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Weingut Gantenbein - bei Gantenbein Wein

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Beilage zu<br />

Hochparterre<br />

Nr. X|200X<br />

Verlag<br />

Hochparterre<br />

2 | 2008<br />

<strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>:<br />

Lichtertanz<br />

und Schattenspiel


Impressum<br />

Redaktion: Köbi <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong><br />

Design: Antje Reineck<br />

Produktion: René Hornung<br />

Korrektur: Yasmin Kiss<br />

Verlag: Sybille Wild<br />

Designkonzept: Susanne Kreuzer<br />

Litho: Team media GmbH, Gurtnellen<br />

Druck: Südostschweiz Print, Chur<br />

Fotos: Ralph Feiner<br />

© Hochparterre, Ausstellungsstrasse 25, 8005 Zürich<br />

Herausgegeben vom Verlag Hochparterre,<br />

zu beziehen <strong>bei</strong> verlag@hochparterre.ch, CHF 10.–<br />

www.hochparterre.ch, 044 444 28 88<br />

Umschlagfoto: Das Lichtspiel der Fassade,<br />

gemauert vom Roboter. Davor die Cuvées.<br />

Inhalt<br />

4 Die Geschichte einer Leidenschaft – <strong>Wein</strong>e aus der<br />

Bündner Herrschaft<br />

10 Handwerk und Hightech – ein Spaziergang mit dem<br />

Architekten Daniel Ladner<br />

18 Die steinerne Leichtigkeit – mauern mit dem Roboter<br />

<strong>Wein</strong>, <strong>Wein</strong>bauern, <strong><strong>Wein</strong>gut</strong><br />

Vor einem Vierteljahrhundert haben wir aus der Familie ein <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> in<br />

Fläsch, in der Bündner Herrschaft, übernommen. Wir lernten unser Metier,<br />

begannen mit einem guten Landwein, verbesserten ihn Jahrgang<br />

um Jahrgang und wollten an die Spitze der Winzer. In der Schweiz. Und<br />

darüber hinaus. Nach mehr als zwanzig Jahren und einem langen Weg<br />

ist uns das gelungen. Gewiss, wir haben dafür gear<strong>bei</strong>tet – wir sind aber<br />

auch von der Natur bevorzugt und von Sonne geküsst. Das Terroir, auf dem<br />

wir leben und ar<strong>bei</strong>ten, ist ein gutes Stück Boden für grosse <strong>Wein</strong>e. Die<br />

Böden und das Klima sind günstig, die lange Tradition des im Vergleich<br />

mit anderen Regionen kleinen <strong>Wein</strong>baugebietes ist eine gute kulturelle<br />

Grundlage. Dank Natur und Tradition haben wir und andere <strong>Wein</strong>güter<br />

den Tropfen aus der Bündner Herrschaft zu neuem und weit in die Welt<br />

hinaus strahlendem Namen und Klang verholfen. Gewiss, unser Weg ist<br />

auch getragen von einer Zeit und Gesellschaft, in der es eine rege Neugier<br />

auf Verfeinerungen aller Art gibt. Kenntnisreiche und genussfrohe<br />

Menschen auch für <strong>Wein</strong>, wie wir ihn herstellen.<br />

Wir versuchten mehr aus den guten Voraussetzungen zu machen und<br />

bauten einen Betrieb auf, der heute Pinot Noir, Chardonnay und Riesling<br />

pflegt. <strong>Wein</strong>e, die wir weit über unsere Region hinaus in die Welt verkaufen.<br />

Versehen mit dem Namen <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>, geschrieben auf der Etikette<br />

in der Handschrift des Winzers. Als Zeichen und als Versprechen.<br />

Dies ist die erste Publikation zur Geschichte unseres <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es. Sie erscheint<br />

<strong>bei</strong> Hochparterre, dem Verlag für Architektur und Design. Das hat<br />

einen ersten Grund in unserem letzten, markanten Schritt: Wir wollten<br />

einen Erweiterungsbau mit architektonischem Anspruch. Er muss –<br />

selbstverständlich – unseren über lange Jahre gewonnenen praktischen<br />

Er fah rungen der Ar<strong>bei</strong>t genügen. Ein <strong>Wein</strong>keller ist ein Ar<strong>bei</strong>tsort und<br />

kein Schaustück. Der zweite Grund: Köbi <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> ist Daniels Bruder.<br />

Er ist Hochparterres Chefredaktor, hat uns mit den Architekten bekannt<br />

gemacht und uns nun dieses Heft gerüstet.<br />

Hier wird eine <strong>Wein</strong>­ und eine Architekturgeschichte erzählt. Und eine<br />

Betriebsgeschichte – eine Zwischenbilanz nach 25 Jahren. Das Heft<br />

sagt auch Danke an unsere zahllosen Freunde und Begleiterinnen in der<br />

grossen Gemeinde der <strong>Wein</strong>produzenten und <strong>Wein</strong>trinker, an die Familie,<br />

deren Vater Hitsch uns seit einem Vierteljahrhundert begleitet mit gutem<br />

Rat und vielen Taten. Die Publikation ist auch ein Dank an die Architekten<br />

Valentin Bearth, Andrea Deplazes und Daniel Ladner aus Chur. Wir sind<br />

bauend mit ihnen und zahlreichen guten Handwerkern ein schönes Stück<br />

des Weges gegangen. Sie haben die Welt der guten Architektur mit der<br />

unserer <strong>Wein</strong>e zusammengebracht. Schliesslich loben wir den Fotografen<br />

Ralph Feiner, wie er unser <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> und seine Umgebung derart apart ins<br />

Licht gerückt und abgebildet hat. Martha und Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong><br />

Hochparterre Sonderheft 2|2008<br />

<strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong><br />

3


Die Geschichte<br />

einer Leidenschaft<br />

Text: Andrea Masüger<br />

4 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 5


1<br />

2<br />

Seite 4-5 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> mit Landschaft: das<br />

Fläscher Feld, Matlusch und Fläscherberg<br />

und im Schnee der Falknis.<br />

1 Christian ‹Hitsch› <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>: Das blaue<br />

‹Übergwändli› sagt, dass der Vater vor<br />

seiner <strong>Wein</strong>bauzeit Lokomotivführer war.<br />

2 Martha <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> – die Winzerin.<br />

3 Zeile um Zeile stehen die Reben des<br />

<strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es auf sechs Hektaren in der Ebene<br />

und an den Hängen rund um Fläsch.<br />

3<br />

Martha und Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> führen seit<br />

25 Jahren in Fläsch das <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>, das ihren<br />

Namen trägt. Erfolgreich in der Welt und in<br />

der Region: Wie Angelo Gaja das Piemont,<br />

so haben <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>s die Winzertraditionen<br />

in der Bündner Herrschaft verändert.<br />

Es war Anfang der Neunzigerjahre in einem düs-<br />

teren Café im Burgund. Der <strong>Wein</strong>händler Max Gerstl, die<br />

grosse Bordeaux-Kapazität der Schweiz, und der <strong>Wein</strong>freund<br />

Daniel Kieber, bekennender Burgunder-Fan, redeten<br />

auf Martha und Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> ein: «Ich würde<br />

unbedingt mit dem Filtrieren aufhören.» Die zwei zögerten:<br />

«In der Forschungsanstalt Wädenswil meint man, der<br />

pH-Wert der Schweizer <strong>Wein</strong>e sei zu hoch. Ob das geht?»<br />

Dann dachte Daniel an die <strong>Wein</strong>e, die er vorher ab Fass<br />

degustiert hatte. Bei Méo-Camuzet. Und Martha wusste,<br />

in welchen Keller sie nun steigen würden. Zu Romanée-<br />

Conti. Beide machen göttliche <strong>Wein</strong>e, und <strong>bei</strong>de filtrieren<br />

nicht. Und so hörten auch <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>s damit auf.<br />

Auf solchen Wegen und nach ähnlichen Diskussionen hat<br />

sich auf diesem <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> alles entwickelt. Bestehendes<br />

wurde und wird stets verglichen mit einem Ziel, das noch<br />

in der Ferne liegt. Selten hat die ökonomische Plattitüde<br />

vom Stillstand, der zum Rückschritt führt, so treffend einen<br />

realen Zustand umschrieben. Es gibt seit 1985 kein<br />

Jahr, in dem der <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>’sche <strong>Wein</strong> nicht wieder um<br />

eine Spur über sich hinausgewachsen wäre.<br />

Das Innere<br />

Begonnen haben Martha und Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 1982 mit<br />

dem kommunen Blauburgunder, der in den Achtzigerjahren<br />

zum Standard in der Bündner Herrschaft gehörte: blumig,<br />

fruchtig, hell, etwas dünn, zum schnellen Trinken und<br />

Vergessen gedacht. Martha drängte bald auf Ertragsbegrenzung.<br />

Bereits die Jahre 1988 und 1989 brachten deutlich<br />

dichtere <strong>Wein</strong>e. 1990 – ein Jahrhundertjahrgang fast<br />

auf der ganzen Welt – wurde zum ersten Superstar, begünstigt<br />

durch traumhafte Wetterbedingungen. Die jungen<br />

Winzer gewannen da und dort eine Goldmedaille (über<br />

die sie heute lächeln) und galten schnell als übertrieben<br />

selbstbewusst. «Der <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> macht super <strong>Wein</strong>e, ist<br />

aber ein ‹frecher Siech›», sagte in dieser Zeit der Chefredaktor<br />

einer <strong>Wein</strong>zeitschrift. Was sich von der Masse abhob,<br />

wurde niedergesäbelt, und die Erfolgreichen mussten<br />

sich Arroganz vorwerfen lassen. Die Schweiz wollte<br />

von ihrem biederen Landwein nicht lassen.<br />

Die Besinnung aufs Burgund leitete in die ‹Holzphase›<br />

über. Martha, die skrupulöse Ar<strong>bei</strong>terin im Rebberg, und<br />

Daniel, der Kellertüftler, waren überzeugt, auch am Bündner<br />

Rhein Rotwein in der Qualität eines Gevrey-Chambertin<br />

oder Vosne-Romanée hervorbringen zu können. Dies<br />

bedurfte aber des Einsatzes von Eichenholz. Überlegt im<br />

Konzept, gradlinig in der Ausführung, aber sachte in der<br />

Anwendung (die Dreifaltigkeit der gesamten <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>-<br />

Philosophie übrigens) ging es ans Werk: Die Ernte 1991<br />

wurde nur in grossen Fässern aus deutschem Eichenholz<br />

ausgebaut – und auf Anhieb zum Jahrgangsschlager. Kein<br />

<strong>Wein</strong> der Bündner Herrschaft war in diesem (übrigens sehr<br />

zweifelhaften) Jahrgang derart komplex wie dieser Blauburgunder.<br />

Er landete mühelos auf Rang eins einer grossen<br />

Verkostung der Regionalpresse, die bedeutende Burgunderwinzer<br />

als Juroren eingeladen hatte. ➞<br />

6 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 7


➞ Der Weg war der richtige und wurde konsequent und<br />

in atemberaubenden Jahresetappen weiterentwickelt. Im<br />

Jahr darauf wurde ein Teil der Ernte auch im Barrique ausgebaut;<br />

seit 1993 wird nur noch das Barrique verwendet.<br />

Ab 1995 wurde auch auf die bis dahin in der Schweiz als<br />

sakrosankt geltende Filtration verzichtet. Der 1996er Blauburgunder<br />

ist einer der eindrücklichsten <strong>Wein</strong>e geblieben,<br />

der in Fläsch je produziert wurde. Er muss bis heute<br />

keinen Vergleich mit einem Premier Cru aus dem Hause<br />

Leroy scheuen. Und das war und ist noch nicht alles.<br />

Es folgte die schrittweise Umstellung von den Schwei-<br />

zer Pinot-Noir-Reben (in den Siebzigerjahren vor allem auf<br />

Ertrag gezüchtet) auf Burgunder-Klone, welche edlere,<br />

dichtere und komplexere <strong>Wein</strong>e liefern. Wirtschaftlich wäre<br />

diese enorme Ar<strong>bei</strong>t des Neupflanzens nicht nötig gewesen,<br />

denn die <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>-<strong>Wein</strong>e waren schon damals sehr<br />

rar und sofort ausverkauft. Der Qualitätsanstieg war sofort<br />

evident. Es folgte die Einführung der Kaltmazeration (Herunterkühlen<br />

der Maische während mehrerer Tage, bevor<br />

die Gärung eintritt) und schliesslich, mit dem Kelleranbau<br />

von 2006, die Vergärung im offenen Holzbottich – alles<br />

Massnahmen, welche die Fruchtigkeit und Konzentration<br />

des <strong>Wein</strong>es weiter fördern. Still, fast heimlich, wurde in<br />

dieser Zeit auch die Weissweinpalette kompromisslos auf<br />

Qualität getrimmt. Die eher harmlosen traditionellen Sorten<br />

Riesling x Sylvaner und Weissburgunder wurden aus<br />

dem Angebot gestrichen. Als Pendant zum Pinot Noir gab<br />

es künftig nur noch Chardonnay und – als Hommage an<br />

die grossen Moselweine – Rheinriesling, der auf den mineralischen<br />

Fläscher Böden besonders gut gedeiht.<br />

Das Äussere<br />

Lange kümmerten sich Daniel und Martha nur um das, was<br />

in den Flaschen drin ist. Seit 1998 pflegen sie auch das<br />

Äussere. Sie füllten den Rotwein nicht nur in eine schwere<br />

Burgunderflasche ab, sie kreierten auch ein neues Etikettenkonzept<br />

mit klaren Farblinien. Der Blauburgunder heisst<br />

seither Pinot Noir – ein klares Bekenntnis und Signal, zum<br />

Burgund aufgeschlossen zu haben.<br />

Zum Äusseren gehört auch der Keller. Früher wickelten<br />

sie den Betrieb in einem kleinen, engen und unpraktischen<br />

Bauernkeller in der Dorfmitte ab. 1996 zogen sie<br />

in den Neubau ausserhalb des Dorfes, ein auf die neuen<br />

Bedürfnisse und Qualitätsansprüche zugeschnittenes<br />

Gebilde ohne grosse architektonische Ambitionen. Erste<br />

Ansätze zu ästhetischen Kombinationen und Ausdrucksformen<br />

dachten die <strong>Wein</strong>bauern fast ohne Fremdhilfe aus<br />

und setzten sie um. Die <strong>Wein</strong>e konnten nun so schonend<br />

wie möglich verar<strong>bei</strong>tet werden; sie wurden <strong>bei</strong>spielsweise<br />

nicht mehr gepumpt, sondern nur noch durch Schwerkraft<br />

bewegt. Manchmal dachte man unwillkürlich, wenn<br />

man durch den neuen Keller schritt und Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>s<br />

Ausführungen lauschte, dass dieses Winzerpaar<br />

ihre <strong>Wein</strong>e hätschelt und pflegt wie die eigenen Kinder.<br />

2006 schliesslich weihten sie den Ausbau des Kellers ein.<br />

Eine überaus grosszügige Erweiterung des ersten Kon-<br />

1 Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>, der Winzer, stösst<br />

mit Gespür die Maische des Pinot Noir in<br />

einer Cuvée aus Eichenholz.<br />

2 Vornehm leuchtet es im Keller, wo der<br />

Chardonnay in Eichenfässchen reift.<br />

3 Riesling, Chardonnay und Pinot Noir sind<br />

die drei Sorten des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es.<br />

1<br />

2<br />

zepts, dieses Mal ein Wurf der Architekten Bearth, Deplazes<br />

und Ladner. Nunmehr ist gleichsam <strong>bei</strong>des auf dem<br />

Höhepunkt angelangt – die mittlerweile auch international<br />

hochgelobten <strong>Wein</strong>e aus dem kleinen Fläsch einerseits<br />

und der Rahmen ihrer Entstehung andererseits. Der stolze<br />

<strong>Wein</strong> hat damit in seiner Erzeugungs- und Entstehungsstätte<br />

eine kongeniale Entsprechung gefunden.<br />

Die Umwelt<br />

All dies wäre nicht möglich gewesen, wären Martha und<br />

Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> nicht von dieser kompromisslosen<br />

önologischen Wahrheitssuche beseelt, die aus ihnen fast<br />

zwangsläufig auch wissbegierige Globetrotter gemacht<br />

hat. Es gibt kaum ein <strong>Wein</strong>gebiet auf diesem Planeten,<br />

das von ihnen nicht nur besucht, sondern auch bis in den<br />

hintersten Winkel erforscht worden wäre. Im Piemont besitzen<br />

sie ein Haus, dessen angrenzende Reben von Elio<br />

Altare bewirtschaftet werden. Sie werden in Fläsch besucht<br />

von ihren Freunden Ernst Loosen und Gerhard Kracher.<br />

Ab und zu meldet sich hier auch der Winzer Paul<br />

Draper (Ridge) zur Degustation an, und sein Kollege Luciano<br />

Sandrone möchte mit den Schweizer Kollegen ein<br />

paar Flaschen des jeweils neues ten Jahrgangs austauschen.<br />

Das Burgund gehört logischerweise ins jährliche<br />

Besuchsprogramm, ebenso wie das Bordelais und das<br />

nördliche und südliche Rhônetal. Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> organisiert<br />

mit zwei Freunden das Internationale Weltweinfestival<br />

in Bad Ragaz und pflegt damit die Kontakte mit allen<br />

bedeutenden Winzerinnen und Winzern der Welt, die ihn<br />

und Martha selbstverständlich ins grosse Herz der internationalen<br />

Gemeinschaft geschlossen haben.<br />

Bisweilen werden Daniel und Martha auch ein bisschen<br />

von der eigenen Vergangenheit eingeholt. Etwa dann,<br />

wenn sie erfahren, dass der Winzerkollege X in der Nachbargemeinde<br />

Y nun auch auf Burgunder-Klone umgestellt<br />

habe. Oder wenn sie vom Nachbar Z, der einst das Lob<br />

des Stahltanks gesungen hatte, einen Barriquewein vorgesetzt<br />

bekommen. Sie waren zwar nicht die Ersten, die<br />

solche Verfahren erprobten, aber sie haben sie konsequent<br />

umgesetzt, wenn sie einmal von deren Güte überzeugt<br />

waren. Der eine oder andere Kollege versuchte es<br />

auch mit ihrem in der Anfangszeit schnell berühmt gewordenen<br />

und zu Wahnsinnspreisen versteigerten Strohwein<br />

(gewonnen nach der Technik des Amarone). Ihr Strohwein<br />

war damals übrigens ein ausgezeichnetes Marketinginstrument,<br />

mit dem sich das Qualitätsstreben bestens dokumentieren<br />

liess. Seit 1995 eine Palette von Botrytis-Süssweinen<br />

das <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> verliess, ist es Mode<br />

geworden, dass Winzer in dieser Gegend mit Beerenauslesen<br />

und Ähnlichem hantieren.<br />

Ihre Situation ist manchmal vergleichbar mit dem Piemont,<br />

das im Windschatten des Wegbereiters Angelo Gaja<br />

einen grossflächigen Aufschwung erlebt hat. Seit Daniels<br />

und Marthas sensationellem 1990er Blauburgunder hat<br />

das ganze <strong>Wein</strong>baugebiet der Bündner Herrschaft enorme<br />

Qualitätsfortschritte gemacht. Nicht nur die zwei Pioniere,<br />

sondern auch <strong>Wein</strong>häuser wie das von Thomas Donatsch,<br />

Thomas Studach oder Daniel Marugg stehen für<br />

diesen Aufschwung zu hoher <strong>Wein</strong>kultur. Die <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>s<br />

gehen ihren Weg weiter. Was werden sie wohl auf ihrer<br />

nächsten Reise mit Max Gerstl und Daniel Kieber im düsteren<br />

Café im Burgund besprechen? •<br />

Autor Andrea Masüger ist Direktor der Südostschweiz Presse AG und Chefredaktor der<br />

‹Südostschweiz›. Er lebt und ar<strong>bei</strong>tet in Chur.<br />

3<br />

Kauffrau und Maschinenschlosser<br />

Begonnen haben Daniel und Martha<br />

<strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 1982, als sie das <strong><strong>Wein</strong>gut</strong><br />

von Marthas Eltern Leonhard und<br />

Anna Kunz übernommen haben. Sie<br />

war ausgebildete Kauffrau und hatte Kurse<br />

an der <strong>Wein</strong>fachschule Wädenswil<br />

besucht. Daniel, der Bub eines Bähnlers,<br />

war von Kindes<strong>bei</strong>nen an fasziniert<br />

vom <strong>Wein</strong>berg- und Kellertreiben. In Malans,<br />

wo er aufgewachsen war, lernte<br />

er schon als Schulbub erste Schritte seiner<br />

Leidenschaft im <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> Fromm.<br />

Nach der Ausbildung zum Maschinenmechaniker<br />

besuchte auch er in<br />

Wädenswil Kurse zur <strong>Wein</strong>bereitung.<br />

Die zwei waren knapp über zwanzig Jahre<br />

alt, als sie ihren ersten <strong>Wein</strong> in<br />

Fla schen abfüllten. Heute bauen Martha<br />

und Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> sechs Hektaren<br />

an, davon fünf mit Pinot Noir, eine knappe<br />

Hektare mit Chardonnay-Trauben<br />

und zwanzig Aaren mit Rheinriesling. Das<br />

ergibt alles in allem – und je nach<br />

Jahr – zwi schen 25 000 und 30 000 Flaschen.<br />

Nebst den drei <strong>Wein</strong>en wird<br />

in der Brennerei des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es jeweils<br />

im Dezember von Christian ‹Hitsch›<br />

<strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> und seinem Assistenten<br />

Heinz ‹Ginger› Vetsch der Marc gebrannt,<br />

der danach für zehn Jahre in Eichenfässern<br />

reifen muss.<br />

Die <strong>Wein</strong>e werden in der Schweiz an langjährige<br />

private Kunden und in die<br />

Spitzengastronomie abgesetzt und an<br />

aus gewählte <strong>Wein</strong>händler wie Gerstl<br />

<strong>Wein</strong>selektionen Dietikon und Martel in<br />

St. Gallen verkauft; 35 Prozent werden<br />

exportiert nach Belgien, Dänemark,<br />

Deutschland, England, Italien, Österreich,<br />

Russland, Spanien, Südkorea und<br />

in die USA. Und wer in der ‹Gramercy<br />

Tavern› in New York oder im ‹Square› in<br />

London nicht weiss, was er trinken<br />

soll, kann dem Sommelier einfach sagen:<br />

«<strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>!» GA<br />

8 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 9


Handwerk und<br />

Hightech<br />

Text: Köbi <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong><br />

10 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 11


1<br />

2<br />

Seiten 10-11 Der Festraum und der Blick<br />

durch raumhohe Glasscheiben übers<br />

Bündner Rheintal in den Horizont auf das<br />

Panorama des Hochwang.<br />

1-2 Ein exquisites Raumerlebnis: die helle<br />

Treppe, in kräftigem Blau gefasst, führt in<br />

den dunklen Keller hinab.<br />

3-4 Im Festraum gibt es Platz für 24 Gäste.<br />

Sie tafeln unter dem Baldachin, dessen<br />

Rebendessin auf den Maschinen der Création<br />

Baumann entstand.<br />

3<br />

4<br />

Der Blickfang des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es ist die vom<br />

Roboter gemauerte Fassade. Sie verkündet,<br />

was die <strong>Wein</strong>bäuerin, den <strong>Wein</strong>bauern,<br />

ihren Betrieb und den Bau prägt: Neugier<br />

auf technische Avantgarde und Respekt<br />

vor gutem Handwerk. Ein Besuch mit dem<br />

Architekten Daniel Ladner.<br />

Der Architekt Daniel Ladner, Partner <strong>bei</strong> Bearth<br />

& Deplazes Architekten in Chur, steht im Hof des<br />

<strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es, der eingefasst ist vom alten Torkel, der Remise<br />

und dem Neubau des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>. «Der Massstab<br />

und Ausgangspunkt des Weiterbaus ist der Altbau.<br />

Ein Entwurf von Daniel und Martha <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>, gerechnet<br />

von einem Ingenieur-Onkel, gebaut von einem Baumeister.<br />

Ein Haus und eine Remise im rechten Winkel dazu<br />

stehen auf einem grossen, betonierten Keller. Mauern aus<br />

Sandstein; steiles Dach, gedeckt mit Welleternit. Uns Architekten<br />

hat der Charme der unmittelbaren Nützlichkeit<br />

dieser rustikalen Architektur fasziniert. Er prägt die Anlage,<br />

ihre Raumfolgen und Abläufe. Und er reicht bis ins De-<br />

tail. Ein Beispiel für die kluge Brauchbarkeit ist der Lift, den<br />

Heinz ‹Ginger› Vetsch, ein Freund der Familie, besorgte.<br />

Der alte Bettenlift aus einem Spital verbindet das Keller-<br />

mit dem Erdgeschoss. Beispiel für die alltägliche Schönheit<br />

des Brauchens sind auch die Handläufe und Geländer.<br />

Die Raumfolge ruht auf der Erfahrung: Was muss ein Raum<br />

können, damit mit wenig Aufwand aus <strong>Wein</strong>trauben <strong>Wein</strong><br />

wird? Die Bauherren wussten das präzise auch für die Erweiterung<br />

des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es. Sind andere <strong>Wein</strong>güter wahre<br />

Ausstellungen von Maschinen, so fasziniert mich hier, mit<br />

wie wenig Apparatur dieser Betrieb auskommt.»<br />

Roh mit veredelnden Details<br />

Daniel Ladner steht in der neuen Säulenhalle unter der betonierten<br />

Bodenplatte des Hofs und sagt: «Ein gutes Haus<br />

ruht auf dem Wissen des Bauherrn.» Andersherum bedeute<br />

dies, «dass unsere Aufgabe als Architekten darin besteht,<br />

dieses Wissen in Raum und Stimmung umzusetzen,<br />

es zu verfeinern oder auch mit Überraschungen zu antworten».<br />

Die Ambiance des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es ist feierlich, beschwingt<br />

und heiter. Es gibt keinen Unterschied zwischen<br />

Werktags- und Sonntagsräumen. Unten auf der Bodenplatte<br />

schwinge die Stimmung «schon fast sakral», urteilt Ladner,<br />

«deshalb sage ich diesem Raum auch nicht Keller,<br />

sondern eben Säulenhalle. Hier führen wir eine Etüde der<br />

Kontraste auf: roh der Beton und der Kalksandstein, veredelnd<br />

die preziösen Details, zum Beispiel die Fugen an der<br />

Mauer oder die Art, wie das ovale Treppenhaus mit einer<br />

rund geschwungenen Türe geschlossen ist.»<br />

Die Pilzsäulen sind Deckenträger, Wasserkanäle und Theaterschauspieler.<br />

Als Träger hat sie der Ingenieur Jürg<br />

Buchli aus Haldenstein berechnet. Als Kanäle führen sie<br />

das Wasser vom Hof ab. Als Schauspieler sind die konischen<br />

Säulen prägnant markiert, mit einem kleinen<br />

Rand als Übergang vom Pilz zur Decke. Strahlend weiss,<br />

angestrahlt vom in den schwarzen Boden eingelassenen<br />

Licht, führen sie ihr Spektakel auf. Das Interieur des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es<br />

ist ein Beispiel, wie günstig Farbe als Gestaltungsmittel<br />

des Architekten ist. Fünf Proben waren allerdings<br />

nötig, bis das Bordeauxrot gefunden war, das nun edel<br />

und warm an der Decke des Kellersaals leuchtet. Im benachbarten<br />

Weissweinkeller wechselt das warme Rot in ➞<br />

12 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 13


1<br />

Die Beteiligten<br />

--› Bauherrschaft: Martha und Daniel<br />

<strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>, Fläsch<br />

--› Architektur: Bearth & Deplazes<br />

Archi tekten, Chur / Zürich; Valentin<br />

Bearth, Andrea Deplazes, Daniel<br />

Ladner<br />

--› Architektur Fassade: Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />

mit Gramazio & Kohler Architekten,<br />

Zürich<br />

--› Fabrikation Fassade: Architektur und<br />

Digitale Fabrikation, ETH Zürich<br />

--› Industriepartner: Keller Ziegeleien,<br />

Pfungen<br />

--› Ingenieur: Jürg Buchli, Haldenstein<br />

--› Baumeister: Zindel, Maienfeld<br />

--› Dach: Burkhardt, Maienfeld<br />

--› Bodenleuchten: Zumtobel Staff,<br />

Zürich<br />

--› Holzbau: Stocker, Fläsch<br />

--› Maler: Andreoli, Trimmis, Johann<br />

Csögl, Chur<br />

--› Schlosser: Roffler, Klosters<br />

--› Schreiner: Gasser, Haldenstein<br />

--› Tapeten: Hurter, Winterthur; Berlin<br />

Tapeten, Haan-Gruiten (D)<br />

--› Vorhänge: Création Baumann, Langenthal<br />

--› Elektriker: EW, Bad Ragaz<br />

--› Auftragsart: Direktauftrag, 2005<br />

3 4<br />

Querschnitt Längsschnitt<br />

Die Pläne<br />

1 Altes <strong><strong>Wein</strong>gut</strong><br />

2 Neubau<br />

3 Säulenkeller<br />

4 Lift<br />

5 ovale Treppe<br />

6 Cuvéerie<br />

7 Gästeraum<br />

8 Lounge der Wirtschaft ‹à table›<br />

9 umlaufen der Balkon<br />

10 Reifekeller für den Pinot Noir<br />

11 Ar<strong>bei</strong>tsraum UG<br />

12 Warenlift<br />

13 Kühlkeller<br />

14 Reifekeller für den Weisswein<br />

15 Spedition<br />

16 Stahltor zur Strasse<br />

17 Ar<strong>bei</strong>tsraum EG<br />

18 Labor<br />

19 Remise<br />

20 Platz<br />

21 Küche<br />

22 Lager und WC<br />

9<br />

2 2<br />

8<br />

6 6<br />

10<br />

9<br />

8<br />

14<br />

21<br />

3<br />

7<br />

3<br />

13 15<br />

4<br />

16<br />

5<br />

Untergeschoss Erdgeschoss Obergeschoss<br />

14 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 15<br />

Schnitt Treppe<br />

11 17<br />

OG<br />

Detail Treppe UG<br />

EG<br />

Detail Dachkonstruktion<br />

5 5 5<br />

4<br />

12 18<br />

4 4<br />

12<br />

19<br />

20<br />

6<br />

1<br />

7<br />

21<br />

8<br />

9<br />

22


➞ den ocker gestrichenen Lehmputz. Im Treppenhaus<br />

folgt das intensive Hellblau, das als Farbe auf Etiketten<br />

und Kapseln den Blauburgunder markiert. Die Mauern des<br />

Daches schliesslich schimmern zwischen olive und gelbgrün<br />

wie die Etikette des Rieslings. Die Farbe war zwar<br />

Sache der Architekten, doch auch hier konnten sie sich<br />

auf die präzise Kritik der <strong>Wein</strong>bäuerin stützen. Schluss war<br />

erst, als Martha sprach: «So ist es nun gut.»<br />

Licht und Schatten<br />

Jetzt steht Daniel Ladner im Erdgeschoss des Neubaus,<br />

in der Cuvéerie. Es ist später Nachmittag im Herbst. Hier<br />

stehen Fässer in Reih und Glied in einem grossen Saal, beleuchtet<br />

vom Schattenspiel, das das Sonnenlicht mit den<br />

Zwischenräumen der Fassadenziegel aufführt – jeden Tag,<br />

jede Stunde anders. Ladner erklärt: «Das Raumprogramm<br />

bildet die Ar<strong>bei</strong>t ab, und die hat eine wichtige Produktionsbedingung:<br />

Jeder Ar<strong>bei</strong>tsgang findet einmal statt. Der<br />

<strong>Wein</strong> wird einmal gekeltert, einmal gepresst, einmal in<br />

Flaschen gezogen, und in einem Ar<strong>bei</strong>tsgang werden alle<br />

Bestellungen auf einmal ausgeliefert. Das bedeutet: Jeder<br />

Ar<strong>bei</strong>tsgang braucht seinen Raum. Einmal jährlich.»<br />

In der Cuvéerie gärt einmal im Jahr der <strong>Wein</strong> in offenen<br />

Eichenfässern und braucht dafür präzise klimatische Bedingungen.<br />

Nachher ruht der Raum für ein Jahr. Auch hier<br />

setzten die Architekten das Rohe gegen das Verfeinerte.<br />

Roh die Betondecke oder die Innenfassade aus dem Industriehalbzeug<br />

Polycarbonat. Verfeinert die Licht- und<br />

Schattenspiele durch die Fassade. Dazu die Fassungen für<br />

die Polycarbonatplatten, die der Schlosser Urs Roffler aus<br />

Klosters mit Millimetertoleranz platzierte.<br />

Verfeinert, ja feierlich ist das Kunstlicht: Sechs Kronleuchter<br />

hängen an der Decke. Grosse, runde Töpfe; je ein<br />

schwarzer Blechgurt hält jede Leuchte zusammen, lichtbrechendes<br />

Glas schliesst die Unterseite ab. Durch hunderte<br />

Löchlein schimmert das Licht aus Sparleuchten in<br />

die Halle. Genug für die Ar<strong>bei</strong>t und stimmungsvoll, wenn<br />

die Cuvéerie vier-, fünfmal im Jahr zum Festsaal wird. «Wie<br />

andere Details haben wir Architekten auch diese Leuchten<br />

entworfen und auch hier mit Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>s Vater<br />

Hitsch zusammengear<strong>bei</strong>tet, der die Prototypen baute<br />

und mechanische Lösungen erfunden hat.» Für Daniel<br />

Ladner ist faszinierend und berührend, wie dieser Handwerkskönner<br />

mit seinem Rat und seiner Erfahrung das<br />

Werden des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es seit vielen Jahren begleitet.<br />

Handwerk und Hightech<br />

Als nächstes führt uns der Architekt ins Treppenhaus,<br />

das nebst einem Lift die Geschosse erschliesst. Ein spezieller<br />

Raum: Im Oval schwingt die Treppe nach oben, abgeschlossen<br />

von einem stählernen Geländer, das Jakob<br />

‹Jäggi› Hartmann in kühner Geometrie geschlossert hat.<br />

Intensive Farbigkeit auch hier: das Blau der Etiketten, beleuchtet<br />

von einem Neonband unter dem Handlauf. Und<br />

über einen kleinen Vorhof treten wird in den Festraum<br />

1 Die Lounge, tapeziert mit Blatt-Motiven<br />

einer Buche. Sessel von Le Corbusier,<br />

Sternenlaternen von Bearth & Deplazes.<br />

2 Der Säulenkeller ist ein Ar<strong>bei</strong>tsort. Er<br />

lässt sich aber, dank Farben und Licht, auch<br />

festlich einkleiden.<br />

3 Doris und Roland Kalberer, Gastgeberin<br />

und Koch von ‹à table›, einer Wirtschaft, die<br />

nur auf Bestellung öffnet.<br />

1<br />

2<br />

und setzen uns an den langen Tisch unter dem Dach: «Ein<br />

Haus braucht ein Dach. Der Neubau ist, wie der Altbau,<br />

mit Welleternit gedeckt. Die Stahlbinder, die einen halben<br />

Meter eternitlos in die Luft reichen, lassen das Dach wie<br />

einen aufgespannten Schirm erscheinen.»<br />

Hier führen Doris und Roland Kalberer eine Gastwirtschaft<br />

auf hohem Niveau (siehe ‹à table›). Hier wird die Veredelung<br />

kulinarisch zelebriert. Riesige Schiebefenster holen die<br />

Reblandschaft und den Berghorizont in den Raum. Im<br />

Sommer ist der Festraum eine Terrasse, im Winter wird er<br />

zu einem Zelt – hinter den Glasscheiben Vorhänge, die<br />

passgenau an der Naht in die textile Deckenverkleidung<br />

übergehen. Hellgraues Braun und dunkles Weiss. Ladner<br />

weist erneut auf einen Kontrast hin: «Im Festraum und der<br />

angrenzenden Lounge spielten wir wieder damit, als Kontrast<br />

von Handwerk und hoher Technologie.» Handwerkliche<br />

Meisterstücke sind die zwei je drei Meter langen<br />

Tische aus piemontesischem Nussbaum, gefertigt von Lorenz<br />

Gasser, oder die betonierte Küche mit Tisch und Tablaren<br />

wie die eines Möbels. «Exquisites Handwerk», sagt<br />

der Architekt, der einst Maurer gelernt hat.<br />

Technologische Meisterstücke sind die Textilien für die<br />

Vorhänge und das unter der Decke hängende Zeltdach.<br />

Ralph Feiner fotografierte Reben, Bearth & Deplazes bear<strong>bei</strong>teten<br />

die Bilder und schickten das abstrahierte Ornament<br />

der Weberei Création Baumann nach Langenthal.<br />

Dort setzten die Designer und die Techniker Johannes Lehner<br />

und Christian Brunner die Motive mit zwei Garnen so<br />

um, dass die Muster ausgespart bleiben, was einen faszinierenden<br />

Effekt ergibt. Ein Hightech-Musterstück deckt<br />

auch die Wände in der benachbarten Lounge. Daniel Ladner<br />

schildert, wie es entstand: «Wir legten Blätter einer<br />

Buche auf ein Papier, scannten es ein und bear<strong>bei</strong>teten es<br />

am Computer. Jörg Caspar von der Manufaktur Berlin Tapeten<br />

fabrizierte daraus diese Wandverkleidungen.»<br />

Die Bauherren ermuntern<br />

Valentin Bearth, Andrea Deplazes und Daniel Ladner sind<br />

als Dreierseilschaft und Partner seit gut einem Dutzend<br />

Jahren als Bearth & Deplazes Architekten unterwegs. Als<br />

Autoren wirken alle drei miteinander, denn auch in der<br />

Architektur gilt: Das Ganze ist mehr als die Summe der<br />

einzelnen Teile. Je nach Bauaufgabe und Bauherrschaft<br />

verschieben sie die Gewichte. Der Bauherr Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong><br />

staunte: «Was wessen Idee war, wusste ich nie.» Das<br />

Abenteuer mit dem Maurerroboter wäre ohne Andrea Deplazes,<br />

ohne dessen Leidenschaft und professorale Beziehungen,<br />

undenkbar. Er zündete die Idee und brachte mit<br />

Gramazio & Kohler die Lösung. Valentin Bearth, der zweite<br />

Professor, brachte intellektuellen Schwung. «Er stellte<br />

kluge Fragen und öffnete uns mit seinem Wissen um das<br />

Schöne immer wieder die Augen», so Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>.<br />

«Nahe und intensiv zu tun hatten wir mit Daniel Ladner»,<br />

so das Resümee von Martha <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>: «Er sorgte dafür,<br />

dass unsere Ideen und Improvisationen mit denen der drei<br />

Architekten auf dem Bauplatz passgenau realisiert wurden.<br />

Und er sorgte dafür, dass uns auf der abenteuerlichen<br />

Fahrt Lust und Freude nicht verloren gingen. Er erläuterte,<br />

vermittelte, hielt das Geld zusammen und machte<br />

Mut. Die <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong>s erinnern sich an manchen Dialog,<br />

der jeweils so lief: «Martha, das müssen wir wagen. Das<br />

wird sich lohnen. Daniel, ich weiss, dass es gut herauskommt,<br />

auch wenn ich noch nicht weiss, wie.» •<br />

Köbi <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> (GA) ist Hochparterres Chefredaktor und der Bruder des <strong>Wein</strong>bauern.<br />

16 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 17<br />

3<br />

à table<br />

Der Festraum unter dem Dach heisst ‹à<br />

table›. Im Sommer Terrasse in den<br />

Reben, im Winter ein Zelt. Hier wirken<br />

Doris und Roland Kalberer. Sie als<br />

Gastgeberin und Chef de Service, er als<br />

Gastgeber und Koch. Roland Kalberer<br />

gehört zur Garde der Spitzenköche in der<br />

Schweiz. Sein eines Stand<strong>bei</strong>n hat er<br />

als Entwicklungsküchenchef in der Lebensmittelindustrie.<br />

Sein anderes<br />

ist ‹à table›. Kalberers kochen und servieren<br />

nur auf Anfrage. Dafür ganz<br />

und gar auf Mass. Der Festraum bietet<br />

Platz für 24 Gäste an einem langen<br />

Tisch, die angrenzende Lounge ist ausgerüstet<br />

mit Leinwand, Beamer und<br />

so weiter, damit – wer will – vor der Speisung<br />

Belehrung treiben kann, in<br />

einer Sitzung oder einem Seminar. Und<br />

nach Speis und Trank kann man hier<br />

versinken in den Polstersesseln.<br />

Reservationen: 079 719 41 74; a-table@bluewin.ch


Die steinerne<br />

Leichtigkeit<br />

Text: Roderick Hönig<br />

18 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 19


Von weither schimmert eine Fassade in<br />

den <strong>Wein</strong>bergen. Aus der Mauer springen<br />

Figuren, ein Spiel aus Licht und Schatten.<br />

Jeder Ziegel steht versetzt über dem unteren.<br />

Gemauert hat die Wände des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es<br />

<strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> der Maurerroboter.<br />

Die Aufgabe war einfach und klar: Neben der<br />

alten Kellerei des <strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> sollte eine Gärhalle<br />

für zwölf neue Kelterbehälter entstehen, eine Cuvéerie.<br />

Darüber ein Degustierlokal. Darunter im Keller Räume<br />

für die Konfektion der <strong>Wein</strong>flaschen. Schon früh war klar,<br />

die Erweiterung wird ein zweistöckiger Beton skelettbau,<br />

dessen sichtbare Stützen und Deckenstirnen die Architekten<br />

Bearth & Deplazes mit Kalksandsteinen ausfachen<br />

wollten. So wie man es zum Beispiel von den Bauernhöfen<br />

in der Lombardei kennt. Die Lochung der Steine wollten<br />

sie nach aussen drehen, damit Licht einströme. Doch die<br />

ersten Versuche, die Lichtwirkung im Innenraum mit der<br />

Aussenansicht und der Innentemperatur von nicht mehr<br />

als 20 Grad im Sommer und nicht weniger als 0 Grad im<br />

Winter unter einen Hut zu bringen, befriedigten nicht. Das<br />

war im Winter 2006. Was tun?<br />

Der Roboterzufall<br />

Just zu dieser Zeit sah Andrea Deplazes, Architekt und<br />

ETH-Professor, die ersten Mauerelemente, die Studenten<br />

des Lehrstuhls für Architektur und Digitale Fabrikation am<br />

Computer entworfen hatten. Zusammengefügt hatte sie<br />

der nagelneue Industrieroboter in der Fabrikationshalle<br />

auf dem Campus Hönggerberg in Zürich. Deplazes lud<br />

Fabio Gramazio und Matthias Kohler, seine jungen Assistenzprofessoren<br />

für Digitale Fabrikation, ein, fürs <strong><strong>Wein</strong>gut</strong><br />

die Fassadenelemente zu entwickeln. Das Angebot für den<br />

ersten Praxistest des Roboters war verlockend, aber die<br />

zeitliche Herausforderung enorm: Vom ersten Gespräch im<br />

März bis zur Einpassung der Fassade im Juli blieben nur<br />

vier Monate. Bauherr Daniel <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> war bereit, sich<br />

auf das Experiment einzulassen, «unter der Bedingung,<br />

dass die neuartige Fassade uns nur so viel kosten darf, wie<br />

ich für eine konventionell gemauerte zu bezahlen hätte».<br />

Er forderte zudem solide Garantien gegen Wind, Wetter<br />

und die strikte Einhaltung der Termine: «Die Ernte 2006<br />

muss unter allen Umständen hier eingebracht werden.»<br />

Klebstoff statt Mörtel<br />

Zusammen mit den Architekten Bearth, Deplazes und Ladner<br />

entwarfen Fabio Gramazio und Matthias Kohler während<br />

der Semesterferien die 300 Quadratmeter grosse Fassade.<br />

Sie schrieben das Steuerungsprogramm, nach dem<br />

der Roboter die Klinkersteine zu 72 Wandelementen vermauern<br />

sollte. Die Hochschule gewann Christian Keller<br />

von den Keller Ziegeleien in Pfungen als Industriepartner,<br />

der erheblich Geld in die Hände zu nehmen hatte und<br />

Ideen und Risiken nicht scheuen durfte. Die Ziegelfabrik<br />

ist eine der wenigen, die nicht zu einem der grossen Bauzuliefer-Konzerne<br />

gehört. Ihre Ingenieure und die Professoren<br />

entwickelten eine rudimentäre Produktionsstrasse.<br />

Denn bis anhin waren die Mauern der Studenten Einzelanfertigungen<br />

– weit entfernt von der Serienproduktion.<br />

Ein weiterer Knackpunkt war die Verbindung der einzelnen<br />

Steine. Da der Roboter nicht mit Mörtel und Kelle<br />

mauern kann, sollten die Steine mit einem Klebstoff von<br />

Sika aufeinandergeleimt werden. Im April fanden die ersten<br />

Belastungstests statt. Sie verliefen gut – es stellte sich<br />

sogar heraus, dass die geklebten Mauern gegenüber den<br />

gemörtelten auch auf Biegung belastbar waren. Anfang<br />

Juni fiel der Entscheid, in Serie zu gehen. Im Juni und<br />

Juli mauerte der Roboter während zehn Stunden am Tag je<br />

vier Elemente: ein Betonstreifen, darauf Ziegel um Ziegel,<br />

jeder ungleich auf dem anderen, so wie es das Programm<br />

befahl. Fast alles lief wie am Schnürchen, nur wenige Male<br />

ratterte die Maschine in die Mauer, und die Ziegel purzelten<br />

übereinander. Ein Lastwagen fuhr die 4 x 1,5 Meter<br />

grossen Mauerteile nach Fläsch. Nachdem die Ar<strong>bei</strong>ter<br />

die Elemente mit dem Kran ins Betonskelett eingesetzt<br />

hatten, fachten sie die Gärhalle von innen mit farblosen<br />

und transparenten Polycarbonat-Stegplatten aus. So erreicht<br />

die Fassade einen Dämmwert von 1,45 W / m²K, etwas<br />

weniger als ein Isolierfenster.<br />

Mauern in Science-Fiction<br />

Das ‹Prinzip programmierte Mauer›, wie Gramazio und<br />

Kohler ihre Entwicklung nennen, ist weniger kompliziert,<br />

als es scheint. Denn jede mit Backsteinen aufgebaute<br />

Wand gehorcht einfachen, mathematisch fassbaren Regeln.<br />

Das Programm für ein einzelnes Wandelement des<br />

<strong><strong>Wein</strong>gut</strong>es hat auf einer halben A4-Seite Platz. Da es für<br />

den Roboter im Unterschied zum Maurer keine Rolle spielt,<br />

in welchem Winkel er einen Backstein ablegt, bietet die<br />

Maschine neue gestalterische Freiheiten. Fürs <strong><strong>Wein</strong>gut</strong><br />

entwarfen die Architekten am Computer einen Abdruck,<br />

der so wirkt, als hätten überdimensionale Trauben auf der<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4 7<br />

Aussenhaut der Gärhalle ihre Abdrücke hinterlassen. Das<br />

dreidimensionale Fassadenbild spielt die ganze Bandbreite<br />

der Möglichkeiten zwischen Muster und Transparenz<br />

durch. Faszinierend ist der optische Effekt der Mauern:<br />

Im Verbund übernimmt der einzelne Stein eine ähnliche<br />

Funktion wie der Rasterpunkt einer gedruckten Fotografie.<br />

Dadurch verändert sich das Bild je nach Abstand des<br />

Betrachters. Das Relief erscheint ausserdem je nach Blickwinkel<br />

anders und unterschiedlich transparent. So entsteht<br />

eine vielfältige Nah- und Fernwirkung.<br />

Obwohl Roboter schon lange eine wichtige Rolle <strong>bei</strong> der<br />

Herstellung von allerlei Produkten spielen, erinnert es<br />

doch an einen Science-Fiction-Film, wenn die Maschine<br />

mit dem 3 Meter langen Greifarm auf ihrer 7 Meter langen<br />

Schiene hin- und her fährt. Die Roboterhand ergreift einen<br />

Stein, streicht Klebstofflinien in exakter Länge und im<br />

spezifischen Winkel auf seine Unterseite, dreht ihn in die<br />

berechnete Lage und setzt ihn an der festgelegten Stelle<br />

in der Ausrichtung ab, die Gramazio und Kohler vorab am<br />

Computer modelliert haben. Der Roboter verlegt alle 15<br />

Sekunden einen Stein, was der Leistung von einem Laufmeter<br />

Mauer pro Minute entspricht. Zwischen den Stossfugen<br />

liess er unterschiedlich grosse Löcher offen, durch<br />

welche das Licht einfällt und die Luft zirkuliert.<br />

Von Turin nach Fläsch<br />

Grundsätzlich kann der Industrieroboter nicht viel mehr<br />

als ein Maurer. Er kann es aber schneller und auf 0,2 Millimeter<br />

genau. Auch brauchte es einen Maurerweltmeister,<br />

der imstande ist, die Ziegel so zu ordnen, dass die drei-<br />

5 6<br />

dimensionalen Bilder aus der Wand springen, so wie wir<br />

das kennen von den Mauern an den spätbarocken Palazzi<br />

und Kirchen des Baumeisterstars Guarino Guarini im Turin<br />

des 17. Jahrhunderts. Neue Möglichkeiten bietet auch<br />

die Tragkraft der Maschine: Die Steine, die der Roboter<br />

verbaut, müssen nicht mehr handlich sein. Er kann – im<br />

Gegensatz zum Maurer – auch Backsteine mauern, die einen<br />

Meter lang und 70 Kilogramm schwer sind. Dadurch<br />

sind neue Formen und Bilder <strong>bei</strong> einer Wand möglich. Interessant<br />

sind nicht zuletzt auch die Anschaffungskosten:<br />

Sie betragen zwischen 150 000 und 200 000 Franken für<br />

die Maschine. Ist die Software einmal entwickelt, wird es<br />

der Mauerroboter auch Kleinbetrieben möglich machen,<br />

individuell gemauerte Wände anzubieten. Ja, er wird wohl<br />

bald auch draussen auf der Baustelle und nicht nur in der<br />

Montagehalle eingesetzt werden können.<br />

Es überrascht, dass die Verzahnung von Material und Daten<br />

ein sinnlich-expressives und kein steril-langweiliges<br />

Produkt erzeugt. Die am Computer entworfene und vom<br />

Roboter gemauerte Wand steht der von Hand geschichteten<br />

nicht nach. Der Beweis dafür steht in Fläsch: Die Wände<br />

sind von verführerischer Schönheit. Von aussen erinnert<br />

die Fassade auf den ersten Blick an Ährenfelder, über<br />

die der Wind streicht. Je nach Standpunkt ändert sich das<br />

Bild, immer aber wirkt der gelbe Klinkerstein weich und<br />

geschmeidig. Von innen machen die vielen unterschiedlich<br />

grossen Fugen die Gärhalle zum sakralen Lichtspektakel,<br />

das sich je nach Tageszeit und Lichteinfall ändert –<br />

so schön kann die digitalisierte Welt sein. •<br />

Roderick Hönig ist Architektur-Redaktor der Zeitschrift Hochparterre.<br />

Seiten 18-19 Die Muster der Mauer in der<br />

späten Vormittagssonne. In der Abendsonne<br />

werden sie ein anderes Bild zeigen.<br />

1 Fabio Gramazio und Matthias Kohler haben<br />

mit ETH-Assistenten und Studentinnen<br />

Konstruktion und Form der Fassade am Com -<br />

puter entwickelt: Aus leicht verdrehten<br />

Steinen entstehen dreidimensionale Bilder.<br />

Pläne und Fotos: Gramazio & Kohler<br />

2-4 Die Versuchsanordnungen zur Simu lation<br />

der Traubenbeerenmuster, um-<br />

gesetzt in die Visualisierung der Fassade.<br />

5 Die Steine der Keller Ziegeleien werden<br />

nicht vermauert, sondern der Roboter setzt<br />

acht Klebstofflinien auf.<br />

6 Der Roboter platziert Stein um Stein<br />

in der Werkhalle der ETH: einen leicht verdreht<br />

über dem nächsten.<br />

7 Der Kranführer Ernst Lampert setzt die 72<br />

Wandelemente zu einer Fassade zusammen.<br />

8 Trotz Computer-Vorfertigung und Hightech<br />

sind für die Ar<strong>bei</strong>t am Detail Handwerker<br />

und also ein Gerüst nötig.<br />

20 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> Hochparterre Sonderheft 2|2008 Hochparterre Sonderheft 2|2008 <strong><strong>Wein</strong>gut</strong> <strong>Ganten<strong>bei</strong>n</strong> 21<br />

8

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