DIPLOMARBEIT - Bundesverband Mediation in Wirtschaft und ...
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Technische Universität Dresden<br />
Fakultät Mathematik <strong>und</strong> Naturwissenschaften<br />
Fachrichtung Psychologie<br />
E<strong>in</strong>e explorative Studie<br />
<strong>DIPLOMARBEIT</strong><br />
zum Thema<br />
zur Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation <strong>in</strong> Deutschland<br />
Teil 1 – Mediatoren <strong>und</strong> Erfolg<br />
Teil 2 – Unternehmen <strong>und</strong> <strong>Mediation</strong><br />
Katr<strong>in</strong> Lambrette & Melanie Herrmann<br />
Kontakt:<br />
wirtschafts_mediation@gmx.de<br />
Das Copyright liegt bei den Autoren. Der Leser ist berechtigt, persönliche<br />
Kopien für wissenschaftliche oder nichtkommerzielle Zwecke zu erstellen. Jede<br />
weitergehende Nutzung bedarf der ausdrücklichen vorherigen schriftlichen<br />
Genehmigung der Autoren.<br />
Dresden, den 2002-05-01<br />
1
„Der Erfolg des Mediators hängt vom Verkauf dieser<br />
Dienstleistung ab, <strong>und</strong> ob es ihm gel<strong>in</strong>gt, das, was<br />
er verkauft, auch mit Leben zu erfüllen.“<br />
2<br />
E<strong>in</strong> Mediator (2001)<br />
„Der, der es kennt, sieht es positiv, <strong>und</strong> der, der es<br />
nicht kennt, weiß nicht, was er sagen soll.“<br />
E<strong>in</strong> Manager (2001)<br />
„Es ist ke<strong>in</strong> Geheimnis, aber es gibt auch ke<strong>in</strong>en<br />
Gr<strong>und</strong>, h<strong>in</strong>zugehen <strong>und</strong> Kollegen anzuhauen, hast<br />
du schon mal gehört, [...] probier mal. Da soll der<br />
selbst drauf kommen. Wir s<strong>in</strong>d ja auch selbst darauf<br />
gekommen.“<br />
E<strong>in</strong> Syndikusanwalt (2001)
Danksagung<br />
Vielen, vielen Dank an...<br />
� Frau Dr. Kemter für die Betreuung der Arbeit <strong>und</strong> ihre Ermutigungen<br />
� Herrn Professor Dr. Wiendieck, unseren Zweitgutachter<br />
� unsere Interviewpartner, die uns ihre oft sehr knappe Zeit geopfert <strong>und</strong> unsere<br />
Fragen geduldig beantwortet haben – <strong>und</strong> ohne die diese Untersuchung nicht<br />
möglich gewesen wäre<br />
� Walter Becker, Annette Eckes <strong>und</strong> Daniela Hartmann vom Statistischen<br />
B<strong>und</strong>esamt für prompte <strong>und</strong> ausführliche Informationen<br />
� Johannes Müller für se<strong>in</strong>en Laptop, als es nötig war<br />
� Thomas Thiemann, Iona Sachse <strong>und</strong> Falk Scholz für ihr Feedback bei der<br />
Entwicklung der Interviews<br />
� Frau Dr. Ulbricht für ihre fachk<strong>und</strong>ige Beratung <strong>und</strong> tatkräftige Unterstützung bei<br />
der qualitativen Analyse, Herrn Dr. Rudolf <strong>und</strong> Johannes Müller für ihre Hilfe <strong>und</strong><br />
Inspiration bei der quantitativen Analyse<br />
� Zoltán Tanczik für die Idee mit der Stichprobe <strong>und</strong> dafür, dass er für uns<br />
wochenlang auf se<strong>in</strong>en MD-Player verzichtet hat<br />
� Horst Eidenmüller, Christian Duve <strong>und</strong> Hansjörg Schwartz für fachliche <strong>und</strong><br />
persönliche Unterstützung<br />
� He<strong>in</strong>z Dürscheid für die Empfehlung e<strong>in</strong>es Zweitgutachters<br />
� Johannes Müller, Johannes Hacker, Edeltraut <strong>und</strong> Jürgen Herrmann, Susanne<br />
Merkel, Bett<strong>in</strong>a Werner, Erol Akcay <strong>und</strong> Katr<strong>in</strong> Rothe, die Korrektur gelesen <strong>und</strong><br />
dieser Arbeit den letzten Schliff gegeben haben<br />
� die deutsche Gesellschaft für <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> (DGMW), den<br />
<strong>B<strong>und</strong>esverband</strong> für <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Arbeitswelt (BMWA) <strong>und</strong> die<br />
Centrale für <strong>Mediation</strong> (CfM) , die unsere Fragebögen verschickt haben<br />
� Xavier Legros, der Indikatoren für die Klassifizierung der Unternehmen<br />
vorgeschlagen <strong>und</strong> ihre Beschreibung fachlich kontrolliert hat<br />
� Peter Andreas für die computertechnische Unterstützung<br />
� <strong>und</strong> natürlich an alle Babysitter: Johannes, Johannes, Peggy, Ilona, Sebastian,<br />
Katr<strong>in</strong>, G<strong>und</strong>ula, Andrea, Raja <strong>und</strong> Peter<br />
3
Inhaltsverzeichnis<br />
Danksagung I<br />
Kurzreferat/Abstract II<br />
Inhaltsverzeichnis V<br />
Abkürzungsverzeichnis VII<br />
1 E<strong>in</strong>leitung 1<br />
2 Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen 4<br />
2.1 <strong>Mediation</strong><br />
4<br />
Seite<br />
2.1.1 Was ist <strong>Mediation</strong>? 4<br />
2.1.2.1 Entwicklung <strong>in</strong> den USA 8<br />
2.1.2.2 <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> anderen Ländern 9<br />
2.1.2.3 <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Deutschland 10<br />
2.1.2 Entwicklung 8<br />
2.1.3 Ablauf e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong> 11<br />
2.1.4 Vor- <strong>und</strong> Nachteile 13<br />
2.1.5 Eignung<br />
14<br />
2.1.6 Rolle des Mediators 15<br />
2.1.7 Abgrenzung 17<br />
2.1.8 Vermarktung von <strong>Mediation</strong> 21<br />
2.2 Akzeptanz 24<br />
2.2.1 Innovation – Def<strong>in</strong>itionen <strong>und</strong> Theorien 24<br />
2.2.2 Akzeptanz 26<br />
2.2.3 Die Verbreitung von Innovationen 27<br />
2.2.4 Nutzer von Innovationen 28<br />
3 Fragestellung 30<br />
4 Untersuchungsmethodik 32<br />
4.1 Untersuchungsplan 32<br />
4.1.1 Qualitatives Forschungsdesign 32<br />
4.1.2 Verwendete Erhebungsverfahren 36<br />
4.1.2.1 Die schriftliche Befragung 37<br />
4.1.2.2 Das qualitative Telefon<strong>in</strong>terview 37<br />
4.1.3 Entwicklung der Interviewleitfäden 42<br />
4.1.3.1 Allgeme<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>lagen 42<br />
4.1.3.2 Das Mediatoren-Interview 44<br />
4.1.3.3 Die Unternehmens-Interviews 47<br />
4.1.4 Auswahl der Stichproben 48<br />
4.2 Datenerhebung 52<br />
4.2.1 Schriftliche Befragung 52<br />
4.2.1.1 Stichprobencharakteristik der schriftlichen Befragung 53<br />
4.2.2 Telefonische Interviews 55<br />
4.2.2.1 Stichprobencharakteristik der <strong>in</strong>terviewten Mediatoren 58<br />
4
4.2.2.2 Stichprobencharakteristik der <strong>in</strong>terviewten Unternehmensvertreter 59<br />
4.3 Datenauswertung 63<br />
4.3.1 Quantitative Auswertung 63<br />
4.3.2 Qualitative Auswertung 64<br />
4.3.2.1 Transkribierung 64<br />
4.3.2.2 Der Kodierprozess 64<br />
4.3.2.3 Entwicklung e<strong>in</strong>es Kodiersystems 67<br />
4.4 Diskussion der Untersuchungsmethodik 69<br />
5 Darstellung <strong>und</strong> Interpretation der Ergebnisse 72<br />
5.1 Ergebnisse der schriftlichen Befragung 72<br />
5.1.1 Zur Person 72<br />
5.1.2 Zur Ausbildung 74<br />
5.1.3 Zur Tätigkeit als Mediator 79<br />
5.1.4 Zur Schwierigkeit, Fälle zu f<strong>in</strong>den 84<br />
5.1.5 E<strong>in</strong>flüsse auf Umsatz <strong>und</strong> wirtschaftliche Zufriedenheit 88<br />
5.2 Ergebnisse der Mediatoren-Interviews 95<br />
5.2.1 Zur Person 95<br />
5.2.2 Zur Ausbildung 97<br />
5.2.3 Zur Tätigkeit als Mediator 100<br />
5.2.4 Mögliche Erfolgsfaktoren 105<br />
5.2.4.1 Erfolgsfaktoren bezüglich der Ausbildung 107<br />
5.2.4.2 Erfolgsfaktoren bezüglich der Tätigkeit 108<br />
5.2.4.3 Die Vermarktungsstrategie der „erfolgreichen“<br />
Mediatoren 109<br />
5.2.4.4 Erfolgsfaktoren bezüglich der Kompetenz 118<br />
5.2.4.5 Basis des Erfolgs 121<br />
5.2.5 Fördernde <strong>und</strong> hemmende Akzeptanzfaktoren 121<br />
5.3 Gesamt<strong>in</strong>terpretation der Ergebnisse 125<br />
5.3.1 Personenspezifische Hypothesen 125<br />
5.3.2 Ausbildungsspezifische Hypothesen 125<br />
5.3.3 Tätigkeitsspezifische Hypothesen 126<br />
5.3.4 Vermarktungsspezifische Hypothesen 128<br />
5.3.5 Kompetenzspezifische Hypothesen 132<br />
5.3.6 Akzeptanzspezifische Hypothesen 133<br />
5.4 Diskussion <strong>und</strong> Ausblick 135<br />
5.5 Ergebnisse der Unternehmens-Interviews 138<br />
5.5.1 Zur Person 138<br />
5.5.2 Vergleiche zwischen Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>s-<br />
erfahrung 142<br />
5.5.2.1 Informationsquellen zu Konfliktmanagement <strong>und</strong><br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation 142<br />
5.5.2.2 Veränderungen im Unternehmen 144<br />
5.5.2.3 Konflikte im Unternehmen 145<br />
5.5.2.4 Umgang mit Konflikten im Unternehmen 146<br />
5.5.2.5 Zufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement 149<br />
5.5.2.6 Vorstellungen von <strong>Mediation</strong> 151<br />
5.5.2.7 Externe Mitarbeiter 153<br />
5.5.2.8 Gründe für <strong>und</strong> Bedenken gegen <strong>Mediation</strong> 153<br />
5.5.3 Erfahrungen von Unternehmen mit <strong>Mediation</strong> 155<br />
5
5.5.3.1 Empf<strong>und</strong>ene Neuheit von <strong>Mediation</strong> 155<br />
5.5.3.2 Empf<strong>und</strong>enes Risiko bei der erstmaligen Nutzung<br />
von <strong>Mediation</strong> 156<br />
5.5.3.3 Suche e<strong>in</strong>es geeigneten Mediators 157<br />
5.5.3.4 Erwünschte Eigenschaften des Mediators 157<br />
5.5.3.5 Zufriedenheit mit der <strong>Mediation</strong> 158<br />
5.5.3.6 Kommunikation mit Anderen zum Thema <strong>Mediation</strong> 158<br />
5.6 Interpretation der Ergebnisse der Unternehmens-Interviews 160<br />
5.6.1 Unterschiede zwischen Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung 160<br />
5.6.2 Diffusion von <strong>Mediation</strong> 162<br />
5.6.3 Zufriedenheit deutscher Unternehmen mit ihrem<br />
momentanen Konfliktmanagement 163<br />
5.6.4 Kompatibilität der Vermarktungsstrategien von Mediatoren<br />
mit den Erwartungen der Unternehmen 164<br />
5.7 Konsequenzen für die Vermarktung von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation 167<br />
5.7.1 Strategien der Vermarktung 167<br />
5.7.2 Argumente für <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation 169<br />
5.8 Diskussion <strong>und</strong> Ausblick 171<br />
7 Literaturverzeichnis 176<br />
8 Anhang 182<br />
6
Abkürzungsverzeichnis<br />
ADR Alternative Dispute Resolution (Alternative Streitbeilegung)<br />
BDP B<strong>und</strong> Deutscher Psycholog<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Psychologen<br />
BR Betriebsrat<br />
ESV E<strong>in</strong>igungsstellenverfahren<br />
HGB Handelsgesetzbuch<br />
M. <strong>Mediation</strong>/ Mediator<br />
NBL Neue B<strong>und</strong>esländer<br />
RA Rechtsanwalt<br />
UN Unternehmen<br />
W-<strong>Mediation</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation<br />
<strong>Mediation</strong>sverbände<br />
BAFM B<strong>und</strong>esarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft für Familienmediation<br />
BAFM-Anerkennung Ausbildungsabschluss nach den Standards der BAFM<br />
BMWA <strong>B<strong>und</strong>esverband</strong> für <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Arbeitswelt<br />
BM <strong>B<strong>und</strong>esverband</strong> <strong>Mediation</strong><br />
BM-Anerkennung Ausbildungsabschluss nach den Standards des BM<br />
CfM Centrale für <strong>Mediation</strong><br />
DGFM Deutsche Gesellschaft für <strong>Mediation</strong><br />
gwmk Gesellschaft für <strong>Wirtschaft</strong>smediation <strong>und</strong> Konflikt-management<br />
7
1 E<strong>in</strong>leitung<br />
8<br />
Das ch<strong>in</strong>esische Wort für<br />
Konflikt besteht aus zwei<br />
e<strong>in</strong>zelnen Zeichen: Risiko <strong>und</strong><br />
Chance. Jeder Konflikt birgt<br />
Gefahren, bietet aber auch die<br />
Möglichkeit zu e<strong>in</strong>em<br />
Neuanfang. So können Konflikte<br />
Beziehungen zerstören, aber auch, nachdem die Probleme geme<strong>in</strong>sam überw<strong>und</strong>en<br />
worden s<strong>in</strong>d, stärken. E<strong>in</strong> Streit stellt die bisherigen Verhältnisse <strong>in</strong> Frage, be<strong>in</strong>haltet<br />
aber auch die Chance zu e<strong>in</strong>er fruchtbaren Neudef<strong>in</strong>ition, wenn der Blick nicht nur <strong>in</strong><br />
die Vergangenheit, sondern auch auf die Zukunft gerichtet wird.<br />
Traditionelle Möglichkeiten der Konfliktbeilegung wie das Gerichts- oder<br />
Schiedsverfahren, die vor allem auf das Ausloten rechtlicher Positionen angelegt<br />
s<strong>in</strong>d, haben sich als nicht für alle Konfliktfälle geeignet erwiesen. Unter anderem<br />
werden sie <strong>in</strong>zwischen häufig als zu langsam, zu kostspielig <strong>und</strong> letztlich im Ergebnis<br />
als zu unbefriedigend angesehen (von Hoyn<strong>in</strong>gen-Huene, 1998, 2000; Budde, 1998;<br />
Montada & Kals, 2001; Lenz & Müller, 1999).<br />
<strong>Mediation</strong> dagegen, e<strong>in</strong> noch recht neues Verfahren, das zuerst <strong>in</strong> den 1960er<br />
Jahren <strong>in</strong> den USA entwickelt wurde (Baruch Bush & Folger, 1994), befasst sich vor<br />
allem mit den Möglichkeiten zur Veränderung, die e<strong>in</strong> Konflikt bietet. Die<br />
Konfliktparteien versuchen unter Anleitung e<strong>in</strong>es neutralen Dritten 1 , geme<strong>in</strong>sam<br />
zukunftsorientierte Lösungen zu f<strong>in</strong>den (Budde, 1998; Duve, 1998; Eyer, 2001; Falk,<br />
1998). Obwohl das Verfahren <strong>in</strong> Deutschland bisher hauptsächlich bei Familien- <strong>und</strong><br />
Scheidungskonflikten genutzt worden ist, f<strong>in</strong>det es auch <strong>in</strong> anderen Bereichen<br />
zunehmend Verbreitung (Risse, 1999), z.B. als Umweltmediation, Schulmediation<br />
(Jeffreys-Duden, 1999), <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation, <strong>Mediation</strong> im Baurecht<br />
<strong>und</strong> politische <strong>Mediation</strong>.<br />
1 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit durchgängig die männliche Form<br />
verwendet. Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d natürlich immer Frauen <strong>und</strong> Männer, Mediator<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mediatoren,<br />
Unternehmer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Unternehmer.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Akzeptanz von <strong>Mediation</strong> im <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsbereich. <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitswelt befasst sich sowohl mit<br />
Konflikten <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Unternehmens als auch im Kontakt mit anderen<br />
Unternehmen, K<strong>und</strong>en oder Lieferanten. In den USA <strong>und</strong> <strong>in</strong> manchen europäischen<br />
Ländern wie z.B. den Niederlanden ist sie <strong>in</strong> diesem Bereich bereits recht weit<br />
verbreitet (Risse, 1999; Duve, 1998; von Hoyn<strong>in</strong>gen-Huene, 1998). In Deutschland<br />
steht sie erst am Anfang, obwohl es bereits anerkannte Ausbildungen <strong>und</strong><br />
Studiengänge, Interessenverbände <strong>und</strong> Ansätze der Institutionalisierung gibt (Falk,<br />
1998).<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> Deutschland vor großen<br />
Akzeptanzproblemen zu stehen. Obwohl es <strong>in</strong>zwischen viele gut ausgebildete<br />
Mediatoren gibt, haben diese oft schon <strong>in</strong> der Ausbildung Schwierigkeiten, Fälle zu<br />
f<strong>in</strong>den. Sich für e<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong> zu entscheiden, bedeutet die Abkehr von Vertrautem<br />
<strong>und</strong> das Betreten von Neuland. Herauszuf<strong>in</strong>den, was die Haltung gegenüber<br />
<strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der deutschen <strong>Wirtschaft</strong> ist <strong>und</strong> wie es Mediatoren schaffen können,<br />
eventuelle Vorurteile <strong>und</strong> Bedenken beiseite zu räumen, ist das Ziel dieser Arbeit.<br />
Diese Arbeit versucht, zu ergründen, was e<strong>in</strong>en erfolgreichen Mediator ausmacht,<br />
ob sich erfolgreiche <strong>und</strong> weniger erfolgreiche Mediatoren anhand ihrer<br />
Vermarktungsstrategien unterscheiden lassen <strong>und</strong> ob diese Vermarktungsstrategien<br />
tatsächlich auf die Interessen <strong>und</strong> Wünsche der angesprochenen Firmen abgestimmt<br />
s<strong>in</strong>d. Zudem wurde untersucht, ob <strong>und</strong> wie sich Firmen, die <strong>Mediation</strong> anwenden,<br />
von solchen, die dies nicht tun, unterscheiden.<br />
Zu diesem Zweck wurden im ersten Teil der Arbeit telefonische Interviews mit<br />
Mediatoren geführt, um deren Vermarktungsstrategien zu erfassen. Die Mediatoren-<br />
Interviews wurden anhand e<strong>in</strong>er schriftlichen Befragung entwickelt, bei der mit Hilfe<br />
von Fragebögen u.a. Informationen zu Ausbildung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>kommen der Mediatoren<br />
erfasst wurden, sowie ihre Vermutungen darüber, warum es <strong>in</strong> Deutschland oft noch<br />
schwierig ist, <strong>Mediation</strong>sfälle zu akquirieren.<br />
Im zweiten Teil der Arbeit wurden Unternehmen ebenfalls telefonisch zu ihrem<br />
Umgang mit Konflikten befragt, wobei die Interviewpartner jeweils zur e<strong>in</strong>en Hälfte<br />
9
Unternehmen mit <strong>und</strong> zur anderen Hälfte Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
waren. In diesen Interviews g<strong>in</strong>g es darum, Informationen zum Umgang mit<br />
Konflikten im jeweiligen Unternehmen zu sammeln sowie bei den Unternehmen, die<br />
<strong>Mediation</strong> schon genutzt hatten, Erfahrungen mit diesem Verfahren abzufragen.<br />
Analog zu den Mediatoren-Interviews wurde hier besonders darauf e<strong>in</strong>gegangen, wie<br />
sich der jeweilige Mediator präsentiert hatte <strong>und</strong> was die Gründe waren, sich für ihn<br />
zu entscheiden.<br />
Die Ergebnisse der Arbeit s<strong>in</strong>d demnach dreigeteilt: 1) die Ergebnisse der<br />
schriftlichen Befragung, 2) die Ergebnisse der Mediatoren-Interviews <strong>und</strong> 3) die<br />
Ergebnisse der Unternehmens-Interviews. Die Auswertung der Mediatoren-<br />
Interviews bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Teil 1 dieser Arbeit, die der Unternehmens-Interviews <strong>in</strong><br />
Teil 2.<br />
Die Auswertung der Interviews erfolgte mit Hilfe von qualitativen Methoden (Miles<br />
<strong>und</strong> Huberman 1994, Rub<strong>in</strong> <strong>und</strong> Rub<strong>in</strong> 1995). Hierzu wurde für die Mediatoren- <strong>und</strong><br />
Unternehmens-Interviews jeweils e<strong>in</strong> Kodiersystem erarbeitet, um die qualitativen<br />
Aussagen möglichst systematisch erfassen zu können. Als Objektivitätsmaß wurde<br />
die Interrater-Übere<strong>in</strong>stimmung ermittelt (Greve, 1991).<br />
Diese Diplomarbeit wurde als Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit von Katr<strong>in</strong> Lambrette <strong>und</strong><br />
Melanie Herrmann geschrieben. Theorie- <strong>und</strong> Methodenteil sowie die<br />
Interviewleitfäden, der Fragebogen <strong>und</strong> die Auswertung der schriftlichen Befragung<br />
wurden geme<strong>in</strong>sam verfasst <strong>und</strong> entwickelt. In der Auswertung sowie der Darstellung<br />
<strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse übernahm Melanie Herrmann die Mediatoren-<br />
Interviews <strong>und</strong> Katr<strong>in</strong> Lambrette die Unternehmens-Interviews. Alle Interviews<br />
wurden von beiden Diplomand<strong>in</strong>nen kodiert <strong>und</strong> alle Teile der Arbeit gegenseitig<br />
mehrfach überarbeitet <strong>und</strong> diskutiert. Trotz der Teilung der Diplomarbeit <strong>in</strong> Teil 1 <strong>und</strong><br />
Teil 2 ist die Arbeit als e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Werk zu verstehen.<br />
In e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation der Daten aus den Mediatoren- <strong>und</strong> Unternehmens-Interviews<br />
sollen im Teil 2 abschließend H<strong>in</strong>weise für <strong>Wirtschaft</strong>smediatoren gegeben werden,<br />
wie sich diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art vermarkten können, die Unternehmen anspricht.<br />
10
2 Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
In diesem Kapitel werden zentrale Themen der <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> der<br />
Akzeptanzforschung beschrieben. Diese theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen dienen als Basis<br />
für die Konzeption der Studie <strong>und</strong> für die Interpretation der empirischen Resultate.<br />
2.1 <strong>Mediation</strong><br />
Zu Beg<strong>in</strong>n wird der Begriff <strong>und</strong> das Verfahren <strong>Mediation</strong> erklärt. Danach gibt<br />
die Arbeit e<strong>in</strong>en Überblick über die Entwicklung der <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> die momentane<br />
Situation <strong>in</strong> Deutschland. Der dritte Abschnitt befasst sich mit dem Ablauf e<strong>in</strong>er<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation, um anschließend auf Vor- <strong>und</strong> Nachteile von <strong>Mediation</strong><br />
e<strong>in</strong>zugehen. Abschnitt 5 beschäftigt sich mit der Eignung von <strong>Mediation</strong>. Die<br />
Kompetenzen <strong>und</strong> Anforderungen e<strong>in</strong>es Mediators werden im Abschnitt 6 erläutert.<br />
Im Abschnitt 7 wird die Frage der Abgrenzung von bisherigen Konfliktlöseverfahren<br />
beantwortet. Der letzte Abschnitt widmet sich der derzeit vielleicht wichtigsten Frage:<br />
der Vermarktung dieser immer noch relativ unbekannten Dienstleistung.<br />
2.1.1 Was ist <strong>Mediation</strong>?<br />
Sprachlich gesehen bedeutet „<strong>Mediation</strong>“ Vermittlung (lat.: „<strong>in</strong> medias res“<br />
gehen = „<strong>in</strong> die Mitte der D<strong>in</strong>ge“ gehen). Demnach def<strong>in</strong>iert Breidenbach (1995)<br />
<strong>Mediation</strong> als die Vermittlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konflikt zwischen verschiedenen Parteien mit<br />
dem Ziel der E<strong>in</strong>igung. Mit Unterstützung e<strong>in</strong>es neutralen Dritten, des Mediators,<br />
erarbeiten die Konfliktparteien eigenverantwortlich e<strong>in</strong>e rechtsverb<strong>in</strong>dliche Lösung.<br />
Zur Zeit liegen Theorie <strong>und</strong> Praxis von <strong>Mediation</strong>sverfahren vor allem <strong>in</strong> den<br />
Händen der Juristen, so dass die momentane <strong>in</strong>haltliche Unterteilung der e<strong>in</strong>zelnen<br />
<strong>Mediation</strong>sfelder meist nach Rechtsgebieten erfolgt: Familienrecht –<br />
Familienmediation, Arbeitsrecht – Arbeitsmediation, <strong>Wirtschaft</strong>srecht -<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation etc. (Montada & Kals, 2001).<br />
Bei den Anwendern dieser Dienstleistung hat sich e<strong>in</strong>e theoretische Unterteilung<br />
zwischen Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation noch nicht durchgesetzt. Häufig kann e<strong>in</strong><br />
Mediator oder Forscher sich glücklich schätzen, wenn generell erst e<strong>in</strong>mal bekannt<br />
11
ist, was <strong>Mediation</strong> ist <strong>und</strong> wann sie angewendet wird. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e soll im<br />
Folgenden e<strong>in</strong>e theoretische Abgrenzung versucht werden.<br />
Duve <strong>und</strong> Eidenmüller (2001) beschreiben <strong>Wirtschaft</strong>smediation als „e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>teressenorientierte Verhandlungsunterstützung durch e<strong>in</strong>en neutralen Dritten ohne<br />
Entscheidungskompetenz bei <strong>Wirtschaft</strong>skonflikten“.<br />
Nach dieser weitgreifenden Def<strong>in</strong>ition werden alle Streitigkeiten, die im Umfeld von<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sunternehmen auftauchen, zur <strong>Wirtschaft</strong>smediation gezählt. Laut Stubbe<br />
(2001) teilen diese Auffassung auch viele andere Autoren, nur wenige Autoren sehen<br />
dagegen den Schwerpunkt der <strong>Wirtschaft</strong>smediation bei <strong>in</strong>nerbetrieblichen<br />
Konflikten, z.B. Wittschier (1998). Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach ist weder das e<strong>in</strong>e noch das<br />
andere e<strong>in</strong>e gute Lösung. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e schlägt er die Trennung nach<br />
Henssler <strong>und</strong> Koch (2000) vor, welche zwischen <strong>Mediation</strong> im Zivilrecht<br />
(<strong>in</strong>sbesondere <strong>Wirtschaft</strong>srecht) <strong>und</strong> der <strong>Mediation</strong> im Arbeitsrecht unterscheiden.<br />
Auch bei Breidenbach <strong>und</strong> Henssler (1997) ist die Trennung zwischen <strong>Mediation</strong> im<br />
<strong>Wirtschaft</strong>srecht <strong>und</strong> <strong>Mediation</strong> im Arbeitsrecht zu f<strong>in</strong>den (<strong>in</strong> Stubbe, 2001).<br />
Demzufolge zählen zur <strong>Wirtschaft</strong>smediation im engeren S<strong>in</strong>ne nur Konflikte<br />
zwischen <strong>Wirtschaft</strong>sunternehmen. Laut Budde (1998) können Konflikte dabei<br />
außerhalb des Unternehmens („unternehmensextern“) oder <strong>in</strong>nerhalb des<br />
Unternehmens („unternehmens<strong>in</strong>tern“) auftreten. Bei unternehmensexternen<br />
Konflikten handelt es sich z.B. um Streitigkeiten zwischen Unternehmen, zwischen<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Zulieferern oder zwischen Unternehmen <strong>und</strong> Verbrauchern. Bei<br />
unternehmens<strong>in</strong>ternen Konflikten geht es z.B. um Streitigkeiten zwischen<br />
Unternehmensteilen <strong>in</strong> verschiedenen Ländern, zwischen Abteilungen oder zwischen<br />
Geschäftsführern.<br />
Unter den Begriff Arbeitsmediation fällt demnach der <strong>in</strong>nerbetriebliche Teil von<br />
Konflikten, welche sich aus Arbeitsverhältnissen heraus begründen (Budde, 1998).<br />
Arbeitskonflikte s<strong>in</strong>d sowohl <strong>in</strong>dividuelle Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong><br />
Arbeitnehmer, Konflikte zwischen Arbeitnehmern derselben oder unterschiedlicher<br />
Hierarchieebenen als auch kollektive Streitigkeiten zwischen Betriebsrat <strong>und</strong><br />
Arbeitgeber, zwischen Gewerkschaften <strong>und</strong> Arbeitgeberverbänden, z.B. <strong>in</strong><br />
Tarifause<strong>in</strong>andersetzungen. E<strong>in</strong>e andere Def<strong>in</strong>ition des Begriffes Arbeitsmediation<br />
12
ietet Stubbe (2001), der sie <strong>in</strong>haltlich von der <strong>Wirtschaft</strong>smediation abgrenzt: <strong>in</strong> der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation, also bei Konflikten zwischen Unternehmen, gehe es nur um<br />
(f<strong>in</strong>anzielle) Ansprüche, nicht um dah<strong>in</strong>ter liegende Interessen; e<strong>in</strong>e Forderung nach<br />
Geld z.B. sei eben nur e<strong>in</strong>e Forderung nach Geld, nicht mehr. In der<br />
Arbeitsmediation, im <strong>in</strong>nerbetrieblichen Bereich, spielten dagegen Emotionen <strong>und</strong><br />
Interessen e<strong>in</strong>e weitaus größere Rolle. Ob h<strong>in</strong>ter f<strong>in</strong>anziellen Forderungen tatsächlich<br />
nie andere Interessen stehen, mag bezweifelt werden; diese Arbeit ist jedoch nicht<br />
der Raum, <strong>in</strong> dem dies erörtert werden kann.<br />
Charakteristisch für die <strong>Mediation</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en ist die<br />
Eigenverantwortlichkeit der Konfliktparteien (Eyer, 2001; Breidenbach, 1995 u.a.).<br />
Die Betroffenen beteiligen sich aktiv an der Problemlösung, statt nur e<strong>in</strong> Teil des zu<br />
lösenden Problems zu se<strong>in</strong> (Wittmann, 1999). Im Vordergr<strong>und</strong> steht die direkte<br />
Kommunikation zwischen den Parteien (Lenz & Müller, 1999). Der Mediator als<br />
neutraler Dritter unterstützt die Kontrahenten bei ihrer Suche nach selbstbestimmten<br />
Lösungen lediglich strukturell. Er arrangiert das Kommunikationssett<strong>in</strong>g <strong>und</strong> gestaltet<br />
den Lösungsprozess (Falk, 1998), hat dabei aber ke<strong>in</strong>erlei Entscheidungsgewalt<br />
(Falk, 1998; Duve & Eidenmüller, 2001; Lenz & Müller, 1999 u.a.). E<strong>in</strong> weiteres<br />
wichtiges Merkmal der <strong>Mediation</strong> ist die systematische <strong>und</strong> durchstrukturierte<br />
Vorgehensweise (Wittmann, 1999), die später noch genauer erläutert wird. Durch<br />
das Herausarbeiten von Interessen soll e<strong>in</strong> gegenseitiges Verständnis erzeugt<br />
werden, welches die Voraussetzung für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>vernehmliche Lösung ist. Statt Allesoder-Nichts-Lösungen<br />
geht es <strong>in</strong> der <strong>Mediation</strong> um die Erweiterung des<br />
Lösungsraumes, um die Erörterung von Alternativen (Duve, 1998). Dabei<br />
konzentriert man sich auf den Blick nach vorn. In der <strong>Mediation</strong> beschäftigen sich die<br />
Konfliktparteien weniger mit ihren vergangenen Streitigkeiten, sondern sie schauen,<br />
wie <strong>in</strong> Zukunft Divergenzen zu behandeln s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> wie e<strong>in</strong>e konstruktive<br />
Zusammenarbeit gewährleistet werden kann (Budde, 1998; Duve, 1998; Eyer, 2001;<br />
Falk, 1998). Zuletzt sei noch erwähnt, dass <strong>Mediation</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong>formelles <strong>und</strong> freiwilliges<br />
Verfahren ist, d.h. die Konfliktparteien legen fest, wo <strong>und</strong> wann man sich trifft <strong>und</strong><br />
worüber verhandelt wird (Bultmann & Schmidt, 2000; Eyer, 2001; Duve &<br />
Eidenmüller, 2001; Falk, 1998; Strempel, 1998).<br />
13
E<strong>in</strong>e der bekanntesten Varianten von <strong>Mediation</strong> ist das sogenannte Harvard-<br />
Konzept (Fisher, Ury & Patton, 1991). An ihm lassen sich gut noch e<strong>in</strong>mal die<br />
Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien der <strong>Mediation</strong> erläutern. Das generelle Credo der Autoren ist es,<br />
nicht über Positionen zu verhandeln, sondern sich immer auf die dah<strong>in</strong>ter liegenden<br />
Interessen zu konzentrieren. Dazu ist es beispielsweise notwendig, Menschen <strong>und</strong><br />
Probleme zu trennen, also Beziehungen <strong>und</strong> Sachverhalte nicht mite<strong>in</strong>ander zu<br />
vermischen. Man kann unterschiedlicher Me<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong>, aber dennoch e<strong>in</strong>e<br />
funktionierende (Arbeits-) Beziehung haben. Weiterh<strong>in</strong> schlagen die Autoren vor, zu<br />
e<strong>in</strong>em Problem möglichst viele verschiedene Lösungen zu entwickeln <strong>und</strong> sich dann<br />
erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em späteren Schritt, <strong>und</strong> zwar möglichst anhand objektiver Kriterien, für<br />
e<strong>in</strong>e endgültige Lösung zu entscheiden. Im gesamten Prozess spielt die sogenannte<br />
Nichte<strong>in</strong>igungsalternative e<strong>in</strong>e Rolle, d.h. wie akzeptabel e<strong>in</strong>e Lösung ersche<strong>in</strong>t, wird<br />
immer auch daran gemessen werden, wie gut e<strong>in</strong>e Partei dastehen würde, wenn der<br />
Konflikt ungelöst bliebe. E<strong>in</strong>e gute Nichte<strong>in</strong>igungsalternative kann also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Verhandlung mehr Macht verleihen. Fisher, Ury <strong>und</strong> Patton nennen diesen Prozess<br />
„pr<strong>in</strong>cipled negotiation“, e<strong>in</strong>e Verhandlung nach festgelegten Pr<strong>in</strong>zipien – womit sich<br />
auch die <strong>Mediation</strong> beschreiben ließe, nur dass dort immer e<strong>in</strong> Dritter die E<strong>in</strong>haltung<br />
der Pr<strong>in</strong>zipien überwacht. Die auf diese Weise erreichten Ergebnisse s<strong>in</strong>d den<br />
Autoren zufolge nachhaltiger <strong>und</strong> zufriedenstellender also solche, die mit e<strong>in</strong>er<br />
„wilden“ Verhandlung erzielt werden.<br />
Montada <strong>und</strong> Kals (2001) diskutieren <strong>in</strong> ihrem Buch sehr kritisch e<strong>in</strong>ige<br />
charakteristische Merkmale, von ihnen auch „Mythen“ der <strong>Mediation</strong> genannt. Zum<br />
e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>den sie, dass „Neutralität“ e<strong>in</strong> zu eng gefasster Begriff ist, da <strong>in</strong> bestimmten<br />
Phasen der <strong>Mediation</strong> der Mediator mal der e<strong>in</strong>en, mal der anderen Partei beistehen<br />
<strong>und</strong> stellvertretend deren Positionen oder Anliegen erläutern sollte. E<strong>in</strong>e bessere<br />
Alternative wäre der Begriff „Allparteilichkeit“. E<strong>in</strong> allparteilicher Mediator sei jemand,<br />
der auf der Seite aller Konfliktparteien steht <strong>und</strong> somit mehr Spielraum hat.<br />
In dem Gebot der „<strong>in</strong>haltlichen <strong>und</strong> methodischen Zurückhaltung“ sehen die<br />
Autoren die Gefahr, dass der Mediator sich scheut, aktiv <strong>und</strong> gestaltend zu<br />
<strong>in</strong>tervenieren. Dabei wird e<strong>in</strong> Mediator erst dann h<strong>in</strong>zugezogen, wenn die<br />
Konfliktparteien alle<strong>in</strong> nicht mehr weiterkommen. Montada <strong>und</strong> Kals plädieren für<br />
e<strong>in</strong>e produktive Gestaltungsfreiheit, die es dem Mediator nicht nur gestattet, sondern<br />
14
ihn verpflichtet, das Wissen der „nondirektiven Gesprächsführung“ nach Rogers<br />
(Echtheit, Empathie <strong>und</strong> Wertschätzung) <strong>und</strong> die Techniken der „aktiven<br />
Gesprächsführung“ (Spiegeln, Paraphrasieren etc.) zu nutzen.<br />
E<strong>in</strong>e zentrale Rolle bei der Lösung von Konflikten spielen für Montada <strong>und</strong> Kals die<br />
Emotionen. Werden diese vernachlässigt, können die Tiefenstrukturen des Konflikts<br />
nicht valide ermittelt werden. Konflikte s<strong>in</strong>d emotional, nicht neutral. Die Ermahnung<br />
mancher Mediatoren zur Sachlichkeit ist oft wenig erfolgreich, da die meisten<br />
Menschen ihre Emotionen nicht (völlig) kontrollieren können. Demnach können <strong>und</strong><br />
sollen Emotionen nicht aus dem Prozess herausgehalten werden.<br />
Auch s<strong>in</strong>d die Autoren der Me<strong>in</strong>ung, dass die Beschäftigung mit der<br />
Vergangenheit nützlich ist, um Fehler zu erkennen <strong>und</strong> aus ihnen zu lernen. Sie<br />
bezweifeln, dass e<strong>in</strong>e Zukunft gel<strong>in</strong>gen kann, wenn <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
entstandene Gefühle nicht aufgearbeitet werden. Für nachhaltige Lösungen reicht<br />
ihnen nur der alle<strong>in</strong>ige Blick <strong>in</strong> die Zukunft nicht aus.<br />
2.1.2 Entwicklung<br />
2.1.2.1 Entwicklung <strong>in</strong> den USA<br />
In den Vere<strong>in</strong>igten Staaten gibt es e<strong>in</strong>e lange Tradition der außergerichtlichen<br />
Streitbeilegung: schon zur Zeit der Kolonialisierung gab es anerkannte Mitglieder der<br />
Gesellschaft, die <strong>in</strong> Streitfällen Vermittler-Rollen übernahmen (Duve, 1998). In den<br />
1960er Jahren wurde das Verfahren <strong>Mediation</strong> entwickelt. Wichtige E<strong>in</strong>flüsse waren<br />
dabei zum e<strong>in</strong>en die Bürgerrechtsbewegung, die nach e<strong>in</strong>er Möglichkeit zur<br />
schnellen Beilegung von Streitigkeiten außerhalb des staatlichen Systems suchte,<br />
<strong>und</strong> zum anderen e<strong>in</strong>e Reihe von heftigen Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwischen<br />
Arbeitnehmern <strong>und</strong> –gebern (Baruch Bush & Folger, 1994). Anders als <strong>in</strong><br />
Deutschland, wo Familien- <strong>und</strong> Scheidungsmediation immer noch am weitesten<br />
verbreitet ist, begann <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> den USA im <strong>Wirtschaft</strong>sbereich. Die Gründe dafür<br />
s<strong>in</strong>d im Gerichtssystem der Vere<strong>in</strong>igten Staaten zu suchen: dort muss jede Partei<br />
unabhängig vom Verfahrensausgang ihre Anwaltskosten selbst tragen, welche leicht<br />
astronomische Höhen erreichen können. Aufgr<strong>und</strong> von Juryentscheidungen ist e<strong>in</strong><br />
solches Prozessrisiko nur schwer zu kalkulieren (Risse, 1999). Die Suche nach e<strong>in</strong>er<br />
15
Alternative zu Gerichtsprozessen war <strong>in</strong> den USA also e<strong>in</strong> wichtiger Gr<strong>und</strong> für die<br />
Entwicklung von <strong>Mediation</strong>.<br />
Heute f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den USA im Rahmen des „multi-door-courthouse“ (Risse, 1999)<br />
für jeden Streitfall die geeignete Methode der Beilegung. <strong>Mediation</strong> ist somit nur e<strong>in</strong>e<br />
Möglichkeit im Rahmen der „Alternative Dispute Resolution“ (ADR), wo sich e<strong>in</strong><br />
Kont<strong>in</strong>uum von Verfahren entwickelt hat, die von e<strong>in</strong>em offenen, von den Parteien<br />
bestimmten Ausgang bis zu von e<strong>in</strong>em Dritten getroffenen, für die Parteien<br />
b<strong>in</strong>denden Entscheidungen reicht (Duve, 1998). Nach e<strong>in</strong>er Umfrage der<br />
Unternehmensberatung Deloitte <strong>und</strong> Touche 1996 bevorzugen fast ⅔ der<br />
Unternehmen <strong>Mediation</strong> oder andere ADR-Verfahren zur Streitbeilegung. E<strong>in</strong>er<br />
Umfrage von 1998 zufolge haben 87% von 1000 befragten Unternehmen <strong>in</strong> den<br />
letzten Jahren an e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong> teilgenommen (Risse, 1999). Viele große<br />
Unternehmen <strong>in</strong> den USA haben sich auch bereits <strong>in</strong> Vertragsklauseln präventiv<br />
verpflichtet, ADR vor dem Gang zum Gericht zu versuchen (von Hoyn<strong>in</strong>gen-Huene,<br />
2000). <strong>Mediation</strong> hat zudem <strong>in</strong> den USA e<strong>in</strong>en hohen Grad der Institutionalisierung<br />
erreicht (Leppert, 1999). Es gibt e<strong>in</strong> großes Netz von <strong>Mediation</strong>sanbietern, die von<br />
durch Stiftungen getragenen <strong>Mediation</strong>szentren bis zu privaten Firmen reichen. In<br />
e<strong>in</strong>igen B<strong>und</strong>esstaaten ist die Durchführung e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong> bei ger<strong>in</strong>gen<br />
Streitwerten sogar gesetzlich vorgeschrieben, um die Gerichte zu entlasten.<br />
2.1.2.2 <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> anderen Ländern<br />
In Asien spielen außergerichtliche Formen der Streitbeilegung traditionell e<strong>in</strong>e<br />
große Rolle. In Japan gibt es beispielsweise das Chotei-Verfahren, wo Laienrichter <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em gerichtlichen Vorverfahren e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung der Parteien herbeizuführen<br />
versuchen. Ähnlich wie <strong>in</strong> den USA s<strong>in</strong>d hier lange Verfahren <strong>und</strong> hohe Kosten der<br />
Gr<strong>und</strong>, nach anderen Möglichkeiten der Streitbeilegung zu suchen. Den Japanern<br />
wurde zudem nach dem Ende der Kolonialzeit das englische Rechtssystem<br />
übergestülpt – somit waren außergerichtliche Konfliktlösungen auch e<strong>in</strong> Weg, der<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit diesem fremden, neuen Rechtssystem zu entgehen. In<br />
Ch<strong>in</strong>a kommt die E<strong>in</strong>leitung e<strong>in</strong>es Gerichtsverfahrens e<strong>in</strong>em Gesichtsverlust gleich<br />
<strong>und</strong> ist daher verpönt, so werden Streitigkeiten seit alters her ohne Hilfe des Gerichts<br />
geschlichtet (Risse, 1999).<br />
16
Als Beispiel für Europa, wo es an vielen Orten Entwicklungen h<strong>in</strong> zur<br />
außergerichtlichen Streitbeilegung gibt (z.B. <strong>in</strong> der neuen englischen<br />
Zivilprozessordnung, die Parteien zur Teilnahme an e<strong>in</strong>em Schieds- oder<br />
<strong>Mediation</strong>sverfahren verpflichtet; vgl. Risse (1999), soll kurz auf die Niederlande<br />
e<strong>in</strong>gegangen werden. Dort gibt es im Gegensatz zur noch wenig e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Struktur <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong> Netz von staatlich f<strong>in</strong>anziell unterstützten<br />
Rechtshilfebüros, die Streitende kostenlos oder gegen e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Beitrag<br />
beraten <strong>und</strong> dabei unterstützen, sich zu e<strong>in</strong>igen. Das Angebot dieser Stellen wird <strong>in</strong><br />
der Öffentlichkeit publik gemacht. Es gibt e<strong>in</strong>e von Großunternehmern <strong>und</strong> dem<br />
Arbeitgeberverband gegründete <strong>und</strong> f<strong>in</strong>anzierte Stiftung, die ADR gerade <strong>in</strong> der<br />
<strong>Wirtschaft</strong> populär machen soll. E<strong>in</strong>es der Resultate ist, dass sehr viele Konflikte<br />
außergerichtlich beigelegt werden <strong>und</strong> die Niederlande nur etwa halb so viele Richter<br />
<strong>und</strong> Anwälte pro E<strong>in</strong>wohner wie Deutschland benötigen (von Hoyn<strong>in</strong>gen-Huene,<br />
1998, 2000).<br />
2.1.2.3 <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Deutschland<br />
In Deutschland steigt die Zahl der vor Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten<br />
stetig (von Hoyn<strong>in</strong>gen-Huene, 1998). Durch das Monopol, das Rechtsanwälte auf<br />
Rechtsberatung haben, werden Konflikte viel eher als rechtliche Konflikte betrachtet<br />
<strong>und</strong> behandelt – e<strong>in</strong> Netz von Beratungsstellen wie <strong>in</strong> den Niederlanden gibt es nicht.<br />
In der DDR gab es allerd<strong>in</strong>gs bereits die Vorschrift, dass streitende Parteien <strong>in</strong><br />
sogenannten Schiedskommissionen sich zunächst um e<strong>in</strong>e EVL, e<strong>in</strong>e<br />
„eigenverantwortliche Lösung“, selbst kümmern mussten.<br />
Anders als <strong>in</strong> den USA s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland nicht so starke Strukturdefizite (Risse,<br />
1999) des Rechtssystems vorhanden: wer unterliegt, trägt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verfahren die<br />
Anwaltskosten beider Parteien, Anwaltsgebühren s<strong>in</strong>d begrenzt <strong>und</strong> Prozesse s<strong>in</strong>d<br />
im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich relativ kurz. Daher ist nicht derselbe Leidensdruck<br />
gegeben, der die Suche nach Alternativen zum Gerichtsverfahren beschleunigen<br />
würde.<br />
Nach Risse (1999) werden deutsche Unternehmen vor allem <strong>in</strong> ihren Kontakten zu<br />
amerikanischen <strong>und</strong> asiatischen Geschäftspartnern mit <strong>Mediation</strong> konfrontiert – der<br />
Autor stellt die These auf, dass sich das Verfahren im Kontakt deutscher mit<br />
17
ausländischen Firmen auch schneller als im Inland etablieren werde. Als Verfahren<br />
ist <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Deutschland seit 1980 bekannt (Strempel, 1998). Inzwischen ist der<br />
<strong>Mediation</strong>sgedanke <strong>in</strong> der Berufsordnung (BORA) <strong>und</strong> der Fachanwaltsordnung<br />
(FAO) der B<strong>und</strong>esrechtsanwaltskammer enthalten.<br />
Falk (1998) stellt fest, dass <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>e Inflation des Begriffes <strong>Mediation</strong> zu<br />
verzeichnen ist – Vertreter aller möglichen Professionen versuchen, sich damit zu<br />
assoziieren <strong>und</strong> ihre „Reviere“ abzustecken. Noch gibt es ke<strong>in</strong> klares Berufsbild des<br />
Mediators oder e<strong>in</strong>e vorgeschriebene Ausbildungsordnung, <strong>und</strong> noch kann sich auch<br />
jeder Mediator nennen, ob er e<strong>in</strong>e Ausbildung hat oder nicht. E<strong>in</strong>e Etablierung des<br />
Berufsbildes ist jedoch – wie z.B. beim Psychologischen Psychotherapeuten bereits<br />
geschehen – zu erwarten.<br />
Es gibt ke<strong>in</strong>e gesicherten Angaben, wie weit <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Deutschland tatsächlich<br />
verbreitet ist. Zwar gibt es <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e Reihe von (kommerziellen <strong>und</strong> nichtkommerziellen)<br />
<strong>Mediation</strong>sverbänden, die allerd<strong>in</strong>gs auch ke<strong>in</strong>e Angaben zur<br />
absoluten Verbreitung des Verfahrens machen konnten. E<strong>in</strong>e Erhebung zu diesem<br />
Thema würde wohl auch durch das Vertraulichkeitspr<strong>in</strong>zip von <strong>Mediation</strong> erschwert<br />
werden. So s<strong>in</strong>d gerade <strong>Wirtschaft</strong>sunternehmen sehr darauf bedacht, ihre<br />
Streitigkeiten nicht der Öffentlichkeit preiszugeben. Insgesamt lässt sich aber e<strong>in</strong>e<br />
steigende Tendenz im Wissen um <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Nutzung von <strong>Mediation</strong> festmachen<br />
(Falk, 1998) – auch wenn der Begriff von vielen immer noch mit Meditation<br />
verwechselt wird.<br />
2.1.3 Ablauf e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong><br />
Es kann davon ausgegangen werden, dass es aufgr<strong>und</strong> der hohen Flexibilität<br />
des Verfahrens wahrsche<strong>in</strong>lich so viele Formen <strong>und</strong> Stile wie Mediatoren gibt (Duve,<br />
1998). In der Literatur f<strong>in</strong>den sich meist fünf- bis siebenstufige Modelle zum Ablauf<br />
der <strong>Mediation</strong>, die sich je nach Gebiet der <strong>Mediation</strong> ger<strong>in</strong>gfügig unterscheiden.<br />
Exemplarisch soll der Ablauf e<strong>in</strong>er <strong>Wirtschaft</strong>smediation nach Eidenmüller (2000)<br />
dargestellt werden.<br />
Die erste Phase ist die Eröffnungsphase durch den Mediator. Er erläutert das<br />
Verfahren <strong>und</strong> legt geme<strong>in</strong>sam mit den Konfliktparteien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
18
<strong>Mediation</strong>svere<strong>in</strong>barung deren Rechte <strong>und</strong> Pflichten <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Mediatorvertrag<br />
die Rechte <strong>und</strong> Pflichten des Mediators fest.<br />
Phase 2 dient der geme<strong>in</strong>samen Erörterung der Sach- <strong>und</strong> Rechtslage, <strong>in</strong> der sich<br />
die Parteien bef<strong>in</strong>den. Der Mediator wird die <strong>Mediation</strong> regelmäßig mit e<strong>in</strong>er<br />
Bestandsaufnahme h<strong>in</strong>sichtlich der konkreten Verhandlungs- bzw. Konfliktsituation<br />
beg<strong>in</strong>nen. Die Bestandsaufnahme betrifft zum e<strong>in</strong>en die Inhaltsebene, d.h. um<br />
welche Themen geht es <strong>und</strong> zum anderen die Beziehungsebene , d.h. können die<br />
Beteiligten noch mite<strong>in</strong>ander reden. Die Erörterung der Rechtslage hat <strong>in</strong> der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation e<strong>in</strong>e stärkere Gewichtung als z.B. <strong>in</strong> der Familienmediation.<br />
In der dritten Phase wird konkret nach den Interessen der Beteiligten gefragt,<br />
sowohl auf der Sach- als auch auf der Beziehungsebene. Es wird herausgearbeitet,<br />
worum es den Beteiligten wirklich geht, was ihnen wichtig <strong>und</strong> was ihnen weniger<br />
wichtig ist. Mähler <strong>und</strong> Mähler (2001) gehen davon aus, dass, je mehr e<strong>in</strong><br />
Konfliktpartner von sich selbst <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Interessen mitteilt, es umso eher möglich<br />
<strong>und</strong> wahrsche<strong>in</strong>lich ist, dass se<strong>in</strong>e Interessen am Ende sich <strong>in</strong> der vertraglichen<br />
Vere<strong>in</strong>barung wiederf<strong>in</strong>den. Da <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> weniger offen mit den eigenen<br />
Interessen <strong>und</strong> Beweggründen umgegangen wird, werden hier auch E<strong>in</strong>zelgespräche<br />
mit den Beteiligten geführt. Diese „shuttle diplomacy“ oder „causus“ genannte<br />
Vorgehensweise ist <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong>smediation völlig üblich (Stubbe, 2001). Der<br />
Mediator übermittelt der anderen Partei nur die Informationen, die nach dem Willen<br />
der <strong>in</strong>formationsgebenden Partei weitergegeben werden dürfen <strong>und</strong> sollen. Das<br />
E<strong>in</strong>zelgespräch ist e<strong>in</strong>e umstrittene Methode, da auf diese Art ke<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
Verständnis von dem Konflikt erarbeitet werden kann, welches für die Suche nach<br />
e<strong>in</strong>vernehmlichen Lösungen von großer Bedeutung ist.<br />
Phase 4 beschäftigt sich mit der Problemlösung. Geme<strong>in</strong>sam suchen die<br />
Konfliktparteien nun nach Lösungen, die beide Interessenlagen berücksichtigen. Der<br />
Mediator versucht an dieser Stelle, die Parteien dabei zu unterstützen, den Blick<br />
möglichst weit aufzumachen. Er erarbeitet geme<strong>in</strong>sam mit den Parteien, wie viele<br />
verschiedene Lösungsalternativen es für e<strong>in</strong> anfänglich unlösbar sche<strong>in</strong>endes<br />
Problem geben kann. Wichtig ist dabei, die Lösungssuche von der<br />
Lösungsbewertung zu trennen, da es sich um zwei gegensätzliche Prozesse handelt.<br />
19
Bei der Lösungssuche bedarf es e<strong>in</strong>es hohen Maßes an Offenheit,<br />
Experimentierbereitschaft <strong>und</strong> Kreativität, während der Vorgang des Bewertens e<strong>in</strong>e<br />
Verengung der Perspektiven <strong>und</strong> Selektion bedeutet.<br />
In der Phase 5 f<strong>in</strong>det die E<strong>in</strong>igung auf e<strong>in</strong>e der Alternativen statt. Diese wird dann<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>svergleich vertraglich festgehalten, so dass sie auch vor Gericht<br />
standhalten kann.<br />
2.1.4 Vor- <strong>und</strong> Nachteile<br />
Gerade im <strong>Wirtschaft</strong>sbereich kann <strong>Mediation</strong> e<strong>in</strong>e schnelle, praxisorientierte <strong>und</strong><br />
kostengünstige Alternative se<strong>in</strong>. Durch die Nicht-Öffentlichkeit <strong>und</strong> die<br />
Vertraulichkeitserklärung aller Beteiligten kann e<strong>in</strong> Imageverlust verh<strong>in</strong>dert werden.<br />
Im Zentrum steht nicht die Schuldfrage, sondern die wirtschaftlich wesentlich<br />
wichtigere Frage: „Wie soll es weitergehen?“ (Budde, 1998). Gerade dieser<br />
zukunftsorientierte Blick ist e<strong>in</strong> sehr unternehmerischer Gedanke. Dem Argument,<br />
dass <strong>Mediation</strong> weitaus billiger als e<strong>in</strong> Gerichtsverfahren ist, stehen Praktiker<br />
zwiespältig gegenüber, da vor allem im <strong>Wirtschaft</strong>sbereich meist auch Anwälte der<br />
Konfliktparteien an der <strong>Mediation</strong> teilnehmen <strong>und</strong> im Falle e<strong>in</strong>es Scheiterns die<br />
Prozesskosten zusätzlich auf die Parteien zukommen. In Fachzeitschriften f<strong>in</strong>den<br />
sich dennoch e<strong>in</strong>ige Beispielrechnungen, <strong>in</strong> denen belegt wird, dass <strong>Mediation</strong> meist<br />
die kostengünstigere Alternative für Unternehmen ist (Duve & Eidenmüller, 2001;<br />
Hemm<strong>in</strong>g, 1999). Weitere Vorteile s<strong>in</strong>d die Kontrolle über das Ergebnis, da der<br />
Mediator ke<strong>in</strong>e Entscheidungsbefugnis hat (Duve, 2000; Filner, 1998; Haynes, 1998;<br />
Montada & Kals, 2001), die Aufrechterhaltung der (Geschäfts-)Beziehungen (Filner,<br />
1998; Haynes, 1998; Streckhardt & Malakas, 1999) <strong>und</strong> die größere<br />
Ergebniszufriedenheit aufgr<strong>und</strong> des hohen Eigenanteils bei der Erarbeitung der<br />
Konfliktlösung (Filner, 1998; Strempel, 1998).<br />
Dennoch dürfen Grenzen <strong>und</strong> Nachteile nicht übersehen werden. Die Offenlegung<br />
entscheidungsrelevanter Tatsachen kann dazu führen, dass Unternehmen<br />
ausgeforscht werden <strong>und</strong> ungewollt <strong>in</strong>time Informationen an den Gegner gelangen<br />
(Lenz & Müller, 1999). Diese Informationen können dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gerichtlichen<br />
Verfahren missbraucht werden (Mähler & Mähler, 2001). Auch kann der Mediator als<br />
Zeuge geladen werden (Lenz & Müller, 1999; Mähler & Mähler, 2001). Um dies zu<br />
20
vermeiden, sichern sich die Konfliktpartner <strong>in</strong> der <strong>Mediation</strong>svere<strong>in</strong>barung <strong>in</strong> der<br />
Regel zu, dass die Informationen vertraulich behandelt werden <strong>und</strong> der Mediator<br />
nicht als Zeuge benannt werden darf. Laut Eidenmüller (<strong>in</strong> Mähler & Mähler, 2001),<br />
bezieht sich diese Vertraulichkeitsverpflichtung nicht auf Tatsachen, die auch ohne<br />
<strong>Mediation</strong> beweisbar wären <strong>und</strong> /oder die e<strong>in</strong>er rechtlichen Auskunftspflicht<br />
unterliegen. Insofern schützt die <strong>Mediation</strong>svere<strong>in</strong>barung die Konfliktparteien nur<br />
partiell. Dies sei allerd<strong>in</strong>gs eher e<strong>in</strong> theoretisches als e<strong>in</strong> praktisches Problem. Der<br />
Gr<strong>und</strong> ist das Pr<strong>in</strong>zip der Reziprozität: da jeder Konfliktpartner e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> etwa gleichen<br />
Informationsstand hat, ist er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gerichtlichen Verfahren nicht schlechter<br />
gerüstet als der andere - nach dem Motto: „... wie du mir, so ich dir ...“ (Mähler &<br />
Mähler, 2001).<br />
2.1.5 Eignung<br />
<strong>Mediation</strong> ist ke<strong>in</strong> Allheilmittel <strong>und</strong> nicht <strong>in</strong> jeder Situation geeignet. Laut Duve<br />
(2000) sollte auf dieses Verfahren zurückgriffen werden, wenn:<br />
� e<strong>in</strong>e langfristig angelegte Beziehung zwischen den Parteien besteht<br />
� der Wunsch nach (Wieder-) Herstellung der Kommunikation besteht<br />
� der Wunsch besteht, den Ursachen des Konflikts näher zu kommen<br />
� die Interessen rechtlich nicht zu verfolgen s<strong>in</strong>d<br />
� der Wunsch nach e<strong>in</strong>er kooperativen Lösung besteht<br />
� es sich um sehr komplexe Sachverhalte mit schwieriger Beweislage <strong>und</strong> dem<br />
Wunsch nach e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>vernehmlichen Beilegung handelt<br />
� e<strong>in</strong>e zügige Lösung gewünscht wird <strong>und</strong><br />
� Kontrolle <strong>und</strong> Vertraulichkeit gewünscht werden<br />
Weiterh<strong>in</strong> hängt die Eignung von den Erwartungen der Konfliktparteien an die<br />
Rolle des Mediators ab. Der <strong>Mediation</strong>sstil, d.h. die Art <strong>und</strong> Weise wie der Mediator<br />
den Prozess leitet, kann den Erwartungen der Parteien entsprechen oder<br />
widersprechen. Während sich e<strong>in</strong>ige Mediatoren nur auf e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> sachliche<br />
Beurteilung des Problems beschränken, versuchen andere Mediatoren das Problem<br />
geme<strong>in</strong>sam mit den Konfliktparteien umfassend zu klären.<br />
<strong>Mediation</strong> ist nicht das geeignete Verfahren, wenn:<br />
21
� e<strong>in</strong> Streitgegenstand nicht der privaten Dispositionsfreiheit unterliegt, d.h. die<br />
Parteien haben aufgr<strong>und</strong> von Rechtsvere<strong>in</strong>barungen ke<strong>in</strong>e<br />
Verhandlungsautonomie<br />
� die Entscheidung e<strong>in</strong>em Hoheitsträger vorbehalten ist, z.B. bei Insolvenzen<br />
� es e<strong>in</strong>deutige Erfolgsaussichten im streitigen Verfahren gibt, z.B. wenn die<br />
Sach- <strong>und</strong> Rechtslage so e<strong>in</strong>deutig ist, dass e<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong> von der anderen<br />
Seite nur dazu genutzt wird, um sich ihren Verpflichtungen zu entziehen<br />
� m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Partei e<strong>in</strong>e gerichtliche Entscheidung erlangen möchte<br />
� es darum geht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erhalten<br />
� das Vertrauen fehlt, d.h. wenn feststeht, dass e<strong>in</strong>e Partei die <strong>Mediation</strong> nur zum<br />
Ausforschen von Informationen <strong>und</strong> zur Zeitverzögerung nutzt oder das<br />
Vertrauen durch vorherige Verletzungen vollkommen zerstört ist<br />
Montada <strong>und</strong> Kals (2001) ergänzen diese Reihe von Kriterien, <strong>in</strong>dem sie an<br />
die Studie von Thibault <strong>und</strong> Walker (1975) er<strong>in</strong>nern. Thibault <strong>und</strong> Walker stellten fest,<br />
dass es bestimmte Konstellationen gibt, <strong>in</strong> denen das Gerichtsverfahren bevorzugt<br />
wird, z.B. wenn:<br />
� das Vertrauen <strong>in</strong> die eigenen Verhandlungsmöglichkeiten ger<strong>in</strong>ger ist als das<br />
Vertrauen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Richter oder Schlichter<br />
� der Verhandlungsgegenstand so komplex ist, dass e<strong>in</strong>e Klärung durch<br />
professionelle Entscheider (z.B. Richter) als angebracht gesehen wird<br />
E<strong>in</strong> großes Machtungleichgewicht kann ebenfalls e<strong>in</strong> Ausschlusskriterium se<strong>in</strong><br />
(Budde, 1998). Montada <strong>und</strong> Kals (2001) behaupten dagegen, dass kompetente<br />
Mediatoren <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, Machtungleichgewichte zu kompensieren.<br />
2.1.6 Rolle des Mediators<br />
Die Frage nach der Rolle des Mediators wurde aktuell, da sich auch<br />
professionelle Familienmediatoren <strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong>skonflikten zu engagieren begannen<br />
(Haynes, 1998). Nun ist der strittige Punkt: Welche Fachkompetenz <strong>und</strong><br />
Branchenkenntnis sollte e<strong>in</strong> Mediator haben? Welche Rechtskenntnisse s<strong>in</strong>d<br />
erforderlich? Welche Ausbildung ist nötig?<br />
22
Haynes (1998) behauptet, dass e<strong>in</strong> Mediator auch e<strong>in</strong> Konflikten mediieren kann, <strong>in</strong><br />
denen er ke<strong>in</strong> Experte ist. Man muss nicht wissen, wie e<strong>in</strong>e Fabrik oder e<strong>in</strong><br />
Unternehmen funktioniert, um Konflikte mediieren zu können: „What I have to be is<br />
an expert mediator“. Nach diesem Verständnis beschränkt sich die Aufgabe des<br />
Mediators darauf, e<strong>in</strong> bestimmtes Verfahren zu garantieren, ungeachtet dessen, ob<br />
das Ergebnis am Ende tragfähig oder gerecht ist.<br />
Von Schlieffen (2000) ist h<strong>in</strong>gegen der Me<strong>in</strong>ung, dass e<strong>in</strong> Mediator ohne<br />
Sachkenntnis <strong>in</strong> manchen Konflikten leicht den Überblick verlieren kann. Er wird<br />
weder <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, den Parteien zu helfen, ihre Anliegen zu sammeln, noch<br />
wahrzunehmen, ob e<strong>in</strong>e Seite Macht ausübt.<br />
E<strong>in</strong>e ähnliche Une<strong>in</strong>igkeit besteht bei der Frage nach dem Rechtsverstand.<br />
Breidenbach, Mählers, Ponschab, Ripke u.a. (<strong>in</strong> Falk et al., 1998) messen dem Recht<br />
e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung bei – was vielleicht damit zusammenhängt, dass sie selbst<br />
Juristen s<strong>in</strong>d. Das völlige Ausklammern des Rechts sei nicht nur juristisch, sondern<br />
auch methodisch problematisch, da es den Gesprächsfluss beh<strong>in</strong>dern würde.<br />
Zum<strong>in</strong>dest sollte der Mediator die Fachterm<strong>in</strong>i beherrschen (Falk, 1998). Von<br />
Schlieffen (2000) beantwortet die Frage nach den Rechtskenntnissen mit folgender<br />
Aussage: „Je weniger privat <strong>und</strong> um so rechtsförmiger e<strong>in</strong> Konflikt ist, um so<br />
unerlässlicher ist es, dass der Mediator auch über die erforderlichen<br />
Rechtskenntnisse verfügt“. Stülb von Klimesch (1999) vertritt nicht diese Me<strong>in</strong>ung.<br />
Für ihn ist „... Recht das Fachwissen des Juristen ...“, aber nicht das der streitenden<br />
Parteien. Interessenfragen seien zunächst e<strong>in</strong>mal ke<strong>in</strong>e juristischen Fragen.<br />
Da die Bezeichnung des Mediators noch nicht geschützt ist, bleibt weiter umstritten,<br />
ob <strong>Mediation</strong> „Anwaltssache“ ist bzw. <strong>in</strong> welchem Umfang Rechtswissen, Fach- <strong>und</strong><br />
Branchenkenntnis <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong>smediation erforderlich s<strong>in</strong>d.<br />
In der Literatur lassen sich jedoch jetzt schon Kriterien für den Erfolg von<br />
Mediatoren f<strong>in</strong>den (Eidenmüller, 2000). Der Erfolg ist abhängig von:<br />
� der Prozesskompetenz, die e<strong>in</strong> Mediator besitzt, d.h., ihm sollten die<br />
typischen Verhandlungsabläufe vertraut se<strong>in</strong> <strong>und</strong> er sollte verschiedene<br />
23
<strong>Mediation</strong>stechniken e<strong>in</strong>setzen können (Voraussetzung dafür s<strong>in</strong>d<br />
Ausbildung <strong>und</strong> Erfahrung)<br />
� der Sachkompetenz im H<strong>in</strong>blick auf den Verhandlungsgegenstand<br />
� thematisch e<strong>in</strong>schlägigen Rechtskenntnissen <strong>und</strong><br />
� der Gleichrangigkeit, d.h. ob der Mediator zur selben sozialen Gruppe wie<br />
die Konfliktparteien gehört<br />
Montada <strong>und</strong> Kals (2001) fügen dem weitere psychologische Kompetenzen<br />
h<strong>in</strong>zu, wie z.B.:<br />
� die Fähigkeit zum Aufbau von Vertrauen zu den Parteien<br />
� die Kompetenz der Problembewältigung<br />
� die Kompetenz zur Lösungsf<strong>in</strong>dung<br />
� emotionale Intelligenz <strong>und</strong> Stabilität <strong>und</strong><br />
� sicheres Auftreten <strong>und</strong> Freude am Umgang mit Menschen<br />
2.1.7 Abgrenzung<br />
Wie lässt sich <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> die bestehende Landschaft der bereits vorhandenen<br />
Formen der Konfliktregelung e<strong>in</strong>ordnen? Ist <strong>Mediation</strong> wirklich etwas Neues oder nur<br />
Altbekanntes unter neuem Namen? Diese beiden Fragen sollen im folgenden<br />
Abschnitt beantwortet werden. Da es sich um e<strong>in</strong>e psychologische Arbeit handelt,<br />
wird auf die Abgrenzung zu anderen psychologischen Konfliktbeilegungsverfahren<br />
detaillierter e<strong>in</strong>gegangen als auf die Abgrenzung zu juristischen Verfahren. Es soll<br />
vor allem der Unterschied zwischen Konfliktmoderation <strong>und</strong> <strong>Mediation</strong> klar<br />
herausgearbeitet werden.<br />
a. Abgrenzung zu juristischen Konfliktbeilegungsverfahren<br />
Gerichts- <strong>und</strong> Schiedsverfahren. Vergleicht man die Tätigkeit des Mediators mit<br />
derjenigen e<strong>in</strong>es Richters oder Schiedsrichters, dann fallen Geme<strong>in</strong>samkeiten, aber<br />
auch gravierende Unterschiede auf. Bei allen drei Tätigkeiten ist der Dritte neutral<br />
<strong>und</strong> steuert den Verhandlungsprozess. Obwohl Richter bzw. Schiedsrichter<br />
berechtigt s<strong>in</strong>d, notfalls den Streit autoritativ zu entscheiden, werden sie angehalten,<br />
auf e<strong>in</strong>e gütliche Regelung des Rechtsstreits bedacht zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />
„vergleichsfördernd“ zu agieren (Eidenmüller, 2000).<br />
24
Am Ende steht dennoch e<strong>in</strong>e rechtsverb<strong>in</strong>dliche Entscheidung des Richters oder<br />
Schiedsrichters. Anders <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong>, dort geben die Konfliktparteien ihre<br />
Verantwortung <strong>und</strong> Entscheidungsfreiheit nicht an Dritte ab. Der Mediator hat ke<strong>in</strong>e<br />
Entscheidungsgewalt. E<strong>in</strong> weiterer Unterschied ist die verschiedene Bewertung von<br />
Ansprüchen <strong>und</strong> Interessen (Eidenmüller, 2000). E<strong>in</strong> Rechtsverfahren kann sich<br />
immer nur auf Rechtsansprüche stützen: „Wer will was von wem woraus?“. Häufig<br />
geht dabei verloren, was die Parteien eigentlich wollen (Budde, 1998). Insofern wird<br />
das Urteil e<strong>in</strong>es Richters oder Schiedsrichter oft auch als ungerecht erlebt (Montada<br />
& Kals, 2001), da eigene Interessen nicht genügend berücksichtigt wurden. In<br />
<strong>Mediation</strong>sverfahren spielt das Recht zwar auch e<strong>in</strong>e Rolle, aber die<br />
Rechtsansprüche stehen eher im H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>. Es geht vorrangig um die Interessen<br />
der Konfliktparteien <strong>und</strong> darum, wie auf Gr<strong>und</strong>lage dieser Interessen e<strong>in</strong>e für alle<br />
Beteiligten vorteilhafte Lösung gef<strong>und</strong>en werden kann (Eidenmüller, 2000). Nicht zu<br />
vergessen ist, dass e<strong>in</strong> Rechtsverfahren im Unterschied zu e<strong>in</strong>em<br />
<strong>Mediation</strong>sverfahren oft als streitverschärfend erlebt wird. Lenz & Müller (1999)<br />
sehen die Ursache dafür <strong>in</strong> der Vergangenheits- <strong>und</strong> Fehlerorientierung von<br />
Rechtsverfahren.<br />
Schlichtung. Das Schlichtungsverfahren kommt der <strong>Mediation</strong> wesentlich näher<br />
als das Gerichts- oder Schiedsverfahren. Schlichter agieren wie Mediatoren als<br />
neutrale Dritte ohne Entscheidungskompetenz (Eidenmüller, 2000). Die<br />
Konfliktparteien tragen dem Schlichter ihren Konfliktfall vor <strong>und</strong> bitten diesen lediglich<br />
um e<strong>in</strong>en Entscheidungsvorschlag. Dieser Schlichterspruch ist im Unterschied zu<br />
e<strong>in</strong>em Gerichts- oder Schiedsverfahren zunächst nicht rechtsverb<strong>in</strong>dlich, sondern<br />
von der Annahme der Parteien abhängig (Montada & Kals, 2001). Dennoch wird er<br />
im Normalfall meist befolgt bzw. akzeptiert.<br />
In e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>sverfahren s<strong>in</strong>d die Beteiligten selbst aufgerufen, e<strong>in</strong>e Lösung<br />
für ihren Konflikt zu f<strong>in</strong>den. Die Aufgabe des Mediators besteht dar<strong>in</strong>, die Beteiligten<br />
<strong>in</strong> diesem Lösungsf<strong>in</strong>dungsprozess zu unterstützen. Das schließt jedoch nicht aus,<br />
dass der Mediator auch konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten kann. Dennoch<br />
sollte das e<strong>in</strong>e Ausnahme <strong>und</strong> nie die Regel se<strong>in</strong> (Eidenmüller, 2000).<br />
25
. Abgrenzung zu psychologischen Konfliktbeilegungsverfahren<br />
Konfliktmoderation. Der Begriff „Moderation“ ist <strong>in</strong> den 1970er Jahren entstanden,<br />
als nach partizipativen Verfahren <strong>in</strong> Unternehmen <strong>und</strong> Politik gesucht wurde. Um e<strong>in</strong><br />
von allen Beteiligten akzeptiertes Ergebnis erarbeiten zu können, wurde von der<br />
Metaplan Gruppe <strong>in</strong> Quickborn e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Methode entwickelt. Diese<br />
wurde Metaplan-Methode oder Moderationsmethode genannt (Blucha et al., 2000).<br />
Geme<strong>in</strong>samkeiten zwischen Konfliktmoderation <strong>und</strong> <strong>Mediation</strong> bestehen<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Funktion <strong>und</strong> Methodik. Beide Verfahren werden e<strong>in</strong>gesetzt, wenn es<br />
darum geht, Konflikte e<strong>in</strong>vernehmlich zu lösen <strong>und</strong> Eskalationen zu verh<strong>in</strong>dern.<br />
Zentrale Pr<strong>in</strong>zipien dabei s<strong>in</strong>d u.a. Neutralität, Unparteilichkeit, Ergebnisoffenheit,<br />
<strong>und</strong> dass die Beteiligten selbst ihre Ziele bestimmen (Redlich, 1997). Die Aufgabe<br />
sowohl des Moderators als auch des Mediators ist es, der Kommunikation e<strong>in</strong>e<br />
Struktur zu geben sowie übergeordnete Interessen <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten der<br />
Konfliktbeteiligten herauszuarbeiten.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Geme<strong>in</strong>samkeit liegt <strong>in</strong> der Nutzung von E<strong>in</strong>zelgesprächen:<br />
e<strong>in</strong>ige Moderatoren berichten, dass sich beim Aushandeln von Sachkonflikten die<br />
E<strong>in</strong>führung von Gesprächspausen oder freie E<strong>in</strong>zelgespräche bewährt haben<br />
(Redlich, 1997). Ebenso erwähnen Duve <strong>und</strong> Eidenmüller (2001) den E<strong>in</strong>satz von<br />
E<strong>in</strong>zelgesprächen <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong>smediation.<br />
Konfliktmoderation läuft wie <strong>Mediation</strong> nach e<strong>in</strong>em bestimmten Phasenmodell<br />
ab. In e<strong>in</strong>er Befragung von 50 erfahrenen Tra<strong>in</strong>ern <strong>und</strong> Beratern haben sich fünf<br />
Schritte der Konfliktbearbeitung herauskristallisiert (Redlich, 1997):<br />
1. Vorgespräch, <strong>in</strong> dem der Auftrag mit dem Vorgesetzten gestaltet wird<br />
2. Kontakt zwischen allen Beteiligten herstellen<br />
3. Themen sammeln<br />
4. Sichtweisen der Beteiligten klären<br />
5. Lösungen aushandeln<br />
Das Konzept der fünf Phasen der Konfliktmoderation stimmt laut Redlich<br />
(1997) weitgehend mit den Theorien der <strong>Mediation</strong> nach Besemer (1993), des<br />
Konfliktverhandelns nach Fischer <strong>und</strong> Ury (1984) <strong>und</strong> des Konfliktmanagements<br />
26
nach Glasl (1998) übere<strong>in</strong>. Im Großen <strong>und</strong> Ganzen folgen somit <strong>Mediation</strong> wie<br />
Konfliktmoderation dem allgeme<strong>in</strong>en Problemlösemodell mit Diagnose, Planung <strong>und</strong><br />
Intervention. Der Unterschied zum Phasenmodell der <strong>Wirtschaft</strong>smediation von Duve<br />
<strong>und</strong> Eidenmüller (2001) liegt <strong>in</strong> der stärkeren Betonung der „Erörterung der Sach-<br />
<strong>und</strong> Rechtslage“.<br />
Von der sprachlichen Bedeutung her lassen sich die Begriffe „Moderation“ <strong>und</strong><br />
„<strong>Mediation</strong>“ noch e<strong>in</strong>deutiger vone<strong>in</strong>ander abgrenzen. Im Late<strong>in</strong>ischen bedeutet<br />
„moderator“ soviel wie „Lenker, Leiter“ <strong>und</strong> „moderare“ lässt sich mit „mäßigen,<br />
lenken“ übersetzen; „mediator“ bedeutet dagegen „Mittelsperson, Mittler“.<br />
’Moderation’ ist für Redlich (1997) demzufolge „... e<strong>in</strong>e strukturgebende<br />
E<strong>in</strong>flussnahme e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>haltlich neutralen, außenstehenden Person auf den<br />
Kommunikationsprozess e<strong>in</strong>er Gruppe ...“. Den Begriff „Konfliktmoderation“ benutzt<br />
er <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit der late<strong>in</strong>ischen Bedeutung, wenn es sich also um die<br />
Lösung e<strong>in</strong>es Konflikts zwischen den Mitgliedern e<strong>in</strong>er Gruppe oder zwischen<br />
Gruppen handelt. Der Begriff „<strong>Mediation</strong>“ kommt zum E<strong>in</strong>satz, wenn es sich um die<br />
Vermittlung zwischen zwei Personen oder Konfliktparteien ohne die E<strong>in</strong>beziehung<br />
weiterer Gruppenmitglieder handelt. Vere<strong>in</strong>facht kann gesagt werden:<br />
„Konfliktmoderation bedeutet die Vermittlung <strong>in</strong> Gruppen“ <strong>und</strong> „<strong>Mediation</strong> bedeutet<br />
die Vermittlung bei nur zwei Parteien“.<br />
In der Konfliktmoderation kommen über die re<strong>in</strong>e Vermittlung (<strong>Mediation</strong>)<br />
h<strong>in</strong>aus noch weitere Aktivitäten im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „mäßigenden“ Steuerung der Gruppe<br />
(Moderation) h<strong>in</strong>zu (Redlich & Ell<strong>in</strong>g, 2000). Der Moderator muss neben der<br />
Vermittlung zwischen den Konfliktseiten zugleich noch e<strong>in</strong>e Personengruppe leiten,<br />
da Gruppen die Neigung haben, Me<strong>in</strong>ungen, Werte, Positionen u.a. zu verstärken<br />
(„risky shift“ Phänomen). Dennoch geht Redlich davon aus, dass sich diese<br />
sprachliche Trennung zwischen <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> Moderation nicht durchsetzen wird, „...<br />
da der Begriff <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong>zwischen so bekannt <strong>und</strong> so positiv besetzt ist, dass jeder,<br />
der damit Geld verdienen will, nicht umh<strong>in</strong> kommt, diesen Begriff zu verwenden.“<br />
(Redlich, 2001). In der Literatur werden die Begriffe „Moderation“, „Moderator“ <strong>und</strong><br />
„<strong>Mediation</strong>“, „Mediator“ derzeit auch häufig synonym verwendet.<br />
27
Supervision. Die Funktion von Supervision ist die Analyse von professionellen<br />
Beziehungen, seien es Beziehungen zwischen Professionellen <strong>und</strong> ihren Klienten<br />
oder zwischen Professionellen, z.B. Teammitgliedern. Untersucht wird dabei die<br />
Rollenhaftigkeit dieser Beziehungen <strong>und</strong> deren Auswirkungen auf die Arbeit <strong>und</strong> die<br />
Beziehungen selbst (Rappe-Giesecke, 1994). Dabei können auch Konflikte zur<br />
Sprache kommen <strong>und</strong> der Supervisor kann die Rolle e<strong>in</strong>es Mediators, e<strong>in</strong>es<br />
Vermittlers, e<strong>in</strong>nehmen. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Konfliktbearbeitung nur e<strong>in</strong>e Teilaufgabe<br />
der Supervision.<br />
Sie unterscheidet sich von <strong>Mediation</strong> vor allem <strong>in</strong> ihrer Zielstellung, nämlich dem<br />
System se<strong>in</strong>e Selbstregulierungsfähigkeit zurückzugeben bzw. diese zu verstärken<br />
(Rappe-Giesecke, 1994). Supervision erfolgt meist <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen mit ca. 4-6<br />
Teilnehmern unter Anleitung e<strong>in</strong>es erfahrenen Supervisors. Jeder Teilnehmer hat die<br />
Gelegenheit, e<strong>in</strong> für ihn <strong>in</strong> der Vergangenheit aufgetretenes Problem darzustellen,<br />
welches dann geme<strong>in</strong>sam mit der Gruppe bearbeitet wird. Es werden geme<strong>in</strong>sam<br />
Alternativen zum besseren Umgang mit der jeweiligen Situation gesucht (Legewie &<br />
Ehlers, 1994). An e<strong>in</strong>er Supervision nehmen nur Angehörige e<strong>in</strong>er Profession teil,<br />
hauptsächlich aus der Gruppe der helfenden Berufe (Rappe-Giesecke, 1994). Im<br />
Unterschied zu e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>sverfahren, <strong>in</strong> welchem immer alle am Konflikt<br />
beteiligte Personen anwesend s<strong>in</strong>d, ist es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Supervision nicht ungewöhnlich,<br />
dass nur e<strong>in</strong>e im Konflikt <strong>in</strong>volvierte Person ihr Problem darstellt.<br />
Coach<strong>in</strong>g. Coach<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong>e Form der Supervision im Management. Sie dient<br />
primär der Förderung bzw. Wiederherstellung der beruflichen Kompetenz. Der Coach<br />
begleitet die zu coachende Person <strong>in</strong> ihrem beruflichen Alltag <strong>und</strong> gibt<br />
Hilfestellungen bei der Lösung vorwiegend das Arbeitsleben betreffender Probleme.<br />
Es gibt zwei Formen, das E<strong>in</strong>zelcoach<strong>in</strong>g <strong>und</strong> das Systemcoach<strong>in</strong>g (Roth et al.,<br />
1995). Die Konfliktbearbeitung f<strong>in</strong>det im E<strong>in</strong>zelcoach<strong>in</strong>g hauptsächlich durch<br />
<strong>in</strong>dividuelle Beratung statt. Beim Systemcaoch<strong>in</strong>g können die Übergänge zur<br />
<strong>in</strong>nerbetrieblichen <strong>Mediation</strong> allerd<strong>in</strong>gs fließend se<strong>in</strong>.<br />
Im Unterschied zur <strong>Mediation</strong> impliziert Coach<strong>in</strong>g neben Diagnostik <strong>und</strong> Beratung<br />
auch die Modifikation sub-optimalen Verhaltens <strong>und</strong> Handelns. Demzufolge<br />
unterscheidet sich Coach<strong>in</strong>g ebenso wie Supervision durch die Zielstellung. Ziele des<br />
28
Coach<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Leistungsoptimierung <strong>und</strong> Persönlichkeitsentwicklung (König,<br />
1995).<br />
2.1.8 Vermarktung von <strong>Mediation</strong><br />
E<strong>in</strong> großer Teil der Arbeit von <strong>Wirtschaft</strong>smediatoren liegt derzeit <strong>in</strong> der<br />
Vermarktung dieser Dienstleistung (Oberländer, 1998). Wie vermarktet man aber<br />
<strong>Mediation</strong>?<br />
Da laut Stülb von Klimesch (1999) <strong>Mediation</strong> etwas Neues für den Markt darstellt,<br />
muss dieses dem Markt mitgeteilt werden. Erfolgreiche Verkäufer haben oft e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>fache Strategie: Sie holen den K<strong>und</strong>en dort ab, wo er steht. Dabei ist wichtig, dass<br />
der Mediator die Sprache des K<strong>und</strong>en spricht. Die gleiche Sprache zu sprechen<br />
schafft Vertrauen, e<strong>in</strong>e der Voraussetzungen für <strong>Mediation</strong>. Um die Interessen der<br />
K<strong>und</strong>en zu verstehen ist Fachwissen unverzichtbar. Demzufolge lautet die<br />
Marktstrategie:<br />
� der Mediator muss aktiv auf den Markt zugehen<br />
� er muss die Sprache der Zielgruppe sprechen <strong>und</strong><br />
� er muss das Fachwissen der Zielgruppe besitzen<br />
Auch Fuchs (1999) geht davon aus, dass die Market<strong>in</strong>gpolitik der <strong>Mediation</strong> e<strong>in</strong>e<br />
unmissverständliche, zielgruppengerechte Term<strong>in</strong>ologie <strong>und</strong> Sprache braucht. Se<strong>in</strong>e<br />
Market<strong>in</strong>gstrategie für Umweltmediation, die aber ohne weiteres auf den <strong>Wirtschaft</strong>s<strong>und</strong><br />
Arbeitsbereich modifiziert werden kann, setzt sich u.a. aus den folgenden drei<br />
Komponenten zusammen:<br />
1. e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition der Zielgruppe<br />
2. die Erarbeitung e<strong>in</strong>es Stärken-Schwächen-Katalogs<br />
3. die richtige Präsentation <strong>in</strong> den Medien<br />
Zuerst gilt es, die Zielgruppe zu def<strong>in</strong>ieren, d.h. wer soll erreicht werden. Hierbei ist<br />
nicht nur die Benennung der potentiellen Interessenten wichtig, sondern auch die<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit deren soziokulturellem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, deren Alter, Rang,<br />
Rollenverhältnis, Bildung, Sprache etc. Für <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediatoren<br />
lassen sich u.a. folgende Hauptzielgruppen identifizieren:<br />
� potenzielle Anwender <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong><br />
29
� Multiplikatoren (Verbände, Organisationen)<br />
� andere Mediatoren<br />
� das Rechtssystem (Anwälte <strong>und</strong> Richter als Multiplikatoren)<br />
� Partner <strong>in</strong> der Weiterentwicklung<br />
� die Medien<br />
� potenzielle Spender <strong>und</strong> Sponsoren<br />
Der Stärken- <strong>und</strong> Schwächenkatalog dient der Darstellung des Produktes<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- oder Arbeitsmediation <strong>in</strong> der Öffentlichkeit. Dieser sollte nicht nur die<br />
Vor- <strong>und</strong> Nachteile von <strong>Mediation</strong> be<strong>in</strong>halten, sondern auch typische Vorbehalte<br />
gegen <strong>Mediation</strong>.<br />
Bei der Präsentation <strong>in</strong> den Medien ist darauf zu achten, das richtige<br />
Nachrichtenmedium zu f<strong>in</strong>den, welches von der Zielgruppe am meisten genutzt oder<br />
akzeptiert wird. Als erwiesen gilt dabei, dass e<strong>in</strong> lockerer Artikel meist besser<br />
geeignet ist als e<strong>in</strong>e gewöhnliche Anzeige.<br />
30
2.2 Akzeptanz<br />
Da <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Deutschland noch nicht so weit verbreitet ist wie z.B. <strong>in</strong> den USA,<br />
stellt sich die Frage, was der Akzeptanz dieser neuen Methode im Wege steht. Im<br />
Folgenden werden kurz die Begriffe „Innovation“ <strong>und</strong> „Akzeptanz“ sowie Theorien<br />
über die Akzeptanz von Innovationen vorgestellt. Gleichzeitig soll erläutert werden,<br />
wie sich <strong>Mediation</strong> unter diesen Gesichtspunkten betrachten lässt.<br />
2.2.1 Innovation – Def<strong>in</strong>itionen <strong>und</strong> Theorien<br />
Der Begriff der Innovation lässt sich nach Meißner (1989) auf zweierlei Arten<br />
def<strong>in</strong>ieren: e<strong>in</strong>erseits objektbezogen, wobei die Innovation das Ergebnis e<strong>in</strong>es<br />
Erneuerungsprozesses ist, <strong>und</strong> anderseits prozessual, wo die Innovation der<br />
Erneuerungsprozess selbst ist. Charakteristika e<strong>in</strong>er Innovation s<strong>in</strong>d nach Meißner<br />
ihre Neuheit, die Unsicherheit (<strong>in</strong> Bezug auf ihre Eigenschaften wie auch auf ihre<br />
Wirkung), ihre Komplexität <strong>und</strong> ihr Konfliktgehalt.<br />
Psychologisch gesehen ist e<strong>in</strong>e Innovation das, was von den Konsumenten, den<br />
potenziellen Nutzern, als neu <strong>und</strong> andersartig wahrgenommen wird – also nicht<br />
unbed<strong>in</strong>gt das, was tatsächlich e<strong>in</strong>e Neuerung ist (Wiswede, 1995). Hier zeigt sich<br />
wieder, dass das, was unter e<strong>in</strong>er Innovation verstanden wird, stark von der<br />
Perspektive des jeweiligen Subjekts abhängt.<br />
Wiswede (1995) beschreibt das Pr<strong>in</strong>zip der „optimalen Neuerung“. Sie bewegt sich<br />
<strong>in</strong> der Mitte zwischen den Polen „viel zu neu“ <strong>und</strong> „überhaupt nicht neu“ bzw.<br />
zwischen „langweilig“ <strong>und</strong> „schockierend“. Die optimale Neuerung steht also<br />
sozusagen mit e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong> im Bewährten, ist aber gleichzeitig e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante <strong>und</strong><br />
vielversprechende (Weiter-)Entwicklung.<br />
Nach diesen Def<strong>in</strong>itionen lässt sich <strong>Wirtschaft</strong>smediation auf jeden Fall als<br />
Innovation klassifizieren: sie ist e<strong>in</strong> neues Verfahren, <strong>in</strong> Deutschland noch nicht sehr<br />
weit verbreitet oder bekannt, ihre Wirkung ist unsicher <strong>und</strong> kann vor allem im<br />
Vergleich zum etablierten Gerichtsverfahren, dessen Ablauf allen bekannt ist,<br />
skeptisch beurteilt werden. Ihr Konfliktgehalt f<strong>in</strong>det sich zum Beispiel <strong>in</strong> den<br />
rechtlichen Schwierigkeiten von nicht-anwaltlichen Mediatoren, denen vorgeworfen<br />
31
wird, gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen zu haben (z.B. Aktenzeichen 5 O<br />
67/00 des Landgerichts Rostock). Zudem verlangt sie ihren Nutzern e<strong>in</strong>iges ab: z.B.,<br />
sich um ihre Konflikte eigenverantwortlich zu kümmern <strong>und</strong> diese nicht an e<strong>in</strong>en<br />
Anwalt zu delegieren (Duve & Ponschab, 1999 u.a.).<br />
Als „optimale“ Neuerung nach Wiswede (1995) ist die <strong>Wirtschaft</strong>smediation wohl<br />
eher nicht zu bezeichnen. Zu sehr verkörpert sie e<strong>in</strong>e radikale Abkehr von bisher <strong>in</strong><br />
Deutschland üblichen Konfliktbeilegungsverfahren, namentlich dem Prozess vor<br />
Gericht. Für neue Nutzer f<strong>in</strong>det sich also wenig Vertrautes, vielmehr steht<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation <strong>in</strong> vielerlei H<strong>in</strong>sicht im direkten Gegensatz zum bisher Üblichen<br />
(siehe 2.1.7).<br />
Rogers (1983) zählt folgende Eigenschaften von Innovationen auf <strong>und</strong> zitiert<br />
zahlreiche Studien, die ihren E<strong>in</strong>fluss auf die Akzeptanz der jeweiligen Innovation<br />
belegen:<br />
1. relativer Vorteil: der Grad, zu dem die Innovation besser als Vorhergehendes<br />
ist, wird oft <strong>in</strong> Profitabilität <strong>und</strong>/oder Statusgew<strong>in</strong>n gemessen – bei niedrigen<br />
Anfangskosten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em schnellen Erfolg ist e<strong>in</strong>e Verbreitung der Innovation<br />
wahrsche<strong>in</strong>licher<br />
2. Kompatibilität: wie sehr sich die Innovation <strong>in</strong> bisherige Prozesse,<br />
E<strong>in</strong>stellungen <strong>und</strong> Attribute des Individuums <strong>in</strong>tegrieren lässt<br />
3. Komplexität (analog zur Def<strong>in</strong>ition von Meißner, 1989): je komplexer <strong>und</strong><br />
schwieriger e<strong>in</strong>e Innovation zu verstehen ist, desto langsamer wird sie<br />
akzeptiert<br />
4. Ausprobierbarkeit: je leichter sich e<strong>in</strong>e Innovation <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e Teile unterteilen<br />
lässt, die relativ risikolos auszuprobieren s<strong>in</strong>d, desto schneller wird sie<br />
angenommen<br />
5. Beobachtbarkeit: e<strong>in</strong>e Innovation, die besonders sichtbar ist (wie z.B. <strong>in</strong> der<br />
Mode) wird sich eher verbreiten als e<strong>in</strong>e, die mehr im Verborgenen wirkt<br />
Wie lässt sich <strong>Wirtschaft</strong>smediation <strong>in</strong> Bezug auf diese Kriterien beurteilen? Es wird<br />
mit ihrer <strong>Wirtschaft</strong>lichkeit, den ger<strong>in</strong>geren Kosten im Vergleich zum<br />
Gerichtsverfahren geworben (Domian, 1999; Budde, 1999 u.a.), sodass durchaus<br />
von e<strong>in</strong>em relativen Vorteil gesprochen werden kann. Kompatibilität ist ebenfalls<br />
32
gegeben, da sich <strong>Mediation</strong> als von den Parteien bestimmtes Vorgehen den<br />
jeweiligen Gegebenheiten flexibel anpassen lässt (siehe Dutt, 1999 zum Spezialfall<br />
der mediativen Begleitung von Unternehmenskäufen). Da das Verfahren auf relativ<br />
e<strong>in</strong>fachen Pr<strong>in</strong>zipien beruht, ist nicht von e<strong>in</strong>er zu großen Komplexität auszugehen.<br />
Kritisch s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs Ausprobierbarkeit <strong>und</strong> Beobachtbarkeit zu beurteilen. Zwar<br />
lassen sich mediative Elemente auch <strong>in</strong> die „normale“ Arbeit e<strong>in</strong>es Betriebes<br />
e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den (wie dies e<strong>in</strong>ige Mediatoren auch tun, <strong>in</strong>dem sie z.B. betriebs<strong>in</strong>terne<br />
Mediatoren ausbilden), aber das Verfahren an Stelle des üblichen Gerichtsverfahrens<br />
zu nutzen, birgt natürlich Risiken. Die Beobachtbarkeit ist e<strong>in</strong>geschränkt, da viele<br />
<strong>Mediation</strong>sverfahren <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong> anderen Bereichen absolut vertraulich<br />
s<strong>in</strong>d. Während die Möglichkeit, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu verhandeln,<br />
das Verfahren für viele erst attraktiv macht, kann dies der Verbreitung von <strong>Mediation</strong><br />
im Wege stehen, da aufgr<strong>und</strong> der Vertraulichkeit Andere nichts davon mitbekommen.<br />
2.2.2 Akzeptanz<br />
Der Begriff Akzeptanzforschung fehlte bis <strong>in</strong> die 1980er Jahre im Duden <strong>und</strong><br />
anderen (Fach-)Lexika, <strong>in</strong>zwischen ist er weit verbreitet. Akzeptanzforschung wird <strong>in</strong><br />
Diszipl<strong>in</strong>en wie Psychologie, Soziologie, aber auch den <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />
<strong>und</strong> natürlich der Marktforschung betrieben.<br />
Als Def<strong>in</strong>ition von Akzeptanz schlägt Lucke (1998) „... die Eigenschaft e<strong>in</strong>er<br />
Innovation, bei ihrer E<strong>in</strong>führung positive Reaktionen unter den davon Betroffenen zu<br />
erreichen ...“ vor. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob Akzeptanz e<strong>in</strong>e der<br />
Innovation <strong>in</strong>newohnende Eigenschaft (wie es diese Def<strong>in</strong>ition zu suggerieren<br />
sche<strong>in</strong>t) oder nicht vielmehr e<strong>in</strong> Prozess <strong>in</strong> der Interaktion von Subjekt <strong>und</strong> System<br />
ist. E<strong>in</strong> von Lucke (1998) gewähltes Beispiel macht dies deutlich: am Tag nach<br />
Tschernobyl war auf dem Bonner Obst- <strong>und</strong> Gemüsemarkt auf e<strong>in</strong>mal nicht mehr die<br />
frische, sondern die alte Ware gefragt – so verändert sich mit den Umständen die<br />
Akzeptanz.<br />
Akzeptanz bewegt sich zudem zwischen dem „to adapt“ <strong>und</strong> dem „to adopt“, also<br />
der Anpassung der Innovation an die eigenen Bedürfnisse auf der e<strong>in</strong>en Seite <strong>und</strong><br />
die e<strong>in</strong>fache Übernahme der Neuerung, so wie sie ist, auf der anderen Seite. Oft<br />
werden Innovationen ja nicht so angenommen, wie sie dem Subjekt präsentiert<br />
33
werden, sondern von diesem nach se<strong>in</strong>en eigenen Bedürfnissen geformt <strong>und</strong><br />
verändert.<br />
Im Feld der <strong>Wirtschaft</strong>smediation f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e starke Tendenz, diese Innovation<br />
den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Dies ist schon dar<strong>in</strong> begründet, dass die<br />
Ausbildung <strong>in</strong> Deutschland nicht e<strong>in</strong>heitlich geregelt ist <strong>und</strong> Mediatoren so die<br />
Möglichkeit haben, selbst bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad zu bestimmen, was sie lernen<br />
möchten.<br />
2.2.3 Die Verbreitung von Innovationen<br />
Damit stellt sich die Frage, was überhaupt zur Akzeptanz von Innovationen beiträgt.<br />
Nach der Anspruchsniveau-Theorie von March <strong>und</strong> Simon (1976) führt nur<br />
Unzufriedenheit zu Änderungsaktivitäten bzw. zur Initiierung von Innovationen. Ideal<br />
ist es für die E<strong>in</strong>führung von Neuerungen, wenn das Anspruchs- etwas über dem<br />
Leistungsniveau liegt, wenn also der <strong>in</strong>dividuelle oder organisatorische Anspruch den<br />
Status Quo e<strong>in</strong> wenig übersteigt. Unterscheiden sich Anspruchsniveau <strong>und</strong><br />
Leistungsniveau zu stark, kann dies e<strong>in</strong>erseits zu Frustration <strong>und</strong> Verzweiflung,<br />
andererseits zu Apathie führen. Wie sich diese Niveaus bestimmen lassen, ist e<strong>in</strong>es<br />
der Probleme dieser Theorie – auch die These, dass alle<strong>in</strong> Unzufriedenheit für die<br />
Akzeptanz von Innovationen verantwortlich se<strong>in</strong> soll, ist auf Kritik gestoßen.<br />
Dennoch lässt sich diese Theorie gut auf die Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>smediation<br />
anwenden. Den Druck, sich mit e<strong>in</strong>em neuen Verfahren wie diesem ause<strong>in</strong>ander zu<br />
setzen, lässt sich sowohl bei den Mediatoren als auch bei den Unternehmen<br />
feststellen: Mediatoren könnten <strong>Mediation</strong> z.B. als e<strong>in</strong> Produkt betrachten, das <strong>in</strong> der<br />
Zukunft stärker nachgefragt werden wird <strong>und</strong> das sie demnach schon aus<br />
wirtschaftlichen Überlegungen her anbieten möchten – <strong>und</strong> Firmen könnten<br />
„Leidensdruck“ daher haben, dass sich ihre bisherigen Konfliktbeilegungsstrategien<br />
als nicht sehr effektiv erwiesen haben.<br />
Rogers (1983) hat e<strong>in</strong>e umfassende Theorie zur Verbreitung von Innovationen<br />
entwickelt, die sich auf e<strong>in</strong>e Auswertung <strong>und</strong> Zusammenfassung von über 700<br />
Studien stützt. Nach Rogers läuft der Prozess, <strong>in</strong> dem sich e<strong>in</strong> Individuum für oder<br />
gegen e<strong>in</strong>e Innovation entscheidet, <strong>in</strong> mehreren Stufen ab:<br />
34
1. Wissen um die Innovation <strong>und</strong> ihre Funktion<br />
2. Überzeugung: e<strong>in</strong>e positive oder negative Haltung der Innovation gegenüber<br />
entwickelt sich<br />
3. Entscheidung: das Individuum beteiligt sich an Aktivitäten, die entweder zur<br />
Annahme oder zu Ablehnung der Innovation führen<br />
4. Implementierung: das Individuum nutzt die Innovation<br />
5. Bestätigung: das Individuum beschäftigt sich noch e<strong>in</strong>mal mit e<strong>in</strong>er bereits<br />
getroffenen Entscheidung für oder gegen e<strong>in</strong>e Innovation – diese<br />
Entscheidung kann dann noch revidiert werden<br />
Im Rahmen dieses Prozesses kann es jederzeit zu e<strong>in</strong>er Entscheidung gegen die<br />
Innovation <strong>und</strong> damit zum Abbruch der Beschäftigung damit kommen. Gleichzeitig<br />
kann, wie der letzte Schritt zeigt, auch e<strong>in</strong>e bereits getroffene Entscheidung revidiert<br />
werden. So ist die Beschäftigung mit Innovationen e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher Prozess, der<br />
kaum jemals als abgeschlossen betrachtet werden kann.<br />
Nach Rogers s<strong>in</strong>d unterschiedliche Medien zu unterschiedlichen Phasen wichtig,<br />
z.B. Massenmedien während der Wissensphase, wenn es eher um Informationen<br />
geht oder <strong>in</strong>terpersonale Kanäle während der Überzeugungsphase, wenn e<strong>in</strong>e<br />
persönliche Haltung zu der Innovation entwickelt wird.<br />
<strong>Mediation</strong> wird oft mit Meditation verwechselt <strong>und</strong> hat es allgeme<strong>in</strong> schwer, e<strong>in</strong><br />
eigenes Profil im Vergleich zu anderen Konfliktbeilegungsverfahren zu etablieren<br />
(Spörer, 1998). Der schwierigste Prozess der Werbung sche<strong>in</strong>t häufig diese<br />
Informationsphase zu se<strong>in</strong> – wenn die Parteien dann erst e<strong>in</strong>mal an e<strong>in</strong>em Tisch<br />
sitzen, s<strong>in</strong>d sie mit dem Verfahren meist zufrieden.<br />
2.2.4 Nutzer von Innovationen<br />
Wer s<strong>in</strong>d nun die Menschen, die Neuerungen e<strong>in</strong>führen? Oft als Innovatoren<br />
bezeichnet, s<strong>in</strong>d sie nach Wiswede (1995) sozial gut <strong>in</strong>tegrierte Vorreiter, die häufig<br />
besonders viele Kontakte haben. Bei kalkuliertem <strong>und</strong> mittlerem Risiko s<strong>in</strong>d sie<br />
identisch mit den Me<strong>in</strong>ungsführern; die unvore<strong>in</strong>genommene Übernahme jeder<br />
Neuerung kann für sie allerd<strong>in</strong>gs den Verlust der Me<strong>in</strong>ungsführerschaft bedeuten.<br />
Nach Kaas’ (1973) Modell zum Kommunikationsfluss bei Innovationen arbeiten die<br />
35
Anbieter von Innovationen sowohl über Diffusionsagenten (also diejenigen, die e<strong>in</strong>e<br />
Innovation weiterverbreiten) als auch über Innovatoren (die „Erf<strong>in</strong>der“ der Innovation),<br />
<strong>und</strong> zwar mit Kommunikation über Personen <strong>und</strong>/oder über Massenmedien, um die<br />
Rezipienten/Konsumenten zu erreichen.<br />
Innovationsnutzer lassen sich <strong>in</strong> mehrere Kategorien unterteilen:<br />
1. Innovatoren: abenteuerlustige, risikofreudige Individuen mit Kontrolle über<br />
F<strong>in</strong>anzen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em guten Verständnis für komplexe neue Ideen; oft werden<br />
sie vom sozialen System nicht so sehr akzeptiert<br />
2. frühe Nutzer: eher lokal orientiert mit e<strong>in</strong>em starken me<strong>in</strong>ungsbildenden<br />
E<strong>in</strong>fluss, respektierte Vorbilder für die anderen Mitglieder ihres sozialen<br />
Systems. Studien haben gezeigt, dass diese Individuen mehr Bildung <strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong>en höheren sozialen Status als die anderen Gruppen haben<br />
3. frühe Mehrheit: nehmen die Innovation kurz vor dem Durchschnittsmitglied<br />
des sozialen Systems an<br />
4. späte Mehrheit: nehmen die Innovation kurz nach dem Durchschnittsmitglied<br />
des sozialen Systems an, s<strong>in</strong>d eher skeptisch <strong>und</strong> vorsichtig <strong>und</strong> akzeptieren<br />
die Innovation vor allem unter dem Druck der neuen Normen des Systems<br />
5. Nachzügler: s<strong>in</strong>d am meisten lokal orientiert, lassen sich als Traditionalisten<br />
beschreiben <strong>und</strong> stehen Innovationen generell negativ gegenüber – oft<br />
nehmen sie diese erst an, wenn für Andere schon weitere Innovationen<br />
anstehen<br />
In dieser Studie wird untersucht , was Unternehmen dazu br<strong>in</strong>gt,<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation zu nutzen, <strong>und</strong> welcher der Gruppen von Innovationsnutzern<br />
sie dabei zuzuordnen s<strong>in</strong>d. Weiterh<strong>in</strong> werden die Vermarktungsstrategien von<br />
Mediatoren sowie die Passung dieser Strategien zu den Erwartungen der<br />
Unternehmen untersucht. Auch Mediatoren selbst ließen sich natürlich dah<strong>in</strong>gehend<br />
untersuchen, was sie dazu br<strong>in</strong>gt, sich mit diesem neuen Verfahren ause<strong>in</strong>ander zu<br />
setzen <strong>und</strong> es auf dem Markt zu platzieren – was aber nicht Gegenstand dieser<br />
Arbeit ist.<br />
36
3 Fragestellung<br />
Die gegenwärtige Literatur erweckt den E<strong>in</strong>druck, dass trotz der vielen Vorteile<br />
das Verfahren <strong>Mediation</strong>, verglichen mit der Entwicklung <strong>in</strong> den USA, <strong>in</strong> Deutschland<br />
noch starke Akzeptanzprobleme hat (Falk, 1998; Risse, 1999). Es soll der Versuch<br />
unternommen werden, die Frage zu klären:<br />
1. Woran liegt es, dass <strong>Mediation</strong> im Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>sbereich <strong>in</strong><br />
Deutschland bisher nur sehr ger<strong>in</strong>ge Akzeptanz bzw. Anwendung f<strong>in</strong>det?<br />
Hierzu wurden zwei Stichproben betrachtet – a) e<strong>in</strong>e Stichprobe von<br />
Mediatoren <strong>und</strong> b) e<strong>in</strong>e Stichprobe von Unternehmen.<br />
Bei der Stichprobe von Mediatoren wurde die Fragestellung bearbeitet:<br />
2. In welchen Faktoren bzw. Merkmalen unterscheiden sich erfolgreiche<br />
Mediatoren von weniger erfolgreichen Mediatoren? Welche Erfolgsfaktoren gibt<br />
es?<br />
Um <strong>Mediation</strong> erst e<strong>in</strong>mal bekannt zu machen <strong>und</strong> potenzielle Anwender von<br />
dem Nutzen des Verfahrens zu überzeugen, sche<strong>in</strong>t im derzeitigen<br />
Entwicklungsstand dieser für Unternehmen relativ neuen Dienstleistung die<br />
Vermarktung e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle zu spielen. Erst wenn diese Hürde<br />
genommen ist, können andere differenzierende Merkmale, wie z.B.<br />
Verfahrenskompetenz oder Fähigkeit der Fallerkennung von Mediatoren, zu Tage<br />
treten. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e wurde vor allem die Vermarktungsstrategie der<br />
Mediatoren untersucht, weniger aber die Aussagen, die sie über ihre eigene<br />
Kompetenz <strong>und</strong> ihre Fähigkeiten machen.<br />
Bei der Stichprobe der Unternehmen <strong>in</strong>teressierte die Fragestellung:<br />
3. Wor<strong>in</strong> unterscheiden sich Unternehmen, die <strong>Mediation</strong> anwenden, von denen,<br />
die ke<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong> anwenden?<br />
37
Hierbei wurde, analog zu den Theorien von Meißner (1989) <strong>und</strong> Rogers<br />
(1983), auf Aspekte der Nützlichkeit von <strong>Mediation</strong> für die Unternehmen, der<br />
Kompatibilität, des Neuheitsgrades, des Konfliktgehalts, der Komplexität, der<br />
Unsicherheitsstiftung, der Beobachtbarkeit <strong>und</strong> der Ausprobierbarkeit e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Weiterh<strong>in</strong> sollte an der Unternehmensstichprobe die Frage geprüft werden:<br />
4. Verbreitet sich <strong>Mediation</strong> tatsächlich, wie Risse (1999) behauptet, über die<br />
Kontakte deutscher Unternehmen zu amerikanischen Geschäftspartnern?<br />
E<strong>in</strong>e weitere These von Risse (1999) war, dass <strong>in</strong> Deutschland, anders als <strong>in</strong><br />
den USA, nicht dieselben Strukturdefizite anzutreffen s<strong>in</strong>d, also z.B. nicht so lange<br />
Prozesse, weniger Kosten für Rechtsanwälte. Daher sei hier nicht der gleiche<br />
Leidensdruck gegeben, der <strong>in</strong> den USA zu e<strong>in</strong>er größeren Verbreitung von <strong>Mediation</strong><br />
geführt habe. Um diese These zu prüfen, wurde der Frage nachgegangen:<br />
5. Wie zufrieden s<strong>in</strong>d die Unternehmen mit ihrem momentanen<br />
Konfliktmanagement?<br />
Als Letztes sollte geprüft werden:<br />
6. S<strong>in</strong>d die Vermarktungsstrategien der Mediatoren tatsächlich mit den<br />
Erwartungen der Unternehmen kompatibel, d.h. bieten sich die Mediatoren auf<br />
e<strong>in</strong>e Art <strong>und</strong> Weise an, die bei den Unternehmen ankommt?<br />
38
4 Untersuchungsmethodik<br />
4.1 Untersuchungsplan<br />
Da sich aus der vorhandenen Literatur kaum Hypothesen h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
Akzeptanz <strong>und</strong> Vermarktung von <strong>Wirtschaft</strong>smediation ableiten lassen, ist das<br />
Kernstück dieser Untersuchung e<strong>in</strong>e qualitative Auswertung. Es geht nicht um das<br />
Überprüfen von Aussagen, sondern um e<strong>in</strong>e qualitative Beschreibung der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation <strong>in</strong> Deutschland. Lediglich für die Darstellung des<br />
Gesamtüberblicks der derzeitigen Situation der Mediatoren <strong>in</strong> Deutschland wurde auf<br />
quantitative Methoden zurückgegriffen.<br />
Im Vordergr<strong>und</strong> steht das tiefer gehende Verständnis der Situation der<br />
Mediatoren <strong>und</strong> der befragten Unternehmen. Demzufolge hat diese Arbeit e<strong>in</strong>en<br />
explorativen Charakter. Qualitative Forschung, wie sie <strong>in</strong> dieser Untersuchung<br />
genutzt wird, hat den besonderen Vorteil, dass sie nicht vom Vorhandense<strong>in</strong><br />
theoretischer Kategorien <strong>und</strong> validierter Mess<strong>in</strong>strumente abhängig ist, sondern<br />
Kategorien erst generiert werden, die dann später auch hypothesentestend <strong>und</strong><br />
quantitativ untersucht werden können. Deshalb soll im Folgenden e<strong>in</strong> kurzer E<strong>in</strong>blick<br />
<strong>in</strong> die qualitative Forschung <strong>und</strong> deren Methoden gegeben werden.<br />
4.1.1 Qualitatives Forschungsdesign<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n werden e<strong>in</strong>ige Def<strong>in</strong>itionen von qualitativer Analyse aus der Literatur<br />
vorgestellt <strong>und</strong> kommentiert. Bell (1987) beschreibt den Ansatz der qualitativen Forschung<br />
folgendermaßen: ”Researchers adopt<strong>in</strong>g a qualitative perspective are more<br />
concerned to <strong>und</strong>erstand <strong>in</strong>dividuals’ perceptions of the world. They seek <strong>in</strong>sight<br />
rather than statistical analysis. They doubt whether social ‘facts’ exist and question<br />
whether a ‘scientific’ approach can be used when deal<strong>in</strong>g with human be<strong>in</strong>gs.” (S. 4)<br />
Coffey <strong>und</strong> Atk<strong>in</strong>son (1996) beschreiben den Prozess der qualitativen Analyse wie<br />
folgt: ”Analysis (...) refers to a rather specialized way of transform<strong>in</strong>g data, rather than<br />
be<strong>in</strong>g an all-encompass<strong>in</strong>g term. Analysis (...) is the process by which the researcher<br />
expands and extends data beyond a descriptive account. A careful and systematic<br />
39
attention to the data here identifies key factors and key relationships. Analysis, then,<br />
is both cautious and controlled.” (S. 9).<br />
Qualitative Analyse be<strong>in</strong>haltet also den Prozess der Reduktion e<strong>in</strong>er<br />
Datenmenge, um Strukturen <strong>und</strong> Muster erkennen <strong>und</strong> letztendlich Schlüsse ziehen<br />
zu können. Sie beschreibt nicht nur (obwohl dies natürlich oft der erste Teil e<strong>in</strong>er<br />
Analyse ist) - sie <strong>in</strong>terpretiert auch. Dabei ist es sehr wichtig, die Reduktion der Daten<br />
so vorzunehmen, dass wichtige Informationen nicht verloren gehen. Coffey <strong>und</strong><br />
Atk<strong>in</strong>son (1996) me<strong>in</strong>en dies mit dem Satz, dass die Analyse vorsichtig <strong>und</strong><br />
kontrolliert ist. Die Aufstellung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>haltung von Regeln s<strong>in</strong>d unerlässlich, um<br />
s<strong>in</strong>nvolle Ergebnisse zu erhalten.<br />
E<strong>in</strong>er der wesentlichen Unterschiede zur quantitativen Forschung ist der weitgehende<br />
Verzicht auf kontrollierte Experimente – die Tatsache, dass so viele („Stör-”)<br />
Variablen kontrolliert werden können, lässt solche Situationen für Forscher mit e<strong>in</strong>em<br />
qualitativen Anspruch als nicht valide für e<strong>in</strong> Verständnis von Individuen <strong>in</strong> ihrem<br />
natürlichen Kontext ersche<strong>in</strong>en.<br />
We<strong>in</strong>garten <strong>und</strong> Hopf (1984) betonen, dass das Hauptcharakteristikum der<br />
qualitativen Forschung <strong>und</strong> Analyse die Verwendung offener Verfahren ist: „Die<br />
jeweiligen Untersuchungsfelder werden vorwiegend ohne Zuhilfenahme<br />
standardisierter Erhebungs<strong>in</strong>strumente erschlossen.” (S. 14)<br />
Dies bedeutet nach den Autoren jedoch nicht den völligen Verzicht auf<br />
Quantifizierung oder statistische Auswertungsverfahren, sondern vielmehr e<strong>in</strong>e<br />
bewusst offene Haltung gegenüber Erwartungen <strong>und</strong> theoretischen Überzeugungen.<br />
Es solle idealerweise e<strong>in</strong> Austausch zwischen den erhobenen Daten <strong>und</strong> dem<br />
zunächst noch wenig bestimmten theoretischen Vorverständnis stattf<strong>in</strong>den, was<br />
qualitative Forschung zu e<strong>in</strong>em sehr dynamischen Prozess macht. Manche<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der quantitativen Forschung werden jedoch genutzt, z.B. <strong>in</strong> Fragen der<br />
Repräsentativität: entweder werden repräsentative Stichproben für die Forschung<br />
erhoben, oder es wird ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass die Ergebnisse der<br />
Forschung nur auf die untersuchte Population angewendet werden können.<br />
40
Miles <strong>und</strong> Huberman (1994) weisen darauf h<strong>in</strong>, dass sich quantitative <strong>und</strong><br />
qualitative Methoden <strong>in</strong> der Analyse durchaus verb<strong>in</strong>den lassen <strong>und</strong> wenden sich<br />
gegen den Streit, der festzustellen versucht, welche der beiden Methoden nun die<br />
bessere sei. Nach den Autoren gibt es schon durch die Natur von Daten viele<br />
Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den beiden: ”Quantities are of qualities, and a measured<br />
quality has just the magnitude expressed <strong>in</strong> its measure. (...) ... the issue is one of<br />
know<strong>in</strong>g when to count and when it is difficult or <strong>in</strong>appropriate to count at all, when<br />
data are non-standardized and we have no clear rules for say<strong>in</strong>g what is variation<br />
and what is error.” (S. 40).<br />
In der quantitativen Forschung gibt es häufig e<strong>in</strong>e recht herablassende Haltung<br />
gegenüber qualitativen Methoden (Silverman, 1993), wie auch umgekehrt. Die<br />
Entscheidung für e<strong>in</strong>e Art von Datenanalyse sollte also nicht von ideologischen,<br />
sondern von praktischen Erwägungen geleitet se<strong>in</strong>. Es gilt herauszuf<strong>in</strong>den, welche<br />
Analyse <strong>in</strong> dem speziellen Fall <strong>und</strong> für den <strong>in</strong>tendierten Zweck die s<strong>in</strong>nvolleren<br />
Ergebnisse br<strong>in</strong>gt. Dies wird <strong>in</strong> dem nun folgenden Abschnitt über die Ziele<br />
qualitativer Forschung verdeutlicht.<br />
Nach We<strong>in</strong>garten <strong>und</strong> Hopf (1984) dient qualitative Analyse nicht der Überprüfung<br />
von Aussagen mit breitem empirischen Geltungsanspruch - dies ist eher das Gebiet<br />
der quantitativen Analyse. Vielmehr leistet sie e<strong>in</strong>en Beitrag zur Deskription <strong>und</strong> zum<br />
Verständnis menschlichen Verhaltens (<strong>und</strong> wird dazu <strong>in</strong> vielen sozialwissen-<br />
schaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en genutzt). Außerdem hilft sie bei der Theorie- <strong>und</strong><br />
Hypothesenbildung <strong>und</strong> kann s<strong>in</strong>nvoll zur Theorieprüfung benutzt werden.<br />
Ziele. Qualitative Forschung dient der Erk<strong>und</strong>ung des Subjekts <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kontext.<br />
Miles <strong>und</strong> Huberman (1994) betonen, dass es besonders die Erforschung von<br />
Menschen <strong>in</strong> ihrem natürlichen alltäglichen Umfeld ist, die die qualitative Forschung<br />
<strong>in</strong>teressiert. Das Ziel des Forschers ist dabei e<strong>in</strong> ganzheitlicher Überblick <strong>und</strong> e<strong>in</strong><br />
ganzheitliches Verständnis, das über bloße Quantifizierung h<strong>in</strong>ausgeht. Methoden<br />
werden dem jeweiligen Kontext angepasst, um ihn möglichst komplett erfassen zu<br />
können.<br />
41
Wenige Autoren von Lehrbüchern zum Thema qualitative Analyse nennen explizit<br />
die Ziele der von ihnen beschriebenen Methoden. Es wird wohl angenommen, dass<br />
sich, wie auch im Prozess der Analyse selbst, Methoden <strong>und</strong> Ziele gegenseitig<br />
bee<strong>in</strong>flussen <strong>und</strong> ergänzen. Qualitative Analyse erfordert von dem Forscher e<strong>in</strong>e<br />
große Offenheit <strong>und</strong> Bereitschaft, Annahmen der Ergebnisse immer wieder <strong>in</strong> Frage<br />
zu stellen. Gleichzeitig erlaubt sie mit ihrer Anerkennung vieler verschiedener<br />
Methoden <strong>und</strong> Theorien e<strong>in</strong> unter Umständen breiteres <strong>und</strong> tiefer gehendes<br />
Verständnis des Individuums <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kontext als quantitative Analyse alle<strong>in</strong>.<br />
Systematische Vorgehensweise. Ebenso wie bei der quantitativen Analyse hängt<br />
auch bei der qualitativen Analyse die Güte wesentlich vom systematischen Vorgehen<br />
des Forschers ab. E<strong>in</strong>deutige Regeln, klare <strong>und</strong> vor allem nachvollziehbare<br />
Ablaufmodelle machen die qualitative Vorgehensweise weniger angreifbar.<br />
Qualitative Analyse darf demnach ke<strong>in</strong> wildes, nur durch Intuition gesteuertes<br />
Interpretieren von Texten se<strong>in</strong>. Im Gegenteil: je nachvollziehbarer der Prozess für<br />
Außenstehende ist <strong>und</strong> je unkomplizierter die Ablaufmodelle <strong>und</strong> Kategoriesysteme<br />
übernommen werden können, desto glaubhafter werden die Ergebnisse <strong>und</strong><br />
Schlussfolgerungen qualitativer Untersuchungen.<br />
E<strong>in</strong>e Gefahr besteht jedoch <strong>in</strong> der Übersystematisierung. Nicht jeder Gegenstand,<br />
nicht jede Methode <strong>und</strong> nicht jede Fragestellung erlaubt e<strong>in</strong>e maximal systematische<br />
Vorgehensweise. Zum Beispiel s<strong>in</strong>d Pilotstudien, Hypothesenf<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> vertiefende<br />
Studien weniger für e<strong>in</strong>e maximale Systematisierung geeignet. Wie bei der<br />
quantitativen Forschung wird sonst nur das erfasst, was bei der Konstruktion des<br />
Prozesses <strong>und</strong> der Instrumente vorgesehen war. Die unvore<strong>in</strong>genommene <strong>und</strong><br />
offene Betrachtungsweise der qualitativen Forschung geht so verloren.<br />
Wie gel<strong>in</strong>gt es dem Forscher, systematisch vorzugehen? Herber (1978) hat hierzu<br />
den Vorschlag der „Grafischen Ordnung” gemacht (<strong>in</strong> Huber, 1992). Geme<strong>in</strong>t ist<br />
damit die grafische Darstellung des Forschungsgegenstandes. In e<strong>in</strong>er<br />
schematischen Abbildung kann der Forscher se<strong>in</strong>en analytischen Prozess explizit<br />
darstellen. Die Zusammenfassung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er grafischen Dokumentation verdeutlicht<br />
zum e<strong>in</strong>en, wie sich das Verständnis des Forschers entwickelt hat, <strong>und</strong> zum anderen<br />
42
können Außenstehende sich sofort e<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>en Überblick verschaffen. In<br />
Anhang 2 f<strong>in</strong>den sich drei Beispiele der für diese Arbeit genutzten grafischen<br />
Ordnung.<br />
Zyklischer Prozess. Gr<strong>und</strong>lage für den ständigen Kreislauf der qualitativen<br />
Analyse ist die Methode des „ständigen Vergleichens” von Glaser <strong>und</strong> Strauss ‘67 (<strong>in</strong><br />
Strauss & Corb<strong>in</strong>, 1996). Es ist falsch anzunehmen, der analytische Prozess<br />
bestünde aus dem e<strong>in</strong>maligen Durchlaufen der drei Phasen „Beobachten”,<br />
„Kodieren” <strong>und</strong> „Interpretieren”. Stattdessen ist es e<strong>in</strong> nie endender Kreislauf. Der<br />
qualitative Forscher hat oft zunächst nur e<strong>in</strong>e vage Vorstellung von se<strong>in</strong>em zu<br />
erforschenden Gegenstand (Konstrukt). Das Kodiersystem ist anfangs unvollkommen<br />
<strong>und</strong> offen. Während des Kodierungsprozesses entstehen meist immer wieder neue<br />
Kategorien. Nach der ersten Interpretationsphase werden die Vorstellungen zu dem<br />
Forschungsthema sehr viel konkreter, worauf sich dem Forscher wieder neue Fragen<br />
stellen, die wiederum neue Beobachtungen verlangen usw. Im Rahmen dieser Studie<br />
kann aus zeitlichen Gründen nur das e<strong>in</strong>malige Durchlaufen der drei Phasen<br />
gewährleistet werden.<br />
Abb. 4.1 Der zyklische Prozess der qualitativen Analyse (nach Shelly & Sibert <strong>in</strong><br />
Huber, 1992).<br />
4.1.2 Verwendete Erhebungsverfahren<br />
In dieser Untersuchung wurde die Methode des Interviews gewählt, um e<strong>in</strong> möglichst<br />
tiefes Verständnis der Mediatoren <strong>und</strong> Unternehmensvertreter ermöglichen zu<br />
können. Bestärkt wurde diese Entscheidung durch die Erkenntnis, dass qualitative<br />
Forschung eher offene als geschlossene Fragen stellt, welche für den Befragten<br />
leichter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview zu beantworten s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fragebogen. Anders als<br />
43
ei Fragebögen wird der Befragte <strong>in</strong> die Lage versetzt, ausführlich <strong>und</strong> schnell<br />
antworten zu können <strong>und</strong> dem Interviewer ist es möglich, flexibel auf das Gesagte zu<br />
reagieren. Insbesondere <strong>in</strong> der explorativen Forschung, bei der e<strong>in</strong> Wissensbereich<br />
erst ausgelotet werden muss, ist das Interview e<strong>in</strong> nahezu unverzichtbares<br />
Instrument. Vor- <strong>und</strong> Nachteile der Methode des Interviews werden ausführlich <strong>in</strong> den<br />
Kapiteln 4.1.2.2 <strong>und</strong> 4.2.2 diskutiert. E<strong>in</strong>e schriftliche Befragung für Mediatoren<br />
wurde dennoch geplant, um sich erst e<strong>in</strong>mal an den Forschungsgegenstand<br />
heranzutasten <strong>und</strong> erste Anhaltspunkte für die Entwicklung der Mediatoren-<br />
Interviews zu geben.<br />
4.1.2.1 Die schriftliche Befragung<br />
Ausgehend von der Zielsetzung dieser Studie wurde für Mediatoren e<strong>in</strong><br />
Fragebogen entwickelt, der folgende, vorwiegend soziodemografische, Bereiche<br />
erfasst:<br />
� Fragen zur Person (Alter, Geschlecht, Ausbildungsstand)<br />
� Fragen zur Ausbildung (Ort, Dauer, Abschluss, E<strong>in</strong>schätzung der Ausbildung)<br />
� Fragen zur Tätigkeit als Mediator (<strong>Mediation</strong>sfeld, Erfahrung, B<strong>und</strong>esland,<br />
Jahresumsatz)<br />
� Offene Frage zur Schwierigkeit, <strong>Mediation</strong>sfälle zu f<strong>in</strong>den <strong>und</strong> deren vermutete<br />
Ursachen<br />
Der Fragebogen wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mehrstufigen Prozedur entwickelt. In e<strong>in</strong>er Art<br />
Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>g wurden alle Fragen gesammelt, die für e<strong>in</strong>en ersten Gesamtüberblick<br />
<strong>in</strong>teressieren könnten. Ergänzt wurden die Fragen durch die Anregungen <strong>in</strong><br />
Diskussionen mit ausgebildeten <strong>und</strong> angehenden Mediatoren. Die Ergebnisse dieser<br />
schriftlichen Befragung s<strong>in</strong>d im Kapitel 5.1 dargestellt.<br />
4.1.2.2 Das qualitative Telefon<strong>in</strong>terview<br />
Das bevorzugte Erhebungs<strong>in</strong>strument der qualitativen Forschung ist das Interview.<br />
Es bietet e<strong>in</strong>en guten Rahmen, um e<strong>in</strong> echtes Verständnis von der Welt des<br />
Befragten zu erlangen. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e soll im folgenden Teil näher auf die<br />
Besonderheiten des Interviews, vor allem des telefonischen, e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />
44
Die direkte Kommunikation zwischen Interviewer <strong>und</strong> Interviewtem gilt als der<br />
„Königsweg” <strong>in</strong> der Sozialforschung (Hormuth & Brückner, 1985). Per Def<strong>in</strong>ition<br />
handelt es sich bei e<strong>in</strong>em Interview „um e<strong>in</strong>e planmäßige <strong>und</strong> zweckbestimmte<br />
sprachliche Interaktion zwischen zwei Personen, die <strong>in</strong> der Regel von Angesicht zu<br />
Angesicht stattf<strong>in</strong>det <strong>und</strong> vom Interviewer e<strong>in</strong>geleitet <strong>und</strong> auf bestimmte relevante<br />
Inhalte gelenkt wird mit dem Ziel, vom Interviewpartner durch gezielte Fragen oder<br />
Bemerkungen verbale Informationen objektiver <strong>und</strong>/oder subjektiver Art zu gew<strong>in</strong>nen“<br />
(Wittkowski, 1994).<br />
Das qualitative Interview folgt zwei Pr<strong>in</strong>zipien: erstens dem Pr<strong>in</strong>zip der Offenheit<br />
<strong>und</strong> zweitens dem Pr<strong>in</strong>zip der Kommunikation (Froschauer & Lueger, 1992). Mit<br />
Offenheit ist die Aufgeschlossenheit des Forschers gegenüber der Forschungsfrage,<br />
dem Forschungsablauf, der Auswahl der <strong>in</strong> die Untersuchung e<strong>in</strong>bezogenen<br />
Personen, dem Forschungssubjekt, der Untersuchungssituation, den Forschungsmethoden<br />
<strong>und</strong> den potenziellen alternativen Interpretationen geme<strong>in</strong>t. Daher kann<br />
<strong>und</strong> muss das qualitative Forschungsdesign immer wieder überarbeitet werden. Das<br />
Pr<strong>in</strong>zip der Kommunikation besagt, dass der Forscher e<strong>in</strong>e Kommunikationsbeziehung<br />
mit dem Forschungssubjekt e<strong>in</strong>gehen muss.<br />
Laut Rub<strong>in</strong> <strong>und</strong> Rub<strong>in</strong> (1995) schreiben sich qualitative Interviews wie „Urlaubsplanung“:<br />
Das Ziel ist zwar bekannt, der genaue Weg jedoch nicht. Dennoch halten<br />
die Autoren e<strong>in</strong> Forschungsdesign für wichtig. Mit Hilfe des Designs wird die<br />
ursprüngliche Motivation nicht vergessen, Daten können gewonnen werden <strong>und</strong> der<br />
Leser wird überzeugt, dass e<strong>in</strong> systematisches Vorgehen realisiert wurde. Dieses<br />
Design sollte “flexible, iterative and cont<strong>in</strong>uous“ se<strong>in</strong>, d.h., der qualitative Forscher<br />
sollte ke<strong>in</strong>e Angst haben, mit jeder neuen Information das Design zu ändern (“to<br />
redesign“). Dennoch ermutigen die Autoren dazu, lieber mit falschen Annahmen zu<br />
beg<strong>in</strong>nen als gar nicht anzufangen, da <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em flexiblen Design Annahmen mit<br />
jedem Interview wieder revidiert werden können.<br />
Der Hauptgr<strong>und</strong>, die Interviews telefonisch <strong>und</strong> nicht persönlich vor Ort durchzuführen,<br />
war die Kostenfrage. Die Kosten e<strong>in</strong>es Telefongesprächs ersche<strong>in</strong>en<br />
schw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>g gegenüber den Fahrt- <strong>und</strong> Zeitkosten von Interviews vor Ort mit<br />
e<strong>in</strong>er so verstreuten Stichprobe. E<strong>in</strong> weiterer Entscheidungsgr<strong>und</strong> für das Telefon-<br />
45
<strong>in</strong>terview war die Tatsache, dass es sich bei der Zielgruppe häufig um freiberuflich<br />
tätige oder um beruflich stark e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>ene Personen handelte, die teilweise sehr<br />
schwer erreichbar waren <strong>und</strong> auch nur e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Zeitrahmen für e<strong>in</strong><br />
Forschungs-<strong>in</strong>terview hatten. Aufgr<strong>und</strong> der besonderen Gesprächssituation am<br />
Telefon soll <strong>in</strong> den folgenden Abschnitten neben der Erläuterung der Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteile auch auf allgeme<strong>in</strong>e Interviewregeln <strong>und</strong> die Datenqualität telefonischer<br />
Interviews e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />
Das Telefon<strong>in</strong>terview ist nach Rub<strong>in</strong> <strong>und</strong> Rub<strong>in</strong> (1995) als Möglichkeit der<br />
Befragung noch nicht sehr weit verbreitet. Das ist eventuell e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>, warum sich<br />
fast ke<strong>in</strong>e Forschungsliteratur zu diesem Thema f<strong>in</strong>det. E<strong>in</strong>ige Vorteile <strong>und</strong> Nachteile<br />
sowie Interviewregeln lassen sich dennoch aus den eigenen Erfahrungen von Rub<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> Rub<strong>in</strong> (1995), Licht (1989) <strong>und</strong> Autoren der Markt- <strong>und</strong> Sozialforschung (Anders,<br />
1982; Hormuth & Brückner, 1985) zusammenfassen.<br />
Vorteile. Die Befragung am Telefon bietet folgende Vorteile (Anders, 1982):<br />
� kurze Kontaktzeiten<br />
� ger<strong>in</strong>gerer Zeitaufwand, da Fahrzeiten entfallen<br />
� ger<strong>in</strong>gere Kosten, da anfallende Telefonkosten wesentlich ger<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d als die<br />
Fahrkosten beim persönlichen Interview<br />
� schwer erreichbare Zielgruppen (Vertreter, Freiberufler, etc.) können wegen des<br />
ger<strong>in</strong>geren Kontaktaufwands wesentlich billiger <strong>und</strong> mit besserer Ausschöpfung<br />
befragt werden<br />
� Feldzeiten, <strong>in</strong> denen sich der Forscher mit dem Forschungsgegenstand<br />
beschäftigt, können im Vergleich zum persönlichen Interview wesentlich<br />
verkürzt werden, da Brieflaufzeiten entfallen <strong>und</strong> pro Tag/pro Interviewer mehr<br />
Interviews geführt werden können<br />
� Bearbeitung der Studie wird durch schlechtes Wetter <strong>und</strong> ungünstige<br />
Straßenverhältnisse (Glatteis, Schnee) nicht bee<strong>in</strong>flusst<br />
Nachteile. Der größte Nachteil besteht dar<strong>in</strong>, dass dem Interviewer fast alle Arten<br />
von “conversational cues“ fehlen, d.h., dass der persönliche Kontakt stark<br />
e<strong>in</strong>geschränkt ist (Rub<strong>in</strong> & Rub<strong>in</strong>, 1995). Dem optischen Kontakt ist der<br />
Gesprächspartner beim Telefon<strong>in</strong>terview vollkommen entzogen (Hormuth &<br />
46
Brückner, 1985). So kann <strong>in</strong>sbesondere zu Beg<strong>in</strong>n des Gesprächs Unsicherheit auf<br />
beiden Seiten entstehen. Die Ursache dafür liegt <strong>in</strong> dem Bedürfnis, die eigene<br />
soziale Position mit der des Kommunikationspartners zu vergleichen, mit der Absicht,<br />
den sozialen Kontakt vorhersehbarer, sicherer <strong>und</strong> damit kontrollierbarer zu machen<br />
(Licht, 1989). Diese Unsicherheit kann dazu führen, das Gespräch so schnell wie<br />
möglich zu beenden bzw. Antworten zu verweigern (Frey, 1983 <strong>in</strong> Licht, 1989).<br />
E<strong>in</strong> weiteres Problem, auf das Licht (1989) aufmerksam macht, ist der Aspekt, dass<br />
sich beide Gesprächspartner völlig fremd s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> dies wahrsche<strong>in</strong>lich auch<br />
aufgr<strong>und</strong> des e<strong>in</strong>geschränkten Kontaktes bleiben werden. Dieser Fakt birgt aber<br />
auch e<strong>in</strong>en Vorteil: Der Interviewte kann davon ausgehen, dass diese „Begegnung“<br />
„sozial folgenlos“ bleiben wird (Kromrey, 1980 <strong>in</strong> Licht, 1989). Dies kann zu e<strong>in</strong>er<br />
völligen Offenheit ermutigen <strong>und</strong> sich auf das Gesprächsklima sehr förderlich<br />
auswirken. E<strong>in</strong> letzter Punkt, der hier erwähnt werden soll, ist die Behauptung von<br />
Rub<strong>in</strong> <strong>und</strong> Rub<strong>in</strong> (1995), dass es am Telefon schwieriger sei, sich auf den<br />
Gesprächspartner zu konzentrieren.<br />
Regeln. Aufgr<strong>und</strong> der besonderen Gesprächssituation am Telefon sollten<br />
folgende Erfahrungsregeln beachtet werden, die hier als examplarischer Ablauf<br />
zusammen gestellt s<strong>in</strong>d. Zu Beg<strong>in</strong>n wird dem ausgewählten Gesprächspartner e<strong>in</strong><br />
Anfragebrief zugesendet (Rub<strong>in</strong> & Rub<strong>in</strong>, 1995). Er enthält e<strong>in</strong>e kurze<br />
Projektbeschreibung, e<strong>in</strong>e Begründung, warum die Person ausgewählt wurde <strong>und</strong><br />
welcher Gew<strong>in</strong>n <strong>in</strong> der Beteiligung an der Untersuchung liegt. Ziel dieses Briefes ist<br />
es, Angst <strong>und</strong> Unsicherheit abzubauen, die Person zu motivieren, an der<br />
Untersuchung teilzunehmen <strong>und</strong> die eigene Interviewerfahrung hervorzuheben. Nach<br />
dem Anfragebrief folgt e<strong>in</strong> Term<strong>in</strong>absprache-Telefonat. Dieses dient neben der<br />
Term<strong>in</strong>abstimmung der Klärung von aufgekommenen Fragen der Gesprächsperson<br />
<strong>und</strong> dem Small-Talk. Das Term<strong>in</strong>absprache-Telefonat wird idealerweise nur mit der<br />
eigentlichen Interviewperson <strong>und</strong> nicht mit e<strong>in</strong>er anderen Person (z.B. der Sekretär<strong>in</strong>)<br />
geführt, um die Möglichkeit zu haben, sich an die Stimme <strong>und</strong> andere sprachliche<br />
Gewohnheiten (z.B. Dialekte) zu gewöhnen. Dann folgt das eigentliche Interview.<br />
Während des Term<strong>in</strong>absprache-Telefonats <strong>und</strong> des eigentlichen Telefon<strong>in</strong>terviews<br />
sollte der Gesprächsperson das Gefühl vermittelt werden, dass sie die passendste<br />
47
für das Thema <strong>und</strong> ihr Beitrag sehr wichtig ist. Es ist weiterh<strong>in</strong> zu erwähnen, dass<br />
e<strong>in</strong>e gewisse Informationstiefe <strong>und</strong> viele Details auch am Telefon von großer<br />
Bedeutung s<strong>in</strong>d (Rub<strong>in</strong> & Rub<strong>in</strong>, 1995). Licht (1989) empfiehlt aufgr<strong>und</strong> eigener<br />
Erfahrung bei sehr sensiblen Gesprächsthemen (z.B. sexuellem Missbrauch), so viel<br />
H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><strong>in</strong>formationen wie nötig zu geben. So entsteht nicht das Gefühl, e<strong>in</strong>er<br />
völlig fremden Person Intimes zu erzählen <strong>und</strong> dabei nicht zu wissen, was aus dem<br />
Gesagten werden wird.<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Telefon<strong>in</strong>terviews mehr<br />
Informationen im E<strong>in</strong>führungsbrief <strong>und</strong> telefonische Vorgespräche benötigen (Rub<strong>in</strong><br />
& Rub<strong>in</strong>, 1995), um ähnlich effektiv wie face-to-face Interviews zu se<strong>in</strong>.<br />
Datenqualität. Die Forschung zur Überprüfung der telefonisch erhobenen Daten<br />
beschäftigt sich hauptsächlich mit vergleichenden Studien von persönlichen <strong>und</strong><br />
telefonischen Interviews (Hormuth & Brückner, 1985). In den Ergebnissen dieser<br />
Vergleichsstudien zeigen sich jedoch kaum Abweichungen <strong>in</strong> Abhängigkeit vom<br />
Erhebungsmodus. E<strong>in</strong> Problem von vergleichenden Studien ist allerd<strong>in</strong>gs die<br />
Unsicherheit h<strong>in</strong>sichtlich des „wahren“ Wertes. In diesen Studien wurden die<br />
Ergebnisse der persönlichen Interviews zum Maßstab gemacht, obwohl auch dort<br />
Fehlerquellen bekannt s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Vorteil von persönlichen Interviews ist, dass sie <strong>in</strong><br />
der Lage s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> genaueres Bild über den „H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>“ des Datenmaterials zu<br />
geben. Falsche Aussagen können durch Augensche<strong>in</strong> erkennbar se<strong>in</strong>, z.B.<br />
Aussagen über die Wohnsituation, eventuell auch über den sozialen Status. Jedoch<br />
s<strong>in</strong>d Beobachtungen meist ke<strong>in</strong>e zuverlässigen Datenquellen <strong>und</strong> können<br />
Verzerrungen enthalten.<br />
Durch eigene Studien stellten Hormuth <strong>und</strong> Brückner (1985) fest, dass das<br />
Fehlen des Blickkontakts <strong>in</strong> Telefon<strong>in</strong>terviews zwar das Sammeln von nützlichen<br />
H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><strong>in</strong>formationen verh<strong>in</strong>dert, aber möglicherweise die Interviews auch von<br />
störenden E<strong>in</strong>flüssen befreit. Der Befragte muss sich am Telefon stärker als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
persönlichen Interview auf se<strong>in</strong>en unsichtbaren Gesprächspartner konzentrieren.<br />
Insofern versucht er, Störungen <strong>und</strong> Geräuschkulissen, <strong>in</strong>sbesondere durch das<br />
E<strong>in</strong>mischen von anderen anwesenden Personen, spontan selbst abzustellen. Dritte<br />
Personen verlieren ohneh<strong>in</strong> aufgr<strong>und</strong> mangelnden Verständnisses der Fragen<br />
48
schnell ihr Interesse. Das Telefon<strong>in</strong>terview stiftet somit möglicherweise trotz<br />
e<strong>in</strong>geschränkter nonverbaler Stimuli e<strong>in</strong>e besonders enge Beziehung zwischen den<br />
Interaktionspartnern. Diese Intimität der telefonischen Gesprächssituation kann e<strong>in</strong>en<br />
bedeutsamen E<strong>in</strong>fluss auf die Aussagebereitschaft haben.<br />
4.1.3 Entwicklung der Interviewleitfäden<br />
Im Folgenden soll die Entwicklung der Interviewleitfäden für die telefonischen<br />
Interviews beschrieben werden. Zunächst werden allgeme<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong><br />
H<strong>in</strong>weise für die Gestaltung von Interviews diskutiert, um dann konkret auf die<br />
Entwicklung der drei Interviews für diese Studie e<strong>in</strong>zugehen.<br />
4.1.3.1 Allgeme<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Es gibt non-direktive, semi-direktive <strong>und</strong> direktive Leitfäden (Donaghy, 1990). Sie<br />
bewegen sich <strong>in</strong> dem Kont<strong>in</strong>uum zwischen der alle<strong>in</strong>igen Vorgabe des Themas,<br />
wobei das Interview selbst frei gestaltet werden kann, bis h<strong>in</strong> zu ausformulierten<br />
Fragen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Reihenfolge gestellt werden müssen. Für diese<br />
Arbeit wurden direktive Leitfäden verwendet. Sie haben die Funktion, dass jede<br />
Gesprächsperson mit denselben Fragen <strong>in</strong> derselben Reihenfolge konfrontiert wird<br />
<strong>und</strong> entsprechen somit e<strong>in</strong>er standardisierten Vorgehensweise. Zudem dienen sie<br />
der Herstellung von systematischer Distanz <strong>und</strong> erlauben dem Interviewer, se<strong>in</strong>e<br />
gesamte Aufmerksamkeit auf den Antwortenden zu richten (McCracken, 1988).<br />
Huber <strong>und</strong> Mandl (1994) geben e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise, die bei der Formulierung von<br />
Fragen unbed<strong>in</strong>gt zu beachten s<strong>in</strong>d. Die Fragen sollten möglichst e<strong>in</strong>fach <strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong>deutig formuliert se<strong>in</strong>. Es sei darauf zu achten, dass sie nicht zu lang s<strong>in</strong>d, um den<br />
Befragten nicht zu überfordern. Da auf allgeme<strong>in</strong>e Fragen allgeme<strong>in</strong>e Antworten<br />
kommen, die meist wenig nützliche Informationen enthalten, sei es wichtig, konkrete<br />
Fragen zu formulieren. Zuletzt weisen die Autoren darauf h<strong>in</strong>, dass die Fragen nicht<br />
suggestiv se<strong>in</strong> dürfen.<br />
Donaghy (1990) appelliert daran, die Fragen frei von Jargon zu formulieren, da sie<br />
so jedem verständlich s<strong>in</strong>d. Ferner sollten die Fragen nicht negativ <strong>und</strong> nicht bohrend<br />
oder konfrontativ se<strong>in</strong>. Direktes Fragen sei nur s<strong>in</strong>nvoll, wenn der Interviewte auch<br />
49
damit umgehen könne. Jede Frage darf nach Donaghy (1990) nur e<strong>in</strong>en<br />
vollständigen Gedanken enthalten, um den Befragten nicht zu überfordern. Auch sei<br />
die konnotative Bedeutung der e<strong>in</strong>zelnen Wörter genau zu bedenken. Der<br />
Interviewer solle sich überlegen, ob das, was jedem Wort begrifflich-verbal oder<br />
emotional mitschw<strong>in</strong>gt, wirklich gewollt sei <strong>und</strong> welche Wirkungen es auf den<br />
Befragten haben könnte.<br />
Wittkowski (1994) unterscheidet zwei Arten von Fragen: Zum e<strong>in</strong>en die Primär-<br />
fragen, die wortgetreu gestellt werden können, <strong>und</strong> zum anderen die Sek<strong>und</strong>är-<br />
fragen, die bei Bedarf gestellt <strong>und</strong> nur stichpunktartig ausgearbeitet werden.<br />
Insgesamt sollten aber nur 20-30% des gesamten Interviews damit verbracht<br />
werden, Fragen zu stellen oder Statements zu machen (Donaghy, 1990). Der Fokus<br />
bei der Entwicklung von Fragen sollte aus dem Blickw<strong>in</strong>kel der Interviewpartner<br />
erfolgen, d.h. angepasst an se<strong>in</strong>e Weltsicht, Interessen <strong>und</strong> Sprache – sofern die<br />
Kenntnisse dazu vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />
Innerhalb e<strong>in</strong>es Themenkreises sollten die e<strong>in</strong>zelnen Fragen logisch angeordnet<br />
se<strong>in</strong>. Es empfiehlt sich, am Anfang e<strong>in</strong>e neutrale Frage zu stellen, e<strong>in</strong>e sogenannte<br />
„Eisbrecher-Frage“. Sie darf weder Schwierigkeiten bereiten noch gefühlsbetonte<br />
Bereiche berühren (Wittkowski, 1994). Es kommt darauf an, das Interesse an der<br />
Thematik zu wecken (Huber & Mandl, 1994). Stärker affektive Fragen sollten erst <strong>in</strong><br />
der Mitte oder gegen Ende gestellt werden. Für gewöhnlich wird mit allgeme<strong>in</strong>en<br />
Fragen begonnen, um später zu den thematisch e<strong>in</strong>gegrenzten zu kommen (Trichter-<br />
Form), um Ausstrahlungseffekte, d.h. den E<strong>in</strong>fluss von eher gestellten Fragen auf die<br />
Antwort von später gestellten Fragen positiv zu nutzen.<br />
Es wurden drei Interviewleitfäden entwickelt: e<strong>in</strong>er für Mediatoren, e<strong>in</strong>er für<br />
Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er für Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung.<br />
In allen drei Interviewleitfäden wurde jeder Themenkreis mit e<strong>in</strong>er kurzen<br />
E<strong>in</strong>leitung begonnen (Wittkowski, 1984), <strong>in</strong> der dem Interviewten mitgeteilt wurde,<br />
worum es <strong>in</strong> dem folgenden Teil gehen wird. Die soziodemografischen Fragen<br />
wurden <strong>in</strong> Anlehnung an Huber <strong>und</strong> Mandl (1994) erst ganz am Schluss gestellt.<br />
50
Um die oben genannten allgeme<strong>in</strong>en Kriterien zu berücksichtigen, wurde e<strong>in</strong>e<br />
Checkliste (s. Anhang 12) entwickelt, mittels derer die Fragenformulierung der drei<br />
Interviewleitfäden überprüft wurde. Zusätzlich wurden die Leitfäden <strong>in</strong><br />
Probe<strong>in</strong>terviews an zwei Vertretern aus zwei unterschiedlichen<br />
Dienstleistungsunternehmen <strong>und</strong> zwei angehenden Mediatoren auf ihre <strong>in</strong>haltliche<br />
Vollständigkeit <strong>und</strong> Verständlichkeit h<strong>in</strong> getestet. Daraufh<strong>in</strong> wurde e<strong>in</strong>ige Teile der<br />
Leitfäden nochmals überarbeitet.<br />
4.1.3.2 Das Mediatoren-Interview<br />
Wie <strong>in</strong> der Literatur empfohlen, wurden zu Beg<strong>in</strong>n die Merkmalsbereiche (Themen),<br />
die Gegenstand des Interviews se<strong>in</strong> sollen, sorgfältig beschrieben. Dabei handelte es<br />
sich um folgende Themen:<br />
� Zufriedenheit mit dem wirtschaftlichen Erfolg<br />
� Vermarktungsstrategien/Werbung für <strong>Mediation</strong><br />
� Kenntnis über die Erfahrungen von Unternehmen mit <strong>Mediation</strong><br />
� Eigene Kompetenz <strong>in</strong> der <strong>Mediation</strong><br />
� Rollenspiel „Verkaufsgespräch“<br />
Die Ausarbeitung der Themen, Unterpunkte <strong>und</strong> schließlich der Fragen erfolgte <strong>in</strong><br />
schriftlicher Form. Wittkowski (1994) fordert e<strong>in</strong>e Beschreibung anhand der<br />
e<strong>in</strong>schlägigen Literatur, um E<strong>in</strong>seitigkeiten <strong>und</strong> subjektive Akzentuierungen zu<br />
vermeiden. Da <strong>in</strong> Bezug auf die Fragestellung dieser Studie nur sehr wenig Literatur<br />
zu f<strong>in</strong>den war, orientierte sich die Erarbeitung der Interviews stärker an den<br />
Aussagen aus der schriftlichen Befragung.<br />
Die Festlegung der Themenanzahl orientierte sich an Donaghy (1990): e<strong>in</strong><br />
Interview sollte nicht mehr als fünf oder sechs Themen be<strong>in</strong>halten, da die<br />
Konzentration meist nach e<strong>in</strong>er St<strong>und</strong>e beg<strong>in</strong>nt abzunehmen. Für e<strong>in</strong> Thema werden<br />
ca. 10-12 M<strong>in</strong>uten gebraucht. Nachdem festgelegt worden war, welche Themen<br />
bearbeitet werden sollten, wurde die mögliche Reihenfolge dieser Themen diskutiert.<br />
Donaghy (1990) schlägt e<strong>in</strong>e chronologische, örtliche, nach Klassen oder<br />
Kategorien, nach Schwierigkeit oder nach Kausalzusammenhängen geordnete<br />
Reihefolge vor. Bei dem Interviewleitfaden dieser Untersuchung wurde e<strong>in</strong>e<br />
51
Reihenfolge nach Schwierigkeit ausgewählt, die anfangs eher leichter zu<br />
beantwortende Themen anspricht, wie z.B. „Zufriedenheit mit dem eigenen Erfolg“<br />
<strong>und</strong> „Werbung für <strong>Mediation</strong>“ <strong>und</strong> erst später sensiblere Themen behandelt, wie z.B.<br />
die eigene „Kompetenz <strong>in</strong> der <strong>Mediation</strong>“.<br />
Ganz den Empfehlungen von Wittkowski (1994) folgend, beschäftigt sich die erste<br />
Frage des Leitfadens der Mediatoren-Interviews mit dem derzeit wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
wichtigsten Thema für Mediatoren: der subjektiven Zufriedenheit mit dem wirtschaft-<br />
lichen Erfolg. Mit subjektiver „Zufriedenheit“ (im folgenden „wirtschaftliche<br />
Zufriedenheit“ genannt) ist geme<strong>in</strong>t, ob der Mediator die <strong>Mediation</strong> als e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er<br />
wirtschaftlichen Standbe<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schätzen würde, d.h. ob er das Gefühl hat, dass<br />
Aufwand <strong>und</strong> Nutzen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em guten Verhältnis stehen <strong>und</strong> er zufriedenstellend<br />
entlohnt wird.<br />
Die abhängige Variable <strong>in</strong> der Auswertung des Mediatoren-Interviews ist der<br />
„Erfolg“ von Mediatoren. Operationalisiert wurde diese Variable zum e<strong>in</strong>en durch die<br />
eigene E<strong>in</strong>schätzung der „wirtschaftlichen Zufriedenheit“ als subjektives Kriterium<br />
<strong>und</strong> zum anderen durch die Anzahl der bereits bearbeiteten „<strong>Mediation</strong>sfälle“ im<br />
Verhältnis zur „Berufserfahrung“ („Seit wann arbeiten Sie als Mediator?“), durch den<br />
„Arbeitszeitanteil“ <strong>in</strong> Prozent, zu dem der Interviewpartner sich mit <strong>Mediation</strong><br />
beschäftigt <strong>und</strong> durch den „Jahresumsatz“, also dem Anteil vom E<strong>in</strong>kommen, der auf<br />
<strong>Mediation</strong> zurückzuführen ist, als objektive Kriterien.<br />
Subjektives Erfolgskriterium:<br />
• <strong>Wirtschaft</strong>liche Zufriedenheit<br />
Erfolg<br />
Abb. 4.2 Subjektive <strong>und</strong> objektive Erfolgskriterien.<br />
Objektive Erfolgskriterien:<br />
• Anzahl von <strong>Mediation</strong>en<br />
• Arbeitszeitanteil<br />
• Jahresumsatz<br />
52
Als „erfolgreiche Mediatoren“ gelten <strong>in</strong> dieser Studie jene, die mit ihrem<br />
wirtschaftlichen Erfolg subjektiv zufrieden s<strong>in</strong>d, bereits viele <strong>Mediation</strong>sfälle<br />
bearbeitet haben, sich <strong>in</strong> mehr als 50% ihrer Gesamtarbeitszeit mit <strong>Mediation</strong><br />
beschäftigen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en hohen Umsatz haben. Als „weniger erfolgreiche Mediatoren“<br />
werden wiederum jene angesehen, die bisher nur sehr wenige <strong>Mediation</strong>sfälle<br />
hatten, subjektiv nicht zufrieden s<strong>in</strong>d, sich weniger als 50% ihrer Arbeitszeit mit<br />
<strong>Mediation</strong> beschäftigen <strong>und</strong> nur e<strong>in</strong>en sehr ger<strong>in</strong>gen Jahresumsatz mit <strong>Mediation</strong><br />
machen.<br />
Bei der Auswahl der Kriterien wurde versucht, möglichst vielfältig die Variable<br />
„Erfolg“ zu erfassen. Ausgehend von der Motivationspsychologie, welche <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische<br />
(sach- oder aufgabenbezogene Anregungen) <strong>und</strong> extr<strong>in</strong>sische (von außen<br />
kommenden Anregungen, Belohnungen) Motivatoren unterscheidet, sollen nicht nur<br />
objektive, sondern auch subjektive Kriterien berücksichtigt werden. Die<br />
„wirtschaftliche Zufriedenheit“ gilt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang als <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische <strong>und</strong> der<br />
„Jahresumsatz“ als extr<strong>in</strong>sische Motivation. Da allerd<strong>in</strong>gs vermutet wurde, dass nicht<br />
alle Mediatoren ihr E<strong>in</strong>kommen nennen werden, sollten noch weitere objektive<br />
Erfolgskriterien erfragt werden. Das Kriterium „Anzahl von <strong>Mediation</strong>en“ sollte<br />
Aufschluss geben, wie viele <strong>Mediation</strong>en tatsächlich durchgeführt worden waren.<br />
H<strong>in</strong>ter dem Kriterium „Arbeitszeitanteil“ stand die Überlegung, dass jemand, der<br />
hauptberuflich <strong>Mediation</strong> betreibt <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e weitere E<strong>in</strong>nahmequelle hat, erfolgreich<br />
se<strong>in</strong> muss, um sich dies leisten zu können.<br />
Im letzten Teil des Mediatoren-Interviews, dem Rollenspiel „Verkaufsgespräch“,<br />
wurden die Gesprächspartner gebeten, sich <strong>in</strong> die Situation zu versetzen, e<strong>in</strong>em<br />
potenziellen K<strong>und</strong>en <strong>Mediation</strong> „verkaufen“ zu müssen. Dieser Teil wurde zusätzlich<br />
zu den Fragen mit e<strong>in</strong>bezogen, um weitere Informationen darüber zu bekommen, wie<br />
Mediatoren das Verfahren beschreiben. In diesem Rollenspiel sollte der Mediator<br />
sich vorstellen, dass er von e<strong>in</strong>er Unternehmensvertreter<strong>in</strong> (Interviewer<strong>in</strong>) angerufen<br />
wird, die sich für <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong>teressiert. Die Unternehmensvertreter<strong>in</strong> schildert e<strong>in</strong><br />
aktuelles Problem – mit der Frage, ob dieses durch <strong>Mediation</strong> zu lösen ist. Das<br />
dargestellte Problem, e<strong>in</strong> Konflikt zwischen Betriebsrat <strong>und</strong> Geschäftsführung über<br />
die Überst<strong>und</strong>enentlohnung, war <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vorgespräch von e<strong>in</strong>em „echten“<br />
53
Unternehmensvertreter geschildert worden. Die Aufgabe des Mediators bestand<br />
dar<strong>in</strong>, die fiktive Anrufer<strong>in</strong> davon zu überzeugen, diesen Konflikt mit e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong><br />
beizulegen. Das Mediatoren-Interview bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Anhang 7.<br />
54
Bei den soziodemografischen Daten wurden <strong>in</strong> Anlehnung an die vorhergehende<br />
schriftliche Befragung Informationen zur Person <strong>und</strong> zur Tätigkeit erfasst, u.a.:<br />
� Alter, Geschlecht, Wohnort (B<strong>und</strong>esland), E<strong>in</strong>kommen<br />
� Gebiete der Tätigkeit als Mediator, Anteil der Arbeits- <strong>und</strong><br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation an der gesamten Tätigkeit als Mediator<br />
� Informationen über die Firmen, für die <strong>Mediation</strong>en gemacht wurden<br />
(Branche, Unternehmensgröße, Mitarbeiteranzahl, Umsatz)<br />
4.1.3.3 Die Unternehmens-Interviews<br />
Die Unternehmens-Interviews wurden nach den selben allgeme<strong>in</strong>en Empfehlungen<br />
wie das Mediatoren-Interview entwickelt. Sie sollen hier daher nur <strong>in</strong>haltlich<br />
beschrieben werden. Da sowohl Unternehmen mit als auch Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung <strong>in</strong>terviewt wurden, war es erforderlich, zwei Leitfäden zu<br />
entwickeln. Alle Unternehmensvertreter erhielten die selben Fragen zu den<br />
folgenden Themenkreisen:<br />
� Informationsquellen zum Umgang mit Konflikten<br />
� Veränderungen im Unternehmen (z.B. personeller oder struktureller Art)<br />
� Umgang mit Konflikten<br />
� Vorstellungen von <strong>Mediation</strong> (welche Vorstellung die Unternehmensver-<br />
treter also davon haben, was <strong>Mediation</strong> ist)<br />
Die erste Frage der Unternehmens-Interviews befasst sich allgeme<strong>in</strong> damit,<br />
woher der Gesprächspartner se<strong>in</strong>e Informationen zum Thema „Umgang mit<br />
Konflikten“ hat. Diese Frage lässt sich nach Wittkowski (1994) als relativ e<strong>in</strong>fach <strong>und</strong><br />
gefühlsneutral beschreiben, da der Interviewte e<strong>in</strong>fach nur se<strong>in</strong>e Informationsquellen<br />
aufzählen muss.<br />
Wie auch bei den Mediatoren-Interviews wurden, bis auf drei geschlossene Fragen,<br />
hauptsächlich offene Fragen gestellt. Für die Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung war das Interview mit dem letzten Themenkreis „Vorstellungen<br />
von <strong>Mediation</strong>“ abgeschlossen. Am Ende wurden bei beiden Interviewtypen Fragen<br />
zum Unternehmen (Branche, Mitarbeiterzahl, Umsatz im letzten Geschäftsjahr) <strong>und</strong><br />
zur Person (Alter, Position, Studienabschluss, Jahre im Unternehmen) des<br />
55
Interviewpartners gestellt. Es wurde außerdem erfragt, ob das Unternehmen viele<br />
geschäftliche Beziehungen zu den USA unterhält <strong>und</strong>/oder e<strong>in</strong>en amerikanischen<br />
Mutter- oder Tochterkonzern hat. Damit soll überprüft werden, ob Unternehmen<br />
tatsächlich, wie von Risse (1998) behauptet, auf diesem Wege mit <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong><br />
Kontakt kommen.<br />
Für die Unternehmensvertreter mit <strong>Mediation</strong>serfahrung wurde <strong>in</strong> dem Themenkreis<br />
„Vorstellungen von <strong>Mediation</strong>“ zusätzlich noch erfragt, wie neu der Begriff <strong>und</strong> das<br />
Verfahren <strong>Mediation</strong> für sie gewesen war, <strong>und</strong> wie riskant es für sie war, <strong>Mediation</strong><br />
zum ersten Mal e<strong>in</strong>zusetzen. Zudem gab es zwei weitere Themenkreise:<br />
� Suche e<strong>in</strong>es geeigneten Mediators <strong>und</strong><br />
� Zufriedenheit mit der <strong>Mediation</strong><br />
In diesen Themenkreisen waren die Antworten teilweise auf e<strong>in</strong>er vierstufigen<br />
Likert-Skala (Judd et al., 1991) e<strong>in</strong>zuordnen, um e<strong>in</strong>e Quantifizierung zu<br />
ermöglichen. Die Unternehmens-Interviews bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> zusammengefasster<br />
Form (also für Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung) <strong>in</strong> Anhang 8.<br />
4.1.4 Auswahl der Stichproben<br />
Die Generalisierung <strong>in</strong> quantitativen Studien basiert auf großen repräsentativen<br />
Stichproben <strong>und</strong> der Annahme, dass mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit dieselben<br />
Ereignisse <strong>in</strong> ähnlichen Situationen auftreten. Für qualitative Forscher s<strong>in</strong>d große<br />
Stichproben meist e<strong>in</strong>e Schwierigkeit. So wurde auch <strong>in</strong> dieser Studie e<strong>in</strong>e eher<br />
kle<strong>in</strong>e Stichprobe untersucht. Um dennoch die Ergebnisse verallgeme<strong>in</strong>ern zu<br />
können, schlägt Seale (1999) die Strategie der „theoretischen Generalisierung“ vor.<br />
Danach ist e<strong>in</strong> Ergebnis e<strong>in</strong>er Fallstudie auch auf größere Populationen übertragbar,<br />
nicht weil der Fall repräsentativ ist, sondern aufgr<strong>und</strong> der unangreifbaren Analyse<br />
(vgl. Strauss & Glaser 1967 <strong>in</strong> Seale 1999).<br />
Schriftliche Befragung. Bei der Auswahl der Stichprobe für die schriftliche<br />
Befragung wurde eher pragmatisch vorgegangen. Als Teststichprobe wurden die<br />
Teilnehmer des <strong>Mediation</strong>skongresses der CfM im November 2000 <strong>in</strong> Münster<br />
gewählt. Dort sollten die ersten Fragebögen verteilt werden. Aufgr<strong>und</strong> des<br />
56
Veranstaltungsortes wurde mit e<strong>in</strong>er Überrepräsentierung für das B<strong>und</strong>esland<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen gerechnet, d.h., dass vermutlich die meisten befragten<br />
Mediatoren aus diesem B<strong>und</strong>esland angereist waren. Mit der Entfernung des<br />
B<strong>und</strong>eslandes nahm die Anzahl der Befragten ab. Es war auch nicht immer möglich,<br />
zu wissen, ob wirklich nur praktizierende Mediatoren <strong>und</strong> nicht noch <strong>in</strong> der<br />
Ausbildung bef<strong>in</strong>dliche Mediatoren den Fragebogen ausfüllen würden. Beide<br />
Störfaktoren wurden zum e<strong>in</strong>en durch das Erfassen des B<strong>und</strong>eslandes <strong>und</strong> zum<br />
anderen durch die Frage, wie lange der Befragte schon als Mediator tätig sei,<br />
versucht zu kontrollieren.<br />
Interviews. Im Rahmen dieser Studie wurden zwei Teile Deutschlands<br />
verglichen, nämlich die Neuen B<strong>und</strong>esländer (NBL, e<strong>in</strong>schließlich Ost-Berl<strong>in</strong>) <strong>und</strong><br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen (NRW) als Repräsentant für die alten B<strong>und</strong>esländer. Der Gr<strong>und</strong><br />
dafür war, dass so auch Aussagen über die Unterschiede der Akzeptanz von<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation <strong>in</strong>nerhalb Deutschlands möglich werden.<br />
NRW sozusagen als Vertreter der westlichen B<strong>und</strong>esländer zu nutzen hat e<strong>in</strong>e<br />
gewisse Tradition <strong>in</strong> der Literatur zu <strong>Mediation</strong>. In ihrer Doktorarbeit vergleicht von<br />
Hoyn<strong>in</strong>gen-Huene (2000) NRW mit den Niederlanden mit der Begründung, dass<br />
diese zwei ähnliche E<strong>in</strong>wohnerzahlen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e vergleichbare <strong>Wirtschaft</strong> haben.<br />
Zum Vergleich zwischen dem Westen (NRW) <strong>und</strong> dem Osten (NBL) Deutschlands<br />
sollen zunächst e<strong>in</strong> paar statistische Eckpunkte gegeben werden. In NRW leben ca.<br />
17,98 Mill. Menschen auf 34.100 km 2 <strong>und</strong> <strong>in</strong> den NBL s<strong>in</strong>d es ca. 14,8 Mill.<br />
Menschen auf 107.700 km 2 (Statistisches B<strong>und</strong>esamt, 2000a). Bei den<br />
wirtschaftlichen Kennzahlen s<strong>in</strong>d die Unterschiede zwischen den beiden Regionen<br />
sehr groß. Um nur e<strong>in</strong>ige Indikatoren zu nennen, hat NRW mit 826,9 Mrd. DM das<br />
höchste Brutto<strong>in</strong>landprodukt der B<strong>und</strong>esrepublik (Zahlen von 1998), die NBL br<strong>in</strong>gen<br />
es zusammen nur knapp auf die Hälfte mit 410,5 Mrd. DM (Statistisches B<strong>und</strong>esamt,<br />
2000a). Auch die Arbeitslosenquoten unterscheiden sich stark: <strong>in</strong> NRW s<strong>in</strong>d 11,2%<br />
der Bevölkerung erwerbslos, <strong>in</strong> den NBL s<strong>in</strong>d es im Schnitt 18,9%, <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt<br />
sogar 21,7% (Statistisches B<strong>und</strong>esamt, 2000b, 20001). Weiterh<strong>in</strong> werden <strong>in</strong> den NBL<br />
für dieselbe Arbeit nur 75% des <strong>in</strong> den westlichen B<strong>und</strong>esländern üblichen Lohnes<br />
gezahlt (Statistisches B<strong>und</strong>esamt, 2000c).<br />
57
So stellen sich die NBL <strong>und</strong> NRW als zwei Regionen dar, die zwar e<strong>in</strong>e ähnliche<br />
Bevölkerungszahl haben, sich <strong>in</strong> ihrer <strong>Wirtschaft</strong>skraft allerd<strong>in</strong>gs stark unterscheiden.<br />
Ob diese Differenzen e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>smediation<br />
haben, soll <strong>in</strong> dieser Arbeit untersucht werden.<br />
Dazu sollten jeweils 20 MediatorInnen <strong>und</strong> 20 Unternehmen befragt werden. Die<br />
MediatorInnen wurden mit Hilfe des „<strong>Mediation</strong>s-Guides“ (Ewig, 2000) der Centrale<br />
für <strong>Mediation</strong>, dem derzeit umfangreichsten Index dieser Art <strong>in</strong> Deutschland,<br />
ausgewählt. Zu beachten ist hierbei, dass für e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>trag <strong>in</strong> dieses Verzeichnis<br />
gezahlt werden muss, so dass von e<strong>in</strong>er vollständigen Repräsentativität nicht<br />
ausgegangen werden kann. Andererseits haben MediatorInnen e<strong>in</strong> begründetes<br />
Interesse daran, aus Akquisitionszwecken <strong>in</strong> diesem Verzeichnis aufgeführt zu<br />
werden. Der Guide bietet zudem den Vorteil, dass alle als Mediator Tätigen,<br />
unabhängig von der eigentlichen Berufsangehörigkeit, hier aufgelistet s<strong>in</strong>d. In die<br />
engere Auswahl kamen alle Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediatorInnen aus den neuen<br />
B<strong>und</strong>esländern <strong>und</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen.<br />
Weiterh<strong>in</strong> wurde auf e<strong>in</strong>e Gleichverteilung des Geschlechts <strong>und</strong> der<br />
Berufsangehörigkeit geachtet. In e<strong>in</strong>er Stellungnahme des B<strong>und</strong>es Deutscher<br />
Psycholog<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Psychologen heißt es, dass <strong>Mediation</strong> „e<strong>in</strong>en psychologischen,<br />
e<strong>in</strong>en sozialen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en juristischen/rechtlichen Aspekt“ hat (BDP, 2001). Analog<br />
dazu wurden für die Stichprobe sozialwissenschaftliche (<strong>in</strong>klusive psychologische)<br />
<strong>und</strong> juristische Mediatoren <strong>in</strong>terviewt. Letztendlich sah die geplante Verteilung der<br />
MediatorInnen wie folgt aus:<br />
NRW<br />
Männer<br />
Frauen<br />
NBL<br />
Männer<br />
Frauen<br />
Juristische<br />
Mediatoren<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2<br />
Sozialwiss.<br />
Mediatoren<br />
2<br />
2<br />
Andere Summe<br />
Anzahl 8 8 4 20<br />
2<br />
2<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
10<br />
10<br />
58
Abb. 4.3 Geplante Interviewstichprobe der Mediatoren.<br />
Die befragten Unternehmen fallen <strong>in</strong> zwei Kategorien: solche, die <strong>Mediation</strong> schon<br />
m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal genutzt haben <strong>und</strong> solche, die mit dem Verfahren bisher noch<br />
ke<strong>in</strong>e Erfahrungen gesammelt haben. Aus Gründen der Vergleichbarkeit war auch<br />
hier e<strong>in</strong>e Gleichverteilung zwischen den Neuen B<strong>und</strong>esländern <strong>und</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-<br />
Westfalen geplant, so dass sich folgende Vierfeldertafel ergibt:<br />
<strong>Mediation</strong> ja <strong>Mediation</strong> ne<strong>in</strong> Summe<br />
NRW 5 5 10<br />
NBL 5 5 10<br />
Anzahl 10 10 20<br />
Abb. 4.4 Geplante Interviewstichprobe der Unternehmen.<br />
Der Kontakt zu den Unternehmen, die schon e<strong>in</strong>mal <strong>Mediation</strong> angewendet hatten,<br />
sollte über die befragten MediatorInnen <strong>und</strong> über die <strong>Mediation</strong>svere<strong>in</strong>e hergestellt<br />
werden. Die Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrungen sollten dann durch<br />
Recherchen <strong>in</strong> Telefon- <strong>und</strong> Branchenbüchern sowie dem Internet gef<strong>und</strong>en werden.<br />
Geplant war, sie als gematchtes Sample den Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrungen gegenüber zu stellen, d.h. die Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung sollten möglichst e<strong>in</strong>e ähnliche Unternehmensbranchen- <strong>und</strong><br />
Unternehmensgrößenverteilung<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung.<br />
aufweisen wie die Unternehmen mit<br />
59
4.2 Datenerhebung<br />
4.2.1 Schriftliche Befragung<br />
Die schriftliche Befragung teilte sich <strong>in</strong> zwei Erhebungen. Bei der ersten Erhebung<br />
g<strong>in</strong>g es vorrangig darum, sich an den Untersuchungsgegenstand heranzutasten <strong>und</strong><br />
den selbstentwickelten Fragebogen noch e<strong>in</strong>mal auf se<strong>in</strong>e Anwendbarkeit zu<br />
überprüfen. Die Fragebögen wurden zu Beg<strong>in</strong>n des <strong>Mediation</strong>skongresses der<br />
Centrale für <strong>Mediation</strong> (CfM) <strong>in</strong> Münster im November 2000 verteilt, d.h. sie wurden<br />
den Teilnehmern nach der ersten Großveranstaltung direkt <strong>in</strong> die Hand gegeben <strong>und</strong><br />
am Ende <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Box wieder e<strong>in</strong>gesammelt. Von den geschätzten 350 Teilnehmern<br />
füllten 27 den Fragebogen aus. Zu dieser niedrigen Rücklaufquote muss gesagt<br />
werden, dass sich auf dem Kongress nicht nur Mediatoren befanden, sondern auch<br />
Vertreter <strong>in</strong>teressierter Unternehmen, <strong>in</strong>teressierte Rechtsanwälte <strong>und</strong> Angehörige<br />
anderer Berufsgruppen <strong>und</strong> angehende Mediatoren, die ihre Ausbildung noch nicht<br />
beendet hatten.<br />
Besonders aufschlussreich für die weitere Untersuchung war die letzte offene<br />
Frage: „Viele ausgebildete Mediator<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mediatoren haben Schwierigkeiten,<br />
nach oder auch schon während der Ausbildung Fälle zu f<strong>in</strong>den. Was me<strong>in</strong>en Sie,<br />
woran das liegt?“. Die qualitativen Antworten wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art „grafischen<br />
Ordnung“ zusammengefasst (s. Anhang 2) <strong>und</strong> dienten der Orientierung bei der<br />
Entwicklung der Interviewleitfäden für die Mediatoren (Huber, 1992).<br />
E<strong>in</strong> weiteres Ergebnis war die Überarbeitung von vier Fragen. Hierbei handelte es<br />
sich um die Fragen „Welchen Beruf üben Sie aus?“, „Wie lange hat diese Ausbildung<br />
gedauert (<strong>in</strong> Monaten)?“, „Was hat die oben genannte Ausbildung Sie gekostet?“ <strong>und</strong><br />
„Mit welchem Abschluss haben Sie die Ausbildung beendet?“. Der Gr<strong>und</strong> für die<br />
Umformulierung der ersten drei Fragen war, dass auf diese Fragen zu ungenaue<br />
oder nicht vergleichbare Antworten kamen. Die vierte Frage konnte auf Basis der<br />
Antworten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e geschlossene Frage umgewandelt werden. Der überarbeitete<br />
Fragebogen bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Anhang 1.<br />
Um e<strong>in</strong> umfassenderes Bild der Situation der Mediatoren <strong>in</strong> Deutschland zu<br />
gew<strong>in</strong>nen, wurde noch e<strong>in</strong>e weitere Erhebung vorgenommen. Bei dieser zweiten<br />
60
Erhebung wurden die Fragebögen mit Hilfe von drei Interessenverbänden, der<br />
deutschen Gesellschaft für <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> (DGMW), des<br />
<strong>B<strong>und</strong>esverband</strong>es für <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Arbeitswelt (BMWA) <strong>und</strong> der<br />
Centrale für <strong>Mediation</strong> (CfM), an all ihre Mitglieder verschickt. Um zu verh<strong>in</strong>dern,<br />
dass der Fragebogen von e<strong>in</strong> <strong>und</strong> derselben Person mehrmals ausgefüllt wird, wurde<br />
darum gebeten, diesen Fragebogen nicht zu beantworten, wenn er schon auf dem<br />
<strong>Mediation</strong>skongress <strong>in</strong> Münster ausgefüllt worden war. Insgesamt wurden 48<br />
Fragebögen per Post oder Fax zurückgeschickt. Das entspricht bei e<strong>in</strong>er Gesamtzahl<br />
von 879 Mitgliedern der drei Vere<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>er Rücklaufquote von 5,5%, wenn davon<br />
ausgegangen werden kann, dass die Vere<strong>in</strong>e alle Mitglieder erreicht haben. Dieser<br />
Rücklauf ist nicht hoch <strong>und</strong> vermutlich auf das Fehlen von frankierten<br />
Briefumschlägen <strong>und</strong> die <strong>in</strong>direkte Kontaktaufnahme (über die Vere<strong>in</strong>e)<br />
zurückzuführen. Allerd<strong>in</strong>gs ist bei postalischen Befragungen allgeme<strong>in</strong> nicht mit e<strong>in</strong>er<br />
hohen Rücklaufquote zu rechnen.<br />
4.2.1.1 Stichprobencharakteristik der schriftlichen Befragung<br />
Da der Fragebogen der ersten Erhebung sich nur unwesentlich von dem<br />
Fragebogen der zweiten Erhebung unterscheidet, wurden beide Teilstichproben zu<br />
e<strong>in</strong>er Gesamtstichprobe von 75 Mediatoren zusammengezogen. Die<br />
Alterszusammensetzung der befragten Mediatoren ist <strong>in</strong> der folgenden Abbildung 4.5<br />
dargestellt.<br />
29%<br />
8%<br />
3%<br />
39%<br />
21%<br />
20 - 30 Jahre<br />
31 - 40 Jahre<br />
41 - 50 Jahre<br />
51 - 60 Jahre<br />
über 60 Jahre<br />
Abb. 4.5 Altersgruppen der schriftlichen Befragung (n = 75).<br />
Die meisten Befragten gehören der Altersgruppe von 41 bis 50 Jahren an. Nur sehr<br />
wenige Mediatoren der untersuchten Stichprobe s<strong>in</strong>d jünger als 30 oder älter als 60<br />
61
Jahre. Wird die Verteilung der Geschlechter betrachtet, kann gesagt werden, dass<br />
sich nur ger<strong>in</strong>gfügig mehr männliche als weibliche Mediatoren an der Befragung<br />
beteiligt haben (s. Abb. 4.6).<br />
56%<br />
44%<br />
weiblich<br />
männlich<br />
Abb. 4.6 Geschlechterverteilung der schriftlichen Befragung (n = 73).<br />
Weiterh<strong>in</strong> wurde erfasst, <strong>in</strong> welcher Fachrichtung die befragten Mediatoren e<strong>in</strong>en<br />
Studienabschluss haben. Bei dieser Frage war es möglich, mehrere Antworten zu<br />
geben, falls <strong>in</strong> mehreren Fachrichtungen e<strong>in</strong> Abschluss erworben wurde. Auffallend<br />
ist dabei, dass die Mehrheit der Befragten aus dem juristischen Fachbereich kam<br />
(53%), gefolgt von den sozialwissenschaftlichen (20%) <strong>und</strong> wirtschaftlichen (15%)<br />
Fachrichtungen. Zu den sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen wurden<br />
Psychologie, Soziologie, Sozialpädagogik/-arbeit (mit Erziehungswissenschaften)<br />
gezählt. E<strong>in</strong>e genaue Aufschlüsselung gibt die folgende Abbildung.<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
40<br />
Rechtswissenschaften<br />
11<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />
7<br />
Psychologie<br />
5<br />
Soziologie<br />
3 2 2 2<br />
Politikwissenschaften<br />
Verwaltungswissenschaften<br />
Ingenierwissenschaften<br />
6<br />
Sonstige<br />
Fachrichtung<br />
62
Abb. 4.7 Fachrichtungen - Mehrfachnennungen möglich (n = 69).<br />
4.2.2 Telefonische Interviews<br />
Regeln. Froschauer <strong>und</strong> Lueger (1992) empfehlen, neben der Klärung von<br />
organisatorischen D<strong>in</strong>gen, wie die Begründung der Tonbandaufnahme, was mit dem<br />
Interviewmaterial passiert <strong>und</strong> der Gesprächsdauer, e<strong>in</strong> angenehmes Klima zu<br />
erzeugen. Es gilt, das „Eis zu brechen“ (Donaghy, 1990). Gerade für Menschen, die<br />
Angst vor Interviews haben, ist es angenehm, wenn sie erst e<strong>in</strong>mal über sich selbst<br />
reden können. Sie genießen es, dass sich jemand für sie <strong>in</strong>teressiert. Diese Art der<br />
Gesprächseröffnung gibt ihnen das Gefühl, die dann folgenden Fragen beantworten<br />
zu können. Wichtig ist auch, zuzusichern, dass die eigenen Aussagen noch e<strong>in</strong>mal<br />
überprüft werden können. Für den Forscher hat das den Vorteil, dass er überprüfen<br />
kann, ob er das Gesagte auch richtig verstanden hat, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er kommunikativen<br />
Validierung (Rub<strong>in</strong> & Rub<strong>in</strong>, 1995).<br />
Während des gesamten Interviews sollte der Interviewer Respekt zeigen. Der<br />
Gr<strong>und</strong> dafür ist, dass der Forscher abhängig von der Kooperation des<br />
Gesprächspartners ist (Rub<strong>in</strong> & Rub<strong>in</strong>, 1995). Um bei heikleren Fragen Angst <strong>und</strong><br />
Prestigeverlust vorzubeugen, empfiehlt Wittkowski (1994) die Verwendung von<br />
Euphemismen, d.h. beschönigenden Begriffen, sprachliche Verhüllungen, z.B.<br />
„Verbesserungsvorschläge“ statt „Kritik“. Es kann auch beiläufig erwähnt werden,<br />
dass andere Leute ebenfalls diese oder jene Gewohnheit haben. Dennoch sollte <strong>in</strong><br />
der Formulierung der Fragen stets darauf geachtet werden, dass der<br />
Gesprächspartner se<strong>in</strong> Gesicht wahren kann. Wird bei e<strong>in</strong>er Antwort Kritik an<br />
Personen oder Institutionen erwartet, gibt der Interviewer dem Gesprächspartner<br />
zunächst die Gelegenheit zum Lob dieser Person oder Institution. Zum Abschluss<br />
schlagen Froschauer <strong>und</strong> Lueger (1992) die Dokumentation des Interviewkontextes<br />
vor.<br />
Erstkontakt. Als potenzielle Gesprächspartner für die Mediatoren-Interviews galten<br />
alle Mediatoren, die bereits Erfahrungen mit Arbeits- oder <strong>Wirtschaft</strong>smediation<br />
gesammelt hatten. Nachdem e<strong>in</strong> Adressenpool von allen geeigneten<br />
Interviewpartnern erstellt wurde, wurde entsprechend dem Untersuchungsplan (s.<br />
Kap. 4.1) e<strong>in</strong>e Zufallsstichprobe von je vier juristischen Mediatoren (zwei weiblich,<br />
63
zwei männlich) aus NRW <strong>und</strong> den NBL, je vier sozialwissenschaftliche Mediatoren<br />
aus NRW <strong>und</strong> den NBL <strong>und</strong> je zwei weiteren Mediatoren aus NRW <strong>und</strong> den NBL<br />
gezogen. Diese erhielten dann e<strong>in</strong>en „Anfragebrief“ (s. Anhang 3), welcher aus e<strong>in</strong>er<br />
kurzen Untersuchungsbeschreibung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Begründung, warum die<br />
angeschriebene Person ausgewählt wurde, bestand (Rub<strong>in</strong> & Rub<strong>in</strong>, 1995). Diesem<br />
Brief folgte e<strong>in</strong> „Term<strong>in</strong>absprache-Telefonat“, <strong>in</strong> welchem neben der<br />
Term<strong>in</strong>abstimmung bei E<strong>in</strong>willigung zu e<strong>in</strong>em Interview auch noch e<strong>in</strong>mal überprüft<br />
werden konnte, ob die angeschriebene Person tatsächlich zur Zielpopulation<br />
gehörte. Anhang 6 enthält e<strong>in</strong>en „Merkzettel“ mit den bei diesem Telefonat<br />
angesprochenen Punkten.<br />
Die geplante Stichprobe ließ sich nicht <strong>in</strong> der vorgesehenen Form realisieren:<br />
manche Mediatoren wollte nicht teilnehmen, manche waren nicht zu erreichen <strong>und</strong><br />
bei manchen stellte sich heraus, dass sie doch nicht, wie im <strong>Mediation</strong>s-Guide<br />
angegeben, <strong>in</strong> der Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation tätig s<strong>in</strong>d bzw. <strong>in</strong> diesem Gebiet<br />
noch ke<strong>in</strong>e Erfahrung haben. Vor allem die Teilstichprobe der<br />
sozialwissenschaftlichen Mediatoren <strong>in</strong> den NBL enthielt schließlich nur noch e<strong>in</strong>e<br />
Person. In der folgenden Abbildung ist die tatsächlich realisierte Stichprobe der<br />
Mediatoren dargestellt.<br />
NRW<br />
Männer<br />
Frauen<br />
NBL<br />
Männer<br />
Frauen<br />
Juristische<br />
Mediatoren<br />
2<br />
2<br />
3<br />
2<br />
Sozialwiss.<br />
Mediatoren<br />
4<br />
0<br />
Andere Summe<br />
Anzahl 9 5 5 19<br />
Abb. 4.8 Untersuchungsstichprobe der Mediatoren (n = 19).<br />
1<br />
0<br />
Die Auswahl der Unternehmen erfolgte nicht repräsentativ, sondern zufällig über<br />
die Verb<strong>in</strong>dungen der Mediatoren, der Interessenverbände <strong>und</strong> der Technischen<br />
Universität Dresden. Die Teilstichprobe der Unternehmen, die schon e<strong>in</strong>mal<br />
2<br />
0<br />
1<br />
2<br />
10<br />
9<br />
64
<strong>Mediation</strong> angewendet hatten, war schwierig zu f<strong>in</strong>den, da sich nur sehr wenige<br />
Mediatoren <strong>in</strong> der Lage sahen, e<strong>in</strong>en Kontakt für die Forscher<strong>in</strong>nen herzustellen.<br />
Weitere Unternehmen wurden dann durch anderweitige Kontakte <strong>und</strong> mit Hilfe von<br />
Interessenvere<strong>in</strong>en für <strong>Mediation</strong> aufgetan. Die gematchten Partner-Unternehmen,<br />
die derselben Branche angehörten <strong>und</strong> noch ke<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>erfahrungen gemacht<br />
hatten, waren zwar leichter zu f<strong>in</strong>den, jedoch schwieriger zu überzeugen, an der<br />
Untersuchung teilzunehmen. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e konnte nicht <strong>in</strong> jeder Branche<br />
e<strong>in</strong>em Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung e<strong>in</strong> Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung zugeordnet werden. Die Abbildung 4.9 stellt die tatsächlich<br />
realisierte Stichprobe der Unternehmen dar. Es lassen sich <strong>in</strong> der Auswertung also<br />
ke<strong>in</strong>e „gematchten“ Paare vergleichen, die <strong>in</strong>terviewten Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung gehören nur teilweise den selben Branchen an.<br />
Branchen<br />
<strong>Mediation</strong><br />
ja<br />
<strong>Mediation</strong><br />
ne<strong>in</strong><br />
Summe<br />
Dienstleistungen 0 2 2<br />
F<strong>in</strong>anzdienstleitungen 1 3 4<br />
Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe 1 0 1<br />
Immobilien & Bauwirtschaft 1 0 1<br />
Rohstoffe & Energieversorgung 1 0 1<br />
Technologie, Telekommunikation &<br />
Enterta<strong>in</strong>ment<br />
1 2 3<br />
Automobil<strong>in</strong>dustrie 2 1 3<br />
Anzahl 7 8 15<br />
Abb. 4.9 Untersuchungsstichprobe der Unternehmen (n = 15).<br />
Ebenso wie die Mediatoren erhielten auch die Unternehmen zuerst e<strong>in</strong>en<br />
„Anfragebrief“, dem e<strong>in</strong> „Term<strong>in</strong>absprache-Telefonat“ folgte. Je nach Wunsch wurde<br />
den Unternehmen zusätzlich noch der Interviewleitfaden sowie das komplette<br />
Untersuchungskonzept <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Datenschutzerklärung (s. Anhang 7) zugeschickt.<br />
Die Interviews wurden unter den zwei Untersucher<strong>in</strong>nen gleichmäßig aufgeteilt.<br />
Unter Beachtung der allgeme<strong>in</strong>en Interviewregeln führt jede e<strong>in</strong>e Hälfte der<br />
65
Mediatoren-Interviews <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Hälfte der Unternehmens-Interviews durch. Die<br />
durchschnittliche Interviewdauer der Mediatoren-Interviews betrug ca. 43 M<strong>in</strong>uten,<br />
wobei das kürzeste Gespräch 22 M<strong>in</strong>uten, das längste 73 M<strong>in</strong>uten <strong>in</strong> Anspruch<br />
nahm. E<strong>in</strong> Unternehmens<strong>in</strong>terview dauerte im Durchschnitt ca. 30 M<strong>in</strong>uten, hier<br />
wiederum hatte das kürzeste Gespräch e<strong>in</strong>e Dauer von 14 M<strong>in</strong>uten, das längste e<strong>in</strong>e<br />
Dauer von 51 M<strong>in</strong>uten.<br />
4.2.2.1 Stichprobencharakteristik der <strong>in</strong>terviewten Mediatoren<br />
Die meisten <strong>in</strong>terviewten Mediatoren s<strong>in</strong>d analog zur Befragungsstichprobe<br />
zwischen 41 <strong>und</strong> 50 Jahre alt. Nur e<strong>in</strong> Mediator war jünger als 30 Jahre <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er<br />
älter als 60 Jahre alt (s. Abb. 4.10).<br />
16%<br />
48%<br />
5%<br />
5%<br />
26%<br />
20 - 30 Jahre<br />
31 - 40 Jahre<br />
41 - 50 Jahre<br />
51 - 60 Jahre<br />
über 60 Jahre<br />
Abb. 4.10 Altersgruppen der Interviewstichprobe (n = 19).<br />
Es wurden deutlich mehr männliche als weibliche Mediatoren <strong>in</strong>terviewt (s.<br />
Abb. 4.11). E<strong>in</strong>e mögliche Ursache dafür könnte se<strong>in</strong>, dass wesentlich weniger<br />
Mediator<strong>in</strong>nen als Mediatoren sich mit <strong>Wirtschaft</strong>s- oder Arbeitsmediation<br />
beschäftigen. Psycholog<strong>in</strong>nen oder Sozialwissenschaftler<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der<br />
Stichprobe nicht vertreten.<br />
68%<br />
32%<br />
weiblich<br />
männlich<br />
66
Abb. 4.11 Geschlechterverteilung der Interviewstichprobe (n = 19).<br />
Die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren haben, wieder unter Berücksichtigung von<br />
Mehrfachantworten, e<strong>in</strong>e oder mehrere Ausbildungen <strong>in</strong> den folgenden<br />
Fachrichtungen absolviert (s. Abb. 4.12). Trotz versuchter Gleichverteilung von<br />
Juristen <strong>und</strong> Sozialwissenschaftlern kam der größte Teil der Interviewten, <strong>in</strong><br />
Übere<strong>in</strong>stimmung mit den Befragungsergebnissen, aus dem juristischen Fachbereich<br />
(47%), gefolgt von dem sozialwissenschaftlichen (31%) <strong>und</strong><br />
wirtschaftswissenschaftlichen (21%) Bereich. Weiterh<strong>in</strong> befanden sich unter den<br />
Interviewten zwei Mediatoren, die u.a. e<strong>in</strong>e Lehrerausbildung hatten, zwei weitere,<br />
die u.a. Theologie studiert hatten <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Philosoph.<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Rechtswissenschaften<br />
9<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />
4 4<br />
Psychologie<br />
Lehramt<br />
2 2<br />
Theologie<br />
Philosophie<br />
1 1 1<br />
Soziologie<br />
Abb. 4.12 Fachrichtungen – Mehrfachnennungen möglich (n = 19).<br />
Fachrichtung<br />
4.2.2.2 Stichprobencharakteristik der <strong>in</strong>terviewten Unternehmensvertreter<br />
In dieser Stichprobencharakteristik werden die Unternehmensvertreter mit <strong>und</strong><br />
ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung geme<strong>in</strong>sam betrachtet. Die meisten <strong>in</strong>terviewten<br />
Unternehmensvertreter waren zwischen 30 <strong>und</strong> 60 Jahren alt, nur e<strong>in</strong>e Person war<br />
jünger als 30 Jahre. Jeweils etwa e<strong>in</strong> Drittel der Unternehmensvertreter war zwischen<br />
31 <strong>und</strong> 40, zwischen 41 <strong>und</strong> 50 <strong>und</strong> zwischen 51 <strong>und</strong> 60 Jahren alt, es zeigte sich<br />
also e<strong>in</strong>e recht gleichmäßige Verteilung über die Altersgruppen (s. Abb. 4.13).<br />
67
7%<br />
33% 20 - 30 Jahre<br />
27%<br />
33%<br />
31 - 40 Jahre<br />
41 - 50 Jahre<br />
51 - 60 Jahre<br />
Abb. 4.13 Altersgruppen der befragten Unternehmensvertreter (n = 15).<br />
Die große Mehrheit der Interviewpartner war männlich (s. Abb. 4.14), was damit<br />
zusammenhängt, dass Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen der <strong>Wirtschaft</strong> immer noch sehr<br />
stark unterrepräsentiert s<strong>in</strong>d. Unter den „Top 100“ der b<strong>und</strong>esdeutschen<br />
Unternehmen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Führungspositionen nur 5,5% der Stellen mit Frauen<br />
besetzt, <strong>und</strong> unter den r<strong>und</strong> 2000 deutschen Top-Managern f<strong>in</strong>det sich kaum mehr<br />
als e<strong>in</strong> Dutzend Frauen (Die Welt Onl<strong>in</strong>e, 2001).<br />
87%<br />
13%<br />
weiblich<br />
männlich<br />
Abb. 4.14 Geschlechterverteilung der befragten Unternehmensvertreter (n = 15).<br />
Aus Abbildung 4.15 lässt sich ersehen, dass alle Interviewpartner leitende<br />
Funktionen haben. 4 Personen s<strong>in</strong>d Justitiar oder Syndikus, 3 Geschäftsführer <strong>und</strong> 3<br />
Abteilungsleiter.<br />
68
Anzahl<br />
Interviewpartner<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Justitiar<br />
4<br />
Abteilungsleiter<br />
4<br />
3<br />
Leiter Personal<br />
2<br />
Fachkraft (Bildungswesen)<br />
1<br />
Position im<br />
Unternehmen<br />
Abb. 4.15 Position der Interviewpartner im Unternehmen (n = 15).<br />
Wie nach den Positionen der Gesprächspartner zu erwarten war, hatten die<br />
meisten Rechts- oder <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften studiert. Es gab allerd<strong>in</strong>gs auch<br />
e<strong>in</strong>en recht hohen Anteil an Psychologen (s. Abb. 4.16), der sich wohl vor allem<br />
dadurch erklären lässt, dass e<strong>in</strong>e Reihe von Kontakten über die Fachrichtung<br />
Psychologie der Technischen Universität Dresden hergestellt wurde.<br />
Anzahl<br />
Interviewpartner<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Rechtswissenschaften<br />
6<br />
Psychologie<br />
4<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swisseschaften<br />
3<br />
Ingenieurwissenschaften<br />
1 1<br />
Hotelfach<br />
Abb. 4.16 Fachrichtungen der Interviewpartner (n = 15).<br />
Fachrichtung<br />
69
Die Interviewpartner hatten recht unterschiedlich lange Erfahrungen <strong>in</strong> ihrem<br />
jeweiligen Unternehmen (s. Abb. 4.17). Während 2 Personen erst 2 Jahre ihre Stelle<br />
hatten, konnten 3 Personen auf e<strong>in</strong>e mehr als 20jährige Karriere <strong>in</strong> ihrem<br />
Unternehmen zurückblicken. Etwa die Hälfte der Interviewpartner hatte zwischen 6<br />
<strong>und</strong> 15 Jahren Erfahrung <strong>in</strong> ihrem Unternehmen.<br />
14%<br />
6%<br />
20%<br />
6%<br />
27%<br />
27%<br />
0 - 5 Jahre<br />
6 - 10 Jahre<br />
11 - 15 Jahre<br />
16 - 20 Jahre<br />
21 - 25 Jahre<br />
26 - 30 Jahre<br />
Abb. 4.17 Betriebszugehörigkeit <strong>in</strong> Jahren (n = 15).<br />
Abschließend soll noch die Größe der Unternehmen angegeben werden, bei denen<br />
die Interviewpartner angestellt s<strong>in</strong>d. Die Klassifizierung <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e, mittelgroßen <strong>und</strong><br />
große Unternehmen erfolgte nach dem HGB, § 267 (s. Anhang 14). Laut diesem<br />
Gesetz werden Unternehmen oder Gesellschaften nach der Bilanzsumme, der<br />
Mitarbeiteranzahl <strong>und</strong> dem Umsatzerlös klassifiziert. Weiterh<strong>in</strong> spielt es e<strong>in</strong>e Rolle,<br />
ob es sich um börsennotierte Unternehmen oder Gesellschaften handelt. Die<br />
Kriterien müssen m<strong>in</strong>destens zwei aufe<strong>in</strong>ander folgende Jahre lang erfüllt werden.<br />
Die Bewertung stützte sich auf die Geschäftsjahre 1999 <strong>und</strong> 2000 sowie die<br />
deutschen E<strong>in</strong>zelunternehmen, wenn es sich um weltweite Konzerne handelte. Zehn<br />
der 15 befragten deutschen E<strong>in</strong>zelnunternehmen waren börsennotierte Unternehmen<br />
<strong>und</strong> wurden demzufolge als große Unternehmen klassifiziert. Weitere vier<br />
Unternehmen erfüllten ebenfalls die Anforderungskriterien für e<strong>in</strong> großes<br />
Unternehmen. Somit waren <strong>in</strong>sgesamt 14 große <strong>und</strong> e<strong>in</strong> mittelgroßes Unternehmen<br />
an der Untersuchung beteiligt.<br />
70
4.3 Datenauswertung<br />
4.3.1 Quantitative Auswertung<br />
Für die Auswertung der schriftlichen Befragung <strong>und</strong> der quantitativen Angaben <strong>in</strong><br />
den Interviews wurde auf quantitative Auswertungsverfahren zurückgegriffen. Zu<br />
Beg<strong>in</strong>n wurden sowohl für die Befragung als auch für die Mediatoren- <strong>und</strong><br />
Unternehmens-Interviews die Häufigkeiten ermittelt <strong>und</strong> grafisch dargestellt.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der kle<strong>in</strong>en Stichproben der Mediatoren-Interviews (n = 19) <strong>und</strong> der<br />
Unternehmens-Interviews (n = 15) wurde bei diesen beiden Stichproben auf weitere<br />
statistische Berechnungen verzichtet. Dies gilt nicht für die schriftliche Befragung.<br />
Um bei der schriftlichen Befragung den Zusammenhang zwischen den<br />
abhängigen Variablen „Jahresumsatz“ <strong>und</strong> „subjektive Zufriedenheit“ <strong>und</strong> anderen<br />
Variablen (s. Anhang 11) zu ermitteln, wurden der Chi-Quadrat-Test <strong>und</strong> der t-Test<br />
durchgeführt. Dabei bestimmte das Skalenniveau der betreffenden Variablen die<br />
Wahl des Tests. Um Zusammenhänge zwischen nicht-metrischen, also kategorialen<br />
oder ord<strong>in</strong>alskalierten Variablen festzustellen, wurde der Chi-Quadrat-Test genutzt.<br />
Bei e<strong>in</strong>em metrischen Datenniveau wurde auf den t-Test zurückgegriffen.<br />
„... Der Chi-Quadrat-Test überprüft die Unabhängigkeit zweier Variablen <strong>und</strong><br />
damit <strong>in</strong>direkt den Zusammenhang der beiden Merkmale.“ (Bühl & Zöfel, 1994). Dazu<br />
werden Kreuztabellen gebildet. „... Zwei Variablen e<strong>in</strong>er Kreuztabelle gelten dann als<br />
vone<strong>in</strong>ander unabhängig, wenn die beobachteten Häufigkeiten der e<strong>in</strong>zelnen Zeilen<br />
mit den erwarteten Häufigkeiten übere<strong>in</strong>stimmen.“ (Bühl & Zöfel, 1994). Um die<br />
Stärke bzw. Schwäche e<strong>in</strong>es Zusammenhangs anzugeben, wurde der<br />
Kont<strong>in</strong>genzkoeffizient, e<strong>in</strong> auf dem Chi-Quadrat-Test basierendes Assoziationsmaß,<br />
berechnet. Dieser Koeffizient liegt immer zwischen 0 <strong>und</strong> 1, wobei Null ke<strong>in</strong>en<br />
Zusammenhang zwischen den Zeilen- <strong>und</strong> Spaltenvariablen angibt <strong>und</strong> Werte nahe<br />
1 e<strong>in</strong>en hohen Zusammenhang zwischen den Variablen (Bortz, 1993).<br />
Um Gruppenunterschiede zwischen den „zufriedenen“ <strong>und</strong> „unzufriedenen“<br />
Mediatoren sowie zwischen den „erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger erfolgreichen“<br />
Mediatoren festzustellen, wurde die Stichprobe <strong>in</strong> den Merkmalen „Zufriedenheit“<br />
(Mittelwert) <strong>und</strong> „Jahresumsatz“(Median) dichotomisiert. Die Variable „Jahresumsatz“<br />
71
teilte sich <strong>in</strong> die Gruppe von Mediatoren, die e<strong>in</strong>en „Jahresumsatz unter 12.500 €“<br />
<strong>und</strong> die, die e<strong>in</strong>en „Jahresumsatz über 12.500 €“ haben. Bei der Frage nach der<br />
„wirtschaftlichen Zufriedenheit“ galt es, im Fragebogen auf e<strong>in</strong>em Pfeil e<strong>in</strong> Kreuz<br />
zwischen zwei Polen zu setzen: Mediatoren, die e<strong>in</strong> Kreuz auf der l<strong>in</strong>ken Hälfte<br />
gemacht hatten, wurden als „zufrieden“ def<strong>in</strong>iert, Mediatoren, die auf der rechten<br />
Hälfte des Pfeils e<strong>in</strong> Kreuz gemacht hatten, wurden als „unzufrieden“ beschrieben.<br />
Für diese Gruppen wurde der t-Test für unabhängige Stichproben nach Student<br />
durchgeführt. Dieser vergleicht die Mittelwerte von Stichproben untere<strong>in</strong>ander,<br />
vorausgesetzt, dass es sich um normalverteilte Werte handelt. (Bortz, 1993; Bühl &<br />
Zöfel, 1994).<br />
4.3.2 Qualitative Auswertung<br />
4.3.2.1 Transkribierung<br />
Bei der Transkribierung wurden die Interviews zwischen den Forscher<strong>in</strong>nen<br />
getauscht, d.h. es wurden nicht die selbst durchgeführten Interviews transkribiert,<br />
sondern die nicht durchgeführten Interviews. Auf diese Art sollte e<strong>in</strong>e erhöhte<br />
Objektivität <strong>in</strong> die Transkribierung gebracht werden. Die Interviews wurden Wort für<br />
Wort transkribiert, jedoch ohne Zwischen- <strong>und</strong> Fülllaute wie „äh“, „hm“, „mmm“ etc.<br />
Auch wurden nicht, wie <strong>in</strong> manchen Studien üblich, die Länge von Pausen (außer<br />
wenn sie besonders lang waren), der Tonfall oder die Satzmelodie aufgezeichnet.<br />
Alle transkribierten Mediatoren-Interviews bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Anhang 15 auf der<br />
beigefügten CD-Rom (nur für die Gutachter). Daten, die e<strong>in</strong>e Identifizierung der<br />
Interviewpartner erlauben könnten, wurden aus den Transkribierungen entfernt.<br />
4.3.2.2 Der Kodierprozess<br />
Wie läuft der Kodierungsprozess ab? Wie ist das Vorgehen im E<strong>in</strong>zelnen? Im<br />
Unterschied zur quantitativen Forschung lässt sich auch bei <strong>in</strong>tensiven<br />
Literaturstudien ke<strong>in</strong> „Standardset” für qualitative Analysen f<strong>in</strong>den (Kohler Riessman,<br />
1993). Ostner (1982) br<strong>in</strong>gt das eigentliche Dilemma auf den Punkt, <strong>in</strong>dem er<br />
schreibt: „Ich vermisse E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> das ‘Handwerkliche’ ” (<strong>in</strong> Lamnek, 1995). Der<br />
qualitative Forscher ist sehr auf se<strong>in</strong>e eigene Kreativität angewiesen. E<strong>in</strong> anderes<br />
Problem, dem man <strong>in</strong> der Literatur begegnet, ist die Term<strong>in</strong>ologie. Es lassen sich<br />
72
viele Beispiele für den Kodierungsprozess f<strong>in</strong>den, die sehr große Ähnlichkeiten<br />
aufweisen. Wer sich zum ersten Mal mit qualitativer Analyse beschäftigt, ist nach der<br />
Darstellung des vierten oder fünften Verfahrens mehr als verwirrt <strong>und</strong> dem Verdacht<br />
nahe, dass er eigentlich immer wieder dasselbe nur mit anderen Worten liest. Aus<br />
diesem Gr<strong>und</strong>e soll hier nur e<strong>in</strong> für diese Studie passender Kodierungsprozess<br />
dargestellt werden. Vorab wird e<strong>in</strong>e kurze Begriffserklärung des Wortes<br />
„Kodierungsprozess” gegeben.<br />
Der Kodierungsprozess ist „der Prozess, <strong>in</strong> dem die rohen Daten systematisch<br />
transformiert <strong>und</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>heiten zusammengefasst werden, die e<strong>in</strong>e genaue<br />
Beschreibung der im Inhalt enthaltenen Charakteristika gestattet” (Bard<strong>in</strong>, 1986 <strong>in</strong><br />
Huber, 1992). In dieser Untersuchung heißt das, rohe, verbale Daten (Text) so zu<br />
reduzieren oder, e<strong>in</strong>facher gesagt, zu <strong>in</strong>terpretieren, dass sich die s<strong>in</strong>ntragenden<br />
Elemente herauskristallisieren. Diese s<strong>in</strong>ntragenden Elemente werden <strong>in</strong> der<br />
Literatur auch “Bedeutungse<strong>in</strong>heiten” genannt.<br />
Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayr<strong>in</strong>g. In Flick et al. (1995) beschreibt<br />
Mayr<strong>in</strong>g (1990) drei Gr<strong>und</strong>formen der qualitativen Inhaltsanalyse: die<br />
zusammenfassende, die explorierende <strong>und</strong> die strukturierende Inhaltsanalyse. Ziel<br />
von Inhaltsanalysen ist die systematische Bearbeitung von Material aus<br />
Kommunikationen.<br />
Bei der zusammenfassenden Inhaltsanalyse wird das Datenmaterial so reduziert,<br />
dass wesentliche Inhalte erhalten bleiben, aber e<strong>in</strong> überschaubarer Kurztext<br />
entsteht. Sie bietet sich immer dann an, wenn der Forscher nur an der <strong>in</strong>haltlichen<br />
Ebene des Materials <strong>in</strong>teressiert ist.<br />
Das Ziel der explizierenden Inhaltsanalyse ist die Suche nach zusätzlichem<br />
Material, um unklare Textstellen (Begriffe, Sätze, ...) verständlicher zu machen.<br />
Dabei lässt sich zwischen e<strong>in</strong>er engeren Kontextanalyse, die nur das direkte<br />
Textumfeld (z.B. die aufgezeichneten Aussagen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terviewten Person)<br />
heranzieht, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er weiteren Kontextanalyse, die Zusatzmaterial (z.B. weitere<br />
Veröffentlichungen der <strong>in</strong>terviewten Person, erneute telefonische Nachfragen) über<br />
den Text h<strong>in</strong>aus sammelt, unterscheiden.<br />
73
Die strukturierende Inhaltsanalyse will bestimmte Aspekte aus dem Datenmaterial<br />
herausfiltern. Sie geht im Unterschied zur zusammenfassenden Inhaltsanalyse<br />
stärker theoriegeleitet vor. Unter vorher festgelegten Ordnungskriterien kann<br />
e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> Querschnitt durch das Material gelegt oder andererseits das Material<br />
unter bestimmten Kriterien e<strong>in</strong>geschätzt werden. Die e<strong>in</strong>zelnen Strukturdimensionen<br />
(Themen) werden dabei <strong>in</strong> Kategorien untergliedert. Um bei der Strukturierung des<br />
Materials systematisch vorzugehen, werden Kodierleitfäden, auch Kodiersysteme<br />
genannt, genutzt. In diesen stehen die genaue Formulierung von Def<strong>in</strong>itionen für die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Kategorien, typische Textpassagen als „Ankerbeispiele“ <strong>und</strong> Kodierregeln.<br />
Zu allen drei Formen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Flick (1995) Ablaufmodelle dargestellt. Bei Mayr<strong>in</strong>g<br />
(1990) selbst s<strong>in</strong>d neben den Ablaufmodellen noch Verfahrens- <strong>und</strong><br />
Interpretationsregeln formuliert. Da <strong>in</strong> dieser Studie das Datenmaterial aufgr<strong>und</strong> der<br />
direktiven Leitfäden (Donaghy, 1990), bereits themenbezogen vorlag, wurde die<br />
Vorgehensweise der strukturierenden Inhaltsanalyse genutzt (s. Abb. 4.24).<br />
6.Schritt<br />
Überarbeitung,<br />
gegebenenfalls<br />
Revision von<br />
Kategoriesystem<br />
<strong>und</strong> Kategoriedef<strong>in</strong>ition<br />
1.Schritt<br />
Festlegung der Strukturdimensionen<br />
(theoriegeleitet)<br />
2.Schritt<br />
Bestimmung der Ausprägung (theoriegeleitet)<br />
Zusammenstellung e<strong>in</strong>es Kodiersystems<br />
3.Schritt<br />
Formulierung von Def<strong>in</strong>itionen, Ankerbeispielen<br />
<strong>und</strong> Kodierregeln zu den e<strong>in</strong>zelnen Kategorien<br />
4.Schritt<br />
Materialdurchlauf: F<strong>und</strong>stellenbezeichnung<br />
5.Schritt<br />
Materialdurchlauf:<br />
Bearbeitung <strong>und</strong> Extraktion der F<strong>und</strong>stellen<br />
7.Schritt<br />
Ergebnisaufarbeitung<br />
Abb. 4.24 Ablaufmodell der strukturierenden Inhaltsanalyse (<strong>in</strong> Flick, 1995).<br />
74
4.3.2.3 Entwicklung e<strong>in</strong>es Kodiersystems<br />
Die Vorgehensweise bei der strukturierenden Inhaltsanalyse soll hier nach dem<br />
Ablaufmodell <strong>in</strong> Flick (1995) dargestellt werden. Da der Prozess für die Mediatoren-<br />
<strong>und</strong> Unternehmens-Interviews vom Vorgehen her gleich war, wird er<br />
zusammenfassend beschrieben.<br />
Schritt 1. Für die Auswertung wurden vorab schon e<strong>in</strong>ige grobe<br />
Strukturdimensionen festgelegt. Dabei handelte es sich um die e<strong>in</strong>zelnen Themen<br />
der Fragebögen (s. Kap. 4.1.3.2 <strong>und</strong> 4.1.3.3).<br />
Schritt 2. Das Kodiersystem wurde zum Teil theoriegeleitet, zum Teil aus dem<br />
Untersuchungsmaterial (also den transkribierten Interviews) heraus erarbeitet. Hier<br />
war das Vorgehen bei Mediatoren- <strong>und</strong> Unternehmens-Interviews unterschiedlich.<br />
Bei den Mediatoren-Interviews wurde nur jedes zweite Interview (alle ungeraden<br />
Codes) zur Erstellung des Kodiersystems benutzt. Bei den Unternehmen h<strong>in</strong>gegen<br />
wurden alle Interviews für die Erstellung des Kodiersystems genutzt. Der Gr<strong>und</strong> für<br />
dieses unterschiedliche Vorgehen war zum e<strong>in</strong>en die unterschiedlich hohe Anzahl<br />
von Interviews <strong>und</strong> zum anderen, dass die Unternehmens- im Gegensatz zur<br />
Mediatorenstichprobe eher heterogen war (sehr viele verschiedene Branchen,<br />
unterschiedlich lange Erfahrung der Interviewpartner <strong>in</strong> ihrer jeweiligen Stelle sowie<br />
Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung). Wären nicht alle genutzt worden,<br />
hätte es zu große Informationsverluste gegeben. Das tatsächliche Vorgehen zur<br />
Erarbeitung des Kodiersystems war allerd<strong>in</strong>gs das gleiche. Die transkribierten<br />
Interviews wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art Zusammenschau gelesen mit dem Ziel, für jeden<br />
Informationskomplex sozusagen Überschriften (Kategorien) <strong>und</strong> deren<br />
Ausprägungen zu f<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong> Beispiel für die Mediatoren-Interviews: Dort lautete die<br />
erste Frage „Wie zufrieden s<strong>in</strong>d Sie mit Ihrem wirtschaftlichen Erfolg als Mediator?“.<br />
Die Antworten auf diese Frage ließen sich unter der Überschrift (Kategorie)<br />
„<strong>Wirtschaft</strong>liche Zufriedenheit“ zusammenfassen, deren Ausprägungen „zufrieden“,<br />
„weder/noch“ <strong>und</strong> „unzufrieden“ waren.<br />
Schritt 3. Ausgehend von dem im vorherigen Schritt erarbeiteten Kodiersystem<br />
wurde nun e<strong>in</strong> beschreibendes Kodiersystem entwickelt. Am Anfang dieser<br />
Beschreibung wird auf e<strong>in</strong>ige Kodierregeln e<strong>in</strong>gegangen, d.h. Vorgehensweisen, die<br />
76
ei der Kodierung (Reduzierung) des Untersuchungsmaterials zu beachten s<strong>in</strong>d.<br />
Hierfür e<strong>in</strong> Beispiel: „E<strong>in</strong>e Bedeutungse<strong>in</strong>heit ist e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>ntragende Textstelle. Sie<br />
kann aus e<strong>in</strong>em Satz, e<strong>in</strong>er Wortgruppe oder e<strong>in</strong>em Wort bestehen“. Weiterh<strong>in</strong> wird<br />
jede Kategorie kurz erläutert (def<strong>in</strong>iert). Im Falle des bereits genannten Beispiels der<br />
Kategorie „<strong>Wirtschaft</strong>liche Zufriedenheit“ ist dort folgende Erklärung zu f<strong>in</strong>den: „...<br />
damit ist geme<strong>in</strong>t, ob der/die MediatorIn die <strong>Mediation</strong> als e<strong>in</strong>es ihrer wirtschaftlichen<br />
Standbe<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schätzen würde, d.h. zufriedenstellend entlohnt wird. Mit<br />
„zufriedenstellend entlohnt“ ist geme<strong>in</strong>t, ob Aufwand <strong>und</strong> Nutzen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em guten<br />
Verhältnis stehen.“ Zu jeder e<strong>in</strong>zelnen Ausprägung der Kategorien gibt es im<br />
beschreibenden Kodiersystem sogenannte „Ankerbeispiele“, also Textstellen, die<br />
beispielhaft <strong>in</strong> diese Ausprägung der Kategorie e<strong>in</strong>geordnet werden. Jedes dieser<br />
Beispiele wird mit se<strong>in</strong>er F<strong>und</strong>stelle, also dem Interviewcode <strong>und</strong> der Seitenzahl,<br />
aufgeführt. E<strong>in</strong> Ankerbeispiel für die Ausprägung „zufrieden“ der Kategorie<br />
„<strong>Wirtschaft</strong>liche Zufriedenheit“ ist: „mit dem wirtschaftlichen Erfolg b<strong>in</strong> ich sehr<br />
zufrieden“ (G11-M).<br />
Schritt 4 <strong>und</strong> 5. In dieser Phase des ersten Materialdurchlaufs wurde das<br />
Kodiersystem an e<strong>in</strong>em Teil der Interviews erprobt. Beide Forscher<strong>in</strong>nen kodierten<br />
die Interviews nach Vorgabe des <strong>in</strong> der 3. Phase entwickelten beschreibenden<br />
Kodiersystems. Dabei wurden die e<strong>in</strong>zelnen Textstellen mit ihren F<strong>und</strong>stellen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Vorlage mit den Kategorien <strong>und</strong> ihren Ausprägungen e<strong>in</strong>geordnet.<br />
Schritt 6. Nach diesem Materialdurchlauf wurden aufgr<strong>und</strong> der noch nicht<br />
befriedigenden Beurteilerübere<strong>in</strong>stimmung von 68% <strong>in</strong> Diskussion zwischen den<br />
beiden Forscher<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>zelne Kategorien noch e<strong>in</strong>mal überarbeitet. Es wurden<br />
Kategorien gestrichen, die nicht e<strong>in</strong>deutig waren. Ähnliche, nicht trennscharfe<br />
Kategorien wurden zusammengefasst <strong>und</strong> andere Kategorien bedurften nur e<strong>in</strong>er<br />
präziseren Beschreibung.<br />
Zweiter Materialdurchlauf. Gemäß des Ablaufmodell von Mayr<strong>in</strong>g (1990)<br />
wurden nun noch e<strong>in</strong>mal die Schritte 3-5 durchlaufen. Bei den Mediatoren-Interviews<br />
wurden bei diesem Materialdurchlauf jedoch alle Interviews berücksichtigt <strong>und</strong> nicht<br />
nur die e<strong>in</strong>e Hälfte wie <strong>in</strong> dem ersten Durchlauf. Auch nach diesem Schritt wurden<br />
wieder Kategorien verändert <strong>und</strong> das Kodiersystem perfektioniert. Somit s<strong>in</strong>d die<br />
77
eschreibenden Kodiersysteme für die Mediatoren im Anhang 16 auf der<br />
beiliegenden CD-Rom <strong>und</strong> für die Unternehmen im Anhang von Teil 2 dieser Arbeit<br />
Ergebnisse dieses letzten Schrittes. Aus Zeitgründen wurde allerd<strong>in</strong>gs auf e<strong>in</strong><br />
nochmaliges Durchlaufen verzichtet. Stattdessen wurden im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />
kommunikativen Validierung zwischen den Forscher<strong>in</strong>nen (Flick, 1995) alle<br />
Aussagen dah<strong>in</strong>gehend untersucht, ob sie a) hypothetisch, b) Zukunftsaussagen<br />
oder c) allgeme<strong>in</strong>e „man“-Aussagen waren, die ke<strong>in</strong>e direkten Rückschlüsse auf die<br />
tatsächliche Haltung/Tätigkeit des Befragten zuließen. Diese drei Typen von<br />
Aussagen wurden aus der Auswertung herausgenommen, da Wünsche, Pläne u. ä.<br />
nicht Teil der Analyse se<strong>in</strong> sollten.<br />
Objektivitätsprüfung. Das Ergebnis des zweiten Materialdurchlaufs war e<strong>in</strong>e<br />
Beurteilerübere<strong>in</strong>stimmung von 79%, die durchaus als zufriedenstellend angesehen<br />
werden kann. Frick <strong>und</strong> Semmel (1978) halten Übere<strong>in</strong>stimmungen von 75% für<br />
akzeptabel (<strong>in</strong> Greve, 1991). Dazu wurden alle kodierten Aussagen aus den<br />
Mediatoren-Interviews <strong>und</strong> aus den Unternehmens-Interviews <strong>in</strong> jeweils e<strong>in</strong>er großen<br />
Tabelle (s. Anhang 17 der beiliegenden CD-Rom) zusammengetragen, aus der<br />
ersichtlich ist, welche Forscher<strong>in</strong> welche Aussage <strong>in</strong> welche Kategorie e<strong>in</strong>geordnet<br />
hat. Für e<strong>in</strong>e noch höhere Objektivität wurden nur die übere<strong>in</strong>stimmenden Aussagen<br />
ausgewertet, d.h. die Aussagen, die von beiden Urteiler<strong>in</strong>nen kodiert wurden (s.<br />
Anhang 18 der beiliegenden CD-Rom).<br />
Mit dem hier beschriebenen Vorgehen folgt diese Arbeit fast vollständig den<br />
Empfehlungen von Froschauer <strong>und</strong> Lueger (1992), die vorschlagen, die<br />
Interpretationen von qualitativen Interviews <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe von m<strong>in</strong>destens zwei<br />
Personen vorzunehmen. Dabei sei es wichtig, dass die Interpreten sich gegenseitig<br />
akzeptieren <strong>und</strong> vorab ihre Rollenverteilung während der Interpretation klären. Die<br />
Interpretationen sollten schrittweise, chronologisch <strong>und</strong> ohne Zeitdruck erfolgen.<br />
4.4 Diskussion der methodischen Durchführung<br />
Diese Studie lässt sich von der methodischen Durchführung her an verschiedenen<br />
Stellen kritisieren. Zunächst e<strong>in</strong>mal zur schriftlichen Befragung der Mediatoren. Hier<br />
hätte e<strong>in</strong> frankierter Rückumschlag e<strong>in</strong>e höhere Rücklaufquote br<strong>in</strong>gen können – was<br />
aber aus f<strong>in</strong>anziellen Gründen nicht möglich war.<br />
78
E<strong>in</strong>e weitere E<strong>in</strong>schränkung h<strong>in</strong>sichtlich der Repräsentativität lässt sich aufgr<strong>und</strong><br />
der Überschrift „<strong>Wirtschaft</strong>smediation <strong>in</strong> Deutschland“ auf der ersten<br />
Fragebogenversion vermuten. Es ist nicht auszuschließen, dass viele Mediatoren<br />
des <strong>Mediation</strong>skongress <strong>in</strong> Münster nicht an der Befragung teilgenommen haben, da<br />
sie sich nicht zur geeigneten Zielgruppe gezählt haben oder aber, dass viel mehr<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediatoren an der Befragung teilgenommen haben. Bei der zweiten<br />
Erhebung wurde die Fragebogenüberschrift <strong>in</strong> „<strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Deutschland“ verändert.<br />
Unter diesem Aspekt betrachtet, kann die schriftliche Befragung also ke<strong>in</strong>en<br />
Anspruch auf Repräsentativität erheben, sondern ist vielmehr e<strong>in</strong> erster E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong><br />
die Situation von Mediatoren <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Um e<strong>in</strong>en stärkeren Bezug von der schriftlichen Befragung zu den Mediatoren-<br />
Interviews herzustellen zu können, wäre es effektiver gewesen, die Stichprobe der<br />
telefonisch befragten Mediatoren der der schriftlich befragten anzupassen. Dies war<br />
nicht möglich, da beide zum Teil parallel geführt wurden. Dennoch konnten aus dem<br />
Rücklauf der schriftlichen Befragung immer wieder wichtige Anregungen zur<br />
(Weiter-)Entwicklung der telefonischen Interviews entnommen werden.<br />
Bei den Mediatoren-Interviews wurde zwar danach gefragt, mit welchen Methoden<br />
die Interviewpartner sich vermarkten, es fehlte aber e<strong>in</strong>e systematische Abfrage der<br />
Bewertung dieser verschiedenen Methoden. So s<strong>in</strong>d zwar e<strong>in</strong>e große Zahl von<br />
Vermarktungsmöglichkeiten zusammengekommen, diese s<strong>in</strong>d aber nicht von den<br />
Mediatoren h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Nützlichkeit bewertet worden. E<strong>in</strong> Ersatz mag der<br />
Vergleich mit den Aussagen der Unternehmensvertreter mit <strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
se<strong>in</strong>, die dazu befragt wurden, was sie dazu gebracht hat, sich für ihren speziellen<br />
Mediator zu entscheiden.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Schwachstelle des Mediatoren-Interviews ist das Rollenspiel<br />
„Verkaufsgespräch“: obwohl hier <strong>in</strong> <strong>in</strong>novativer Form wichtige Informationen darüber<br />
gesammelt werden konnten, wie sich e<strong>in</strong> Mediator <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „realen“ Situation<br />
vermarkten würde, geschah dies nicht <strong>in</strong> standardisierter Form. Zum Beispiel wurde<br />
e<strong>in</strong>igen Mediatoren das Beispielproblem geschildert, anderen nicht. Die Details des<br />
Beispielproblems waren nicht vorgegeben, so dass sich die Forscher<strong>in</strong>nen bei<br />
79
Nachfragen der Interviewten etwas ausdenken mussten. Für e<strong>in</strong>e weitere<br />
Verwendung der Methode des Rollenspiels am Telefon wäre e<strong>in</strong>e größere<br />
Standardisierung wichtig, um verlässlichere Ergebnisse zu erhalten.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Empfehlung für zukünftige Untersuchungen ist die Erhebung des<br />
"Jahresumsatzes", der mit <strong>Mediation</strong> erwirtschaftet wurde, statt nach dem<br />
"E<strong>in</strong>kommen" zu fragen. Auf die Frage nach dem "E<strong>in</strong>kommen", die <strong>in</strong> den<br />
Mediatoren-Interviews verwendet wurde, kamen wesentlich mehr<br />
Aussageverweigerungen als auf die Frage nach dem "Jahresumsatz", welche <strong>in</strong> der<br />
schriftlichen Befragung gestellt wurde. Dies könnte an der Art der Befragung liegen,<br />
die ja zum e<strong>in</strong>en schriftlich <strong>und</strong> zum anderen persönlich (am Telefon) erfolgte. E<strong>in</strong><br />
anderer Gr<strong>und</strong> könnte das unterschiedliche Verständnis von "E<strong>in</strong>kommen" se<strong>in</strong>:<br />
e<strong>in</strong>erseits, dass "E<strong>in</strong>kommen" aufgr<strong>und</strong> von anderen Nebentätigkeiten nicht nur auf<br />
die <strong>Mediation</strong> bezogen wurde <strong>und</strong> dass andererseits e<strong>in</strong>ige Mediatoren ihr eigenes<br />
E<strong>in</strong>kommen <strong>und</strong> andere den ihren Jahresumsatz angaben. Somit waren die Angaben<br />
letztendlich nicht mehr vergleichbar.<br />
Anders als bei den Unternehmens-Interviews wurden die Mediatoren am Ende des<br />
Interviews nicht gefragt: „Möchten Sie noch etwas ergänzen, das noch nicht erfragt<br />
worden ist?“ Bei den Unternehmensvertretern waren auf diese Frage e<strong>in</strong>e ganze<br />
Reihe von wertvollen Informationen gegeben worden, die bei den Mediatoren<br />
eventuell verloren gegangen s<strong>in</strong>d. In zukünftigen Untersuchungen sollte also<br />
eventuell <strong>in</strong>sgesamt mehr Raum für völlig freies Antworten der Gesprächspartner<br />
gegeben werden, um so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Gegen die Art<br />
der Transkribierung der Interviews lässt sich e<strong>in</strong>wenden, dass sie ungenau sei <strong>und</strong><br />
viele Informationen mit ihr verloren g<strong>in</strong>gen. In Anbetracht der Tatsache, dass <strong>in</strong><br />
dieser Arbeit aber ke<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>guistische, sondern <strong>in</strong>haltliche Forschung betrieben<br />
wurde, lässt sie sich rechtfertigen. Die Entscheidung für den Verzicht auf e<strong>in</strong>e<br />
komplette Transkribierung begründet sich außerdem dar<strong>in</strong>, dass sonst die<br />
Bearbeitung des Datenmaterials unverhältnismäßig viel Zeit im Vergleich zur an sich<br />
schon umfangreichen Analyse <strong>und</strong> Interpretation <strong>in</strong> Anspruch genommen hätte. Bei<br />
der Erarbeitung der Kodiersysteme <strong>und</strong> der Kodierung der Interviews wurden zwar<br />
beide Forscher<strong>in</strong>nen mit ihren unterschiedlichen Me<strong>in</strong>ungen <strong>und</strong> (An-)Sichten<br />
genutzt, es darf aber angenommen werden, dass diese schon aufgr<strong>und</strong> der engen<br />
Zusammenarbeit nicht so unterschiedlich waren, wie Froschauer <strong>und</strong> Lueger (1992)<br />
80
es fordern. Es wäre also s<strong>in</strong>nvoll gewesen, noch weitere Personen <strong>in</strong> diesen Prozess<br />
mit e<strong>in</strong>zubeziehen, um e<strong>in</strong>e größere Zahl von heterogenen Me<strong>in</strong>ungen zu erlangen.<br />
81
5. Darstellung <strong>und</strong> Interpretation der Ergebnisse<br />
Im ersten Kapitel werden die Ergebnisse der schriftlichen Befragung von<br />
Mediatoren dargestellt <strong>und</strong> <strong>in</strong>terpretiert. Das zweite Kapitel widmet sich der<br />
Auswertung der Mediatoren-Interviews. Die Gesamt<strong>in</strong>terpretation aller Ergebnisse<br />
erfolgt im dritten Kapitel. Die Ergebnisdarstellung <strong>und</strong> -<strong>in</strong>terpretation der<br />
Unternehmens-Interviews bef<strong>in</strong>det sich im zweiten Teil diese Diplomarbeit.<br />
5.1 Ergebnisse der schriftlichen Befragung<br />
Um e<strong>in</strong> Bild von Mediatoren <strong>in</strong> Deutschland zu skizzieren, wurden praktizierende<br />
Mediatoren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er b<strong>und</strong>esweiten schriftlichen Erhebung zu ihrer eigenen Person, zu<br />
ihrer Ausbildung, zu ihrer Tätigkeit als Mediator <strong>und</strong> zu Schwierigkeiten bei der<br />
Fallsuche befragt. Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Antworthäufigkeiten bei e<strong>in</strong>zelnen<br />
Fragen kann die Teilstichprobengröße (n) <strong>in</strong> den Abbildungen variieren. Die<br />
detaillierte Variablenliste bef<strong>in</strong>det sich im Anhang 11.<br />
5.1.1 Zur Person<br />
Die meisten der <strong>in</strong>sgesamt 75 befragten Mediatoren gehören der Altersgruppe von<br />
41 bis 50 Jahren an. Nur sehr wenige Mediatoren s<strong>in</strong>d jünger als 30 Jahre oder älter<br />
als 60 Jahre alt (s. Abb. 5.1).<br />
29%<br />
8%<br />
3%<br />
39%<br />
21%<br />
Abb. 5.1 Altersgruppen (n = 75).<br />
20 - 30 Jahre<br />
31 - 40 Jahre<br />
41 - 50 Jahre<br />
51 - 60 Jahre<br />
über 60 Jahre<br />
82
Betrachtet man die Verteilung der Geschlechter, kann man sagen, dass sich<br />
nur ger<strong>in</strong>gfügig mehr männliche als weibliche Mediatoren an der Befragung beteiligt<br />
haben (s. Abb. 5.2).<br />
56%<br />
44%<br />
weiblich<br />
männlich<br />
Abb. 5.2 Geschlechterverteilung (n = 72).<br />
Weiterh<strong>in</strong> wurde erfasst, <strong>in</strong> welcher Fachrichtung die befragten Mediatoren e<strong>in</strong>en<br />
Studienabschluss haben. Bei dieser Frage war es möglich, mehrere Antworten zu<br />
geben, falls <strong>in</strong> verschiedenen Fachrichtungen e<strong>in</strong> Abschluss erworben wurde. Die<br />
Mehrheit der Befragten kam aus dem juristischen Fachbereich (53%), gefolgt von<br />
den sozialwissenschaftlichen (20%) <strong>und</strong> wirtschaftlichen (15%) Fachrichtungen. Zu<br />
den sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen wurden <strong>in</strong> dieser wie auch <strong>in</strong> den<br />
folgenden Abbildungen Psychologie, Soziologie <strong>und</strong> Sozialpädagogik/-arbeit gezählt.<br />
E<strong>in</strong>e genaue Aufschlüsselung gibt die Abbildung 5.3.<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Rechtswissenschaften<br />
40<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />
11<br />
Psychologie<br />
7<br />
5<br />
Soziologie<br />
3 2 2 2<br />
Politikwissenschaften<br />
Verwaltungswissenschaften<br />
Ingenierwissenschaften<br />
Sonstige<br />
Abb. 5.3 Fachrichtungen - Mehrfachnennungen möglich (n = 69).<br />
6<br />
Fachrichtung<br />
83
5.1.2 Zur Ausbildung<br />
Fast alle Befragten hatten m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Ausbildung zum Thema <strong>Mediation</strong><br />
absolviert (92%). Manche haben zusätzlich noch weitere <strong>Mediation</strong>sausbildungen<br />
gemacht. E<strong>in</strong> sehr ger<strong>in</strong>ger Teil hatte ke<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung, sondern<br />
durch artverwandte Ausbildungen im Bereich Konfliktmanagement oder <strong>in</strong> Form<br />
e<strong>in</strong>es Selbststudiums Wissen erworben (s. Abb. 5.4). Mit artverwandter Ausbildung<br />
ist, neben dem Selbststudium der aktuellen <strong>Mediation</strong>sliteratur, e<strong>in</strong>e Ausbildung z.B.<br />
<strong>in</strong> Teamsupervision, Transaktionen oder Organisationsberatung geme<strong>in</strong>t.<br />
20%<br />
8%<br />
72%<br />
e<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>s-Ausbildung<br />
Abb. 5.4 Ausbildung zum Mediator (n = 75).<br />
mehrere <strong>Mediation</strong>s-Ausbildungen<br />
artverwandte Ausbildungen (<strong>in</strong>kl.<br />
Selbststudium)<br />
Die meisten befragten Mediatoren (67%) hatten bis zu 200 St<strong>und</strong>en <strong>in</strong> ihre<br />
Ausbildung zum Mediator <strong>in</strong>vestiert. Es gab aber auch e<strong>in</strong>e Reihe von Mediatoren<br />
(33%), die sich ihrer Ausbildung mehr als 200 St<strong>und</strong>en gewidmet hatten. Nur wenige<br />
(15%) ließen sich <strong>in</strong> weniger als 100 St<strong>und</strong>en ausbilden (s. Abb. 5.5). Die kürzeste<br />
Ausbildung dauerte nur 30 St<strong>und</strong>en, die längste Ausbildungsdauer betrug ganze<br />
1500 St<strong>und</strong>en. Hier ist anzumerken, dass es sich dabei um die geschätzte<br />
St<strong>und</strong>enanzahl handelt. Bei dieser Frage wurde nicht unterschieden, ob es sich um<br />
e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung handelt oder z.B. um die Zeit e<strong>in</strong>es Selbststudiums.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der kle<strong>in</strong>en Stichprobe ist weiterh<strong>in</strong> darauf aufmerksam zu machen, dass<br />
sich aus den Ergebnissen nur Tendenzen ablesen lassen. Die Stichprobe von der<br />
ersten Erhebung auf dem <strong>Mediation</strong>skongress <strong>in</strong> Münster konnte nicht mit<br />
e<strong>in</strong>bezogen werden, da die Frage nach der Dauer der Ausbildung (<strong>in</strong> St<strong>und</strong>en) <strong>in</strong><br />
dieser Fragebogenversion nicht gestellt worden war. Es wurde nur nach der<br />
Ausbildungsdauer <strong>in</strong> Jahren gefragt (s. Abb. 5.5).<br />
84
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
7<br />
24<br />
12<br />
bis 100 101-200 201-300 > 300<br />
3<br />
Ausbildungsdauer<br />
<strong>in</strong> St<strong>und</strong>en<br />
Abb. 5.5 Dauer der <strong>Mediation</strong>sausbildung <strong>in</strong> St<strong>und</strong>en (n = 46).<br />
Drückt man die Ausbildungsdauer <strong>in</strong> Jahren aus, ergibt sich folgendes Bild<br />
(s. Abb. 5.6): Die meisten Mediatoren (43%) absolvierten ihre Ausbildung <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es Jahres. E<strong>in</strong> Drittel der Befragten gab an, die Ausbildung <strong>in</strong>nerhalb von 2<br />
Jahren bestanden zu haben. Auch bei dieser Frage wurde wieder jegliche Art der<br />
Ausbildung, d.h. re<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung, artverwandte Ausbildungen <strong>und</strong><br />
Selbststudium, erfasst.<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
29<br />
22<br />
11<br />
bis 1 1 bis 2 2 bis 3 > 3<br />
Abb. 5.6 Ausbildungsdauer <strong>in</strong> Jahren (n = 66).<br />
4<br />
Ausbildungsdauer<br />
<strong>in</strong> Jahren<br />
Befragt nach dem erhaltenen Abschluss der <strong>Mediation</strong>sausbildung (hierbei handelt<br />
es sich nur um e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung) antwortete die Mehrzahl der<br />
Mediatoren, dass sie e<strong>in</strong> Zertifikat im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Teilnahmebestätigung erhalten<br />
85
hätte (s. Abb. 5.7). Während 36% der Befragten darüber h<strong>in</strong>aus die Anerkennung<br />
der BAFM (B<strong>und</strong>esarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft für <strong>Mediation</strong>) besitzen, gab es nur vier<br />
Personen (6,5%), die angaben, die Anerkennung des BM (<strong>B<strong>und</strong>esverband</strong>es<br />
<strong>Mediation</strong>) zu haben. Knapp e<strong>in</strong> Fünftel (18%) hatte e<strong>in</strong> Hochschuldiplom erworben.<br />
Dazu zählten neben dem Diplom e<strong>in</strong>er deutschen Hochschule oder Universität auch<br />
ausländische Examens- oder Masterabschlüsse.<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
35<br />
Zertifikat<br />
(Teilnahmebestätigung)<br />
22<br />
BAFM-Anerkennung<br />
11<br />
Hochschul-<br />
Diplom<br />
4<br />
BM-Anerkennung<br />
1<br />
ke<strong>in</strong>e<br />
Bestätigung<br />
Ausbildungsabschluss<br />
Abb. 5.7 Abschluss der <strong>Mediation</strong>sausbildung – Mehrfachnennungen möglich<br />
(n = 61).<br />
Knapp die Hälfte der Befragten (43%) <strong>in</strong>vestierte zwischen 2.501 <strong>und</strong> 5.000 € <strong>in</strong><br />
die Ausbildung zum Mediator (hierbei handelt es sich wieder um alle<br />
Ausbildungsformen). Die Masse der übrigen Mediatoren (32%) ließ sich die<br />
Ausbildung deutlich weniger kosten, d.h. sie <strong>in</strong>vestierten nur bis zu 2.500 €. Manche<br />
(18%) gaben allerd<strong>in</strong>gs deutlich mehr für ihre Ausbildung aus, sie <strong>in</strong>vestierten bis zu<br />
10.000 € (s. Abb. 5.8). Diese Angaben s<strong>in</strong>d jedoch nur unter Vorbehalt zu bewerten,<br />
da trotz der Präzisierung der Frage <strong>in</strong> der zweiten Erhebung („re<strong>in</strong>e<br />
Ausbildungskosten, ke<strong>in</strong>e Fahr- oder Unterkunftskosten, Verpflegung, Arbeitsausfall“)<br />
bei e<strong>in</strong>igen Aussagen immer noch die Vermutung nahe liegt, dass es sich um die<br />
Gesamtkosten <strong>und</strong> nicht nur um die re<strong>in</strong>en Sem<strong>in</strong>arkosten handelt. H<strong>in</strong>zu kommt,<br />
dass wieder nur die geschätzten Kosten angegeben wurden, da die genaue<br />
Aufschlüsselung den Rahmen dieses Kurz-screen<strong>in</strong>gs sprengen würde.<br />
86
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1<br />
ke<strong>in</strong>e<br />
Kosten<br />
20<br />
bis<br />
2.500<br />
28<br />
2.501-<br />
5.000<br />
7<br />
5.001-<br />
7.500<br />
3 2<br />
7.501-<br />
10.000<br />
><br />
10.000<br />
Abb. 5.8 Ausbildungskosten <strong>in</strong> € (n = 65).<br />
Kosten <strong>in</strong> €<br />
Die E<strong>in</strong>schätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Ausbildungs<strong>in</strong>stituten<br />
(betrifft nur die re<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung) ist sehr positiv. Die überwiegende<br />
Mehrheit zeigte sich äußerst zufrieden mit dem Verhältnis der Kosten <strong>und</strong> des<br />
späteren Nutzens (s. Abb. 5.9).<br />
20%<br />
9% 3%<br />
68%<br />
sehr gut<br />
eher gut<br />
eher schlecht<br />
sehr schlecht<br />
Abb. 5.9 E<strong>in</strong>schätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Ausbildung<br />
(n = 69).<br />
Gleiches gilt auch für die Beurteilung der Praxisrelevanz der Ausbildungen. Hier<br />
zeigt sich e<strong>in</strong> noch positiveres Bild. 93% der Befragten bewertete die Ausbildung als<br />
praxisrelevant. Das Urteil „überhaupt nicht praxisrelevant“ wurde von niemandem<br />
vergeben (s. Abb. 5.10).<br />
87
20%<br />
7%<br />
73%<br />
sehr praxisrelevant<br />
eher praxisrelevant<br />
wenig praxisrelevant<br />
Abb. 5.10 E<strong>in</strong>schätzung der Praxisrelevanz der Ausbildung (n = 69).<br />
Zu den fünf am häufigsten genannten Ausbildungs<strong>in</strong>stituten zählen: a)<br />
Fernuniversität Hagen mit 10 Nennungen, b) EIDOS Projekt <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> München<br />
mit 7 Nennungen, c) Hamburger Institut für <strong>Mediation</strong>, d) Heidelberger Institut für<br />
<strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> e) Zusammenwirken im Familienkonflikt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> mit jeweils 5<br />
Nennungen. In Bezug auf die Beurteilung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses als auch<br />
der Praxisrelevanz gab es nur sehr ger<strong>in</strong>ge Unterschiede, da die Beurteilung<br />
<strong>in</strong>sgesamt sehr positiv ausfiel. Die beste E<strong>in</strong>schätzung erhielt dennoch das<br />
Heidelberger Institut für <strong>Mediation</strong> sowohl h<strong>in</strong>sichtlich des Kosten-Nutzen-<br />
Verhältnisses als auch der Praxisrelevanz (s. Abb. 5.11 <strong>und</strong> 5.12).<br />
Ausbildungs<strong>in</strong>stitut<br />
Heidelberger Inst.<br />
Hamburger Inst.<br />
EIDOS<br />
Zusammenwirken<br />
vom<br />
Fernuni-Hagen<br />
1 2 3 4<br />
sehr<br />
schlecht<br />
eher<br />
schlecht<br />
eher<br />
gut<br />
Abb. 5.11 E<strong>in</strong>schätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />
Ausbildungs<strong>in</strong>stitut (n = 32).<br />
sehr<br />
gut<br />
88
Ausbildungs<strong>in</strong>stitut<br />
Heidelberger Inst.<br />
Zusammenwirken<br />
Hamburger Inst.<br />
EIDOS<br />
Fernuni-Hagen<br />
1 2 3 4<br />
sehr<br />
schlecht<br />
eher<br />
schlecht<br />
eher<br />
gut<br />
Abb. 5.12 E<strong>in</strong>schätzung der Praxisrelevanz <strong>in</strong> Abhängigkeit vom<br />
Ausbildungs<strong>in</strong>stitut (n = 32).<br />
5.1.3 Zur Tätigkeit als Mediator<br />
Da Konfliktmanagement unter dem Namen „<strong>Mediation</strong>“ noch e<strong>in</strong>e junge<br />
Dienstleistung ist, ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, wenn die große Mehrheit (47%) der<br />
befragten Mediatoren nur e<strong>in</strong>e sehr ger<strong>in</strong>ge Berufserfahrung von bis zu zwei Jahren<br />
vorweisen kann. Um so erstaunlicher ist es, dass es etliche Mediatoren (12%) gibt,<br />
die angaben, 9 <strong>und</strong> mehr Jahre Erfahrung als Mediator zu haben. E<strong>in</strong> detailliertes<br />
Bild gibt die Abbildung 5.13.<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
36<br />
14<br />
10<br />
5<br />
6<br />
1 1 1<br />
sehr<br />
gut<br />
0-2 3-4 5-6 7-8 9-10 11-12 13-14 15-16<br />
Berufsjahre<br />
als Mediator<br />
89
Abb. 5.13 Berufserfahrung als <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Jahren (n = 74).<br />
Ist man als Mediator tätig, gehört man mit großer Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit nicht zur<br />
Berufsgruppe der Angestellten oder Beamten, sondern arbeitet selbständig. 82% der<br />
befragten Mediatoren gaben an, dass sie <strong>in</strong> ihrer Tätigkeit als Mediator selbstständig<br />
arbeiten (s. Abb. 5.14). Nur e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Teil (18%) hat <strong>in</strong> dieser Funktion e<strong>in</strong>e<br />
Anstellung oder ist beamtet (z.B. als Richter).<br />
15%<br />
3%<br />
82%<br />
selbstständig<br />
angestellt<br />
beamtet<br />
Abb. 5.14 Beschäftigungsverhältnis – Mehrfachnennungen möglich (n = 72).<br />
Zur Zeit s<strong>in</strong>d die meisten Mediatoren im Bereich der Familienmediation<br />
(e<strong>in</strong>schließlich Scheidungs- <strong>und</strong> Trennungsmediation) <strong>und</strong> der <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation (e<strong>in</strong>schließlich Erbmediation) tätig, gefolgt von der Umwelt- <strong>und</strong> der<br />
Nachbarschaftsmediation (s. Abb. 5.15). H<strong>in</strong>sichtlich der Anwendung von <strong>Mediation</strong><br />
lässt sich aufgr<strong>und</strong> dieser Verteilung vermuten, dass <strong>in</strong> den Bereichen der Familien-<br />
sowie <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation bisher die größten Fortschritte <strong>in</strong> Richtung<br />
Akzeptanz des Verfahrens erzielt wurden. Allerd<strong>in</strong>gs ist diese Annahme unter der<br />
E<strong>in</strong>schränkung zu betrachten, dass der Fragebogen mit der Thematik<br />
„<strong>Wirtschaft</strong>smediation <strong>in</strong> Deutschland“ an die Mediatoren geschickt wurde. Wie <strong>in</strong><br />
Kapitel 4.4 bereits ausführlich diskutiert, liegt die Vermutung nahe, dass aufgr<strong>und</strong><br />
dieser Fokussierung wesentlich mehr <strong>Wirtschaft</strong>smediatoren als andere Mediatoren<br />
den Fragebogen ausgefüllt haben könnten, was e<strong>in</strong>e Verzerrung verursacht haben<br />
könnte.<br />
90
Anzahl<br />
Nennungen<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
<strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Arbeit<br />
52<br />
Familie<br />
45<br />
Schule<br />
6<br />
Umwelt<br />
4 4<br />
Nachbarschaft<br />
TOA<br />
1 1 1 1<br />
Politik<br />
anderes<br />
Abb. 5.15 <strong>Mediation</strong>sfelder – Mehrfachnennungen möglich (n = 72).<br />
<strong>Mediation</strong>sfelder<br />
E<strong>in</strong>e weitere Auffälligkeit ist, dass knapp die Hälfte der befragte Mediatoren (47%)<br />
angaben, nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>sfeld tätig zu se<strong>in</strong>. Die häufigste Komb<strong>in</strong>ation<br />
war dabei <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation mit Familienmediation mit 26<br />
Nennungen. Dennoch beschäftigen sich die meisten Mediatoren (51%) nur mit e<strong>in</strong>em<br />
Gebiet der <strong>Mediation</strong>.<br />
Betrachtet man die Verteilung der e<strong>in</strong>zelnen Fachrichtung <strong>in</strong>nerhalb der<br />
unterschiedlichen <strong>Mediation</strong>sfelder, ergibt sich folgendes Bild (s. Abb. 5.16):<br />
Während die meisten juristischen Mediatoren <strong>in</strong> dem Gebiet der Familienmediation<br />
tätig s<strong>in</strong>d, beschäftigen sich die meisten sozial- <strong>und</strong> wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Mediatoren mit <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation. Am ger<strong>in</strong>gsten ist die Anzahl der<br />
wirtschaftswissenschaftlichen Familienmediatoren (zwei Nennungen).<br />
Wie <strong>in</strong> der Abbildung 5.15 wurde auch <strong>in</strong> Abbildung 5.16 die Erbmediation dem<br />
Gebiet der <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation zugeordnet. Aufgr<strong>und</strong> von zu wenigen<br />
Nennungen wurden weitere <strong>Mediation</strong>sfelder <strong>und</strong> Fachrichtungen nicht <strong>in</strong> diese<br />
Aufschlüsselung e<strong>in</strong>bezogen.<br />
91
Anzahl<br />
Nennungen<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
30<br />
8<br />
2<br />
19<br />
18<br />
10<br />
Familienmediation <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation<br />
Rechtswissenschaften<br />
Sozialwissenschaften<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />
(<strong>in</strong>kl. BWL, VWL)<br />
<strong>Mediation</strong>sfeld<br />
Abb. 5.16 Verteilung der Fachrichtungen <strong>in</strong>nerhalb der Familien-, <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation – Mehrfachnennungen möglich (n = 55).<br />
Bei der Frage, <strong>in</strong> welchem B<strong>und</strong>esland die befragten Mediatoren vorrangig tätig<br />
seien, wurde wiederum nur auf die Stichprobe der zweiten Erhebung zurückgegriffen,<br />
da die Vermutung nahe lag, dass der Veranstaltungsort des <strong>Mediation</strong>skongresses<br />
(Münster) zu Verzerrungen <strong>in</strong> der Darstellung der ersten Erhebung führen könnte.<br />
Bei der Stichprobe der zweiten b<strong>und</strong>esweiten Erhebung ergab sich folgende<br />
Rangreihe (s. Abb. 5.17). Die meisten der befragten Mediatoren gaben an, dass sie<br />
vorrangig <strong>in</strong> den B<strong>und</strong>esländern Bayern, Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, Baden-Württemberg,<br />
Hessen, Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Hamburg arbeiten. Die wenigsten Mediatoren s<strong>in</strong>d derzeit <strong>in</strong> den<br />
B<strong>und</strong>esländern Thür<strong>in</strong>gen, Bremen, Saarland, Brandenburg <strong>und</strong> Mecklenburg-<br />
Vorpommern tätig. Die Landesgröße <strong>und</strong> E<strong>in</strong>wohnerzahl wurde nicht berücksichtigt.<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
16<br />
12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
14<br />
13<br />
Bayern<br />
NRW<br />
11 11<br />
10 10<br />
9<br />
Hessen<br />
Berl<strong>in</strong><br />
Hamburg<br />
Sachsen<br />
8<br />
7 7 7<br />
6 6 6<br />
Niedersachsen<br />
Schleswig-H.<br />
Sachsen-A.<br />
Rhe<strong>in</strong>land-Pf.<br />
Meck-Pom.<br />
Brandenburg<br />
Saarland<br />
Bremen<br />
5 5<br />
2<br />
Ausland<br />
B<strong>und</strong>esland<br />
Abb. 5.17 B<strong>und</strong>esländer, <strong>in</strong> denen Mediatoren vorrangig tätig s<strong>in</strong>d – Mehrfachnennungen<br />
möglich (n = 47).<br />
92
E<strong>in</strong>e entscheidende Frage ist, ob man von <strong>Mediation</strong> leben kann. Die meisten<br />
Befragten (40%) gaben e<strong>in</strong>en Jahresumsatz von 5.000 € <strong>und</strong> weniger an. Darunter<br />
befanden sich sechs Mediatoren (8%), die bisher noch gar ke<strong>in</strong>en Umsatz mit<br />
<strong>Mediation</strong> gemacht hatten. Weitere 20% der befragten Mediatoren gaben an, dass<br />
ihr Jahresumsatz mit <strong>Mediation</strong> zwischen 5.000 <strong>und</strong> 15.000 € liege. Dennoch gab es<br />
auch e<strong>in</strong>ige Mediatoren (13%), die sagten, dass sie e<strong>in</strong>en Jahresumsatz zwischen<br />
25.000 <strong>und</strong> mehr als 30.000 € hätten. Sehr viele Mediatoren (27%) machten ke<strong>in</strong>e<br />
Angabe zu dieser Frage (s. Abb. 5.18). Demnach sche<strong>in</strong>t die <strong>Mediation</strong> für die<br />
meisten Befragten eher den Charakter e<strong>in</strong>es Nebenverdienstes zu haben.<br />
Zu berücksichtigen ist bei dieser Frage, dass es sich wiederum nur um den<br />
geschätzten Jahresumsatz handelt <strong>und</strong> mehr „unzufriedene“ als „zufriedene“<br />
Mediatoren <strong>in</strong> der Stichprobe repräsentiert s<strong>in</strong>d (s. Abb. 5.19) <strong>und</strong> vermutlich der<br />
ger<strong>in</strong>ge Jahresumsatz mit zur Unzufriedenheit beiträgt.<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
bis 5.000<br />
30<br />
5.001-10.000<br />
6<br />
10.001-15.000<br />
9<br />
15.001-20.000<br />
0<br />
20.001-25.000<br />
3 2<br />
25.001-30.000<br />
> 30.000<br />
5<br />
ke<strong>in</strong>e Angabe<br />
Abb. 5.18 Jahresumsatz als Mediator <strong>in</strong> € (n = 75).<br />
20<br />
Jahresumsatz <strong>in</strong> €<br />
Der größte Teil der Mediatoren (70%) ist eher unzufrieden bis sehr<br />
unzufrieden mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg als Mediator. Nur e<strong>in</strong> Drittel der<br />
Befragten gab an, dass sie derzeit zufrieden mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg als<br />
Mediator seien (s. Abb. 5.19).<br />
93
44%<br />
15%<br />
26%<br />
15%<br />
sehr zufrieden<br />
eher zufrieden<br />
eher unzufrieden<br />
sehr unzufrieden<br />
Abb. 5.19 Zufriedenheit mit dem wirtschaftlichen Erfolg als Mediator (n = 65).<br />
5.1.4 Zur Schwierigkeit, Fälle zu f<strong>in</strong>den<br />
E<strong>in</strong>e Quelle der Unzufriedenheit könnte der fehlende Umsatz se<strong>in</strong>, teilweise<br />
begründet aus der Schwierigkeit, <strong>Mediation</strong>sfälle zu f<strong>in</strong>den. Mit der Frage „Viele<br />
ausgebildete Mediator<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mediatoren haben Schwierigkeiten, nach oder auch<br />
schon während ihrer Ausbildung Fälle zu f<strong>in</strong>den. Was me<strong>in</strong>en Sie, woran das liegt?“<br />
wurde <strong>in</strong> dieser Studie versucht, e<strong>in</strong>ige Me<strong>in</strong>ungen <strong>und</strong> Standpunkte zum Thema<br />
„Akquisi-tionsschwierigkeiten“ zu erfassen (s. Abb. 5.20).<br />
Die meisten Mediatoren sahen die Ursache für ihre Schwierigkeit, Fälle zu f<strong>in</strong>den,<br />
<strong>in</strong> der Tatsache, dass <strong>Mediation</strong> noch zu unbekannt ist, die Marktbed<strong>in</strong>gungen für<br />
das Produkt „<strong>Mediation</strong>“ zu schlecht s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die Streitkultur der Deutschen<br />
unterentwickelt ist. Erst an zweiter Stelle wurden Faktoren genannt, die teilweise<br />
auch auf eigenes Fehlverhalten h<strong>in</strong>deuten, wie fehlende Eigen<strong>in</strong>itiative, mangelhafte<br />
oder fehlgeschlagene Medienpräsenz <strong>und</strong> Defizite <strong>in</strong> der Ausbildung.<br />
94
Anzahl<br />
Nennungen<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Bekanntheitsgrad<br />
35<br />
13<br />
zu ger<strong>in</strong>ge Nachfrage<br />
11<br />
fehlende Eigen<strong>in</strong>itiative<br />
9<br />
6<br />
fehlende Akzeptanz<br />
10 10<br />
Vorteile nicht bewusst<br />
Streitkultur<br />
14<br />
Kosten<br />
11 10 11<br />
Ungeduld<br />
7 7<br />
Anderes<br />
Innovationsfördernde<br />
Kriterien:<br />
+<br />
Neuheitsgrad<br />
Unsicherheit & Komplexität<br />
Kompatibilität<br />
Profitabilität<br />
Beobachtbarkeit<br />
Market<strong>in</strong>g<br />
95<br />
(Meißner, 1989; Rogers, 1983)<br />
Abb. 5.20 Schwierigkeiten für die Mediatoren bei der Fallsuche (n = 72).<br />
Nach Meißner (1989) <strong>und</strong> Rogers (1983) gibt es <strong>in</strong>novationsfördernde Kriterien (s.<br />
Kap. 2.2.1), die e<strong>in</strong>en positiven E<strong>in</strong>fluss auf die Akzeptanz von neuen Produkten<br />
ausüben. Die Autoren behaupten, dass, je unbekannter e<strong>in</strong> Produkt ist<br />
(Neuheitsgrad), je höher die Unsicherheit h<strong>in</strong>sichtlich der Eigenschaften <strong>und</strong> Wirkung<br />
des Produktes ist (Unsicherheit), je komplexer <strong>und</strong> schwieriger das Produkt zu<br />
verstehen ist (Komplexität), je schwerer sich das Produkt <strong>in</strong> bisherige Prozesse <strong>und</strong><br />
E<strong>in</strong>stellungen der Anwender <strong>in</strong>tegriert (Kompatibilität), je höher die Kosten <strong>und</strong> je<br />
ferner der Erfolg (Profitabilität) sowie je verborgener <strong>und</strong> unbeobachtbarer e<strong>in</strong><br />
Produkt ist (Beobachtbarkeit), umso langsamer wird es sich verbreiten.<br />
Diese Kriterien lassen sich auch <strong>in</strong> den Aussagen der befragten Mediatoren<br />
wiederf<strong>in</strong>den. Wie bereits erwähnt, wurde die Unbekanntheit der <strong>Mediation</strong> als die<br />
größte Hürde bei der Fallsuche angesehen, gefolgt von der wenig förderlichen<br />
Streitkultur <strong>in</strong> Deutschland, z.B. mit der Aussage „die Mentalität der Deutschen ist für<br />
Vermittlung noch nicht offen genug, Eigenverantwortung noch nicht genügend<br />
gefragt“ oder „die Deutschen haben gern Recht <strong>und</strong> streiten gern darum“. Demnach<br />
wird vermutet, dass die E<strong>in</strong>stellung potenzieller Anwender gegenüber <strong>Mediation</strong>, die<br />
sich gerade durch Eigenverantwortlichkeit <strong>und</strong> friedliche E<strong>in</strong>igung auszeichnet, nicht<br />
gerade förderlich oder <strong>in</strong> Rogers (1983) Worten nicht kompatibel mit der deutschen<br />
(Streit-) Kultur sei.
Der Aspekt des richtigen Market<strong>in</strong>gs, auch wenn er bei Meißner (1989) <strong>und</strong> Rogers<br />
(1983) so nicht auftaucht, soll aufgr<strong>und</strong> der häufigen Nennungen mit berücksichtigt<br />
werden. Somit sahen viele der befragten Mediatoren e<strong>in</strong>en weiteren Schwerpunkt bei<br />
der Schwierigkeit, Fälle zu f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> der Tatsache, dass der <strong>Mediation</strong>smarkt e<strong>in</strong><br />
Angebots- <strong>und</strong> Ausbildungsmarkt sei. „Es gibt <strong>in</strong>sgesamt zu wenig Nachfrage“, „weil<br />
viel zu viele Mediatoren ausgebildet werden“ <strong>und</strong> „der Markt ist zu eng bisher“ s<strong>in</strong>d<br />
Äußerungen, die diese Haltung ausdrücken. Jedoch sche<strong>in</strong>t das eher<br />
unwahrsche<strong>in</strong>lich, wenn man bedenkt, dass fast jeder be<strong>in</strong>ahe täglich mit größeren<br />
<strong>und</strong> kle<strong>in</strong>eren Konflikten konfrontiert wird <strong>und</strong> es demnach e<strong>in</strong>e große K<strong>und</strong>schaft für<br />
die Dienstleistung <strong>Mediation</strong> geben sollte.<br />
Als weitere Ursache gaben die Befragten an, dass es im Bereich <strong>Mediation</strong> e<strong>in</strong><br />
ausgeprägtes Konkurrenzdenken <strong>und</strong> -verhalten gebe. Neben dem „Widerstand der<br />
Anwälte gegen diese ertragsm<strong>in</strong>dernde Berufsausübung“, gibt es auch den<br />
„Futterneid derjenigen, die Fälle zuarbeiten könnten“ <strong>und</strong> „praktizierende Mediatoren<br />
abblocken, da [sie] selbst zu wenig Fälle“ haben.<br />
Weiterh<strong>in</strong> wurden <strong>in</strong> dieser Befragung auch Market<strong>in</strong>gfaktoren genannt, die sich<br />
unter „mangelnder Eigen<strong>in</strong>itiative“ <strong>und</strong> „fehlenden Kontaktmöglichkeiten“<br />
zusammenfassen lassen. Unter diesen Kategorien wurde auf die „mangelnde<br />
Aktivität“ der Mediatoren h<strong>in</strong>gewiesen, dass „Mediatoren sich zum größten Teil mit<br />
sich selbst beschäftigen“, dass sie „unzureichenden Mut [haben], sich auf dem Markt<br />
anzubieten“ <strong>und</strong> es ihnen an „Kontaktmöglichkeiten zu Konfliktfeldern“ oder „zur<br />
Zielgruppe“ mangelt.<br />
E<strong>in</strong>en Beitrag zur Unsicherheitsstiftung <strong>und</strong> Komplexität lieferte die Feststellung<br />
vieler Mediatoren, dass die Vorteile der <strong>Mediation</strong> den Anwendern nicht bewusst<br />
seien <strong>und</strong> das Verfahren als solches noch nicht genügend Akzeptanz f<strong>in</strong>de. Der<br />
„Benefit wird nicht erkannt“, „der Prozess ist [...] zu unüberschaubar, das Ergebnis zu<br />
unsicher“, „<strong>Mediation</strong> ist noch nicht überall nur positiv besetzt“ <strong>und</strong> „<strong>Mediation</strong> ist <strong>in</strong><br />
Deutschland immer noch nicht gesellschaftlich akzeptiert“ s<strong>in</strong>d beispielhafte<br />
Aussagen.<br />
96
Obwohl <strong>in</strong> der Literatur <strong>Mediation</strong> als kostengünstigere Alternative zum Rechtsstreit<br />
dargestellt wird, nannten paradoxerweise viele Mediatoren die hohen Kosten als<br />
Barriere bei der Fallsuche (Profitabilität). Beispielhafte Aussagen waren:<br />
„Rechtsanwälte als Mediatoren, die gr<strong>und</strong>sätzlich zu teuer s<strong>in</strong>d“, „Kosten! Bei<br />
streitigem Verfahren spekuliert der Bürger immer darauf, im Falles e<strong>in</strong>es Sieges, die<br />
Kosten auf den Gegner abwälzen zu können“ <strong>und</strong> „die Klienten können sich das<br />
Verfahren oft nicht leisten“ (bei Familienmediation). E<strong>in</strong>e Erklärung dafür könnte se<strong>in</strong>,<br />
dass den potenziellen Anwendern dieser Vorteil der <strong>Mediation</strong> noch nicht bewusst ist.<br />
Es ist gut möglich, dass zum e<strong>in</strong>en nur die direkten Prozesskosten <strong>und</strong> nicht die<br />
<strong>in</strong>direkten Kosten (Verbrauch von betrieblichen Ressourcen) gesehen werden, die<br />
bei e<strong>in</strong>em Rechtsstreit über längere Zeit anfallen können. E<strong>in</strong> Effekt, der hier als<br />
Erklärung dienen könnte, ist der „opportunity-cost-effect“, der besagt, dass Individuen<br />
Opportunitätskosten, d.h. Nutzensverluste durch e<strong>in</strong>e nicht genutzte Alternative<br />
ger<strong>in</strong>ger bewerten als direkte Geldkosten <strong>in</strong> gleicher Höhe. Sie werten demnach e<strong>in</strong>e<br />
nicht realisierte oder nicht erreichte Alternative ab (Wiswede, 1995). Zum anderen<br />
neigen Personen dazu, ihre Gew<strong>in</strong>ne <strong>und</strong> Verluste unterschiedlich zu bewerten, der<br />
sogenannte „asymmetric effect“ (Wiswede, 1995). Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>es<br />
Verlustes wird wesentlich ger<strong>in</strong>ger e<strong>in</strong>geschätzt als die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>es<br />
Gew<strong>in</strong>ns.<br />
Aufgr<strong>und</strong> des vertraulichen Charakters von <strong>Mediation</strong> ist das Verfahren <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
direkten Beobachtbarkeit sehr stark e<strong>in</strong>geschränkt. Allgeme<strong>in</strong>e<br />
Verfahrensbeschreibungen <strong>und</strong> anonymisierte Falldarstellungen <strong>in</strong> den Medien<br />
könnten dennoch als wirksame Mittel e<strong>in</strong>gesetzt werden. Die befragten Mediatoren<br />
bewerteten die Medienpräsenz allerd<strong>in</strong>gs als mangelhaft. „Mangelnde<br />
Öffentlichkeitsarbeit“, „nicht ausreichende Werbemöglichkeiten“ <strong>und</strong> „für die<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation fehlen [...] noch die richtigen Kracher, die den Bekanntheitsgrad<br />
schlagartig erhöhen würden“ u.a. wurden hier genannt. E<strong>in</strong> Mediator war h<strong>in</strong>gegen<br />
der Me<strong>in</strong>ung, dass „zwar [...] seit Jahren über <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong>formiert [wird], dies aber <strong>in</strong><br />
der Infoflut ke<strong>in</strong>e Rolle spielt“.<br />
E<strong>in</strong>ige Mediatoren sahen die Ursache für die Schwierigkeit, Fälle zu f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> der<br />
mangelnden Ausbildungsqualität. Sie gaben an, sich nicht genügend ausgebildet zu<br />
fühlen, um kompetent <strong>und</strong> selbstsicher bei der Fallsuche auftreten zu können. Es<br />
97
gäbe „zu viel Theorie“ <strong>und</strong> „zu wenig Praxis“, „zur <strong>Mediation</strong>sausbildung muss noch<br />
erhebliche Feldkompetenz kommen“. „Fehlendes Selbstbewusstse<strong>in</strong>, da ke<strong>in</strong>e<br />
Rout<strong>in</strong>e“ <strong>und</strong> die „Angst vor wirklichen Fällen“ nannten die befragten Mediatoren als<br />
Schwierigkeiten bei der Fallsuche.<br />
Andere Mediatoren machten die eigene Ungeduld für das Problem der<br />
Fallakquisition verantwortlich. Aussagen wie „Ungeduld“ <strong>und</strong> „zu hohe Ansprüche an<br />
den Fall (oder an sich)“ wurden <strong>in</strong> diese Kategorie e<strong>in</strong>geordnet.<br />
In die Kategorie „Anderes“ fallen Aussagen zur fehlenden Institutionalisierung der<br />
<strong>Mediation</strong>, zur Ablehnung von Rechtsanwälten als Mediatoren, zur Schwierigkeit, die<br />
Falleignung zu erkennen <strong>und</strong> dass <strong>Mediation</strong> höchste kognitive <strong>und</strong> psychische<br />
Ansprüche stelle, die den Medianten überfordern könnten.<br />
5.1.5 E<strong>in</strong>flüsse auf Umsatz <strong>und</strong> wirtschaftliche Zufriedenheit<br />
Um herauszuf<strong>in</strong>den, welche E<strong>in</strong>flussfaktoren auf die Variablen „Umsatz“ <strong>und</strong><br />
„wirtschaftliche Zufriedenheit“ wirken könnten, wurden diese beiden Variablen<br />
zunächst dichotomisiert (s. Kap. 4.3.1). Im folgenden wird von „ger<strong>in</strong>gem<br />
Jahresumsatz“ gesprochen, wenn angegeben wurde, e<strong>in</strong>en Jahresumsatz unter<br />
12.500 € zu haben <strong>und</strong> von „hohem Jahresumsatz“, wenn e<strong>in</strong> Jahresumsatz über<br />
12.500 € mit <strong>Mediation</strong> erwirtschaftet wurde. Als wirtschaftlich „zufrieden“ wurden<br />
Mediatoren def<strong>in</strong>iert, die e<strong>in</strong> Kreuz auf der l<strong>in</strong>ken Hälfte des Pfeils zur<br />
„wirtschaftlichen Zufriedenheit“ gemacht hatten <strong>und</strong> als wirtschaftlich „unzufrieden“<br />
jene, die auf der rechten Hälfte des Pfeils e<strong>in</strong> Kreuz gemacht hatten. Das Ziel der<br />
Auswertung war, herauszuf<strong>in</strong>den, welche Zusammenhänge es zwischen der<br />
„wirtschaftlichen Zufriedenheit“ <strong>und</strong> dem „Umsatz“ e<strong>in</strong>es Mediators <strong>und</strong> anderen<br />
Variablen geben könnte (s. Anhang 11).<br />
Alle Variablen wurden daraufh<strong>in</strong> beurteilt, ob e<strong>in</strong> Vergleich zwischen ihnen <strong>und</strong> den<br />
beiden abhängigen Variablen („Umsatz“ <strong>und</strong> „wirtschaftliche Zufriedenheit“)<br />
statistisch s<strong>in</strong>nvoll wäre. Untersucht wurden nur jene Variablen, bei denen <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Gruppe m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> Verhältnis von 1 : 2,8 oder kle<strong>in</strong>er gegeben war. E<strong>in</strong><br />
Beispiel: <strong>in</strong> der Stichprobe befand sich nur e<strong>in</strong>e Mediator, der angab, Beamter zu<br />
se<strong>in</strong> (s. Abb. 5.14) <strong>und</strong> 34 Mediatoren, die angaben, dass sie nicht beamtet seien.<br />
98
Es würde methodisch fragwürdig se<strong>in</strong>, aus diesem Zahlenverhältnis e<strong>in</strong>e Aussage<br />
darüber zu machen, ob Beamte mehr Umsatz erwirtschaften oder zufriedenere<br />
Mediatoren s<strong>in</strong>d. Gut ließen sich h<strong>in</strong>gegen die Angaben für Mediatoren mit <strong>und</strong> ohne<br />
BAFM-Anerkennung vergleichen: hier standen 20 Personen mit Anerkennung 15<br />
Personen ohne Anerkennung gegenüber, was e<strong>in</strong>em Verhältnis von 1,3 entspricht.<br />
Bei e<strong>in</strong>igen Antworten ist zu berücksichtigen, dass e<strong>in</strong>erseits Mehrfachnennungen<br />
möglich waren <strong>und</strong> andererseits häufig ke<strong>in</strong>e Angaben gemacht wurden. So ergeben<br />
sich unterschiedliche Teilstichproben bei den e<strong>in</strong>zelnen Variablen.<br />
Folgende Variablen erfüllten letztendlich die methodischen Voraussetzungen <strong>und</strong><br />
konnten mit den Variablen „Jahresumsatz“ <strong>und</strong> „wirtschaftliche Zufriedenheit“<br />
verglichen werden:<br />
� „Geschlecht“ (männlich, weiblich)<br />
� „Alter“ (unterteilt <strong>in</strong> 5 Altersgruppen)<br />
� <strong>Mediation</strong>sausbildung (e<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung, mehrere <strong>Mediation</strong>sausbildungen,<br />
artverwandte Ausbildung/Selbststudium)<br />
� „Rechtswissenschaften“ (als Ausgangsfachrichtung)<br />
� „<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation“ (als <strong>Mediation</strong>sfeld)<br />
� „BAFM-Anerkennung“<br />
� „Ausbildungsdauer <strong>in</strong> Monaten“<br />
� „Ausbildungskosten“<br />
� „Berufserfahrung als Mediator“<br />
Zu allen anderen Variablen gab es jeweils zu wenige Angaben, um sie quantitativ<br />
analysieren zu können.<br />
Zunächst sollen <strong>in</strong> sogenannten Kreuztabellen die gef<strong>und</strong>enen Zusammenhänge<br />
zwischen den ausgewählten Variablen <strong>und</strong> dem „Jahresumsatz“ sowie der<br />
„wirtschaftlicher Zufriedenheit“ dargestellt werden. In jeder Tabelle werden folgende<br />
Informationen gegeben: die Gesamtanzahl der Personen <strong>in</strong> der jeweiligen Kategorie,<br />
die Anzahl der Personen mit „hohem“ <strong>und</strong> „niedrigem Jahresumsatz“ <strong>und</strong> die Anzahl<br />
der wirtschaftlich „zufriedenen“ <strong>und</strong> „unzufriedenen“ Personen <strong>in</strong> dieser Kategorie.<br />
Zudem wurde mit dem Chi-Quadrat-Test berechnet, ob sich zwischen den Variablen<br />
99
100<br />
e<strong>in</strong> statistisch signifikanter Zusammenhang f<strong>in</strong>det (s. Kap. 4.3.1). Angegeben werden<br />
die Ergebnisse der statistischen Tests allerd<strong>in</strong>gs nur dort, wo sich signifikante<br />
Ergebnisse fanden. Die Berechnungen wurden mit dem Statistical Package for the<br />
Social Sciences (SPSS 1999) ausgeführt <strong>und</strong> bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Anhang 19.<br />
Geschlecht. Aus Abbildung 5.21 ist ersichtlich, dass sich <strong>in</strong>sgesamt, unabhängig<br />
vom Geschlecht, mehr Mediatoren als „wirtschaftlich unzufrieden“ <strong>und</strong> mit e<strong>in</strong>em<br />
„niedrigen Jahresumsatz“ beschrieben. Es gab ke<strong>in</strong>en statistisch signifikanten<br />
Zusammenhang zwischen „Geschlecht“ <strong>und</strong> „Jahresumsatz“ oder „wirtschaftlicher<br />
Zufriedenheit“.<br />
ger<strong>in</strong>ger<br />
Jahresumsatz<br />
hoher<br />
Jahresumsatz<br />
wirtschaftlich<br />
unzufrieden<br />
wirtschaftlich<br />
zufrieden<br />
männlich weiblich Summe<br />
19 12 31<br />
15 5 20<br />
20 22 42<br />
13 7 20<br />
Abb. 5.21 Kreuztabelle für die Variablen „Geschlecht“, „Jahresumsatz“ (n = 51)<br />
<strong>und</strong> „wirtschaftliche Zufriedenheit“ (n = 62).<br />
Alter. Das Alter wurde <strong>in</strong> dieser Stichprobe (s. Abb. 5.22) zur Vere<strong>in</strong>fachung der<br />
Analyse kategorial betrachtet, d.h. die Mediatoren wurden <strong>in</strong> fünf Altersgruppen<br />
unterteilt. Es konnte allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong> statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen<br />
dem „Alter“ <strong>und</strong> dem „Jahresumsatz“ oder der „wirtschaftlichen Zufriedenheit“<br />
festgestellt werden.
ger<strong>in</strong>ger<br />
Jahresumsatz<br />
hoher<br />
Jahresumsatz<br />
wirtschaftlich<br />
unzufrieden<br />
wirtschaftlich<br />
zufrieden<br />
20-30<br />
Jahre<br />
31-40<br />
Jahre<br />
41-50<br />
Jahre<br />
51-60<br />
Jahre<br />
über 60<br />
Jahre<br />
Summe<br />
0 6 14 11 5 36<br />
1 4 6 5 1 17<br />
0 8 20 14 3 27<br />
2 4 6 5 3 20<br />
101<br />
Abb. 5.22 Kreuztabelle für die Variablen „Alter“, „Jahresumsatz“ (n = 53) <strong>und</strong><br />
„wirtschaftliche Zufriedenheit“ (n = 47).<br />
Rechtswissenschaften. Bei den „Rechtswissenschaften“ als<br />
„Ausgangsfachrichtung“ zeigt sich e<strong>in</strong> ähnliches Bild wie bei den beiden zuvor<br />
betrachteten Variablen (s. Abb. 5.23): es gab <strong>in</strong> der Gesamtstichprobe <strong>in</strong>sgesamt<br />
mehr Mediatoren mit e<strong>in</strong>em „niedrigen Jahresumsatz“ <strong>und</strong> mehr Mediatoren die<br />
angaben, „wirtschaftlich unzufrieden“ zu s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> statistischer Zusammenhang<br />
konnte nicht festgestellt werden.<br />
ger<strong>in</strong>ger<br />
Jahresumsatz<br />
hoher<br />
Jahresumsatz<br />
wirtschaftlich<br />
unzufrieden<br />
wirtschaftlich<br />
zufrieden<br />
Rechtswissenschaften<br />
studiert<br />
nicht<br />
Rechtswissenschaft<br />
en studiert<br />
Summe<br />
19 14 33<br />
15 8 23<br />
26 17 43<br />
10 7 17<br />
Abb. 5.23 Kreuztabelle für die Variablen „Rechtswissenschaften“, „Jahresumsatz“<br />
(n = 56) <strong>und</strong> „wirtschaftliche Zufriedenheit“ (n = 60).
102<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation (<strong>in</strong>kl. Erbmediation). Hier konnte e<strong>in</strong><br />
statistisch signifikanter Zusammenhang (p = .019; r = .307) zwischen „<strong>Wirtschaft</strong>s-<br />
<strong>und</strong> Arbeitsmediation“ <strong>und</strong> „Jahresumsatz“ gef<strong>und</strong>en werden. In dieser Stichprobe (s.<br />
Abb. 5.24) gab es mehr „<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediatoren“, die angaben, e<strong>in</strong>en<br />
„hohen Jahresumsatz“ mit <strong>Mediation</strong> zu erwirtschaften, als Mediatoren, die <strong>in</strong><br />
anderen <strong>Mediation</strong>sfeldern tätig s<strong>in</strong>d (erwartete Werte <strong>und</strong> standardisierte Residuen<br />
siehe Anhang 17). Es ist allerd<strong>in</strong>gs zu berücksichtigen, dass Mehrfachnennungen<br />
möglich waren. Zukünftige Untersuchungen müssten also versuchen,<br />
herauszuf<strong>in</strong>den, welche Komb<strong>in</strong>ationen von <strong>Mediation</strong>sfeldern besonders<br />
gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen<br />
„<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation“ <strong>und</strong> „wirtschaftlicher Zufriedenheit“ wurde nicht<br />
gef<strong>und</strong>en.<br />
ger<strong>in</strong>ger<br />
Jahresumsatz<br />
hoher<br />
Jahresumsatz<br />
wirtschaftlich<br />
unzufrieden<br />
wirtschaftlich<br />
zufrieden<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- &<br />
Arbeitsmediatoren<br />
Andere<br />
Mediatoren<br />
Summe<br />
20 15 35<br />
16 2 18<br />
26 18 44<br />
15 5 20<br />
Abb. 5.24 Kreuztabelle für die Variablen „<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation“,<br />
„Jahresumsatz“ (n = 53) <strong>und</strong> „wirtschaftliche Zufriedenheit“ (n = 64).<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung. Die Variable „<strong>Mediation</strong>sausbildung“ zeigte ebenfalls e<strong>in</strong>e<br />
signifikante Interaktion mit den Variablen „Jahresumsatz“ (p = .20, r = .344). Dies<br />
lässt sich folgendermaßen <strong>in</strong>terpretieren (s. Abb. 5.25): <strong>in</strong> der Kategorie<br />
„artverwandte Ausbildung/Selbststudium“ befanden sich deutlich mehr „wirtschaftlich<br />
zufriedene“ Mediatoren mit e<strong>in</strong>em „hohen Jahresumsatz“ als „wirtschaftlich<br />
unzufriedene“ oder Mediatoren mit e<strong>in</strong>em „niedrigen Jahresumsatz“. Demzufolge<br />
sche<strong>in</strong>en Mediatoren mit e<strong>in</strong>er „artverwandten Ausbildung/Selbststudium“ mehr mit<br />
<strong>Mediation</strong> zu verdienen <strong>und</strong> <strong>in</strong>sgesamt auch „wirtschaftlich zufriedener“ zu se<strong>in</strong> als<br />
Mediatoren mit e<strong>in</strong>er oder mehreren „re<strong>in</strong>en <strong>Mediation</strong>sausbildungen. Bei der
103<br />
Interpretation dieser Daten ist allerd<strong>in</strong>gs folgendes zu bedenken: alle Mediatoren mit<br />
e<strong>in</strong>er „artverwandten Ausbildung/Selbststudium“ waren hauptsächlich im Feld<br />
„Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation“ tätig, so dass hier e<strong>in</strong>e Konf<strong>und</strong>ierung, also e<strong>in</strong>e<br />
Vermischung mit anderen signifikanten Interaktionen, vorhanden se<strong>in</strong> könnte (da ja<br />
Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediatoren <strong>in</strong> dieser Stichprobe e<strong>in</strong>en signifikant höheren<br />
Jahresumsatz hatten). Zum anderen ist die Teilstichprobe der Mediatoren mit e<strong>in</strong>er<br />
„artverwandten Ausbildung/Selbststudium“ sehr kle<strong>in</strong> (n = 6). E<strong>in</strong>e Verallgeme<strong>in</strong>erung<br />
ist also problematisch <strong>und</strong> weitere Studien s<strong>in</strong>d nötig, um die Art des<br />
Zusammenhangs zwischen „artverwandter Ausbildung/Selbststudium“, „<strong>Wirtschaft</strong>s<strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation“, „Jahresumsatz“ <strong>und</strong> „wirtschaftlicher Zufriedenheit“ exakter<br />
beschreiben zu können.<br />
ger<strong>in</strong>ger<br />
Jahresumsatz<br />
hoher<br />
Jahresumsatz<br />
wirtschaftlich<br />
unzufrieden<br />
wirtschaftlich<br />
zufrieden<br />
E<strong>in</strong>e<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung<br />
Mehrere<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildungen<br />
Artverwandte<br />
Ausbildung/<br />
Selbststudium<br />
Summe<br />
28 8 0 36<br />
9 4 5 18<br />
33 11 1 45<br />
12 3 5 20<br />
Abb. 5.25 Kreuztabelle für die Variablen „<strong>Mediation</strong>sausbildung“, „Jahresumsatz“<br />
(n = 54) <strong>und</strong> „wirtschaftliche Zufriedenheit“ (n = 64).<br />
BAFM-Anerkennung. In H<strong>in</strong>blick auf die BAFM-Anerkennung der<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung konnten ke<strong>in</strong>e signifikanten Interaktionen mit dem<br />
„Jahresumsatz“ oder der „wirtschaftlichen Zufriedenheit“ festgestellt werden.<br />
Demzufolge sche<strong>in</strong>t bei den befragten Mediatoren die Anerkennung der Ausbildung<br />
durch e<strong>in</strong>en <strong>Mediation</strong>s-Verband ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf diese beiden Variablen zu<br />
haben.
ger<strong>in</strong>ger<br />
Jahresumsatz<br />
hoher<br />
Jahresumsatz<br />
wirtschaftlich<br />
unzufrieden<br />
wirtschaftlich<br />
zufrieden<br />
BAFM-<br />
Anerkennung<br />
Ke<strong>in</strong>e BAFM-<br />
Anerkennung<br />
Summe<br />
11 20 31<br />
6 5 11<br />
18 24 42<br />
3 7 10<br />
104<br />
Abb. 5.26 Kreuztabelle für die Variablen „BAFM-Anerkennung“, „Jahresumsatz“<br />
(n = 42) <strong>und</strong> „wirtschaftliche Zufriedenheit“ (n = 52).<br />
Um den möglichen E<strong>in</strong>fluss von „Ausbildungsdauer <strong>in</strong> Monaten“,<br />
„Ausbildungskosten“ <strong>und</strong> „Berufserfahrung als Mediator“ auf die Variablen<br />
„Jahresumsatz“ <strong>und</strong> „wirtschaftliche Zufriedenheit“ festzustellen, wurden t-Tests<br />
gerechnet (s. Kap. 4.3.1) . In diesem Datensatz konnten ke<strong>in</strong>e signifikanten<br />
Zusammenhänge zwischen den Variablen gef<strong>und</strong>en werden. Demnach sche<strong>in</strong>t der<br />
„Jahresumsatz“ <strong>und</strong> die „wirtschaftliche Zufriedenheit“ e<strong>in</strong>es Mediators nicht von der<br />
Länge oder den Kosten se<strong>in</strong>er Ausbildung oder von se<strong>in</strong>er Berufserfahrung als<br />
Mediator abhängig zu se<strong>in</strong> (die Ergebnisse der t-Tests <strong>und</strong> die Effektgrößen bef<strong>in</strong>den<br />
sich <strong>in</strong> Anhang 19). Dass ke<strong>in</strong>e Effekte gef<strong>und</strong>en wurden, könnte allerd<strong>in</strong>gs auch an<br />
den ger<strong>in</strong>gen Effektgrößen <strong>und</strong> der mangelnden Teststärke liegen, da nur e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />
Stichprobe betrachtet wurde.
5.2 Ergebnisse der Mediatoren-Interviews<br />
105<br />
Die Darstellung der Ergebnisse aus den Interviews mit den <strong>Wirtschaft</strong>s-<br />
<strong>und</strong>/oder Arbeitsmediatoren gliedert sich aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Auswertung<br />
<strong>in</strong> fünf Teile. Analog zur schriftlichen Befragung wird <strong>in</strong> den ersten drei Teilen mit den<br />
Angaben zur Person, zur Ausbildung <strong>und</strong> zur Tätigkeit begonnen. Die Unterschiede<br />
zwischen den erfolgreichen <strong>und</strong> den weniger erfolgreichen Mediatoren werden im<br />
vierten Teil dargestellt. Der fünfte Teil beschreibt erste Ergebnisse zur Akzeptanz von<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation. Die Variablenliste der vorwiegend<br />
soziodemografischen Daten <strong>und</strong> das beschreibende Kodiersystem für die<br />
qualitativen Aussagen bef<strong>in</strong>den sich im Anhang 12 <strong>und</strong> 14.<br />
5.2.1 Zur Person<br />
Die meisten <strong>in</strong>terviewten Mediatoren s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit den<br />
Ergebnissen der schriftlichen Befragung, zwischen 41 <strong>und</strong> 50 Jahre alt. Nur e<strong>in</strong><br />
Mediator war jünger als 30 Jahre <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er älter als 60 Jahre alt (s. Abb. 5.27).<br />
16%<br />
48%<br />
5%<br />
5%<br />
26%<br />
Abb. 5.27 Altersgruppen (n = 19).<br />
20 - 30 Jahre<br />
31 - 40 Jahre<br />
41 - 50 Jahre<br />
51 - 60 Jahre<br />
über 60 Jahre<br />
Es wurden deutlich mehr männliche als weibliche Mediatoren <strong>in</strong>terviewt (s.<br />
Abb. 5.28). E<strong>in</strong>e mögliche Ursache dafür könnte se<strong>in</strong>, dass sich wesentlich weniger<br />
Mediator<strong>in</strong>nen als Mediatoren mit <strong>Wirtschaft</strong>s- oder Arbeitsmediation beschäftigen.<br />
Psycholog<strong>in</strong>nen oder Sozialwissenschaftler<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Stichprobe nicht<br />
vertreten.
68%<br />
32%<br />
weiblich<br />
männlich<br />
Abb. 5.28 Geschlechterverteilung (n = 19).<br />
106<br />
Die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren haben, unter Berücksichtigung von<br />
Mehrfachantworten, Ausbildungen <strong>in</strong> den folgenden Fachrichtungen absolviert (s.<br />
Abb. 5.29). Trotz versuchter Gleichverteilung kam der größte Teil der <strong>in</strong>terviewten<br />
Mediatoren – analog zur Fragebogenstichprobe – aus dem juristischen Fachbereich<br />
(47%), gefolgt von dem sozialwissenschaftlichen (31%) <strong>und</strong><br />
wirtschaftswissenschaftlichen (21%) Bereich. Zu den sozialwissenschaftlichen<br />
Fachrichtungen wurden Psychologie, Soziologie <strong>und</strong> Sozialpädagogik/-arbeit gezählt.<br />
Weiterh<strong>in</strong> befanden sich unter den Interviewten zwei Mediatoren, die e<strong>in</strong>e<br />
Lehrerausbildung hatten, außerdem zwei Theologen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Philosoph.<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Rechtswissenschaften<br />
9<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />
4 4<br />
Psychologie<br />
Lehramt<br />
2 2<br />
Theologie<br />
Philosophie<br />
1 1 1<br />
Soziologie<br />
Fachrichtung<br />
Abb. 5.29 Fachrichtungen – Mehrfachnennungen möglich (n = 19).
5.2.2 Zur Ausbildung<br />
107<br />
Mehr als zwei Drittel (72%) der Mediatoren haben e<strong>in</strong>e oder mehrere Ausbildungen<br />
im Bereich <strong>Mediation</strong> absolviert (s. Abb. 5.30). Fünf Mediatoren gaben an, ke<strong>in</strong>e<br />
re<strong>in</strong>e Medationsausbildung zu haben, sondern ihr Wissen zum Thema <strong>Mediation</strong><br />
durch Selbststudium oder artverwandte Ausbildungen erworben zu haben (z.B.<br />
Studium der aktuellen Literatur, Ausbildung <strong>in</strong> Teamsupervision, Transaktionen <strong>und</strong><br />
Organisationsberatung). E<strong>in</strong> Mediator sagte, dass er se<strong>in</strong>e Ausbildung noch nicht<br />
abgeschlossen habe <strong>und</strong> wurde deshalb nicht <strong>in</strong> die Auswertung mit e<strong>in</strong>bezogen.<br />
28%<br />
33%<br />
39%<br />
e<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>s-Ausbildung<br />
Abb. 5.30 Ausbildung zum Mediator (n = 18).<br />
mehrere <strong>Mediation</strong>s-Ausbildungen<br />
artverwandte Ausbildungen (<strong>in</strong>kl.<br />
Selbststudium)<br />
Gut die Hälfte der <strong>in</strong>terviewten Mediatoren (53%) erwähnte zusätzlich, dass sie<br />
e<strong>in</strong>e spezifische Ausbildung <strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation gemacht hätten. Nur e<strong>in</strong><br />
Mediator (5%) sagte explizit, dass er ke<strong>in</strong>e Ausbildung <strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation habe.<br />
Viele (42%) machten jedoch hierzu ke<strong>in</strong>e Angaben (s. Abb. 5.31).<br />
42% ja<br />
5%<br />
53%<br />
ne<strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>e Angabe<br />
Abb. 5.31 Spezifische Ausbildung <strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation (n = 11).
108<br />
Während die e<strong>in</strong>e Hälfte (46%) der <strong>in</strong>sgesamt 13 Mediatoren mit „re<strong>in</strong>er Media-<br />
tionsausbildung“ ihre Ausbildung <strong>in</strong> maximal 200 St<strong>und</strong>en absolvierte, <strong>in</strong>vestierte die<br />
andere Hälfte (46%) mehr als 200 St<strong>und</strong>en <strong>in</strong> die Ausbildung. E<strong>in</strong> Mediator machte<br />
ke<strong>in</strong>e Angaben zu der Dauer se<strong>in</strong>er Ausbildung (s. Abb. 5.32).<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2<br />
4<br />
2<br />
bis 100 bis 200 bis 300 > 300 ke<strong>in</strong>e<br />
Angabe<br />
4<br />
1<br />
Ausbildungsdauer<br />
<strong>in</strong> St<strong>und</strong>en<br />
Abb. 5.32 Dauer der <strong>Mediation</strong>sausbildung <strong>in</strong> St<strong>und</strong>en (n = 13).<br />
Die meisten <strong>in</strong>terviewten Mediatoren (57%) gaben maximal 5.000 € für ihre<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung aus. E<strong>in</strong> Mediator gab an, bis zu 7.500 € für se<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
bezahlt zu haben (s. Abb. 5.33). Hierbei handelt es sich jedoch nur um die<br />
geschätzten Kosten der „re<strong>in</strong>en <strong>Mediation</strong>sausbildung“, nicht aber um die der<br />
artverwandten Ausbildungen. Lag allerd<strong>in</strong>gs die Ausbildung zu weit zurück, konnten<br />
<strong>in</strong> der Regel ke<strong>in</strong>e Angaben gemacht werden.<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
2<br />
ke<strong>in</strong>e<br />
Kosten<br />
7<br />
1 1<br />
bis<br />
2.500<br />
bis<br />
5.000<br />
bis<br />
7.500<br />
3<br />
ke<strong>in</strong>e<br />
Angabe<br />
Abb. 5.33 Ausbildungskosten <strong>in</strong> € (n = 14).<br />
Kosten <strong>in</strong> €
109<br />
Weiterh<strong>in</strong> wurde erfragt, wie viele St<strong>und</strong>en die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren während<br />
oder noch nach ihrer Ausbildung <strong>in</strong> die Supervision <strong>in</strong>vestierten. Insgesamt gaben<br />
nur 7 Mediatoren an, Supervision <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen. Die meisten Mediatoren<br />
(63%) machten zu dieser Frage ke<strong>in</strong>e Angaben oder gaben explizit an, bisher noch<br />
ke<strong>in</strong>e Supervision genutzt zu haben (s. Abb. 5.34).<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
6<br />
3<br />
1 1<br />
0 bis 50 bis 100 bis 150 > 150 ke<strong>in</strong>e<br />
Angabe<br />
Abb. 5.34 Supervisionsst<strong>und</strong>en (n = 19).<br />
2<br />
6<br />
Anzahl<br />
Supervisionsst<strong>und</strong>en<br />
In Übere<strong>in</strong>stimmung mit den Ergebnissen der schriftlichen Befragung haben<br />
die meisten <strong>in</strong>terviewten Mediatoren ihre Ausbildung mit e<strong>in</strong>er Zertifizierung im S<strong>in</strong>ne<br />
e<strong>in</strong>er Teilnahmebestätigung beendet. Nur je zwei Mediatoren gaben an, die BAFM-<br />
Anerkennung oder e<strong>in</strong> Hochschuldiplom (<strong>in</strong>kl. Master, Examen) zu besitzen (s.<br />
Abb. 5.35).
Anzahl<br />
Nennungen<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
8<br />
Zertifikat<br />
(Teilnahmebestätigung)<br />
2 2 2<br />
BAFM-Anerkennung<br />
Hochschul-<br />
Diplom<br />
ke<strong>in</strong>e<br />
Bestätigung<br />
Ausbildungsabschluss<br />
Abb. 5.35 Abschluss der <strong>Mediation</strong>sausbildung – Mehrfachnennungen möglich<br />
(n = 11).<br />
5.2.3 Zur Tätigkeit als Mediator<br />
110<br />
Die meisten <strong>in</strong>terviewten Mediatoren haben – analog zur Fragebogenstichprobe –<br />
maximal zwei Jahre Berufserfahrung als Mediator. Dennoch konnten knapp die<br />
Hälfte (47%) aller Interviewten fünf <strong>und</strong> mehr Jahre Erfahrung mit <strong>Mediation</strong><br />
vorweisen (s. Abb. 5.36).<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
7<br />
3<br />
5<br />
0-2 3-4 5-6 7-8 9-10<br />
1<br />
3<br />
Berufsjahre<br />
als Mediator<br />
Abb.5.36 Berufserfahrung als Mediator <strong>in</strong> Jahren (n = 19).<br />
Das Beschäftigungsverhältnis gleicht ebenfalls dem Bild der schriftlichen<br />
Befragung. Die große Mehrheit der <strong>in</strong>terviewten Mediatoren (77%) ist selbstständig
111<br />
<strong>und</strong> nur sehr wenige Mediatoren (23%) gaben an, angestellt oder beamtet zu se<strong>in</strong> (s.<br />
Abb. 5.37).<br />
18%<br />
5%<br />
77%<br />
selbständig<br />
angestellt<br />
beamtet<br />
Abb. 5.37 Beschäftigungsverhältnis – Mehrfachantworten möglich (n = 19).<br />
Drei der 19 Mediatoren gaben an, ausschließlich von <strong>Mediation</strong> (<strong>in</strong>kl.<br />
Weiterbildung zum Thema) zu leben. Die meisten <strong>in</strong>terviewten Mediatoren (68%)<br />
beschäftigten sich allerd<strong>in</strong>gs nur zu e<strong>in</strong>em Viertel ihrer Gesamtarbeitszeit mit<br />
<strong>Mediation</strong> (s. Abb. 5.38).<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
13<br />
2<br />
bis 25 bis 50 bis 75 bis 100<br />
1<br />
3<br />
Prozent der<br />
Arbeitstätigkeit<br />
Abb. 5.38 Anteil von <strong>Mediation</strong> an der Gesamttätigkeit <strong>in</strong> Prozent (n = 19).<br />
Da nur sehr wenige <strong>in</strong>terviewte Mediatoren angaben, ausschließlich von <strong>Mediation</strong><br />
zu leben, wurde weiterh<strong>in</strong> erhoben, welche Haupt- oder Nebentätigkeiten parallel zur<br />
Tätigkeit als Mediator ausgeübt werden. Unter der Berücksichtigung von<br />
Mehrfachantworten ergab sich folgendes Bild (s. Abb. 5.39): Die Hälfte der<br />
Mediatoren (50%), die nicht nur von <strong>Mediation</strong> leben, waren Unternehmensberater,<br />
gefolgt von Rechtsanwälten (38%) <strong>und</strong> Dozenten (38%).
Anzahl<br />
Nennungen<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Unternehmensberater<br />
8<br />
Rechtsanwalt /Referendar<br />
6 6<br />
Hochschullehrer +/od. Dozent<br />
Unternehmer<br />
4<br />
1 1 1<br />
Redakteur<br />
Schuldner- & Insolvenzberater<br />
Fam.-, Ehe- & Lebensberater<br />
Tätigkeiten<br />
neben der <strong>Mediation</strong><br />
Abb. 5.39 Haupt- oder Nebentätigkeiten – Mehrfachnennungen möglich (n = 16).<br />
112<br />
Wenn die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren angaben selbstständig zu se<strong>in</strong>, wurde erfragt, ob<br />
sie eigene Angestellte hätten. Der größte Teil der Mediatoren gab an, ke<strong>in</strong>e eigenen<br />
Angestellten zu haben. E<strong>in</strong>ige Mediatoren haben bis zu fünf angestellte Mitarbeiter.<br />
Nur sehr wenige Mediatoren beschäftigen mehr als fünf Angestellte (s. Abb. 5.40).<br />
Allerd<strong>in</strong>gs muss bei diesen Angaben e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung gemacht werden. Die<br />
Angestellten arbeiteten für den Befragten zumeist nicht <strong>in</strong> ihrer Funktion als Mediator.<br />
Nur zwei Mediatoren, die ausschließlich mit <strong>Mediation</strong> ihr Geld verdienen (s.<br />
Abb. 5.38), gaben an, die Angestellten auf dem Gebiet der <strong>Mediation</strong> zu<br />
beschäftigen.<br />
4%<br />
22%<br />
9% 4%<br />
61%<br />
ke<strong>in</strong>e eigenen Angestellten<br />
bis zu 5 Mitarbeiter<br />
bis zu 10 Mitarbeiter<br />
bis zu 15 Mitarbeiter<br />
bis zu 20 <strong>und</strong> mehr Mitarbeiter<br />
Abb. 5.40 Anzahl eigener Angestellter (n = 17).
113<br />
Auf die Frage, zu wie viel Prozent sich die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren <strong>in</strong> ihrer<br />
Tätigkeit als Mediator mit <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder Arbeitsmediation beschäftigen,<br />
antwortete e<strong>in</strong> Teil (44%) der Interviewten, dass er fast ausschließlich <strong>in</strong> dem Gebiet<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation tätig sei. Die meisten Mediatoren (56%) gaben<br />
allerd<strong>in</strong>gs an, dass sie sich neben der <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation noch<br />
weiteren <strong>Mediation</strong>sfeldern, z.B. der Familienmediation zuwenden würden (s. Abb.<br />
5.41). E<strong>in</strong> Mediator konnte diesbezüglich ke<strong>in</strong>e Angaben machen, da er sich bisher<br />
nur theoretisch mit <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation beschäftigt hat.<br />
Anzahl<br />
Mediatoren<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
4<br />
1<br />
2<br />
bis 20 bis 40 bis 60 bis 80 bis 100<br />
3<br />
8<br />
Prozent der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation<br />
Abb. 5.41 Anteil der <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation von der Tätigkeit als<br />
Mediator <strong>in</strong> Prozent (n = 18).<br />
Da sich nicht e<strong>in</strong>mal die Hälfte der <strong>in</strong>terviewten Mediatoren nur mit<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder Arbeitsmediation beschäftigen wurde erfragt, welchen anderen<br />
<strong>Mediation</strong>sfeldern sie sich noch zuwenden. Analog zu den Ergebnissen der<br />
schriftlichen Befragung wurde die Familienmediation (91%) am häufigsten als<br />
weiteres Feld genannt, gefolgt von der Schulmediation (27%) <strong>und</strong> der <strong>Mediation</strong> im<br />
öffentlichen Bereich (Verwaltung etc.) (27%). Je e<strong>in</strong> Mediator gab an, sich neben der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder Arbeitsmediation mit Umweltmediation oder Baustreitigkeiten<br />
zu beschäftigen (s. Abb. 5.42).
Anzahl<br />
Nennungen<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
10<br />
Familien-<br />
<strong>Mediation</strong><br />
3 3<br />
Schul-<br />
<strong>Mediation</strong><br />
Öffentlicher<br />
Bereich<br />
1 1<br />
Umwelt-<br />
<strong>Mediation</strong><br />
Bau-<br />
Streitigk.<br />
weitere<br />
<strong>Mediation</strong>sfelder<br />
Abb. 5.42 Weitere <strong>Mediation</strong>sfelder – Mehrfachnennungen möglich (n = 10).<br />
114<br />
Betrachtet man die e<strong>in</strong>zelnen Branchen, <strong>in</strong> denen Mediatoren derzeit tätig s<strong>in</strong>d,<br />
ergibt sich folgendes Bild (s. Abb. 5.43): Vier von 18 Mediatoren gaben an, <strong>in</strong> allen<br />
Branchen als Mediator zu arbeiten <strong>und</strong> sich nicht spezialisiert zu haben. E<strong>in</strong> Mediator<br />
begründete dies mit dem Satz: „... ich kann es mir nicht aussuchen ...“. Am<br />
häufigsten wurde jedoch die Verarbeitende <strong>und</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie (39%) genannt,<br />
gefolgt von der Technologie-, Telekommunikations- <strong>und</strong> Enterta<strong>in</strong>mentbranche (28%)<br />
<strong>und</strong> dem Dienstleistungsgewerbe (22%). Am wenigsten verbreitet sche<strong>in</strong>t <strong>Mediation</strong><br />
<strong>in</strong> dieser Stichprobe <strong>in</strong> den Branchen Industrie allgeme<strong>in</strong> (alle anderen, außer der<br />
Verarbeitenden <strong>und</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie), Pharmazie, Verkehr- <strong>und</strong> Transport <strong>und</strong><br />
dem Versicherungsgewerbe zu se<strong>in</strong>.<br />
Verarbeitende & Automobil<strong>in</strong>dustrie<br />
Technologie, Telekomm. & Enterta<strong>in</strong>ment<br />
Dienstleistungen<br />
Immobilien & Bauwirtschaft<br />
M<strong>in</strong>isterien & öffentl. Bereich<br />
F<strong>in</strong>anzdienstleistungen<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
Handel<br />
Hotel- & Gaststättengewerbe<br />
sozialer Bereich<br />
Industrie allgeme<strong>in</strong><br />
Pharmazie<br />
Verkehr- <strong>und</strong> Transport<br />
Versicherungsgewerbe<br />
alle Branchen<br />
1<br />
1<br />
1<br />
1<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2<br />
0 2 4 6<br />
3<br />
3<br />
4<br />
4<br />
5<br />
7<br />
8<br />
Anzahl Nennungen<br />
Abb. 5.43 Unternehmensbranchen, <strong>in</strong> denen Mediatoren arbeiten –<br />
Mehrfachnennungen möglich (n = 18).
115<br />
Die meisten <strong>in</strong>terviewten Mediatoren s<strong>in</strong>d momentan <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>- <strong>und</strong> mittelgroßen<br />
Unternehmen tätig (s. Abb. 5.44). Nur zwei Mediatoren gaben an, dass sie <strong>in</strong><br />
Großunternehmen mediieren. Manche konnten ke<strong>in</strong>e spezifische<br />
Unternehmensgröße angeben, sondern sagten, dass es zur Zeit noch „... bunt<br />
gemischt ...“ sei.<br />
11%<br />
22%<br />
67%<br />
Abb. 5.44 Unternehmensgrößen (n = 18).<br />
5.2.4 Mögliche Erfolgsfaktoren<br />
kle<strong>in</strong>- <strong>und</strong> mittelgroße Unternehmen<br />
Großunternehmen<br />
alle Unternehmensgrößen<br />
Um Hypothesen über mögliche Erfolgsfaktoren aufstellen zu können, wurde auf die<br />
qualitativen Aussagen der Mediatoren-Interviews zurückgegriffen. Mit Hilfe des<br />
erarbeiteten Kategoriensystem (s. Anhang 15) wurde nach Faktoren gesucht, <strong>in</strong><br />
denen sich die erfolgreichen von den weniger erfolgreichen Mediatoren<br />
unterscheiden. Dazu wurden die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren <strong>in</strong> erfolgreiche <strong>und</strong> weniger<br />
erfolgreiche Mediatoren unterteilt. Die Unterteilung erfolgte nach den <strong>in</strong> Kapitel<br />
4.1.3.2 beschriebenen subjektiven <strong>und</strong> objektiven Erfolgskriterien. Insgesamt<br />
beschrieben sich elf der 19 Mediatoren als subjektiv „zufrieden“ mit ihrem<br />
wirtschaftlichen Erfolg. Auf Gr<strong>und</strong> dieser hohen Antworthäufigkeit wurde die Variable<br />
„wirtschaftliche Zufriedenheit“ nicht wie geplant als Trennungsmerkmal, sondern nur<br />
als Bed<strong>in</strong>gung verwendet. In den engeren Kreis der „erfolgreichen“ Mediatoren<br />
kamen nur jene, die auf die Frage nach der „wirtschaftlichen Zufriedenheit“ mit „Ja“<br />
geantwortet haben.<br />
Als bestes Trennungsmerkmal erwies sich der „Arbeitszeitanteil“, der für <strong>Mediation</strong><br />
aufgewendet wurde. Es gab drei Mediatoren, die angaben, sich hauptberuflich mit
116<br />
<strong>Mediation</strong> zu beschäftigen <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>en Nebenverdienst zu haben (s. Abb. 5.38) <strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong>en Mediator, der sich bis zu 60 Prozent se<strong>in</strong>er Arbeitszeit mit <strong>Mediation</strong><br />
beschäftigt. Alle anderen Mediatoren dieser Stichprobe lagen weit unter e<strong>in</strong>em<br />
<strong>Mediation</strong>s-Arbeitszeitanteil von 50 Prozent. Der „Jahresumsatz“ wurde von zu<br />
wenigen Mediatoren angegeben, so dass dieses Merkmal für die Auswertung entfiel.<br />
Das Kriterium „Anzahl der Fälle“ wurde schon während der Untersuchung <strong>in</strong> den<br />
Interviews von e<strong>in</strong>igen Mediatoren h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Trennschärfe bemängelt. Die<br />
<strong>in</strong>terviewten Mediatoren gaben zu bedenken, dass nicht jede <strong>Mediation</strong> gleich viel<br />
Können <strong>und</strong> Energie erfordere <strong>und</strong> somit auch nicht gleich vergütet werde. Aus<br />
diesem Gr<strong>und</strong>e wurde dieses Kriterium zweitrangig behandelt, d.h. es fungierte nicht<br />
als Ausschlusskriterium, sondern hatte eher e<strong>in</strong>e Art Kontrollfunktion (s. Abb. 5.45).<br />
Code der<br />
Mediatoren<br />
<strong>Wirtschaft</strong>liche<br />
Zufriedenheit<br />
Arbeitszeitanteil<br />
<strong>in</strong> %<br />
Fälle pro Jahr<br />
G1-M Ja 100 25<br />
G4-M Ja 100 > 20<br />
G11-M Ja 60 20<br />
G15-M Ja 100 6,25<br />
Abb. 5.45 Kriterien, nach denen Mediatoren als erfolgreich e<strong>in</strong>gestuft wurden.<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Erfolgskriterien konnte e<strong>in</strong> Mediator, der eigentlich noch zu der<br />
Gruppe der „erfolgreichen“ Mediatoren gehören würde, nicht berücksichtigt werden.<br />
Er war wirtschaftlich „zufrieden“ <strong>und</strong> hatte bisher 12,5 Fälle pro Jahr bearbeitet.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs gab er an, sich nur 10% von se<strong>in</strong>er Gesamtarbeitszeit mit <strong>Mediation</strong> zu<br />
beschäftigen. Weiterh<strong>in</strong> sagte er, dass „... [se<strong>in</strong>] Auskommen davon nicht abhängig<br />
...“ sei <strong>und</strong> er <strong>Mediation</strong> „... schließlich nicht als Hauptberuf, sondern nebenbei ...“<br />
betreibe. Demnach wurde vermutet, dass er ke<strong>in</strong>e spezifische Vermarktungsstrategie<br />
entwickelt hat, um sich als Mediator zu präsentieren.<br />
Analog zur schriftlichen Befragung (s. Kap. 5.1.5) wurden ke<strong>in</strong>e Unterschiede<br />
zwischen den „erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren h<strong>in</strong>sichtlich<br />
der Merkmale „Geschlecht“, „Alter“ <strong>und</strong> „Beschäftigungsverhältnis“ gef<strong>und</strong>en. Auch<br />
gab es ke<strong>in</strong>e deutlichen Differenzen <strong>in</strong> Bezug auf den „Ausbildungsabschluss“, die
117<br />
„Ausgangsfachrichtung“ <strong>und</strong> den „Wohnort“ (NRW oder NBL). In der Interview-<br />
Stichprobe waren genauso viele „erfolgreiche“ Männer wie Frauen vertreten. Alle<br />
„erfolgreichen“ Mediatoren waren zwischen 40 <strong>und</strong> 50 Jahren alt <strong>und</strong> vom<br />
Arbeitsstatus her selbstständig, genauso wie die Mehrheit der „weniger erfolgreichen“<br />
Mediatoren. Zwei der vier „erfolgreichen“ Mediatoren (50%) haben ihre<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung mit e<strong>in</strong>em „Zertifikat“ i.S. e<strong>in</strong>er Teilnahmebestätigung beendet,<br />
ebenso wie die Hälfte der Teilstichprobe der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren.<br />
Betrachtet man die „Ausgangsfachrichtungen“ so hat e<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator<br />
Philosophie, e<strong>in</strong> anderer Rechtswissenschaften, e<strong>in</strong>er Psychologie,<br />
Betriebswirtschaftslehre <strong>und</strong> Soziologie <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Ingenieur-Pädagogik studiert. Zwei<br />
der „erfolgreichen“ Mediatoren wohnen <strong>in</strong> NRW <strong>und</strong> zwei <strong>in</strong> den NBL. Diese<br />
Variablen sche<strong>in</strong>en demnach ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf den Erfolg als <strong>Wirtschaft</strong>s- oder<br />
Arbeitsmediator zu haben.<br />
Dennoch ergaben sich auch e<strong>in</strong>e Reihe von Unterschieden zwischen den<br />
„erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren, z.B. bezüglich der<br />
„Ausbildungsdauer <strong>und</strong> -art“, der „Berufserfahrung“, des „Arbeitsortes“ (B<strong>und</strong>esland),<br />
der „Unternehmensbranchen“ <strong>und</strong> „Unternehmensgrößen“, <strong>in</strong> denen die Mediatoren<br />
tätig s<strong>in</strong>d, dem „Akquisitionsanteil“, der „Vermarktungsstrategie“ <strong>und</strong> der eigenen<br />
Kompetenz („Sicherheitsgefühl“ während der <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> Fähigkeit der<br />
„Fallerkennung“). Diese Unterschiede sollen im Folgenden genauer erläutert werden.<br />
5.2.4.1 Erfolgsfaktoren bezüglich der Ausbildung<br />
Die Hälfte der „erfolgreichen“ Mediatoren hat e<strong>in</strong>e „artverwandte Ausbildung“<br />
absolviert. Demnach muss man ke<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung machen, um als<br />
Mediator Erfolg zu haben. Zwei Drittel der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren haben<br />
e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung absolviert, welche somit nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Garant<br />
für den Erfolg als Mediator zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. Die Ergebnisse der schriftlichen<br />
Befragung bestätigen ebenfalls e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen der Höhe des<br />
„Jahresumsatzes“ <strong>und</strong> dem Absolvieren e<strong>in</strong>er „artverwandten Ausbildung“ (s. Kap.<br />
5.1.5).
118<br />
Weiterh<strong>in</strong> haben „erfolgreiche“ Mediatoren, <strong>in</strong>sofern sie e<strong>in</strong>e „re<strong>in</strong>e<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung“ absolviert haben, durchschnittlich sieben mal mehr St<strong>und</strong>en <strong>in</strong><br />
ihre Ausbildung <strong>in</strong>vestiert als „weniger erfolgreiche“ Mediatoren.<br />
„Erfolgreiche“ Mediatoren haben nicht nur e<strong>in</strong>e längere „<strong>Mediation</strong>sausbildung“<br />
absolviert, sondern auch mehr „Supervision“. Durchschnittlich haben „erfolgreiche“<br />
Mediatoren acht mal so viele Supervisionsst<strong>und</strong>en angegeben als „weniger<br />
erfolgreiche“ Mediatoren.<br />
5.2.4.2 Erfolgsfaktoren bezüglich der Tätigkeit<br />
Im Schnitt gaben die „erfolgreichen“ Mediatoren an, doppelt so viele Jahre<br />
Berufserfahrung (6,5 Jahre) als Mediator zu haben als die „weniger erfolgreichen“<br />
Mediatoren (3,6 Jahre). Dieser Unterschied wurde durch die Ergebnisse der<br />
schriftlichen Befragung bestätigt (s. Kap. 5.1.5). Je mehr „Berufserfahrung“ e<strong>in</strong><br />
Mediator besitzt, desto höher ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass er <strong>in</strong> diesem Gebiet<br />
erfolgreich ist.<br />
Trotz der Gleichverteilung des Wohnortes <strong>in</strong> NRW <strong>und</strong> den NBL <strong>in</strong> der Stichprobe,<br />
arbeiten zwei Drittel der „erfolgreichen“ Mediatoren <strong>in</strong> den alten B<strong>und</strong>esländern.<br />
Diese Tendenz zeigt sich aber auch <strong>in</strong> der gesamten Stichprobe der <strong>in</strong>terviewten<br />
Mediatoren. In der Teilstichprobe der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren gaben<br />
ger<strong>in</strong>gfügig mehr Mediatoren an, dass sie <strong>in</strong> den NBL tätig s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Unterschied wurde bezüglich des „<strong>Mediation</strong>sfeldes“ gef<strong>und</strong>en, <strong>in</strong> dem<br />
die Mediatoren vorrangig tätig s<strong>in</strong>d. Während drei Viertel der „erfolgreichen“<br />
Mediatoren angaben, nicht nur <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder Arbeitsmediation zu betreiben,<br />
sondern auch <strong>in</strong> anderen <strong>Mediation</strong>sfeldern tätig zu se<strong>in</strong>, wurde diese Aussage nur<br />
von der Hälfte der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren bejaht. Demnach lässt sich<br />
vermuten, dass zurzeit weniger e<strong>in</strong>e Spezialisierung auf e<strong>in</strong> <strong>Mediation</strong>sfeld<br />
erfolgsversprechend ist als e<strong>in</strong>e Zentrierung auf e<strong>in</strong> breites Angebot <strong>in</strong><br />
verschiedenen <strong>Mediation</strong>sfeldern.<br />
Bezüglich der „Unternehmensbranchen“, <strong>in</strong> denen die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren tätig<br />
s<strong>in</strong>d, lässt sich festhalten, dass die „erfolgreichen“ Mediatoren hauptsächlich <strong>in</strong> der
119<br />
„verarbeitenden <strong>und</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie“ sowie <strong>in</strong> „M<strong>in</strong>isterien <strong>und</strong> dem öffentlichen<br />
Bereich“ tätig s<strong>in</strong>d. Die „weniger erfolgreichen“ Mediatoren gaben an, dass sie<br />
ebenfalls vorwiegend <strong>in</strong> der „verarbeitenden <strong>und</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie“, aber auch <strong>in</strong><br />
der Branche der „Technologie, Telekommunikation <strong>und</strong> Enterta<strong>in</strong>ment“, der<br />
„Immobilien- <strong>und</strong> Bauwirtschaft“ <strong>und</strong> im „Dienstleistungsgewerbe“ arbeiteten. Der<br />
größte Unterschied zeigte sich allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> der Aussage, <strong>Mediation</strong> unabhängig von<br />
e<strong>in</strong>er spezifischen Branche zu betreiben. Während die Hälfte der „erfolgreichen“<br />
Mediatoren dies angab, waren es nur 17% der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren,<br />
die ebenfalls diese Aussage machten.<br />
Weiterh<strong>in</strong> unterschieden sich die „erfolgreichen“ <strong>und</strong> die „weniger erfolgreichen“<br />
Mediatoren <strong>in</strong> dem Merkmal „Unternehmensgröße“. Ke<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator war<br />
ausschließlich <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>- <strong>und</strong> mittelgroßen Unternehmen tätig, sondern immer auch <strong>in</strong><br />
Großunternehmen. E<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator gab sogar an, ausschließlich <strong>in</strong><br />
Großunternehmen zu arbeiten. Demgegenüber gab der überwiegende Teil (64%) der<br />
„weniger erfolgreichen“ Mediatoren an, vorwiegend <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> mittelständischen<br />
Unternehmen tätig zu se<strong>in</strong>.<br />
5.2.4.3 Die Vermarktungsstrategie der „erfolgreichen“ Mediatoren<br />
In der schriftlichen Befragung äußerten viele Mediatoren, dass e<strong>in</strong> schlechtes oder<br />
falsches Market<strong>in</strong>g für Schwierigkeiten <strong>in</strong> der Fallsuche verantwortlich sei. Aus<br />
diesem Gr<strong>und</strong>e wurde die Vermarktungsstrategie der <strong>in</strong>terviewten Mediatoren<br />
besonders detailliert betrachtet. Dabei stellte sich heraus, dass sich die<br />
„erfolgreichen“ von den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren nicht nur <strong>in</strong> ihrer<br />
„Vermarktungsstrategie“, sondern auch <strong>in</strong> dem zeitlichen Aufwand, der <strong>in</strong> die<br />
Akquisition <strong>in</strong>vestiert wurde, unterscheiden.<br />
„Erfolgreiche“ Mediatoren gaben an, mehr als doppelt so viel Zeit für die Akquisition<br />
zu verwenden als „weniger erfolgreiche“ Mediatoren. Während die „erfolgreichen“<br />
Mediatoren durchschnittlich ca. 32% ihrer Arbeitszeit für die Akquisition neuer Fälle<br />
verwendeten, <strong>in</strong>vestierten „weniger erfolgreiche“ Mediatoren nur ca. 12% ihrer<br />
Arbeitszeit <strong>in</strong> die Suche nach neuen Fällen. E<strong>in</strong>ige Mediatoren der Gesamtstichprobe<br />
gaben an, dass sie gar ke<strong>in</strong>e Zeit für die Akquisition verwendeten, da sie zurzeit mit<br />
der Anzahl von Fällen, die sie bearbeiten, ausgelastet seien.
120<br />
Wie sieht nun aber die „Vermarktungsstrategie“ der „erfolgreichen“ Mediatoren<br />
konkret aus? In welcher Art <strong>und</strong> Weise <strong>und</strong> mit welchen Argumenten vermarkten sie<br />
<strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> sich selbst?<br />
Art <strong>und</strong> Weise. Der wesentliche Unterschied liegt dar<strong>in</strong>, dass „erfolgreiche“ im<br />
Vergleich zu den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren sich <strong>und</strong> <strong>Mediation</strong> stärker<br />
„aktiv“ <strong>und</strong> weniger „passiv“ vermarkten. „Erfolgreiche“ Mediatoren vermarkten sich<br />
durch „<strong>in</strong>formelle Kontakte“ (z.B. M<strong>und</strong>-zu-M<strong>und</strong>-Propaganda, Multiplikatoren- <strong>und</strong><br />
Kollegennetzwerke), e<strong>in</strong>e „aktive Öffentlichkeitsarbeit“ (z.B. Publikationen,<br />
Veranstaltungen, Ausbildung) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e „aktive traditionelle Akquise“ bei der<br />
potenzielle K<strong>und</strong>en direkt angesprochen werden. In der folgenden Abbildung 5.46 ist<br />
die bevorzugte Vermarktungsstrategie (farbig schattiert) der „erfolgreichen“<br />
Mediatoren dargestellt.<br />
Informelle<br />
Kontakte<br />
Aktive<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Passive<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Vermarktung von <strong>Mediation</strong><br />
Aktive<br />
traditionelle<br />
Akquise<br />
Abb. 5.46 Vermarktungsstrategie von „erfolgreichen“ Mediatoren.<br />
Passive<br />
traditionelle<br />
Akquise<br />
In der Kategorie „aktive Öffentlichkeitsarbeit“ gibt es nur e<strong>in</strong>en quantitativen, nicht<br />
aber e<strong>in</strong>en qualitativen Unterschied zwischen den „erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren, d.h. „erfolgreiche“ Mediatoren machen ke<strong>in</strong>e andere, nur<br />
<strong>in</strong>sgesamt mehr Öffentlichkeitsarbeit. Sie publizieren mehr über <strong>Mediation</strong>, halten<br />
mehr Vorträge <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d stärker als Ausbilder oder Dozenten tätig, um <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong><br />
sich selbst als Mediator auf diese Weise bekannt zu machen. Zwei „erfolgreiche“<br />
Mediatoren gaben an, dass sie auch über R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Fernsehen werben würden<br />
bzw. geworben hätten. Unter „passiver Öffentlichkeitsarbeit“ wurde die Werbung per<br />
Anzeige, das E<strong>in</strong>tragen <strong>in</strong> Mediatorenverzeichnisse <strong>und</strong> das Erstellen e<strong>in</strong>er Website
121<br />
verstanden. In dieser Kategorie gab es allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>en Unterschied zwischen den<br />
e<strong>in</strong>zelnen Mediatorentypen.<br />
„Informelle Kontakte“ nutzen „erfolgreiche“ wie „weniger erfolgreiche“ Mediatoren <strong>in</strong><br />
gleichem Maße <strong>und</strong> <strong>in</strong> gleicher Weise. An erster Stelle wurden „Multiplikatoren“ (z.B.<br />
Gerichte, Vere<strong>in</strong>e, Verbände) genannt, gefolgt von „M<strong>und</strong>-zu-M<strong>und</strong>-Propaganda“,<br />
„Kollegen-“ <strong>und</strong> „K<strong>und</strong>ennetzwerken“ sowie „Arbeitskreisen“.<br />
E<strong>in</strong> dritter Schwerpunkt bei den „erfolgreichen“ Mediatoren ist die „aktive<br />
traditionelle Akquise“. Im Gegensatz zur „passiven traditionellen Akquise“, die die<br />
Herstellung e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>maligen Kontaktes zu potenziellen Mandanten <strong>und</strong><br />
anschließendes Abwarten me<strong>in</strong>t, versteht sich die „aktive traditionelle Akquise“ als<br />
direktes <strong>und</strong> aktives Zugehen auf potenzielle Mandanten. „Erfolgreiche“ Mediatoren<br />
gaben an, doppelt so viel „aktive traditionelle Akquise“ zu betreiben als weniger<br />
erfolgreiche Mediatoren. Während die Hälfte der „erfolgreichen“ Mediatoren sagte,<br />
dass sie sich immer an die direkten Entscheider wenden würden, wurde diese<br />
Strategie nur von e<strong>in</strong>em Viertel der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren verfolgt.<br />
In Bezug auf die „passive traditionelle Akquise“ gab die Hälfte der<br />
„erfolgreichen“ wie auch die Hälfte der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren an, dass<br />
sie auf Fälle warten würden oder dass sie z.B. nach Veranstaltungen angesprochen<br />
werden würden. Im Unterschied zu den „erfolgreichen“ Mediatoren, die abwarten, da<br />
sie mit den Anzahl von Fällen, die sie haben, zufrieden s<strong>in</strong>d, gab es allerd<strong>in</strong>gs unter<br />
den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren etliche (63%), die unzufrieden mit ihrem<br />
wirtschaftlichen Erfolg waren. E<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator sagte sogar explizit: „...<br />
wer darauf wartet, dass jemand zu ihm kommt, der hat ke<strong>in</strong>en Erfolg.“.<br />
Bei der Beurteilung der Bedeutung von Interessenvere<strong>in</strong>en h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
Fallsuche gab es ke<strong>in</strong>en Unterschied zwischen den „erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren. Interessenvere<strong>in</strong>e für <strong>Mediation</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en oder<br />
Familienmediation (z.B. CfM, BAFM) wurden von mehr als der Hälfte (52%) aller<br />
<strong>in</strong>terviewten Mediatoren als „weniger nützlich“ <strong>in</strong> Bezug auf die Fallsuche im Gebiet<br />
der <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder Arbeitsmediation beurteilt. Nur zwei Mediatoren bewerteten<br />
diese Vere<strong>in</strong>e als „nützlich“. Spezifische Interessenvere<strong>in</strong>e für <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder
122<br />
Arbeitsmediation (z.B. BMWA, gwmk) wurden zu gleichen Teilen (jeweils 16%) als<br />
„nützlich“ <strong>und</strong> „weniger nützlich“ empf<strong>und</strong>en. Insgesamt gab es vier „weniger<br />
erfolgreiche“ Mediatoren, die von e<strong>in</strong>er oder mehreren Fallvermittlungen durch<br />
allgeme<strong>in</strong>e oder spezifische Interessenvere<strong>in</strong>e berichten konnten.<br />
Werbeargumente. Neben der Art <strong>und</strong> Weise der Vermarktung wurde ebenfalls<br />
erfasst, mit welchen Argumenten der Mediator für <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> für sich selbst wirbt.<br />
E<strong>in</strong> wesentlicher Unterschied bestand dar<strong>in</strong>, dass „erfolgreiche“ Mediatoren nur<br />
Vorteile der <strong>Mediation</strong> als Werbeargumente nannten <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Nachteile<br />
traditioneller juristischer Verfahren erwähnten. Die Hälfte der „erfolgreichen“<br />
Mediatoren gab sogar an, nur mit allgeme<strong>in</strong>en <strong>und</strong> nicht mediationsspezifischen<br />
Argumenten zu werben. Dabei handelte es sich um positive Werte wie „... Klugheit,<br />
Cleverness, E<strong>in</strong>vernehmlichkeit ...“ aber auch um die Reduzierung von Leidensdruck,<br />
„...Schmerz vermeiden, Freude gew<strong>in</strong>nen ...“. Interessanterweise entspricht dies der<br />
Anspruchsniveau-Theorie von March <strong>und</strong> Simon (1976), welche im Kapitel 2.2.3<br />
vorgestellt wurde. Die Autoren gehen davon aus, dass Unzufriedenheit, d.h. e<strong>in</strong><br />
gewisser „Leidensdruck“, zu Änderungsaktivitäten führt. Im Fall der <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation würde das bedeuten, dass e<strong>in</strong>e große Unzufriedenheit mit der<br />
bisherigen Streitbeilegung dazu führen kann, dass Unternehmen alternative Wege<br />
der Konfliktlösung suchen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> anderes Streitverfahren, z.B. die <strong>Mediation</strong>,<br />
ausprobieren.<br />
Bezüglich der Vorteile von <strong>Mediation</strong> nennen „erfolgreiche“ Mediatoren an erster<br />
Stelle die „Zeit- <strong>und</strong> Kosteneffizienz“ des Verfahrens (s. Abb. 5.48). Dagegen<br />
sprechen „weniger erfolgreiche“ Mediatoren hauptsächlich von der<br />
„Eigenverantwortlichkeit“, die dieses Verfahren ermöglicht, <strong>und</strong> erst an zweiter <strong>und</strong><br />
dritter Stelle von der „Zeit- <strong>und</strong> Kosteneffizienz“ (s. Abb. 5.49). E<strong>in</strong> „erfolgreicher“<br />
Mediator nannte noch zwei weitere Argumente, die von ke<strong>in</strong>em „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediator erwähnt wurden, <strong>und</strong> zwar die „Praxisorientierung“ <strong>und</strong> das<br />
F<strong>in</strong>den von „kreative Lösungen“.<br />
Um zu überprüfen, ob die genannten Werbeargumente der Mediatoren wirklich die<br />
potenziellen K<strong>und</strong>en überzeugen, wurden e<strong>in</strong>erseits die Mediatoren nach positiven<br />
<strong>und</strong> negativen Erfahrungen von Unternehmen befragt (sek<strong>und</strong>äre Informationsquelle)
123<br />
<strong>und</strong> andererseits Vertreter verschiedener Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
(primäre Informationsquelle). Der Vergleich, <strong>in</strong> wieweit die Werbeargumente mit den<br />
tatsächlichen Interessen der Unternehmen übere<strong>in</strong>stimmen, ist im Kapitel fünf des<br />
zweiten Teils „Deutsche Unternehmen <strong>und</strong> <strong>Mediation</strong>“ dieser Diplomarbeit zu lesen.<br />
Die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren berichteten, dass Unternehmen, die bereits<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrungen haben, die „Zeit- <strong>und</strong> Kosteneffizienz“, die<br />
„Ergebniszufriedenheit“, die „Vertraulichkeit“ des Verfahrens, den „zivilisierten“ <strong>und</strong><br />
„konstruktiven Umgang“ während <strong>und</strong> auch nach Beendigung e<strong>in</strong>es<br />
<strong>Mediation</strong>sverfahrens <strong>und</strong> den „Lerneffekt“ oder die Erfahrung, auch anders mit<br />
Konflikten umgehen zu können, als positiv bewerten würden (s. Abb. 5.47).<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Zeiteffizienz<br />
5 5<br />
Kosteneffizienz<br />
Ergebniszufriedenheit<br />
4<br />
Vertraulichkeit<br />
3 3<br />
zivilisierter Umgang<br />
konstruktiver Umgang<br />
2 2<br />
Lerneffekt<br />
Positive<br />
Erfahrungen<br />
Abb. 5.47 Mediatorenaussagen über positive Erfahrungen von Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong> (n = 19).<br />
Es stellt sich nun die Frage, ob die Werbeargumente der Mediatoren mit diesen<br />
Erfahrungsberichten übere<strong>in</strong>stimmen. Bei der Hälfte der „erfolgreichen“ Mediatoren<br />
konnten zwei Übere<strong>in</strong>stimmungen gef<strong>und</strong>en werden: „Zeit- <strong>und</strong> Kosteneffizienz“<br />
werden am häufigsten genannt (s. Abb. 5.48). Demnach sche<strong>in</strong>t die Hälfte der<br />
„erfolgreichen“ Mediatoren mit diesen Argumenten die Bedürfnisse der Unternehmen<br />
anzusprechen. Bei den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren ist dies nicht so<br />
offensichtlich. Wie bereits erwähnt, sprechen sie am häufigsten (60%) von der<br />
„Eigenverantwortlichkeit“, obwohl dieser Punkt nicht als positive Erfahrung berichtet<br />
wurde, <strong>und</strong> erst dann von der „Zeit- <strong>und</strong> Kosteneffizienz“. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es auch
124<br />
e<strong>in</strong>ige „weniger erfolgreiche“ Mediatoren (33%), die „Ergebniszufriedenheit“ als e<strong>in</strong><br />
Argument für <strong>Mediation</strong> nennen, welches ebenfalls unter den positiven Erfahrungen<br />
berichtet wurde (s. Abb. 5.49).
Anzahl<br />
Nennungen<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Zeiteffizienz<br />
2 2<br />
Kosteneffizienz<br />
Eigenverantwortlichkeit<br />
1 1 1<br />
Prozessvermeidung<br />
Abb. 5.48 Argumente der<br />
„erfolgreichen“ Mediatoren<br />
(n = 4).<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
9<br />
Eigenverantworlichkeit<br />
Zeiteffizienz<br />
8<br />
Kosteneffizienz<br />
7<br />
Ergebniszufriedenheit<br />
5 5 5<br />
Zukunftsorientierung<br />
Erhalt von Beziehungen<br />
125<br />
Abb.5.49 Argumente der „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren (n =<br />
15).<br />
E<strong>in</strong> Problem bei sek<strong>und</strong>ären Informationen ist allerd<strong>in</strong>gs die<br />
größere Ungenauigkeit bei der Wiedergabe, z.B. können<br />
Interferenzen (Überlagerungen) mit bereits vorhandenen<br />
Vermutungen auftreten (Anderson, 1995). Vermutlich er<strong>in</strong>nern sich<br />
die befragten Mediatoren aufgr<strong>und</strong> der vorher gestellten Frage („Mit<br />
welchen Argumenten werben Sie für <strong>Mediation</strong>?“) stärker an<br />
Erfahrungsberichte, die mit ihren eigenen Argumenten<br />
übere<strong>in</strong>stimmen (Ausstrahlungseffekt, s. Kap. 4.1.3.1). E<strong>in</strong>en<br />
besseren Vergleich werden die Ergebnisse der Unternehmens-<br />
Interviews br<strong>in</strong>gen.<br />
In Bezug auf die „Eigenwerbung“ nennen „erfolgreiche“ Mediatoren durchschnittlich<br />
mehr Argumente, warum sie als Mediator geeignet s<strong>in</strong>d, als „weniger erfolgreiche“<br />
Mediatoren. Ke<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator gab an, über das Verfahren <strong>Mediation</strong> für<br />
sich zu werben, während e<strong>in</strong>ige der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren (13%) dies<br />
erzählten. „Erfolgreiche“ Mediatoren gaben an, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie über die eigene<br />
„Persönlichkeit“, d.h. vorwiegend über die „Ausstrahlung“, <strong>und</strong> dann erst mit den<br />
eigenen „Fähigkeiten“ zu werben. „Weniger erfolgreiche“ Mediatoren gaben an,
126<br />
hauptsächlich über die „Fähigkeiten“ <strong>und</strong> weniger über die eigene Person zu werben.<br />
Als „Fähigkeiten“ wurden z.B. „Lebens-“ <strong>und</strong> „Berufserfahrung“, „Ausbildung“ <strong>und</strong><br />
„Fachkompetenz“ genannt. „Erfolgreiche“ Mediatoren sprachen h<strong>in</strong>sichtlich ihrer<br />
Fähigkeiten am häufigsten von ihrer „Lebenserfahrung“ <strong>und</strong> ihrer „Ausbildung“.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs kann die „Ausbildung“ nicht als spezifisch für die „erfolgreichen<br />
Mediatoren“ angesehen werden, da sie auch von den „weniger erfolgreichen“<br />
Mediatoren sehr häufig genannt wurde.<br />
Aufschlussreicher als die Suche nach Unterschieden wird der Vergleich dieser<br />
Argumente mit den „Anforderungen“ der Unternehmen an e<strong>in</strong>en guten Mediator se<strong>in</strong><br />
(s. Kap. 5, Teil 2). Um die Aussagen der Mediatoren zur Vermarktung mit e<strong>in</strong>er<br />
„echten“ Situation zu vergleichen, wurde am Ende der Interviews e<strong>in</strong> Rollenspiel<br />
durchgeführt. Die genaue Beschreibung der Inhalte des Rollenspiel bef<strong>in</strong>det sich im<br />
Kapitel 4.1.3.2. Neben dem Feststellen von weiteren situationsspezifischen<br />
Merkmalen wie z.B. dem Nennen von „Erfahrungswerten“, dem Vorschlag zu e<strong>in</strong>em<br />
„persönlichen Gespräch“, sollten die so eben beschriebenen Werbeargumente<br />
wieder zu f<strong>in</strong>den se<strong>in</strong>. Interessanterweise war dies nicht immer der Fall.<br />
Verkaufsgespräch. In dem Rollenspiel nannten die „erfolgreichen“ Mediatoren im<br />
Unterschied zum allgeme<strong>in</strong>en Aufzählen von Werbeargumenten durchschnittlich<br />
weniger Argumente für das Verfahren als die „weniger erfolgreichen“ Mediatoren. Die<br />
am häufigsten verwendeten Argumente s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Abbildung 5.50 <strong>und</strong> 5.51<br />
dargestellt. An dem Rollenspiel haben aus Zeitgründen nicht alle, sondern <strong>in</strong>sgesamt<br />
nur 15 Mediatoren teilgenommen, drei „Erfolgreiche“ <strong>und</strong> zwölf „weniger<br />
Erfolgreiche“.<br />
Sowohl „erfolgreiche“ als auch „weniger erfolgreiche“ Mediatoren sagten am<br />
häufigsten, dass der „Mediator den Parteien bei der Verhandlungsführung hilft“, z.B.<br />
stehe er den Parteien zur Seite, wenn die Verhandlungen festgefahren s<strong>in</strong>d <strong>und</strong><br />
unterstütze sie, um wieder <strong>in</strong>s Gespräch zu kommen. Am zweit-häufigsten sprachen<br />
alle Mediatoren von der „Eigenverantwortlichkeit“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>sverfahren. E<strong>in</strong><br />
Drittel der „erfolgreichen“ Mediatoren erwähnte den „Zeit- <strong>und</strong> Kostenvorteil“ sowie<br />
die „Vertraulichkeit“ des Verfahrens <strong>und</strong> den „zivilisierten Umgang“ während <strong>und</strong>
127<br />
nach der <strong>Mediation</strong>. Weiterh<strong>in</strong> sprachen sie von der „Interessenorientierung“, der<br />
„Erweiterung des E<strong>in</strong>igungsraumes“ <strong>und</strong> dem „Erhalt von (Geschäfts-)Beziehungen“.<br />
Im Unterschied dazu erwähnten nur zwei der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren<br />
den „Zeitvorteil“ <strong>und</strong> zwei den „Kostenvorteil“ der <strong>Mediation</strong>. Ebenso wurden die<br />
Argumente „Vertraulichkeit“ (e<strong>in</strong> Mediator) <strong>und</strong> „zivilisierter Umgang“ (zwei<br />
Mediatoren) sehr selten genannt. Etwa die Hälfte erwähnte allerd<strong>in</strong>gs die<br />
„Interessenorientierung“. Weiterh<strong>in</strong> sprachen sie von der „Ergebniszufriedenheit“,<br />
welche als positive Erfahrung berichtet wurde, von der „Verh<strong>in</strong>derung der Verhärtung<br />
der Fronten“ (Abbau von „Mauern“) <strong>und</strong> der „Suche nach Geme<strong>in</strong>samkeiten“. Eher<br />
skeptisch könnte die Arbeit auf der „emotionalen Ebene“ (<strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> sicher<br />
eher ungewöhnlich) <strong>und</strong> die Anwesenheit e<strong>in</strong>es „zweiten Mediators“ (der höhere<br />
Kosten vermuten lässt) betrachtet werden.<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
4<br />
2<br />
0<br />
3<br />
2<br />
1 1 1 1 1 1 1<br />
Mediator hilft<br />
Eigenverantwortlichkeit<br />
Zeiteffizienz<br />
Kosteneffizienz<br />
Vertraulichkeit<br />
Zivilisierter Umgang<br />
Interessenorientierung<br />
Erhalt von Beziehungen<br />
Erweiterung des E<strong>in</strong>igungs...<br />
Abb. 5.50 Argumente der „erfolgreichen“<br />
Mediatoren im Rollenspiel<br />
(n = 3).<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
10<br />
8<br />
Mediator hilft<br />
Eigenverantworlichkeit<br />
7<br />
Interessenorientierung<br />
Ergebniszufriedenheit<br />
4 4<br />
3 3 3<br />
Abbau von "Mauern"<br />
Suche nach Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
Emotionen<br />
evt. zweiter Mediator<br />
Zeiteffizienz<br />
2 2<br />
Kosteneffizienz<br />
Abb.5.51 Argumente der „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren im<br />
Rollenspiel (n = 12).<br />
Die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren wurden im Rollenspiel ebenfalls befragt, warum der<br />
Anrufer sich gerade für sie als Mediator entscheiden solle. Im Unterschied zu der<br />
allgeme<strong>in</strong>en Darstellung der „Eigenwerbung“ erwähnten sowohl die „erfolgreichen“<br />
als auch die „weniger erfolgreichen“ Mediatoren vorwiegend ihre „Fähigkeiten“ <strong>und</strong><br />
g<strong>in</strong>gen weniger auf ihre „Persönlichkeit“ e<strong>in</strong>. Wahrsche<strong>in</strong>lich ist dies auf die<br />
spezifische Situation des Rollenspiel, welches am Telefon stattfand, zurückzuführen.<br />
Bei telefonischen Interviews fehlt den Gesprächspartnern jeglicher visueller Kontakt,
128<br />
<strong>und</strong> somit ist die Möglichkeit zur Wahrnehmung der „Persönlichkeit“ des Anderen<br />
stark e<strong>in</strong>geschränkt. Dennoch erwähnten alle „erfolgreichen“ Mediatoren, dass es<br />
wichtig sei, darauf zu achten, dass die Chemie zwischen dem Mediator <strong>und</strong> den<br />
Medianten stimme („Beziehungsebene“), was sich am Telefon nur schwer feststellen<br />
lasse.<br />
Bezüglich der „Fähigkeiten“ betonten die „erfolgreichen“ Mediatoren im<br />
Unterschied zu den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren stärker ihre „Profession“ (z.B.<br />
Dipl.-Pädagoge, Jurist), ihre „Erfolgsaussichten“ (z.B. „... ich kann sagen, ich habe<br />
80% vermittelt ...“) <strong>und</strong> ihre „Referenzen“ (z.B. „... auf me<strong>in</strong>er Homepage, da gibt es<br />
auch Referenzen ...“). „Weniger erfolgreiche“ Mediatoren betonten hauptsächlich ihre<br />
„Erfahrungen“ mit <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> Konfliktlösung im allgeme<strong>in</strong>en, gefolgt von der<br />
„Kompetenz“ im spezifischen Fall <strong>und</strong> der „<strong>Mediation</strong>sausbildung“.<br />
„Erfolgsaussichten“ wurden nur von sehr wenigen (16%) <strong>und</strong> dann auch eher<br />
allgeme<strong>in</strong> <strong>und</strong> ohne Prozentangaben berichtet. Erfolgreiche Mediatoren dagegen<br />
werben <strong>in</strong> ersten L<strong>in</strong>ie mit ihrer „Profession“, ihrer fallspezifischen statt allgeme<strong>in</strong>en<br />
„Erfahrung“ <strong>und</strong> den eigenen „Erfolgsaussichten“. Sie werben nicht mit ihrer<br />
„<strong>Mediation</strong>sausbildung“. Die Vermarktungsstrategie der „erfolgreichen“ Mediatoren ist<br />
<strong>in</strong> der folgenden Abbildung 5.52 zusammengefasst.<br />
1.<br />
Nennen der eigenen Profession<br />
Erfahrung<br />
•<br />
•<br />
Spezifische Fallerfahrung<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation<br />
Nennen von Erfolgsaussichten<br />
• Prozentangaben<br />
2.<br />
Fallspezifische Kompetenz<br />
Referenzen<br />
Abb. 5.52 Selbstvermarktungsstrategie der „erfolgreichen“ Mediatoren (n = 3).<br />
E<strong>in</strong>en weiteren Unterschied zwischen den „erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren gab es bezüglich des „Vorschlags zu e<strong>in</strong>em<br />
Selbstvermarktung
129<br />
Vorstellungsgespräch“. Zwei Drittel der „erfolgreichen“ Mediatoren machten sehr<br />
zeitig (im ersten Drittel des Gesprächs) den Vorschlag, „... ich würde gern e<strong>in</strong><br />
persönliches Gespräch führen ...“. Nur etwas mehr als e<strong>in</strong> Drittel der „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren tat dies ebenfalls. E<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator sagte im<br />
Anschluss an dieses Rollenspiel: „... ich hatte am Anfang [...] e<strong>in</strong>e ganz hohe<br />
Ausfallquote von Fällen, die nicht zustande gekommen s<strong>in</strong>d [...] weil ich nicht früh<br />
genug versucht habe, auch anzubieten zu den [Interessenten] zu kommen ...“.<br />
Zuletzt sei noch genannt, dass prozentual betrachtet wesentlich mehr „erfolgreiche“<br />
(30%) als „weniger erfolgreiche“ (8%) Mediatoren <strong>in</strong> diesem „Verkaufsgespräch“ die<br />
fiktive Unternehmensvertreter<strong>in</strong> (Anrufer<strong>in</strong>) an ihre Nichte<strong>in</strong>igungsalternativen (was<br />
passiert, wenn ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung erzielt wird) er<strong>in</strong>nert haben.<br />
5.2.4.4 Erfolgsfaktoren bezüglich der Kompetenz<br />
Unter diesem Gesichtspunkt wurde untersucht, ob die Kompetenz e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss<br />
auf den Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators hat. Dabei g<strong>in</strong>g es zum e<strong>in</strong>en um das<br />
„Sicherheitsgefühl“ während der <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> zum anderen um die Fähigkeit der<br />
„Fallerkennung“. E<strong>in</strong> Mediator wurde mit der Frage nach dem „Sicherheitsgefühl“<br />
nicht konfrontiert, da er noch ke<strong>in</strong>e praktischen Erfahrungen mit <strong>Mediation</strong> gemacht<br />
hatte.<br />
Die Hälfte der „erfolgreichen“ Mediatoren gab an, dass sie sich während der<br />
<strong>Mediation</strong> „sicher“ fühle <strong>und</strong> die andere Hälfte, dass sie sich „teilweise sicher“ fühle.<br />
Zwei Drittel der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren fühlten sich ebenfalls „sicher“<br />
bzw. „teilweise sicher“. Ke<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator gab an, dass er sich „unsicher“<br />
fühle. Dagegen machten e<strong>in</strong>ige „weniger erfolgreiche“ Mediatoren (21%) sehr wohl<br />
diese Aussage. Dennoch sollte dieser Aspekt nicht überbetont werden, da es sich um<br />
e<strong>in</strong>e Selbste<strong>in</strong>schätzung handelt, die mehr oder weniger ehrlich se<strong>in</strong> kann.<br />
Als „Ursachen für Sicherheit“ nannten sowohl „erfolgreiche“ als auch „weniger<br />
erfolgreiche“ Mediatoren am häufigsten die „Erfahrung“, gefolgt von dem Wissen um<br />
die „Verfahrensverantwortlichkeit“ im Unterschied zur „Ergebnisverantwortlichkeit“,<br />
„Selbstvertrauen“ <strong>und</strong> die „Bereitschaft der Medianten“. „Erfolgreiche“ nannten im
130<br />
Unterschied zu den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren nicht die<br />
„<strong>Mediation</strong>sausbildung“ als Ursache ihrer Sicherheit.<br />
Bei den „Ursachen für Unsicherheit“ gab es nur leichte Differenzen (s. Abb. 5.53).<br />
Sowohl „erfolgreiche“ als auch „weniger erfolgreiche“ Mediatoren fanden den<br />
Umgang mit „Emotionen“ <strong>und</strong> „unerwarteten <strong>und</strong>/oder komplexen Situationen“ als<br />
besonders schwierig. Weiterh<strong>in</strong> nannten die „erfolgreichen“ Mediatoren überwiegend<br />
Unsicherheitsquellen, die weniger auf ihre eigene Person als auf äußere Umstände<br />
zurückzuführen s<strong>in</strong>d, z.B. drohendes Gerichtsverfahren. Die genannten Ursachen der<br />
„weniger erfolgreichen“ Mediatoren lassen sich dagegen eher auf fehlende<br />
Fähigkeiten der eigenen Person zurückführen.<br />
Ursachen für Unsicherheit<br />
Erfolgreiche Mediatoren<br />
� Emotionen<br />
� Unerwartete <strong>und</strong>/oder<br />
komplexe Situationen<br />
� Verständnisprobleme<br />
� Unsichere Rollenverteilung<br />
� Äußerer Druck<br />
� Parteien können nicht für sich<br />
selber sprechen<br />
� Drohendes Gerichtsverfahren<br />
Weniger erfolgreiche Mediatoren<br />
� Emotionen<br />
� Unerwartete <strong>und</strong>/oder<br />
komplexe Situationen<br />
� Wenig Erfahrung<br />
� Fehlende Ausbildung im<br />
Bereich Psychologie<br />
� Eigene Ungeduld<br />
� Probleme mit der eigenen<br />
Neutralität<br />
Abb. 5.53 Ursachen für Unsicherheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>sverfahren (n = 18).<br />
Entscheidend ist allerd<strong>in</strong>gs der Umgang mit Unsicherheit, die sogenannten<br />
„Cop<strong>in</strong>g-Strategien“. „Erfolgreiche“ <strong>und</strong> „weniger erfolgreiche“ Mediatoren<br />
unterscheiden sich nicht nur <strong>in</strong> der Anzahl der genannten Strategien, sondern auch<br />
dar<strong>in</strong>, was sie konkret für Möglichkeiten neben der Supervision, nutzen. „Supervision“<br />
wurde von allen Mediatoren am häufigsten genannt. „Erfolgreiche“ Mediatoren<br />
versuchten im Unterschied zu „weniger erfolgreichen“, „sich selbst zu beruhigen“, die<br />
„Schwierigkeit als Herausforderung“ zu sehen <strong>und</strong> im konkreten Fall<br />
„E<strong>in</strong>zelgespräche“ mit jeder Streitpartei zu führen. „Weniger erfolgreiche“ Mediatoren<br />
begegneten schwierige Situationen dagegen mit „Pausen“, „Co-<strong>Mediation</strong>“ <strong>und</strong> dem<br />
„Zulassen <strong>und</strong> Thematisieren der eigenen Unsicherheit“.
131<br />
E<strong>in</strong>e Vermutung, warum Mediatoren nur schwierig Fälle f<strong>in</strong>den, war, dass sie<br />
diese nicht als mediationsgeeignet erkennen. Demzufolge ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich,<br />
dass immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator angab, dass er alle Fälle für die <strong>Mediation</strong><br />
geeignet halte, „...Jeder Konflikt ist mediativ lösbar...“. Dennoch nannte auch er,<br />
ebenso wie die anderen „erfolgreichen“ Mediatoren, „Ausschluss- <strong>und</strong><br />
Eignungskriterien“, anhand derer e<strong>in</strong> neuer Fall beurteilt wird. Bei e<strong>in</strong>er Unterteilung<br />
<strong>in</strong> „personenspezifische“, „fallspezifische“ <strong>und</strong> „den Mediator betreffende“ Kriterien<br />
erwähnten sowohl „erfolgreiche“ als auch „weniger erfolgreiche“ Mediatoren am<br />
häufigsten personenspezifische Ausschluss- <strong>und</strong> Eignungskriterien.<br />
Demzufolge würden sowohl die meisten „erfolgreichen“ als auch die meisten<br />
„weniger erfolgreichen“ Mediatoren nicht mediieren, wenn die beteiligten Personen<br />
„ke<strong>in</strong>e Offenheit <strong>und</strong> Ehrlichkeit“ zu erkennen geben <strong>und</strong> der Verdacht besteht, das<br />
e<strong>in</strong>e Partei das Verfahren für andere Ziele missbraucht oder aber e<strong>in</strong> „Kräfte- bzw.<br />
Machtungleichgewicht“ zwischen den Parteien bestehe. Weitere, aber weniger häufig<br />
genannte Gründe waren die „fehlende Bereitschaft“ <strong>und</strong> das Vorhandense<strong>in</strong> von<br />
„psychologischen Störungsbildern“ bei den Beteiligten. E<strong>in</strong> wesentlicher Unterschied<br />
bestand bezüglich des Kriterium „ke<strong>in</strong>e längerfristige Beziehung gewünscht“.<br />
Während mancher (13%) der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren angab, unter diesen<br />
Umständen e<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong> abzulehnen, machte ke<strong>in</strong> „erfolgreicher Mediator“ diese<br />
Aussage. Gleiches zeigte sich auch <strong>in</strong> den „Eignungskriterien“. E<strong>in</strong>ige (13%)<br />
„weniger erfolgreiche“ Mediatoren halten e<strong>in</strong>en Fall für geeignet, wenn es e<strong>in</strong>e<br />
„längerfristig angelegte Beziehung“ zwischen den Streitparteien gab. „Erfolgreiche“<br />
Mediatoren sprachen nicht davon.<br />
Die größten Unterschiede gab es allerd<strong>in</strong>gs h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
„Ausschlusskriterien,, die den Mediator betreffen“. Knapp die Hälfte der „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren nannte „den Mediator betreffende Ausschlusskriterien“. Sie<br />
gaben an, den Fall abzulehnen, wenn a) der „Mediator schon <strong>in</strong> anderer Funktion mit<br />
den Parteien zu tun hatte“, b) „die eigene Neutralität gefährdet ist“, c) „man das<br />
subjektive Gefühl hat, es geht nicht“ <strong>und</strong> d) „mangelnde Fachkompetenz“ zu Gr<strong>und</strong>e<br />
lag. Nur e<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator gab an, aus dem „subjektiven Gefühl heraus“<br />
den Fall abzulehnen.
132<br />
Weiterh<strong>in</strong> sagten „weniger erfolgreiche“ Mediatoren, dass sie nicht mediieren<br />
würden, wenn a) es sich um „Ja-Ne<strong>in</strong>-Entscheidungen“ handelt oder b) im Vorfeld<br />
„Gewalt aufgetreten ist“ oder es sich um e<strong>in</strong>e „zu niedrige Eskalationsstufe“ handelt<br />
(fallspezifisch). Diese Kriterien wurden von den „erfolgreichen“ Mediatoren nicht<br />
genannt.<br />
Bei den „Eignungskriterien“ gab es kaum Unterschiede zwischen den<br />
„erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren. Ganz oben stand für alle<br />
Mediatoren die „Bereitschaft der Parteien“. Für e<strong>in</strong>en „erfolgreichen“ Mediator war<br />
weiterh<strong>in</strong> noch wichtig, dass die Parteien „freiwillig“ <strong>in</strong> das Verfahren gehen würden<br />
<strong>und</strong> er als Mediator „dem Fall offen <strong>und</strong> unparteiisch gegenüber“ stehe.<br />
Befragt, ob die Fallerkennung schwer falle, sagte ungefähr die Hälfte aller<br />
Mediatoren „Ja“ <strong>und</strong> die andere Hälfte „Ne<strong>in</strong>“. Während e<strong>in</strong> Viertel der „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren angab, dass sie bisher wenig Erfahrung im Bereich der<br />
Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation hätten, gab es ke<strong>in</strong>en „erfolgreichen“ Mediator, der<br />
diese Aussage machte.<br />
5.2.4.5 Basis des Erfolgs<br />
Am Ende des Interviews wurden alle Mediatoren gebeten, noch e<strong>in</strong>mal<br />
e<strong>in</strong>zuschätzen, was ihrer Me<strong>in</strong>ung nach ausschlaggebend für ihren Erfolg als<br />
Mediator gewesen ist. Im Unterschied zu der „Vermarktungsstrategie“ (s. Kap.<br />
5.2.4.3) machten die „erfolgreichen“ Mediatoren <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie ihre „Fähigkeiten“, wie<br />
z.B. „Souveränität“, „Erfahrungen“, „Empatisches Zuhören“, „Methodenkompetenz“,<br />
für ihren Berufserfolg verantwortlich, gefolgt von den „Fertigkeiten“, hauptsächlich im<br />
Bereich „Market<strong>in</strong>g“, dem Umstand, dass sie zu den „Ersten <strong>in</strong> Deutschland“ gehört<br />
hätten <strong>und</strong> schließlich ihrer „Persönlichkeit“ im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er gewissen „Autorität“,<br />
welche man als Mediator ausstrahle.<br />
„Weniger erfolgreiche“ Mediatoren vertraten die Auffassung, dass ihr bisheriger<br />
Erfolg, mit dem sie mehr oder weniger zufrieden s<strong>in</strong>d, ebenfalls hauptsächlich auf<br />
ihren „Fähigkeiten“ zurückzuführen sei, gefolgt von ihrer „Persönlichkeit“ <strong>und</strong> ihre<br />
„Fertigkeiten“. Bei den „Fertigkeiten“ nannten sie allerd<strong>in</strong>gs nicht das „Market<strong>in</strong>g“,<br />
sondern die „<strong>Mediation</strong>sausbildung“, die für ihren Erfolg verantwortlich sei.
5.2.5 Fördernde <strong>und</strong> hemmende Akzeptanzfaktoren<br />
133<br />
In den Interviews mit den Mediatoren wurden zwei Akzeptanzfaktoren<br />
(Meißner, 1989) e<strong>in</strong>gehender betrachtet, zum e<strong>in</strong>en der „Neuheitsgrad“ von<br />
<strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> zum anderen die Stiftung von „Unsicherheit“ durch dieses Verfahren.<br />
In diesem Zusammenhang wurden auf die „Erfahrungsberichte“ von Unternehmen<br />
aus Sicht der Mediatoren, den eigenen „Vergleich mit der bisherigen<br />
Streitschlichtung“ <strong>und</strong> die evtl. vorhandenen, aus den unterschiedlichen<br />
Fachbereichen der Mediatoren resultierenden „Rollenkonflikte“ zurückgegriffen.<br />
Die meisten Mediatoren kannten ke<strong>in</strong>e Unternehmen, die bereits „Erfahrungen“ mit<br />
<strong>Mediation</strong> gemacht haben. Sie waren meist die Ersten, die den Unternehmen von<br />
<strong>Mediation</strong> erzählten <strong>und</strong> das Verfahren vorstellten. Insofern ist davon auszugehen,<br />
dass die meisten Unternehmen das Verfahren noch gar nicht kennen. Diese<br />
Aussage wurde auch <strong>in</strong> den Ergebnisse der schriftlichen Befragung deutlich (s. Kap.<br />
5.1.4).<br />
Knapp die Hälfte der Mediatoren konnte allerd<strong>in</strong>gs auch von „positiven<br />
Erfahrungen“ berichten <strong>und</strong> nur e<strong>in</strong> Viertel hatte bisher von „negativen Erfahrungen“<br />
gehört. Die „positiven Erfahrungen“ wurden bereits <strong>in</strong> der Abbildung 5.47 dargestellt.<br />
Von „negativen Erfahrungen“ wurden berichtet, wenn a) „ke<strong>in</strong> Ergebnis“ erzielt<br />
wurde, b) „ke<strong>in</strong> richtiges <strong>Mediation</strong>sverfahren“ angestrebt wurde, c) die „Bereitschaft<br />
der Beteiligten“ oder die „Entscheidungsträger“ fehlten, d) es sich um e<strong>in</strong>en<br />
„schlechten Mediator“ handelte oder e) es „falsche Erwartungen an den Mediator“<br />
gab. Insgesamt berichteten aber wesentlich weniger Mediatoren von „schlechten“ als<br />
von „positiven Erfahrungen“.<br />
Bezüglich des Neuheitsgrades wurden weiterh<strong>in</strong> die Unterschiede zur bisherigen<br />
Streitbeilegung analysiert. Dabei wurde deutlich, dass die „Eigenverantwortlichkeit“<br />
der Streitparteien mit Abstand als größte Veränderung von den Mediatoren<br />
wahrgenommen wurde, gefolgt von der „Interessenorientierung“ <strong>und</strong> der<br />
„Erweiterung des E<strong>in</strong>igungsraumes“ (s. Abb. 5.54). Viele Mediatoren bewerteten vor<br />
allem die „Eigenverantwortlichkeit“ nicht als „optimale Neuerung“ (Wiswede, 1995).<br />
Zu sehr bedeutet sie für viele Anwender Neuland <strong>und</strong> die Abkehr von der vertrauten
134<br />
juristischen Streitbeilegung, bei welcher die Verantwortung fast ausschließlich an<br />
Dritte (z.B. Rechtsanwälte) delegiert wird. Dies kann zu Unsicherheiten bei den<br />
Nutzern führen.
Anzahl<br />
Nennungen<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
12<br />
Eigenverantwortlichkeit<br />
Interessenorientierung<br />
7<br />
erweiterter E<strong>in</strong>igungsraum<br />
4<br />
Zukunftsorientierung<br />
3<br />
2 2 2<br />
<strong>in</strong>formelles Verfahren<br />
Beziehungsebene<br />
Unterschiede<br />
Abb. 5.54 Unterschiede zum Gerichts- oder Schiedsverfahren (n = 19).<br />
135<br />
Interessanterweise haben vier Mediatoren die <strong>Mediation</strong> mit e<strong>in</strong>em<br />
psychologischen Streitbeilegungsverfahren, <strong>und</strong> zwar der Konfliktmoderation,<br />
verglichen. Bei diesem Vergleich wurden im Gegensatz zu dem Gerichts- oder<br />
Schiedsverfahren nicht nur Unterschiede, sondern auch Geme<strong>in</strong>samkeiten genannt.<br />
Wendet man auch hier das Pr<strong>in</strong>zip der „optimalen Neuerung“ (Wiswede, 1995) an,<br />
welche sich genau <strong>in</strong> der Mitte zwischen den Polen „viel zu neu“ <strong>und</strong> „überhaupt nicht<br />
neu“ bef<strong>in</strong>det, so lässt sich feststellen, dass es zwischen der Konfliktmoderation <strong>und</strong><br />
der <strong>Mediation</strong> zwar e<strong>in</strong>en „semantischen Unterschied“ gibt, aber auch „gleiche<br />
Methoden <strong>und</strong> Techniken“. Demnach könnte verglichen mit der Konfliktmoderation<br />
die <strong>Mediation</strong> schon eher als „optimale Neuerung“ bewertet werden. Es dürfte somit<br />
psychologischen Mediatoren, die bereits Konflikte moderiert haben, weniger schwer<br />
fallen, ihren K<strong>und</strong>en <strong>Mediation</strong> zu verkaufen, als juristischen Mediatoren.<br />
Daraus ergibt sich die Frage, ob Mediatoren abhängig von ihrer<br />
„Ausgangsqualifikation“ von ihren K<strong>und</strong>en oder Mandanten unterschiedlich<br />
wahrgenommen werden. Gibt es evtl. e<strong>in</strong>en „Rollenkonflikt“ zwischen der Rolle als<br />
Anwalt <strong>und</strong> der als Mediator, der zu Verunsicherungen führen könnte? Um e<strong>in</strong>e<br />
Antwort auf diese Fragestellung zu f<strong>in</strong>den, wurden die Mediatoren befragt, ob sich<br />
ihre Rolle, d.h. ihr Auftreten nach außen, im Unternehmen verändert habe.
136<br />
Ausgangspunkt für diesen Vergleich war die Beschreibung der Rolle e<strong>in</strong>es Mediators.<br />
Dieser wurde als „allparteiisch“, „konfliktlösungs-“ <strong>und</strong> „<strong>in</strong>teressenorientiert“,<br />
zwischen den Parteien „vermittelnd“, so dass „beide Parteien ihre maximalen<br />
Positionen darstellen“ können, erlebt. E<strong>in</strong> Mediator arbeitet auch auf der<br />
„emotionalen Ebene“ <strong>und</strong> macht „ke<strong>in</strong>e Lösungsvorschläge“.<br />
Es konnten drei verschiedene Berufsgruppen mit der Rolle des Mediators<br />
verglichen werden: a) Rechtsanwälte, b) Unternehmensberater <strong>und</strong> c) Schuldner<strong>und</strong><br />
Insolvenzberater. Die juristischen Mediatoren (n = 7) nannten ausschließlich<br />
Unterschiede zwischen ihrer Rolle als Anwalt <strong>und</strong> der Rolle als Mediator, z.B.<br />
„Parteilichkeit“, „Durchsetzung der maximalen Positionen“ der eigenen Partei, „ke<strong>in</strong><br />
Verständnis für die Gegenpartei“ <strong>und</strong> die „Ausarbeitung von rechtlichen<br />
Vorschlägen/Lösungen“. Vertreter der anderen Berufsgruppen nannten dagegen<br />
auch Geme<strong>in</strong>samkeiten zwischen ihren beiden Rollen. So empfanden sich die<br />
Unternehmensberater (n = 4) zwar ebenso „parteiisch“ <strong>und</strong> im „Auftrag der<br />
Geschäftführung“ handelnd, aber sie erwähnten auch, dass sie „ähnliche<br />
Kompetenzen“ wie e<strong>in</strong> Mediator hätten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er „gleichen Erwartungshaltung“<br />
begegnen würden. Gleiches gilt für den Schulder- <strong>und</strong> Insolvenzberater (n = 1),<br />
welcher sich zwar „parteiisch“ sah, aber dennoch als „Vermittler“ agiere <strong>und</strong> Sorge<br />
trage, dass „beide Parteien ihre maximalen Positionen darstellen“ könnten.
5.3 Gesamt<strong>in</strong>terpretation der Ergebnisse<br />
137<br />
Um die Frage zu beantworten, welche Faktoren zum Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators<br />
beitragen, wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schriftlichen Befragung <strong>und</strong> <strong>in</strong> Interviews mit 19<br />
Mediatoren e<strong>in</strong> Reihe von verschiedenen Informationen zur Person, zur Ausbildung,<br />
zur Tätigkeit, zur Vermarktung <strong>und</strong> zur eigenen Kompetenz erhoben. Aufgr<strong>und</strong> der<br />
kle<strong>in</strong>en Interview-Stichprobe von „erfolgreichen“ Mediatoren können aus den<br />
Ergebnissen dieser Arbeit allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e Kausalaussagen abgeleitet, sondern nur<br />
Hypothesen über Faktoren, die zum Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators beitragen, aufgestellt<br />
werden. Dabei konnten für <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediatoren folgende Tendenzen<br />
beobachtet werden:<br />
5.3.1 Personenspezifische Hypothesen<br />
1. Der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators ist nicht von se<strong>in</strong>em Alter oder Geschlecht abhängig.<br />
2. Die „Ausgangsfachrichtung“ e<strong>in</strong>es Mediators ist nicht entscheidend für se<strong>in</strong>en<br />
Erfolg.<br />
Beide Hypothesen wurden nicht nur <strong>in</strong> den Interview-Aussagen, sondern auch <strong>in</strong><br />
den Ergebnissen der schriftlichen Befragung gef<strong>und</strong>en. Die „erfolgreichen“<br />
Mediatoren der Interview-Stichprobe hatten alle verschiedene Fachrichtungen<br />
studiert.<br />
5.3.2 Ausbildungsspezifische Hypothesen<br />
1. Der Erfolg als Mediator ist sche<strong>in</strong>bar nicht an das Absolvieren e<strong>in</strong>er „re<strong>in</strong>en<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung“ geb<strong>und</strong>en.<br />
2. In dem Fall, dass die Qualifizierung zum Mediator durch e<strong>in</strong>e „re<strong>in</strong>e<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung“ geschieht, sche<strong>in</strong>t der spätere Erfolg als Mediator von der<br />
Anzahl der <strong>in</strong>vestierten St<strong>und</strong>en abhängig zu se<strong>in</strong>.<br />
Mit „re<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong>sausbildung“ ist e<strong>in</strong>e Weiterqualifizierung im Bereich <strong>Mediation</strong><br />
geme<strong>in</strong>t. Weiterbildung, die unter anderem Namen, z.B. „Konfliktmanagement“<br />
angeboten werden <strong>und</strong> sich nicht ausschließlich mit <strong>Mediation</strong> beschäftigen, zählen<br />
nicht dazu. Nur zwei der vier „erfolgreichen“ Mediatoren (50%) gaben an, e<strong>in</strong>e „re<strong>in</strong>e<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung“ zu haben. Die andere Hälfte der „erfolgreichen“ Mediatoren
138<br />
hatte ihr Wissen zur <strong>Mediation</strong> durch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Selbststudium oder das<br />
Absolvieren von „artverwandten Ausbildungen“ (z.B. psychologische Weiterbildungen<br />
zu den Themen Konfliktmanagement, Organisationsberatung etc.) erworben. E<strong>in</strong><br />
Zusammenhang zwischen dem Absolvieren e<strong>in</strong>er „artverwandten Ausbildung“ <strong>und</strong><br />
dem „Jahresumsatz“ wurden auch <strong>in</strong> der schriftlichen Befragung gef<strong>und</strong>en. Die zwei<br />
„erfolgreichen“ Mediatoren der Interviewstichprobe mit e<strong>in</strong>er „re<strong>in</strong>en<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung“ haben durchschnittlich ca. 1500 St<strong>und</strong>en <strong>in</strong> ihre Ausbildung<br />
als Mediator <strong>in</strong>vestiert. In den Ergebnissen der schriftlichen Befragung konnte dieser<br />
Zusammenhang nicht gef<strong>und</strong>en werden.<br />
3. Für den Erfolg als Mediator spielt es sche<strong>in</strong>bar ke<strong>in</strong>e Rolle, mit welchem<br />
Abschluss (Zertifikat, BM-Anerkennung, Diplom, Master etc.) die<br />
<strong>Mediation</strong>sausbildung beendet wird.<br />
In den Interviews konnten ke<strong>in</strong>e Unterschiede zwischen den „erfolgreichen“<br />
<strong>und</strong> den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren h<strong>in</strong>sichtlich des Abschlusses der<br />
<strong>Mediation</strong>s-ausbildung gef<strong>und</strong>en werden. Die Ergebnisse der schriftlichen Befragung<br />
bestätigen diese Aussage.<br />
4. Die Häufigkeit von Supervision könnte e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf den Erfolg e<strong>in</strong>es<br />
Mediators haben.<br />
„Erfolgreiche“ Mediatoren gaben an, acht mal so viele Supervisionsst<strong>und</strong>en<br />
absolviert zu haben als „weniger erfolgreiche“ Mediatoren. Insofern lässt sich<br />
vermuten, dass die Anzahl von Supervisionsst<strong>und</strong>en für den Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators<br />
mitverantwortlich se<strong>in</strong> könnten.<br />
5.3.3 Tätigkeitsspezifische Hypothesen<br />
1. Der Erfolg als Mediator könnte von der Berufserfahrung im Bereich <strong>Mediation</strong><br />
abhängig se<strong>in</strong>.<br />
„Erfolgreiche“ Mediatoren gaben an, doppelt so viele Jahre als Mediator tätig<br />
gewesen zu se<strong>in</strong> als „weniger erfolgreiche“ Mediatoren. In den Ergebnissen der<br />
schriftlichen Befragung konnte dieser Zusammenhang nicht gef<strong>und</strong>en werden.
139<br />
Vermutlich ist diese Differenzen auf die ger<strong>in</strong>ge Anzahl der „erfolgreichen“<br />
Mediatoren (n = 4) <strong>in</strong> der Interviewstichprobe zurückzuführen. In e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />
Stichprobe können Extremwerte e<strong>in</strong>en stärkeren E<strong>in</strong>fluss ausüben.<br />
2. Der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators sche<strong>in</strong>t davon abhängig zu se<strong>in</strong>, ob er se<strong>in</strong>e<br />
Dienstleistung <strong>in</strong> den neuen B<strong>und</strong>esländern oder <strong>in</strong> den alten B<strong>und</strong>esländern<br />
anbietet.<br />
Zwei Drittel der „erfolgreichen“ Mediatoren arbeiten <strong>in</strong> den alten B<strong>und</strong>esländern. Da<br />
diese Tendenz aber auch bei den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren <strong>und</strong> somit <strong>in</strong><br />
der Gesamtstichprobe zeigte, ist nur von e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gfügigen E<strong>in</strong>fluss auszugehen.<br />
Des weiteren bleibt bei dieser Hypothese offen, ob für diese Tendenz die größere<br />
Nachfrage oder die höhere Entlohnung von Mediatoren <strong>in</strong> den alten B<strong>und</strong>esländern<br />
verantwortlich ist.<br />
3. Der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators sche<strong>in</strong>t davon abhängig zu se<strong>in</strong>, ob er neben der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder Arbeitsmediation noch <strong>in</strong> weiteren <strong>Mediation</strong>sfeldern tätig<br />
ist.<br />
Im Unterschied zu den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren gaben die meisten<br />
„erfolgreichen“ Mediatoren an, nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>sgebiet tätig zu se<strong>in</strong>.<br />
Vermutlich liegt das daran, dass <strong>Mediation</strong> noch e<strong>in</strong>e sehr junge Dienstleistung ist<br />
<strong>und</strong> „erfolgreiche“ Mediatoren es sich derzeit nicht leisten können, sich auf e<strong>in</strong><br />
<strong>Mediation</strong>sfeld zu spezialisieren. Gleiches gilt für die Unternehmensbranchen, <strong>in</strong><br />
denen Mediatoren tätig s<strong>in</strong>d. „Erfolgreiche“ Mediatoren arbeiten nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er,<br />
sondern <strong>in</strong> vielen verschiedenen Branchen.<br />
4. Der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators ist sche<strong>in</strong>bar nicht an e<strong>in</strong>e bestimmte<br />
<strong>Wirtschaft</strong>sbranche geb<strong>und</strong>en.<br />
Die Hälfte der „erfolgreiche“ Mediatoren gab an, <strong>in</strong> allen Branchen gleich viel als<br />
Mediator tätig zu se<strong>in</strong>. Demgegenüber machten nur zwei „weniger erfolgreiche“<br />
Mediatoren (11%) diese Aussage. Demnach sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Spezialisierung auf e<strong>in</strong>e<br />
bestimmte Branche derzeit nicht erfolgversprechend zu se<strong>in</strong>.
140
5. Erfolgreiche Mediatoren sche<strong>in</strong>en eher <strong>in</strong> größeren Unternehmen tätig zu se<strong>in</strong>.<br />
141<br />
Ke<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediatoren mediierte ausschließlich <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>- oder<br />
mittelständischen Unternehmen, sondern immer gleichzeitig noch <strong>in</strong><br />
Großunternehmen. Daher lässt sich vermuten, dass derjenige, der von <strong>Mediation</strong><br />
leben möchte, auch <strong>in</strong> Großunternehmen akquirieren sollte. Auch bei dieser<br />
Hypothese ist wiederum fraglich, ob hier die höhere Akzeptanz <strong>und</strong> Nachfrage <strong>in</strong> den<br />
größeren Unternehmen oder die höhere Entlohnung des Mediators der Ausschlag<br />
gebende Faktor ist.<br />
5.3.4 Vermarktungsspezifische Hypothesen<br />
1. Der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators könnte von der Intensität se<strong>in</strong>er Akquisition abhängig<br />
se<strong>in</strong>.<br />
„Erfolgreiche“ Mediatoren gaben an, mehr als doppelt so viel Zeit <strong>in</strong> die<br />
Akquisition zu <strong>in</strong>vestieren als „weniger erfolgreiche“ Mediatoren.<br />
2. Erfolgreiche Mediatoren sche<strong>in</strong>en aktiv auf den Markt zuzugehen.<br />
Der größte Unterschied zwischen den „erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger<br />
erfolgreichen“ Mediatoren h<strong>in</strong>sichtlich der „Vermarktungsstrategie“ bestand dar<strong>in</strong>,<br />
dass „erfolgreiche“ Mediatoren stärker „aktiv“ <strong>und</strong> weniger „passiv“ auf den<br />
<strong>Mediation</strong>smarkt zugehen.<br />
3. Der Erfolg als Mediator hängt sche<strong>in</strong>bar neben dem Aufbau von „<strong>in</strong>formellen<br />
Kontakten“ vorwiegend von e<strong>in</strong>er „aktiven Öffentlichkeitsarbeit“ <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er „aktiven<br />
traditionellen Akquise“ ab.<br />
Sowohl „erfolgreiche“ als auch „weniger erfolgreiche“ Mediatoren gaben an,<br />
„<strong>in</strong>formelle Kontakte“ <strong>in</strong> gleichem Maße zu nutzen. Allerd<strong>in</strong>gs unterschieden sie sich<br />
bezüglich der „aktiven Öffentlichkeitsarbeit“ <strong>und</strong> der „aktiven traditionellen Akquise“.<br />
Im Unterschied zu den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren betreiben „erfolgreiche“<br />
Mediatoren viel mehr „aktive Öffentlichkeitsarbeit“ <strong>und</strong> doppelt so viel „aktive<br />
traditionelle Akquise“. (Erläuterungen s. Kap. 5.2.4.3).
142<br />
3a. Erfolgreiche Mediatoren wenden sich vermutlich an die „direkten Entscheider“<br />
<strong>in</strong> den Unternehmen.<br />
Während die Hälfte der „erfolgreichen“ Mediatoren angab, sich immer an die<br />
„direkten Entscheider“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen zu wenden, erwähnte diese Strategie<br />
nur e<strong>in</strong> Viertel der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren. Im H<strong>in</strong>blick auf die<br />
Vermarktung von <strong>Mediation</strong> sche<strong>in</strong>t das Ansprechen von direkten Entscheidern<br />
zwar empfehlenswert, aber nicht h<strong>und</strong>ertprozentig erfolgversprechend zu se<strong>in</strong>.<br />
4. Für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Vermarktung sche<strong>in</strong>en die Interessenvere<strong>in</strong>e für <strong>Mediation</strong><br />
eher e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge bis ke<strong>in</strong>e Rolle zu spielen.<br />
Die meisten Mediatoren, unabhängig davon, ob sie der Gruppe der<br />
„erfolgreichen“ oder „weniger erfolgreichen“ Mediatoren angehörten, bewerteten vor<br />
allem die Interessenverbände ohne Ausrichtung auf <strong>Wirtschaft</strong>s- oder<br />
Arbeitsmediation als „weniger nützlich“ bei der Fallsuche. Insgesamt gab es nur vier<br />
„weniger erfolgreiche“ Mediatoren, die von e<strong>in</strong>er Fallvermittlung durch die<br />
Interessenvere<strong>in</strong>e berichten konnten. Demnach sche<strong>in</strong>en die Interessenverbände für<br />
<strong>Mediation</strong> bei der Suche nach neuen Fällen nicht sehr hilfreich zu se<strong>in</strong>.<br />
5. Die erfolgversprechendsten Argumente für <strong>Mediation</strong> sche<strong>in</strong>en der „Zeit- <strong>und</strong><br />
Kostenvorteil“ sowie die „Vertraulichkeit“ <strong>und</strong> der „zivilisierte Umgang“ zu se<strong>in</strong>.<br />
Die Hälfte der „erfolgreichen“ Mediatoren gab an, dass sie die Argumente „Zeit- <strong>und</strong><br />
Kostenvorteil“ zur Werbung für <strong>Mediation</strong> benutzen würden. Der „Zeit- <strong>und</strong><br />
Kostenvorteil“ wurde auch als positive Erfahrung von Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung berichtet. In dem Rollenspiel, das e<strong>in</strong> „echtes“<br />
Verkaufsgespräch simulieren sollte, erwähnten e<strong>in</strong> Drittel der „erfolgreichen“<br />
Mediatoren den „Zeit- <strong>und</strong> Kostenvorteil“ sowie die „Vertraulichkeit“ des Verfahrens<br />
<strong>und</strong> den „zivilisierten Umgang“ während <strong>und</strong> auch nach der <strong>Mediation</strong>.<br />
Demgegenüber gab es nur je zwei „weniger erfolgreiche“ Mediatoren, die den „Zeit<strong>und</strong>/oder<br />
Kostenvorteil“ nannten. Weitere zwei erwähnten den „zivilisierten Umgang“<br />
<strong>und</strong> nur e<strong>in</strong>er sprach die „Vertraulichkeit“ an. Demzufolge sche<strong>in</strong>en der „Zeit- <strong>und</strong>
143<br />
Kostenvorteil“, aber eventuell auch die Argumente der „Vertraulichkeit“ <strong>und</strong> des<br />
„zivilisierten Umgangs“ am überzeugendsten zu se<strong>in</strong>.<br />
5a. Die Arbeit auf der „emotionalen Ebene“ sche<strong>in</strong>t ke<strong>in</strong> überzeugendes<br />
Argument zu se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong> Viertel der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren erzählte <strong>in</strong> dem<br />
„Verkaufsgespräch“, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong> auch „Emotionen“ bearbeitet werden.<br />
„Erfolgreiche“ Mediatoren erwähnten dies weder als sie zu ihrer<br />
„Vermarktungsstrategie“ befragt wurden, noch im dem Rollenspiel. Demnach<br />
sche<strong>in</strong>t diese Argument eher weniger überzeugend zu se<strong>in</strong>.<br />
5b. Es sche<strong>in</strong>t erfolgversprechender zu se<strong>in</strong>, eher mit wenigen als mit vielen<br />
Argumenten zu werben.<br />
In dem Rollenspiel nannten die „erfolgreichen“ Mediatoren im Unterschied zum<br />
allgeme<strong>in</strong>en Aufzählen von Werbeargumenten durchschnittlich weniger Argumente<br />
für das Verfahren als die „weniger erfolgreichen“ Mediatoren. Demnach sche<strong>in</strong>en<br />
„erfolgreiche“ Mediatoren zwar e<strong>in</strong> größeres Repertoire an Argumenten für<br />
<strong>Mediation</strong> zu haben, nutzen <strong>in</strong> sogenannten „Verkaufsgesprächen“ aber nur e<strong>in</strong>en<br />
ger<strong>in</strong>gen Teil davon.<br />
6. Der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators ist sche<strong>in</strong>bar davon abhängig, ob er <strong>in</strong> der Lage ist,<br />
se<strong>in</strong>e potenziellen Mandanten zu e<strong>in</strong>em persönlichen Gespräch vor Ort zu<br />
überzeugen <strong>und</strong> nicht nur am Telefon über e<strong>in</strong>e mögliche <strong>Mediation</strong> zu<br />
verhandeln.<br />
Wesentlich mehr „erfolgreiche“ Mediatoren (66%) machten sehr zeitig (im ersten<br />
Drittel des Gesprächs) den Vorschlag, „... ich würde gern e<strong>in</strong> persönliches Gespräch<br />
führen ...“. Nur etwas mehr als e<strong>in</strong> Drittel der „weniger erfolgreichen“ Mediatoren tat<br />
dies. E<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator erzählte sogar, dass er anfangs viele Fälle verloren<br />
habe, da er nicht schnell genug angeboten habe, e<strong>in</strong> persönliches Gespräch vor Ort<br />
zu führen. Somit sche<strong>in</strong>t der „Vorschlag zu e<strong>in</strong>em persönlichen Gespräch“ noch nicht
144<br />
der Garant, wohl aber e<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung für den erfolgreichen Verkauf dieser<br />
Dienstleistung zu se<strong>in</strong>.<br />
7. Das Nennen der eigenen Profession, spezifischer Fallerfahrungen im Bereich<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation, prozentualer Erfolgsaussichten <strong>und</strong> Referenzen sche<strong>in</strong>t die<br />
erfolgreichste Eigenwerbung als <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder Arbeitsmediator zu se<strong>in</strong>.<br />
Die Selbstdarstellung der Mediatoren unterschied sich im Rollenspiel <strong>und</strong> <strong>in</strong> den<br />
allgeme<strong>in</strong>en Aussagen zur „Eigenwerbung“ nur ger<strong>in</strong>gfügig zwischen den<br />
„erfolgreichen“ <strong>und</strong> den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren. Es wurde vermutet, dass<br />
die Aussagen im Rollenspiel näher an der Realität se<strong>in</strong> würden. Demzufolge stützt<br />
sich diese Hypothese auch auf das simulierte „Verkaufsgespräch“ <strong>und</strong> nicht auf die<br />
allgeme<strong>in</strong>e „Eigenwerbung“. Dabei werben „erfolgreiche“ Mediatoren im Unterschied<br />
zu den „weniger erfolgreichen“ Mediatoren am stärksten mit ihrer „Profession“<br />
(Gr<strong>und</strong>qualifikation), ihren fallspezifischen „Erfahrungen“ im Bereich der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation, ihren „Referenzen“ <strong>und</strong> nennen prozentuale<br />
„Erfolgsaussichten“. Demzufolge sche<strong>in</strong>en spezifische Erfahrungen,<br />
Erfolgsaussichten <strong>und</strong> Referenzen sowie das Nennen der eigenen Profession am<br />
erfolgversprechendsten zu se<strong>in</strong>.<br />
8. Der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediator ist sche<strong>in</strong>bar von se<strong>in</strong>er „Prozesskompetenz“, se<strong>in</strong>en<br />
Market<strong>in</strong>gfertigkeiten <strong>und</strong> der Darstellung e<strong>in</strong>er gewissen Autorität abhängig.<br />
In Übere<strong>in</strong>stimmung zur Literatur (s. Kap. 2.1.6) sprachen die „erfolgreichen“<br />
Mediatoren <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von e<strong>in</strong>er gewissen „Prozesskompetenz“ (Eidenmüller,<br />
2000). E<strong>in</strong> Mediator sollte demnach mit typischen Verhandlungsabläufen vertraut<br />
se<strong>in</strong> <strong>und</strong> verschiedene <strong>Mediation</strong>stechniken e<strong>in</strong>setzten können. „Erfolgreiche“<br />
Mediatoren nannten <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ihre „Souveränität“ <strong>und</strong> ihre<br />
„Erfahrungen“, ihre Fähigkeit, „empatisch zuhören“ zu können <strong>und</strong> ganz allgeme<strong>in</strong><br />
ihre „Methodenkompetenz“. Ke<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator sprach allerd<strong>in</strong>gs von e<strong>in</strong>er<br />
„Sachkompetenz“ im H<strong>in</strong>blick auf den Verhandlungsgegenstand oder von<br />
e<strong>in</strong>schlägigen „Rechtskenntnissen“, die Eidenmüller (2000) ebenfalls erwähnte.<br />
Weiterh<strong>in</strong> machten „Erfolgreiche“ im Unterschied zu „weniger erfolgreichen“<br />
Mediatoren ihre Fertigkeiten im Bereich „Market<strong>in</strong>g“ <strong>und</strong> ihre „Persönlichkeit“, i.S. der<br />
Ausstrahlung e<strong>in</strong>er gewissen „Autorität“ für ihren Erfolg verantwortlich.
145
5.3.5 Kompetenzspezifische Hypothesen<br />
146<br />
1. Der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators könnte von dem eigenen „Sicherheitsgefühl“ abhängig<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Die meisten Mediatoren gaben an, sich mehr oder weniger „sicher“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
<strong>Mediation</strong> zu fühlen. Sie unterschieden sich allerd<strong>in</strong>gs h<strong>in</strong>sichtlich des Gefühls der<br />
„Unsicherheit“. Während e<strong>in</strong>ige „weniger erfolgreiche“ Mediatoren (21%) sagten,<br />
dass sie sich „unsicher“ fühlten, gab es ke<strong>in</strong>en „erfolgreichen“ Mediator, der diese<br />
Aussage machte. Demzufolge ist das subjektive Gefühl von „Sicherheit“ nicht<br />
unbed<strong>in</strong>gt für den Erfolg verantwortlich, sche<strong>in</strong>bar hängt aber das Gefühl von<br />
Unsicherheit mit weniger Erfolg zusammen. Auch <strong>in</strong> der Literatur ist dieses<br />
Erfolgskriterium wiederzuf<strong>in</strong>den. Montada <strong>und</strong> Kals (2001) sprechen davon, dass<br />
neben der „... Kompetenz der Problembewältigung ...“ e<strong>in</strong> „... sicheres Auftreten ...“<br />
für den Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators entscheidend ist.<br />
2. Der Erfolg als Mediator sche<strong>in</strong>t von der Fähigkeit der richtigen „Fallerkennung“<br />
abhängig zu se<strong>in</strong>.<br />
Diese Hypothese basiert auf der Vermutung, dass Mediatoren Schwierigkeiten<br />
bei der Akquisition haben, da sie evt. zu viele Fälle ablehnen, weil sie diese als<br />
media-tionsungeeignet ansehen. E<strong>in</strong> „erfolgreicher“ Mediator gab an, dass für ihn<br />
jeder Konflikt mediativ lösbar ist. Demzufolge wird er wahrsche<strong>in</strong>lich weniger Fälle<br />
ablehnen als die „weniger erfolgreichen“ Mediatoren, die diese Aussage nicht<br />
machten. E<strong>in</strong> weiterer Unterschied bestand dar<strong>in</strong>, dass nur „weniger erfolgreiche“<br />
Mediatoren angaben, den Fall abzulehnen, wenn die Beteiligten „ke<strong>in</strong>e längerfristige<br />
Beziehung“ wünschen würden. Da dies für „erfolgreiche Mediatoren“ ke<strong>in</strong><br />
Ausschlusskriterium war, ist davon auszugehen, dass sie auch <strong>in</strong> sogenannten<br />
„Trennungsmediationen“ mediieren würden, <strong>in</strong>sgesamt also e<strong>in</strong>e breitere Palette von<br />
Fällen haben, bei denen sie akquirieren können.
5.3.6 Akzeptanzspezifische Hypothesen<br />
147<br />
Bezüglich der Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation lassen sich<br />
folgende Tendenzen zusammenfassen:<br />
1. Die fehlende Akzeptanz bzw. Anwendung von <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> sche<strong>in</strong>t<br />
<strong>in</strong> der Unbekanntheit des Verfahrens begründet zu se<strong>in</strong>.<br />
Da die meisten Mediatoren ke<strong>in</strong>e Unternehmen kannten, die bereits<br />
Erfahrungen mit <strong>Mediation</strong> gemacht haben <strong>und</strong> auch die Ergebnisse der schriftlichen<br />
Befragung eher die fehlende Bekanntheit statt schlechte Erfahrungen mit <strong>Mediation</strong><br />
für die schwierige Fallsakquisition verantwortlich machen, liegt die Vermutung nahe,<br />
dass weniger die Verunsicherung h<strong>in</strong>sichtlich der Wirkung <strong>und</strong> Eigenschaft von<br />
<strong>Mediation</strong> als vielmehr die Unbekanntheit des Verfahrens für die noch fehlende<br />
Akzeptanz verantwortlich ist.<br />
2. Der Umstand, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>sverfahren die Streitparteien<br />
„eigenverantwortlich“ e<strong>in</strong>e Lösung f<strong>in</strong>den sollen, könnte bei Erstnutzern zu e<strong>in</strong>er<br />
Verunsicherung <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>er Ablehnung des Verfahrens führen.<br />
Bei dem Vergleich zur bisherigen juristischen Streitbeilegung wurde die<br />
„Eigenverantwortlichkeit“ der Streitparteien mit Abstand als größte Veränderung von<br />
den Mediatoren wahrgenommen. Dieses Merkmal der <strong>Mediation</strong> beurteilten viele<br />
Mediatoren nicht als „optimale Neuerung“ (Wiswede, 1995). Demzufolge ist davon<br />
auszugehen, dass das Argument „Eigenverantwortlichkeit“ eher zur Verunsicherung<br />
von potenziellen Nutzern als zur deren Überzeugung beiträgt.<br />
3. <strong>Mediation</strong> wird vermutlich schneller akzeptiert, wenn das Verfahren an bereits<br />
bekannte Konfliktlösungsverfahren wie z.B. „Konfliktmoderation“ angeknüpft wird.<br />
Gegenüber der „Konfliktmoderation“ stellt <strong>Mediation</strong> nach dem Pr<strong>in</strong>zip der<br />
„optimalen Neuerung“ nicht „etwas total Neues“ dar. Bei diesem Vergleich wurden im<br />
Unterschied zu dem „Gerichts- oder Schiedsverfahren“ nicht nur Unterschiede,<br />
sondern auch Geme<strong>in</strong>samkeiten zwischen dem <strong>Mediation</strong>sverfahren <strong>und</strong> der<br />
„Konfliktmoderation“ genannt. Die <strong>in</strong>terviewten Mediatoren sprachen zwar von e<strong>in</strong>em
148<br />
„semantischen Unterschied“, es gebe aber auch „gleiche Methoden <strong>und</strong> Techniken“.<br />
Demzufolge dürften sich Streitparteien, die bereits Erfahrungen mit e<strong>in</strong>er<br />
Konfliktmoderation gemacht haben, schneller von dem Verfahren <strong>Mediation</strong><br />
überzeugen lassen als Streitparteien, die noch ke<strong>in</strong>e Erfahrungen <strong>in</strong> diesem Bereich<br />
haben. Es sei denn, sie sehen <strong>in</strong> der <strong>Mediation</strong> „überhaupt nichts Neues“<br />
(entgegengesetzter Pol der „Optimalen Neuerung“) <strong>und</strong> lehnen aus diesem Gr<strong>und</strong>e<br />
das Verfahren ab.<br />
4. Unternehmensberater haben es im Unterschied zu Rechtsanwälten vermutlich<br />
leichter, auch <strong>in</strong> der Rolle als Mediator akzeptiert zu werden.<br />
Die juristischen Mediatoren nannten ausschließlich Unterschiede zwischen der<br />
Rolle als Mediator <strong>und</strong> der Rolle als Rechtsanwalt. Unternehmensberater<br />
(e<strong>in</strong>schließlich Schuldner- <strong>und</strong> Insolvenzberater) nannten dagegen auch<br />
Geme<strong>in</strong>samkeiten. Letztendlich sche<strong>in</strong>t die „Ausgangsfachrichtung“ wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
ke<strong>in</strong>e Rolle für den Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators zu spielen, da die „erfolgreichen“<br />
Mediatoren aus den verschiedensten Fachgebieten kamen (s. Kap. 5.2.4). Aber<br />
übertragen auf das Pr<strong>in</strong>zip der „optimalen Neuerung“ haben die juristischen<br />
Mediatoren es vermutlich schwerer, <strong>in</strong> ihrer neuen Rolle akzeptiert zu werden.<br />
Für die Überprüfung dieser Hypothesen s<strong>in</strong>d weitere Untersuchungen mit<br />
repräsentativen Stichproben notwendig.
5.4 Diskussion <strong>und</strong> Ausblick<br />
149<br />
Abschließend sollen die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit<br />
zusammengefasst <strong>und</strong> im H<strong>in</strong>blick auf die Zielsetzung bewertet werden. Am Ende<br />
werden noch e<strong>in</strong>ige Anregungen für weitergehende Forschungen gegeben.<br />
Ausgehend von der Überlegung, dass die Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation nicht nur von der E<strong>in</strong>stellung der potenziellen Anwender, sondern<br />
auch von der überzeugenden Präsentation durch die Mediatoren abhängig zu se<strong>in</strong><br />
sche<strong>in</strong>t, wurde <strong>in</strong> dieser vorwiegend qualitativen Studie versucht, erste Hypothesen<br />
über mögliche Erfolgsfaktoren von Mediatoren empirisch herzuleiten. Dabei wurden<br />
folgende Tendenzen gef<strong>und</strong>en:<br />
Bei den <strong>in</strong>terviewten Mediatoren konnte nicht festgestellt werden, dass der Erfolg<br />
e<strong>in</strong>es Mediators von se<strong>in</strong>em Alter, se<strong>in</strong>em Geschlecht oder se<strong>in</strong>er absolvierten<br />
Ausgangsfachrichtung (z.B. Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften,<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften, etc.) abhängig ist. Weiterh<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t der Erfolg nicht an<br />
das Absolvieren e<strong>in</strong>er „re<strong>in</strong>en <strong>Mediation</strong>sausbildung“ oder an den Erhalt e<strong>in</strong>es<br />
bestimmten Qualifikationsnachweises (Ausbildungsabschluss) geb<strong>und</strong>en zu se<strong>in</strong>. Es<br />
ist sche<strong>in</strong>bar auch möglich, sich anderweitig, z.B. durch e<strong>in</strong> ausgiebiges<br />
Selbststudium oder „artverwandte Ausbildungen“ (psychologische Weiterbildungen<br />
zum Thema Konfliktmanagement) als Mediator zu qualifizieren <strong>und</strong> damit erfolgreich<br />
zu se<strong>in</strong>. Die Ergebnisse der Mediatoren-Interviews zeigten weiterh<strong>in</strong>, dass die Anzahl<br />
von absolvierten Supervisionsst<strong>und</strong>en mit dem Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>gen.<br />
„Erfolgreiche“ Mediatoren hatten deutlich mehr Supervisionen besucht als „weniger<br />
erfolgreiche“ Mediatoren.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der Tätigkeit als Mediator konnte festgestellt werden, dass der Erfolg<br />
als Mediator sche<strong>in</strong>bar von der Berufserfahrung, dem Arbeitsschwerpunkt <strong>in</strong> den<br />
alten B<strong>und</strong>esländern, der Kompetenz <strong>in</strong> verschiedenen <strong>Mediation</strong>sfeldern <strong>und</strong> der<br />
Größe der Unternehmen, <strong>in</strong> denen der Mediator tätig ist, abhängig ist. Der Erfolg<br />
sche<strong>in</strong>t derzeit nicht an das Arbeiten für e<strong>in</strong>e bestimmte Unternehmensbranche<br />
geb<strong>und</strong>en zu se<strong>in</strong>. So haben „erfolgreiche“ im Gegensatz zu „weniger erfolgreichen“<br />
Mediatoren mehr Berufserfahrung, s<strong>in</strong>d unabhängig vom Wohnort häufiger <strong>in</strong> den
150<br />
alten B<strong>und</strong>esländern tätig <strong>und</strong> arbeiten neben der <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong>/oder<br />
Arbeitsmediation auch noch <strong>in</strong> weiteren <strong>Mediation</strong>sfeldern. Ferner bieten sie ihre<br />
Dienstleistung nicht nur <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> mittelgroßen Unternehmen an, sondern<br />
mediieren auch <strong>in</strong> Großunternehmen.<br />
Große Unterscheide zeigten sich bei der Vermarktung von <strong>Mediation</strong>. Für den<br />
Erfolg als Mediator sche<strong>in</strong>t derzeit vor allem die Intensität der Akquisition, das aktive<br />
Zugehen auf die potenzielle Zielgruppe <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e aktive Öffentlichkeitsarbeit<br />
verantwortlich zu se<strong>in</strong>. Die Akquisition über die Interessenvere<strong>in</strong>e für <strong>Mediation</strong><br />
wurde von den befragten Mediatoren als wenig erfolgversprechend beurteilt. Für e<strong>in</strong>e<br />
erfolgreiche Präsentation des Verfahrens sche<strong>in</strong>t es empfehlenswert zu se<strong>in</strong>, mit<br />
dem „Zeit- <strong>und</strong> Kostenvorteil“, der „Vertraulichkeit“ <strong>und</strong> dem „zivilisierten Umgang“ <strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> auch nach diesem Verfahren zu werben. Ferner wird vermutet, dass die<br />
„erfolgreichen“ Mediatoren eher nur mit e<strong>in</strong>igen wenigen Argumenten statt mit zu<br />
vielen werben. Als e<strong>in</strong> wichtiger Faktor hat sich e<strong>in</strong> „persönliches Gespräch“ vor Ort<br />
herausgestellt. Um für sich selbst als Mediator zu werben, sche<strong>in</strong>t es vorteilhaft zu<br />
se<strong>in</strong>, wenn von spezifischen Fallerfahrungen im Bereich der <strong>Wirtschaft</strong>smediation,<br />
prozentualen Erfolgsaussichten, möglichen Referenzen <strong>und</strong> der eigenen Profession<br />
gesprochen wird.<br />
Bezüglich der Kompetenz, die e<strong>in</strong> erfolgreicher Mediator haben sollte, konnten<br />
folgende teils <strong>in</strong> der Literatur beschriebene Faktoren gef<strong>und</strong>en werden. Der Erfolg als<br />
Mediator ist sche<strong>in</strong>bar von se<strong>in</strong>er „Prozesskompetenz“ (Eidenmüller, 2000), se<strong>in</strong>em<br />
„Sicherheitsgefühl“ (Montada & Kals, 2001), se<strong>in</strong>en Market<strong>in</strong>gfertigkeiten <strong>und</strong> der<br />
Ausstrahlung e<strong>in</strong>er gewissen Autorität abhängig. Ferner sche<strong>in</strong>t die Fähigkeit der<br />
richtigen Fallerkennung <strong>in</strong> der Akquisitionsphase e<strong>in</strong>e wichtige Rolle zu spielen. Es<br />
werden vermutlich noch zu viele Fälle als mediationsungeeignet abgelehnt.<br />
Diese Studie konnte ebenfalls e<strong>in</strong>en ersten Beitrag zur Ursachenforschung der<br />
fehlenden Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation <strong>in</strong> Deutschland leisten.<br />
Diese sche<strong>in</strong>t hauptsächlich <strong>in</strong> der Unbekanntheit des Verfahrens begründet zu se<strong>in</strong>.<br />
Bezüglich der Argumentation könnte vor allem der Umstand, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
<strong>Mediation</strong>sverfahren die Streitparteien „eigenverantwortlich“ e<strong>in</strong>e Lösung f<strong>in</strong>den<br />
sollen, bei Erstnutzern zu e<strong>in</strong>er Verunsicherung <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>er Ablehnung des
151<br />
Verfahrens führen. Weiterh<strong>in</strong> wird vermutet, dass <strong>Mediation</strong> schneller akzeptiert<br />
werden würde, wenn das Verfahren an bereits bekannte Konfliktlösungsverfahren<br />
wie z.B. „Konfliktmoderation“ angeknüpft würde.<br />
Für zukünftige Studien empfiehlt es sich, die aufgestellten Hypothesen an größeren<br />
Stichproben von Mediatoren zu überprüfen. Um auf die Repräsentativität der<br />
befragten Stichprobe e<strong>in</strong>en größeren E<strong>in</strong>fluss zu haben, wäre es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weiteren<br />
Untersuchung s<strong>in</strong>nvoll, zuerst Mitgliederlisten der <strong>Mediation</strong>sverbände anzufordern<br />
<strong>und</strong> dann e<strong>in</strong>en eigenen Pool daraus zu entwickeln, der <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die<br />
Repräsentativität den methodischen Ansprüchen e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Arbeit<br />
genügt. Interessant wären auch weitere Untersuchungen h<strong>in</strong>sichtlich der Bewertung<br />
<strong>und</strong> Effektivität der <strong>in</strong> dieser Arbeit zusammen getragenen Vermarktungsmethoden<br />
von Mediatoren.<br />
Als e<strong>in</strong>e sehr ergiebige, wenn auch etwas zeitaufwändige Informationsquelle hat<br />
sich das „Rollenspiel“ erwiesen. Durch diese mehrmalige Erhebung von<br />
Werbeargumenten zum e<strong>in</strong>en ohne <strong>und</strong> zum anderen mit Testcharakter konnten<br />
widersprüchliche Aussagen der Mediatoren identifiziert <strong>und</strong> dementsprechend<br />
ger<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> der Auswertung gewichtet werden.<br />
Für weitere qualitative Studien empfiehlt es sich, nicht mit weniger als zwei<br />
verschiedenen Beobachtern e<strong>in</strong>e qualitative Inhaltsanalyse durchzuführen. Je mehr<br />
Beobachter, desto objektiver werden die Ergebnisse. Auch für die ständigen<br />
Diskussionen zur Entwicklung e<strong>in</strong>es Forschungskonzeptes <strong>und</strong> vor allem e<strong>in</strong>es<br />
geeigneten Kodiersystems war es <strong>in</strong> dieser Arbeit sehr effektiv, sich stets aus<br />
verschiedenen Blickw<strong>in</strong>keln dem Forschungsgegenstand nähern zu können.<br />
Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass es bestimmte personen-,<br />
ausbildungs-, tätigkeits-, vermarktungs- <strong>und</strong> kompetenzspezifische Faktoren zu<br />
geben sche<strong>in</strong>t, die e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf den derzeitigen Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators haben.<br />
Ob diese Faktoren tatsächlich für den Erfolg verantwortlich s<strong>in</strong>d, lässt sich allerd<strong>in</strong>gs<br />
nur mit weiteren quantitativen Untersuchungen feststellen. E<strong>in</strong>e erste Annäherung an<br />
e<strong>in</strong>e Überprüfung dieser Ergebnisse, vor allem zur Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation, liefert der zweite Teil dieser Diplomarbeit.
5.5 Ergebnisse der Unternehmens-Interviews<br />
152<br />
Dieses Kapitel widmet sich der Auswertung der Unternehmens-Interviews. Die<br />
Interpretation der Ergebnisse erfolgt im nächsten Teil, mögliche Konsequenzen für<br />
die Vermarktung von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation werden im letzten Teil<br />
beschrieben. Zu unterscheiden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Darstellung der Interview-Ergebnisse<br />
jeweils Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung (im Folgenden auch U+) <strong>und</strong><br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung (im Folgenden auch U-). Die bei der<br />
Auswertung <strong>in</strong> Klammern angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Anzahl<br />
ausgewerteter Aussagen <strong>in</strong> den Interviews der betrachteten Gruppe. E<strong>in</strong>e (14)<br />
bedeutet also z.B, dass <strong>in</strong> den Interviews <strong>in</strong>sgesamt 14 Aussagen zur jeweiligen<br />
Kategorie gemacht wurden: Beispielsweise 2 Aussagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em, fünf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
anderen <strong>und</strong> sieben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dritten Interview. Ausnahme: Wenn der Zahl <strong>in</strong><br />
Klammern „n=“ vorangestellt ist, ist die Anzahl untersuchter Personen <strong>und</strong> nicht<br />
Aussagen geme<strong>in</strong>t. Alle Kategorie-Bezeichnungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Anführungsstriche gesetzt.<br />
E<strong>in</strong> Überblick über die e<strong>in</strong>zelnen Kategorien ist im beschreibenden Kodiersystem im<br />
Anhang 16 auf der beiliegenden CD-Rom zu f<strong>in</strong>den. Die vorliegenden Daten wurden<br />
nicht h<strong>in</strong>sichtlich aller im Kategoriensystem beschriebenen Kategorien ausgewertet,<br />
sondern nur im H<strong>in</strong>blick auf diejenigen Kategorien, die zur Beantwortung der <strong>in</strong> der<br />
Fragestellung formulierten Fragen nützlich erschienen.<br />
5.5.1 Zur Person<br />
Bei der Beschreibung der demografischen Daten werden die<br />
Unternehmensvertreter mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung geme<strong>in</strong>sam betrachtet.<br />
Die meisten <strong>in</strong>terviewten Unternehmensvertreter waren zwischen 30 <strong>und</strong> 60 Jahren<br />
alt, nur e<strong>in</strong>e Person war jünger als 30 Jahre. Jeweils etwa e<strong>in</strong> Drittel der<br />
Unternehmensvertreter war zwischen 31 <strong>und</strong> 40, zwischen 41 <strong>und</strong> 50 <strong>und</strong> zwischen<br />
51 <strong>und</strong> 60 Jahren alt, es zeigte sich also e<strong>in</strong>e recht gleichmäßige Verteilung über die<br />
Altersgruppen (s. Abb. 5.27).
7%<br />
33% 20 - 30 Jahre<br />
27%<br />
33%<br />
31 - 40 Jahre<br />
41 - 50 Jahre<br />
51 - 60 Jahre<br />
Abb. 5.27 Altersgruppen der befragten Unternehmensvertreter (n = 15).<br />
153<br />
Die große Mehrheit der Interviewpartner war männlich (s. Abb. 5.28), was damit<br />
zusammenhängt, dass Frauen <strong>in</strong> Führungspositionen der <strong>Wirtschaft</strong> immer noch sehr<br />
stark unterrepräsentiert s<strong>in</strong>d. Unter den „Top 100“ der b<strong>und</strong>esdeutschen<br />
Unternehmen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Führungspositionen nur 5,5% der Stellen mit Frauen<br />
besetzt, <strong>und</strong> unter den r<strong>und</strong> 2000 deutschen Top-Managern f<strong>in</strong>det sich kaum mehr<br />
als e<strong>in</strong> Dutzend Frauen (Die Welt Onl<strong>in</strong>e, 2001).<br />
87%<br />
13%<br />
weiblich<br />
männlich<br />
Abb. 5.28 Geschlechterverteilung der befragten Unternehmensvertreter (n = 15).<br />
Aus Abbildung 5.29 lässt sich ersehen, dass alle Interviewpartner leitende<br />
Funktionen haben.
Anzahl<br />
Interviewpartner<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Justitiar<br />
4<br />
Abteilungsleiter<br />
4<br />
3<br />
Leiter Personal<br />
2<br />
Fachkraft (Bildungswesen)<br />
1<br />
Position im<br />
Unternehmen<br />
Abb. 5.29 Position der Interviewpartner im Unternehmen (n = 15).<br />
154<br />
Die meisten Gesprächspartner hatten Rechts- oder <strong>Wirtschaft</strong>swissenschaften<br />
studiert. Es gab allerd<strong>in</strong>gs auch e<strong>in</strong>en recht hohen Anteil an Psychologen (s. Abb.<br />
5.30), der sich wohl vor allem dadurch erklären lässt, dass e<strong>in</strong>e Reihe von Kontakten<br />
über die Fachrichtung Psychologie der Technischen Universität Dresden hergestellt<br />
wurde.<br />
Anzahl<br />
Interviewpartner<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Rechtswissenschaften<br />
6<br />
Psychologie<br />
4<br />
<strong>Wirtschaft</strong>swisseschaften<br />
3<br />
Ingenieurwissenschaften<br />
1 1<br />
Hotelfach<br />
Fachrichtung<br />
Abb. 5.30 Ausgangsfachrichtungen der Interviewpartner (n = 15).<br />
Die Interviewpartner hatten recht unterschiedlich lange Erfahrungen <strong>in</strong> ihrem<br />
jeweiligen Unternehmen (s. Abb. 5.31). Während zwei Personen erst zwei Jahre ihre<br />
Stelle hatten, konnten drei Personen auf e<strong>in</strong>e mehr als 20jährige Karriere <strong>in</strong> ihrem
155<br />
Unternehmen zurückblicken. Etwa die Hälfte der Interviewpartner hatte zwischen<br />
sechs <strong>und</strong> 15 Jahren Erfahrung <strong>in</strong> ihrem Unternehmen.<br />
14%<br />
6%<br />
20%<br />
6%<br />
27%<br />
27%<br />
0 - 5 Jahre<br />
6 - 10 Jahre<br />
11 - 15 Jahre<br />
16 - 20 Jahre<br />
21 - 25 Jahre<br />
26 - 30 Jahre<br />
Abb. 5.31 Betriebszugehörigkeit <strong>in</strong> Jahren (n = 15).<br />
Die von den Interviewpartnern repräsentierten Unternehmen gehören e<strong>in</strong>er Reihe<br />
von unterschiedlichen Branchen an (s. Abb. 5.32), besonders stark vertreten s<strong>in</strong>d die<br />
F<strong>in</strong>anzdienstleister (n = 4), sowie die Sektoren Technologie, Telekommunikation <strong>und</strong><br />
Enterta<strong>in</strong>ment sowie die Automobil<strong>in</strong>dustrie (jeweils n= 3).<br />
Branchen<br />
<strong>Mediation</strong><br />
ja<br />
<strong>Mediation</strong><br />
ne<strong>in</strong><br />
Summe<br />
Dienstleistungen 0 2 2<br />
F<strong>in</strong>anzdienstleitungen 1 3 4<br />
Hotel- <strong>und</strong> Gaststättengewerbe 1 0 1<br />
Immobilien <strong>und</strong> Bauwirtschaft 1 0 1<br />
Rohstoffe <strong>und</strong> Energieversorgung 1 0 1<br />
Technologie, Telekommunikation <strong>und</strong><br />
Enterta<strong>in</strong>ment<br />
1 2 3<br />
Automobil<strong>in</strong>dustrie 2 1 3<br />
Anzahl 7 8 15<br />
Abb. 5.32 Branchenzugehörigkeit der Unternehmen (n = 15).<br />
Abschließend soll noch die Größe der Unternehmen angegeben werden, bei denen<br />
die Interviewpartner angestellt s<strong>in</strong>d. Die Klassifizierung <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e, mittelgroße <strong>und</strong>
156<br />
große Unternehmen erfolgte nach dem HGB, § 267 (s. Anhang 14). Laut diesem<br />
Gesetz werden Unternehmen oder Gesellschaften nach der Bilanzsumme, der<br />
Mitarbeiteranzahl <strong>und</strong> dem Umsatzerlös klassifiziert. Weiterh<strong>in</strong> spielt es e<strong>in</strong>e Rolle,<br />
ob es sich um börsennotierte Unternehmen oder Gesellschaften handelt. Die<br />
Kriterien müssen m<strong>in</strong>destens zwei aufe<strong>in</strong>ander folgende Jahre lang erfüllt werden.<br />
Die Bewertung stützte sich auf die Geschäftsjahre 1999 <strong>und</strong> 2000 sowie die<br />
deutschen E<strong>in</strong>zelunternehmen, wenn es sich um weltweite Konzerne handelte. Zehn<br />
der 15 befragten deutschen E<strong>in</strong>zelnunternehmen waren börsennotierte Unternehmen<br />
<strong>und</strong> wurden demzufolge als große Unternehmen klassifiziert. Weitere vier<br />
Unternehmen erfüllten ebenfalls die Anforderungskriterien für e<strong>in</strong> großes<br />
Unternehmen. Somit waren <strong>in</strong>sgesamt 14 große <strong>und</strong> e<strong>in</strong> mittelgroßes Unternehmen<br />
an der Untersuchung beteiligt.<br />
5.5.2 Vergleiche zwischen Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
E<strong>in</strong>e der wichtigsten Fragen, die <strong>in</strong> diesem Ergebnisteil beantwortet werden sollen,<br />
ist die nach den Unterschieden zwischen Unternehmen mit (U+) <strong>und</strong> ohne (U-)<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung. Wie unterscheiden sie sich z.B. h<strong>in</strong>sichtlich der im<br />
Unternehmen auftretenden Konfliktarten <strong>und</strong> dem Umgang damit, woher beziehen<br />
sie ihr Wissen über Konfliktmanagement? Lassen sich also sozusagen schon von<br />
vornhere<strong>in</strong> strukturelle Unterschiede feststellen? Es werden nachfolgend die<br />
Aussagen aus den Interviews ausgewertet.<br />
5.5.2.1 Informationsquellen zu Konfliktmanagement <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der Informationsquellen von Unternehmen zu Konfliktmanagement <strong>und</strong><br />
<strong>Wirtschaft</strong>smediation f<strong>in</strong>den sich viele Geme<strong>in</strong>samkeiten, aber auch e<strong>in</strong>e Reihe von<br />
Unterschieden zwischen U+ <strong>und</strong> U-. Beide nutzen Medien wie „(Fach-)Bücher“ <strong>und</strong><br />
„(Fach-)Zeitschriften“ gleichermaßen, um sich über Konfliktmanagement zu<br />
<strong>in</strong>formieren (U+: 12, U-: 13). Besonders stark genutzt werden „juristische <strong>und</strong><br />
wirtschaftliche“ Zeitschriften.<br />
Im Bereich der Weiterbildung zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen U+ <strong>und</strong><br />
U- (s. Abb. 5.33). Befragt, woher sie ihr Wissen zu Konfliktmanagement <strong>und</strong><br />
<strong>Mediation</strong> hätten, gaben mehr Unternehmensvertreter aus der U+-Gruppe an,
157<br />
„<strong>in</strong>terne“ (<strong>in</strong>nerbetriebliche) <strong>und</strong> „externe“ (außerbetriebliche <strong>und</strong> privat f<strong>in</strong>anzierte)<br />
Schulungen zu <strong>Mediation</strong> gemacht zu haben. Bei den Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung gab es nur e<strong>in</strong>e Nennung für „<strong>in</strong>terne Weiterbildung“, dafür<br />
<strong>in</strong>sgesamt genauso viele „externe Weiterbildungen“ wie bei den Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung.<br />
extern<br />
<strong>in</strong>tern<br />
4<br />
0 2 4 6 8 10<br />
Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
6<br />
8<br />
<strong>Mediation</strong><br />
andere<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
extern<br />
<strong>in</strong>tern<br />
1<br />
3<br />
0 2 4 6 8 10<br />
Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
Abb. 5.33 Interne <strong>und</strong> externe Weiterbildung <strong>in</strong> Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung (n = 7) <strong>und</strong> Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung (n = 8).<br />
7<br />
<strong>Mediation</strong><br />
andere<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
E<strong>in</strong> weiterer Weg, auf dem Unternehmensvertreter von <strong>Mediation</strong> erfahren können,<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>formelle oder formelle „Kontakte“ zu anderen Personen wie z.B. „Bekannte“,<br />
„Kollegen“ oder „Mediatoren“. Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung haben deutlich<br />
häufiger als Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung auf diesem Weg von dem<br />
Verfahren gehört. Bei U- gab es nur zwei Nennungen, beide <strong>in</strong> der Kategorie<br />
„Kollegen“. Bei U+ h<strong>in</strong>gegen gab es 13 Nennungen, die sich folgendermaßen<br />
aufgliederten (s. Abb. 5.34): an erster Stelle rangiert der Kontakt zu Mediatoren, an<br />
zweiter der zu „anderen Unternehmen, die auch <strong>Mediation</strong> nutzen“. Weitere, e<strong>in</strong>zelne<br />
Nennungen gab es zu „Kollegen“, „Organisationen“ <strong>und</strong> „Bekannten außerhalb der<br />
Arbeit“.
Mediatoren<br />
andere Unternehmen<br />
Kollegen<br />
Organisationen<br />
Bekannte<br />
1<br />
1<br />
1<br />
2<br />
0 2 4 6<br />
4<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
Abb. 5.34 Kontakte, über die U+ von <strong>Mediation</strong> erfahren haben (n = 7).<br />
158<br />
Insgesamt zeigten sich sowohl U+ als auch U- eher zufrieden mit ihrem Wissen<br />
über Konfliktmanagement: es gab nur vier (U+) bzw. drei (U-) Nennungen für „mehr<br />
Informationen gewünscht“, dafür aber jeweils zehn für „ke<strong>in</strong>e zusätzlichen<br />
Informationen gewünscht“. Typisch waren hier Äußerungen wie die folgende:<br />
„... es gibt e<strong>in</strong>e unüberschaubare Fachliteratur ... die Problematik ist<br />
eben, dass es eher zu viel gibt als zu wenig ...“ (G4-U)<br />
Zusätzliche Informationen wurden sowohl <strong>in</strong> Form von „Wissensvermittlung“ als<br />
auch als eher praktische Unterstützung <strong>in</strong> Form von „Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, Coach<strong>in</strong>g oder<br />
Supervision“ gewünscht.<br />
5.5.2.2 Veränderungen im Unternehmen<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der Veränderungen, die <strong>in</strong> Unternehmen auftreten können, wurden <strong>in</strong><br />
dieser Arbeit drei Typen unterschieden:<br />
�<br />
�<br />
�<br />
„strukturelle Veränderungen <strong>in</strong>nerhalb der Unternehmens“ (z.B. die<br />
E<strong>in</strong>führung neuer Technologien, Ablaufveränderungen oder<br />
Zentralisierung)<br />
„Veränderungen, die die Mitarbeiter betreffen“ (z.B. Änderungen der<br />
Verträge, e<strong>in</strong> neuer Vorstand oder Mitarbeiterfluktuation)<br />
„Veränderungen als Reaktion auf die Umwelt des Unternehmens“ (z.B.<br />
Bildung e<strong>in</strong>es Jo<strong>in</strong>t Venture, Abschaffung der Monopolstellung des<br />
Unternehmens oder e<strong>in</strong>e Fusion).
159<br />
Insgesamt gab es <strong>in</strong> den Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung deutlich mehr<br />
Nennungen <strong>in</strong> der Kategorie „Veränderungen“ (42 gegenüber 21 bei den<br />
Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung). Am deutlichsten zeigte sich dieser<br />
Unterschied <strong>in</strong> der Kategorie „Reaktion auf die Umwelt des Unternehmens“, <strong>in</strong> der<br />
nur bei U- Nennungen gab. Außerdem wurden bei U- häufiger Veränderungen<br />
„struktureller“ Art genannt (s. Abb. 5.35). „Veränderungen, die die Mitarbeiter<br />
betreffen“, waren bei U+ <strong>und</strong> U- gleich stark ausgeprägt.<br />
strukturelle<br />
Veränderungen<br />
<strong>in</strong>nerhalb des<br />
Unternehmens<br />
Veränderungen, die die<br />
Mitarbeiter betrefffen<br />
Veränderungen als<br />
Reaktion auf die<br />
Umwelt des<br />
Unternehmens<br />
7<br />
7<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24<br />
Abb. 5.35 Veränderungen im Unternehmen (n = 15).<br />
5.5.2.3 Konflikte im Unternehmen<br />
14<br />
16<br />
21<br />
U+<br />
U-<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
In den Aussagen der Unternehmen ließen sich vier Typen von Konflikten im<br />
Unternehmen unterscheiden:<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
„Konflikte, die aus strukturellen Veränderungen entstehen“ (z.B.<br />
überlappende Zuständigkeiten oder Kostenverteilung)<br />
„Konflikte <strong>in</strong> der Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern“ (z.B.<br />
Mobb<strong>in</strong>g, Gerüchtebildung oder Rollenkonflikte)<br />
„Konflikte mit dem Betriebsrat“<br />
„Konflikte mit der Umwelt des Unternehmens“ (z.B. vertragliche <strong>und</strong><br />
f<strong>in</strong>anzielle Konflikte)<br />
Die Ergebnisse zeigen bei Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung <strong>in</strong>sgesamt<br />
ger<strong>in</strong>gfügig weniger Nennungen für „Konflikte“ als bei Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung (29 gegenüber 33 Nennungen). Als häufigster Konfliktpunkt
wurde sowohl bei U+ als auch bei U- die Zusammenarbeit zwischen den<br />
Mitarbeitern genannt (s. Abb. 5.36), wobei bei U+ weniger Nennungen als bei U- <strong>in</strong><br />
dieser Kategorie gemacht wurden. Bei den Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
traten Konflikte mit dem Betriebsrat <strong>und</strong> mit der Umwelt des Unternehmens häufiger<br />
als bei U- auf. Nur bei den Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung gab es<br />
Nennungen <strong>in</strong> der Kategorie „Konflikte, die aus strukturellen Veränderungen<br />
entstehen“.<br />
Konflikte, die aus strukturellen Veränderungen<br />
entstehen<br />
Konflikte <strong>in</strong> der Zusammenarbeit zwischen den<br />
Mitarbeitern<br />
Konflikte mit dem Betriebsrat<br />
Konflikte mit der Umwelt des Unternehmens<br />
Abb. 5.36 Konflikte im Unternehmen (n = 15).<br />
5.5.2.4 Umgang mit Konflikten im Unternehmen<br />
1<br />
4<br />
7<br />
7<br />
7<br />
15<br />
21<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24<br />
U+<br />
U-<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
Wie gehen Unternehmen mit den Konflikten um, die <strong>in</strong> der täglichen Arbeit<br />
auftreten? Es wurden hier vier Möglichkeiten unterschieden, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Unternehmen alle mehr oder weniger vorhanden se<strong>in</strong> können <strong>und</strong> je nach Art des<br />
Konfliktes <strong>und</strong> der beteiligten Personen zum E<strong>in</strong>satz kommen:<br />
�<br />
160<br />
„autoritär“ (der Konflikt wird von oben entschieden, z.B. vom Vorstand,<br />
dem Vorgesetzter oder mit e<strong>in</strong>em gerichtlichen Urteil)<br />
� „partizipativ“ (der Konflikt wird zwischen den Beteiligten, z.B. durch<br />
Verhandeln, entschieden – hierbei können <strong>in</strong>nerbetriebliche Stellen wie<br />
die Personalabteilung oder Qualitätszirkel unterstützend tätig se<strong>in</strong>; der<br />
Unterschied zur „Lösung mit Hilfe e<strong>in</strong>es beratenden Dritten“ besteht dar<strong>in</strong>,<br />
dass die Stellen, die die partizipative Konfliktbeilegung unterstützen, nicht<br />
unbed<strong>in</strong>gt speziell ausgebildete Konfliktmanager s<strong>in</strong>d)
�<br />
161<br />
„mit Hilfe e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen beratenden Dritten“ (z.B. e<strong>in</strong>es <strong>in</strong><br />
Konfliktmanagement geschulten Mitarbeiters des Unternehmens, der aber<br />
anders als bei der autoritären Vorgehensweise ke<strong>in</strong>e<br />
Entscheidungsgewalt hat)<br />
� „mit Hilfe e<strong>in</strong>es externen beratenden Dritten“ (z.B. e<strong>in</strong>es Mediators oder<br />
e<strong>in</strong>er Unternehmensberatung)<br />
In den Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung gab es weitaus mehr Nennungen<br />
<strong>in</strong> der Kategorie „autoritärer Umgang mit Konflikten“ als bei den Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung (30 gegenüber zehn Nennungen, s. Abb. 5.37). E<strong>in</strong> Beispiel<br />
hierfür ist folgende Äußerung:<br />
„... letztendlich landet es bei den klassischen Organen, wenn es also<br />
e<strong>in</strong>en unlöslichen Streit gibt, entscheidet das dann der Vorstand.<br />
Also so wie es eigentlich immer war. Der Vorstand sagt, jetzt wird<br />
das so gemacht <strong>und</strong> dann fertig <strong>und</strong> wird das so gemacht ...“ (G15-U)<br />
Allerd<strong>in</strong>gs ist bei den U- auch der partizipative Umgang mit Konflikten wesentlich<br />
stärker verbreitet (33 im Vergleich zu 17 Nennungen bei U+). Mit Hilfe e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen<br />
beratenden Dritten werden nur <strong>in</strong> den Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
Konflikte gelöst, <strong>in</strong> beiden Gruppen ist wird selten die Hilfe e<strong>in</strong>es externen<br />
beratenden Dritten <strong>in</strong> Anspruch genommen (e<strong>in</strong>e Nennung mehr bei U-).<br />
autoritär<br />
partizipativ<br />
mit Hilfe e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen<br />
beratenden Dritten<br />
mit Hilfe e<strong>in</strong>es externen<br />
beratenden Dritten<br />
2<br />
3<br />
7<br />
10<br />
17<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36<br />
Abb. 5.37 Umgang mit Konflikten im Unternehmen (n = 15).<br />
30<br />
33<br />
U+<br />
U-<br />
Anzahl der<br />
Nennungen
Die e<strong>in</strong>zelnen Strategien, mit Konflikten umzugehen, sollen nun detailliert<br />
aufgeschlüsselt werden. Zunächst sollen die autoritären Methoden, mit Konflikten<br />
umzugehen, näher erläutert werden (s. Abb. 5.38). In Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e recht breite Auswahl von autoritären Methoden<br />
der Konfliktbeilegung: gerichtliche Entscheidung ist e<strong>in</strong>e Möglichkeit, <strong>und</strong><br />
Personalabteilung, Vorstand, Vorgesetzte oder Rechtsabteilung/Justitiar können<br />
sich e<strong>in</strong>schalten, um Konflikte zu entscheiden. Bei den Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung dom<strong>in</strong>ieren deutlich die Entscheidung durch den Vorstand (16<br />
Nennungen) <strong>und</strong> durch Vorgesetzte (elf Nennungen). Gerichtliche Entscheidungen<br />
spielen wie bei der anderen Gruppe e<strong>in</strong>e eher ger<strong>in</strong>ge Rolle.<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
2<br />
3<br />
2<br />
16<br />
2 11<br />
1<br />
Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
3<br />
Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
gerichtliche<br />
Entscheidung<br />
Personalabteilung<br />
Vorstand<br />
Vorgesetzte<br />
Rechtsabteilung/Justitiar<br />
Abb. 5.38 Autoritäre Methoden im Umgang mit Konflikten (n = 15).<br />
Zu den partizipativen Methoden der Konfliktbeilegung: hier s<strong>in</strong>d zwischen<br />
Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung nicht so große Unterschiede zu<br />
f<strong>in</strong>den (s. Abb. 5.39). Bei beiden werden <strong>in</strong> der partizipativen Vorgehensweise<br />
Konflikte meist entweder durch direkte Verhandlung zwischen den Beteiligten oder<br />
auch mit Unterstützung des Vorgesetzten gelöst. Um noch e<strong>in</strong>mal den Unterschied<br />
zur „autoritären“ Konfliktlösung klar zu machen: hier berät der Vorgesetzte, bei<br />
e<strong>in</strong>em „autoritären“ Vorgehen entscheidet er, evtl. sogar ohne die Streitparteien<br />
vorher konsultiert zu haben.<br />
Methoden wie der Qualitätszirkel <strong>und</strong> die Unterstützung durch<br />
Rechstabteilung/Justitiar s<strong>in</strong>d bei U- stärker verbreitet als bei U+. Bei Unternehmen<br />
162<br />
mit <strong>Mediation</strong>serfahrung gab es dafür mehr Nennungen für „Zusammenarbeit
Geschäftsleitung/Betriebsrat“, d.h., dass bestimmte Konflikte direkt zwischen diesen<br />
Gruppen gelöst werden.<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
1<br />
4<br />
2<br />
6<br />
2<br />
Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
4<br />
2<br />
3<br />
10<br />
2<br />
5<br />
Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
Qualitätszirkel<br />
Zusammenarbeit<br />
Geschäftsleitung/<br />
Betriebsrat<br />
Verhandlung<br />
zwischen den<br />
Beteiligten<br />
Vorgesetzte<br />
Personalabteilung<br />
Rechtsabteilung/<br />
Justitiar<br />
Abb. 5.39 Partizipative Methoden im Umgang mit Konflikten (n = 15).<br />
Konfliktlösung mit Hilfe e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen „professionell“ beratenden Dritten gab es<br />
nur bei den Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung. Möglichkeiten waren <strong>in</strong>terne<br />
Konfliktlotsen (fünf Nennungen) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Schulung <strong>in</strong> Konfliktmanagement für alle<br />
Mitarbeiter (zwei Nennungen). Bei U- gab es bei der externen Konfliktbeilegung e<strong>in</strong>e<br />
Nennung für „externe Juristen“ <strong>und</strong> zwei für „Unternehmensberatungen“, bei U+<br />
zwei für „<strong>Mediation</strong>“.<br />
5.5.2.5 Zufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement<br />
Gemessen an der Zahl der Nennungen im Interview waren weitaus mehr<br />
Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung unzufrieden mit dem bisherigen<br />
Konfliktmanagement <strong>und</strong> mehr Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung zufrieden<br />
(s. Abb.5.40). Nur bei U- gab es 2 Nennungen für „teils/teils“, also e<strong>in</strong>e (noch) nicht<br />
e<strong>in</strong>deutige Bewertung des gegenwärtigen Konfliktmanagements.<br />
163
zufrieden<br />
teils/teils<br />
unzufrieden<br />
2<br />
2<br />
3<br />
4<br />
0 2 4 6 8 10<br />
8<br />
U+<br />
U-<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
Abb. 5.40 Zufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement (n = 15).<br />
Die Gründe für die Zufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement teilten<br />
sich <strong>in</strong> den Aussagen der Interviewpartner <strong>in</strong> drei große Gruppen (s. Abb. 5.41).<br />
Sowohl bei U+ als auch bei U- spielt die „Prozessvermeidung“ e<strong>in</strong>e große Rolle.<br />
Noch wichtiger für die Zufriedenheit mit dem Status Quo sche<strong>in</strong>t aber die<br />
„Konfliktmanagement-Kompetenz im Unternehmen“ (<strong>in</strong>klusive „gutem Umgang mit<br />
Konflikten“) zu se<strong>in</strong>: hierzu gab es zehn Aussagen bei den Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung <strong>und</strong> vier bei den Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung. Nur<br />
bei U- gab es auch noch zwei Aussagen <strong>in</strong> der Kategorie „Lösungszufriedenheit“.<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
3<br />
10<br />
Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
4<br />
4<br />
2<br />
Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
Prozessvermeidung<br />
Konfliktmanagement-<br />
Kompetenz im<br />
Unternehmen<br />
Lösungszufriedenheit<br />
Abb. 5.41 Gründe für Zufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement<br />
(n = 15).<br />
164<br />
Bei den Gründen für die Unzufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement<br />
lassen sich zwei Bereiche unterscheiden: Unzufriedenheit mit der Konfliktlösung<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>und</strong> außerhalb des Unternehmens. Bei der Konfliktlösung <strong>in</strong>nerhalb des
165<br />
Unternehmens gab es nur wenige Aussagen: zwei Nennungen bei den Unternehmen<br />
mit <strong>Mediation</strong>serfahrung zur „Dauer“ der <strong>in</strong>ternen Konfliktlösung, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e bei den<br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung zur „ungenügenden Schulung der<br />
Mitarbeiter <strong>in</strong> Konfliktmanagement/-prävention. Weit mehr Aussagen gab es zur<br />
Unzufriedenheit mit der Konfliktlösung außerhalb des Unternehmens (s. Abb. 5.42):<br />
die Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung zeigten sich vor allem unzufrieden mit<br />
dem „Gerichtsverfahren“ (14 Aussagen), die Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
übten vor allem Kritik an den „Schiedsgerichtsverfahren“ (acht Aussagen) <strong>und</strong><br />
externen „Rechtsanwälten“ (fünf Aussagen).<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
2<br />
14<br />
Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
5<br />
8<br />
1<br />
Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
Rechtsanwälte<br />
Schiedsgerichtsverfahren<br />
Gerichtsverfahren<br />
Abb. 5.42 Gründe für Unzufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement<br />
außerhalb des Unternehmens (n = 15).<br />
5.5.2.6 Vorstellungen von <strong>Mediation</strong><br />
Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung unterscheiden sich h<strong>in</strong>sichtlich<br />
ihrer Vorstellungen von dem <strong>Mediation</strong>sverfahren nur ger<strong>in</strong>gfügig. Bei U- gab es nur<br />
unwesentlich mehr falsche Vorstellungen von <strong>Mediation</strong>: „Mediator entscheidet“<br />
(e<strong>in</strong>e Nennung) <strong>und</strong> „Mediator bee<strong>in</strong>flusst die Parteien“ (zwei Nennungen). Bei U+<br />
hatte nur e<strong>in</strong> Unternehmensvertreter die Vorstellung, <strong>Mediation</strong> sei e<strong>in</strong><br />
„Schiedsverfahren“. Insgesamt machten Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung mehr<br />
Aussagen sowohl zur „Verfahrensbeschreibung“ als auch zur „Rolle des Mediators“<br />
(siehe Abb. 5.43). Bei beiden Gruppen war die „Vermittlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Streitfall“ (14<br />
Nennungen U+ gegenüber sechs Nennungen U-). Weiterh<strong>in</strong> wurden von U+ vor<br />
allem die „Eigenverantwortlichkeit“ der Parteien <strong>und</strong> die „Neutralität des Mediators“<br />
sowie das „strukturierte Vorgehen“ hervorgehoben. Dass „<strong>Mediation</strong> dabei ist, sich <strong>in</strong>
166<br />
Deutschland zu etablieren“, me<strong>in</strong>te e<strong>in</strong> Vertreter der U- - Gruppe. Bei U+ gab es vier<br />
Aussagen <strong>in</strong> dieser Kategorie.<br />
Mediator ist fachkompetent<br />
Mediator ist neutral<br />
strukturiertes Vorgehen<br />
Eigenverantwortlichkeit<br />
außergerichtliches Verfahren<br />
Vermittlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Streitfall<br />
1<br />
1<br />
1<br />
2<br />
3<br />
3<br />
4<br />
4<br />
5<br />
6<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16<br />
14<br />
U+<br />
U-<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
Abb. 5.43 Vorstellungen vom <strong>Mediation</strong>sverfahren <strong>und</strong> der Rolle des Mediators<br />
(n= 15).<br />
In den Interviews wurde weiterh<strong>in</strong> erfragt, welche Informationen die<br />
Unternehmensvertreter von anderen Personen über <strong>Mediation</strong> erhalten haben. Diese<br />
Informationen wurden <strong>in</strong> „akzeptanzfördernd“ <strong>und</strong> „akzeptanzhemmend“ aufgeteilt.<br />
Aus Abb. 5.44 ist zu ersehen, dass die Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung mehr<br />
„akzeptanzfördernde“ <strong>und</strong> weniger „akzeptanzhemmende Informationen“ als die<br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung erhalten. Als „akzeptanzfördernde<br />
Informationen“ Informationen wurden „Ergebniszufriedenheit“, „Kostenersparnis“,<br />
„Verbesserung der Betriebsatmosphäre“ <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e konkrete „Erfolgsquote bei<br />
<strong>Mediation</strong>en“ klassifiziert. Unter „akzeptanzhemmenden Informationen“ wurden<br />
„Abgrenzung zur Supervision/zum Coach<strong>in</strong>g schwierig“, „Abgrenzung zur Schlichtung<br />
schwierig“, die „<strong>in</strong>flationäre Verwendung des Begriffs“ <strong>und</strong> die Aussage, dass<br />
„<strong>Mediation</strong> nichts Neues“ sei, gefasst.
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
2<br />
10<br />
akzeptanzfördernde<br />
Informationen<br />
9<br />
4<br />
akzeptanzhemmende<br />
Infomationen<br />
Abb. 5.44 Akzeptanzfördernde <strong>und</strong> –hemmende Informationen (n = 15).<br />
5.5.2.7 Externe Mitarbeiter<br />
U-<br />
U+<br />
167<br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung nutzen mehr „externe Mitarbeiter“ (13<br />
Nennungen) als Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung (neun Nennungen). Zu den<br />
„externen Mitarbeitern“ werden z.B. „Dozenten/Ausbilder“, „Coaches“ oder<br />
„Investmentbanker“ gezählt. Interessant ist hier noch, warum „Externe“ genutzt<br />
werden <strong>und</strong> was für „Erfahrungen“ mit ihnen <strong>in</strong> der Vergangenheit gemacht wurden.<br />
Zunächst zu den Gründen für die Nutzung: U- nutzen „Externe“ vor allem „zur<br />
Unterstützung/Beratung“ (vier Nennungen) <strong>und</strong> „um Alternativen zu generieren“ (fünf<br />
Nennungen). Bei U+ gab es jeweils e<strong>in</strong>e Nennung für die Kategorie „um Alternativen<br />
zu generieren“ <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e für „Neutralität“. Bei U+ <strong>und</strong> U- wurden „gute“ Erfahrungen<br />
mit „Externen“ (jeweils zwei Nennungen) gemacht. Bei U- gab es allerd<strong>in</strong>gs auch<br />
zwei Aussagen <strong>in</strong> der Kategorie „zu teuer“, zwei, die die Erfahrungen mit den<br />
„Externen“ als „teils/teils“ beurteilten, <strong>und</strong> fünf Aussagen, die „schlechte“ Erfahrungen<br />
mit „Externen“ berichteten, wie z.B. hier:<br />
„... da habe ich miserable Erfahrungen - der Berater, der Konflikte<br />
lösen soll, e<strong>in</strong>fach nur, weil er standardmäßig hier vorgeht, schafft<br />
erst die Konflikte heran ...“ (G11-U)<br />
5.5.2.8 Gründe für <strong>und</strong> Bedenken gegen <strong>Mediation</strong><br />
In den Interviews wurden die Unternehmensvertreter als Fazit gefragt, was aus<br />
Ihrer Sicht für bzw. gegen <strong>Mediation</strong> spricht. Von den Unternehmen mit
168<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung wurden hier sowohl „Vorteile des Verfahrens“, „Nachteile von<br />
anderen Konfliktlösungsverfahren“ als auch „persönliche <strong>und</strong> motivationale Gründe“<br />
genannt, wie z.B. die „Neugier“:<br />
„... es ist spannend, weil beim ersten Mal ist es immer besonders, der<br />
erste 10 Meter-Turm-Sprung ist immer spannend ...“ (G4-U)<br />
Bei den „Vorteilen des Verfahrens“ wurden besonders (vor allem hast du so oft) die<br />
„Kosteneffizienz“ <strong>und</strong> die „Zeiteffizienz“ mit jeweils vier Nennungen am häufigsten<br />
erwähnt.<br />
Wettbewerbsvorteil<br />
{<br />
Vorteile<br />
des<br />
Verfahrens<br />
Kontrolle<br />
persönliche <strong>und</strong><br />
motivationale<br />
Gründe<br />
{<br />
0 1 2 3 4 5 6 7<br />
Abb. 5.45 Gründe für <strong>Mediation</strong> (n = 7).<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
Von den Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung wurden sowohl „Bedenken gegen<br />
<strong>Mediation</strong>“ als auch „Gründe für andere Konfliktlösungsverfahren“ als Begründung<br />
dafür genannt, warum sie das Verfahren <strong>Mediation</strong> nicht nutzen (s. Abb. 5.46).<br />
„Gründe für andere Konfliktlösungsverfahren“ waren vor allem die „Zufriedenheit mit<br />
dem Status Quo“ (also ke<strong>in</strong> Veränderungsbedarf) <strong>und</strong> die „Angst vor<br />
psychologischen Themen/Methoden“. Es gab allerd<strong>in</strong>gs auch vier Aussagen, die der<br />
Kategorie „<strong>Mediation</strong> soll <strong>in</strong> Zukunft eventuell genutzt werden“ zugeordnet wurden.
{<br />
ke<strong>in</strong><br />
geordnetes Konfliktmanagement<br />
Gründe<br />
für andere<br />
Angst<br />
vor psychologischen Themen/Methoden<br />
Konflikt-<br />
lösungs-<br />
autoritäre Streitkultur<br />
verfahren<br />
Zufriedenheit mit dem Status Quo<br />
{<br />
Suche<br />
nach e<strong>in</strong>em Mediator schwierig<br />
Bedenken<br />
gegen<br />
<strong>Mediation</strong><br />
mangelnde Neutralität des Mediators<br />
mangelnde<br />
Fachkompetenz des Mediators<br />
Abb. 5.46 Gründe gegen <strong>Mediation</strong> (n = 8).<br />
5.5.3 Erfahrungen von Unternehmen mit <strong>Mediation</strong><br />
169<br />
0 2 4 6 8 10 12<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
Im Interview für die Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung wurden für die Themen<br />
„Neuheit des Verfahrens“, „empf<strong>und</strong>enes Risiko“ <strong>und</strong> „Zufriedenheit mit der<br />
<strong>Mediation</strong>“ die Aussagen der Interviewpartner zusätzlich auf e<strong>in</strong>er vierstufigen Likert-<br />
Skala (Judd et al., 1991) e<strong>in</strong>gestuft. In diesem Teil werden die Ergebnisse aus<br />
beiden Erhebungsmethoden dargestellt .<br />
5.5.3.1 Empf<strong>und</strong>ene Neuheit von <strong>Mediation</strong><br />
Das Verfahren <strong>Mediation</strong> wird von den Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Neuheitsgrad sehr unterschiedlich bewertet (s. Abb. 5.47): vier<br />
Unternehmensvertreter bewerten es als „eher neu“ oder „total neu“, drei als<br />
„überhaupt nicht neu“ oder „etwas neu“. Jeweils e<strong>in</strong> Interviewpartner war mit dem<br />
Verfahren zuerst vor neun <strong>und</strong> vor anderthalb Jahren <strong>in</strong> Kontakt gekommen, die<br />
Mehrheit vor vier bis fünf Jahren.
Anzahl der<br />
Unternehmens-<br />
vertreter<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
überhaupt<br />
nicht neu<br />
etwas neu eher neu total neu<br />
Abb. 5.47 Empf<strong>und</strong>ene Neuheit von <strong>Mediation</strong> (n = 7).<br />
5.5.3.2 Empf<strong>und</strong>enes Risiko bei der erstmaligen Nutzung von <strong>Mediation</strong><br />
170<br />
Vier Interviewpartner empfanden die Situation „etwas riskant“, als sie zum ersten<br />
Mal an e<strong>in</strong>em <strong>Mediation</strong>sverfahren beteiligt waren, zwei empfanden sie „überhaupt<br />
nicht riskant“ <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er „eher riskant“ (s. Abb. 5.48). Ke<strong>in</strong>er empfand die Situation<br />
e<strong>in</strong>er erstmaligen Nutzung von <strong>Mediation</strong> als „sehr riskant“.<br />
Anzahl der<br />
Unternehmens-<br />
vertreter<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
überhaupt nicht<br />
riskant<br />
etwas riskant eher riskant<br />
Abb. 5.48 Empf<strong>und</strong>enes Risiko bei der erstmaligen Nutzung von <strong>Mediation</strong><br />
(n = 7).<br />
Interessant s<strong>in</strong>d hier die Gründe für e<strong>in</strong> mehr oder weniger stark empf<strong>und</strong>enes<br />
Risiko. E<strong>in</strong>e „positive Vore<strong>in</strong>stellung“, e<strong>in</strong>e „aktive Begrenzung des Risikos“ <strong>und</strong> „gut<br />
geeigneter Konfliktfall“ wurden von den Interviewpartnern als Sicherheiten benannt,<br />
die es ihnen ermöglichten, die Situation als wenig riskant zu erleben. Strategien zur<br />
„aktiven Begrenzung des Risikos“ waren e<strong>in</strong>e „gute Vorbereitung“, die Möglichkeit<br />
„andere Konfliktlösungsverfahren als Alternative“ zu nutzen <strong>und</strong> die Verwendung
171<br />
e<strong>in</strong>es „anderen Begriffs, um die Akzeptanz zu erhöhen“: e<strong>in</strong> Interviewpartner sagte<br />
z.B.:<br />
„... ich habe versucht, das Wort <strong>in</strong> Deutschland zu vermeiden, weil es<br />
zu nah an dem Wort Meditation liegt, das <strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong>skreisen<br />
negativ besetzt ist, da denkt man immer an Hare Krishna, an Gurus -<br />
ich sage lieber ASR, alternative Streitregelung ...“ (G4-U)<br />
Gründe für mehr oder viel empf<strong>und</strong>enes Risiko waren, „hohe Erwartungen<br />
geweckt“ wurden, die Möglichkeit, dass der „Aufsichtsrat das Ergebnis nicht trägt“<br />
<strong>und</strong> sogar dass die „eigene Stelle möglicherweise gefährdet“ war:<br />
„... das hätte mich me<strong>in</strong>en Kopf kosten können wenn [das] schief<br />
gegangen wär, dann wär ich heute nicht mehr Geschäftsführer hier<br />
...“ (G5-U)<br />
5.5.3.3 Suche e<strong>in</strong>es geeigneten Mediators<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich lassen sich hier zwei Möglichkeiten unterscheiden: „Initiative des<br />
Medianten“ (aktiv) <strong>und</strong> „Initiative des Mediators“ (passiv). Zur „aktiven“ Auswahl<br />
e<strong>in</strong>es Mediators gab es 12 Aussagen, zur „passiven“ vier: hier hatte sich der<br />
Mediator jeweils im betreffenden Unternehmen persönlich vorgestellt. Es wurden<br />
folgende Strategien beschrieben, e<strong>in</strong>en Mediator zu f<strong>in</strong>den: das „Aussuchen auf<br />
Empfehlung“ (mit sechs Nennungen die häufigste Möglichkeit, davon drei zur<br />
„Empfehlung durch die gwmk“), e<strong>in</strong>e „Auswahl <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit der<br />
Gegenseite im Streitfall“, das „Kennenlernen des Mediators auf e<strong>in</strong>em Sem<strong>in</strong>ar“ <strong>und</strong><br />
das „Aussuchen aus Mediatoren, mit denen man schon bekannt ist“. Bei der<br />
letztgenannten Strategie ergaben sich für e<strong>in</strong>en Interviewpartner Schwierigkeiten<br />
dadurch, dass durch se<strong>in</strong>e Bekanntschaft mit Mediatoren manchmal von der<br />
Gegenseite deren Neutralität im konkreten Fall angezweifelt wurde. Dies war<br />
allerd<strong>in</strong>gs auch die e<strong>in</strong>zige Schwierigkeit bei der Suche e<strong>in</strong>es Mediators, die von den<br />
Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung geschildert wurde.<br />
5.5.3.4 Erwünschte Eigenschaften des Mediators
Wie sollte e<strong>in</strong> Mediator se<strong>in</strong>, um von Unternehmen engagiert zu werden? Er sollte<br />
e<strong>in</strong> „passendes Alter“ haben (vier Nennungen):<br />
„... man wird sicher nicht e<strong>in</strong>en 32jährigen nehmen, wenn bei beiden<br />
Seiten die verantwortlichen Manager alle älter als 50 s<strong>in</strong>d. Die<br />
brauchen jemanden mit grauen Schläfen dann. S<strong>in</strong>d junge Menschen<br />
im Internetbereich betroffen, die akzeptieren vielleicht e<strong>in</strong>en<br />
31jährigen ...“ (G4-U)<br />
172<br />
Weiterh<strong>in</strong> werden von ihm „Fachkompetenz“ (vier Nennungen) <strong>und</strong><br />
„Sozialkompetenz“ (zehn Nennungen, z.B. Eigenschaften wie „offen“, „ehrlich“,<br />
sicher“) sowie „Erfahrung“ (ebenfalls zehn Nennungen) erwartet. „Erfahrungen“<br />
umfassen hier „<strong>Mediation</strong>serfahrung“, „Referenzen“ <strong>und</strong> sogar e<strong>in</strong>e „bereits<br />
bestehende Zusammenarbeit mit dem Unternehmen“. E<strong>in</strong>e „<strong>Mediation</strong>sausbildung“<br />
(vier Nennungen) wurde ebenfalls gefordert.<br />
5.5.3.5 Zufriedenheit mit der <strong>Mediation</strong><br />
Alle sieben befragten Unternehmensvertreter zeigten sich „sehr zufrieden“ mit den<br />
bereits erlebten <strong>Mediation</strong>sverfahren <strong>und</strong> gaben an, das Verfahren gern wieder<br />
verwenden zu wollen. E<strong>in</strong>e beispielhafte Aussage ist:<br />
„... mehr als zufrieden. Wenn Sie sagen, ich b<strong>in</strong> zufrieden, was ist die<br />
Steigerung? (Begeistert.). Ah, ich war begeistert ...“ (G8-U)<br />
Folgende Gründe wurden für die Zufriedenheit angegeben:<br />
�<br />
�<br />
�<br />
„Lösungszufriedenheit“ (zwölf Nennungen, <strong>in</strong>klusive „Kosteneffizienz“ <strong>und</strong><br />
„Zeiteffizienz“)<br />
„Verbesserung<br />
Nennungen)<br />
der Betriebsatmosphäre/Zukunftsorientierung“ (vier<br />
„angenehmer Umgang mit dem Konflikt <strong>und</strong> den Streitparteien“ (17<br />
Nennungen, <strong>in</strong>klusive „besseres Verständnis des Konfliktes“ <strong>und</strong><br />
„Interessenorientierung“)
5.5.3.6 Kommunikation mit Anderen zum Thema <strong>Mediation</strong><br />
Unternehmen, die bereits mit <strong>Mediation</strong> Erfahrung haben, berichten Anderen<br />
darüber. Sie tun dies, nach den Äußerungen der Interviewpartner zu schließen, vor<br />
allem <strong>in</strong> „Gruppen <strong>und</strong> Institutionen“ (s. Abb. 5.49) wie z.B. der „IHK“, „Verbänden“<br />
oder e<strong>in</strong>em „Stammtisch von Unternehmensjuristen“. Im „Kontakt zu anderen<br />
Unternehmen“ oder „im eigenen Unternehmen“ wird eher selten über Erfahrungen<br />
mit <strong>Mediation</strong> berichtet.<br />
im Kontakt zu anderen<br />
Unternehmen<br />
im Kontakt zu<br />
Gruppen/Institutionen<br />
im eigenen Unternehen<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8<br />
Abb. 5.49 Kommunikation mit Anderen zum Thema <strong>Mediation</strong> (n = 7).<br />
173<br />
Anzahl der<br />
Nennungen<br />
Wenn anderen Unternehmen von dem Verfahren berichtet wird, dann<br />
hauptsächlich allgeme<strong>in</strong>e Informationen (acht Nennungen) z.B. zur „Fallgeschichte“,<br />
zum „Ablauf“, zu den „Ziele“ <strong>und</strong> zum „Ergebnis“ der <strong>Mediation</strong>. Vorteile, wie z.B.<br />
„Kosteneffizienz“ von <strong>Mediation</strong> werden eher selten hervorgehoben (zwei<br />
Nennungen). Fragen andere Unternehmen genauer nach, wollen sie typischerweise<br />
wissen, ob die <strong>Mediation</strong> „Erfolg“ gebracht hat (fünf Nennungen) <strong>und</strong> „wie man e<strong>in</strong>en<br />
Mediator aussuchen sollte“ (e<strong>in</strong>e Nennung):<br />
„... es kamen auch Fragen nach dem Mediator, also sprich<br />
Referenzen, wen kann man dafür nehmen, was muss der haben,<br />
was, wie soll der aussehen <strong>und</strong> so was ...“ (G5-U)<br />
Gleichzeitig beobachteten die befragten Unternehmensvertreter aber auch e<strong>in</strong>e<br />
gewisse „Reserviertheit gegenüber dem Begriff“ bei ihren Kollegen <strong>in</strong> anderen<br />
Unternehmen (zwei Nennungen):
„... diejenigen, die damit was anfangen konnten, hatten eher so’ne<br />
gewisse Reserviertheit gegenüber dem Begriff so unter dem Motto:<br />
das kl<strong>in</strong>gt wieder so ausländisch <strong>und</strong> das ist wieder was Neues <strong>und</strong><br />
ist, kl<strong>in</strong>gt so’n bisschen englisch – also es war e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Reserviertheit gegenüber dem Begriff ...“ (G5-U)<br />
174
5.6 Interpretation der Ergebnisse der Unternehmens-Interviews<br />
175<br />
Die <strong>in</strong> Abschnitt 5.2 dargestellten Ergebnisse sollen nun im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>in</strong><br />
Abschnitt 3 dargestellten Fragestellungen <strong>in</strong>terpretiert werden. Bed<strong>in</strong>gt durch den<br />
qualitativen Charakter <strong>und</strong> die kle<strong>in</strong>e Stichprobe dieser Untersuchung können nur<br />
Hypothesen aufgestellt werden, die durch quantitative Studien mit repräsentativen<br />
Stichproben überprüft werden sollten. Weiterh<strong>in</strong> wird diskutiert, wie die Ergebnisse<br />
<strong>und</strong> Hypothesen aus dem ersten Teil dieser Arbeit (Herrmann, 2002) im<br />
Zusammenhang mit den hier vorliegenden Ergebnissen der Unternehmens-<br />
Interviews zu bewerten s<strong>in</strong>d. Ausformuliert werden nur Hypothesen, die denen aus<br />
Teil 1 widersprechen, <strong>und</strong> solche, die vollkommen neu s<strong>in</strong>d.<br />
5.6.1 Unterschiede zwischen Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung<br />
Die Ergebnisse der Interviews lassen sich mit H<strong>in</strong>sicht auf die Unterschiede<br />
zwischen Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung wie folgt zusammen<br />
fassen: Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung bieten mehr <strong>in</strong>terne Schulungen zu<br />
den Themen Konfliktmanagement <strong>und</strong> <strong>Mediation</strong> an.<br />
Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung haben auch e<strong>in</strong>e differenziertere Vorstellung<br />
von <strong>Mediation</strong>, dabei allerd<strong>in</strong>gs auch genau so viele nicht zu treffende Vorstellungen<br />
von dem Verfahren wie Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung. U- erhalten ihrem<br />
Empf<strong>in</strong>den nach mehr akzeptanzhemmende, U+ mehr akzeptanzfördernde<br />
Informationen über <strong>Mediation</strong>. Diese Ergebnisse bestätigen die Hypothese aus Teil<br />
1, dass die fehlende Akzeptanz bzw. Anwendung von <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong><br />
zum<strong>in</strong>dest teilweise <strong>in</strong> der Unbekanntheit des Verfahrens begründet ist:<br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung wissen nicht sehr viel über <strong>Mediation</strong>, <strong>und</strong><br />
sie nehmen auch eher negativen Informationen über das Verfahren wahr . Zu dieser<br />
Hypothese passt auch die Aussage von e<strong>in</strong>igen Unternehmensvertretern, die<br />
berichteten, dass ihnen im Gespräch mit Anderen oft e<strong>in</strong>e gewisse Reserviertheit<br />
dem Begriff der <strong>Mediation</strong> gegenüber aufgefallen sei, die auch <strong>in</strong> der Unbekanntheit<br />
des Verfahrens begründet se<strong>in</strong> könnte.
176<br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung nutzen häufiger externe Mitarbeiter als<br />
Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung, haben allerd<strong>in</strong>gs auch mehr schlechte<br />
Erfahrungen gemacht. Hier lässt sich folgende Hypothese aufstellen:<br />
1. Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung könnten durch die schlechten<br />
Erfahrungen, die sie mit externen Mitarbeitern gemacht haben, e<strong>in</strong>em externen<br />
Mediator gegenüber misstrauischer se<strong>in</strong> als Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung.<br />
Für diese Hypothese spricht, dass e<strong>in</strong>ige der <strong>in</strong>terviewten Unternehmen mit<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung <strong>in</strong>terne Mediatoren ausbilden <strong>und</strong> nutzen, um so die<br />
Konfliktmanagement-Kompetenz (<strong>und</strong> auch das Wissen über <strong>in</strong>terne Konflikte) im<br />
Unternehmen zu halten. Auf diese Art <strong>und</strong> Weise kann das Verfahren auch ohne<br />
externe Mitarbeiter genutzt werden.<br />
In Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung wurde von <strong>in</strong>sgesamt mehr<br />
Veränderungen berichtet, <strong>in</strong>sbesondere struktureller Art <strong>und</strong> als Reaktion auf die<br />
Umwelt des Unternehmens. Wie lässt sich dies <strong>in</strong>terpretieren? E<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />
wäre, dass die Bereitschaft, <strong>Mediation</strong> zu nutzen, unabhängig von der Art <strong>und</strong> Menge<br />
der im Unternehmen vorhandenen Konflikte ist. Andererseits ist es auch möglich,<br />
dass gerade diese Art von Konfliktfällen als nicht für <strong>Mediation</strong> geeignet empf<strong>und</strong>en<br />
werden – <strong>Mediation</strong> als zum<strong>in</strong>dest teilweise „psychologisches“ Verfahren könnte eher<br />
als e<strong>in</strong> Instrument <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung zwischen Mitarbeitern als bei großen,<br />
auch wirtschaftlichen, Veränderungen gesehen werden. Gegen diese Hypothese<br />
spricht die Tatsache, dass es <strong>in</strong> Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung mehr<br />
Konflikte mit dem Betriebsrat <strong>und</strong> mit der Umwelt des Unternehmens, <strong>in</strong><br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung mehr Konflikte <strong>in</strong> der Zusammenarbeit<br />
zwischen den Mitarbeitern <strong>und</strong> als Reaktion auf strukturelle Veränderungen gibt – die<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit <strong>und</strong> zwischen Mitarbeitern spielt also <strong>in</strong> beiden Gruppen<br />
e<strong>in</strong>e große Rolle. Aus den Angaben über die Art der Konflikte <strong>in</strong> den beiden<br />
Unternehmensgruppen lässt sich also ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Hypothese formulieren.
177<br />
In U- wird e<strong>in</strong> mehr autoritärer (<strong>in</strong>sbesondere Vorstand <strong>und</strong> Vorgesetzte) <strong>und</strong> mehr<br />
partizipativer Umgang mit Konflikten gepflegt, nur <strong>in</strong> U+ erfolgt Konfliktlösung mit<br />
Hilfe e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen beratenden Dritten.<br />
2. Unterschiedliche Kulturen des Konfliktmanagements könnten e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> dafür<br />
se<strong>in</strong>, warum Unternehmen sich für oder gegen <strong>Mediation</strong> entscheiden.<br />
5.6.2 Diffusion von <strong>Mediation</strong><br />
Mit „Diffusion“ wird nach Rogers (1983) die Verbreitung e<strong>in</strong>er Innovation<br />
bezeichnet. Im Falle von <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong>teressieren vor allem die Wege der Verbreitung<br />
dieser Neuerung. E<strong>in</strong> Weg s<strong>in</strong>d natürlich die unter 5.3.1 erwähnten Schulungen, e<strong>in</strong><br />
anderer persönliche Kontakte. Besonders bedeutsam sche<strong>in</strong>en für die<br />
Unternehmensvertreter Kontakte zu Mediatoren sowie zu anderen Unternehmen zu<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Unternehmen berichten eher im Kontakt zu Gruppen <strong>und</strong> Institutionen als <strong>in</strong><br />
anderen oder im eigenen Unternehmen von <strong>Mediation</strong>. Berichtet werden vor allem<br />
allgeme<strong>in</strong>e Informationen wie die Fallgeschichte <strong>und</strong> das Ergebnis, seltener explizit<br />
Vorteile wie die Kosteneffizienz des Verfahrens. Andere Unternehmen <strong>in</strong>teressierte<br />
typischerweise der Erfolg e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> die Möglichkeiten, e<strong>in</strong>en Mediator zu<br />
f<strong>in</strong>den.<br />
Risses (1999) These, dass sich <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Deutschland über die US-<br />
amerikanischen Kontakte deutscher Unternehmen verbreitet, konnte mit den Daten<br />
nicht bestätigt werden. Nur e<strong>in</strong> U+-Vertreter gab an, auf diesem Weg von <strong>Mediation</strong><br />
erfahren zu haben, <strong>und</strong> die U- – Gruppe hatte <strong>in</strong>sgesamt sogar mehr geschäftliche<br />
Beziehungen zu den USA als die U+ – Gruppe. Aus diesen Ergebnissen lassen sich<br />
folgende Hypothesen formulieren:<br />
1. Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Wirtschaft</strong>smediation könnte sich <strong>in</strong> Deutschland nicht über den Weg<br />
aus den USA, sondern vor allem durch die persönlichen Kontakte von<br />
Unternehmensvertretern zu Mediatoren sowie durch Multiplikatoren-<br />
Veranstaltungen (wie z.B. Sem<strong>in</strong>are oder Vorträge bei Institutionen/Vere<strong>in</strong>en)<br />
verbreiten.
178<br />
<strong>Mediation</strong> wurde von den Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung im Schnitt als<br />
mittelmäßig neu empf<strong>und</strong>en. Das erstmalige Ausprobieren wurde von den meisten<br />
als durchaus riskant erlebt. Das Risiko wurde als weniger groß erlebt, wenn e<strong>in</strong>e<br />
positive E<strong>in</strong>stellung dem Verfahren gegenüber vorhanden war, oder das Risiko aktiv<br />
(z.B. durch die Verwendung e<strong>in</strong>es anderen Begriffs, e<strong>in</strong>e gute Vorbereitung <strong>und</strong> die<br />
Möglichkeit, andere Konfliktlösungsverfahren zu verwenden) begrenzt wurde. Das<br />
Risiko wurde außerdem als weniger groß erlebt, wenn der Anwender von <strong>Mediation</strong><br />
sich selbst als neugierig <strong>und</strong> Neuem gegenüber offen erlebt.<br />
2. <strong>Mediation</strong>snutzer <strong>in</strong> Unternehmen könnten im S<strong>in</strong>n von Rogers (1983)<br />
Innovatoren se<strong>in</strong>, die sich durch e<strong>in</strong>e erhöhte Bereitschaft zum Risiko <strong>und</strong><br />
Offenheit gegenüber Neuem auszeichnen.<br />
Das Risiko, <strong>Mediation</strong> anzuwenden, wurde als größer empf<strong>und</strong>en, wenn Druck von<br />
außen vorhanden war (die eigene Stelle gefährdet wurde, die Möglichkeit bestand,<br />
dass das Ergebnis der <strong>Mediation</strong> von e<strong>in</strong>em höheren Gremium nicht getragen<br />
werden würde oder hohe Erwartungshaltungen geweckt wurden).<br />
3. Ob <strong>Mediation</strong> genutzt wird oder nicht könnte nicht so sehr von den strukturellen<br />
Gegebenheiten als vielmehr von der Situation des Entscheiders, d.h. von se<strong>in</strong>er<br />
Persönlichkeit (<strong>in</strong>sbesondere Offenheit für Neues) <strong>und</strong> dem Druck, dem er von<br />
außen ausgesetzt ist, abhängen.<br />
5.6.3 Zufriedenheit deutscher Unternehmen mit ihrem momentanen Konfliktmanagement<br />
Insgesamt zeigten sich die meisten U- zufrieden mit ihrem momentanen<br />
Konfliktmanagement, bei U+ waren mehr unzufrieden als zufrieden.<br />
1. Unzufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement könnte <strong>in</strong> Unternehmen<br />
mit <strong>Mediation</strong>serfahrung dazu geführt haben, dass <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> Anspruch<br />
genommen wurde.<br />
Gründe für die Zufriedenheit waren vor allem die Vermeidung von Konflikten sowie<br />
Konfliktmanagement-Kompetenz im Unternehmen, die e<strong>in</strong>en guten Umgang mit
179<br />
schwierigen Fällen ermöglicht. Zu Unzufriedenheit führten vor allem die klassischen<br />
Konfliktlösungsverfahren Gerichts <strong>und</strong> Schiedsgericht.<br />
5.6.4 Kompatibilität der Vermarktungsstrategien von Mediatoren mit den<br />
Erwartungen der Unternehmen<br />
Im ersten Teil dieser Arbeit (Hermann, 2002) wurden Hypothesen dazu formuliert,<br />
welche Vermarktungsstrategien für den Erfolg oder Misserfolg e<strong>in</strong>es Mediators<br />
verantwortlich se<strong>in</strong> könnten. E<strong>in</strong>e Reihe der dort aufgestellten Hypothesen wurden<br />
durch die Aussagen der Unternehmensvertreter bestätigt.<br />
Für die Unternehmen, die das Verfahren nutzen, s<strong>in</strong>d Gründe für die Anwendung<br />
von <strong>Mediation</strong> vor allem die Nachteile traditioneller Konfliktlösungsverfahren wie z.B.<br />
Prozesse. Außerdem wurden die Vorteile von <strong>Mediation</strong>, hier <strong>in</strong>sbesondere Zeit- <strong>und</strong><br />
Kosteneffizienz, hervorgehoben. Auch als Gründe für die Zufriedenheit mit dem/den<br />
selbst erlebten <strong>Mediation</strong>sverfahren wurden die Kosten- <strong>und</strong> Zeiteffizienz sowie der<br />
angenehme Umgang mit dem Konflikt <strong>und</strong> den Streitparteien genannt. Die im ersten<br />
Teil dieser Arbeit aufgestellt Hypothese, dass die erfolgversprechendsten Argumente<br />
für <strong>Mediation</strong> die Zeit- <strong>und</strong> Kosteneffizienz sowie die Vertraulichkeit <strong>und</strong> der<br />
zivilisierte Umgang mit dem Konflikt ist, wird hier zum<strong>in</strong>dest zu Teil bestätigt. Es lässt<br />
sich also folgende neue Hypothese aufstellen:<br />
1. Für Unternehmen könnten die Argumente „Kosten- <strong>und</strong> Zeiteffizienz“, die<br />
„Nachteile traditioneller Konfliktlösungsverfahren“ sowie e<strong>in</strong> „angenehmer<br />
Umgang mit dem Konflikt“ die überzeugendsten für e<strong>in</strong> <strong>Mediation</strong>sverfahren<br />
se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong>e Rolle sche<strong>in</strong>en auch der vorhandene Leidensdruck sowie die persönliche<br />
Neugier, die Offenheit für Neues, zu se<strong>in</strong>. Bei U- ist es vor allem die Zufriedenheit mit<br />
dem momentanen Konfliktmanagement, die gegen die Nutzung von <strong>Mediation</strong><br />
spricht: oft gibt es e<strong>in</strong>fach ke<strong>in</strong>en Bedarf, etwas Neues auszuprobieren.<br />
E<strong>in</strong> weiterer oft genannter Gr<strong>und</strong> ist die Angst vor psychologischen Themen <strong>und</strong><br />
Methoden. Dies deckt sich mit der Hypothese aus Teil 1, dass die „Arbeit auf der
180<br />
emotionalen Ebene“ ke<strong>in</strong> Argument für <strong>Mediation</strong> sei. Es lässt sich also folgende<br />
Hypothese aufstellen:<br />
2. Dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong> (auch) auf emotionaler Ebene gearbeitet wird, sche<strong>in</strong>t<br />
für Unternehmensvertreter eher abschreckend zu se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e Assoziation von<br />
<strong>Mediation</strong> mit Therapie sollte <strong>in</strong> der Vermarktung vermieden werden.<br />
Bedenken, die Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung gegen das Verfahren<br />
hatten, waren, dass sie Schwierigkeiten bei der Suche nach e<strong>in</strong>em Mediator haben<br />
könnten, <strong>und</strong> dass der Mediator nicht wirklich neutral <strong>und</strong> fachkompetent se<strong>in</strong> könnte.<br />
Hier lässt sich folgende Hypothese formulieren:<br />
3. Unternehmen könnten sich gegen <strong>Mediation</strong> entscheiden, weil sie Zweifel an der<br />
Fachkompetenz <strong>und</strong> der Neutralität e<strong>in</strong>es Mediators haben, <strong>und</strong> weil sie sich die<br />
Suche nach e<strong>in</strong>em geeigneten Mediator schwierig vorstellen.<br />
Die meisten Unternehmen sche<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>en Mediator von sich aus aktiv<br />
auszusuchen <strong>und</strong> nicht auf Initiative e<strong>in</strong>es Mediators h<strong>in</strong>. Meistens wurden<br />
Mediatoren empfohlen, z.B. von Bekannten. Für den konkreten Fall wurden auch<br />
schon bekannte Mediatoren ausgesucht, mit denen man z.B. schon persönlich, durch<br />
e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar oder durch die vorherige Zusammenarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen<br />
Zusammenhang bekannt war. Die Bedeutung der „<strong>in</strong>formellen Kontakte“ für e<strong>in</strong>en<br />
Mediator wurde bereits <strong>in</strong> Teil 1 formuliert worden <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det hier e<strong>in</strong>e weitere<br />
Bestätigung.<br />
Mehrere Unternehmen gaben allerd<strong>in</strong>gs auch an, Mitglied bei der gwmk zu se<strong>in</strong><br />
(bzw. werden zu wollen) <strong>und</strong> sich von dort Mediatoren empfehlen zu lassen. Dies<br />
widerspricht der <strong>in</strong> Teil 1 aufgestellten Hypothese, dass die Interessenvere<strong>in</strong>e für<br />
<strong>Mediation</strong> für die Vermarktung e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge bis ke<strong>in</strong>e Rolle spielen. Stattdessen lässt<br />
sich folgende Hypothese aufstellen:
181<br />
4. Für die erfolgreiche Vermarktung von Arbeits- bzw. <strong>Wirtschaft</strong>smediation könnte<br />
die gwmk im Gegensatz zu anderen Interessenverbände e<strong>in</strong>e besondere Rolle<br />
spielen .<br />
Wenn die Initiative vom Mediator ausgegangen war, hatte dieser sich persönlich im<br />
Unternehmen vorgestellt. Dieses Ergebnis stützt die <strong>in</strong> Teil 1 formulierte Hypothesen,<br />
dass erfolgreiche Mediatoren aktiv auf den Markt zugehen <strong>und</strong> sich im Unternehmen<br />
an die direkten Entscheider wenden. E<strong>in</strong>e weitere Hypothese aus Teil 1, die mit<br />
diesem Ergebnis gestützt wird, ist die, dass der Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators davon<br />
abhängt, ob er se<strong>in</strong>e potenziellen Mandanten zu e<strong>in</strong>em persönlichen Gespräch vor<br />
Ort überzeugen kann <strong>und</strong> nicht nur am Telefon über e<strong>in</strong>e mögliche <strong>Mediation</strong><br />
verhandelt.<br />
Geforderte Eigenschaften e<strong>in</strong>es Mediators s<strong>in</strong>d Fach- <strong>und</strong> Sozialkompetenz sowie<br />
(<strong>Mediation</strong>s-)Erfahrung. Hier wird die <strong>in</strong> Teil 1 formulierte Hypothese, dass der Erfolg<br />
als Mediator von der Berufserfahrung im Bereich <strong>Mediation</strong> abhängig sei, unterstützt.<br />
E<strong>in</strong> „passendes“ Alter wurde ebenfalls häufig als wichtige Eigenschaft e<strong>in</strong>es<br />
Mediators genannt. Dies widerspricht der <strong>in</strong> Teil 1 aufgestellten Hypothese, dass der<br />
Erfolg e<strong>in</strong>es Mediators nicht von se<strong>in</strong>em Alter abhängig sei. Unternehmen sche<strong>in</strong>en<br />
Mediatoren durchaus auch nach ihrem Alter auszusuchen, wobei nicht das absolute<br />
Alter, sondern eher das zum Fall <strong>und</strong> den Beteiligten passende Alter wichtig zu se<strong>in</strong><br />
sche<strong>in</strong>t.<br />
Von den Unternehmen wurde außerdem e<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung gefordert, dies<br />
allerd<strong>in</strong>gs nicht sehr häufig <strong>und</strong> nicht an erster Stelle. Diese Tatsache kann als<br />
Bestätigung für die <strong>in</strong> Teil 1 aufgestellte Hypothese gelten, dass Erfolg als Mediator<br />
nicht an das Absolvieren e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en <strong>Mediation</strong>sausbildung geb<strong>und</strong>en sei.
182<br />
5.7 Konsequenzen für die Vermarktung von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation<br />
Wenn die hier aufgestellten Hypothesen stimmen sollten, hätte dies e<strong>in</strong>e Reihe von<br />
Konsequenzen für die Vermarktung von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation. Im<br />
Folgenden soll daher e<strong>in</strong>e Zusammenstellung von Tipps gegeben werden, wie<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation zielgruppengerecht vermarktet werden könnte.<br />
Berücksichtigt werden dafür Hypothesen aus beiden Teilen dieser Arbeit.<br />
5.7.1 Strategien der Vermarktung<br />
Wie sollte e<strong>in</strong> Mediator auf den Markt, d.h. auf e<strong>in</strong> Unternehmen zugehen, um<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation erfolgreich zu verkaufen? Hier e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er möglichen chronologischen Reihenfolge. Es sollte allerd<strong>in</strong>gs noch e<strong>in</strong>mal<br />
unterstrichen werden, dass diese Empfehlungen (noch) nicht auf repräsentativen<br />
Forschungsergebnissen basieren, sondern auf den hier erstellten Hypothesen.<br />
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<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation bekannt machen. Viele Unternehmen wissen<br />
noch nichts von diesem Verfahren <strong>und</strong> entscheiden sich deshalb für andere<br />
Wege des Konfliktmanagements. Zeit für Öffentlichkeitsarbeit jeder Art für<br />
<strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> ist also gut <strong>in</strong>vestiert.<br />
Selbst bekannt werden. Die „erfolgreichen“ Mediatoren aus Teil 1 waren alle<br />
nicht nur durch ihre <strong>Mediation</strong>en, sondern auch durch Vorträge,<br />
Veröffentlichungen sowie Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung bekannt geworden. Bekannte<br />
Mediatoren werden auch von Unternehmensvertretern eher ausgewählt,<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich, weil sie für kompetenter gehalten werden.<br />
<strong>Mediation</strong>svere<strong>in</strong>e. Mitgliedschaft <strong>in</strong> Verbänden wie der CfM oder der BAFM hat<br />
ke<strong>in</strong>en positiven E<strong>in</strong>fluss auf die Akquise von Fällen, wie Wirtschafs- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediatoren übere<strong>in</strong>stimmend feststellen. In der <strong>Wirtschaft</strong> s<strong>in</strong>d sie<br />
unbekannt. Der e<strong>in</strong>zige <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong> bekannte <strong>und</strong> akzeptierte Verband<br />
sche<strong>in</strong>t die gwmk zu se<strong>in</strong>, von der sich Unternehmensvertreter auch Mediatoren<br />
empfehlen lassen. Hier ist e<strong>in</strong>e Mitgliedschaft also trotz der hohen Gebühren<br />
empfehlenswert.
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183<br />
Informelle Kontakte pflegen. Kontakte zu Bekannten, Kollegen oder sogar alten<br />
Studienfre<strong>und</strong>en können alle nützlich se<strong>in</strong>, um als <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediator empfohlen zu werden. Sie sollten gepflegt werden. Wie e<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>terviewter Mediator sagte: „Jede Dienstleistung beruht auf Empfehlung“ (G12-<br />
M).<br />
Innovatoren im Unternehmen ansprechen. Sollte die Hypothese stimmen, dass<br />
<strong>Mediation</strong>snutzer im Unternehmen „Innovatoren“ im S<strong>in</strong>ne von Rogers (1983)<br />
mit e<strong>in</strong>er höheren Risikobereitschaft, relativ großem E<strong>in</strong>fluss <strong>und</strong> Offenheit<br />
gegenüber Neuem s<strong>in</strong>d, so ist es die Aufgabe des Mediators, sie ausf<strong>in</strong>dig zu<br />
machen. In kle<strong>in</strong>eren Unternehmen ist der wichtigste Ansprechpartner der<br />
Geschäftsführer, <strong>in</strong> größeren der Leiter der Rechts- oder auch der<br />
Personalabteilung. Nicht <strong>in</strong> jedem Unternehmen wird es jemanden geben, der<br />
für dieses Verfahren offen ist (so könnte er z.B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen mit sehr<br />
autoritärer Streitkultur schwer zu f<strong>in</strong>den se<strong>in</strong>), aber ist er erst e<strong>in</strong>mal gef<strong>und</strong>en,<br />
wird er e<strong>in</strong> wichtiger Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt für die Vermarktung von <strong>Wirtschaft</strong>s<strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation se<strong>in</strong>. Natürlich ist es auch wichtig, Unternehmen zu<br />
f<strong>in</strong>den, bei denen bereits e<strong>in</strong>e gewisse Unzufriedenheit mit dem bisherigen<br />
Konfliktmanagement gegeben ist <strong>und</strong> somit e<strong>in</strong> Leidensdruck besteht, der e<strong>in</strong>e<br />
größere Offenheit gegenüber Neuem bed<strong>in</strong>gen könnte.<br />
Intern <strong>in</strong> Unternehmen arbeiten. E<strong>in</strong>e Reihe von Unternehmen sche<strong>in</strong>en es<br />
vorzuziehen, <strong>in</strong>terne statt externe Mediatoren zu nutzen oder sogar große Teile<br />
des Personals <strong>in</strong> Techniken des Konfliktmanagements auszubilden. Hier bieten<br />
sich reichhaltige Möglichkeiten für Mediatoren <strong>in</strong> der <strong>Wirtschaft</strong>. Es ist also<br />
s<strong>in</strong>nvoll, vielleicht schon auf e<strong>in</strong>em anderen Weg mit dem Unternehmen <strong>in</strong><br />
Kontakt zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>Mediation</strong> dann als zusätzliches Angebot e<strong>in</strong>zuführen. So<br />
ist es auch möglich, wie <strong>in</strong> Teil 1 empfohlen, <strong>Mediation</strong> an bereits bestehende<br />
Möglichkeiten des Konfliktmanagements anzuschließen.<br />
Das direkte Gespräch suchen. <strong>Mediation</strong> lässt sich nicht gut über<br />
Akquiseschreiben oder am Telefon verkaufen. Soweit möglich, sollte der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediator e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> im Unternehmen machen, um
184<br />
das Verfahren persönlich vorzustellen – am besten bei e<strong>in</strong>em vorher ausf<strong>in</strong>dig<br />
gemachten Innovator.<br />
5.7.2 Argumente für <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation<br />
Wenn e<strong>in</strong> persönliches Gespräch arrangiert ist, wie sollte dann für <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation geworben werden? Es ist vor allem wichtig, sich <strong>in</strong> Form <strong>und</strong> Inhalt<br />
der Präsentation des Verfahrens den Erwartungen der Zielgruppe anzupassen.<br />
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Sich kurz fassen. „Erfolgreiche“ Mediatoren werben mit wenigen,<br />
schlagkräftigen Argumenten <strong>und</strong> stehlen nicht unnötig die Zeit der<br />
Kontaktperson im Unternehmen. Es ist s<strong>in</strong>nvoll, e<strong>in</strong>e kurze, prägnante<br />
Präsentation zu erarbeiten <strong>und</strong> zu üben.<br />
Zeit- <strong>und</strong> Kosteneffizienz. Dies s<strong>in</strong>d die Vorteile, die Unternehmensvertretern<br />
wichtig s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die von ihnen an <strong>Mediation</strong>sverfahren als positiv<br />
wahrgenommen werden, <strong>und</strong> die Argumente, mit denen „erfolgreiche“<br />
Mediatoren vorrangig werben. E<strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediator muss sich<br />
auf se<strong>in</strong>e Zielgruppe e<strong>in</strong>stellen, für die die Maxime „Zeit ist Geld“ immer noch<br />
große Bedeutung hat.<br />
Zivilisierter Umgang mit Konflikten, Vertraulichkeit. Dies s<strong>in</strong>d weitere Argumente<br />
der „erfolgreichen“ Mediatoren <strong>und</strong> Aspekte des Verfahrens, die von den<br />
Unternehmensvertretern positiv beurteilt werden.<br />
Ke<strong>in</strong>e zu „psychologischen“ Argumente. Gerät <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation <strong>in</strong> der Vorstellung des Gesprächspartners <strong>in</strong> die Nähe von<br />
Therapie, ist dies für den typischen Unternehmensvertreter abschreckend. Dass<br />
Gefühle bearbeitet werden, mag sich während des Verfahrens ergeben, es<br />
sollte aber nicht bei der Präsentation betont werden. Gleiches gilt für die von<br />
Mediatoren fast immer <strong>und</strong> von Unternehmensvertretern nie genannten<br />
„Eigenverantwortlichkeit“. Zwar wird <strong>Mediation</strong> <strong>in</strong> der Literatur oft so<br />
beschrieben, für e<strong>in</strong>en Unternehmensvertreter kl<strong>in</strong>gt dies allerd<strong>in</strong>gs eher nach<br />
e<strong>in</strong>er Bürde als nach e<strong>in</strong>em Vorteil. E<strong>in</strong>e empfehlenswerte Alternative könnte<br />
„Kontrolle“ während des Verfahrens se<strong>in</strong>.
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185<br />
Nachteile traditioneller Konfliktlösungsverfahren. Gerade im Zusammenhang mit<br />
Zeit- <strong>und</strong> Kosteneffizienz lassen sich für e<strong>in</strong> Unternehmen wichtige<br />
Unterschiede zu e<strong>in</strong>em Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren<br />
herausarbeiten: <strong>Mediation</strong> ist schneller <strong>und</strong> billiger, <strong>und</strong> sie h<strong>in</strong>terlässt ke<strong>in</strong>e<br />
„verbrannte Erde“. In diesen Zusammenhang gehört auch die mögliche<br />
Unzufriedenheit mit dem momentanen Konfliktmanagement im Unternehmen,<br />
über das vorher so viel wie möglich <strong>in</strong> Erfahrung gebracht werden sollte. Es<br />
empfiehlt sich allerd<strong>in</strong>gs, <strong>in</strong> diesem Bereich sehr vorsichtig zu argumentieren.<br />
Eigenwerbung. Es ist wichtig, die eigene Fachkompetenz, Sozialkompetenz,<br />
Erfahrungen <strong>in</strong> ähnlichen Fällen, <strong>Mediation</strong>sausbildung <strong>und</strong> eventuell sogar<br />
Erfolgsquoten zu unterstreichen. Da den Unternehmensvertretern<br />
Fachkompetenz sehr wichtig ist, kann es für e<strong>in</strong>en Mediator notwendig se<strong>in</strong>,<br />
sich auf e<strong>in</strong>en bestimmten <strong>Wirtschaft</strong>szweig zu konzentrieren, <strong>in</strong> dem er sich<br />
glaubwürdig als Spezialist ausweisen kann. Sozialkompetenz lässt sich am<br />
besten persönlich darstellen, e<strong>in</strong> weiterer Gr<strong>und</strong>, immer den direkten Kontakt zu<br />
suchen.
5.7 Diskussion <strong>und</strong> Ausblick<br />
186<br />
In diesem letzten Teil der Arbeit werden die wichtigsten Ergebnisse zusammen<br />
gefasst <strong>und</strong> <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die Zielsetzung ausgewertet. Außerdem werden H<strong>in</strong>weise<br />
für zukünftige Forschungen gegeben.<br />
Die Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation <strong>in</strong> Deutschland hängt<br />
sche<strong>in</strong>bar von e<strong>in</strong>er Reihe von Faktoren ab. Zum e<strong>in</strong>en ist da die Art, <strong>in</strong> der das<br />
Verfahren von den Diffusionsagenten (Kaas 1973), also den Mediatoren, dargestellt<br />
wird. Dieser Aspekt wurde im ersten Teil dieser Arbeit behandelt. Der andere<br />
wichtige Faktor, von dem die Akzeptanz des Verfahrens abhängt, s<strong>in</strong>d die von den<br />
potenziellen K<strong>und</strong>en wahrgenommenen Eigenschaften des Verfahrens, se<strong>in</strong>er Vor-<br />
<strong>und</strong> Nachteile sowie dem Risiko, das sie e<strong>in</strong>gehen, wenn sie sich entscheiden, es<br />
auszuprobieren. Dieser Aspekt wurde im vorliegenden zweiten Teil der Arbeit näher<br />
untersucht.<br />
Bei den <strong>in</strong>terviewten Unternehmensvertretern konnte festgestellt werden, dass es<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von Unterschieden zwischen Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung gibt. Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung haben e<strong>in</strong>e<br />
differenziertere Vorstellung von <strong>Mediation</strong> <strong>und</strong> nehmen aus ihrer Umwelt mehr<br />
akzeptanzfördernde Informationen über das Verfahren wahr. Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung erhalten dagegen mehr akzeptanzhemmende Informationen,<br />
was sicherlich auch e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> dafür ist, dass sie Bedenken bezüglich <strong>Mediation</strong><br />
haben, wie z.B., dass der Mediator parteilich oder nicht fachkompetent se<strong>in</strong> könnte.<br />
Schon e<strong>in</strong>e bessere Verbreitung von Informationen über <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation könnte hier e<strong>in</strong>e bessere Akzeptanz des Verfahrens br<strong>in</strong>gen.<br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung haben mehr schlechte Erfahrungen mit<br />
Externen gemacht, was ihre skeptische Haltung gegenüber e<strong>in</strong>em externen Mediator<br />
begründen könnte. E<strong>in</strong>ige Unternehmen, die <strong>Mediation</strong> nutzen, umgehen dieses<br />
Problem, <strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong>terne Mediatoren ausbilden oder sogar alle Mitarbeiter <strong>in</strong><br />
Konfliktmanagement schulen lassen. Hier bietet sich für Mediatoren e<strong>in</strong> bisher noch<br />
zu wenig beachtetes Tätigkeitsfeld.
187<br />
In Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung ist häufiger e<strong>in</strong> autoritärer Umgang mit<br />
Konflikten anzutreffen, der als „Nährboden“ für <strong>Mediation</strong> natürlich nicht sehr<br />
geeignet ist. Auch e<strong>in</strong> partizipativer Umgang mit Konflikten wurde bei dieser Gruppe<br />
verstärkt festgestellt, was aber auch daran liegen könnte, dass dieser „partizipative“<br />
Stil begrifflich (<strong>und</strong> damit auch <strong>in</strong> der Kodierung) oft schwer vom autoritären Stil <strong>und</strong><br />
auch von der H<strong>in</strong>zuziehung e<strong>in</strong>es externen Dritten zu unterscheiden ist. E<strong>in</strong>e<br />
genauere <strong>und</strong> f<strong>und</strong>iertere Operationalisierung ist hier für zukünftige<br />
Forschungsvorhaben unbed<strong>in</strong>gt notwendig. E<strong>in</strong> weiteres Problem lag hier auch <strong>in</strong> der<br />
etwas unglücklichen Formulierung der Frage im Interview: es wurde danach gefragt,<br />
wer entscheidet, wie mit e<strong>in</strong>em Konflikt umgegangen wird, <strong>und</strong> nicht, wer den Konflikt<br />
entscheidet .<br />
In der Zufriedenheit mit dem bisherigen Konfliktmanagement zeigten sich deutliche<br />
Unterschiede zwischen Unternehmen mit <strong>und</strong> ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung.<br />
Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung zeigten sich im Schnitt unzufriedener mit dem<br />
bisherigen Umgang mit Konflikten, was dazu geführt haben könnte, dass sie sich<br />
dann neuen Methoden zuwandten. Allerd<strong>in</strong>gs hätte auch hier die Frage im Interview<br />
e<strong>in</strong>deutiger gestellt werden können: gefragt wurde nach der „Zufriedenheit mit dem<br />
bisherigen Konfliktmanagement“ – für die Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung war<br />
es wahrsche<strong>in</strong>lich nicht ganz e<strong>in</strong>deutig, ob mit „bisherig“ nur die Zeit vor oder auch<br />
die Zeit nach der E<strong>in</strong>führung von <strong>Mediation</strong> geme<strong>in</strong>t war.<br />
Unternehmen ohne <strong>Mediation</strong>serfahrung beschrieben sich <strong>in</strong> den Interviews als<br />
<strong>in</strong>sgesamt zufriedener mit ihrem bisherigen Konfliktmanagement. Wenn dies<br />
tatsächlich der Fall ist, so ist bei ihnen wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>fach ke<strong>in</strong> Anlass gegeben,<br />
etwas zu ändern <strong>und</strong> z.B. e<strong>in</strong> neues Verfahren wie <strong>Mediation</strong> auszuprobieren.<br />
Zufriedenheit wurde <strong>in</strong> dieser Untersuchung nur <strong>in</strong> den oberen Hierarchieebenen<br />
erfasst. Aus diesen Ergebnissen lässt sich natürlich nicht auf die Zufriedenheit aller<br />
Mitarbeiter im Unternehmen schließen: was den Vorgesetzten gefällt, muss den<br />
Mitarbeitern noch lange nicht gefallen. E<strong>in</strong>e umfassendere Untersuchung <strong>in</strong> ganzen<br />
Betrieben (z.B. <strong>in</strong> Stichproben auf allen Hierarchieebenen) würde hier e<strong>in</strong><br />
differenzierteres <strong>und</strong> realitätsgetreueres Bild der Zufriedenheit mit dem<br />
Konfliktmanagement geben.
188<br />
In e<strong>in</strong>er späteren Untersuchung wäre es auch s<strong>in</strong>nvoll, die Zahl der aktiv <strong>und</strong><br />
passiv geführten Prozesse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen als Kovariable für die<br />
Zufriedenheit mit dem Konfliktmanagement zu erfassen, da die meisten<br />
Unternehmen angaben, dass ihnen die Vermeidung von Prozessen besonders<br />
wichtig sei.<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation sche<strong>in</strong>t sich <strong>in</strong> Deutschland vor allem über<br />
persönliche Kontakte (<strong>in</strong>sbesondere von Unternehmensvertretern zu Mediatoren)<br />
sowie über <strong>in</strong>ner- <strong>und</strong> außerbetriebliche Schulungen zu verbreiten. Die Kontakte<br />
deutscher Unternehmen zu den USA sche<strong>in</strong>en, entgegen der These von Risse<br />
(1988), nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gfügige bis gar ke<strong>in</strong>e Rolle zu spielen.<br />
Mediatoren <strong>und</strong> Dozenten s<strong>in</strong>d natürlich nicht die e<strong>in</strong>zigen Diffusionsagenten (Kaas<br />
1973) für das Verfahren <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation <strong>in</strong> Deutschland. Um e<strong>in</strong><br />
noch genaueres Bild davon zu bekommen, wie <strong>Mediation</strong> von<br />
Unternehmensvertretern wahrgenommen wird, wäre es s<strong>in</strong>nvoll, das Bild, das von<br />
<strong>Mediation</strong> im Fernsehen, Fachzeitschriften, Tageszeitungen <strong>und</strong> anderen Medien zu<br />
analysieren, die <strong>in</strong> Unternehmen konsumiert werden.<br />
Auch die <strong>Mediation</strong>sverbände könnten als Diffusionsagenten für <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong><br />
Arbeitsmediation agieren. Tatsächlich wird aus dem breiten Spektrum der Verbände<br />
nur die gwmk von der <strong>Wirtschaft</strong> wahrgenommen <strong>und</strong> auch genutzt, um sich<br />
Mediatoren empfehlen zu lassen. Warum gerade die gwmk so erfolgreich ist, wäre<br />
e<strong>in</strong>e Untersuchung wert – alle<strong>in</strong> aus dem Gr<strong>und</strong>, dass andere Verbände dann<br />
wüssten, woran sie noch arbeiten müssen, um e<strong>in</strong>en ähnlichen E<strong>in</strong>fluss zu erlangen.<br />
Ob <strong>Mediation</strong> tatsächlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen genutzt wird oder nicht sche<strong>in</strong>t vor<br />
allem von der Person des Entscheiders abzuhängen, von se<strong>in</strong>er persönlichen<br />
Disposition (d.h., ob er sich selbst als risikofreudig <strong>und</strong> offen gegenüber Neuem sieht<br />
<strong>und</strong> damit nach Rogers (1988) e<strong>in</strong> „Innovator“ ist), <strong>und</strong> wie stark der Druck ist, der<br />
von außen auf ihn ausgeübt wird.
189<br />
Im Vergleich der Ergebnisse aus dem ersten <strong>und</strong> zweiten Teil der Arbeit zeigte<br />
sich, dass die Vermarktungsstrategien der Mediatoren <strong>und</strong> die Erwartungen der<br />
Unternehmen noch nicht optimal aufe<strong>in</strong>ander abgestimmt s<strong>in</strong>d. Für die Unternehmen<br />
s<strong>in</strong>d vor allem die Argumente „Kosten- <strong>und</strong> Zeiteffizienz“ sowie e<strong>in</strong> „angenehmer<br />
Umgang mit dem Konflikt“ die ausschlaggebenden. Diese Aspekte von <strong>Wirtschaft</strong>s-<br />
<strong>und</strong> Arbeitsmediation werden von Mediatoren noch nicht genügend unterstrichen.<br />
Manche Mediatoren werben damit, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Mediation</strong> auch auf der<br />
„emotionalen Ebene“ gearbeitet wird – e<strong>in</strong> Aspekt, der auf die Unternehmensvertreter<br />
eher abschreckend wirkt. Im Abschnitt 5.4 werden konkrete H<strong>in</strong>weise dafür gegeben,<br />
wie sich e<strong>in</strong> <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediator mit H<strong>in</strong>blick auf se<strong>in</strong>e Zielgruppe<br />
vermarkten sollte. Auch hier wäre es natürlich <strong>in</strong>teressant, zu untersuchen, ob die<br />
Befolgung der H<strong>in</strong>weise tatsächlich zu größerem Erfolg bei der Akquise von Fällen<br />
führt.<br />
Die meisten Unternehmen lassen sich e<strong>in</strong>en Mediator empfehlen: von Bekannten,<br />
Kollegen oder auch von der gwmk. Manche s<strong>in</strong>d auch bereits mit Mediatoren<br />
bekannt, aus denen dann e<strong>in</strong>er ausgewählt wird. In der hier untersuchten Stichprobe<br />
erfolgte die Auswahl selten auf Initiative des Mediators h<strong>in</strong> – wenn dies der Fall war,<br />
hatte der Mediator sich persönlich im Unternehmen vorgestellt. Im H<strong>in</strong>blick auf diese<br />
Ergebnisse sche<strong>in</strong>en Vermarktungsstrategien wie Anzeigen oder Akquiseschreiben,<br />
die von vielen <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediatoren genutzt werden, wenig<br />
erfolgversprechend zu se<strong>in</strong>.<br />
Von e<strong>in</strong>em Mediator erwarten die Unternehmensvertreter vor allem Fach- <strong>und</strong><br />
Sozialkompetenz sowie relevante Erfahrungen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Mediation</strong>sausbildung. Um<br />
e<strong>in</strong> noch genaueres Bild von den Erwartungen der Unternehmen an Mediatoren zu<br />
haben, wäre es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er späteren Untersuchung s<strong>in</strong>nvoll, spezifische Punkte wie z.B.<br />
den präferierten Beruf des Mediators (z.B. Rechtsanwalt oder Psychologe), die Art<br />
der <strong>Mediation</strong>sausbildung, welche Erfahrungen gewünscht werden usw. e<strong>in</strong>zeln<br />
abzufragen.<br />
Insgesamt lässt sich sagen, dass Mediatoren noch viel Arbeit leisten müssen, um<br />
die Akzeptanz für das Verfahren <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation zu erhöhen <strong>und</strong><br />
für sich selbst effektiv zu werben. Aber es gibt auch Ergebnisse, die Mut machen: so
190<br />
z.B., dass alle Unternehmen mit <strong>Mediation</strong>serfahrung hoch zufrieden mit dem<br />
Verfahren waren, <strong>und</strong> dass etwa die Hälfte der Unternehmen ohne<br />
<strong>Mediation</strong>serfahrung angab, an dem Verfahren durchaus <strong>in</strong>teressiert zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> es<br />
eventuell <strong>in</strong> Zukunft nutzen zu wollen.<br />
Das Ziel dieser Arbeit war es, mit e<strong>in</strong>er für qualitative Forschung angemessenen<br />
Stichprobengröße von 19 Mediatoren <strong>und</strong> 15 Unternehmensvertretern Hypothesen<br />
zur mangelnden Akzeptanz von <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation <strong>in</strong> Deutschland zu<br />
generieren. In den Ergebnisse zeichnen sich drei große Aspekte ab: zunächst die<br />
Unbekanntheit des Verfahrens. Nach Rogers (1983, s. Kap. 2.3.3) bef<strong>in</strong>det sich<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation damit noch auf der ersten Stufe der Verbreitung<br />
e<strong>in</strong>er Innovation: es ist noch nicht genügend Wissen über diese Innovation<br />
vorhanden, die es potenziellen Nutzern ermöglichen würde, e<strong>in</strong>e bestimmte Haltung<br />
ihr gegenüber e<strong>in</strong>zunehmen. Nach Lucke (1988, s. Kap. 2.2.2) kann also noch nicht<br />
von e<strong>in</strong>er Akzeptanz von <strong>Mediation</strong> die Rede se<strong>in</strong>.<br />
Der zweite Aspekt, der sich <strong>in</strong> den Ergebnissen abzeichnet, ist die Inkompatibilität<br />
der Vermarktungsstrategien der Mediatoren mit den Erwartungen der Unternehmen.<br />
Die hier formulierten Empfehlungen decken sich mit denen von Stülb von Klimesch<br />
(1999, s. Kap. 2.1.8), müssen aber natürlich noch daraufh<strong>in</strong> überprüft werden, ob<br />
ihre Umsetzung tatsächlich zu e<strong>in</strong>em größeren Erfolg als Mediator führt.<br />
Der dritte <strong>und</strong> letzte Aspekt ist die Situation <strong>in</strong> der Unternehmen, den potenziellen<br />
Nutzern der Innovation <strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation. Neben Unwissen über das<br />
Verfahren kann auch die Zufriedenheit mit dem Status Quo e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>, <strong>Mediation</strong><br />
nicht zu nutzen: laut March <strong>und</strong> Simon (1976) ist e<strong>in</strong> gewisser Leidensdruck wichtig,<br />
um Veränderungsbereitschaft zu schaffen. Außerdem sche<strong>in</strong>t die Kultur des<br />
Konfliktmanagements <strong>in</strong> manchen Unternehmen eher autoritär zu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> damit mit<br />
dem egalitären, offen Verfahren <strong>Mediation</strong> nicht kompatibel zu se<strong>in</strong>.<br />
Es bietet sich also e<strong>in</strong> weites Feld für weitere Forschung zur Akzeptanz von<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsmediation, zur Überprüfung der hier aufgestellten<br />
Hypothesen, zur weiteren Analyse der Zielgruppe <strong>und</strong> der Entwicklung effektiver<br />
Vermarktungsstrategien.
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