31.12.2012 Aufrufe

Ist der Zug schon abgefahren? - Gesamtkirchengemeinde Schwäbisch Hall

Ist der Zug schon abgefahren? - Gesamtkirchengemeinde Schwäbisch Hall

Ist der Zug schon abgefahren? - Gesamtkirchengemeinde Schwäbisch Hall

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

© pixelio.de<br />

GLAUBE 50 JAHRE IN ZWEITES DER ZEITVATIKANISCHES<br />

KONZIL<br />

Kirche bei den Menschen<br />

Plötzlich und unerwartet stand die Nachricht im Raum. Als Übergangskandidat<br />

gewählt, verblüffte <strong>der</strong> <strong>schon</strong> ältere und kränkliche<br />

Papst Johannes XXIII nicht nur die katholische Kirche, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Welt mit seiner Absicht, ein Konzil einzuberufen. Das zeichenhafte<br />

Öffnen <strong>der</strong> Fenster ist in die Geschichte eingegangen: frischer<br />

Wind sollte wie<strong>der</strong> durch die alten Gemäuer <strong>der</strong> Kirche strömen.<br />

Bei <strong>der</strong> römischen Kurie stieß das Vorhaben des Papstes nicht auf<br />

Gegenliebe. Mit dem letzten Konzil, dem Ersten Vatikanischen Konzil<br />

sei alles gesagt, so die dortige Meinung. Die, von <strong>der</strong> Kurie auf<br />

Wunsch des Papstes entworfenen, 73 Beratungsschemata zeugten<br />

daher vom Geist früherer und vergangener Zeiten.<br />

Konziliarer Prozess<br />

Die Bischöfe aus allen Teilen <strong>der</strong> Welt weigerten sich, die Schemata<br />

ab zu nicken. Es war ein folgenreicher Akt <strong>der</strong> bischöflichen Selbstbehauptung.<br />

Sie wollten die anstehenden Fragen selbst erörtern<br />

und stießen so einen wahrhaft konziliaren Prozess an.<br />

Die Zeiten hatten sich gewandelt. Die Kirche musste Stellung beziehen:<br />

zum Schrecken des Zweiten Weltkriegs und dem Versagen<br />

<strong>der</strong> Katholischen Kirche, zur Suche nach Sinn und geistlicher Ortlosigkeit<br />

vieler Menschen, aber auch zum bedrohten Frieden durch<br />

die beginnende Hochrüstung in Ost und West. Die Bischöfe wollten<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage des Evangeliums Antworten auf die Fragen <strong>der</strong><br />

Menschen geben. Sie waren <strong>der</strong> Überzeugung, dass die Kirche mitten<br />

in <strong>der</strong> Welt bei den Menschen sein muss. Dabei nahmen sie sich<br />

den, von Papst Johannes XXIII geprägten, Begriff „aggiornamento“<br />

zu eigen. Die Kirche solle sich auf den Stand <strong>der</strong> Zeit bringen. Nicht<br />

indem sie sich dem Zeitgeist anbietet und je<strong>der</strong> Mode nachläuft,<br />

son<strong>der</strong>n sich dem Dialog <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne stellt und die aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Menschen aufgreift.<br />

Stunde <strong>der</strong> jungen Theologen<br />

Junge Theologen, wie Josef Ratzinger, Karl Lehmann, Hans Küng,<br />

Karl Rahner, Bernhard Häring, o<strong>der</strong> die beiden Dominikaner Yves<br />

Congar und Edward Schillebeeckx profilierten sich als Berater ihrer<br />

Bischöfe. Es war oft die Stunde dieser Männer, die die Kraft, den<br />

Geist und oft auch den Mut hatten, die fertigen Vorlagen <strong>der</strong> Kurie<br />

infrage zu stellen. In nächtlichen Aktionen und mit primitiven Vervielfältigungsgeräten<br />

schufen die jungen Theologen Gegentexte zu<br />

den kurialen Schemata und entwarfen zeitgemäße Antworten auf<br />

die Anliegen <strong>der</strong> Menschen.<br />

Weltweite Kirche<br />

Ohnehin öffnete das Konzil den Horizont <strong>der</strong> Kirche. Sie sah sich<br />

als pilgerndes Volk Gottes in <strong>der</strong> Welt, als eine Gemeinschaft, in <strong>der</strong><br />

alle zunächst einmal in ihrer Würde als Christen gleich sind und die<br />

Ämter nur als ein Dienst innerhalb dieser Gleichheit zu verstehen<br />

sind. Aus Häretikern und Schismatiker wurden „getrennte Brü<strong>der</strong>“<br />

im Glauben. Und die Bischöfe entdeckten die Kollegialität ihrer<br />

Gemeinschaft. Kirche ist wie ein Netz von bischöflich verfassten<br />

Ortskirchen, die untereinan<strong>der</strong> in enger Gemeinschaft (Communio)<br />

stehen. Der weltweite Aspekt wurde auch beim Einzug in die Peterskirche<br />

deutlich, denn Bischöfe verschiedener Hautfarben und<br />

Nationalitäten prägten das Bild.<br />

Kirche <strong>der</strong> Armen<br />

Dass das Konzil auch ganz konkret Antworten auf soziale Fragen<br />

<strong>der</strong> Menschen geben muss, lag auf <strong>der</strong> Hand. Zu Beginn des Konzils<br />

sprach Johannes XXIII von <strong>der</strong> Kirche <strong>der</strong> Armen. Er wollte darauf<br />

aufmerksam machen, dass die Armen die Kirche überhaupt repräsentierten.<br />

„Sie sind die Mehrheit des Volkes Gottes in <strong>der</strong> heutigen<br />

Welt.“ 40 Bischöfe griffen das Motto im sogenannten Katakombenpakt<br />

auf und versprachen sich gegenseitig, ein einfaches Leben zu<br />

führen und den Machtinsignien zu entsagen, sowie einen Pakt mit<br />

den Armen zu schließen.<br />

<strong>Ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Zug</strong> <strong>abgefahren</strong>?<br />

Wenn man Zeitgenossen des Konzils nach ihren Eindrücken fragt, so<br />

ist oft die Begeisterung zu spüren, die sie erfüllte. Sie sprechen vom<br />

Geist des Aufbruchs, <strong>der</strong> die Kirche erfasst habe und reden von <strong>der</strong><br />

Öffnung <strong>der</strong> Kirche zur Welt, die viele <strong>der</strong> verkrusteten Institution<br />

gar nicht zugetraut hätten.<br />

Nicht wenige von damals sind frustriert. Ihre Hoffnungen und Visionen<br />

wurden nicht erfüllt. Sie sehen das offene Fenster von damals<br />

als längst geschlossen, wenn nicht sogar zugenagelt an. Sie<br />

bemängeln, dass die Fragen, die vor 50 Jahren gestellt wurden, bis<br />

heute noch nicht beantwortet seien. Sie sind entmutigt und trauen<br />

<strong>der</strong> Kirche keine Verän<strong>der</strong>ungskraft mehr zu. Viele haben resigniert.<br />

50 Jahre Konzil. Alois Glück vom Zentralkomitee <strong>der</strong> deutschen Katholiken<br />

hat Recht, wenn er sagt, dass sich die Kirche nicht in die<br />

Sakristei zurückziehen dürfe. Kirche bei und unter den Menschen<br />

war das große Ergebnis des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dieses<br />

Erbe gilt es zu bewahren, aber auch immer wie<strong>der</strong> neu zu beleben<br />

und in die Gegenwart zu übersetzen. Der Dialogprozess ist ein erster<br />

und wichtiger Schritt dazu. Weitere müssen folgen, damit das<br />

Konzil nicht nur Geschichte bleibt. Dann ist <strong>der</strong> <strong>Zug</strong> auch nicht<br />

<strong>abgefahren</strong>, son<strong>der</strong>n er steht bereit, um mit den Menschen zum<br />

neuen Aufbruch zu fahren. Wolfram Rösch<br />

Information:<br />

Von Januar bis März findet in St. Markus eine Bildungsreihe<br />

zum Zweiten Vatikanischen Konzil statt. Im Mittelpunkt<br />

stehen die Vorgeschichte, die Texte, die Erinnerung <strong>der</strong> Zeitzeugen<br />

und die Bedeutung des Konzils für die heutige Kirche.<br />

Nähere Informationen gibt es auf <strong>der</strong> Homepage, im KEB Bildungsprogramm,<br />

und im nächsten FORUM.<br />

forum | 3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!