29.12.2012 Aufrufe

Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit

Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit

Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Berlin, 15. Oktober 2012<br />

<strong>Die</strong> <strong>gesamtfiskalischen</strong> <strong>Kosten</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong><br />

<strong>Die</strong> vollständigen <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong> sind weit höher als die Summe <strong>der</strong><br />

Ausgaben für Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und arbeitsmarktpolitische<br />

Instrumente. Belastet werden die öffentlichen Haushalte nicht nur auf <strong>der</strong> Ausgabenseite<br />

son<strong>der</strong>n auch auf <strong>der</strong> Einnahmenseite: Arbeitslose Menschen zahlen<br />

weniger o<strong>der</strong> keine Steuern und Sozialabgaben – darüber hinaus können sie weniger<br />

konsumieren. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es bei den <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong><br />

nur um die direkten Ausgaben für die Unterstützungszahlungen an Arbeitslose<br />

und ihre Angehörigen geht. 1<br />

Gesamtfiskalische <strong>Kosten</strong> in <strong>der</strong> Öffentlichkeit nicht bekannt<br />

Nicht alle <strong>Kosten</strong>arten werden statistisch erfasst. Um die <strong>gesamtfiskalischen</strong> <strong>Kosten</strong><br />

zu bestimmen, müssen daher Modellrechnungen über den entgangenen gesamtwirtschaftlichen<br />

Beitrag <strong>der</strong> Arbeitslosen gemacht werden. Ausgaben und Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

treten an sehr unterschiedlichen Stellen auf: Bundeshaushalt,<br />

Län<strong>der</strong>haushalte, Gemeindefinanzen und bei den Sozialversicherungen. <strong>Die</strong> Bundesagentur<br />

für Arbeit zahlt Arbeitslosengeld und entsprechende Beiträge zur Renten-,<br />

Kranken- und Pflegeversicherung, zugleich entgehen ihr Beiträge <strong>der</strong> Arbeitslosen.<br />

Der Bundeshaushalt muss für die wesentlichen <strong>Kosten</strong> von Hartz IV aufkommen, für<br />

einen kleineren Betrag die Kommunen (Wohnkosten). Durch <strong>Arbeitslosigkeit</strong> entstandene<br />

Wohngeldansprüche werden jeweils zur Hälfte vom Bund und den Län<strong>der</strong>n<br />

aufgebracht. Bund, Län<strong>der</strong> und Gemeinden sind allesamt von Steuerverlusten betroffen.<br />

Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung erhalten von Arbeitslosen weniger<br />

Beiträge als im Falle ihrer Beschäftigung.<br />

1<br />

Martens, Rudolf und Hofmann, Tina (2006): Wahre <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong>.- In: arbeitsdruck, Nr.<br />

43/2006, S. 8-9.


− 2 −<br />

Gesamtfiskalische Ausgaben und Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

<strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong> 2011<br />

Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

Sozialbeiträge<br />

28%<br />

56 Mrd.<br />

Euro<br />

Versicherungsleistung<br />

21%<br />

Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

Steuern<br />

17% Sozialleistung<br />

34%<br />

© Dr. Rudolf Martens / Paritätische Forschungsstelle, Berlin 10-2012<br />

Abbildung 1:<br />

Aufteilung <strong>der</strong> <strong>gesamtfiskalischen</strong><br />

<strong>Kosten</strong> auf zusätzliche<br />

Ausgaben und<br />

Min<strong>der</strong>einnahmen.<br />

Datenquelle: Institut für<br />

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,<br />

2012.<br />

Wahre <strong>Kosten</strong> doppelt so hoch<br />

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung legt regelmäßig detaillierte Berechnungen<br />

zu den <strong>gesamtfiskalischen</strong> <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong> vor. 2 <strong>Die</strong> rund 3<br />

Mio. registriert Arbeitslosen verursachten im Jahre 2011 <strong>Kosten</strong> und Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

in Höhe von 56 Mrd. Euro. Der Ausgabenblock umfasst insgesamt 31 Mrd. Euro<br />

o<strong>der</strong> 55 Prozent <strong>der</strong> <strong>gesamtfiskalischen</strong> <strong>Kosten</strong>. <strong>Die</strong> Min<strong>der</strong>einnahmen sind mit 25<br />

Mrd. Euro und einem Anteil von 45 Prozent aller <strong>Kosten</strong> nicht wesentlich kleiner als<br />

<strong>der</strong> Ausgabenblock. An<strong>der</strong>s ausgedrückt, bei dem ausschließlichen Blick auf die<br />

Ausgaben werden nur etwas mehr als die Hälfte <strong>der</strong> fiskalischen <strong>Kosten</strong> erfasst. <strong>Die</strong><br />

Min<strong>der</strong>einnahmen sind fast so groß wie die Ausgaben und ergeben sich aus geringeren<br />

Sozialbeiträgen und einem niedrigeren Steueraufkommen. <strong>Die</strong> Arbeitslosen führten<br />

16 Mrd. Euro weniger ab an die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie<br />

an die Bundesagentur für Arbeit, dem Fiskus entstanden Steuerausfälle (Einkommensteuer,<br />

indirekte Steuern) von rund 9 Mrd. Euro (Tabelle 1 im Anhang).<br />

<strong>Die</strong> Relation von vermehrten Ausgaben durch <strong>Arbeitslosigkeit</strong> zu Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

wegen <strong>Arbeitslosigkeit</strong> ist ziemlich konstant und bewegt sich zwischen 51 zu 49<br />

Prozent und 57 zu 43 Prozent <strong>der</strong> <strong>gesamtfiskalischen</strong> <strong>Kosten</strong> (im Zeitraum von 2001<br />

und 2011, Abbildung 2).<br />

2 Bach, Hans, Uwe und Spitznagel, Eugen (2012): <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong>. Druck auf öffentliche<br />

Budgets lässt nach. In: IAB-Kurzbericht, 8/2012.


100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Gesamtfiskalische Ausgaben und Min<strong>der</strong>einnahmen <strong>Arbeitslosigkeit</strong><br />

Verhältnis <strong>der</strong> <strong>Kosten</strong>arten 2001 bis 2011<br />

Min<strong>der</strong>einnahmen Sozialbeiträge<br />

Min<strong>der</strong>einnahmen Steuern<br />

Sozialleistungen<br />

Versicherungsleistungen<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

© Dr. Rudolf Martens / Paritätische Forschungsstelle, Berlin 10-2012<br />

− 3 −<br />

Abbildung 2:<br />

Gesamtfiskalische <strong>Kosten</strong><br />

und Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

zwischen 2001 und 2011.<br />

Datenquelle: Institut für<br />

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,<br />

2012.<br />

Verteilung <strong>der</strong> <strong>Kosten</strong> auf unterschiedliche Ebenen<br />

<strong>Die</strong> Bundesagentur für Arbeit trägt 2011 mit fast 18 Mrd. Euro von 56 Mrd. Euro ca.<br />

⅓ und damit den größten Anteil <strong>der</strong> <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong>. Danach ist <strong>der</strong> Bund<br />

mit rund 14 Mrd. Euro dabei und die Kommunen mit immerhin gerundet 7 Mrd. Euro.<br />

Nicht unbeträchtliche Summen entgehen <strong>der</strong> Kranken- und Rentenversicherung mit 4<br />

bzw. 9 Mrd. Euro. 57 Prozent o<strong>der</strong> 32 Mrd. Euro <strong>der</strong> Ausgaben und Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

müssen Bundesagentur und Bund tragen, die restlichen <strong>Kosten</strong> – 43 Prozent<br />

und 24 Mrd. Euro – entfallen auf Län<strong>der</strong>, Gemeinden und Sozialversicherungen.<br />

Bundesagentur für Arbeit<br />

Bund<br />

Län<strong>der</strong><br />

Gemeinden<br />

Krankenversicherung<br />

Rentenversicherung<br />

Pflegeversicherung<br />

0,6<br />

3,9<br />

4,3<br />

6,7<br />

9,1<br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />

in Milliarden Euro<br />

13,9<br />

17,8<br />

Verteilung <strong>der</strong> <strong>gesamtfiskalischen</strong> <strong>Kosten</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong> 2011<br />

© Dr. Rudolf Martens / Paritätische Forschungsstelle, Berlin 10-2012<br />

Abbildung 3:<br />

Verteilung <strong>der</strong> <strong>gesamtfiskalischen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong><br />

auf unterschiedlichegesellschaftliche<br />

Ebenen.<br />

Datenquelle: Institut für<br />

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,<br />

2012.<br />

Durch die Verteilung <strong>der</strong> <strong>gesamtfiskalischen</strong> <strong>Kosten</strong> auf sieben unterschiedliche gesellschaftliche<br />

Ebenen, die sich z. T. auf zusätzliche Ausgaben und Min<strong>der</strong>einnahmen<br />

aufteilen, geraten die wahren <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong> aus dem politischen<br />

Blickwinkel. Bezogen auf alle Arbeitslosen betragen die <strong>Kosten</strong> zwischen 17 bis 19<br />

Tausend Euro pro Jahr (zwischen 2001 und 2011, Tabelle 1, Anhang).


Anhang<br />

Tabelle 1: Gesamtfiskalische <strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong> und weitere statistische Angaben.<br />

Datenquelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB-Kurzbericht 8/2012, Tab. 1, S. 2.<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

absolut in Tausend<br />

Registrierte Arbeitslose 1) 4.219 4.535 4.830 4.812 4.861 4.487 3.776 3.268 3.423 3.245 2.976<br />

ohne Aufschätzung 3.852 4.060 4.376 4.381 - - - - - - -<br />

in Tsd. Euro pro Jahr<br />

<strong>Kosten</strong> pro Arbeitslosen 18,2 18,4 18,9 19,2 18,0 18,3 17,8 17,1 17,5 18,5 18,9<br />

ohne Aufschätzung 18,5 18,9 19,4 19,6 - - - - - - -<br />

Tranferleistung je Arbeitslosen<br />

2)<br />

6,6 6,7 6,8 6,9 6,5 6,7 6,8 6,7 7,2 7,5 7,6<br />

in Milliarden Euro<br />

Gesamtfiskalische <strong>Kosten</strong><br />

insgesamt<br />

76,7 83,7 91,5 92,2 87,7 82,2 67,2 55,9 59,8 60,2 56,4<br />

ohne Aufschätzung<br />

davon:<br />

71,4 76,8 84,7 85,7 - - - - - - -<br />

Versicherungsleistung 3) 22,2 24,1 25,1 24,7 22,2 17,6 12,3 9,0 13,8 14,0 12,1<br />

Sozialleistung 4) 18,2 20,0 21,5 23,3 24,6 25,7 22,7 20,5 20,6 20,2 19,1<br />

Min<strong>der</strong>einnahmen Steuern 14,8 16,1 17,7 17,3 16,2 15,0 12,1 9,8 10,0 10,3 9,5<br />

Min<strong>der</strong>einnahmen Sozialbeiträge<br />

21,5 23,5 27,1 26,9 24,7 23,8 20,1 16,5 15,4 15,7 15,6<br />

Außerdem: Aussteuerungsbetrag/Einglie<strong>der</strong>ungsbeitrag in Mrd.<br />

Euro Mehrausgaben BA/Mehreinnahmen Bund<br />

- 3,7 2,5 1,4 3,3 3,9 4,4 4,0<br />

1) 2001 bis 2004 aufgeschätzt um die Zahl <strong>der</strong> Sozialhilfeempfänger, die in diesen Jahren unter den im Jahr 2005 reformierten Bedingungen als Arbeitslose<br />

aufgetreten wären. Näheres siehe IAB-Kurzbericht Nr. 14/2008, S. 10.<br />

2) Ab 2005: Alg I, Alg II, Aufstockungsbetrag für Alg-I-Empfänger, Zuschlag nach § 24 SGB II, Wohngeld, <strong>Kosten</strong> für Unterkunft und Heizung, Sozialgeld.<br />

Vor 2005: Alg I, Alhi, Sozialhilfe, Wohngeld.<br />

3) Alg-I-Leistung; Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung; ohne Leistungsempfänger nach § 428, 125 und 126 SGB III, Teilnehmer an<br />

Trainingsmaßnahmen und Beauftragung Dritter mit <strong>der</strong> Vermittlung.<br />

4) Alg-II-Leistung; Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung; Aufstockungsbetrag für Alg-I-Empfänger; Zuschlag nach § 24 SGB II; Wohngeld;<br />

<strong>Kosten</strong> für Unterkunft und Heizung; Sozialgeld. Vor 2005 Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und Wohngeld; ohne Leistungsempfänger nach § 65 (4), Teilnehmer<br />

an Trainingsmaßnahmen und Beauftragung Dritter mit <strong>der</strong> Vermittlung.


Dr. Rudolf Martens<br />

Leiter Forschung<br />

PARITÄTISCHE Forschungsstelle<br />

Der PARITÄTISCHE Gesamtverband<br />

Oranienburger Straße 13-14<br />

10178 Berlin<br />

Tel: +49 30-24636-313<br />

Fax: +49 30-24636-130<br />

E-Mail: forschung@paritaet.org<br />

persönlich: rudolf.martens@paritaet.org<br />

Internet: http://www.paritaet.org/<br />

http://www.forschung.paritaet.org<br />

http://www.armutsatlas.de<br />

Redaktionsschluss: 15. Oktober 2012<br />

Zitiervorschlag: Martens, Rudolf (2012): <strong>Die</strong> <strong>gesamtfiskalischen</strong><br />

<strong>Kosten</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitslosigkeit</strong>.- Paritätische Forschungsstelle,<br />

Sachstand 12. Dezember 2012, Berlin<br />

(5 Seiten, 3 Abbildungen, 1 Tabelle)<br />

Geschlechtsneutrale Formulierungen: Soweit dies möglich ist,<br />

werden im Text geschlechtsneutrale Formulierungen gebraucht.<br />

Dennoch wird oft die männliche Form benutzt, dies aus stilistischen<br />

Gründen und wegen <strong>der</strong> besseren Lesbarkeit. Sollen sich<br />

Aussagen spezifisch auf weibliche o<strong>der</strong> auf männliche Personen<br />

beziehen, wird dies beson<strong>der</strong>s erwähnt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!