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Sondernewsletter Apothekenrecht - Messner Dönnebrink

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<strong>Sondernewsletter</strong> <strong>Apothekenrecht</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Fertigspritzen Auseinzelung – Kein Verstoß gegen Zulassungspflicht – OLG München zu<br />

Lucentis …………………………………………………………………..…………………………...2<br />

Keine Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel bei pharmazeutischen Bedenken .……………4<br />

Änderung der Packungsgrößenverordnung ……………………………………..….……………12<br />

Diskussion um die Packungsgrößenverordnung …………………………………………....…..16<br />

<strong>Messner</strong> <strong>Dönnebrink</strong> Rechtsanwälte<br />

Jean-Pierre-Jungels-Str. 6, 55126 Mainz<br />

Tel.: 0 61 31 – 96 05 70 Fax: 0 61 31 – 9 60 57 62<br />

info@messner-dönnebrink.de<br />

www.messner-dönnebrink.de<br />

- 1 -


Fertigspritzen Auseinzelung – Kein Verstoß gegen Zulassungspflicht – OLG<br />

München zu Lucentis<br />

Joachim <strong>Messner</strong>, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht<br />

Einzelt ein Apotheker Fertigspritzen aus einem zugelassenen Fer-<br />

tigarzneimittel aus und gibt diese an andere Apotheker weiter, so<br />

verstößt er nicht gegen die Zulassungspflicht für Arzneimittel. Dies<br />

gilt auch dann, wenn es sich um individuelle Zubereitungen nach<br />

Rezeptur handelt und das Abfüllen in unveränderter Form erfolgt.<br />

Das OLG München hat in dem Urteil festgestellt, dass ein Apothe-<br />

ker, der aus einem zugelassenen Fertigarzneimittel Fertigspritzen<br />

auseinzelt und diese an andere Apotheken weitergibt, nicht gegen<br />

die Zulassungspflicht für Arzneimittel verstößt. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts dann,<br />

wenn es sich um individuelle Zubereitungen für Patienten nach Rezeptur handelt und das Ab-<br />

füllen in unveränderter Form erfolgt.<br />

Das Gericht hat festgestellt, dass das Auseinzeln von Fertigspritzen aus dem Präparat<br />

Lucentis durch einen Apotheker nicht zulassungspflichtig ist. Im Einzelnen kam es darauf an,<br />

dass eine individuelle Rezeptur allein durch die ärztliche Verschreibung bestimmt wird. Auch<br />

wenn die vom Arzt verschriebene Rezeptur mit einem bereits als Fertigarzneimittel verfügba-<br />

ren Präparat übereinstimmt, handelt es sich um ein Rezepturarzneimittel, wenn das Arzneimit-<br />

tel in der Apotheke für den im Rezept benannten Patienten angefertigt wird. Dabei ist unerheb-<br />

lich, so das Oberlandesgericht, ob ein Arzneimittel an individuelle Bedürfnisse des Patienten<br />

angepasst werden muss, oder aufgrund der Fachvorgaben immer in derselben Zusammen-<br />

setzung angefertigt wird.<br />

Das OLG München hat festgestellt, dass die ausgeeinzelten Lucentis Fertigspritzen durch den<br />

Beklagten nicht mittels eines individuellen Verfahrens zubereitet werden. Der Umfang der<br />

Herstellung durch den Apotheker hält sich in einem Rahmen, der noch kein individuelles Ver-<br />

fahren impliziert. Wenn ein Arzneimittel nicht im Voraus hergestellt wird, sondern erst nach<br />

Vorlage einer ärztlichen Verordnung, kommt es darauf an, ob die Herstellung in der Apotheke<br />

mit der Herstellung in der pharmazeutischen Industrie vergleichbar ist oder im Rahmen des<br />

üblichen Apothekenbetriebs liegt. Die breite Herstellung nach einheitlichen Vorschriften bildet<br />

- 2 -


damit den Gegensatz zum üblichen Apothekenbetrieb. Nach § 21 Abs. 2 Ziffer 1 AMG bedarf<br />

es dabei einer Zulassung nicht, wenn Verschreibungen „im Rahmen des üblichen Apotheken-<br />

betriebs“ hergestellt werden, der näher konkretisiert wird mit Mengen bis zu 100 abgabeferti-<br />

gen Packungen an einem Tag. Auch § 8 Apothekenbetriebsordnung stellt für im Voraus gefer-<br />

tigte Arzneimittel fest, dass Chargengrößen bis zu 100 abgabefertigen Packungen oder in ei-<br />

ner dieser entsprechenden Menge an einem Tag hergestellte Arzneimittel noch im Rahmen<br />

des üblichen Apothekenbetriebs liegen.<br />

Das Vorliegen einer Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG macht die Herstellung nicht<br />

grundsätzlich zu einer industriellen und nimmt der Apotheke diese Privilegierung nicht. Im Ein-<br />

zelnen geht es um die Frage, inwiefern die durch die Person des Herstellers eines Arzneimit-<br />

tels oder den Ort seiner Herstellung vermittelte Produktsicherheit erlaubnisfrei ist oder nicht.<br />

Unschädlich ist dabei, wenn ein Apotheker überobligatorisch handelt, wenn er durch die Ein-<br />

haltung weiterer Qualitätsstandards nachweist, eine Herstellungserlaubnis beantragt, selbst<br />

wenn die Herstellung im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs erfolgt. Unproblematisch ist<br />

nach Auffassung des OLG München ebenfalls die Tatsache, dass das Auseinzeln des Arz-<br />

neimittels zum sogenannten „Off Label Use“ führt. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass<br />

zu unterscheiden ist, ob sich der Off Label Use eine Verordnung von zugelassenen Arzneimit-<br />

teln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten betrifft oder aber ein Off Label Use für die<br />

Verordnung von Arzneimitteln in zugelassenen Anwendungsgebieten betrifft. Beim Auseinzeln<br />

von Lucentis liegt eine solche zulassungsüberschreitende Anwendung (Off Label Use) zu nicht<br />

vor. Da die ausgeeinzelten Fertigspritzen ebenso wie das Originalpräparat Lucentis für die<br />

Behandlung ein und derselben Indikation verwendet werden, nämlich zur Behandlung der<br />

neovaskulären (feuchten) altersabhängigen Makuladegeneration (AMD).<br />

Quelle: Arzneimittel und Recht 2010, Seite 240, OLG München vom 06.05.2010, Az.: 29 U 4316/09 zu<br />

Lucentis<br />

- 3 -


Keine Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel bei pharmazeutischen Bedenken<br />

Georg Zwenke, Rechtsanwalt und Apotheker<br />

Mit der Änderung der Packungsgrößenverordnung (PackungsV)<br />

durch das AMNOG erhofft sich der Gesetzgeber unter anderem ein<br />

Unterlaufen der Abgabepflicht der Arzneimittel, für die Arzneimittel-<br />

rabattverträge nach § 130 a Abs. 8 SGB V bestehen, zu verhindern.<br />

Dies soll durch Einführung sog. Spannbreiten bei den für die Norm-<br />

größen maßgeblichen Messzahlen der 6 Anlagen zur PackungsV<br />

erreicht werden. Ein Unterschreiten dieser Spannbreiten ist nicht<br />

mehr zulässig.<br />

Während diese Regelungen bereits zum 01.01.2011 in Kraft treten, wird das bisherige System<br />

zur Normgrößenfindung zum 01.08.2013 abgelöst durch Einführung wirkstoffbezogener,<br />

reichweitenorientierter Normengrößen. Diskussionsbedarf besteht noch zur Berechnungsme-<br />

thode.<br />

Zu den jetzt anstehenden Änderungen der PackungsV möchte ich auf meinen Beitrag „Ände-<br />

rung der Packungsgrößenverordnung“ in diesem Newsletter verweisen.<br />

Erhalten bleibt der Apotheke die Möglichkeit, die Abgabe und Substitution rabattbegünstigter<br />

Arzneimittel zu verweigern, § 4 Abs. 4 Rahmenvertrag Arzneimittelversorgung nach § 129<br />

Abs. 2 SGB V, wenn im konkreten Einzelfall aus Sicht des Abgebenden pharmazeutische Be-<br />

denken i. S. d. § 17 Abs. 5 ApoBetrO bestehen. Leider wird von dieser Möglichkeit, wenn<br />

überhaupt, dann nur sehr selten Gebrauch gemacht. Ein Hauptgrund hierfür dürfte in der<br />

mangelnden Kenntnis des pharmazeutischen Personals über die retaxierungsfreie Geltend-<br />

machung pharmazeutischer Bedenken liegen.<br />

Wie man mit den Krankenkassen retaxierungsfrei die verweigerte Abgabe rabattbegünstigter<br />

Arzneimittel aufgrund pharmazeutischer Bedenken abrechnet, möchte ich im Folgenden mit-<br />

tels einer Checkliste aufzeigen:<br />

- 4 -


Die 9 - Schritt - Methode:<br />

1. Blick auf das Rezept:<br />

Könnte die Substitution durch ein rabattiertes Arzneimittel<br />

medizinisch,<br />

pharmazeutisch oder von der<br />

Anwendung (Morbidität, Compliance)<br />

her problematisch sein?<br />

(Siehe hierzu unten: Übersicht)<br />

Wenn nein: Substitution durchführen.<br />

Wenn ja: Ansprache des Kunden.<br />

2. Ansprache des Kunden und Beratung - Gesprächsziel:<br />

Prüfung, ob sich die für möglich gehaltenen Probleme aus 1. realisieren werden.<br />

Wenn nein: Substitution durchführen.<br />

Wenn ja: Abhilfemöglichkeit durch Beratung?<br />

Abhilfemöglichkeit: Wenn ja: Substitution durchführen<br />

Wenn nein: KEINE Substitution durchführen<br />

3. Keine Substitution – Auswahl und Abgabe eines Arzneimittels (nach Maßgabe § 4 Abs. 4<br />

Rahmenvertrag)<br />

das unter folgenden Voraussetzungen zu den drei preisgünstigsten Arzneimitteln ge-<br />

oder<br />

hört: mit gleichem Wirkstoff, gleicher Wirkstärke, gleicher Packungsgröße, gleicher<br />

oder austauschbarer Darreichungsform (entweder identische Bezeichnung in der<br />

Lauer – Taxe oder Austauschbarkeit nach Hinweise des Gemeinsamen Bundesaus-<br />

schusses), gleichem Indikationsbereich im Falle der Aut – idem – Ersetzung; bei Aut<br />

– idem – Ersetzung zusätzlich: das verordnete Präparat<br />

Abgabe eines Importarzneimittels unter Beachtung der hierfür geltenden Vorschriften §<br />

5 Rahmenvertrag (15er Regel: Abgabepreis mindestens 15 % oder mindestens 15<br />

Euro niedriger als der Preis des Bezugsarzneimittels; Beachtung Importquote)<br />

- 5 -


4. Formalia – Rezept I<br />

Bei Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels: Aufdruck der Sonder – PZN 2567024 auf das<br />

Rezept.<br />

Bedeutung PZN 2567024: Nichtverfügbarkeit bei Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimit-<br />

Praxis – Tipp:<br />

teln und von Importarzneimitteln<br />

Unter http://www.narz-avn.de/aktuelles/sonder-pzn.html finden Sie eine umfassende tabel-<br />

larische Übersicht über die zugelassenen Sonderkennzeichen und deren Bedeutung gem.<br />

TA 1 zum Rahmenvertrag nach § 300 SGB V.<br />

5. Formalia – Rezept II<br />

Nach dem Aufdruck der Sonder – PZN 2567024 erfolgt der Aufdruck der dreistelligen<br />

Kennziffer zur Erklärung der Rechtmäßigkeit der Abgabe in das Faktorfeld.<br />

Diese „Faktorzahl“ setzt sich wie folgt zusammen:<br />

Zunächst bestimmt die Reihenfolge der Verschreibungen die Zahlenfolge der dreistelligen<br />

Faktorzahl. Die erste Ziffer der Faktorzahl bezieht sich also auf das zuerst rezeptierte Arz-<br />

neimittel u. s. w..<br />

Die einzelne Ziffer der dreistelligen Faktorzahl kann aus vier Zahlen bestehen:<br />

„1“: Abgabe nach Maßgabe des Rahmenvertrages oder<br />

leere Verordnungszeile<br />

Wenn also nur ein Fertigarzneimittel verordnet wurde, müssen die beiden letzten<br />

Ziffern aus der dreistelligen Faktorzahl aus einer „1“ bestehen.<br />

„2“: Rabattbegünstigtes Arzneimittel nicht verfügbar,<br />

Eilfall oder<br />

Fall von pharmazeutischen Bedenken<br />

„3“ Importarzneimittel nicht verfügbar<br />

„4“ Rabattbegünstigtes und importiertes Arzneimittel nicht verfügbar<br />

6. Formalia Rezept III<br />

In das Feld der Taxe wird eine „0“ gedruckt.<br />

- 6 -


7. Formalia Rezept IV:<br />

Handschriftliche Begründung für die Nichtabgabe des rabattierten Arzneimittels auf dem<br />

Rezept (möglichst auf der Vorderseite).<br />

(Formulierungsbeispiele s. u.)<br />

8. Formalia Dokumentation I<br />

Dokumentieren Sie am besten in der Kundenkartei die Nichtabgabe und die Begründung<br />

hierzu für den Fall der späteren Retaxation. Ggf. hilft auch eine Rezeptkopie mit Anmerk..<br />

9. Formalia Dokumentation II<br />

Eintrag in den Kundenstamm<br />

Wenn Sie zu dem Ergebnis gekommen sein sollten, von der Abgabe des rabattierten Arz-<br />

neimittels abzusehen und dem Kunden weiterhin das (bisherige) Arzneimittel abgeben,<br />

dann sollte dieser Vorgang nach Absprache mit dem Kunden so in die Software eingepflegt<br />

werden, dass er bei einer erneuten Verordnung wieder sein Arzneimittel erhält. Dabei sollte<br />

sofort bei der Eingabe des Kundennamens / Einscannen der Kundenkarte ein entspre-<br />

chender Warnhinweis auf dem Bildschirm erscheinen, damit auch das Personal, das von<br />

der ersten Rabattverweigerung keine Kenntnis hat, sich ohne Mühe, Zeitaufwand und<br />

Nachfrage in die bisherigen Abgabevorgänge einlesen kann und weiß, welches Arzneimittel<br />

abgegeben werden sollte.<br />

Zum 1. Schritt:<br />

(Dargestellte Problemkreise angelehnt an http://www.deutschesapothekenportal.de/1183.html)<br />

Problematische Arzneimittelgruppen:<br />

Antiarrhythmika Antikoagulantien Opioid - Analgetika<br />

Antiasthmatika /<br />

Broncholytika<br />

Biologicals, Biosimilars,<br />

Bioidenticals, Interferone<br />

Antidementiva / Nootropika Herzwirksame Gykoside /<br />

Kardiaka<br />

Parkinsonmittel und Mittel ge-<br />

gen andere extrapyramidale<br />

Störungen<br />

Schilddrüsenhormone<br />

Antidepressiva Hormonelle Kontrazeptiva Thrombozytenfunktionshemmer<br />

Antidiabetika Immunsuppressiva,<br />

besionders<br />

Calcineurinhemmer!<br />

Antiepileptika Neuroleptika<br />

Zytostatika<br />

- 7 -


Zu den Opioden / Opiaten:<br />

Opioide und Opiate zählen zu den Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite, sind als<br />

BTM aber grundsätzlich zu substituieren. Das gilt aber nur bei Wirkstoff- und Dosisgleicheit<br />

sowie bei Übereinstimmung der Dosisempfehlung. Bei Pflastern (Fentanylpflaster) ist auf die<br />

gleiche Freisetzungsrate und Gesamtmenge an enthaltenem Wirkstoff zu achten.<br />

Problematische Patientengruppen:<br />

Besonderer Blick auf: Indikationen, (Multi)morbidität, Alter, Psyche, Herkunft (durch Verständ-<br />

nisschwierigkeiten bedingte mangelnde Compliance?).<br />

Bei Patienten, die auf Sondennahrung angewiesen sind, ist darauf zu achten, dass die Ra-<br />

battarzneimittel auch sondengängig sind. Hierzu müssen Angaben in der Gebrauchsinformati-<br />

on und / oder Fachinformation zu finden sein.<br />

Patienten mit Depressionen und chronischen ZNS – Erkrankungen ist häufig ein<br />

Präparatewechsel nicht zu vermitteln. Sie hören dann in die „Non-Compliance“ – Gruppe,<br />

(siehe unten).<br />

Problematische Darreichungsformen:<br />

Dosieraerosole / Inhalationssysteme: Käme der Patient mit dem neuen rabattierten Inhalati-<br />

onssystem zurecht?<br />

Magensaftresistent überzogene Formen: Blick auf das Freisetzungsverhalten: „MUPS“<br />

(polydisperse) Tabletten haben ein anderes Freisetzungsverhalten als Tabletten, die als<br />

Ganze mit einer magensaftresistenten Hülle überzogen sind; dennoch sind beide Formen<br />

als magensaftresistente Tabletten gelistet mit der Folge, dass sie an sich zu substituieren<br />

wären.<br />

Retardarzneimittel: Unterschiedliche Retardierungssysteme führen zu unterschiedlichem Frei-<br />

setzungsverhalten. Das ist besonders wichtig bei Wirkstoffen mit geringer therapeutischer<br />

Breite. Die unterschiedlichen Retardierungsprinzipien von Betablockern (Freisetzung 1. und<br />

0. Ordnung) sollen laut G-BA austauschbar sein.<br />

Topisch applizierte, lokal wirksame Arzneiformen: Besonderer Blick auf die Zusammenset-<br />

zung: Verträgt der Patient z. B. die Konservierung des Rabattarzneimittels?<br />

Transdermale Therapeutische Systeme: Unterschiedliches Freisetzungsverhalten Matrix –<br />

Pflaster versus Membran – Pflaster<br />

Rektal oder vaginal angewendete Arzneiformen: Compliance bei Suppositorien – Abgabe und<br />

Applikation wirklich gegeben? Welche Grundlage wird verwandt?<br />

Teilbarkeit: Sollte der Arzt eine teilbare orale Arzneiform verordnet haben, ist besonders auf<br />

die Dosierung zu achten: Wenn die Dosierung eine Teilung vorsieht, darf nicht gegen eine<br />

- 8 -


unteilbare Arzneiform (z. B. teilbare Tablette gegen Kapsel) getauscht werden. Bei Ver-<br />

dacht auf bloße Schmuckkerbe in der Tablette ist unter Umständen ein Blick in die Fachin-<br />

formation zu werfen, wenn sich aus der Software nichts ergibt. Wenn auch ein Anruf beim<br />

Hersteller nicht weiterführt, bleiben die pharmazeutischen Bedenken bestehen. Die Schrit-<br />

te, die zur Aufklärung unternommen wurden, sollten dokumentiert werden (auf dem Rezept<br />

und in der eigenen Kartei) und eine Substitution unterbleiben.<br />

Wenn die Dosierung keine Teilung vorsieht, kann gegen eine unteilbare Arzneiform substi-<br />

tuiert werden.<br />

Brausetablette / Größe der Tablette: Hier ist die Indikation zu erfragen. Wenn bei Schluckbe-<br />

schwerden (besonders bei Kindern) eine dispergierbare Arzneiform verordnet wurde, darf<br />

nicht gegen ein nicht dispergierbares Rabattarzneimittel getauscht werden. Wenn solche<br />

indikationsbedingten Probleme nicht zu erwarten sind und sich aus der Verordnung die<br />

undispergierte Einnahme einer dispergierbaren Arzneiform ergibt, muss gegen ein nicht<br />

dispergierbares Rabattarzneimittel getauscht werden.<br />

Insuline / subcutane Anwendung: Achten Sie auf den Pen. Nur wenn der Hersteller den Be-<br />

trieb mit den „Rabattpatronen“ zulässt, ist ein Austausch möglich<br />

Desweiteren ist die Substitution bei folgenden Darreichungsformen kritisch zu betrachten:<br />

Pulmonal oder intranasal angewendete systemische Arzneimittel<br />

Intramuskuläre Applikationsformen<br />

(Implantate)<br />

Compliance – Probleme ohne medizinisch – pharmakologische Ursache:<br />

Hierzu der AOK – Rabattchef Dr. Christopher Hermann, zitiert bei<br />

http://www.deutschesapothekenportal.de/compliance-probleme.html<br />

„Zeichnet sich schon im Beratungsgespräch eine derartige Unbelehrbarkeit ab und besteht<br />

berechtigter Grund von einer Non-Compliance aufgrund der Umstellung auszugehen, so<br />

kann sich der Apotheker dazu entscheiden, den Patienten mit seinem gewohnten Präparat<br />

zu versorgen. Dazu muss er die Sonder – Pharmazentralnummer (PZN), die auch für Liefer-<br />

defekte vorgesehen ist, sowie eine ausführliche Begründung auf dem Rezept neben dem<br />

Arzneimittel vermerken.“<br />

- 9 -


Zu Schritt 3 – Gleicher Indikationsbereich:<br />

Achten Sie auf die Zulassung des betreffenden Arzneimittels:<br />

Bsp.: Metoprolol:<br />

Metoprololtartrat ist nur bei Hypertonie zugelassen;<br />

Metoprololsuccinat hingegen auch bei Herzinsuffzienz.<br />

Folge: Metoprolotartrat ist wegen des eingeschränkten Indikationsspektrums nicht zum Aus-<br />

tausch von Metoprololsuccinat geeignet.<br />

Zu Schritt 7 – Begründung auf dem Rezept:<br />

Auf dem Rezept muss unter der Verordnung die handschriftliche Begründung der individuellen<br />

pharmazeutischen Bedenken erfolgen. Bei Platzmangel kann auch die Rückseite verwendet<br />

werden. Vermeiden Sie formularmäßige Standardfloskeln. Es muss die Einzelfallbetrachtung<br />

deutlich werden:<br />

Formulierungsbeispiele:<br />

„Gefährdung des Therapieerfolges durch Non – Compliance trotz ausführlicher Bera-<br />

tung.“<br />

„Sehr aufwändig eingestellte Dosierung bisheriger Medikation, Umstellung ohne Blut-<br />

spiegelkontrolle und (stationäre) Überwachung bedenklich.“<br />

„Medikament mit hohem Nebenwirkungspotential, sämtliche Umstellungsversuche<br />

schlugen in der Vergangenheit fehl.“<br />

„Es gelang nach ausführlicher Beratung nicht, die andersartige Applikationsform des<br />

Rabattarzneimittels dem Patienten verständlich zu machen.“<br />

Wenn bekannt ist, dass der Patient die Applikationsform des Rabattarzneimittels falsch<br />

anwendet:<br />

„Auch nach ausführlicher Beratung wendet der Patient die Applikationsform des Ra-<br />

battarzneimittels immer wieder falsch an – eine Substitution ist bedenklich.“<br />

„Patient ist multimorbid, eine AM - Umstellung für ihn nicht nachvollziehbar, eine Be-<br />

treuung nicht sichergestellt.“<br />

„Patient ist psychisch instabil und verweigert die Substitution.“<br />

Wenn die Rabatttabletten wesentlich kleiner sein sollten, als die bisher verordneten<br />

Tabletten: „Patient ist nicht in der Lage, die wesentlich kleineren Tabletten des Rabatt<br />

– AM zu dosieren (mangelnde Compliance). Keine Hilfestellung durch Dritte gegeben.“<br />

- 10 -


Quellen:<br />

Bei notwendiger Dispergierbarkeit, Rabattarzneimittel nicht dispergierbar:<br />

„Dispergierbarkeit vor oraler Einnahme zwingend medizinisch indiziert, Rabattarznei-<br />

mittel nicht dispergierbar.“<br />

„Das verordnete Arzneimittel weist ein hier indiziertes Wirkungsprofil (Stichwort) auf,<br />

welches das Rabattarzneimittel nicht besitzt.“<br />

BR Drs. 763/10, Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG);<br />

Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V in der Fassung vom 07.12.2009;<br />

www.deutschesapothekenportal.de (20.12.2010): Pharmazeutische Bedenken;<br />

„Bedenken gegen pharmazeutische Bedenken“, DAZ 37, 11.09.2008;<br />

Goebel, Griese, Schulz: Pharmazeutische Bedenken – Tipps für die Praxis, PZ 38/2008; Artikel auch abrufbar (Stand<br />

20.12.2010) unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=6728<br />

- 11 -


Änderung der Packungsgrößenverordnung<br />

Georg Zwenke, Rechtsanwalt und Apotheker<br />

Zusammen mit dem AMNOG sind zum 01. Januar 2011 erste Ände-<br />

rungen der Packungsgrößenverordnung (PackungsV) in Kraft getre-<br />

ten. Ein Vergleich mit der bisherigen PackungsV vom 22.06.2004 i.<br />

d. F vom 12.12.2008 zeigt, dass es kompliziert geworden ist. Das<br />

abgebende pharmazeutische Personal ist mehr denn je gefordert.<br />

Mit diesem <strong>Sondernewsletter</strong>beitrag „Änderung der<br />

Packungsgrößenverordnung“ möchte ich Ihnen zunächst die gesetz-<br />

liche Regelung erläutern. Mit dem Beitrag „Diskussion um die<br />

Packungsgrößenverordnung“ in diesem Newsletter gebe ich den Stand der Diskussion in den<br />

ersten Januartagen wider.<br />

Die gewohnten Normgrößen N1, N2 und N3 bleiben zwar erhalten, ihre inhaltliche Bedeutung<br />

ändert sich jedoch grundlegend. Bisher stehen sie bekanntlich für kleine (N1), mittlere (N2)<br />

und große (N3) Packung, deren Inhalt (Messzahlen) sich jeweils aus 6 Anlagen zur<br />

PackungsV ergibt.<br />

Diese Anlagen werden zum 01.07.2013 ersatzlos gestrichen, Art. 10 Ziff. 4; 12 Abs. 1 und 4<br />

AMNOG, der Bezug auf eine feste Angabe der Stückzahl wird abgeschafft.<br />

Ab 01.07.2013 ist Maßstab für die Messzahl die Tagesdosierung und die Behandlungsdauer<br />

(Einführung wirkstoffbezogener, reichweitenorientierter Packungsgrößen, Art. 9a, 10 Ziff. 1<br />

AMNOG):<br />

N1: (kleine) Packungen für die Akuttherapie oder zur Therapieeinstellung mit einer An-<br />

zahl von einzelnen Anwendungseinheiten für eine Behandlungsdauer von 10 Ta-<br />

gen, inklusive einer Abweichung von ± 20 %<br />

N2: (mittlere) Packungen für die Dauertherapie, die einer bes. ärztlichen Begleitung<br />

bedarf, mit einer Anzahl von einzelnen Anwendungseinheiten für eine Behand-<br />

lungsdauer von 30 Tagen inklusive einer Abweichung von ± 10 %<br />

- 12 -


N3: (große) Packungen für die Dauertherapie und mit einer Anzahl von einzelnen An-<br />

wendungseinheiten für eine Behandlungsdauer von 100 Tagen inklusive einer<br />

Abweichung von -5%<br />

Das Nähere zur Ermittlung der Normgrößen bestimmt das DIMDI unter Berücksichtigung der<br />

ATC – Klassifikation, § 73 Abs. 8 SGB V, und der DDD (defined daily dose).<br />

Im Gesetzgebungsverfahren zum AMNOG stellte sich heraus, dass hinsichtlich der Umstel-<br />

lung auf die wirkstoffbezogenen, reichweitenorientierten Normgrößen noch erheblicher Dis-<br />

kussionsbedarf zu deren Berechnung besteht, sodass diese Umstellung erst in 30 Monaten in<br />

Kraft treten soll. Im Grundsatz soll sich die jeweilige Normgröße aus dem Produkt:<br />

Normgröße N1 – N3 = Applikationshäufigkeit pro Tag x Applikationsmenge x Reichdauer in<br />

Tagen<br />

errechnen lassen. Das würde bedeuten, dass mitunter für jede Indikation eines Wirkstoffes<br />

neue Normengrößen zu ermitteln und damit auch neue PZN zu beantragen wären.<br />

Die Folge wäre eine Flut neuer Arzneimittelpackungen auf dem Arzneimittelmarkt mit entspre-<br />

chend hohen Herstellungs- und Distributionskosten. Wie der Apothekenleiter einer kleineren<br />

Apotheke dann seiner Pflicht zur Vorratshaltung der zur Sicherstellung einer ordnungsgemä-<br />

ßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendigen Arzneimittel gem. § 15 Abs. 1<br />

ApoBetrO nachkommen soll, ist völlig offen. Dass ein Fertigarzneimittel nach Vorlage des Re-<br />

zeptes erst vom Großhandel bestellt werden muss, dürfte dann selbst für größere Apotheken<br />

zur Regel gehören.<br />

In der Übergangsphase 01.01.2011 bis 31.07.2013 gelten die 6 Anlagen zur PackungsV wei-<br />

ter, allerdings mit folgender Maßgabe (Art. 9 a AMNOG):<br />

N1: Unter die kleine Packungsgröße N1 fallen Packungen mit einem Inhalt, dessen<br />

Messzahl als kleine Packungsgröße N1 in den Anlagen bezeichnet wird, sowie<br />

Packungen, deren Anzahl von den als N1 bezeichneten Messzahlen um bis zu ±<br />

20 % abweicht.<br />

N2: Unter die mittlere Packungsgröße N2 fallen Packungen mit einem Inhalt, dessen<br />

Messzahl als mittlere Packungsgröße N2 in den Anlagen bezeichnet wird, sowie<br />

Packungen, deren Anzahl von den als N2 bezeichneten Messzahlen um bis zu ±<br />

10 % abweicht.<br />

- 13 -


N3: Unter die große Packungsgröße N3 fallen Packungen mit einem Inhalt, dessen<br />

Messzahl als große Packungsgröße N3 in den Anlagen bezeichnet wird, sowie<br />

Packungen, deren Anzahl von den als N3 bezeichneten Messzahlen um bis zu 5<br />

% niedriger ist.<br />

Wichtig: Es geht nur um eine Abweichung nach unten, also bspw. eine 98er Pa-<br />

ckung statt einer 100er N3! Ein über die Messzahl für N3 hinausgehender Inhalt<br />

ist weiterhin nicht abrechnungsfähg, § 31 Abs. 4 S. 2 SGB V.<br />

Mit der zum 01.01.2011 in Kraft tretenden Reform der PackungsV wird der Streit zwischen<br />

Pharmaherstellern und Krankenkassen über die Bedeutung der Packungsgrößen bei der Um-<br />

setzung der Rabattverträge beigelegt. Während die Pharmahersteller bislang auf die genaue<br />

Stückzahl abstellten, verwiesen die Krankenkassen auf die Normgrößen N1, N2, N3. Mit Art. 9<br />

a AMNOG hat der Gesetzgeber Klarheit geschaffen und unmissverständlich geregelt, welche<br />

der Arzneimittelpackungen in den drei Normengrößen substituiert werden dürfen.<br />

Damit entfällt auch die bisherige Möglichkeit, die Messzahlen beliebig zu unterschreiten. Bis-<br />

lang gab es z. B. Rifun ® (Pantoprazol) 20mg N3 entweder mit 56 Tabl. (PZN 7265003) oder<br />

98 Tabl. (PZN 7265026). Nunmehr sind als N3 nur noch 98 Tabl. abrechnungsfähig: Anlage 1<br />

Packungsgrößenverordnung sieht für Magen – Darm – Mittel folgende Stufen vor: N1 (20 St.),<br />

N2 (50 St.), N3 (100 St.). 100 Tabl. minus zulässiger Abschlag in Höhe von 5 % ergibt eine<br />

Minimalmenge von 95 Tabl..<br />

Haben bislang die Krankenkassen bei Verordnung von „Rifun ® 20 mg N3“ die Abgabe einer<br />

98er N3 Packung gnadenlos retaxiert (Argument: § 12 SGB V; § 6 Abs. 1 Rahmenvertrag<br />

nach § 129 Abs. 2 SGB V), so werden sie sich nun an die Abgabe der größeren Mengen zu<br />

gewöhnen haben.<br />

Art. 9a AMNOG ändert § 4 PackungsV nicht. Das bedeutet, dass die pharmazeutischen Un-<br />

ternehmen bis zum 30.06.2011 Zeit haben, entsprechend den ab 01.01.2011 geltenden Vor-<br />

gaben zu kennzeichnen.<br />

Zum März 2011 sollen die Anlagen zur PackungsV überarbeitet werden. Wird dabei § 4<br />

PackungsV in der geltenden Fassung nicht geändert gilt:<br />

Für alle Arzneimittel, die unter eine der nicht geänderten Anlagevorschrift fallen, bleibt es bei<br />

der Übergangsfrist bis 30.06.2011.<br />

- 14 -


Für Arzneimittel, die unter eine geänderte Anlagevorschrift fallen, gilt eine Übergangsfrist von<br />

6 Monaten ab in Kraft treten der Änderung. Bei einer vorgesehenen Änderung zum<br />

01.03.2011 gilt folglich die Übergangsfrist bis zum 30.08.2011.<br />

Die IFA – Datenbank sollte zum 01.01.2011 auf dem Stand der dann aktuellen PackungsV<br />

gewesen sein (siehe hierzu Beitrag „Diskussion um die Packungsgrößenverordnung“ in die-<br />

sem Newsletter); Unterschiede zwischen der Kennzeichnung auf der Packung (Primärverpa-<br />

ckung, Umkarton) und dem Status in der Datenbank werden für zulässig erachtet. Es ist daher<br />

der Kunde bei der Abgabe entsprechend zu beraten.<br />

Arzneimittel, die über keine N–Kennzeichnung in der IFA–Datenbank verfügen, sollen zu Las-<br />

ten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sein, wenn deren Inhalt kleiner<br />

als N3 ist und das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet wird.<br />

Eine endgültige und rechtsverbindliche Regelung zur Substitution bzw. Austauschverpflichtung<br />

nach § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V soll laut ABDA erst im neuen Rahmenvertrag zwischen GKV –<br />

Spitzenverband und DAV getroffen werden. Auf jeden Fall besteht auch nach dem BPI ab dem<br />

01.01.2011 eine Austauschverpflichtung bei identischen Packungsgrößenkennzeichen.<br />

Quellen:<br />

BR Drs. 763/10, Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG);<br />

DAZ.online, AZ 49 / 06.12.2010: ABDA – Regeln zum Austausch von Packungsgrößen;<br />

Wilken, Matthias: Artikel 9a und 10 AMNOG Änderung der Packungsgrößenverordnung, BPI – Webkonferenz 25. und<br />

30.11.2010 – BPI;<br />

Morck, Hartmut: Änderung der Packungsgrößenverordnung aus dem Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittel-<br />

marktes in der gesetzlichen Krankenversicherung Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) – Kurzgutachten;<br />

www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Politik/11367.html, 26.07.2010, 15:12 h: Packungsgrößenverordnung – AOK: Keine<br />

Hersteller – Tricksereien.<br />

- 15 -


Diskussion um die Packungsgrößenverordnung<br />

Georg Zwenke, Rechtsanwalt und Apotheker<br />

Die Umstellung auf die seit Jahresbeginn geltende neue<br />

Packungsgrößenverordnung (PackungsV) hat erwartungsgemäß<br />

viele Probleme mit sich gebracht. In erster Linie geht es um unkor-<br />

rekte Angaben vieler Hersteller gegenüber der Informationsstelle für<br />

Arzneimittelspezialitäten (IFA).<br />

Seit Januar gelten neue Substitutionsregeln (siehe im einzelnen<br />

Newsletterbeitrag „Änderung der Packungsgrößenverordnung“): Ist<br />

auf dem Rezept ein „N“ - Kennzeichen vermerkt, dürfen nur noch<br />

Packungen mit bestimmten Stückzahlen abgegeben werden: Für N1 gilt die Messzahl aus der<br />

entsprechenden Anlage der PackungsV mit einer Abweichung von 20 %, für N2 Messzahl<br />

10 % und für N3 Messzahl bis -5%. Liegt die Stückzahl außerhalb dieser Spannen, sind die<br />

Packungen vom Hersteller als „nicht therapiegerecht“ gegenüber der IFA zu melden. Sie er-<br />

halten dann in der Apothekensoftware das Kürzel „KTP“ für „keine therapiegerechte<br />

Packungsgröße“. Da eine Sanktionierung falscher Angaben bzw. das Unterlassen einer ent-<br />

sprechenden Korrekturangabe oder einer „Abmeldung“ gesetzlich nicht vorgesehen ist, blie-<br />

ben viele Hersteller passiv. Daher ist zum Bsp. eine bisherige N1 Omeprazol „15 St.“ weiterhin<br />

in der Software als N1 und damit als austauschbar gelistet, obwohl sie laut Anlage 1<br />

PackungsV „20 St.“ zu enthalten hat, d. h. abgabefähig sind 16 bis 24 Stück. Hintergrund dürf-<br />

te die für März geplante Änderung der „N“ – Größen sein. Da liegt es wohl für manchen Her-<br />

steller nahe, sich einen nur kurze Zeit geltenden Umstellungsschritt zu ersparen. Mit entspre-<br />

chenden Abmahnverfahren von Herstellern, die korrekt ggü. der IFA gemeldet haben gegen<br />

solche, die falsch oder gar nicht gemeldet haben, wird gerechnet.<br />

Damit den Apotheken wenigstens bei der Aktualisierung 1. Februar die korrekten Daten vor-<br />

liegen, müssten der IFA die Herstellerdaten bis zum 13. Januar vorliegen.<br />

Diskutiert wird, ob Apotheken mit Retaxationen rechnen müssen, wenn sie unkorrekt gekenn-<br />

zeichnete Packungen abgeben, deren Inhaltsmenge außerhalb der gültigen Spannbreite liegt.<br />

Die gesetzlichen Krankenkassen haben sich hierzu bislang nicht geäußert, eine Vereinbarung<br />

einer sog. „Friedenspflicht“ ist nicht in Sicht.<br />

- 16 -


Die Apotheken tragen nach derzeitigem Stand zumindest das Inkassorisiko. Dieses ist beson-<br />

ders hoch bei denjenigen, die blind auf ihre Software vertrauen. Beispiel: Verordnung über<br />

„Omeprazol N2“. Eine N2 Packung darf nach neuem Recht einen Packungsinhalt zwischen 45<br />

und 55 Stück aufweisen. Die KSK Pharma (Inhaber AOK Rabattvertrag für alle Gebietslose für<br />

Omeprazol) hat ihre bisherige N2 Packung (= 28 St.) nicht bei der IFA abgemeldet, sodass<br />

dieses weiterhin als auszutauschendes Arzneimittel in der Software erscheint. An sich müsste<br />

die 28er Packung Omeprazol heute in der Software die Kennung „KTP“ statt „N2“ tragen.<br />

Gleich wie sich die Apotheke entscheidet – Erfüllung Rabattvertrag und Verstoß gegen<br />

PackungsV oder Erfüllung PackungsV und Verstoß gegen Rabattvertrag - sie trägt bei dieser<br />

Sachlage das Inkassorisiko, da eine Sanktionsmöglichkeit des Herstellers nicht vorgesehen<br />

ist. Was hierzu einmal im Rahmenvertrag zwischen GKV – Spitzenverband und DAV ausge-<br />

handelt wird, ist noch offen.<br />

Neu ist die Substituierungsmöglichkeit, wenn eine definierte Tablettenzahl statt N1, N2 oder<br />

N3 verordnet wurde – allerdings muss dann nach Auffassung des DAV exakt die verordnete<br />

Menge abgegeben werden (Ausnahme: Verordnete Stückzahl liegt innerhalb einer N - Span-<br />

ne, dann darf natürlich innerhalb der Spanne ausgetauscht werden). Damit bleiben auch die<br />

Arzneimittel abgabefähig, für die es keine Handelsformen mit N – Kennzeichen mehr gibt, et-<br />

wa bestimmte Ophthalmologika, Dermatika, und Antibiotika. Beispiel: Zithromax ®: Anlage 1<br />

„Antibiotika“ PackungsV: N1 (14 St.), 20 % = Spanne 11 – 17 St.; N2 (30 St.), N3 (120 St.);<br />

bisher: Zithromax ® 250 mg: N1 (6 St. PZN 0010760) und Zithromax ® 500 mg: N1 (3 St.<br />

PZN 2481966) und damit auf keinen Fall hinsichtlich der Stückzahl in der Spanne liegend.<br />

Gegen die Auffassung des DAV hat sich die KSK Pharma gewandt und öffentlich Klage ge-<br />

gen den DAV auf Schadensersatz angekündigt. Argument: Die prozentualen Abweichungen<br />

(Spannen) müssten auch für Stückzahlverordnungen gelten. Es bleibt abzuwarten, ob die An-<br />

kündigung in die Tat umgesetzt wird. Unklar ist jedenfalls, ob die bestehenden Rabattverträge<br />

mit den alten Packungen weiterhin rechtlichen Bestand haben. Stellt man auf die Versorgung<br />

mit Arzneimitteln mit der jeweils rechtlich gültigen „N“ – Kennung gem. PackungsV ab, wird<br />

man wohl zu dem Ergebnis kommen, dass nun die ab dem 01. Januar geltenden „N“ – Mess-<br />

zahlen mit ihren Spannen Vertragsgegenstand geworden sind. Ob sich der jeweilige Hersteller<br />

auf „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) mit Vertragsanpassung als Rechtsfolge<br />

berufen kann, hängt von der jeweiligen vertraglichen Gestaltung ab, die im Einzelnen unveröf-<br />

fentlicht ist.<br />

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Im Ergebnis ist zu empfehlen, dass man bei nicht verfügbaren N – Verordnungen beim Arzt<br />

ein Rezept mit Stückzahl anfordern sollte, um einem Retaxierungsrisiko von vornherein aus<br />

dem Weg zu gehen.<br />

Die als sechsmonatige Übergangsregelung zur Abgabe alter Packungsgrößen erweist sich<br />

allem Anschein nach als wirkungslos. Gedacht ist, dass immer dann - allerdings auch nur<br />

dann – wenn der verordnende Arzt ausdrücklich die exakte Menge in seiner Verordnung an-<br />

gibt, alte Packungsgrößen, d. h. Packungen mit von den neuen Normgrößen abweichenden<br />

Mengen, abgegeben werden dürfen. Tatsächlich verwenden Ärzte nach wie vor in erster Linie<br />

die gewohnten „N“ – Kennzeichen, sodass die Alt – Packungen de facto aus dem Markt aus-<br />

scheiden – mit entsprechendem Verlust für Hersteller und je nach Bevorratung für Apotheken<br />

und Großhändler.<br />

Neuerdings sollen auch einige apothekenpflichtige OTC - Arzneimittel, die bei bestimmten<br />

Krankheiten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden können, von<br />

der Software statt als „bedingt erstattungsfähig“ mit „Abgabe zu Lasten der gesetzlichen Kran-<br />

kenversicherung nicht erlaubt“ angezeigt werden. Dieser Fehler soll aber bei der Softwareak-<br />

tualisierung 15. Januar behoben werden.<br />

Quellen:<br />

BR Drs. 763/10, Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG);<br />

Müller, Alexander, Massenhaft falsche Daten in der Apotheken – EDV, www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Politik<br />

(23.12.2010);<br />

Pro Generika beklagt Unsicherheiten zum 01.01.2011, DAZ.online (23.12.2010);<br />

Packungsgrößen sorgen für Ärger, DAZ.online (03.01.2011);<br />

Kietzmann, Désirée, Normgrößenchaos in den Apotheken, www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Politik (03.01.2011);<br />

Müller, Alexander, KSK will DAV verklagen, www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Politik (05.01.2011);<br />

Klein, Lothar, „Abmahnschlacht“ gegen falsche IFA – Angaben der Hersteller? DAZ.online (05.01.2011);<br />

Müller, Alexander, Apotheken – EDV erst im Februar korrekt, www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Politik (05.01.2011);<br />

Kietzmann, Désirée, Apotheken kämpfen mit Normgrößen, www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Politik (06.01.2011);<br />

Fehler bei OTC – Ausnahmen, www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Politik (07.01.2011).<br />

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