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September 2012 - Deutscher Bridge-Verband e.V.

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42<br />

Technik<br />

Die erste grundsätzliche Frage besteht<br />

darin, was das Kontra des Partners zeigt.<br />

Nach meinem Verständnis (und eigentlich<br />

wohl auch nach der Mehrheitsmeinung<br />

in der Literatur) zeigt ein Kontra des Partners,<br />

wenn der Gegner mit 4« sperrt (egal,<br />

ob direkt 4« oder über 3« - 4« oder wie<br />

hier über 2« - 4«), eine starke, tendenziell<br />

ausgeglichene Hand, mit der der Partner<br />

4« mehr oder weniger allein schlägt (während<br />

4SA so eine Art Informationskontra<br />

darstellt). Der Partner des Kontrierenden<br />

soll nur dann aus dem Kontra auf 4« herausgehen,<br />

wenn er eine interessante Verteilungshand<br />

hat, mit der er davon ausgehen<br />

kann, den von ihm angesagten Kontrakt auf<br />

der Fünferstufe zu gewinnen.<br />

Das sehen schon mal drei Experten völlig<br />

anders:<br />

m. Horton: 4SA. Wenn Partner 5¨ reizt,<br />

gehe ich auf 5�, um die roten Farben zu<br />

zeigen. Ich glaube, dass das der beste Weg<br />

ist, eine schwache Hand zeigen.<br />

R. Rohowsky: 4SA. Partner will, dass ich<br />

reize. Bitteschön, mit 6-4 will ich mich<br />

nicht auf Karo festlegen, sondern biete<br />

„two places to play“.<br />

H. Häusler:<br />

Passe kommt<br />

nicht in Frage!<br />

H. Häusler: 4SA. Passe kommt mit Pik-<br />

Single nicht in Betracht. Mit 4SA gebe ich<br />

zunächst die Auswahl zwischen beiden<br />

Unterfarben: wenn ich dann 5¨ in 5�<br />

ausbessere, zeige ich Cœur-Nebenfarbe.<br />

Einige Experten denken über Passen immerhin<br />

nach. Aber nur zwei Experten halten<br />

sich konsequent an die eingangs beschriebene<br />

Theorie.<br />

H.H. Gwinner: Passe. Die Fünfer-Höhe ist<br />

mir zu unsicher und ich habe mit Pik-Kürze<br />

gute Defensivaussichten.<br />

Wenn man brav passt, hat man jedenfalls<br />

in der anschließenden Debatte gute<br />

Defensivaussichten.<br />

m. Schomann: Passe. Mit dieser Hand<br />

möchte ich nicht die fünfte Stufe betreten<br />

und hoffe, dass Partner genug Stiche<br />

mitbringt, um diesen Kontrakt zu schlagen.<br />

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Bei manchen<br />

Partnern sollte man nach solchen<br />

Kontras eher darauf hoffen, dass es nicht<br />

zu viele Überstiche gibt. Meines Erachtens<br />

ist Passe tatsächlich das theoretisch richtige<br />

Gebot, deshalb habe ich es bei den<br />

Punkten kräftig aufgewertet. Wenn solche<br />

Theorie in der Praxis nur nicht so oft zu -590<br />

führen würde! Der leidige Unterschied<br />

zwischen Theorie und Praxis.<br />

Wahrscheinlich wegen zu vieler schlechter<br />

Erfahrungen entscheiden sich fast alle<br />

Experten dafür, ihr Glück nicht im Gegenspiel<br />

gegen 4« im Kontra zu suchen,<br />

sondern im Alleinspiel auf der Fünfer-<br />

stufe. Aber wo dort? Setzt man einseitig<br />

auf die längste Farbe, indem man 5� reizt,<br />

oder bietet man mit 4SA, und dann auf<br />

5¨ (die wahrscheinlichste Antwort des<br />

Partners) mit 5� dem Partner die beiden<br />

roten Farben zur Auswahl anzubieten?<br />

Gleich elf Experten entscheiden sich für<br />

4SA, um über 5¨ des Partners mit 5� die<br />

beiden roten Farben zu zeigen. Wenn diese<br />

Reizsequenz aus Sicht des Partners einen<br />

„echten“ Zweifärber zeigt, wird das allerdings<br />

mit einiger Wahrscheinlichkeit in den<br />

schlechten 4/3-Fit in Cœur führen statt in<br />

den guten 6/3-Fit in Karo.<br />

Der einzige Experte, der sich explizit mit<br />

diesem Problem auseinandersetzt, ist<br />

H. Häusler: 4SA. Damit gebe ich zunächst<br />

die Auswahl zwischen beiden Unterfarben;<br />

wenn ich dann von 5¨ in 5� ausbessere,<br />

zeige ich die Cœur-Nebenfarbe.<br />

Wenn das so ist, hat man die 6/4-Hand<br />

perfekt beschrieben. Das bedeutet aber<br />

andererseits, dass man mit 5/5 in Cœur und<br />

Karo direkt 5ª bieten müsste/sollte. Das<br />

ist wahrscheinlich sinnvoll, wird aber von<br />

keinem anderen Experten so klar dargelegt.<br />

Alle anderen 4SA-Reizer machen keinen<br />

Unterschied zwischen einer 6/4-Verteilung<br />

und einer 5/5-Verteilung.<br />

J. Piekarek:<br />

Ich zeige einen<br />

Zweifärber!<br />

J. piekarek: 4SA. Ich zeige einen Zwei-<br />

färber.<br />

R. Rohowsky: 4SA. Two places to play.<br />

Auch auf ausländisch wird aus einer<br />

6/4-Hand keine 5/5-Hand.<br />

B. Hackett: 4SA. Spielbereitschaft in zwei<br />

Farben.<br />

N. Bausback: 4SA. Ich lasse den Partner<br />

<strong>September</strong> <strong>2012</strong><br />

zwischen Cœur und Karo wählen. Ob da<br />

die Chance, dass etwas Sinnvolles bei der<br />

Wahl rauskommt, größer ist als bei der<br />

nächsten Bundestagswahl?<br />

Meine Sympathie gehört der Minderheit<br />

der 5�-Reizer. Wenn ich mit solchen bescheidenen<br />

„Werten“ schon auf die Fünferstufe<br />

gehen muss, möchte ich wenigstens<br />

so viele Trümpfe wie möglich haben.<br />

K.-H. Kaiser: „5�. Ich muss darauf verzichten,<br />

einen etwaigen 4-4-Fit in Cœur<br />

zu spielen. Karo mit der 6er-Farbe sieht<br />

sicherer aus – dabei ist es schon riskant<br />

genug. Allerdings! Gefällt mir.<br />

J. Linde:<br />

Ich spiele<br />

Unterfarbe!<br />

Oder J. Linde: 5�. Auf so hoher Stufe bin<br />

ich froh zu erfüllen, da spiele ich auch mal<br />

Unterfarbe.<br />

Plus schreiben und gewinnen – das alte<br />

Auhagen-Rezept fürs Paarturnier ist auch<br />

heute noch – in Zeiten des Oberfarben-<br />

und Sans-Atout-Wahns der Paarturnier-<br />

Geier – hochaktuell.<br />

Oder blumiger formuliert von W. Rath:<br />

5�. Knappe Entscheidung. Karo gefällt<br />

mir besser als Cœur, weil wir mit dieser<br />

Hand überhaupt froh sein können, Plus zu<br />

schreiben. Und der vermessene Griff<br />

nach der Oberfarbe endet oft mit mehre-<br />

ren Fallern.<br />

Aber wehe, wehe, wenn ich auf das<br />

Ende sehe … Der Griff nach der Oberfarbe<br />

könnte hier <strong>2012</strong> tatsächlich so ähnlich enden<br />

wie 1914 der Griff Deutschlands nach<br />

der Weltmacht.<br />

Übrigens, am Tisch hätte man nur mit Passe<br />

positiv geschrieben, denn sowohl 4« als<br />

auch 5� oder 5ª endeten mit einem Faller.<br />

Von solchen kleinlichen Bedenken läßt sich<br />

Hans Werge nicht abschrecken (schließlich<br />

haben ja auch die Deutschen und nicht<br />

die Dänen die inzwischen in allen Weltsprachen<br />

verbreitete „angst“ erfunden):<br />

„5ª – falls Partner ausspielen soll(te).<br />

Was will uns der Dichter damit sagen?<br />

Selbst falls der Gegner noch 5« bieten<br />

sollte (wonach sich die Reizung nicht anhört),<br />

wäre der Partner nicht am Ausspiel.<br />

Experten sind immer ein Rätsel, aber<br />

manchmal noch mehr als sonst. �

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