythen:<br />

Eine Gruppe aus Vertretern der vier Völker –<br />

Naga, Dokebi, Lekon und Menschen – geht auf eine<br />

Rettungsmission. Doch bald schon findet sie sich im Sog einer<br />

uralten Prophezeiung wieder … Young-Dos Welten gehören zum<br />

Spannendsten, was das Fantasygenre zu bieten hat. Wer befürchtet,<br />

sich darin nicht zurechtzufinden, sei beruhigt: Erzähler<br />

Philipp Schepmann bietet in der Hörbuchfassung die perfekte<br />

Erdung.<br />

TLee Young-Do Das Blut der Herzlosen –<br />

Die Legende vom Tränenvogel Teil 1<br />

Heyne, <strong>2024</strong>, 560 S., 22 Euro<br />

Aus d. Korean. v. Hyuk-Sook Kim u. M. Selzer<br />

Hörbuch bei Randon House Audio, 16h<br />

11min., gelesen v. Phillip Schepmann<br />

Herz oder Hölle?<br />

Klassische High Fantasy mit viel Magie und<br />

etwas Romantik, die auch für jüngere<br />

Leser:innen geeignet ist. Brienna gerät nach<br />

ihrer Ausbildung in den fünf Passionen in eine<br />

höfische Intrige samt Rebellion gegen den König.<br />

Rebecca Ross The Queen’s Rising<br />

Carlsen, <strong>2024</strong>, 496 S., 12 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Anne Brauner u. Susann Friedrich<br />

AB DONNERSTAG,<br />

27. JUNI<br />

NUR IM KINO<br />

<strong>kulturnews</strong> | 39<br />

aquietplace-film.de @Paramount.Pictures.Germany.Kino<br />

#AQUIETPLACE #TAGEINS @paramount_pictures_germany<br />

@paramountpicturesgermany<br />

/ParamountPicturesGER


Film<br />

Foto: Warner Bros. Home Entertainment<br />

Schon nach seiner ersten „Dune“-Adaption von 2021 war klar, dass Denis Villeneuve nicht nur die Vorlage von Frank<br />

Herbert verinnerlicht, sondern auch ein Händchen für epische Blockbuster hat. Die Fortsetzung Dune: Part two hat<br />

dann noch einen draufgesetzt: Der Streifen ist bisher der erfolgreichste Kinofilm des Jahres <strong>2024</strong>. Kein Wunder, denn die<br />

Geschichte um Paul Atreides (Timothée Chalamet), der auf dem Planeten Arrakis zur Erlöserfigur der Fremen wird und<br />

sich mit dem Kaiser der Galaxie anlegt, ist so bombastisch wie vielschichtig. Jetzt gibt es „Dune: Part two“ fürs Heimkino<br />

auf Blu-ray, DVD und als limitierte Steelbook-Edition. Um die überwältigenden Wüstenaufnahmen von Greig Fraser und<br />

die Musik von Hans Zimmer richtig würdigen zu können, ist natürlich ein ordentliches Heimkinosystem empfehlenswert.<br />

Aber auch Fans ohne Leinwand und HiFi-Anlage können sich auf über ein Stunde Bonusmaterial freuen, darunter<br />

Unterricht in der Chakobsa-Sprache der Fremen und Blicke hinter die Kulissen der Sets, Kostüme und Special Effects. mj<br />

40 | <strong>kulturnews</strong>


Szene<br />

„In der Mathematik<br />

ist die Konkurrenz groß.<br />

Diejenigen, die in der<br />

Forschung<br />

tätig sind, wissen,<br />

dass sie zur Elite gehören.“<br />

Regisseurin Anna Novion hat mit<br />

Die Gleichung ihres Lebens (ab 27. 6.<br />

im Kino) einen Film über eine französische<br />

Mathematikerin gedreht, dargestellt<br />

von Ella Rumpf (Foto). Filmheldin<br />

Marguerite hat es als einzige Frau in<br />

den Promotionsstudiengang an der<br />

École Normale Supérieure in Paris<br />

geschafft. Nach einem schweren Fehler<br />

wendet sich ihr Professor von ihr ab:<br />

Doch Marguerite gibt nicht auf.<br />

Foto: Weltkino<br />

ARSENALFILM.DE<br />

AB 23. MAI IM KINO<br />

Foto: Sony Pictures<br />

Wer auf dumme Sprüche, schnelle<br />

Autos und ganz, ganz viel<br />

Rumgeballere steht, ist hier<br />

bestens bedient: Bad Boys.<br />

Ride or die mit Will Smith und<br />

Martin Lawrence als erwachsene<br />

Kinder mit Waffen schein<br />

in den Hauptrollen startet am<br />

5. 6. in den Kinos. Regie führen<br />

Adil El Arbi und Bilall Fallah.<br />

OSCAR ® -GE WIN NE RIN<br />

NATALIE<br />

PORTMAN<br />

OSCAR ® -GE WIN NE RIN<br />

JULIANNE<br />

MOORE<br />

FILMFESTIVAL<br />

Wenn vom 5. bis 8. Juni in Köln Ehrenfeld das Seriencamp-Festival<br />

läuft, werden dem Fachpublikum und den Fans nicht nur viele internationale<br />

Serien vorgestellt, sondern auch nagelneue Produktionen<br />

aus Deutschland. RTL+ zeigt „Ich bin Dagobert“ über den legendären<br />

Supermarkterpresser der 1990er Jahre, während Netflix mit der zweiten<br />

Staffel der „Kleo“ mit Jella Haase als DDR-Auftragsmörderin nachlegt.<br />

Aus Norwegen kommt der Spaß „Doomsday“, wo eine Pandemie<br />

die Menschheit nicht tötet, aber kollektiv dumm macht.<br />

<strong>kulturnews</strong> | 41<br />

EIN TODD HAYNES FILM<br />

AB 30. MAI IM KINO


Kino<br />

Die Heide der Hoffnung<br />

Foto: © Henrik Ohsten / Zentropa<br />

Nikolaj Arcels neuer Film King’s Land öffnet mit einem langen, dräuenden<br />

Blick auf die unwirtliche jütländische Heide. In den folgenden<br />

zwei Stunden wird diese zum Austragungsort eines Kampfes, der<br />

mythische Dimen sionen annimmt: Der pensionierte Soldat Ludvig<br />

Kahlen (mit stiller Vehemenz: Mads Mikkelsen) versucht, sich<br />

einen Adelstitel und Land zu verdienen, indem er den Traum des<br />

dänischen Königs Frederik V. verwirklicht – die Heide urbar zu<br />

machen und Zivilisation in die Wildnis zu tragen. Dabei gerät er an<br />

den Großgrundbesitzer Frederik Schinkel (genussvoll ekelig: Simon<br />

Bennebjerg), der seinen Status bedroht sieht. Kahlens Ringen mit<br />

dem Ödland der Heide und den Intrigen der dänischen<br />

Adelsgesellschaft spitzt sich immer weiter zu, bis er sich entscheiden<br />

muss: Was ist ihm die Anerkennung wert? Arcel nimmt sich<br />

wahnsinnig viel Zeit und baut seine komplexe Handlung mit einer<br />

derartigen Intensität auf, dass die Fragen, die „King’s Land“ aufwirft,<br />

bald zu Schlüsselfragen des menschlichen Daseins werden.<br />

Zu deren Auflösung sei nur so viel verraten: Der Film endet auch<br />

mit einer Einstellung der Heide – einer, die Hoffnung anbietet. jl<br />

Geldeintreiber im Niemandsland<br />

Mehdi (Fehd Benchemsi) und Hamid (Abdelhadi Teleb) sind im Film Déserts – Für<br />

eine Handvoll Dirham (ab 27. 6. im Kino) im Auftrag von Kredithaien aus<br />

Casablanca als Geldeintreiber in den ärmlichen Bergdörfern im Süden Marokkos<br />

unterwegs. Sie knüpfen säumigen Schuldnern das letzte Bisschen ab, was diese<br />

noch haben. Der trockene, wortkarge Humor, mit dem Regisseur Faouzi Bensaïdi<br />

sein staubiges Roadmovie inszeniert, ist an Ikonen des Autorenfilms wie Aki<br />

Kaurismäki und Jim Jarmusch geschult – aber Bensaïdi belässt es nicht dabei.<br />

Denn die Good Cop/Bad Cop-Nummer, die Mehdi und Hamid aufführen, kommt zu<br />

einem Ende, als sich die beiden in eine Familienfehde hineinziehen lassen und sich<br />

in einem archaischen Gewirr aus wahrer Liebe, Mordgelüsten und illegalem Alkohol<br />

verirren. Bensaïdi wechselt dabei zu einem magischen Realismus, in dem die stets im<br />

Anzug gekleideten Geldeintreiber wie Abgesandte aus einer fremden Welt wirken. rr<br />

Neue Leitung, neue Preise, neues Logo,<br />

Gastland Kanada: Das Filmfest München<br />

(28. 6.–7. 7.) eröffnet mit der<br />

Weltpremiere der deutsch-deutschen<br />

Komödie „Zwei zu eins“ der Regisseurin<br />

Natja Brunckhorst. In den Hauptrollen:<br />

Sandra Hüller, Max Riemelt und Ronald<br />

Zehrfeld. Oscar-Preisträgerin Kate Winslet<br />

wird nicht nur ihren Film „Die Fotografin“<br />

vorstellen, sondern – neben Jessica Lange,<br />

die den Preis ebenfalls erhält – auch mit<br />

dem CineMerit Award ausgezeichnet.<br />

Foto: Camino Filmverleih<br />

Kino erleben<br />

.de<br />

42 | <strong>kulturnews</strong>


Kino<br />

Foto: Leonine<br />

Die Intimität der Nacht<br />

Bis auf sehr wenige Szenen spielt Daddio (ab 27. 6. im Kino) ausschließlich<br />

während einer nächtlichen Fahrt vom New Yorker Flug -<br />

hafen JFK nach Manhattan. Der Fahrgast ist eine Programmiererin,<br />

die gerade von einem Besuch bei ihrer Halbschwester zurückkehrt;<br />

der Fahrer ist der deutlich ältere Clark, der die jungen Frau in ein<br />

zunehmend persönliches, geradezu intimes Gespräch verwickelt: über<br />

Ehebruch, Schwangerschaft, Geschlechterverhältnisse, Kindheits- und<br />

Familientrauma. Das Kammerspiel will und kann nicht verbergen,<br />

dass es ursprünglich für die Bühne geschrieben wurde. Und so mancher<br />

Monolog wirkt auf der Leinwand immer noch sehr papiernen. Dakota<br />

Johnson und Sean Penn aber, die ihren Figuren durch ihr zurückhaltendes,<br />

subtiles Spiel Leben einhauchen und Tiefe verleihen, meistern<br />

die darstellerische Herausforderung mit Bravour. Johnson enthüllt die<br />

Geheimnisse ihrer Figur mit Feingefühl und Präzision, und auch Penns<br />

Taxifahrer offenbart sukzessive seine verborgenen Verletzungen. ascho<br />

Foto: © Filmgarten<br />

Auf der Suche nach dem Klezmer<br />

Der semidokumentarische Film Das Klezmer-Projekt (ab 30. 5. im Kino)<br />

über die Wurzeln des Klezmer ist vieles in einem: In seiner auf mehreren<br />

Ebenen angelegten Erzählung liefert er gleich zwei Liebes -<br />

geschichten und erzählt ganz nebenbei von der Bedeutung der<br />

Klezmermusik im heutigen Argentinien bis zurück an den Anfang des<br />

20. Jahrhunderts in Osteuropa. Während die auf Jiddisch erzählte<br />

Geschichte vom Totengräber Yankel und seiner Liebe zur Tochter eines<br />

Rabbis aus dem Off erklingt, verliebt sich der Hochzeitsfilmer Leandro<br />

aus Buenos Aires auf einer Feier in die Klarinettistin Paloma und reist<br />

ihr bis in den Westen der Ukraine hinterher. jw<br />

TOM SCHILLING<br />

L I KAROLINE HERFURTH<br />

R H<br />

JETZT T ALS BLU-RAY,<br />

DVD D UND DOWNLOAD<br />

O D<br />

© Warner Bros. Entertainment GmbH. All Rights Reserved.


Kino<br />

Von 1969 bis 1974 war Golda Meir Israels Ministerpräsidentin.<br />

Regisseur Guy Nattiv zeigt sie uns in Golda (ab 30. 5. im Kino) während<br />

des Jom-Kippur-Krieges 1973. Die ägyptische und die syrische Armee<br />

haben das Land angegriffen. Zwischen heimlicher Strahlentherapie –<br />

Meir hat Krebs –, Blutkotzen und Kettenrauchen leitet sie ihr Kabinett voller<br />

Angsthasen. Sie verlangt der Armee viele Verluste ab bis zum Sieg Israels.<br />

Wie es dazu kam, zeigt der Film in vielen klaustrophobisch anmutenden<br />

Szenen in der Kommandozentrale – Befreiung findet Meir lediglich in den<br />

Pausen, wenn sie auf dem Bunkerdach gemeinsam mit ihrer persönlichen<br />

Assistentin raucht. Meir zog schon Anfang der 1930er nach Palästina,<br />

wo die linke Zionistin in der Politik Karriere machte und von 1956 an für<br />

Kette rauchen im Krieg<br />

neun Jahre als Außenministerin im Amt war. Als der US-Außenminister<br />

Henry Kissinger im Film auf Besuch kommt, muss er von der Suppe essen,<br />

die Golda Meirs Haushälterin gekocht hat. Meir erpresserisch leise: „Sie<br />

ist Überlebende!“ Der Film lebt von Helen Mirren als Kriegsherrin am<br />

Limit, und die Kamera verfolgt die alte, gebrechliche Frau aus nächster<br />

Nähe – vom zittrigen ersten Schritt am Morgen bis zum unnachgiebigen<br />

Auftreten gegenüber dem Kabinett. Und wenn die Kamera ganz nah dran<br />

ist an ihrem Gesicht, schneidet Regisseur Nattiv historische Kriegsszenen<br />

dagegen: Was Golda Meir damals aushalten musste, sollen wir heute in<br />

den Kinosesseln gefälligst auch aushalten. jw<br />

Foto: Weltkino Filmverleih<br />

Eier, Gemälde, Exzentrik<br />

Ein junger Einwanderer aus El Salvador möchte in Amerika seinen Traum<br />

verwirklichen. Im Detail wird dieses Vorhaben in Julio Torres’ Film<br />

Problemista (ab 13. 6. im Kino) haarig. Nicht nur scheint Alejandro<br />

(Torres selbst) als Spielzeugdesigner völlig uneinstellbar, denn zu seinen<br />

Ideen zählt ein Treppenläufer, der keine Treppe hinunterläuft, sodass die<br />

Kinder mit Enttäuschungen umzugehen lernen. Er muss für seine exzentrische<br />

Arbeitgeberin Elizabeth (Tilda Swinton) auch noch eine Ausstellung<br />

mit den Gemälden ihres Mannes Bobby organisieren. Das gestaltet sich<br />

wiederum schwierig, da dieser Zeit seines Lebens nur Hühnereier gemalt<br />

hat. Was bescheuert wirken mag an der Handlung, entwickelt durch sorgfältige<br />

Inszenierung und brillantes Schauspiel eine unglaubliche Komik –<br />

sodass die nie erwarteten gefühlvollen Momente besonders gelingen. jl<br />

Foto: Universal Pictures<br />

FILM IM SCHNELLCHECK<br />

THE BIKERIDERS<br />

WORUM GEHT’S?<br />

Wenn Motorradfahren jemals cool war, dann in<br />

den 60ern und in den USA. Regisseur Jeff<br />

Nichols hat mit „The Bikeriders“ das gleichnamige<br />

Buch des Fotojournalisten Danny Lyon verfilmt,<br />

der über Jahre hinweg eine Bikergang begleitete.<br />

WAS BRINGT’S?<br />

Starke Performances bis in die Nebenrollen und<br />

der authentische Look machen den Mangel an<br />

Überraschungen wett. Nur das recht konservative<br />

Ende ist dann doch etwas enttäuschend.<br />

WER WAR’S?<br />

Austin Butler, Jodie Comer und Tom Hardy<br />

können ihre Qualitäten bestens ausspielen.<br />

WANN?<br />

Ab 20. 6. im Kino<br />

Foto: © <strong>2024</strong> Focus Features, LLC.<br />

All Rights Reserved<br />

44 | <strong>kulturnews</strong>


JETZT ALS BLU-RAY, DVD,<br />

4K ULTRA HD UND DOWNLOAD<br />

© <strong>2024</strong> Warner Bros. Entertainment Inc. and Legendary. All rights reserved.


Streaming + DVD<br />

Haute Couture<br />

der Leidenschaften<br />

Innerhalb weniger Monate ist Becoming Karl Lagerfeld (ab 7. 6., Disney+)<br />

nach „The new Look“ bereits die zweite Serie, die sich die Haute Couture als<br />

Thema vornimmt. Doch während die von Apple TV+ gestreamte Serie mit<br />

Juliette Binoche und Ben Mendelsohn in den 1950ern und immer wieder auch<br />

während der Besatz ungszeit im Zweiten Weltkrieg spielt und damit die<br />

Vergangenheit aufarbeitet, steht die Serie von Disney+ im Hier und Jetzt der<br />

1970er-Jahre. Karl Lagerfeld (Daniel Brühl) ist noch ein unbekannter<br />

Modedesigner, als er sich in den jungen Journalisten Jacques de Bascher<br />

(Théodore Pellerin, „Underground“, „Watchdog“) verliebt, dessen Liebe aber nicht<br />

erwidert, sondern ihn vielmehr als Assistenten ausbeutet. Bascher fackelt nicht<br />

lange und fängt ein leidenschaftliches Verhängnis mit Lagerfelds Konkurrenten<br />

Yves Saint Laurent (Arnaud Valois) an, bis es Ende der zweiten Folge an Lagerfelds<br />

Geburtstag zu einem Showdown der Emotionen kommt, bei dem mit allen Tricks<br />

gearbeitet wird. Die Serie des Regisseurs Jérôme Salle widmet sich weniger dem<br />

Kerngeschäft der Mode als vielmehr dem Zwischenmenschlichen drumherum, ohne<br />

dass er deshalb im Tratsch versinkt, im Gegenteil: „Becoming Karl Lagerfeld“ ist der<br />

ernsthafte Versuch, dem Unnahbaren zu Beginn seines späten Ruhms nahe zu sein. jw<br />

DVD-TIPP<br />

Das Monster<br />

in dir<br />

„Sherlock“, „Edison“, „The Imitation Game“<br />

oder „Die wundersame Welt des Louis<br />

Wain“: Benedict Cumberbatch spielt gerne<br />

mal den exaltierten Typen, in der sechs -<br />

teiligen Miniserie Eric (ab 30. 5. bei Netflix)<br />

driftet er dabei als Kindershowpuppenspieler<br />

Vincent in düstere Gefilde ab: Im New York der<br />

1980er-Jahre wird sein kleiner Sohn Edgar entführt.<br />

Die Polizei findet auch nach längerer Zeit keinerlei Spur<br />

Foto: Disney+<br />

Foto: Netflix<br />

Glücksmomente<br />

Eine Million Minuten, das sind 694<br />

Tage oder fast zwei Jahre. So lange Zeit<br />

nehmen sich Wolf Küper (Tom<br />

Schilling) und seine Frau Vera<br />

(Karoline Herfurth), um den Wunsch<br />

ihrer Tochter Nina (Pola Friedrichs) in<br />

die Tat umzusetzen: sich nur auf die<br />

schönen Momente im Leben zu konzentrieren.<br />

Also kündigt Wolf kurzerhand<br />

seinen Job, und sie reisen sie ge -<br />

meinsam um die Welt, nach Thailand<br />

und Island. Eine Million Minuten<br />

(ab 6. Juni auf Blu-ray und DVD) mag<br />

märchenhaft anmuten – basiert aber<br />

auf einer wahren Geschichte. mj<br />

von dem Jungen. Vincent wird immer verzweifelter<br />

und meint schließlich eine Mög -<br />

lichkeit zur Rettung gefunden zu haben: Er<br />

muss die von Edgar gezeichnete Monster -<br />

puppe Eric bauen und ins Fernsehen bringen,<br />

um jeden Preis … Serienschöpferin Abie Morgan<br />

ist als Drehbuchautorin von „Suffragette“ und<br />

„Die eiserne Lady“ bekannt, auch Serien wie<br />

„The Hour“ und „The Split“ veranwortete sie. vs<br />

46 | <strong>kulturnews</strong>


Serien<br />

Foto: © ARD Degeto/Isarstraßen Film/Nik Konietzn<br />

Wo wir sind,<br />

ist oben<br />

Das Haus<br />

am Hang“<br />

Foto: Disney+<br />

Pauline<br />

Foto: © Wowow<br />

Foto: Amazon PrimeFeedMee<br />

Viktor bringt’s<br />

WATCHLIST<br />

+++ Was tun, wenn frau vom Sohn der Teufelin<br />

geschwängert wird? Dieser Frage geht die Serie<br />

Pauline (seit 22. 5. auf Disney+) nach, die aus der<br />

Feder der schwarzhumorigen Macher von „How to<br />

sell Drugs online (fast)“ stammt. +++ Auch wenn<br />

mit Moritz Bleibtreu und Caroline Peters Stars<br />

am Werk sind: Die Serie Viktor bringt’s (ab 30. 5.<br />

Amazon Prime) bringt’s einfach nicht. +++<br />

Risako Yamazaki ist Ehefrau und Mutter, als sie<br />

Laienrichterin in Japan wird und einen Fall von<br />

Kindstötung vorliegen hat. Die Serie japanische Das<br />

Haus am Hang (30. 5. Mediathek, 6. 6. Arte)<br />

widmet sich der Frage, wie die Gesellschaft eine<br />

Mutter zur Mörderin macht. +++ Valerie Hazard<br />

(Nilam Farooq) arbeitet für einen Industrieverband,<br />

Max Lentor für eine Öko-NGO. Welten prallen<br />

aufeinander in der Serie Wo wir sind, ist oben –<br />

ab 14. 6. in der ARD. +++<br />

<strong>kulturnews</strong> | 47<br />

DAKOTA<br />

JOHNSON<br />

„ DAKOTA JOHNSON IST<br />

EINE OFFENBARUNG“<br />

Hollywood Reporter<br />

„ SEAN PENN IN<br />

ABSOLUTER BESTFORM“<br />

Deadline<br />

daddio<br />

EINE NACHT IN NEW YORK<br />

ARTWORK © 2023 RHEA FILMS. ALL RIGHTS RESERVED<br />

MOTION PICTURE © 2023 BEVERLY CREST PROUCTIONS LLC, ALL RIGHTS RESERVED<br />

AB 27. JUNI IM KINO<br />

SEAN<br />

PENN


4Kids + 4Teens<br />

Was wären Stars ohne ihre<br />

Fans? Gar nichts. Aber was ist<br />

mit denen, die alles ein bisschen<br />

zu ernst nehmen? Die im<br />

Internet Fanfiction schreiben,<br />

Kostüme nähen, zu Con ven -<br />

tions gehen – und vielleicht<br />

sogar bereit sind, ihren Lieb -<br />

lingsdarsteller zu kidnappen?<br />

In Fangirl Fantasy (Carlsen,<br />

<strong>2024</strong>, 272 S., 26 Euro) entwirft<br />

Olivia Vieweg ein modernes<br />

„Misery“-Szenario, in dem<br />

drei Fangirls den Schauspieler<br />

Allan entführen. Der hat vor<br />

kurzem alle seine Verträge<br />

gekündigt und will ein seriöseres<br />

Image – doch Ashley, Kate<br />

und Lia wollen ihn zwingen,<br />

die Geschichten privat zu<br />

Ende zu erzählen. Autorin<br />

Olivia Vieweg ist selbst ein<br />

lebenslanges Fangirl und<br />

bringt viel Verständnis für ihre<br />

Figuren mit. So düster wie bei<br />

Stephen King endet ihre<br />

Graphic Novel also nicht … mj<br />

Illustration: Olivia Vieweg/Carlsen Verlag<br />

48 | <strong>kulturnews</strong>


4Kids + 4Teens<br />

MIT DEN STIMMEN VON<br />

DALIA SCHMIDT-FOSS OLIVER KALKOFE<br />

MAX GIERMANN SANTIAGO ZIESMER<br />

Foto: Sebastian Berghaus<br />

Erst das Abi und dann!<br />

Als Konrad Romy den Vorschlag macht, doch gemeinsam ans Meer zu<br />

fahren, hat er eigentlich keine Chance auf eine Zusage. Die beiden<br />

haben gerade ihr Abitur in der Tasche und müssen mal etwas rauskommen.<br />

Gut ist da, dass mit Konrads Freund Julian auch die<br />

Motorisierung gesichert ist: In seinem goldenen Mercedes und außerdem<br />

mit Nele an Bord geht das Quartett auf die Reise. Wie es bei<br />

Roadmovies so ist: Die Reise bewirkt Klärung, Veränderung,<br />

Erwachsenwerden. Regisseur Patrick Büchting hat mit Morgen<br />

irgendwo am Meer (ab 6. 6. im Kino) einen kurzweiligen und tiefgehenden<br />

Coming-of-Age-Film über vier junge Menschen gedreht, die<br />

sich finden müssen. jw<br />

AB 27. JUNI<br />

IM KINO<br />

+++ Ay, caramba! In diesem Jahr werden die<br />

Simpsons 35 Jahre alt. Dazu gibt es bis 27. Oktober<br />

in Dortmund die Ausstellung Die Simpsons –<br />

Gelber wird’s nicht +++<br />

Foto: Studiocanal<br />

Zurück in den Dschungel<br />

Großer Tierfreund: Der französische Regisseur Gilles de Maistre hat sich<br />

in letzter Zeit auf das Drehen mit Vierbeinern spezialisiert – und greift<br />

dabei keineswegs auf Tricktechnik zurück. In Ella und der schwarze<br />

Jaguar (ab 6. Juni auf Blu-ray und DVD) kehrt Ella (Lumi Pollack), die<br />

im Amazonas aufgewachsen ist, dorthin zurück, um ihre beste Freundin<br />

Hope zu retten. Das Besondere: Hope ist ein schwarzer Jaguar, den<br />

Ella als Junges gefunden und selbst aufgezogen hat. Jetzt machen<br />

Wilderer Jagd auf sie … mj<br />

<strong>kulturnews</strong> | 49<br />

NACH DEM GLEICHNAMIGEN KINDERBUCHERFOLG<br />

VON KLAUS BAUMGART


4Kids + 4Teens<br />

+++ Es gibt kein anderes Spielzeug, das die Generationen so sehr vereint wie<br />

Lego. Und was in Amerika längst ein Convention-Klassiker ist, feiert nun Premiere<br />

in Europa. Das Brick Fest Live! (9.–11. 8. Frankfurt, myticket Jahrhunderthalle)<br />

ist ein Paradies für Lego-Fans! +++<br />

Spuk in der Geisterbahn<br />

Eine alte Geisterbahn auf einem Jahrmarkt entpuppt sich als wichtiger Handlungsort des Films<br />

Elli – Ungeheuer geheim (im Kino ab 27. 6.). Doch warum? Nun: Elli ist ein kleines Gespenst,<br />

das bei seinem Onkel Chamberlain in einer alten Spukvilla wohnt. Als der Onkel aber von obskuren<br />

Drohnen entführt wird, macht sich Elli auf die Suche nach Chamberlain und stößt auf die<br />

Geisterbahn, wo die Monster überhaupt nicht glücklich darüber sind, noch ein spukendes Wesen<br />

bei sich zu beherbergen. Doch Elli lässt sich nicht beirren, sucht weiter hartnäckig nach ihrem<br />

Onkel und einem neuen Zuhause … jw<br />

Foto: © <strong>2024</strong> Dreamin' Dolphin Film/ Zooper Film/Productions<br />

CarpeDiem (V) Inc./Traumhaus Studios - All rights reserved<br />

Zoo und nicht anders<br />

Foto: Manfred Esser<br />

Dass der König der Kinderdisco und Kinder lieder -<br />

macher Volker Rosin so tierisch gut ist, liegt vor allem<br />

an seinen Tieren: „Die Eule tanzt“, „Die Kuh<br />

Mathilde“, „Der Gorilla mit der Sonnenbrille“, „Tanz<br />

mit der Gans“, „Maus auf Weltraumreise“. Im<br />

Grunde liest sich Rosins Diskografie wie eine Folge<br />

„Elefant, Tiger & Co.“, und mit seinem neuen<br />

Album Tierische Kinderdisco ruft der Ruhrpottler<br />

zur Fütterung. So versammelt Rosin 25 seiner<br />

bekanntesten Tierlieder auf einer Platte und lässt<br />

gemeinsam mit Rapper, Entertainer und<br />

Schauspieler Bürger Lars Dietrich „Das singende<br />

Känguru“ aus dem Jahr 1992 rappen. fe<br />

50 | <strong>kulturnews</strong>


4Kids + 4Teens<br />

Camryn Garrett Foto: Louisa Wells<br />

Der Juni ist Pride Month, und auch Mahalia will eine Coming-out-Party<br />

feiern. Dumm nur, dass sie sich vor ihrer Mutter noch nicht geoutet<br />

hat. Und wie reagiert ihre neue Mitschülerin Siobhan, auf die Mahalia<br />

ein Auge geworfen hat? Friday I’m in Love (Arena, <strong>2024</strong>, 312 S., 18<br />

Euro, aus d. Engl. v. Isabel Abedi) von Camryn Garrett ist ein leichter<br />

Roman mit ganz viel Gefühl. Nicht weniger romantisch ist die Ge -<br />

schichte von Morgan und Ruby, doch haben die Schönheitskönigin<br />

und die von einer katholischen Privatschule verwiesene Leichtathletin<br />

in Jennifer Dugans Some Girls do (Crocu, <strong>2024</strong>, 368 S., 16 Euro, aus<br />

d. Engl. v. Katrin Aust) mit ein paar grauen Wolken mehr zu kämpfen.<br />

Und die LGTBQ-Community kann sich auch über die Neu veröffent -<br />

lichung eines Klassikers freuen: In Die Tage der Bluegrass-Liebe<br />

(Carlsen, <strong>2024</strong>, 192<br />

S., 10 Euro, aus d.<br />

Niederl. v. Rolf Erdorf)<br />

von Edward van de<br />

Vendel verlieren Tycho<br />

und Oliver ihren Job<br />

in einem US-amerika -<br />

nischen Ferien camp,<br />

als sie erkennen, dass<br />

sie einander mehr<br />

sind als nur gute<br />

Freunde. cs<br />

Abb: Jyamma Games<br />

Sommer, Sonne, Bossfight<br />

Unbarmherziges Gameplay, eine kryptische Story und Kämpfe, an<br />

denen man sich die Köpfe einrennt: Games nach der Dark-Souls-<br />

Formel sind längst ein eigenes Genre. Zumeist dominiert in den<br />

Spielwelten die Dunkelheit, wie der Name bereits andeutet. Nicht so<br />

bei Enotria: The last Song. Das Entwicklerteam hat sich von italienischer<br />

Folklore inspirieren lassen, die Landschaften sind sonnengeflutet<br />

und machen direkt Lust auf Urlaub. Dazu gibt es Kostüme, die<br />

vom Karneval beeinflusst sind. Nur die brutalen Gefechte, die sich<br />

Spieler:innen in ihrer Rolle als Maskenloser stellen müssen, könnten<br />

die Ferienlaune trüben … mj<br />

HIPPE<br />

DANIEL ERNESTO MÜLLER<br />

SIPPE<br />

Papa, Papi, Palme, Patentante und Pfanne. Oder Mama, Mami,<br />

die Mundharmonika und der Malkasten? Oder Mama, Papa, die<br />

Badewanne, das Kuscheltier und die Freund*innen? Wer gehört<br />

alles zur Familie? In Hippe Sippe beschließen vier Menschen,<br />

Familie zu werden. Bei jedem gehört etwas anderes dazu.<br />

PERFORMANCE FÜR ALLE AB 5 JAHREN<br />

SA 22.6. 15 UHR<br />

FFT im KAP1 Konrad-Adenauer-Platz 1 40210 Düsseldorf -duesseldorf.de<br />

Das FFT wird gefördert durch die Landeshauptstadt Düsseldorf und das Ministerium für Kultur und Wissenscha 昀 des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

© Manuel Tiranno<br />

<strong>kulturnews</strong> | 51


Buch<br />

Foto: Stephen Mortland<br />

Am Ende des Romans steht ein Gespräch mit dem Vater, in<br />

dem Obiefuna diesen Satz sagt: „Ich habe mein ganzes<br />

Leben lang in einem Gefängnis gelebt, Papa.“ In Nigeria<br />

wird Homosexualität mit bis zu 14 Jahren Freiheitsentzug<br />

bestraft, in den nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische<br />

Recht der Scharia angewandt wird, droht gar die<br />

Todesstrafe durch Steinigung. Chukwuebuka Ibeh wurde in<br />

Nigeria geboren, heute studiert der 24-Jährige an der<br />

Washington University in St. Louis, Missouri, und in seinem<br />

Debüt erzählt er Obiefunas Geschichte. Nachdem der Vater<br />

ihn in einem intimen Moment mit dem Lehrling Aboy<br />

erwischt, verbannt er Obiefuna auf ein christliches Internat.<br />

„Wünschen“ ist ein Coming-of-Age-Roman, der das Ver -<br />

stecken und die Selbstverleugnung dokumentiert und einen<br />

Helden zeigt, der sein Begehren nur heimlich leben kann, der<br />

Missbrauch erfährt und selbst zum Täter wird, um nicht enttarnt<br />

zu werden. Ibeh stattet Obiefuna mit einer Sprache aus,<br />

die inmitten der Gewalt immer wieder Räume von ergreifender<br />

Zartheit öffnet. Es sind die Liebe zur Mutter, die Ent -<br />

grenzung in der Musik und im Tanz, mit der er die Hoffnung<br />

schürt, dass sein Held nicht komplett gebrochen wurde und<br />

ein Leben in Freiheit für ihn möglich ist. cs<br />

Chukwuebuka Ibeh Wünschen<br />

S. Fischer, <strong>2024</strong>, 320 S., 24 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Cornelius Reiber<br />

52 | <strong>kulturnews</strong>


Szene<br />

Abb.: Maia Kobabe / Reprodukt<br />

Maia will weder Mädchen noch Junge<br />

sein: In „Genderqueer – Eine nichtbinäre<br />

Autobiografie“ (Reprodukt, <strong>2024</strong>,<br />

240 S., 20 Euro, Aus d. Engl. v.<br />

Matthias Wieland) erzählt Maia<br />

Kobabe vom Ringen mit der<br />

eigenen Identität. Es gibt<br />

nichts Harmloseres? Nicht,<br />

wenn man die USA fragt, wo<br />

der Comic seit Jahren die<br />

Book-Ban-Liste anführt.<br />

Das allein beweist, wie<br />

wichtig Kobabes Arbeit ist.<br />

LITERATURTIPPS<br />

UND TERMINE<br />

Das Programm des LESEN! Literaturfestivals vom 27. Juni<br />

bis zum 7. Juli in Fürth ist spektakulär: Elias Hirschl liefert<br />

„Content“, Bestsellerautor Maxim Leo stellt seinen neuesten<br />

Roman „Wir werden jung sein“ vor, Lene Albrecht liest aus<br />

ihrem Debüt „Weiße Flecken“, und Dana Vowinkel bringt den<br />

Roman „Gewässer in Ziplock“ mit, der im vergangenen Jahr<br />

mit dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet worden ist.<br />

In ihrem zweiten Roman erzählt Paula Irmschler von einer<br />

verkorksten Mutter-Tochter-Beziehung, und im Juni ist sie mit<br />

„Alles immer wegen damals“ auch auf Lesereise: 6. 6. Moers,<br />

7. 6. Mainz, 8. 6. Stuttgart, 13. 6. Leipzig, 14. 6. Dresden,<br />

15. 6. Meißen, 20. 6. Mühlheim, 21. 6. Köln, 26. 6. Hamburg<br />

„Laut Nachrichtenmeldungen<br />

griff mich A. siebenundzwanzig<br />

Sekunden lang an. In siebenundzwanzig<br />

Sekunden<br />

könnte man – sofern<br />

religiös gesinnt – das<br />

Vaterunser aufsagen.“<br />

Weil er vor mehr als 30 Jahren die religiösen Gefühle radikaler<br />

Islamisten verletzt hat, hat das iranische Regime eine<br />

Fatwa mit Aufforderung zum Töten gegen Salman Rushdie<br />

verhängt. 2022 kam es zu einem Attentat, das er nur knapp<br />

überlebt hat. In „Knife – Gedanken zu einem Mordversuch“<br />

(Penguin, <strong>2024</strong>, 256 S., 25 Euro, Aus d. Engl. v. Bernhard<br />

Robben) schildert der Schriftsteller nicht nur sein Erleben<br />

der Attacke, sondern auch den langen Prozess der Heilung<br />

– und schafft so ein Plädoyer für Mut und Kunstfreiheit.<br />

Dem Leben<br />

entwachsen<br />

„Wenn sie so vögelten, setzte ich immer<br />

meinen Walkmen auf, hörte Portishead<br />

und versuchte mir die Zeit vorzustellen,<br />

in der das alles nur noch eine witzige<br />

Geschichte sein würde.“ Die Prota -<br />

gonistin aus „Auf allen vieren“ erinnert<br />

sich an schmerzhafte Tage Mitte der<br />

Neunziger, als ihre Ex-Freundin und ihr<br />

Ex-bester-Freund in der Wohnung<br />

nebenan Sex hatten – und mit dieser<br />

Szene schließen sich gleich mehrere<br />

Kreise. In diesem Monat kehrt die Portishead-Sängerin Beth Gibbons mit ihrem<br />

Solodebüt zurück, auf dem sie das Älterwerden und die Wechseljahre in den<br />

Mittelpunkt rückt (siehe auch unsere Titelgeschichte auf den Seiten 6 und 7).<br />

Und diese Themen verhandelt auch die US-amerikanische Künstlerin und<br />

Regisseurin („The Future“) Miranda July in ihrem zweiten Roman, der nach<br />

fast zehn Jahren auf „Der erste fiese Typ“ folgt. Die Künstlerin aus „Auf allen<br />

vieren“ ist verheiratet und hat ein non-binäres Kind, doch zu ihrem<br />

45. Geburtstag fährt sie nicht wie geplant mit dem Auto von L.A. nach New<br />

York, sondern steigt unterwegs in einem billigen Motel ab, um<br />

sich mit dem 30-jährigen Davey zu treffen, den sie an einer<br />

Tankstelle getroffen hat. Es ist ein entlarvender, empowernder<br />

und wahnsinnig lustiger Roman – und natürlich passt Beth<br />

Gibbons als Soundtrack perfekt. cs<br />

Miranda July Auf allen vieren<br />

Kiepenheuer & Witsch, <strong>2024</strong>, 416 S., 25 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Stefanie Jacobs<br />

Foto: Rachel Eliza Griffiths<br />

Foto: Elizabeth Weinberg<br />

<strong>kulturnews</strong> | 53


Literatur<br />

›<br />

Foto: Peter-Andreas Hassiepen<br />

Schlammschlachten<br />

Und noch eine Superpower von T.C. Boyle:<br />

Das schlimmste No-Go-Thema extrem spannend verhandeln.<br />

›<br />

Erst vergangenes Jahr hat er die derzeit natürlich<br />

massenhaft erscheinenden Dystopien aufgemischt<br />

und mit seinem Bestseller „Blue Skies“ mal<br />

eben den wohl eindringlichsten Roman zum Klima -<br />

wandel veröffentlicht. Und T.C. Boyle legt nach:<br />

„Außerdem – und verzeihen Sie mir, wenn das lächer -<br />

lich klingt – wollte ich mir nicht die Schuhe ruinieren,<br />

nur um meine Schaulust zu befriedigen“, lässt er den<br />

Erzähler in der Titelgeschichte seines neuen Erzähl -<br />

ungsbands sagen. Jener Brandon beobachtet, wie<br />

massive Regenfälle in den kalifornischen Bergen<br />

eine Schlammlawine auslösen, die Häuser, Autos<br />

und auch viele seiner Nachbarn unter sich begräbt.<br />

Mit „I walk between the Raindrops“ kartografiert der<br />

75-jährige Boyle das Nicht-wahrhaben-Wollen und<br />

die Beruhigungsversuche des eigenen Gewissens.<br />

Die 13 Erzählungen sind kurz vor und nach „Blue<br />

Skies“ entstanden, und sie vermessen so komisch wie<br />

schonungslos unsere Gegenwart: In „What’s Love got<br />

to do with it“ diskutiert eine Mutter um die 50 mit<br />

einem jungen Incel-Studenten über einen misogynen<br />

Amokläufer. „Schlaf am Steuer“ zeigt, wie eine Zu -<br />

kunft mit Drohnenautos aussehen könnte. Und Boyle<br />

holt ein Thema zurück, das wir am liebsten eine für<br />

alle Mal vergessen möchten: Im März 2020 geht ein<br />

Ehepaar auf Kreuzfahrt – doch dann bricht das<br />

Covid-19-Virus aus, und die beiden stecken auf dem<br />

Schiff fest. Trotz negativer Reizwörter wie „FFP2-<br />

Masken“ und „Quarantäne“: Bei T.C. Boyle will man<br />

wissen, wie „Der dreizehnte Tag“ endet.<br />

Carsten Schrader<br />

T.C. Boyle<br />

I walk between the Raindrops<br />

Hanser, <strong>2024</strong>, 272 S., 25 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Dirk van Gunsteren<br />

u. Anette Grube<br />

Protokoll eines Massakers<br />

Der frühere Geheimdienstoffizier Ron Leshem ist seit<br />

Jahren international als Schriftsteller („Als wir schön<br />

waren“) und Drehbuchautor („Euphoria“, „Kampf um<br />

den Halbmond“) bekannt, der sich für den Frieden zwischen<br />

Israel und den Palästinensern einsetzt. Der offen<br />

schwul lebende Leshem lebt gemeinsam mit Partner<br />

und Kind seit einigen Jahren in Boston. Mit „Feuer“ hat er jetzt nicht nur<br />

eine schonungslose Doku men tation des Massakers der Hamas vom 7.<br />

Oktober vorgelegt. Er analysiert völlig illusionsfrei auch die Konflikte innerhalb<br />

der israelischen Bevölkerung, die zur Schwächung der militärischen<br />

Vertei di gung geführt haben. Der gelernte Geheimdienstler zeigt mit Belegen<br />

auf, welche technische Ausrüstung aus Russland und dem Iran gekommen<br />

ist, der die vollständige Zerstörung Israels auf der Agenda hat und<br />

überhaupt nicht erfreut gewesen ist vom Alleingang der Terror -<br />

organisation. Vor allem aber benennt Leshem jedes Verbrechen der<br />

Hamas sowie der palästinensischen Zivil bevölkerung. Mit Uhrzeit und<br />

Positionsangabe wird der Überfall auf militärische Einrich tungen, auf das<br />

Musikfestival und gezielt auf linke Kibbuzim in allen brutalen Einzelheiten<br />

dokumentiert: das Foltern, Verge waltigen, Ermorden und Ent führen von<br />

Menschen, die in der Vergangenheit für den Frieden in der Region und<br />

gegen Ministerpräsident Netanjahu demonstriert haben. Auch Leshems<br />

Tante Orit Sabirski von der Organisation Women Wage Peace und ihr ge -<br />

schie dener Mann Rafi wurden ermordet, ihr Sohn Itai entführt und er -<br />

schossen – das Video stand im Netz. jw<br />

Ron Leshem Feuer. Israel und der 7. Oktober<br />

Rowohlt Berlin <strong>2024</strong>, 320 S., 25 Euro<br />

Aus d. Hebr. v. Ulrike Harnisch u. Markus Lemke<br />

Tschüss, Gemüs<br />

Die satten fünf Jahre Wartezeit seit<br />

„Herkunft“ seien ihm verziehen.<br />

Nicht nur wegen der Kinderbücher<br />

zwischendurch, sondern auch, weil<br />

Saša Stanišić einen Anproberaum für<br />

das Leben entwickelt hat. Ob er in<br />

dem wohl vorab geluschert hat, ob<br />

sein Verlag diesen gar großartigen, aber<br />

eben auch extrem langen Titel für<br />

seinen Erzählungsband schlucken<br />

wird? Die Texte hängen zusammen,<br />

weswegen Stanišić selbst auch neben Ray Cummings in den Leit -<br />

gedanken auftaucht („Bitte der Reihe nach lesen“), doch ohne den<br />

Überbau eines Romans dreht er so richtig auf: Mit einer Figur namens<br />

Saša geht es auf einen Hochsitz bei Heidelberg und nach Helgoland –<br />

und irgendwie ist ein gewisser Harry Heine immer an seiner Seite. Der<br />

Justiziar Paul Horvath betrügt seinen achtjährigen Sohn Paul beim<br />

Piratenmemory, und in Winsen an der Luhe schafft es Mo nicht zur<br />

Doppelkopfrunde, weil ihm per Post ein Panzer<br />

zugestellt wird. Doch unvergessen bleibt dieses<br />

Buch vor allem wegen Gisel aus Hamburg.<br />

Genau, das ist die mit der Gießkanne. cs<br />

Saša Stanišić<br />

Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert<br />

sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem<br />

Ausguss nach vorne<br />

Luchterhand, <strong>2024</strong>, 256 S., 24 Euro<br />

Foto: Magnus Terhorst<br />

54 | <strong>kulturnews</strong>


Literatur<br />

Fuck Fomo!<br />

Ein Umzug in die Großstadt kann ernüchternd sein. Vor allem, wenn das<br />

Versprechen vom wilden Leben nie eingelöst wird. Mounia, Leon und die Ich-<br />

Erzählerin sind verzweifelt „auf der Suche nach etwas zum Finden“. Bloß wollen<br />

weder das Leben noch der allerkleinste Exzess über sie hereinbrechen. Und<br />

aus Langeweile wird Einsamkeit. „Uns war zu jedem Zeitpunkt schmerzlich<br />

klar, dass wir nicht wild genug, nicht jung genug, nicht wütend genug, nicht<br />

intensiv genug, nicht verschwenderisch genug unsere Zeit verschwendeten“,<br />

lautet das ernüchternde Zwischenfazit in Ilona Hartmanns zweitem Roman „Klarkommen“. Ein<br />

Buch, das sich liest wie das Cold Open eines Coming-of-Age-Films, der jedoch vergeblich auf<br />

den Wende- und somit den Startpunkt wartet: eine leise, graue Rebellion. Und um im Bild zu<br />

bleiben: wie Greta Gerwigs „Lady Bird“. Hinter dem punktgenauen, schlagfertigen und an Twitter-<br />

Zeiten erinnernden Beobachtungsstakkato schlummert eine tiefe Melancholie, in der sich Hartmann<br />

suhlt, und manchmal reichen tatsächlich drei Worte, um alles zu erzählen. Wer unter zwanghafter<br />

Fomo leidet, sollte diesen kurzweiligen Roman lesen. fe<br />

Ilona Hartmann Klarkommen<br />

Park x Ullstein, <strong>2024</strong>, 192 S., 22 Euro<br />

Hinterm eigenen Horizont<br />

Mit verletzlicher Stärke erzählt Saskia Michalski über Liebe, dem Finden<br />

und Annehmen einer Geschlechtsidentität, Sexualität und dem Weg in<br />

die Polyamorie. „Wo liegt die wirkliche Sicherheit in einer Beziehung?“ –<br />

eine von vielen Fragen, die Michalski im ersten Buch verhandelt. In persönlichen<br />

Rückblicken auf eigene Erfahrungen mit Eifersucht, Scham<br />

oder unangenehmen Gefühlen beim Setzen von Grenzen zeigt Michalski<br />

respektvolle und gesunde Wege der Kommu nikation als Schlüssel zu<br />

wahrer Verbundenheit und Intimität. Dabei schreibt Michalski über zahlreiche<br />

tabuisierte Themen und fordert uns weniger zu Polyamorie als vielmehr zu einem<br />

Perspektivwechsel auf. „Wer bin ich, wenn ich nicht die Erwartungen meines Umfelds erfülle?“,<br />

reflektiert Michalski und lehrt uns, sich unabhängig von erlernten Normen und Konventionen<br />

authentisch zu zeigen. „Lieben und lieben lassen“ ermutigt, Liebe in subjektiver Definition zu<br />

leben und vor allem sich selbst kennen wie lieben zu lernen. jm<br />

Saskia Michalski Lieben und lieben lassen<br />

Piper, <strong>2024</strong>, 304 S., 18 Euro<br />

Ein Sturm zieht auf<br />

In einem alten Ruderboot schaukeln Omar und seine Freunde auf die englische<br />

Küste zu, als ihnen zwei rassistische Polizisten den Weg abschneiden.<br />

Am nächsten Morgen findet Cherry, die um ihren verstorbenen Sohn trauert,<br />

am Strand Omars Leiche. Gemeinsam mit Andy, dem reumütigen der beiden<br />

Polizisten, will sie die Angehörigen des jungen Mannes finden, immer verfolgt<br />

von Andys Kollegen Barratt. Doch ihre Mission reißt auch Cherrys Mann und<br />

Tochter, Omars besten Freund Abdi Bile und seine große Liebe Asha mit sich,<br />

bis halb England auf den Beinen scheint. In London baut sich derweil eine Protestwelle auf und<br />

steigt immer höher. Anders Lustgarten, Dramatiker und Drehbuchautor, hat mit „Frieden“ seinen<br />

ersten Roman geschrieben, bleibt aber der politischen Satire treu, indem er die Stagnation,<br />

Rückwärtsgewandtheit und Hoffnungslosigkeit der britischen Gesellschaft anprangert. Wechselnde<br />

Perspektiven und thrillerartige Wendungen treiben dabei den Pulsschlag in die Höhe. Das Ende<br />

jedoch, wenn alle Handlungsstränge inmitten von Massendemos zusammenlaufen, gerät überraschend<br />

kathartisch – und lässt trotz allem sogar Raum für Hoffnung. mj<br />

Klappenbroschur. € (D) 17,–<br />

Das Hörbuch erscheint bei Argon.<br />

MORD AM<br />

GARDASEE<br />

Dubiose Geschäfte, ein elitärer<br />

Geheimbund und eine junge<br />

Lokalreporterin, die in ihrer<br />

persönlichsten Story recherchiert:<br />

Der fulminante Auftakt einer<br />

neuen Reihe und ein extrem<br />

spannendes Lesevergnügen.<br />

Anders Lustgarten Frieden<br />

Hoffmann und Campe, <strong>2024</strong>, 320 S., 25 Euro, Aus d. Engl. v. Hannes Meyer<br />

<strong>kulturnews</strong> | 55


Krimi<br />

Lover, Daddy,<br />

Babykiller<br />

Joyce Carol Oates lässt eine Frau gegen<br />

männliche Gewalt kämpfen. Doch gleichzeitig<br />

will die auch ihre Sehnsüchte befriedigen …<br />

›<br />

Die Handtasche: Prada. Das Halstuch: Dior. Die 39-jährige Hannah<br />

führt als Hausfrau und Mutter von zwei Kindern ein gehobenes<br />

Mittelschichtsleben im Detroit der späten 1970er. Nur das Gefühl, als<br />

Frau noch begehrenswert zu sein, kann sie sich nicht kaufen. Nach elf<br />

Ehejahren ist Hannah der leidenschaftliche Sex abhanden gekommen.<br />

So sucht sie den Kick in einer anonymen Affäre. Ein „Bitte nicht stören“-<br />

Schild hängt vorsorglich schon an der Tür des Grandhotelapartments<br />

6183. Hannah stöckelt in High Heels darauf zu; und stolpert leichtsinnig<br />

in eine Falle, als sie sich hier mit YK trifft. Er ist ein menschliches<br />

Raubtier, sie erfährt Demütigung und Gewalt. Es zeugt von Joyce Carol<br />

Oates’ ganzem Können, wie sie die Brutalität der sexuellen Miss hand -<br />

lungen beschreibt: ohne Voyeurismus, dafür eindringlich und fast schon<br />

quälend ausführlich. Genauso wie die parallel geschilderten Taten eines<br />

Serienmörders. Der wird Babysitter genannt, weil er die Körper seiner<br />

kleinen, weißen Opfer gebadet und nackt wie Neugeborene inszeniert.<br />

Joyce Carol Oates bindet damit eine reale Mordserie der damaligen Zeit<br />

ein und lässt sie für Hannah immer bedrohlicher werden. Die taumelt<br />

zwischen Schmerz, Selbsthass und Schuldgefühlen. Zugleich ist sie<br />

erschrocken über ihre lustvolle Faszination für YK, der sie mehrfach ins<br />

<strong>kulturnews</strong> wünscht alles Gute zum Geburtstag!<br />

Joyce Carol Oates (geb. am 16. Juni 1938)<br />

Hotel bestellt und später sogar damit erpresst. Hannah versucht weiterhin<br />

zu funktionieren: Sie will sich und ihre Kinder nicht nur vor dem<br />

Babysitter schützen, der in der Nachbarschaft mordet. Und sie will ihrem<br />

Horror endlich ein Ende setzen, der für Hannah schon früh begonnen<br />

hat, wie Andeutungen auf Missbrauch durch ihren Vater erahnen lassen.<br />

Joyce Carol Oates zeichnet beeindruckend souverän ein beklemmendes<br />

wie ambivalentes Menschenbild, welches sich hinter bürgerlichen<br />

Gesellschaftsfassaden verbirgt. Von #MeToo über scheinheilige Priester<br />

bis hin zu Black Lives Matter spannt sich der elegante Bogen des Plots.<br />

Als Hannah erneut von YK ins Hotel bestellt wird, kann sie sich<br />

ihm zwar nicht entziehen – aber sie sucht nach einem<br />

finalen Ausweg. So kehrt Joyce Carol Oates am Ende<br />

fast wort gleich an den Anfang ihres Noirs zurück.<br />

Die Handtasche: Prada. Das Halstuch: Dior.<br />

Die Magnum: Smith & Wesson …<br />

Nils Heuner<br />

Joyce Carol Oates Babysitter<br />

Ecco, <strong>2024</strong>, 624 S., 24 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Silvia Morawetz<br />

Foto: Dustin Cohen<br />

Foto: privat<br />

Heiliges Land der Mobster<br />

Der Staat Israel ist auf Sand gebaut. Nicht nur,<br />

weil mehr als die Hälfte des Landes von Wüste<br />

bedeckt ist, sondern auch bildlich, denn die als<br />

kritische Masse zusammengedrängte multi-ethnische<br />

Population lebt in permanenter Bedrohung von außen.<br />

Zudem wirken interne Machtkämpfe kontraproduktiv<br />

auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer<br />

kriminell oder korrupt ist, will sich bei den vielen<br />

gefährlichen Sandkastenspielen behaupten. Der in London lebende Israeli Lavie Tidhar<br />

springt mit einer Reihe von Schauplätzen durch vier Jahrzehnte: In „Maror“ offenbart<br />

er grenzenlose Gier – und die Geschichte Israels als Verkettung von Gangsterstücken.<br />

1977 gibt es einen groß an gelegten Immobilienbetrug im besetzten Westjordanland.<br />

Das libanesische Beirut des Jahres 1982 wird von einem Revierkampf unter israelischen<br />

Gangstern beherrscht, die dort den Waffenschmuggel organisieren. Und 1995<br />

glaubt ein Drogendealer bei einem Festival in der Negev-Wüste an<br />

eine bessere Zukunft. Doch dann wird dort Hoffnungsträger Yitzhak<br />

Rabin ermordet … Mitten im Chaos: zwei Cops, die Selbstjustiz mit<br />

Bibelzitaten rechtfertigen. Eigentlich schreibt Tidhar abgedrehte Fantasy,<br />

mit diesem epochalen Noir wendet er sich jedoch der Realität zu – und<br />

steckt auch hier nicht den Kopf in den Sand. nh<br />

Lavie Tidhar Maror<br />

Suhrkamp, <strong>2024</strong>, 640 S., 22 Euro | Aus dem Engl. v. Conny Lösch<br />

„Was wollen Sie für die Ware<br />

sehen?“<br />

„Zwanzigtausend pro Stück“<br />

„Wollen Sie mich verarschen?<br />

Zwanzig Riesen für eine<br />

iranische Mieze?“<br />

Hier wird nicht über den Kauf einer Perserkatze verhandelt,<br />

sondern über einen misogynen Deal, den<br />

Mädchenhändler für die Rotlichtszene eintüten wollen.<br />

Auf deren Spur ist ein Rachemörder, dessen Marken -<br />

kern brutal verstümmelte männliche Leichen sind.<br />

Tina N. Martin spannt auch im zweiten Band ihrer Serie<br />

bewährte Spannungsbögen, die mit<br />

feinstem Skandi-Horror immer wieder<br />

gekonnt aufs Glatteis führen.<br />

Tina N. Martin Gewittermann<br />

Blanvalet, <strong>2024</strong>, 512 S., 16 Euro<br />

Aus d. Schwed. v. Leena Flegler<br />

56 | <strong>kulturnews</strong>


Krimi<br />

Töten<br />

wie gedruckt<br />

H A R D B O I L E D H I G H L I G H T<br />

#6/<strong>2024</strong><br />

Wie bei allem sollte man sich auch<br />

bei Verbrechen an die Profis halten: einfallsreiche<br />

Menschen, die Kriminalromane<br />

schreiben. Tartan-Noir-Autorin Val McDermid<br />

spielt mit dieser Idee im mittlerweile siebten<br />

Fall ihrer Edinburgh-Ermittlerin Karen Pirie.<br />

Da scheint sich jemand detailgenau bei einer<br />

Plotidee des (fiktiven) Romanautors Jake Stein<br />

bedient zu haben, um eine Studentin zu entführen.<br />

Für Pirie und ihr eingespieltes Team<br />

stellt sich im April 2020 neben dem Covid-<br />

Lockdown jedoch das Problem, nur eine un -<br />

vollständige Vorlage für diese Tat zur Ver -<br />

fügung zu haben. Stein konnte vor seinem Tod<br />

das Roman-Manuskript nicht vollenden. So<br />

fehlen Karen Pirie wichtige Hinweise, mit denen<br />

sie den Entführer denkbar leicht überführen<br />

könnte. Nun ist Schottland ja aber für seine<br />

Noir-Autorendichte bekannt, und da bietet sich<br />

Steins Konkurrent Ross McEwen mit seiner<br />

Expertise an. Doch wie in Steins Geschichte<br />

findet sich ausgerechnet in dessen Garage die<br />

Leiche der Studentin …<br />

<strong>kulturnews</strong> wünscht alles Gute zum Geburtstag!<br />

Val McDermid (geb. am 4. Juni 1955)<br />

Val McDermid nutzt ihr geniales Verwirrspiel<br />

um Fälschung, Betrug und den vermeintlich<br />

perfekten Mord zugleich für augenzwinkernde<br />

Seitenhiebe gegen die Krimiszene. Dieser wird<br />

ja nachgesagt, auch gerne autobiografische<br />

Elemente in Romanen zu verwenden. Vielleicht<br />

sollte jemand mal in McDermids Garage nachschauen<br />

…? nh<br />

Val McDermid<br />

Die Gabe der Lüge<br />

Droemer, <strong>2024</strong><br />

480 S., 17,99 Euro<br />

Aus d. Engl. v.<br />

Karin Diemerling<br />

Foto: KT Bruce<br />

HIGH-SCHOOL-SPORT IST MORD<br />

Sudden Death<br />

Kaputte Knie, zertrümmerte<br />

Schultern, Hirn -<br />

quetschungen: American<br />

Football ist ein wunderbarer<br />

Sport, falls man sich<br />

oder anderen mal so richtig<br />

wehtun möchte. Der 18-<br />

jährige Billy lässt sich nicht so leicht tackeln,<br />

er hat Blut geleckt. Als Runningback prescht<br />

er so rücksichtslos vor wie ein übellauniger<br />

Pitbull. Sein Frust muss raus, denn zu<br />

Hause bei Mum und Stiefdad im Trailerpark<br />

einer Kleinstadt in Arkansas stinkt es nach<br />

Bierschweiß und Hintern. Der Ton: eher hart<br />

als herzlich. Mal landet eine brennende<br />

Kippe im Nacken oder sein kleiner Bruder<br />

Ricky im Hundezwinger. Billy riskiert durch<br />

eine brutale Aktion seinen wichtigen Einsatz<br />

für die „Pirates“, die kurz vor den Playoffs<br />

stehen. Der neue Coach ist überfordert und<br />

Sheriff Timmons knallhart, als Billys Stief -<br />

vater ermordet wird. Eli Cranors brillantes<br />

Debüt: ein klarer Touchdown! nh<br />

Eli Cranor Bis aufs Blut<br />

Atrium, <strong>2024</strong>, 304 S., 24 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Cornelius Hartz<br />

Spread Eagle<br />

Running Tumbling, Flyer-<br />

Stunt, Spread-Eagle-Jump:<br />

Cheerleading ist ein wunderbarer<br />

Sport, falls man<br />

sich als Teenager mädchen<br />

einem Choreo-Drill und<br />

permanenten Wett be -<br />

werbs stress aussetzen möchte. Die 16-jährige<br />

Addy schaut ergeben zu ihrer bitchy<br />

Freun din Beth auf, die deren High-School-<br />

Jubel gruppe dominiert. Als eine neue Trainerin<br />

das Team übernimmt, verliert Beth ihre<br />

Position als Top Girl. Kurz darauf wirbelt ein<br />

rätselhafte Todesfall alles durcheinander.<br />

Addys Nachforschungen stellen ihre Loya -<br />

lität zu Beth auf die Probe und es entspinnt<br />

sich ein manipulatives Machtspiel. Megan<br />

Abbott lässt in ihrem Cheerleader-Noir nicht<br />

nur die Pferdeschwänze wippen, sondern<br />

ent larvt die Stutenbissigkeit hinter dem<br />

Sweet ness-Getue in Umkleide wie Arena.<br />

Zwischen Thigh-Gap-Wahn und Teenie-Tränen:<br />

hoch die Hände, Pompons schwingen! nh<br />

Megan Abbott Wage es nur!<br />

Pulp Master, <strong>2024</strong>, 340 S., 16 Euro<br />

Aus d. Engl. v. Karen Gerwig<br />

»Keiner bringt das Talent<br />

der Menschheit, sich selbst zu<br />

versenken, so auf den Punkt<br />

wie T. C. Boyle.«<br />

FINANCIAL TIMES<br />

»Ein glitzerndes literarisches<br />

Kaleidoskop.«<br />

IRENE BINAL, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG<br />

<strong>kulturnews</strong> | 57


Kunst + Kultur<br />

Foto: Anja Beutler<br />

MUSIK/TANZ Was ist das Geheimnis des Ruhrgebiets? Was bindet die Menschen in<br />

der Region so innig an ihre Heimat? Startrompeter Till Brönner hat sich von 2018<br />

bis 2020 im Auftrag der Essener Brost-Stiftung für zwei Jahre auf Spurensuche begeben,<br />

um herauszufinden: Wie schlägt der Puls des Pott? Das Ergebnis seiner<br />

Streifzüge und Porträtstudien bringt er am Schauspielhaus Bochum nun zusammen<br />

mit der Choreografin Nicole Beutler auf die Bühne: Die musikalische und tänzerische<br />

Erkundungsreise Pulse! Till Brönner meets Dance läuft vom 7. bis 9. Juni und will<br />

sich der inneren Beschaffenheit des Ruhrgebiets nähern. Brönner schrieb die Musik<br />

und steht mit seiner Trompete selbst auf der Bühne. vs<br />

Foto Brönner: Nicolas Hudek<br />

58 | <strong>kulturnews</strong>


Szene<br />

Der Kompomisslose<br />

Foto: Axel Martens<br />

LITERATUR Er wurde von der<br />

Bundeswehr verklagt, autonome<br />

Männer- und Frauen-Lesben-<br />

Gruppen stürmten seine Lesungen<br />

und Ex-DDR-Bürgerrechtler die<br />

Redaktionsräume der Tageszeitung<br />

taz: Wiglaf Droste war Zeit seines<br />

schriftstellerischen Lebens der<br />

Aufklärung verpflichtet, polarisierend<br />

und gleichzeitig ein sensibler,<br />

einfühlsamer Mensch. Zum fünften<br />

Todestag hat Christof Meueler<br />

mit „Die Welt in Schach halten.<br />

Das Leben des Wiglaf Droste“ die<br />

erste Biografie über den „Un -<br />

umarm baren“ geschrieben. Sie<br />

zeigt: Droste war nicht nur ein<br />

genialer Polemiker und Satiriker;<br />

ähnlich kompromisslos wie als<br />

Schrift steller war er auch privat.<br />

Erschütternd sind die Details, die Meueler liefert, der nichts am Leben<br />

Drostes beschönigt und dem Humanisten damit überhaupt erst<br />

gerecht wird. jw<br />

Klaus Bittermann & Das Spardosenterzett: Unumarmbar. Über den<br />

Satiriker Wiglaf Droste. 9. 6. Zakk Düsseldorf<br />

Foto: Bettina Strenske<br />

Casting als Show<br />

MUSICAL Das First Stage Theater ist nicht nur bekannt für seine<br />

Musicalschule, sondern auch für seine Inszenierungen. Jetzt steht<br />

eine Neuinszenierung des Musicals A Chorus Line ins Haus, dessen<br />

Verfilmung mit Michael Douglas in der Hauptrolle allen bekannt sein<br />

dürfte. Regisseur und Choreograf Till Nau hat sich bei der<br />

Inszenierung für die neue deutsche Übersetzung von Robin Kulisch<br />

entschieden. Das Musical, das auf der Metaebene spielt – es geht um<br />

das Casting für ein neues Musical –, zeigt, wie sehr Intendanten bei<br />

der Auswahl der Besetzung ans Eingemachte gehen können, dorthin<br />

also, wo häufig schon #MeToo-Relevanz aufploppt. Authentizität und<br />

Identität werden beim Kampf um die Besetzung zur Waffe. jw<br />

Premiere: 10. 6., Shows bis 12. 10. First Stage Theater Hamburg


Kunst + Kultur<br />

Foto: Joana Vasconcelos, Valkyrie Marina Rinaldi, 2014. Copyright: VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2024</strong>, www.bildkunst.de/<br />

Foto: Reithalle Schloss Gottorf mit der Künstlerin Joana Vasconcelos<br />

Joanna Vasconcelos<br />

mit ihrer Walküre<br />

Marina Rinaldi<br />

Ritt auf der Walküre<br />

Joana Vasconcelos macht feministische Kunst,<br />

die eine rundum sinnliche Erfahrung ist. Jetzt zu<br />

sehen und nicht zu verpassen im Schloss Gottorf.<br />

Foto: Joana Vasconcelos, Red Independent Heart, 2013.<br />

Copyright: VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2024</strong>, www.bildkunst.de/<br />

Foto: Schloss Gottorf, Fotograf Marcus Dewanger<br />

Niki de Saint Phalle hatte ihre Nanas, Joana Vasconcelos hat ihre Walküren,<br />

riesige Skulpturen aus Stoffen, Spitzen, Stickereien, Wolle, Pailletten, Perlen,<br />

Federn und LEDs, die gerade erst in den Uffizien hingen – neben Werken<br />

von Leonardo da Vinci, Michelangelo oder Caravaggio. Doch man muss<br />

nicht nach Italien reisen, um diese beeindruckende, im übertragenen und<br />

wortwörtlichen Sinne große Kunst zu sehen: Was eben noch in Florenz<br />

Schlägt auch für die Betrachterinnen:<br />

das „Red Independent Heart“ aus rotem Plastikbesteck<br />

hing, ist aktuell ganz nah im Schloss Gottorf in Schleswig, in der Schloss -<br />

kapelle, im Kreuzstall, in der Reithalle und in weiteren Räumen. Es ist<br />

die erste große Schau von Vasconcelos in Deutschland.<br />

Mit de Saint Phalles Nanas verbindet Vasconcelos, dass beide mit ihren<br />

voluminösen Plastiken (de Saint Phalle) und Installationen (Vasconcelos) die<br />

starke, selbstbestimmte, ungehemmt weibliche Frau und Body Positivity<br />

feiern. Nicht zufällig ist der Begriff Barock bei Vasconcelos von zentraler<br />

Bedeutung: Barocke Opulenz und Sinnlichkeit verbinden sich bei ihren<br />

Walküren mit selbstbewussten Statements von Weiblichkeit, Emanzipation<br />

und Feminismus. Vasconcelos arbeitet dabei stets mit Leuten zusammen,<br />

die auf ihrem Gebiet spezialisiert sind und bestimmte Techniken besser<br />

beherrschen als Vasconcelos selbst: Schlosser, Zimmerleute, Elektriker,<br />

Ingenieure, Architekten, Dokumentaristen oder Archivare; auch bei Kunst -<br />

handwerken wie Sticken, Nähen und Stricken sucht sich die Künstlerin<br />

Fachkräfte. Die traditionellen, portugiesisch geprägten Handwerkskünste<br />

arbeitet Vasconcelos in ihre zeitgenössische Kunst ein und gibt ihnen<br />

eine moderne Form.<br />

Die Themen, die in Vasconcelos Arbeit einfließen, sind am Puls der Zeit:<br />

Liebe, Leben, Tod, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, der soziale<br />

Druck, Mutterschaft, Hausarbeit, Arbeit und Sexualität miteinander zu<br />

vereinbaren, die Unterordnung der Frau in der Kunstwelt. Die Kunst dazu<br />

ist nie verkopft: Zwei riesige Highheels aus Kochtöpfen, ein Kronleuchter<br />

aus 25 000 Tampons, ein Herz aus rotem Plastikbesteck – Vasconcelos<br />

Kunst ist keinesfalls alltäglich, sie ist aber oft aus Materialien unseres<br />

60 | <strong>kulturnews</strong>


Kunst + Kultur<br />

DEICHTORHALLEN<br />

HAMBURG UND FOTOGRAFIE<br />

INTERNATIONALE KUNST<br />

CHECKBRIEF Joanna Vasconcelos<br />

GEBOREN 8. November 1971 in Paris<br />

WURDE BERÜHMT mit einer fünf Meter hohen Konstruktion<br />

aus 25 000 Tampons (Biennale 2005)<br />

WAR die erste Frau, die eine Biennale-Ausstellung kuratierte,<br />

die erste Frau, die im Schloss von Versailles ausstellte, und die<br />

erste portugiesische Künstlerin mit einer Einzelausstellung im<br />

Guggenheim Bilbao<br />

SCHAFFT vor allem Skulpturen und Installationen, aber auch<br />

Videos, Fotografien und Performances<br />

BAUT Handarbeitstechniken wie Häkeln oder Nähen in ihre<br />

Kunst ein<br />

MARKENZEICHEN Opulente Skulpturen aus<br />

Alltagsgegenständen wie Kochtöpfen, Zierdecken oder<br />

Plastikbesteck<br />

WURDE BISHER mit über 30 Kunstpreisen ausgezeichnet<br />

ABBAS AKHAVAN: CURTAIN CALL, VARIATIONS ON A FOLLY, 2023, INSTALLATIONSANSICHT,<br />

COPENHAGEN CONTEMPORARY, DENMARK, COURTESY THE ARTIST,<br />

PHOTO: DAVID STJERNHOLM, DESIGN KEY VISUAL: RECENT PRACTICE (RECENTPRACTICE.COM)<br />

SURVIVAL<br />

IN THE<br />

21st CENTURY<br />

HALLE FÜR AKTUELLE KUNST<br />

18. MAI – 5. NOVEMBER <strong>2024</strong><br />

Credit: Joana Vasconcelos, Valkyrie Thyra, 2023.<br />

Copyright: VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2024</strong>, www.bildkunst.de/<br />

Foto: Kapelle Schloss Gottorf, Fotograf Marcus Dewanger<br />

Walküre Thyra schwebt in der Schlosskapelle über den Köpfen der Besucher.<br />

Alltags gefertigt und bleibt somit trotz übergeordnetem Konzept besonders<br />

zugänglich und überraschend. Vasconcelos wichtigste Werte bei<br />

ihrer Kunst sind, Mitgefühl, Liebe und Toleranz, wie sie sagt.<br />

CLAUDIA ANDUJAR, UNTITLED AUS DER SERIE YANOMAMI DREAMS, 2002 (DETAIL)<br />

© CLAUDIA ANDUJAR, COURTESY GALERIA VERMELHO<br />

CLAUDIA ANDUJAR<br />

THE END OF<br />

THE WORLD<br />

PHOXXI. HAUS DER KUNST TEMPORÄR<br />

9. FEBRUAR – 11. AUGUST <strong>2024</strong><br />

Mit ihren Skulpturen und Installationen drückt die 52-jährige<br />

Portugiesin einen dezidiert feministischen Gedanken aus: Frauen können<br />

sein, was sie wollen, nicht nur das, wozu man sie bestimmt hat.<br />

Sie will dabei aber niemandem etwas aufdrängen, sondern „die<br />

Vielseitigkeit eines jeden Menschen spürbar machen“, wie sie in einer<br />

Arte-Dokumentation sagt. Nicht umsonst heißt Vasconcelos Tochter<br />

Alice, nach „Alice im Wunderland“, die sich im Buch ja auch auf<br />

einem wandelreichen Trip zu sich selbst befindet, zu ihren möglichen<br />

Formen und Identitäten, zu dem, was und wer sie sein will.<br />

Mehrdeutigkeit ist auch das Konzept von Vasconcelos Arbeiten.<br />

Privates und Öffentliches, häuslicher und städtischer Raum, das<br />

Männliche und das Weibliche, nicht zuletzt glücklich und unglücklich:<br />

Diese Dualitäten finden sich in Joana Vasconcelos Werken – um ein<br />

Bewusstsein zu schaffen für eine andere Sicht auf die Welt.<br />

Joanna Vasconcelos. Le Chateau des Valkyries läuft<br />

bis 3. November im Schloss Gottorf in Schleswig.<br />

Volker Sievert<br />

ASHLEY HANS SCHEIRL UND JAKOB LENA KNEBL,<br />

PHOTOGRAPHIE CHRISTOPHE MAOUT, COURTESY GALERIE LOEVENBRUCK, PARIS<br />

ASHLEY HANS<br />

SCHEIRL &<br />

JAKOB LENA KNEBL<br />

EINE KOOPERATION MIT DEM PALAIS DE TOKYO, PARIS<br />

SAMMLUNG FALCKENBERG, HAMBURG-HARBURG<br />

27. APRIL – 15. SEPTEMBER <strong>2024</strong><br />

61| <strong>kulturnews</strong><br />

PARTNER DER DEICHTORHALLEN<br />

MEDIENPARTNER<br />

KULTURPARTNER


Kunst + Kultur<br />

Foto: Heike Sieber<br />

Foto: dewil.ch (CC BY-NC-ND)<br />

JOHANNA ADAM<br />

„Demokratie ist wie Sport“<br />

Are we the people:<br />

Lerato Shadi,<br />

BATHO BA ME,<br />

2019, Courtesy<br />

die Künstlerin<br />

… und wir müssen müssen permanent unsere demokratischen Muskeln trainieren, sagt Johanna Adam,<br />

Kuratorin an der Bundeskunsthalle in Bonn. Und hat dazu eine hochaktuelle Ausstellung gemacht.<br />

Frau Adam, eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung ergab im Februar:<br />

Mehr als jeder zweite junge Erwachsene vertraut der Regierung<br />

nicht, 45 Prozent misstrauen dem Parlament. Bestätigt Sie das in<br />

der Idee für Ihre Ausstellung „Für alle! Demokratie neu gestalten“?<br />

Johanna Adam: Die große Mehrheit in Europa hält die Demokratie für die<br />

beste Regierungsform, auch wenn sie nicht perfekt ist. Gleichzeitig steigt<br />

in vielen Ländern der Wunsch nach einer starken Führungsperson. Daraus<br />

lässt sich auch eines ablesen: Die vielbeschworene Krise der Demokratie<br />

ist vielmehr eine Krise der Repräsentation. Dies betrifft zum einen die<br />

Wahrnehmung der Kompetenz von Volksvertreter:innen. Es deutet aber<br />

noch auf etwas Anderes, sehr Wichtiges hin: Werden wirklich alle repräsentiert,<br />

sind alle Gruppen und Interessen ausreichend vertreten?<br />

In Zeiten großer Veränderungen wenden sich viele Leute den einfachen<br />

Ant worten rechter Parteien zu. Was kann die Kunst dagegen tun? Aktivis -<br />

tischer werden? AfD-Wählern Tickets für Museen in die Hand drücken?<br />

Adam: Es gibt immer diejenigen, die nicht mehr zu erreichen sind und<br />

jene, die indifferent sind oder die sich so sehr wünschen, einfache<br />

Lösungen für komplexe Fragen zu erhalten. An dieser Stelle können wir<br />

nichts anderes tun, als auf die unangenehme Wahrheit hinzuweisen: Der<br />

Kiosk der einfachen Antworten ist leider dauerhaft geschlossen! Wir thematisieren<br />

all dies in unserer Ausstellung aber auf spielerische Weise und<br />

laden dazu ein, sich einzubringen. Mit nachzudenken, zu diskutieren, die<br />

Zukunft unserer Demokratie mit zu gestalten. Und wir zeigen in der<br />

Ausstellung einige Beispiele demokratischer Beteiligungsprozesse, die<br />

weit über das Wählen hinausgehen.<br />

Die Ausstellung bindet zahlreiche Elemente eines Demokratietrainings<br />

ein. Müssen wir es echt wieder üben, demokratisch zu sein?<br />

Adam: Das ist leider wie beim Sport: Man muss permanent dranbleiben!<br />

Sich auszuruhen, seine demokratischen Muskeln nicht trainieren bedeutet:<br />

Nicht teilnehmen, nicht mitsprechen und das Feld den anderen –<br />

eventuell antidemokratischen – Akteuren zu überlassen.<br />

Wie sollte eine aktive Beteiligung an der Demokratie am besten aussehen?<br />

Adam: Unsere Verfassung, das Grundgesetz, sieht dafür viele unterschiedliche<br />

Möglichkeiten vor. Zur Wahl zu gehen oder sich wählen zu lassen sind<br />

ja nur Teilaspekte. Wir können Petitionen einreichen, unsere Anliegen direkt<br />

mit unseren lokalen Abgeordneten teilen, etwa bei Bürger:innen-Sprech -<br />

stunden. Wir können demonstrieren, protestieren, streiken, uns an Bürger -<br />

räten oder in kommunalen Initiativen engagieren. Das Recht auf freie<br />

Meinungsäußerung gilt im Übrigen nicht nur für die öffentliche Debatte:<br />

Ich finde es auch wichtig, privat immer wieder das Gespräch zu suchen.<br />

Auch mit Freunden und Familie bin ich nicht immer einer Meinung,<br />

schätze aber besonders das kontroverse Gespräch und bin gespannt auf<br />

Argumente, die ich noch nicht kannte. Ich habe bereits viele lehrreiche<br />

Momente in Situationen erlebt, in denen ich nicht damit gerechnet hätte.<br />

Der Ökonom Raghuram Rajan sagte letztens in einem Interview,<br />

dass die Demokratie nicht gehalten habe, was sie versprach.<br />

Brauchen wir nicht nur ein Update, wie sie in Ihrer Ausstellung<br />

sagen, sondern gleich einen Neustart?<br />

Adam: Die Demokratie hat in vielfacher Hinsicht (noch) nicht gehalten,<br />

was sie verheißen hat. Der Titel unserer Ausstellung „Für alle!“ zielt darauf<br />

ab: Löst sich dieses Versprechen für alle ein? Lange Zeit durften Frauen<br />

weder aktiv noch passiv an Wahlen teilnehmen. Menschen, die nicht die<br />

deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, haben kaum Möglichkeiten zur<br />

politischen Teilhabe, auch wenn sie in Deutschland leben, teils hier geboren<br />

sind. Und es gibt natürlich weltweite Defizite: Nicht nur die Menschen<br />

betreffend, die in autoritären Staaten leben, sondern auch Gremien, die<br />

global agieren, aber nicht demokratisch legitimiert sind. Wie zum Beispiel<br />

bei den G7-Gipfeln, wo die Regierenden der ökonomisch führenden Nationen<br />

gemeinsam Entscheidungen fällen, die schlussendlich alle betreffen.<br />

Dennoch stellt sich aus meiner Sicht die Frage: Was erwarten wir, wenn<br />

wir die Demokratie kritisieren? Die Demokratie, so wir sie leben, wurde von<br />

uns, den Menschen als System kreiert. Was nicht gut funktioniert, müssen<br />

wir gemeinsam ändern – das übernimmt niemand anderes für uns. Und dazu<br />

braucht es eben jenes Engagement, von dem wir hier sprechen.<br />

Interview: Volker Sievert<br />

Für alle! Demokratie neu gestalten läuft bis 13. Oktober.<br />

62 | <strong>kulturnews</strong>


Kunst + Kultur<br />

Zur Eröffnung ihrer Ausstellung begrüßen Gilbert & George jeden Gast persönlich,<br />

Blick in die Ausstellung Gilbert & George. Shitty Naked Human World<br />

(18.12.1994–12.3.1995)<br />

Kunst<br />

bei Würth<br />

im Freien<br />

Künzelsau<br />

Happy<br />

Birthday!<br />

Das Kunstmuseum Wolfsburg feiert seinen 30. Geburtstag. Und wie<br />

beschenkt man sich und seine Besucherinnen da am besten? Genau,<br />

mit einer großen Jubiläumsausstellung, die Highlights aus der hochkarätigen<br />

Sammlung des Hauses und zahlreiche neue Schenkungen<br />

umfasst. Es geht um Körper, Sexualität und Identitäten, familiäre<br />

Befindlichkeiten oder gesellschaftliche Werte wie Freiheit und<br />

Gleichberechtigung. Und dabei kommt man in den Genuss, die<br />

„Venus“ von Lucas Cranach dem Älteren in einer Schau mit Cindy<br />

Shermans Sexpuppen zu sehen! Welten in Bewegung läuft bis 4.<br />

August. vs<br />

Ausstellungsansicht James Turrell. The Wolfsburg Project<br />

(24.10.2009–5.4.2010) abgebildetes Werk: Bridget‘s Bardo<br />

Foto © James Turrell Foto: Florian Holzherr Foto © Gilbert & Georg Foto: Kunstmuseum Wolfsburg<br />

Frei zugänglich www.kunst.wuerth.com<br />

[]<br />

Herbert Gerisch-Stiftung<br />

und Café Harry Maasz<br />

Brachenfelder Straße 69<br />

24536 Neumünster<br />

Geö 昀 net Mi-So 12-18 Uhr<br />

www.gerisch-stiftung.de<br />

63| <strong>kulturnews</strong>


Kunst + Kultur<br />

Foto: Courtesy of the Artist and Andrew Kreps Gallery, New York, Foto: Kunning Huang<br />

Kunst als Krisenlöser<br />

Andrea Bowers<br />

Deep Green, 2023<br />

In der letzten Ausgabe der <strong>kulturnews</strong> hat Dirk Luckow, der<br />

Intendant der Deichtorhallen Hamburg, präzisiert, wie sich<br />

Kunst und die Museen heute verändert haben: „Oftmals wird<br />

heute Kunst und Fotografie nicht mehr als Selbstzweck<br />

betrachtet, sondern vielmehr als Instrument für gesellschaftlichen<br />

Wandel eingesetzt. (…) Angefangen beim Klima -<br />

wandel über Migrationsfragen bis hin zu Verschwörungs -<br />

theorien finden sich diese nicht nur in der politischen Arena,<br />

sondern auch in der Kunstwelt wieder.“ Und hier kommt die<br />

Deichtorhallen-Ausstellung zum Deichtorhallen-Zitat:<br />

Survival in the 21st Century fragt nach den Grundlagen des<br />

Lebens im Zeitalter der Polykrise: Klimawandel, digitale<br />

Revolution, wachsende Ungerechtigkeit, Krise der<br />

Demokratie, die Frage von Gemeinschaft. Mit rund 40 internationalen<br />

künstlerischen Positionen und multimedialen<br />

Installationen listet die Schau aber nicht nur Fakten des<br />

Grauens auf. Im Gegenteil: Sie will Weltentwürfe zugänglich<br />

machen, wir als konstruktive Öffentlichkeit sollen gemeinsam<br />

und voneinander lernen, in Workshops und Lectures.<br />

Das Museum wird zu einer Art Schule für das neue<br />

Jahrhundert. „Kunst ist das Medium, Überleben ist das Ziel“,<br />

heißt es. Da sind wir dabei, bis 5. November. vs<br />

Taus Makhacheva<br />

Tightrope Walker<br />

(Videostill), 2015<br />

Foto: © Courtesy the artist<br />

64 | <strong>kulturnews</strong>


Kunst + Kultur<br />

Andy Warhol und Keith Haring, undatiert, Polaroid, 10,8 x 8,35 cm<br />

Foto:The Keith Haring Foundation Collection<br />

2x Warhol<br />

Andy Warhol und seine Kunst sind in gleich zwei<br />

Ausstellungen zu sehen: Die Neue Nationalgalerie in<br />

Berlin widmet sich mit Andy Warhol. Velvet Rage and<br />

Beauty des Künstlers Suche nach einem Ideal der<br />

Schönheit (9. 6.–6. 10.). Und im Münchner Museum<br />

Brandhorst trifft das Pop-Art-Genie zum allerersten Mal<br />

überhaupt auf einen kongenialen, befreundeten<br />

Zeitgenossen: Andy Warhol & Keith Haring. Party of<br />

Life läuft vom 28. 6.–26. 1. 25. (Foto).<br />

65| <strong>kulturnews</strong>


Kunst + Kultur<br />

Foto: Ivo von Renner<br />

Rückkehr einer Gattung<br />

OPERETTE Wann waren Sie das letzte Mal in einer Operette, der „kleinen Oper“, die heutzutage im<br />

Schatten der ernsteren und respektierteren Oper steht? Genau, lange her, gibt ja auch wenige<br />

Angebote – natürlich auch, weil fast alle Komponisten der Gattung von den Nazis mitten in der zweiten<br />

Hochzeit der Operette Anfang der 1930er-Jahre vertrieben oder ermordet wurden. Das<br />

Schauspiel Stuttgart bringt am 22. Juni Hotel Savoy oder Ich hol’ dir vom Himmel das Blau zur<br />

Premiere, eine Hybridoperette, die auf dem gleichnamigen Roman des österreichischen Schriftstellers<br />

Joseph Roth beruht. Die Musicbanda Franui bearbeitet und rekomponiert dazu die größten Hits aus<br />

der Zeit zwischen 1900 und 1935. vs<br />

Der Ball rollt!<br />

FUSSBALLKULTUR In wenigen Tagen beginnt die Fußball-Europameisterschaft, und das<br />

Organisationsteam um Fußballweltmeister Philipp Lahm hat ein fettes Kulturprogramm rund um<br />

das Ereignis bezuschusst. Das Kulturprogramm selbst ist von örtlichen Einrichtungen auf die<br />

Beine gestellt worden, sei es von Bühnen oder Ausstellungshäusern, seien es Filme oder<br />

Konzerte, die sich mit Fußball<br />

auseinandersetzen. Zum Teil<br />

läuft es schon seit Monaten,<br />

doch jetzt kommt mit dem<br />

Turnier selbst auch der End -<br />

spurt im Begleit programm.<br />

Unsere Ab bildung zeigt eine<br />

Karikatur des Duos Greser/<br />

Lenz. Diese und viele weitere<br />

Kunstwerke sind bei einem<br />

Besuch des Museums<br />

Wilhelm Busch in Hanover zu<br />

sehen, wo die Ausstellung<br />

Anpfiff! Schweiß und<br />

Leidenschaft auf dem Rasen<br />

läuft. jw<br />

Abbildung: Greser und Lenz/Museum Wilhelm Busch.<br />

Fußballicon: flaticon.com<br />

Millerntor Gallery 31. 5.–2. 6.<br />

Millerntorstadion Hamburg<br />

Glaube. Liebe. Fußball div. Termine bis Juli,<br />

Düsseldorfer Schauspielhaus<br />

Anpfiff! Schweiß und Leidenschaft<br />

auf dem Rasen bis 14. 7.<br />

Museum Wilhelm Busch Hannover<br />

Radical Playgrounds: From Competition to<br />

Collaboration bis 14. 7., Berliner Festspiele<br />

Unsere Elf. Eine etwas andere Nationalhymne<br />

6., 11. + 14. 6., Schauspiel Hannover<br />

Ballett der Massen 1. 6.–14. 7.<br />

Haus der Kulturen der Welt Berlin<br />

Ein Endspiel bis 23. 6.<br />

Maxim Gorki Theater Berlin<br />

Fangesänge und Aufstiegshoffnungen<br />

7. 6.-31. 7., Theater Bremen<br />

Football moves People bis 31. 7.<br />

Kampnagel Hamburg<br />

Euro DJ-Derby bis 14. 7., Düsseldorf<br />

Bach am Ball bis 31. 7.<br />

Bach-Museum Leipzig<br />

Winner. Filminstallation von Marianna Simnett<br />

bis 31. 8. Hamburger Bahnhof Berlin<br />

Matthew Herbert: The Game.<br />

Live-Konzert und Fußballspiel 18.–21. 9.<br />

Reeperbahnfestival Hamburg<br />

66 | <strong>kulturnews</strong>


Kunst + Kultur<br />

SKULPTUREN-<br />

PARK<br />

WALDFRIEDEN<br />

in WUPPERTAL<br />

skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

Anthony Caro. Sculptures<br />

2.3. bis 14.07. <strong>2024</strong><br />

Berta Fischer<br />

27.07.<strong>2024</strong> bis 1.1.<strong>2024</strong><br />

Eduardo Paolozzi<br />

27.07.<strong>2024</strong> bis 1.1.<strong>2024</strong><br />

Foto: FKP Scorpio<br />

Pride Special<br />

SHOW „Princess Charming“ ist in Deutschland die erste lesbische<br />

Datingshow überhaupt gewesen. Doch während auf RTL+ bereits die<br />

dritte Staffel der Show läuft, gehen mit Miriam Bouaouina und Irina<br />

Schlauch die Stars der ersten Staffel live auf Tour – begleitet werden<br />

sie von Ricarda Hofmann, dem Host des Podcasts „Busenfreundin“.<br />

Zu dritt kommen sie mit ihrer „Pride Special <strong>2024</strong>“-Tour in die Städte<br />

München, Köln und Hamburg, wenn dort über mehrere Tage der CSD<br />

gefeiert wird: #LoveisLive heißt ihre Show und feiert die lesbische<br />

Liebe.<br />

Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal · 0202 47898120<br />

Sean Scully, Wall of Light Cubed, 2020 © courtesy the artist, Foto Michael Richter<br />

23. 6. München, 19. 7. Köln, 1. 8. Hamburg<br />

Foto: Kristin Schmidt<br />

Chemnitz kulturell<br />

FESTIVAL 2025 ist Chemnitz Kulturhauptstadt Europas. Und auch<br />

jetzt schon zeigt sich die drittgrößte Stadt Sachsens von ihrer kulturellen<br />

Seite. Der Chemnitzer Parksommer bietet vom 18. Juni bis 21.<br />

Juli vier Wochen lang im Stadthallenpark ein abwechslungsreiches<br />

Programm zwischen Klassik, Jazz, Singer/Songwriter, Poetry-Slam<br />

oder Yoga. Die gechillten Besucher lauschen den Konzerten auf der<br />

Picknickdecke oder im Liegestuhl. vs<br />

67| <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

FESTIVALS<br />

Würth Open Air<br />

Ob Jung oder Alt: Verschiedenste Generationen werden<br />

Jahr für Jahr auf dem Festivalgelände des Würth Open Air<br />

vereint, um unter freiem Himmel bei bester Stimmung und<br />

in schöner Gesellschaft Pop und Rock zu genießen. Neben<br />

Superstars wie Nico Santos, Leony, Ronan Keating oder<br />

Suzi Quatro wird Lena, die Gewinnerin des Eurovision<br />

Song Contest 2010, die baden-württembergische Bühne<br />

abreißen. Mit ihrer neuen Single „Loyal to myself“ bleibt<br />

Lena sich selbst treu und startet mit „neuen Gedanken,<br />

neuer Energie und neuem Mut“ in das Jahr <strong>2024</strong>, so die<br />

Popsängerin.<br />

Foto: Yan Wasiuchnik<br />

StrandGut Resort Acoustic Sessions<br />

Foto: Morgan Coates<br />

Levke, wenn die StrandGut Acoustic Sessions ein Gericht wären,<br />

welches wäre es?<br />

Levke Kranzusch: Eine bunte, vegane, regionale Vorspeise.<br />

Was macht euer Festival so speziell?<br />

Kranzusch: Wir pflegen schon seit Jahren persönliche, freundschaftliche<br />

Beziehungen zu allen Künstler:innen, die bei uns auftreten.<br />

Die Musiker kommen zu uns ins StrandGut Resort an die<br />

Nordsee, um den Kopf frei zu bekommen, auf neue Gedanken und<br />

Ideen zu kommen, sich kreativ auszutoben, aber insbesondere, um<br />

neue Songs zu schreiben oder für ihre Touren zu proben. Wir sind<br />

für viele mittlerweile eine richtige kreative Heimat geworden, und<br />

diese persönliche Nähe spürt man bei unseren Konzerten sehr.<br />

Klein, intim, einfach etwas ganz Besonderes.<br />

Gibt es bei euch ein besonderes Bühnenkonzept?<br />

Kranzusch: Die Konzertfläche und somit auch die Bühne befindet<br />

sich direkt vor der malerischen Dünenlandschaft von St. Peter-<br />

Ording. Eine unvergessliche Kulisse ist also garantiert.<br />

Wenn du dir einen Headliner – egal ob lebend oder bereits verstorben<br />

– für euer Festival aussuchen dürftest, wer wäre das?<br />

Kranzusch: Paul McCartney.<br />

Gibts es noch etwas, das du gerne loswerden würdest?<br />

Kranzusch: All you need is love


Klubs + Konzerte<br />

FESTIVALS<br />

STADTPARK<br />

OPEN AIR<br />

<strong>2024</strong><br />

PICKING UP GOOD TUNES<br />

SINCE 1975<br />

Foto: MANICPROJECT<br />

3 FRAGEN AN …<br />

I Don’t Know How<br />

But They Found Me<br />

Dallon Weekes alias IDKHOW wird vom<br />

Teufel verfolgt – hoffentlich hängt er ihn fürs<br />

Hurricane/Southside einmal ab.<br />

Dallon, bei deinem neuen Album „Gloom Division“ hast du dir alle<br />

Mühe gegeben, eindeutige Fremdzuschreibungen unmöglich zu<br />

machen. Du spielst mit 70er-Glam- und Yachtrock, orchestriertem<br />

Soul, Pop und Postpunk.<br />

Dallon Weekes: Als ich in meinen frühen Zwanzigern das erste Mal<br />

Elvis Costellos „This Year’s Model“ gehört habe, war ich nur so: Was<br />

ist das? Dieses „Was ist das?“ ist die perfekte Reaktion auf ein Album.<br />

Nach dem dritten Hör durchgang war ich dann verliebt.<br />

Eine düstere Figur, die dich durchs Album begleitet, ist der Teufel.<br />

Bist du religiös?<br />

Weekes: Ich war seit Jahren nicht in der Kirche, bin aber sehr religiös<br />

aufgewachsen. Allerdings habe ich nie einen Draht zu den Leuten aus<br />

der Gemeinde gefunden. Mein Liberalismus hat nicht in diese konservative<br />

Welt gepasst.<br />

Gibt es Momente aus dieser Zeit, deren Bedeutung dir erst als<br />

Erwachsener bewusst geworden ist?<br />

Weekes: Mit 19 war ich Teil einer Missionargruppe. Typen in weißen<br />

Hemden, die an Türen klopfen? Das war ich für zwei Jahre. Heute<br />

denke ich anders darüber: Menschen zu evangelisieren, ist wie kultureller<br />

Kolonialismus. Leute haben Steine und Flaschen nach uns<br />

geworfen, unsere Fahrräder kaputtgemacht. Das war schon hart, hat<br />

mich aber gut aufs Musikbusiness vorbereitet. (lacht)<br />

Interview: Felix Eisenreich<br />

Hurricane 21.–23. 6. | Scheeßel<br />

Southside 21.–23. 6. | Neunhausen ob Eck<br />

Ed Sheeran | K.I.Z | Avril Lavigne | Idles | Ski Aggu | IDKHOW<br />

<strong>kulturnews</strong> | 69<br />

08.<strong>06</strong>. THE SMILE<br />

12.<strong>06</strong>. ALICE COOPER<br />

18.<strong>06</strong>. DROPKICK MURPHYS<br />

22.<strong>06</strong>. LABRASSBANDA<br />

23.<strong>06</strong>. LÜTT IM PARK DAS KINDERMUSIK OPEN AIR<br />

28.<strong>06</strong>. DIANA KRALL (BESTUHLT)<br />

29.<strong>06</strong>. EROBIQUE<br />

03.07. GOSSIP<br />

11.07. STEVE HACKETT (BESTUHLT)<br />

15.07. DAVE STEWART EURYTHMICS<br />

16.07. SEAN PAUL<br />

18.07. ZIGGY ALBERTS<br />

29.07. THE DIRE STRAITS EXPERIENCE (BESTUHLT)<br />

NICK MASON’S<br />

SAUCERFUL OF SECRETS<br />

31.07. (BESTUHLT)<br />

09.08. BEST OF POETRY SLAM<br />

11.08. LICHTERKINDER<br />

20.08. OFF DAYS: MARC REBILLET & FLYING LOTUS<br />

21.08. OFF DAYS: RÓISÍN MURPHY & PEACHES<br />

30./31.08. HELGE SCHNEIDER<br />

01.09. THE TESKEY BROTHERS<br />

04.09. RONAN KEATING<br />

05.09. HEAVEN CAN WAIT CHOR<br />

TICKETS: (0 40) 4 13 22 60 \ KJ.DE \ TICKETS@KJ.DE<br />

STADTPARKOPENAIR.DE<br />

@stadtparkopenair


Klubs + Konzerte<br />

FESTIVALS<br />

Foto: Heilemania<br />

Folkfield<br />

Eigentlich wollte die bayrische Mittelalterrockband Schandmaul<br />

bereits letztes Jahr mit Fans und Freunden ihr 25-jähriges<br />

Bühnenjubiläum feiern, als bei Frontmann und Sänger Thomas<br />

Lindner ein Karzinom im Rachenraum festgestellt wurde. Kurzerhand<br />

wurden die Feierlichkeiten abgeblasen und das von Schandmaul<br />

(Foto) gehostete Folkfield-Festival um ein Jahr verschoben. Gut<br />

gelaunt und frisch genesen geht es also dieses Jahr zur<br />

Jubiläumsparty. Die Gäste bleiben die gleichen, und Besucher:innen<br />

können sich auf weitere Szenegrößen wie Versengold, Subway To<br />

Sally und Rauhbein freuen.<br />

13. + 14. 9. Gelsenkirchen, Amphitheater Gelsenkirchen<br />

Festivalsommer<br />

auf Malta<br />

Wo steht eigentlich geschrieben, dass Festivals immer auf brandenburgischen<br />

Flugplätzen stattzufinden haben? Und wer will nach einer<br />

durchzechten Nacht noch in einen Baggersee springen, wenn es auch<br />

das Mittelmeer sein kann? War Malta bislang für kristallklares Wasser,<br />

ununterbrochenen Sonnenschein und die malerische Hafen- und<br />

Hauptstadt Valetta bekannt, mausert sich der kleine europäische Insel -<br />

staat gerade klammheimlich zum Hotspot gegenwärtiger Musik -<br />

kulturen. So besticht etwa das Malta Jazz Festival mit unvergesslichen<br />

Musiknächten im pittoresken Valletta, eingerahmt von historischen<br />

Palästen und prachtvollen Kirchen. Für alle, die es gerne etwas<br />

schneller haben, liefern der World Club Dome sowie das Lost & Found<br />

den perfekten Sound von EDM bis zu handverlesenem UK-Rave. Und<br />

die MTV Malta Music Week füllt die Rock- und Poplücke zwischen<br />

Elektro und Jazz.<br />

WEITERE FESTIVALS AUF MALTA<br />

Malta Jazz Festival 8.–13. 7.<br />

Isle of MTV Malta 16. 7.<br />

MTV Malta Music Week 16.–21. 7.<br />

World Club Dome Island Edition Malta 2.–4. 8.<br />

Lost & Found Festival TBA<br />

Earth Garden Festival 6.–9. 6.<br />

Foto: Lost and Found - 2019 by Luke Dyson<br />

70 | <strong>kulturnews</strong>


Foto: Beach Motel<br />

SPO³<br />

Festival<br />

Klubs + Konzerte<br />

FESTIVALS<br />

Matze Empen<br />

Hoteldirektor<br />

Foto: Carolin Wehmer<br />

Matze, was macht euer Festival so speziell?<br />

Matze Empen: „Drei Tage am Meer und ich weiß wieder, wer<br />

ich bin“, heißt es so schön in einem bekannten Popsong.<br />

Der endlos weite Sandstrand, die Dünen landschaft und die<br />

rauen Wellen der Nordsee. Kann es einen Ort geben, der<br />

sich zum Abschalten besser eignet als St. Peter-Ording? Für<br />

fulminante Festivals ist der Kurort zwar noch nicht<br />

bekannt, das wollen wir aber ändern. Drei Hotels, das<br />

Urban Nature, das StrandGut Resort und das Beach Motel<br />

SPO, haben sich diesem Auftrag verschworen und möchten<br />

dem Ort ein wildes Wochenende spendieren.<br />

Gibt es bei eurem Festival Angebote abseits der Musik?<br />

Empen: Die Tage werden neben dem musikalischen Teil<br />

noch ausgeschmückt mit einem spannenden kulinarischen<br />

Angebot, so sind nach heutigem Planungsstand z.B. BBQs<br />

geplant. Ferner wird es Naturführungen geben, die den<br />

Bezug und die Nähe zum Weltnaturerbe Wattenmeer aufgreifen<br />

und nochmal unterstreichen werden.<br />

Gibt’s noch etwas, das du gerne loswerden würdest?<br />

Empen: Wir haben Bock – oder wie Lemmy sagen würde:<br />

„We are Motörhead und we play Rock’n’Roll.“ Aber kein<br />

Sorge: Es wird musikalisch nicht nur auf die Ohren geben,<br />

wir sind sehr bemüht, mit viel Fingerspitzengefühl die breite<br />

Masse mitzunehmen, und möchten viele Genres bespielen<br />

und musikalische Leckerbissen mit euch teilen.<br />

<strong>kulturnews</strong> | 71<br />

<br />

DORIAN<br />

ELECTRA<br />

<br />

TROYE<br />

SIVAN<br />

<br />

POLYPHIA<br />

<br />

MAMMOTH<br />

WVH<br />

<br />

ALEXANDER<br />

STEWART<br />

<br />

BETTER<br />

LOVERS<br />

<br />

THE ARMED<br />

<br />

WAXAHATCHEE<br />

<br />

NICK CARTER<br />

<br />

ARAB STRAP<br />

<br />

<br />

ICHIKO<br />

AOBA<br />

<br />

JORGE<br />

DREXLER<br />

<br />

JXDN<br />

<br />

NAOMI JON<br />

<br />

LUKA<br />

BLOOM<br />

<br />

STAND<br />

ATLANTIC<br />

<br />

NORTHLANE<br />

<br />

FINAL<br />

STAIR<br />

<br />

ANNA<br />

ERHARD<br />

<br />

LUVRE47<br />

<br />

PURPLE DISCO<br />

MACHINE<br />

<br />

THE SWEET<br />

<br />

UNPROCESSED<br />

<br />

CARAVAN<br />

PALACE<br />

<br />

CHRISTOPHER<br />

<br />

LIZZ<br />

WRIGHT<br />

<br />

BILLY<br />

LOCKETT<br />

<br />

THE BYGONES<br />

<br />

STONED<br />

JESUS<br />

<br />

GREGOR<br />

HÄGELE<br />

<br />

PHILIPP<br />

POISEL<br />

<br />

NENA<br />

<br />

PAT<br />

METHENY<br />

SOLO<br />

<br />

AZET<br />

<br />

THE<br />

KILKENNYS<br />

<br />

ARXX<br />

<br />

SUMMER<br />

CEM<br />

<br />

GAVIN<br />

DEGRAW<br />

<br />

MARCUS KING<br />

<br />

LUNE<br />

<br />

CÉCILE<br />

MCLORIN<br />

SALVANT<br />

<br />

ÜBERJAZZ<br />

FESTIVAL<br />

<br />

BEARTOOTH<br />

<br />

PALACE<br />

<br />

WOLFGANG<br />

HAFFNER<br />

<br />

ROBERT<br />

GLASPER<br />

<br />

JACOB<br />

COLLIER<br />

<br />

SLEEP TOKEN<br />

<br />

BETH HART<br />

<br />

KLAUS<br />

HOFFMANN<br />

& BAND<br />

<br />

SAGA<br />

<br />

<br />

ILSE DELANGE<br />

TICKETS: KJ.DE


Klubs + Konzerte<br />

SA. 19.10.24 HAMBURG<br />

BARCLAYS ARENA<br />

Italo Nacht<br />

Crucchi Gang feat. Jeremias Heimbach,<br />

Lina Maly, Steiner & Madlaina<br />

30.7. Lübeck, Kulturwerft Gollan<br />

www.werftsommer.de<br />

Werft<br />

sommer<br />

Foto: Deanie Chen<br />

Lawrence<br />

Persönlich, warm, echt: Was familiengeführten Unternehmen oft nachgesagt<br />

wird, trifft in diesem Fall wirklich zu. Der von Stevie Wonder,<br />

Randy Newman und Aretha Franklin inspirierte Soulpop von Gracie und<br />

Clyde Lawrence hat das in New York aufgewachsene Geschwisterduo<br />

mittlerweile um die ganze Welt und in die größten Late-Night-Shows<br />

der USA geschickt. Und gelernt haben Gracie und Clyde bei den<br />

besten: Erst kürzlich sind sie von einer gemeinsamen Tour mit den<br />

Jonas Brothers zurückgekehrt, die bereits Mitte der Nullerjahre vorgemacht<br />

haben, wie ein musikalisches Familienunternehmen gelingen<br />

kann. Erweitert durch sechs weitere Ausnahmemusiker:innen steht<br />

Lawrence mittlerweile auf sicheren Beinen, und der 40-tägigen, internationalen<br />

„Family Business“-Tour steht nichts mehr im Wege.<br />

16. 7. Köln, Gloria Theater | 17. 7. Kassel, Kulturzelt<br />

18. 7. Stuttgart, Jazzopen | 20. 7. Hamburg, Mojo Club<br />

21. 7. Berlin, Columbia | 23. 7. München, Strom<br />

24. 7. Würzburg, Hafensommer | 25. 7. Jena, Kulturarena<br />

72 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

CHECK-BRIEF<br />

The Cult<br />

Foto: Jackie R. Middleton<br />

GESANG Ian Astbury GITARRE Billy Duffy<br />

BASS Charlie Jones (seit 2020) DRUMS John Tempesta (seit 20<strong>06</strong>)<br />

KEYBOARDS Mike Mangan (seit 2022)<br />

GEGRÜNDET 1984<br />

HERKUNFT England<br />

EHEMALS The Southern Death Cult und Death Cult<br />

GENRE Hardrock, Postpunk, Gothic<br />

GELTEN ALS „schamanische Gruftis“<br />

DEBÜTALBUM „Dreamtime“ (1984)<br />

AKTUELLES RELEASE „Under The Midnight Sun“ (2022)<br />

GRÖSSTE HITS „She Sells Sanctuary“, „Rain“<br />

FUN FACT Es gibt über 20 ehemalige Bandmitglieder<br />

LIVE 31. 7. Berlin, Huxley’s neue Welt<br />

4. 8. Köln, Carlswerk Victoria | 8. 8. Hamburg, Große Freiheit 36<br />

Aura<br />

Dione<br />

Nicht selten übernehmen<br />

sich Singer/Song writer:in -<br />

nen mit überambitionierten<br />

Kon zepten. Ein guter<br />

Song ist in allererster<br />

Linie eines: ein Song.<br />

Alle Komplexitäten und<br />

Metaebenen täuschen<br />

nicht über ein schwachen<br />

Lied hinweg. Und<br />

so gilt für den dänischen<br />

Popstar Aura Dione die Maxime: Keep it simple! „Wenn sich ein Song<br />

leicht auf der Gitarre spielen lässt, weiß man, dass er gut ist“, erklärt die<br />

38-Jährige. Ein Grundsatz, den die Dänin von ihrem Vorbild Bob Dylan<br />

übernommen hat, der bereits für Hits wie „Friends“, „Geronimo“ oder „I<br />

will love you Monday“ gesorgt hat und auch wieder ihrem kommenden<br />

Album „Mirrorball of Hope“ zugrunde liegen wird.<br />

3. 10. Hannover, Pavillon | 4. 10. Köln, Kulturkirche<br />

5. 10. Bochum, Christuskirche | 6. 10. Frankfurt, Batschkapp<br />

7. 10. München, Ampere | 8. 10. Filderstadt, Filharmonie<br />

10. 10. Erfurt, Alte Oper | 11. 10. Berlin, Quasimodo<br />

12. 10. Osterholz-Scharmbeck, Stadthalle<br />

13. 10. Hamburg, Laeiszhalle (Kleiner Saal)<br />

Foto: A.S.S. Concerts<br />

Werft<br />

sommer<br />

Fatoumata<br />

Diawara<br />

Queen of Afropop<br />

31.7. Lübeck, Kulturwerft Gollan<br />

www.werftsommer.de<br />

<strong>kulturnews</strong> | 73


Klubs + Konzerte<br />

Gogol Bordello<br />

Auf den ersten Blick ist Gogol Bordello eine abgedrehte achtköpfige<br />

Band, die die traditionelle Musik der Roma mit Punk und Dub wild<br />

vermischt. Ein Nischenprojekt? Keineswegs. Produzentenlegenden<br />

wie Rick Rubin oder Steve Albini haben bereits mit der, wie sie sich<br />

selbst nennt, „Gypsy-Punkband“ zusammengearbeitet, und sogar<br />

Madonna hat die New Yorker bei ihrem Film „Filth and Wisdom“ mitwirken<br />

lassen. Doch am wohlsten fühlt sich die Band immer noch auf<br />

der Bühne, wie Frontsänger Eugene Hütz erklärt: „Am Ende unserer<br />

Konzerte kommen die Leute oft zu uns und sagen, sie waren frei von<br />

all dem Mist, den man sonst die ganze Zeit im Kopf hat. Also, herzlich<br />

willkommen, sei unser Gast!" Diese Einladung schlagen wir auf<br />

keinen Fall aus.<br />

14. 7. Krefeld, Kulturfabrik<br />

16. 7. Dresden, Alter Schlachthof | 20. 7. Berlin, Huxleys<br />

Foto: Sanjay Suchak<br />

CHECK-BRIEF<br />

HEAVN<br />

GESANG, GITARRE Marijn van der Meer KEYS Jorrit Kleijnen<br />

LIVEBAND Bram Doreleijers (Gitarre), Mart Jeninga (Bass),<br />

David Broeders (Drums)<br />

HERKUNFT Amsterdam<br />

GENRE Ambient<br />

SOUND inspiriert von Jorrits Tätigkeit als Filmkomponist und geprägt<br />

von Marjins beruhigender Stimme: cinematisch gleitender Indie-Ambient<br />

DEBÜTALBUM „Eyes Closed“ (2018) – aufgenommen mit einem<br />

Streicherorchester<br />

VORBILDER Leonard Cohen, Bon Iver, Bruce Springsteen, Sting, Ray<br />

LaMontagne, Thomas Newman und Hans Zimmer<br />

LIVE 9. 10. Hamburg, Laeiszhalle | 10. 10. Berlin, Admiralspalast<br />

11. 10. Leipzig, Felsenkeller | 12. 10. Köln, Stadthalle<br />

14. 10. Dresden, Reithalle | 15. 10. München, Muffathalle<br />

16. 10. Essen, Lichtenberg | 17. 10. Frankfurt, Batschkapp<br />

Foto: Kelly Alexandre<br />

Nick Mason’s Saucerful Of Secrets<br />

Auch wenn heute nicht mehr alle Mitglieder von Pink Floyd so<br />

recht zurechnungsfähig zu sein scheinen, ist doch der kulturelle<br />

Wert der Psyrockband bis heute unumstritten. Mit David Gilmour<br />

und Nick Mason gibt es schließlich immerhin noch zwei ganz<br />

wunderbare ehemalige Pink-Floyd-Mitglieder. Und während<br />

Gilmour aktuell sogar an neuen Soloprojekten arbeitet, hat es<br />

sich Mason bereits vor Jahren zur Aufgabe gemacht, das Früh -<br />

werk ihrer einstigen Band in Ehren zu halten und auf Bühnen<br />

zu bringen. „Als ich vor sechs Jahren wieder hinter dem Schlag -<br />

zeug saß und wir anfingen, das frühe Pink-Floyd-Material zu<br />

spielen, war das in vielerlei Hinsicht ein echtes Vergnügen. Viele<br />

der Stücke waren noch nie live gespielt worden, und es hat uns<br />

allen sehr viel Spaß gemacht, sie auf der ganzen Welt aufzuführen.<br />

Die Möglichkeit zu bekommen, für eine weitere Tournee<br />

zurückzukehren, ist etwas, auf das die Band und ich gehofft<br />

hatten, also fühlt es sich gut an, zu sagen: Wir sind zurück!“,<br />

so Mason voller Vorfreude über seine anstehende Tour.<br />

Foto: Patrick Balls/Martin Griffith<br />

7. 7. Leipzig, Haus Auensee | 8. 7. Stuttgart, Liederhalle | 9. 7. München, Tollwood Festival<br />

27. 7. Köln, Roncalli Platz | 28. 7. Breitenbach, Herzberg Festival<br />

30. 7. Berlin, Tempodrom | 31. 7. Hamburg, Stadtpark Open Air | 1. 8. Frankfurt, Jahrhunderthalle<br />

74 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

„Such dir von<br />

deinen Träumen<br />

den größten aus/<br />

Schreib mit dem<br />

Edding deinen<br />

Namen drauf!“<br />

aus: „Wie ein Mädchen“ von Sophia<br />

01.<strong>06</strong>. UK SUBS<br />

SUPPORT: NASTY RUMORS<br />

01.<strong>06</strong>.<br />

UK SUBS<br />

AFTER SHOW PARTY<br />

02.<strong>06</strong>. ALAIN FREI<br />

04.<strong>06</strong>. 50+2 PODCAST LIVE<br />

05.<strong>06</strong>. HAZMAT MODINE<br />

<strong>06</strong>.<strong>06</strong>. PLEWKA & SCHMEDTJE<br />

07.<strong>06</strong>. THE CONGOS &<br />

THE GLADIATORS<br />

08.<strong>06</strong>. HAMBURGS GROẞE<br />

ü40 PARTY<br />

12.<strong>06</strong>. LOS VAN VAN<br />

JUNI<br />

AUSWAHL<br />

16.<strong>06</strong>. MUSIKCOCKTAIL DER<br />

SANKT-ANSGAR-SCHULE<br />

Foto: Phil Hessler<br />

Sophia<br />

7. 10. Dortmund, FZW Halle | 8. 10. Hannover, Musikzentrum<br />

9. 10. Bremen, Kulturzentrum Schlachthof e.V.<br />

11. 10. Hamburg, Gruenspan | 12. 10. Leipzig, Täubchenthal<br />

14. 10. Stuttgart, Im Wizemann | 15. 10. Köln, Die Kantine<br />

17. 10. Frankfurt, Zoom | 18. 10. Berlin, Hole44<br />

19. 10. München, TonHalle<br />

24.<strong>06</strong>. TOAST HAWAII PODCAST LIVE<br />

28.<strong>06</strong>. BOOMER-PARTY<br />

PARTY-MIX: 70ER – 90ER<br />

30.<strong>06</strong>. METHODISCH INKORREKT<br />

11.07. SINA BATHAIE<br />

13.07. THE MIDNIGHT<br />

16.07. GROUNDATION<br />

20.07. MANFRED MANN’S<br />

EARTH BAND<br />

23.07. THE HOOTERS<br />

08.08. THE HAMBURG BOOGIE<br />

WOOGIE CONNECTION<br />

18.08. HAMBURGER<br />

STADTMEISTERSCHAFTEN<br />

POETRY SLAM – FINALE<br />

Alle Termine und aktueIle Informationen<br />

zu unseren Veranstaltungen im Web:<br />

FABRIK.DE<br />

BARNERSTR. 36 · 22765 HH · TEL: 39 10 70<br />

<strong>kulturnews</strong> | 75


Klubs + Konzerte<br />

Deep Purple<br />

Deep Purple gehören zu der Riege unermüdlicher Rocklegenden, die<br />

nicht zu altern scheinen. Grund dafür ist zum einen das regelmäßige<br />

Touren und zum anderen Neubesetzungen wie etwa die jüngste<br />

durch den Mitvierziger Simon McBride. Bei einer Band mit dem<br />

Durchschnittsalter von 77 Jahren ist der Gitarrist geradezu ein<br />

Jungbrunnen. Obwohl der Auslöser für den Austausch von Steve<br />

Morse keineswegs selbstgewählt war. „Steve musste sich aus der<br />

Band zurückziehen, weil er sich um seine sehr kranke Frau ge -<br />

kümmert hat“, verrät Bassist und Co-Produzent Roger Glover im<br />

April 2023 in einem Radiointerview. „Und so haben wir einen<br />

neuen Gitarristen in der Gruppe namens Simon McBride. Das ist<br />

eine komplett neue Erfahrung. Ich meine: Wir sind eine andere<br />

Band dadurch. Auf gewisse Weise müssen wir Veränderung an -<br />

nehmen. Man kann nicht ein und dieselbe Sache immer wieder<br />

machen.“<br />

18. 7. Salem, Schloss Salem | 19. 7. Dresden, Elbufer<br />

21. 7. Winterbach, Zeltspektakel<br />

19. 10. Berlin, Max Schmeling-Halle | 20. 10. Erfurt, Messehalle<br />

22. 10. Mannheim, SAP Arena<br />

23. 10. München, Olympiahalle | 25. 10. Essen, Grugahalle<br />

Foto: Jim Rakete<br />

„The temperature is<br />

rising on this hell-hole/<br />

I know you know/<br />

The rich are full from<br />

trampling over bodies/<br />

I know you know“<br />

aus „Time“ von Missio“<br />

Missio<br />

21. 6. Köln, Luxor<br />

26. 6. München, Strom<br />

27. 6. Berlin, Frannz Club<br />

Foto: Ima Leupp<br />

Nathaniel Rateliff &<br />

The Night Sweats<br />

Foto: Danny Clinch<br />

Nathaniel Rateliff denkt gar nicht daran, die Narben auf seiner Seele zu verheimlichen.<br />

Dafür ist ihm seine Musik viel zu kostbar: „Meine Songs handeln<br />

von den Kämpfen, die ich in meinem Leben hatte. Zu viel trinken, dieser<br />

ganze Mist“, erklärt der Folk- und Bluesmusiker aus Missouri ganz offen. Ist<br />

Rateliff solo unterwegs, leben die Konzerte vom eher folkigen Charakter seiner<br />

Stücke, dem zurückhaltenden Gitarrenspiel und dem Schmelz in Rateliffs<br />

Stimme. Kommt er aber mit den Night Sweats, ist ekstatische Soulfulness<br />

garantiert. Unterstützt von zwei bis drei Bläsern, bringt die achtköpfige Combo<br />

einen satten Sound auf die Bühne, während Rateliff mit seiner souligen<br />

Röhre überrascht. Je mehr, desto besser? Zumindest kann Rateliff sein Leid<br />

dann teilen.<br />

19. 6. Berlin, Kesselhaus | 3. 7. Köln, Gloria<br />

8. 7. München, Backstage Werk<br />

76 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

CHECK-BRIEF<br />

The Midnight<br />

GESANG Jamison Tyler Lyle<br />

PRODUKTION Tim Daniel McEwan<br />

GEHEIMTIPP<br />

Foto: FKP Scorpio<br />

HERKUNFT Los Angeles<br />

GENRE Retrowave<br />

SOUND nspiriert vom „Drive“-Soundtrack und „Blade<br />

Runner“-Retrofuturismus<br />

LEITGEDANKE „mono no aware“<br />

(japanische Melancholie-Ästhetik)<br />

DEBÜTALBUM „Days of Thunder“ (2014)<br />

AKTUELLES RELEASE „Red, White and Bruised:<br />

The Midnight Live“ (2023)<br />

CHARAKTERISTISCH 80s-Drums gepaart mit<br />

Saxophon-Soli<br />

LIVE 13. 7. Hamburg, Fabrik<br />

18. 7. Berlin, Astra Kulturhaus<br />

Steve Hackett<br />

Wird von Genesis gesprochen, geht es meist um Peter Gabriel und<br />

Phil Collins. Natürlich hatte die britische Prog-Rockband einige<br />

Besetzungswechsel, doch vergesst uns bitte nicht Steve Hackett!<br />

Schließlich hat der Londoner mit seinem einzigartigen Gitarrensound<br />

an sechs Studioalben maßgeblich mitgewirkt und ist bis heute fleißig<br />

am Produzieren und noch fleißiger am Touren: Mit seiner anstehenden<br />

„Genesis Greats, Lamb Highlights & Solo“-Tour holt Hackett<br />

zum Rundumschlag aus, feiert das 50-jährige Jubiläum von<br />

„The Lamb lies down on Broadway“, spielt ein handverlesenes<br />

Genesis-Best-of und gibt sein aktuelles<br />

Album „The Circus and the Nightwhale“ zum<br />

Besten.<br />

11. 7. Hamburg, Stadtpark<br />

13. 7. Leipzig, Parkbühne<br />

16. 7. Dresden, Ostrapark<br />

18. 7. Nürnberg, Serenadenhof<br />

19. 7. Winterbach, Zeltspektakel<br />

20. 7. St. Goarshausen,<br />

Night of the Prog Festival<br />

Foto: Lee Millward<br />

<strong>kulturnews</strong> | 77


Klubs + Konzerte<br />

Marc Broussard<br />

Marc Broussard ist unterwegs im Namen der guten<br />

Sache: Der Bayou-Soul-Meister aus dem Mississippi-<br />

Delta ist mit seinem traditionellen Mix aus Funk,<br />

Blues, R’n’B und Rock auf Tour. Mit dabei sein aktuelles<br />

Album „S.O.S. 4: Blues for your Soul“, der vierte<br />

Teil seiner Charity-Albumreihe. Die Tantiemen dieser<br />

Alben gehen zum Großteil an Wohltätigkeits -<br />

organisationen wie etwa an die City of Refuge, die versucht,<br />

Obdachlosigkeit und Armut zu bekämpfen.<br />

Dafür zahlen wir sogar doppelt!<br />

Foto: Jeff Fasano<br />

4. 10. München, Freiheitshalle<br />

5. 10. Winterbach, Lehenbachhalle<br />

6. 10. Mainz, Frankfurter Hof<br />

8. 10. Köln, Kulturkirche<br />

15. 10. Hamburg, Fabrik | 16. 10. Berlin, Lido<br />

L’Impératrice<br />

Die Musikindustrie ist ein Business, das zu gut 90 Prozent aus Männern<br />

besteht. Für Frauen wie Flore Benguigui sei es meistens schwieriger,<br />

sich in einer solchen Umgebung durchzusetzen, obwohl sie auf den<br />

Bühnen zwischen fünf Männern steht. Das berichtet die Leadsängerin<br />

Benguigui der sechsköpfigen Band L’Impératrice. Sexismus und viele<br />

weitere politische Themen werden in ihren Songs ausgiebig verhandelt.<br />

Während die groovigen Melodien locker-leicht durch unsere Ohren tanzen,<br />

stehen die jeweiligen Texte im klaren Kontrast zu den augenscheinlichen<br />

Chansons Joyeuses. Insbesondere, wenn man nicht<br />

Französisch spricht, denn das mitreißende Disco- und French-Funk-<br />

Feeling übermittelt die Pariser Band in ihrer Muttersprache.<br />

27. 10. Köln, Carlswerk Victoria<br />

1. 12. Hamburg, Grosse Freiheit | 8. 12. Berlin, Columbiahalle<br />

Foto: Augustin JSM<br />

The Armed<br />

Für die Post-Hardcore- und Punkband aus Detroit gibt es eine<br />

Maxime: Think big! So kommentiert Sänger Tony Wolski das jüngste<br />

Album, den Nachfolger der gefeierten Durchbruchplatte „Ultrapop“<br />

wie folgt: „,Perfect Saviors‘ ist unser völlig unironischer, aufrichtiger<br />

Versuch, das größte und beste Rockalbum des 21. Jahrhunderts zu<br />

schaffen.“ Ein gesundes Ego, das dem selbstbewusst radikalen Sound<br />

von The Armed mehr als gut zu Gesicht steht. Dabei dürfte es „Perfect<br />

Saviors“ nicht unbedingt so leicht haben, ist das Album doch ein<br />

Abgesang auf die Popkultur und eine Absage an all ihre<br />

Verwertungszwänge. Mit Airplays dürfte es demnach schwer werden.<br />

Bleibt nur noch das Livegeschäft – und das beherrschen The Armed<br />

ohnehin am besten.<br />

8. 7. Hamburg, Knust | 9. 7. Berlin, Hole44<br />

Foto: Aaron Jones<br />

78 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

reservix.de<br />

dein ticketportal<br />

Wiener Johann<br />

Strauss Orchester<br />

04. – 08.02.25<br />

Elbphilharmonie<br />

Hamburg<br />

Emilíana Torrini<br />

08.10.24<br />

Elbphilharmonie<br />

Hamburg<br />

Foto: Hannah Leitsch<br />

Kayef<br />

Für den 29-jährigen Düsseldorfer ist DIY nicht bloß eine hohle Phrase.<br />

Im Alter von 18 Jahren hat Kai Fichter, wie Kayef mit bürgerlichem<br />

Namen heißt, alles auf eine Karte gesetzt: raus aus dem Elternhaus,<br />

raus aus der Ausbildung zum Mediengestalter. Mittlerweile wird Kayef<br />

für seinen authentischen Mix aus Pop, Rap, R’n’B und Rock gefeiert,<br />

seine Songs haben über 80 Millionen Streams, und seine Wände sind<br />

mit Gold- und Platin-Awards behangen. Und das alles ohne große<br />

Plattenfirma. Hat Kayef sein Debüt 2013 noch in Eigenregie vertrieben,<br />

führt er seit 2020 sogar sein eigenes Label. Und damit nicht genug:<br />

Der Drang, selbst anzupacken, hat den Düsseldorfer inzwischen auch<br />

unabdingbar für einige andere große deutsche Popstars gemacht. So ist<br />

er etwa mitverantwortlich für die Artworks von Topic, Merchandise-<br />

Designs von Nico Santos und Songtexte von Vanessa Mai und Wincent<br />

Weiss. Bei dieser Mentalität würde es nicht wundern, wenn Kayef auf<br />

seiner Tour eigens die Stagehand gibt.<br />

9. 11. Stuttgart, Im Wizemann | 10. 11. Nürnberg, Hirsch<br />

11. 11. München, Backstage | 12. 11. Hannover, Pavillon<br />

13. 11. Hamburg, Gruenspan | 18. 11. Berlin, Columbia Theater<br />

19. 11. Dresden, Alter Schlachthof<br />

20. 11. Frankfurt, Batschkapp | 21. 11. Bochum, Zeche<br />

22. 11. Köln, Carlswerk Victoria<br />

<strong>kulturnews</strong> | 79<br />

23. – 26.12.24<br />

Metropol Theater, Bremen<br />

Alle Angaben ohne Gewähr<br />

Freilichtbühne, Lübeck<br />

16.12.24 Kiel<br />

17.12.24 Bremen<br />

22.01.25 Hamburg<br />

Tickets unter reservix.de<br />

Hotline 0761 888499 99


Klubs + Konzerte<br />

Fink<br />

Facettenreicher könnte ein musikalischer Werdegang kaum sein:<br />

Angefangen mit elektronischen Tracks in den Neunzigern, entwickelte<br />

sich Fink zunächst zum renommierten DJ, dessen ersten Ver öffent -<br />

lichungen beim Londoner Trip-Hop- und Dance-Label Ninja Tune er -<br />

schienen sind. Passend zur Jahrtausendwende wuchs in ihm jedoch<br />

eine immer weiter ausgeprägte Vorliebe für akustische Sounds, die<br />

zwar nicht mehr in stickigen Partykellern laufen, aber dafür unsere<br />

Herzen beseelen.<br />

6. 11. Hamburg, Fabrik<br />

Foto: Hella Wittenberg<br />

Joel Havea Trio<br />

Mit ihrem zweiten Album „Ki ’a Lavaka“ hat das Soultrio um Joel<br />

Havea den Schritt ins Persönliche gewagt. Zum ersten Mal haben<br />

Schlagzeuger Leo Lazar, Bassist Arnd Geise und Sänger und Gitarrist<br />

Joel Havea ihre Musik für Joels tongaische Wurzeln geöffnet. Die<br />

Melange aus tropischer Tradition und dem zurückgelehnten Soul hat<br />

das Trio auf ein neues Level gehievt, das die drei Jungs letztes Jahr<br />

auf einem im legendären Hamburger Jazzclub Birdland aufgenommenen<br />

Livealbum festgehalten haben. Wer noch einen Grund braucht,<br />

das Trio live zu besuchen, sollte da mal reinhören.<br />

2. 6. Hamburg, Nochtspeicher<br />

Foto: Tini Lazar<br />

„Das war eben auch ein wichtiger Teil des<br />

Prozesses, diese Songs zu ‚unseren‘ Songs<br />

zu machen, sie nicht nur zu kopieren,<br />

sondern in der uns eigenen Weise zu<br />

interpretieren. Oder vielleicht eben auch so,<br />

wie sie dereinst ursprünglich mal<br />

geschrieben wurden, bevor sie dann von<br />

der typischen 80er-Soundästhetik mit Kitsch<br />

und Pomp aufgeladen wurden.“<br />

Marco Schmedtje über das Projekt „Between the 80’s“<br />

Nile Rodgers<br />

Nile Rodgers gehört zu den einflussreichsten Produzenten unserer<br />

Zeit. Die Liste der Namen, für die der New Yorker Hits zusammengeschraubt<br />

hat, scheint schier endlos zu sein: Madonna,<br />

Pharrell Williams, Diana Ross, Sister Sledge, David Bowie, Daft<br />

Punk und nicht zuletzt Chic, mit denen der Pop-Pionier nun wieder<br />

auf Tour geht, um Welthits wie „Le Freak“ (die meistverkaufte Single<br />

in der Geschichte von Atlantic Records) oder „Good Times“ – ein<br />

Song, der den Weg für den Hip-Hop geebnet hat – endlich wieder<br />

auf die Bühne zu bringen. Und auch in jüngster Vergangenheit<br />

hat der Meister der singenden Funkgitarre Acts wie Roosevelt,<br />

Jonathan Bree oder Disclosure einen neuen Anstrich verliehen.<br />

Plewka &<br />

Schmedtje<br />

6. 6. Hamburg, Fabrik<br />

Foto: Sven Sindt<br />

30. 6. Hannover,<br />

Gilde Park Bühne<br />

Foto: MEWES Entertainment Group<br />

80 | <strong>kulturnews</strong>


Klubs + Konzerte<br />

11. 6. Hamburg,<br />

Nochtspeicher<br />

13.–15. 6. Hamburg, Kampnagel<br />

Rain Parade<br />

Beeinflusst von Bands wie The Byrds, Pink Floyd, Love, Television oder<br />

auch Neil Young waren Rain Parade stets ein absoluter Geheimtipp. Das<br />

Anfang der 80er-Jahre veröffentlichte Debütalbum „Explosions in the<br />

Glass Palace“ und der Nachfolger „Emergency Third Rail Power Trip“ wurden<br />

zu Kritikerlieblingen und Szeneklassikern, dennoch ist der kommerzielle<br />

Riesenerfolg immer ausgeblieben, und so hatten die Jungs aus Los<br />

Angeles 1986 genug. An Relevanz haben die Alben der Psyrockband<br />

jedoch nie verloren, und in Anbetracht der Neo-Psych-Bewegung war es<br />

nur konsequent, sich wieder zusammenzutun. Und so kehren Rain Parade<br />

nun mit den ersten Auftritten seit ihrer Auflösung zurück.<br />

Foto: Billy Douglas<br />

La Fleur<br />

Im Rahmen des Live Art Festivals nimmt die Gruppe La Fleur das<br />

Publikum mit in den legendären Nachtklub „El 9“, der 1977 in<br />

Mexico-City eröffnet wurde. Ein Klub, der nicht nur dem<br />

Amüsement gedient hat. „El 9“ war ein Zufluchtsort für die<br />

LGBTI*-Communities, kulturelles Underground-Zentrum, Nacht -<br />

klub, Ort der AIDS-Prävention und Aufklärung, Anlaufstelle für<br />

Nachtschwärmende und Schauplatz der künstlerischen Gegen kultur<br />

und Auslöser für regelmäßige Polizeirazzien. La Fleur be schwören<br />

den freien und innovativen Geist dieses mythischen Ortes und lassen<br />

symbolträchtige Performances wiederaufleben. Das Team besteht<br />

aus hochkarätigen Showstars und Queer-Aktivist:innen, die<br />

Archivmaterial, Neu-Interpretationen und performative Über -<br />

schreibungen miteinander kombinieren. Jede Show ist ein<br />

Plädoyer und Bekenntnis zu queerer Subkultur und eine<br />

Liebeserklärung an die „Creatures of the Night“.<br />

Foto: Nathanael Mergui<br />

Stadtpark Open Air<br />

The Country Side Of Harmonica Sam<br />

Foto: Jens Nordström<br />

Auch <strong>2024</strong> wird das traditionsreiche Stadtpark Open Air die ikonische<br />

Hamburger Grünfläche wieder mit jeder Menge guter<br />

Musik versorgen. Die Auswahl der dargebotenen Acts ist dabei<br />

ebenso breit aufgestellt wie der Terminkalender: Von Mitte Mai bis<br />

Anfang September ist von Mainstreamgrößen wie Clueso und<br />

Diana Krall bis hin zu Indiedarlings wie The Smile (Foto), Róisín<br />

Murphy und Peaches für alle was dabei. Ein Blick auf die<br />

Festivalseite lohnt also in jedem Fall – und möglichst bald: Einige<br />

Konzerte sind jetzt schon ausverkauft.<br />

11. 5.–8. 9. Hamburg, Stadtpark<br />

Für Laien mag der Sound von The Country Side Of Harmonica Sam nach<br />

ganz klassischem Country klingen. Das täuscht jedoch. Schließlich mäandert<br />

das Quintett auf einem ganz eigenen Zweig der zeitgenössischen<br />

Countrymusik. Es klingt nach den 50er- und 60er-Jahren, ist aber moderner<br />

als der Hillbilly-Stil und entfernt sich zugleich vom aktuellen<br />

Nashville-Sound: Country für Kenner! Und so spielt die Band um den<br />

charmanten Frontmann Harmonica Sam nicht nur eigene Songs, sondern<br />

auch Klassiker von Faron Young, Skeets McDonald, Bill Phillips, Billy<br />

Walker und Ray Price. Eben was für Kenner.<br />

1. 6. Hamburg, Nochtspeicher<br />

Foto: Frank LeBon<br />

<strong>kulturnews</strong> | 81


Klubs + Konzerte<br />

Dekker<br />

Unverkennbar ist Dekker mit seinem großen Hut auf<br />

dem Kopf, der stets einen mystischen Schatten in sein<br />

Gesicht wirft. Auf der Bühne hat er diesen immer auf<br />

und singt dabei von den Geistern der Zukunft und der<br />

Realität des Todes. „Es ist voller Liebe, Angst, Fragen<br />

des wirklichen Lebens und letztendlich Hoffnung“, sagt<br />

der amerikanische Indiefolk-Sänger über sein neustes<br />

Album „Future Ghosts“. Gemeinsam mit seiner Tochter<br />

hat er den Titelsong geschrieben und sich mit den<br />

Geheimnissen des Lebens beschäftigt, mit dem<br />

Durchstehen schwerer Zeiten und dem Glauben an sich<br />

selbst. Gefühlvoll und augenfällig wie sein Hut sind die<br />

melancholischen Lieder von Dekker, und doch hinterlässt<br />

er stets eine Prise Hoffnung.<br />

28. 10. Leipzig, Täubchenthal<br />

29. 10. Berlin, Columbiatheater<br />

30. 10. Rostock, Peter Weiß Haus<br />

31. 10. Bremen, Lagerhaus<br />

1. 11. Osnabrück, Botschaft<br />

5. 11. Düsseldorf, Zakk<br />

6. 11. Saarbrücken, Garage<br />

10. 11. Karlsruhe, Substage<br />

11. 11. München, Muffathalle<br />

Foto: Emily Katy<br />

IMPRESSUM<br />

CHECKBRIEF<br />

<strong>kulturnews</strong> erscheint monatlich immer am<br />

letzten Donnerstag in allen urbanen Metropol -<br />

regionen an über 3 000 Szene- und Kulturlocations<br />

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82 | <strong>kulturnews</strong><br />

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Stille ist Überleben<br />

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