Christian Booß Am Pfarracker 50 12209 Berlin 0171-5311140 ...
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Wir sollten uns erinnern, wie es zum Thema Vergangenheitsaufarbeitung kam. Nicht die<br />
Enquete hat alte Wunden aufgerissen. Die SPD und die Regierung war es selbst, als sie mit<br />
der PDS/Linkspartei eine Koalition eingingen, ohne vorher genügend zurückgeblickt zu<br />
haben. Fast 20 Jahre nach der deutschen Einheit saßen überdurchschnittlich viele<br />
ehemalige IM in der Fraktion ihres Koalitionspartners. Das war Anlass für viele Fragen. Mit<br />
einem Versöhnungsdiktat vom Regierungssessel aus war nichts getan. Das Land (und auch<br />
Teile der SPD) war mit der abrupten Umarmung der Linken überfordert und irritiert.<br />
t<br />
Aufklärung war gefragt, das war die Geburtsstunde der Enquete. Und wir waren froh, als<br />
auch von Ihnen und Vernünftigen Stimmen in Ihrer Partei das Signal kam, dass die SPD, die<br />
Regierung mittun will. Denn was wir bei diesem Thema nicht wollten, war Parteienstreit. Was<br />
wir jetzt haben, ist Parteienstreit, z.T. auf niedrigstem Niveau.<br />
Losgetreten hat den Parteienstreit freilich nicht die Enquete, sondern Mitglieder der Partei,<br />
der Sie vorstehen. Ich räume gerne ein, dass auch manches Wort und mancher Vorschlag<br />
von der ‚anderen Seite’ nicht immer glücklich ist. Doch Insbesondere Ihr<br />
Fraktionsvorsitzender ist die Enquete und einzelne Gutachter auf eine Weise angegangen,<br />
die mit zivilisierten Umgangsnormen in einem Parlament schwerlich zu vereinbaren sind.<br />
Gäste des Landtages, die für verhältnismäßig wenig Geld eine schwierige Aufgabe als<br />
Gutachter zu bewältigen haben, behandelt man so nicht. Hat man gehört, dass sich die<br />
Enquetevorsitzende, der Landtagspräsident, beide Mitglieder Ihrer Partei, vor die Gutachter<br />
gestellt hätten.<br />
Es war schon schwer Gutachter mit Niveau zu finden, viele haben im Vorfeld abgewunken,<br />
sind in der Vertragsphase abgesprungen, jetzt gibt es die ersten Rücktritte. Zuletzt hat der<br />
stellvertretenden Stasi-Landesbeauftragte aus <strong>Berlin</strong>, Jens Schöne seinen Gutachterauftrag<br />
zurückgegeben. Er ist Urbrandenburger und für das wichtige Thema ‚Umbildung der<br />
Landwirtschaft in der DDR’ einer der besten Experten, die es in Deutschland überhaupt gibt.<br />
Statt durch das Tal unangenehmer Botschaften hindurch zu schreiten, sucht die<br />
Regierungsmehrheit inzwischen unangenehmes durch billige Polemiken und teilweise wenig<br />
seriöse Äußerungen wegzudrücken.<br />
Es sei darum gegangen Blutvergießen zu vermeiden, in der friedlichen Revolution sei daher<br />
die Politik der zweiten Chance entwickelt worden, behauptet ihr Fraktionsvorsitzender.<br />
Nun ja. Die Revolution war schon lange vorbei, als sich in der zweiten Jahreshälfte 1990 die<br />
brandenburgischen Politik neu formierte. Eine zweite Chance sollte Stasileuten gegeben<br />
werden, ja, aber im normen Leben, nicht mit Anspruch auf einen Spitzenjob in Wirtschaft,<br />
Staat und Parlament. Und die These vom Blutvergießen ist, so wissen wir heute, eine<br />
Stasilegende, mit der ein zu Viel an Veränderung von vornherein verhindert werden sollte.<br />
Oder hat etwa die PDS Brandenburg mit Barrikadenkämpfen gedroht, falls der ehemalige<br />
Potsdamer SED-Chef Heinz Vietze wegen seiner Stasi- und SED-Vergangenheit das<br />
Parlament verlassen müsste?<br />
Auch der Politikrentner Manfred Stolpe muss jetzt wieder ran. Nicht die Enquete, die SPD<br />
selbst hat ihn hervorgeholt. In der Enquetevorbereitung war immer klar, es soll keinen neuen<br />
Stolpe-Untersuchungsausschuss geben. Denn zu diesem Thema ist eigentlich alles gesagt:<br />
Stolpe hat sich als hoher Kirchenfunktionär nach eigenen Angaben 200 mal konspirativ, also<br />
ohne Wissen seiner Bischöfe, mit Stasioffizieren getroffen. Die einen halten das für<br />
besonders listig, andere finden das abstoßend, zumal es in der evangelischen Kirche der<br />
DDR eigentlich untersagt war, geheime Stasikontakte zu pflegen. Wozu das neu aufkochen,<br />
jeder hat da seine Meinung? Selbst neue Fakten würden wohl kaum etwas an den<br />
Meinungen ändern.