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ICOM Deutschland Mitteilungen 2011

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<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>2011</strong><br />

ISSN 1865-6749 | Heft 33 (18. Jahrgang)<br />

<strong>ICOM</strong> UNTER DEUTSCHER FÜHRUNG<br />

Hans-Martin Hinz zum Präsidenten gewählt<br />

WEGE INS MUSEUM – WEGE IM MUSEUM<br />

Wie Karrieren in Museumsberufen gelingen können<br />

WORAN WIR UNS MORGEN ERINNERN WERDEN<br />

Ist das kulturelle Gedächtnis noch zu retten?


WWW.EXPONATEC.DE<br />

16. –18. NOVEMBER <strong>2011</strong><br />

INTERNATIONALE FACHMESSE FÜR MUSEEN,<br />

KONSERVIERUNG UND KULTURERBE<br />

Die Museumsmesse im deutschsprachigen Raum<br />

Koelnmesse GmbH<br />

Messeplatz 1, 50679 Köln<br />

Tel. 0221 821-0<br />

Fax 0221 821-3734<br />

exponatec@koelnmesse.de<br />

Fotos: Wolfgang Stäbler, szenum <strong>2011</strong>/Sabine Jank, ICLM, Andreas<br />

Praefcke, Elke Schneider, Stéphanie Wintzerith, Stéphanie Wintzerith,<br />

Andrea Prehn, Helinä-Rautavaara-Museum, Landesdenkmalamt<br />

Berlin/Claudia Melisch<br />

Großes Titelfoto:<br />

Jeffrey Shaw: The Legible City, 1989, interaktive Computerinstallation<br />

(Sammlung ZKM)<br />

Die Installation „The Legible City“ besteht aus einer Projektionsfläche,<br />

vor der ein Fahrrad positioniert ist. Auf der Projektionsfläche<br />

wird die Architektur einer Stadt in Form von Buchstaben abgebildet,<br />

die der Museumsbesucher mit dem Fahrrad erkunden kann.<br />

„The Legible City“ wurde u. a. auf der Ars Electronica in Linz, auf der<br />

World Design Expo Artec ’89 und in der Ausstellung „Die algorithmische<br />

Revolution“ des Zentrums für Kunst und Medientechnologie<br />

in Karlsruhe (ZKM) gezeigt.<br />

Heft 33 (18. Jahrgang)<br />

Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr<br />

Auflage: 5.300<br />

Gefördert durch die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> mit einer<br />

Zuwendung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und<br />

Medien<br />

Berlin, Mai <strong>2011</strong><br />

ISSN 1865-6749


EDITORIAL<br />

Liebe Leserinnen und Leser, Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg<br />

im November vergangenen Jahres wurde Hans-Martin Hinz<br />

zum Präsidenten des Internationalen Museumsrates gewählt.<br />

Wir gratulieren ihm dazu ganz herzlich und wünschen<br />

ihm als dem ersten deutschen Museumsexperten in<br />

dieser Position viel Erfolg für die kommenden Jahre.<br />

An Herausforderungen fehlt es nicht. Zum einen gilt es,<br />

die Museen weltweit im Kampf gegen den illegalen Handel<br />

mit dem kulturellen Erbe zu unterstützen und sie auf den<br />

Umgang mit den in jüngster Zeit immer deutlicher werdenden<br />

und mit immer dramatischeren Folgen auftretenden<br />

Bedrohungen durch Naturkatastrophen oder bewaffnete<br />

Konflikte vorzubereiten.<br />

Zum anderen zeichnen sich auch in relativ sicheren und<br />

überdies wohlhabenden Industrienationen wenig erfreuliche<br />

Tendenzen in der Haltung politisch Verantwortlicher<br />

gegenüber der Museumslandschaft ab, die sich in teilweise<br />

drastischen Mittelkürzungen, in einer mancherorts zu beobachtenden<br />

Gängelung von Institutionen und einem bisweilen<br />

sehr ruppigem Umgang mit verdienten Kolleginnen<br />

und Kollegen ausdrücken.<br />

Bedenklich stimmt, wenn solche Maßnahmen nicht allein<br />

die Folgen der finanziellen Krisen öffentlicher Haushalte<br />

sind, sondern, wie Dirk Schümer in den Niederlanden<br />

beobachtete, Ausdruck einer wachsenden Kulturfeindlichkeit<br />

in politischen Milieus, wo es inzwischen als chic gilt,<br />

Ressentiments gegen die Kultur zu pflegen (FAZ vom<br />

8. März <strong>2011</strong>).<br />

Dies ist besonders unverständlich, wenn man bedenkt,<br />

welche Attraktivität Museen auf ihr Publikum ausüben,<br />

wenn man bedenkt, welche Leistungen sie in der Vermitt-<br />

lung kultureller Bildung und in der Entwicklung von Identität<br />

erbringen. Damit tragen Museen zur Stabilisierung<br />

von Gesellschaften bei, sind mithin systemrelevant und verdienten<br />

eigentlich einen „Rettungsschirm“ anstelle der<br />

Steine, die man ihnen oft genug in den Weg rollt.<br />

Um sich weiterhin behaupten zu können und um die Zustimmung<br />

nicht nur in den breiten Kreisen der Bevölkerung<br />

zu behalten, die zu den immerhin 100 Millionen im<br />

vergangenen Jahr in <strong>Deutschland</strong> gezählten Museumsbesuchen<br />

führte, sondern auch bei politischen Entscheidungsträgern,<br />

ist es wichtig, die Glaubwürdigkeit des Museums<br />

zu erhalten, seine Integrität und seine Authentizität zu wahren.<br />

Durch sein einzigartiges professionelles Netzwerk,<br />

durch die Formulierung von ethischen und fachlichen Leitlinien<br />

und durch Maßnahmen zur Verdeutlichung der Relevanz<br />

von Museen in unserer Gesellschaft kann <strong>ICOM</strong><br />

dazu beitragen. Auch die gemeinsame Jahrestagung von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>ICOM</strong> Ungarn in diesem Jahr<br />

steht in diesem Zeichen. Auf die an Museen und Kulturschätzen<br />

so reiche, charmante und dynamische Stadt Budapest<br />

und auf die Begegnungen mit der spannenden ungarischen<br />

Museumsszene dürfen wir uns freuen.<br />

Klaus Weschenfelder<br />

Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>


INHALT<br />

AKTUELLES<br />

Grußwort von Hans-Martin Hinz ..............................4<br />

Neuordnung der Mitgliedsbeiträge<br />

Erläuterungen zur studentischen Mitgliedschaft ..................5<br />

Museen, unser Gedächtnis!<br />

34. Internationaler Museumstag <strong>2011</strong> ............................6<br />

Substanz und Ethik in der Konservierung<br />

digitaler Medienkunst<br />

Gastbeitrag von Bernhard Serexhe ...............................8<br />

Wege ins Museum – Wege im Museum<br />

Einladung zur Jahrestagung und Mitgliederversammlung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>2011</strong> .................................. 11<br />

Neue und bekannte Köpfe für große Aufgaben<br />

Der neugewählte Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ............. 12<br />

RÜCKBLICK<br />

Museums for Social Harmony<br />

Höhepunkte der 22. Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> ............... 16<br />

„Nun hab’ ich’s.“ – Die Ethik des Sammelns<br />

Höhepunkte der Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ......... 22<br />

Tätigkeitsbericht 2009/2010 des Präsidenten von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ........................................... 27<br />

Protokoll der Mitgliederversammlung .......................... 29<br />

2 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Foto: Marc Wathieu<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

28. Januar <strong>2011</strong>: Ein kulturhistorisches Desaster<br />

nimmt seinen Lauf<br />

<strong>ICOM</strong> und CIPEG reagieren auf die Bedrohung<br />

von Kulturgütern in Ägypten .................................. 30<br />

Deutsche Mitglieder in offiziellen Positionen bei <strong>ICOM</strong> ..... 32<br />

Die internationalen Komitees stellen sich vor<br />

International Committee for the Collections and Activities of<br />

Museums of Cities (CAMOC) .................................. 35<br />

International Committee for Collecting (COMCOL) ............. 36<br />

CIDOC-Arbeitsgruppe: Transdisciplinary Approaches in<br />

Documentation ............................................... 37<br />

Tagungsberichte<br />

Technologies Serving Museum<br />

AV<strong>ICOM</strong> – International Committee for Audiovisual<br />

and Image and Sound New Technologies ...................... 38<br />

Museums for Social Harmony<br />

CECA – International Committee of Education and<br />

Cultural Action ................................................ 39<br />

Museums in Intercultural Dialogue<br />

CIDOC – International Committee of Documentation .......... 40<br />

Common Grounds for Museums in a Global Society<br />

CIMAM – International Committee for Museums and<br />

Collections of Modern Art ..................................... 41<br />

University Museums and Collections as Recorders of<br />

Cultural and Natural Communities<br />

CIPEG – International Committee for Egyptology ............... 42<br />

Chinese Costume: Material, Technology and Fashion<br />

COSTUME – International Committee for Museums and<br />

Collections of Costume ........................................ 43<br />

Foto: Leif Pareli, <strong>ICOM</strong> Norwegen


From Silk Road to Container Ship: Artefacts, Environment<br />

and Cultural Transfer<br />

GLASS – International Committee for Museums<br />

and Collections of Glass ....................................... 44<br />

From Silk Road to Container Ship: Artefacts, Environment<br />

and Cultural Transfer<br />

ICDAD – International Committee of Decorative<br />

Arts and Design ............................................... 45<br />

Museums for Social Harmony<br />

ICEE – International Committee for Exhibition Exchange ........ 46<br />

Übersetzungen in Literaturmuseen<br />

ICLM – International Committee for Literary Museums .......... 47<br />

Security of the Public and the Cultural Relics When Moving<br />

ICMS – International Committee on Museum Security .......... 48<br />

A New Global Ethics on Deaccessioning and Return of<br />

Cultural Heritage<br />

ICOFOM – International Committee for Museology ............. 49<br />

Museums for Social Harmony<br />

ICR – International Committee for Regional Museums .......... 50<br />

Different Approaches and New Challanges for the Training<br />

of Museum Professionals<br />

ICTOP – International Committee for the Training of Personnel . 51<br />

Kommunikation und neues Publikum<br />

MPR – International Committee for Marketing<br />

and Public Relations ........................................... 52<br />

Biodiversity and Climate Change – A Multicultural Approach<br />

NATHIST – International Committee for Museums and<br />

Collections of Natural History .................................. 53<br />

Foto: stumptownpanda<br />

UMSCHAU<br />

Hamburg: Museen in Gefahr<br />

Welche Zukunft hat das Altonaer Museum? .................... 54<br />

Leben im hohen Norden<br />

Projekt „Circumpolar Civilisation“ geht in die nächste Runde .... 56<br />

Museumsdepots und Depoteinrichtungen<br />

Symposium mit starker Beteiligung ............................ 57<br />

Kultur ist Ehrensache – aber nicht hauptsächlich<br />

ehrenamtlich!<br />

Europäisches Jahr der Freiwilligentätigkeit <strong>2011</strong> ................ 58<br />

Strategischer Plan publiziert<br />

Europeana legt Ausbauschritte fest ............................ 58<br />

Aktion „Hilfe für Japan“<br />

Kooperationsbündnis startet Spendenaufruf ................... 58<br />

Publikationen ................................................. 59<br />

Veranstaltungen .............................................. 60<br />

Vorstand / Impressum ......................................... 61<br />

Foto Henning Homann<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 3


AKTUELLES<br />

„Meine Erfahrungen aus der Arbeit für <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> nehme ich nun<br />

mit in das Amt des Präsidenten von <strong>ICOM</strong>.“<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

seit meiner Wahl zum Präsidenten von <strong>ICOM</strong> sind erst wenige<br />

Monate vergangen. Am 12. November 2010 hat mich<br />

die Generalversammlung von <strong>ICOM</strong> in Schanghai zum Präsidenten<br />

des Weltverbandes für die nächsten drei Jahre gewählt.<br />

Ich freue mich, dass mir als erstem deutschen Kandidaten<br />

das höchste Ehrenamt des größten internationalen<br />

Kulturverbandes anvertraut worden ist.<br />

Und es macht mich stolz, dass damit auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

eine besondere weltweite Anerkennung entgegengebracht<br />

wird, die zum einen der Bedeutung unseres Nationalkomitees<br />

als mitgliederstärkstes Komitee innerhalb des<br />

Verbandes entspricht und zum anderen die hervorragende<br />

Arbeit des Nationalkomitees würdigt.<br />

Ich selbst bin 1992 Mitglied von <strong>ICOM</strong> geworden und<br />

habe es von Anfang an als großen Ertrag gesehen, im internationalen<br />

Dialog zu hören und zu sehen, wie weltweit<br />

Museumsarbeit geleistet wird und welche Gedanken, Konzeptionen<br />

und Ziele dem zugrunde liegen. Als Präsident<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> (1999–2004) und <strong>ICOM</strong> Europe<br />

(2002–2005) habe ich es als Privileg angesehen, den Verband<br />

mitzugestalten und die internationale Perspektive von<br />

Kulturpolitik und Museumsarbeit in den Mittelpunkt zu<br />

rücken. Sie werden sich an die vielen internationalen Kooperationen<br />

erinnern, die <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> durchgeführt<br />

hat und die uns im Gesamtverband bekannt gemacht<br />

haben. Diese Erfahrungen nehme ich nun mit in das Amt<br />

des Präsidenten von <strong>ICOM</strong>.<br />

Auch hier gehört es zu meinen Zielen, den internationalen<br />

Dialog zu fördern, die Professionalität zu steigern und<br />

4 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

<strong>ICOM</strong> als Weltverband eine noch gewichtigere Stimme zu<br />

verleihen. Die Arbeit der Komitees ist mir sehr wichtig<br />

und auch der Rahmen, in dem sich die Arbeit vollzieht. Sie<br />

wissen, dass es dazu den Strategischen Plan 2008–2010<br />

gab. Ich denke, er hat sich sehr bewährt, und auch der<br />

künftige Plan, der derzeit entwickelt wird, ist von großer<br />

Bedeutung für das Selbstverständnis unserer internationalen<br />

Arbeit.<br />

Eines der für die Museumsarbeit und die Gesellschaft generell<br />

wichtigsten Instrumentarien ist und bleibt der <strong>ICOM</strong><br />

Code of Ethics for Museums, mit dem <strong>ICOM</strong> ein moralisch<br />

wichtiges Instrumentarium besitzt, sich überall auf der<br />

Welt für den Schutz des kulturellen Erbes einzusetzen. Dies<br />

betrifft die Alltagsarbeit in den Museen ebenso wie große<br />

Konfliktfelder etwa in Krisengebieten der Erde, in denen<br />

Museen und ihre Sammlungen gefährdet sind.<br />

Es ist wichtig, dass auch staatliche Stellen den <strong>ICOM</strong><br />

Code of Ethics for Museums anerkennen und sich an den<br />

dort gemachten Empfehlungen orientieren. In <strong>Deutschland</strong><br />

hat erfreulicherweise der Deutsche Bundestag mit der Annah<br />

me des Berichtes der Enquete-Kommission „Kultur in<br />

<strong>Deutschland</strong>“ im Jahre 2007 den <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for<br />

Mu seums als Grundlage der Museumsarbeit in <strong>Deutschland</strong><br />

bezeichnet.<br />

<strong>ICOM</strong> ist ein Weltverband im Wandel. Das betrifft zum<br />

einen den rasanten Anstieg der Zahl der Mitglieder, um<br />

deren aktive Mitarbeit in den internationalen Komitees wir<br />

intensiver werben müssen. Dies betrifft auch das Management<br />

des Weltverbandes. Seit Herbst 2008 restrukturiert<br />

der Generaldirektor von <strong>ICOM</strong>, Julien Anfruns, das Sekretariat<br />

in Paris mit dem Ziel einer besseren Mitgliederbetreuung<br />

und Straffung der Organisation. Aus meinen<br />

eigenen Begegnungen kann ich die Kompetenz der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter nur loben und ich weiß, dass<br />

Ihr Engagement für <strong>ICOM</strong> in Paris sehr gewürdigt wird.<br />

Wie in allen Umstrukturierungsprozessen ist es auch zu<br />

Problemen gekommen, die die Transparenz, das Timing und<br />

die Kommunikation betreffen. Daran wird gearbeitet und<br />

ich bin sicher, dass es sich nur um Probleme des Übergangs<br />

handelt.<br />

Bitte lassen Sie es mich wissen, was Ihnen in <strong>ICOM</strong>-Angelegenheiten<br />

am Herzen liegt.<br />

Für heute verbleibe ich mit freundlichen Grüßen<br />

Ihr<br />

Hans-Martin Hinz<br />

Foto: <strong>ICOM</strong>


Neuordnung der Mitgliedsbeiträge<br />

Die Generalversammlung von <strong>ICOM</strong> hatte im Juni 2009 beschlossen,<br />

eine neue Gebührenordnung für institutionel le<br />

Mitglieder in Kraft zu setzen, bei der sich der Mitgliedsbeitrag<br />

an der Höhe des Jahresbudgets der Institution bemisst.<br />

Im November 2010 wurde diese neue Gebührenordnung<br />

noch einmal angepasst, um vor allem Institutionen mit einem<br />

hohen Jahresbudget finanziell zu entlasten. Auch wurde eine<br />

neue Regelung bezüglich der Anzahl der institu tio nellen<br />

Mitgliedsausweise beschlossen.<br />

Die neue Gebührenordnung bedeutete für die meisten unserer<br />

institutionellen Mitglieder einen höheren finanziellen<br />

Aufwand, für sehr große Häuser war die Steigerung des<br />

Beitrags erheblich. Ich weiß, dass angesichts angespannter<br />

Haushalte Mitgliedsbeiträge oft zuerst auf den Prüfstand<br />

gestellt werden. Deshalb freut es mich umso mehr, dass nicht<br />

nur die meisten unserer Mitglieder die Neuordnung mitgetragen<br />

haben und dem Verband treu geblieben sind, sondern<br />

dass wir auch neue Mitglieder gewinnen konnten.<br />

Studentische Mitgliedschaft – Nachwuchspflege in einem<br />

Berufsverband<br />

Der Internationale Museumsrat <strong>ICOM</strong> kennt seit geraumer<br />

Zeit die Kategorie der studentischen Mitgliedschaft zu<br />

einem reduzierten Beitrag. Leitendes Prinzip bei dieser Regelung<br />

ist nicht der Gedanke der Vergünstigung für Studierende,<br />

sondern die Profilierung des Berufsverbandes durch<br />

die Einbindung des spezialisierten Museumsnachwuchses.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat im vergangenen Jahr beschlossen,<br />

die studentische Mitgliedschaft einzuführen und sie mit den<br />

gleichen Rechten wie die reguläre Mitgliedschaft zu versehen<br />

(im Weltverband allerdings haben Mitglieder mit dem<br />

Status student, non voting kein Stimmrecht). Leider haben<br />

wir es versäumt, alle Details bezüg lich ei ner solchen<br />

Mitgliedschaft ausreichend zu kommu nizie ren. Viele Anfragen<br />

haben uns erreicht und es wurde sehr viel individuelle<br />

Aufklärungsarbeit durch die Geschäftsstelle geleistet.<br />

Wer kann studentisches Mitglied werden?<br />

AKTUELLES<br />

- Studierende, die eine direkt auf die Museumstätigkeit hinführende<br />

akademische Ausbildung absolvieren (z. B. Museologie,<br />

Museumsmanagement),<br />

- Wissenschaftliche Volontäre am Museum.<br />

Wer ist von der studentischen Mitgliedschaft ausgeschlossen?<br />

- Wer bereits einen für einen Museumsberuf qualifizieren den<br />

Studienabschluss hat (Master, Magister, Diplom, Staatsexamen)<br />

und anschließend eine höhere Qualifikation anstrebt,<br />

- wer reguläres Mitglied bei <strong>ICOM</strong> ist, weil eine Tätigkeit<br />

in einem Museum oder in freier Mitarbeit überwiegend für<br />

ein oder mehrere Museen vorliegt, auch wenn der Betreffende<br />

an einer Hochschule eingeschrieben ist.<br />

<strong>ICOM</strong> muss unbedingt seinen Charakter als Berufsverband<br />

wahren, um im Wirkungsbereich der Nationalkomitees,<br />

aber auch international, als Vertretung der im Museum<br />

Tätigen anerkannt zu werden und glaubwürdig zu sein.<br />

Dies erfordert eine strenge Prüfung der Voraussetzungen<br />

für die Mitgliedschaft. Es ist leider nicht möglich, Studierenden,<br />

die allgemein an der Museumsarbeit interessiert sind,<br />

die Mitgliedschaft bei <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zu gewähren.<br />

Unsere studentischen Mitglieder, aus denen der Nachwuchs<br />

für die Museumsarbeit erwachsen sollte, laden wir<br />

nachdrücklich dazu ein, sich aktiv an der Arbeit des Internationalen<br />

Museumsrates <strong>ICOM</strong> auf nationaler und internationaler<br />

Ebene zu beteiligen.<br />

Klaus Weschenfelder<br />

Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

Bundesweiter AktionstAg Am 21. mAi <strong>2011</strong><br />

An diesem Tag werden Aktionen, Veranstaltungen, Ausstellungen, Lesungen, Konzerte,<br />

Tage der offenen Tür, Demonstrationen und vieles andere mehr stattfinden.<br />

www.icom-deutschland.de/mitgliedschaft-icom-mitgliedschaft.php


AKTUELLES<br />

34. Internationaler Museumstag:<br />

„Museen, unser Gedächtnis!“<br />

Seit <strong>ICOM</strong> den Internationalen Museumstag ins Leben gerufen hat, beteiligen sich<br />

weltweit immer mehr Museen an dieser Initiative. Im Jahr <strong>2011</strong> gibt es erstmals eine<br />

Kooperation mit dem UNESCO-Programm „Memory of the World“.<br />

Roslyn Russell berichtet von einem gemeinsamen Arbeitstreffen und der Vorstand<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> freut sich auch in diesem Jahr auf ein lebendiges Fest.<br />

Roslyn Russell<br />

Als Vorbereitung auf den Internationalen<br />

Museumstag <strong>2011</strong> fand im September<br />

2010 in Berlin ein Workshop<br />

statt, bei dem Vertreter des Internatio<br />

nalen Museumsrats (<strong>ICOM</strong>) und<br />

weiterer sogenannter Erinnerungsor -<br />

ganisationen über eine Zusammen arbeit<br />

im Rahmen des Internationalen<br />

Museumstages und seines Mottos diskutiert<br />

haben.<br />

Ich kam nach Berlin, um das Weltdokumentenerbe-Programm<br />

„Memory<br />

of the World“ der UNESCO zu vertreten.<br />

Der Workshop wurde vom Internationalen<br />

Komitee für Literatur- und<br />

Komponistenmuseen (ICLM) so wie<br />

der Vereinigung der Museen der Großregion<br />

(AMGR, bestehend aus dem<br />

„Wer entscheidet heute,<br />

woran wir uns morgen<br />

erinnern werden?“, fragt<br />

die UNESCO in ih rem<br />

Weltdokumentenerbe-Programm„Memory<br />

of the World“.<br />

Ziel des Programms<br />

ist, den weltweiten<br />

Zugang zu<br />

kul tu rell bedeutsa<br />

men Dokumenten<br />

zu sichern und das dokumentarische Erbe<br />

vor Zerstörung zu bewahren. Der Internationale<br />

Museumstag the ma tisiert mit seinem<br />

diesjährigen Motto die se gemeinsame Aufgabe.<br />

Museen bewahren in ihren Sammlungen<br />

zahlreiche Dokumente, die für unser kulturelles<br />

Gedächtnis grundlegend sind. Diese<br />

stehen im Mittelpunkt des 34. Internationalen<br />

Museumstages mit dem Motto „Museum<br />

6 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen,<br />

Wallonien und Luxemburg) veranstaltet.<br />

Der Veranstaltungsort passte gut<br />

zum Thema „Erinnern“, da er sich in<br />

nächs ter Nähe von Orten befand, die mit<br />

tragischen Erinnerungen an die deutsche<br />

Geschichte des 20. Jahrhunderts<br />

verbunden sind. Der Workshop fand<br />

im Haus der Ständigen Vertretung des<br />

Saarlands statt, mit Blick auf das Denkmal<br />

für die ermordeten Juden Europas.<br />

Als Vorsitzende des International<br />

Advisory Committee des UNESCO-<br />

Programms „Memory of the World“<br />

bestand meine Aufgabe in dem Workshop<br />

darin, die Rolle der Museen im<br />

Rahmen dieses Programms darzule-<br />

and Memory“. In <strong>Deutschland</strong>, Österreich und<br />

der Schweiz feiern die Museen das Ereignis<br />

am Sonntag, 15. Mai <strong>2011</strong>, unter dem Slogan<br />

„Museen, unser Gedächtnis!“.<br />

Um die internationale Wahrnehmung des<br />

Museumsta ges zu stärken, wird dieser <strong>2011</strong><br />

zum ersten Mal in Zusam men arbeit mit dem<br />

UNESCO-Programm „Memory of the World“<br />

durchgeführt. <strong>Deutschland</strong> ist mit elf Einträgen<br />

im UNESCO-Register „Memory of the<br />

World“ vertreten, beispielsweise mit den ältesten<br />

Tondokumenten traditionel ler Musik<br />

aus den historischen Beständen des Berliner<br />

Phonogramm-Archivs, dem literarischen<br />

Nach lass Johann Wolfgang von Goethes und<br />

der Partitur der 9. Sinfonie Ludwig van Beethovens<br />

(s. <strong>Mitteilungen</strong> 2010, S.14–17).<br />

Der Internationale Museumstag <strong>2011</strong> lenkt<br />

den Blick der Besucher, der Kulturvermittler<br />

und -förderer und der Medien auf die Wichtigkeit<br />

und die Pflege des kulturellen Erbes<br />

und auch auf die Leistungen und die Probleme<br />

gen – beginnend mit ihrer Aufnahme<br />

in das UNESCO-Register, in dem das<br />

Weltdokumentenerbe auf internationa<br />

ler, regionaler und nationaler Ebene<br />

zusammengestellt ist.<br />

Museen sind in diesem Register weniger<br />

stark als Bibliotheken und Archive<br />

vertreten – von den aktuell 193<br />

Einträgen im UNESCO-Register stammen<br />

nur 23 aus Museen oder Museumseinrichtungen,<br />

obwohl gerade Museen<br />

bei der Sicherung von Erinnerung<br />

und deren Zugänglichmachung eine<br />

bedeutende Rolle spielen.<br />

Ferner habe ich die Gelegenheit genutzt,<br />

den Kollegen anderer Museen<br />

und Nichtregierungsorganisationen<br />

einige Beispiele der Arbeit des Natio-<br />

bei der Arbeit an den Dokumenten: von ihrer<br />

Konservierung und Pflege bis zur Vermittlung<br />

ihrer Bedeutung in Ausstellungen oder<br />

im Internet. Die Museen wollen dabei die gesellschaftliche<br />

Relevanz ihrer Dokumente<br />

und Objekte in ihrer Stadt und in ihrer Region<br />

deutlich machen und diskutieren.<br />

Auch andere Weltverbände des Kulturerbes<br />

wie Inter national Council on Archives<br />

(ICA), Coordinating Council of Audiovisual Archives<br />

Associations (CCAAA), International<br />

Federation of Library Associations and Institutions<br />

(IFLA) und International Council on<br />

Mo numents and Sites (<strong>ICOM</strong>OS) sind <strong>2011</strong><br />

erstmals Partner des Internationalen Museumstages.<br />

Kooperationen und gemeinsame<br />

Auftritte bringen diesen neuen Akzent <strong>2011</strong><br />

zur Geltung. Museen weltweit machen darauf<br />

aufmerksam, dass sie jeweils ihren Beitrag<br />

zum lokalen und zum menschheitlichen Gedächtnis<br />

leisten, dass sie Teile eines großen,<br />

weltumspannenden Netzes sind.


nal Museum of Australia und weiterer<br />

Sammeleinrichtungen vorzuführen, an<br />

denen das Dokumentenerbe und der<br />

darin enthaltene Erinnerungs schatz<br />

deutlich wird.<br />

Das National Museum und die National<br />

Library of Australia halten in<br />

gemeinsamer Arbeit die Geschichten<br />

der „Vergessenen Australier“ fest, der<br />

über einer halben Million Australier,<br />

die im 20. Jahrhundert als Kindermigranten<br />

oder aufgrund staatlicher Vormundschaft<br />

in Heimen oder ähnlichen<br />

Einrichtungen aufwachsen mussten,<br />

wodurch sie in ihren Lebenswegen oft<br />

großen Schaden genommen haben und<br />

auch heute noch unter schmerzhaften<br />

Erinnerungen leiden.<br />

Die Eröffnung der Ausstellung Inside:<br />

Life in Children’s Homes unter<br />

Leitung der Kuratoren Dr. Jay Arthur<br />

und Dr. Adele Chynoweth ist für November<br />

<strong>2011</strong> im National Museum of<br />

Australia geplant. Bisher ist sie zwar<br />

erst zu einem Teil fertig gestaltet, auf<br />

der Internetseite des National Mu seum<br />

www.nma.gov.au/blogs/inside stehen<br />

aber bereits Informationen zur Verfügung.<br />

Die Ausstellung wird in An er kennung<br />

dieser leidvollen Kindheitserfahrungen<br />

und zum Gedenken daran durch<br />

das australische Ministerium für Familie,<br />

Wohnen, Gemeinden und indigene<br />

Angelegenheiten finanziert.<br />

Jahrestage dienen als Inspiration<br />

Das Motto bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte,<br />

so dass jedes Museum mit seiner<br />

spezifischen Sammlung an diesem besonderen<br />

Tag teilnehmen kann:<br />

<strong>2011</strong> findet das Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit<br />

statt (s. auch S. 58).<br />

Vor 60 Jahren, im April 1951, wurde in Paris<br />

die Europäische Gemeinschaft für Kohle und<br />

Stahl („Montanunion“) gegründet.<br />

Am 15. Mai <strong>2011</strong> feiern die Menschen weltweit<br />

den von der UNO 1994 eingeführten<br />

Internationalen Tag der Familie.<br />

50 Jahre Deutsch-Türkisches Anwerbeabkommen:<br />

Von 1961 bis 1972 zogen rund<br />

750.000 Türken in die Bundesrepublik.<br />

Heute leben in <strong>Deutschland</strong> etwa drei Millionen<br />

Menschen mit türkischen Wurzeln.<br />

Der Internationale Museumstag wird vom<br />

Internationa len Museumsrat (<strong>ICOM</strong>) seit 1977<br />

jährlich ausgerufen. Er verfolgt das Ziel, auf die<br />

In der National Library wird das<br />

Pro jekt „Mündlich überlieferte Geschich<br />

te“ zu den „Vergessenen Australiern“<br />

von Dr. Joanna Sassoon geleitet.<br />

Auf der Internetseite Forgotten Australians:<br />

Our History (Vergessene Australier:<br />

Unsere Geschichte) unter http://<br />

for gotten australianshistory.gov.au/<br />

index.html sind Fotos und Dokumente,<br />

mündlich überlieferte Geschichten<br />

und weitere Zeugnisse der „Vergessenen<br />

Australier“ zugänglich.<br />

Eine der „Vergessenen Australier“,<br />

die im Rahmen des Projekts der National<br />

Library von ihren Erfahrungen<br />

berichtet haben, ist Wilma Robb. Ihre<br />

Geschichte wird sich auch in der Ausstellung<br />

Inside finden. Auf einem Seminar<br />

des Museums am 7. Oktober<br />

2010 sprach sie von ihren Erfahrun gen<br />

und dem Entschluss, ihre Geschichte<br />

zu erzählen, auch wenn die Erinnerungen,<br />

die dadurch aufkämen, „schrecklich“<br />

seien. Wilma ist überzeugt, dass<br />

es wichtig ist, „die Stimme hinter der<br />

Geschichte zu hören und die Fotos des<br />

kleinen Mädchens zu sehen, das mit<br />

fünf Jahren in ein Heim geschickt wurde“.<br />

1<br />

Was können Museen tun, um mehr<br />

Aufmerksamkeit auf die wichtige Rolle<br />

zu lenken, die sie bei der Sicherung,<br />

Erhaltung und Zugänglichmachung<br />

von Erinnerung spielen, die in allen<br />

Bedeutung und die Vielfalt der Mu seen aufmerksam<br />

zu machen. Gleichzeitig ermuntert er<br />

Besucherinnen und Besucher, die in den Einrichtungen<br />

bewahrten Schätze zu erkunden.<br />

Daher ist der Eintritt in die Museen an diesem<br />

Tag in der Regel frei. Seit 1992 wird der Tag von<br />

einem jährlich wechselnden Motto begleitet.<br />

Mit dem Anliegen, die Museumsland schaft<br />

in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken,<br />

steht der Internationale Museumstag in<br />

<strong>Deutschland</strong> seit Jahren für die kulturelle<br />

Vielfalt und den Kulturföderalismus unseres<br />

Landes. Hierzu gehört auch, dass die Koordination<br />

der Kampagne in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem Deutschen Museumsbund<br />

und den Museumsverbänden auf Länder- und<br />

Bundesebene geschieht. Da die überwiegen<br />

de Zahl der Museen in <strong>Deutschland</strong> ihre<br />

Wirkung unmittelbar vor Ort entfaltet und<br />

gerade hier die Sparkassen-Finanzgruppe<br />

tra ditionell als Förderer von Kunst und Kultur<br />

wirkt, begrüßen die reg ionalen Museumsäm-<br />

AKTUELLES<br />

erdenklichen Arten von Dokumenten<br />

verborgen sind? Für den Inter natio nalen<br />

Museumstag <strong>2011</strong> hat <strong>ICOM</strong> ei ne<br />

Reihe von Schwerpunktthemen vorgeschlagen,<br />

u. a.:<br />

· Sicherung von und Zugang zu<br />

Samm lungen (einschließlich Dokumenten)<br />

· Museumsgeschichte: Was ist das Thema<br />

Ihres Museums?<br />

· Vergessene Erinnerung<br />

· Erinnern, Gemeinschaft und Identität<br />

<strong>ICOM</strong> wirbt mit Plakaten in 36<br />

Spra chen und einer Internetseite für<br />

das Motto „Museum and Memory“<br />

(„Museen, unser Gedächtnis“). Unter<br />

http://network.icom.museum/imd<strong>2011</strong>.<br />

html werden die obengenannten Themenbereiche<br />

vorgestellt und Beispiele<br />

für Umsetzungsmöglichkeiten sowie<br />

gemeinsame Projekte, die für den Internationalen<br />

Museumstag <strong>2011</strong> vorgeschlagen<br />

wurden und aus dem Workshop<br />

in Berlin hervorgegangen sind,<br />

präsentiert.<br />

Roslyn Russell (Australien) ist Vorsitzende des<br />

International Advisory Committee und Mitglied<br />

des Register-Sub-Committee des UN-<br />

ESCO-Programms „Memory of the World“.<br />

1 Rudra, Natasha: Painful stories of a country’s<br />

shame. In: Canberra Times vom 8.10.2010.<br />

ter und -verbände die Partnerschaft mit den<br />

Stiftungen und Verbänden der Sparkassen-Finanzgruppe<br />

in den Bundesländern.<br />

Die Schirmherrschaft für den Internationalen<br />

Museumstag in <strong>Deutschland</strong> wird vom<br />

Präsidenten des Bundesrates übernommen –<br />

im Jahr <strong>2011</strong> von der Ministerpräsidentin von<br />

Nordrhein-Westfalen, Frau Hannelore Kraft.<br />

Wir freuen uns mit Ihnen auf einen lebendigen<br />

Internationalen Museumstag <strong>2011</strong>, der zu<br />

einem Fest für die Besucher und die Mitarbeiter<br />

der Museen wird. Entscheiden Sie heute mit, woran<br />

die Menschheit sich morgen erinnern wird!<br />

Johanna Westphal<br />

Geschäftsführerin <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

www.museumstag.de<br />

<strong>ICOM</strong>: http://icom.museum/imd.html<br />

UNESCO-Programm „Memory of the World“:<br />

www.unesco.de/mow.html<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 7


AKTUELLES<br />

Substanz und Ethik in der Konservierung<br />

digitaler Medienkunst<br />

Die digitale Revolution hat Bedingungen hervorgebracht, die das Fortbestehen des<br />

kulturellen Gedächtnisses in Frage stellen. Die Auswirkungen dieses Systemwandels<br />

sind bisher kaum reflektiert worden. Auf welche Werte aber kann sich eine Gesellschaft<br />

stützen, die nur noch über ein eventorientiertes Kurzzeitgedächtnis verfügt?<br />

Gastbeitrag von Bernhard Serexhe<br />

Der Einblick in private und öffentliche Sammlungen zeigt,<br />

dass die Konservierungspraxis digitaler Medienkunst weit<br />

hinter den an traditioneller Kunst geschulten Erwartungen<br />

zurückbleibt. Es ist keineswegs ein Geheimnis, dass gerade<br />

die digitale Kunst mehr als andere Künste vom Verfall bedroht<br />

ist, dies aus den unterschiedlichsten zusammenwirkenden<br />

Gründen.<br />

Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln als Hauptaufgaben<br />

von Museen sind Strategien der Weitergabe des<br />

kulturellen Erbes. Indem man aber über das einzelne Werk,<br />

die damit verbundenen stilistischen Fragen und die jeweiligen<br />

Konservierungskonzepte hinausschaut, wird deutlich,<br />

dass zum Verständnis der Strukturen die grundsätzliche<br />

Frage nach der Bedingtheit und Zukunft des digitalen kulturellen<br />

Erbes gestellt werden muss. Den in der Digitalisierung<br />

des kulturellen Erbes begründeten Paradigmenwechsel<br />

zu analysieren und hieraus ein besseres Verständnis für<br />

die anstehenden strukturellen und institutionellen Verände<br />

rungen zu gewinnen, ist daher die Zielrichtung des Forschungsprojekts<br />

„Digital Art Conservation“.<br />

Das Forschungsprojekt „Digital Art Conservation“ zielt<br />

somit auf das Verstehen der Umstände, unter denen heute<br />

in Sammlungen enthaltene digitale Kunst konserviert wird,<br />

beziehungsweise nicht konserviert werden kann. Dieses<br />

Projekt, an dem drei französische und zwei Schweizer Partnerinstitutionen<br />

mitwirken, ist vom Zentrum für Kunst und<br />

Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) initiiert worden.<br />

Systemwechsel des kulturellen Gedächtnisses<br />

Seit Jahrtausenden ist das Selbstbild unserer Gesellschaften<br />

durch prinzipiell auf Langfristigkeit angelegte Überlieferungssysteme<br />

geprägt. Der Ägyptologe, Religions- und<br />

Kulturwissenschaftler Jan Assmann hat in seinen Untersuchungen<br />

zur alt-ägyptischen Kultur überzeugend nachgewiesen,<br />

dass „die Tradition in uns, die über Generatio nen,<br />

in jahrhunderte-, ja teilweise jahrtausendelanger Wiederholung<br />

gehärteten Texte, Bilder und Riten, [die] unser Zeit-<br />

und Geschichtsbewusstsein, unser Selbst- und Weltbild prägen.“<br />

1 Entscheidend in dieser Feststellung ist die Folgerung,<br />

dass das kulturelle Gedächtnis – eine Begriffsprägung Jan<br />

Assmanns – in allen bisherigen Kulturen auf Langlebigkeit<br />

und Verlässlichkeit ausgerichtet war.<br />

1 Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und po li ti sche<br />

Identität in frühen Hochkulturen. München: C. H. Beck, 1992, S. 75.<br />

8 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Seit wenigen Jahrzehnten erst erlaubt die Digitalisierung<br />

eine leichtere Generierung, Bearbeitung und Weitergabe<br />

von kulturellen Inhalten. Im Internet – so das große Versprechen<br />

unserer Zeit – sollen diese Inhalte jedem Nutzer<br />

jederzeit an jedem Ort der Welt zur Verfügung stehen. Digitalisierung<br />

und weltweite Vernetzung haben die traditionelle<br />

Informationsbeschaffung zu einem universellen Zugriff<br />

auf eine Unmasse ungefilterter Informationen erweitert.<br />

Tex te, Bilder, Filme, Musik, Kunstwerke, Dokumente jeder<br />

Art, ja, letztlich nahezu alle Äußerungen des Menschen,<br />

werden heute in binärem Code generiert und aufbewahrt,<br />

der nicht mehr von den Sinnen des Menschen unmittelbar,<br />

sondern nur noch mit Hilfe von Maschinen gelesen und in<br />

eine für den Menschen aufnehmbare Form gebracht werden<br />

kann.<br />

Im Hinblick auf die Bewahrung des kulturellen Gedächtnisses<br />

müssen wir also die grundsätzliche Feststellung treffen,<br />

dass seit etwa dreißig Jahren der Einsatz von digitalen<br />

Bearbeitungs-, Kommunikations- und Speichermedien zu<br />

einer nicht mehr auflösbaren Abhängigkeit von Hard- und<br />

Software sowie von digitalen Kommunikationssystemen geführt<br />

hat, deren Entwicklung, Steuerung und Zurverfügungstellung<br />

allerdings einzig den Unternehmenszielen der Privatwirtschaft<br />

unterworfen sind. In zunehmendem Maße<br />

zeigt sich, dass die Wertschöpfungsstrategien börsennotierter<br />

Unternehmen nicht mit den bisher auf Langlebigkeit ausgerichteten<br />

Leitbildern traditioneller Kulturübermittlung<br />

übereinstimmen. Es ist an dieser Stelle fast überflüssig auszuführen,<br />

dass die Gesetze des unserer Gesellschaftsform<br />

zugrunde liegenden Konsumismus insbesondere in den Bereich<br />

der digitalen Industrien und Märkte hineinwirken.<br />

Jede neu entwickelte Technologie muss möglichst schnell<br />

durch eine noch mehr versprechende, neue Technologie ersetzt<br />

werden. Offensichtlich würde sich eine Soft- und Hardwareindustrie<br />

durch die Entwicklung eines langfristig sicheren<br />

Speicherungssystems selbst überflüssig machen.<br />

Wir können heute zu Recht von einer Explosion der Speicherkapazitäten<br />

und einer Implosion der Speicherzeiten sprechen<br />

(Peter Weibel), eine Entwicklung, die zum Eingehen<br />

immer größerer Risiken geführt hat. Das zentrale digitale<br />

Versprechen einer langfristigen Datensicherheit ist bisher jedoch<br />

nicht eingelöst worden. Die Bewahrung von digitalisierten<br />

Inhalten ist einer immer kurzfristigeren Anpassung<br />

an neue technische Systeme unterworfen. In der daraus resultierenden<br />

funktionalen Obsoleszenz des Digitalen liegt<br />

eine systemimmanente Bedrohung des kulturellen Gedächt-


Jeffrey Shaw: Legible City, 1989 – ein gefährdeter Klassiker der interaktiven Medienkunst<br />

nisses, die die bisher gültigen Kriterien der Langlebigkeit<br />

und Authentizität in jedem Moment ad absurdum führt<br />

und daher zu einem generellen Umdenken auffordert.<br />

So hat die digitale Revolution Bedingungen hervorgebracht,<br />

die das Fortbestehen des kulturellen Gedächtnisses<br />

in seiner bisherigen Form zutiefst in Frage stellen. Bereits<br />

im Jahr 2003 stellte die UNESCO-Charta zur Bewahrung<br />

des digitalen Erbes (Charter on the Preservation of Digital<br />

Heritage) in ihrem Artikel 3 hierzu fest: „The world’s digital<br />

heritage is at risk of being lost to posterity. […] Digital<br />

evolution has been too rapid and costly for governments<br />

and institutions to develop timely and informed preservation<br />

strategies. The threat to the economic, social, intellectual<br />

and cultural potential of the heritage – the building<br />

blocks of the future – has not been fully grasped.“<br />

Von der Hoffnung, das kulturelle Gedächtnis durch seine<br />

umfassende Digitalisierung zu retten<br />

Um den fortschreitenden Verlust der originalen Träger des<br />

kulturellen Gedächtnisses auszugleichen und gleichzeitig<br />

die zunehmend ausschließlich in digitaler Form erfassten<br />

Daten zu sichern und weltweit zugänglich zu machen, sind<br />

seit den 1990-er Jahren weltweit verstärkt Forschungsprojekte<br />

zur digitalen Konservierung und Langzeitarchivierung<br />

auf den Weg gebracht worden. Hiermit wird die Hoffnung<br />

verbunden, dass digitalisierte Daten auf hochentwickelten<br />

AKTUELLES<br />

technischen Datenträgern und in mehrfach gesicherten und<br />

fortlaufend gespiegelten, in weltweiten Netzen dezentral<br />

verteilten Datenbanken sicherer als analoge Daten sind, die<br />

grundsätzlich durch äußere Zerstörungen und Verfall jeder<br />

Ursache gefährdet sind. Es wird dabei jedoch immer vorausgesetzt,<br />

dass das Gesamtsystem jederzeit weltweit funktioniert<br />

und nicht von Störungen, Programmierfehlern oder<br />

beabsichtigten Angriffen korrumpiert wird.<br />

Dieser Hoffnung, die digitalen Abbilder unserer Welt für<br />

nachfolgende Generationen dauerhaft bewahren zu können,<br />

widerspricht allerdings, dass digitalisierte Daten in noch<br />

höherem Maße als beispielsweise Fotografien oder Videobänder<br />

für unterschiedlichste, kaum kontrollierbare Störeinflüsse<br />

anfällig sind. Zudem übertrifft der Aufwand für<br />

die dauerhafte digitale Konservierung der bisher gespeicherten<br />

Datenmengen bei weitem die den Museen, Sammlungen<br />

und Archiven zur Verfügung stehenden finanziel len<br />

Mittel und Kenntnisse. Ein weiterer entscheidender Risikofaktor<br />

für die Langzeitbewahrung des digitalen kulturellen<br />

Gedächtnisses ist der mit dem ständig erhöhten Speicherbedarf<br />

verbundene Systemwechsel, so dass jeweils nach<br />

wenigen Jahren die benötigten Abspielgeräte beziehungsweise<br />

das notwendige Betriebssystem nicht mehr zur Verfügung<br />

stehen. Darüber hinaus erfordert der mit der Menge<br />

und Diversität digitaler Daten zunehmende, unausgesetzte<br />

Pflege- und Verwaltungsbedarf über viele Generationen<br />

und jeden Regimewechsel hinweg höchstes Vertrauen in<br />

Foto: Sammlung ZKM<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 9


AKTUELLES<br />

die Qualität und in die absolute Unabhängigkeit seiner Administratoren,<br />

eine Forderung, der wir auch mit unserer<br />

jüngsten geschichtlichen Erfahrung keineswegs optimistisch<br />

entgegen sehen können.<br />

Welche konservatorische Praxis?<br />

Es ist offensichtlich, dass sich auch in der Praxis und Theo rie<br />

der Sammlung und Konservierung von Kunst ein Pa ra digmenwechsel<br />

vollzogen hat, der Kuratoren, Sammler, Kunstwissenschaftler<br />

und Konservatoren vor bislang ungelöste<br />

Probleme stellt. Schon immer haben neue Produktionsbedingungen<br />

zu einer neuen Werkpraxis und notwen digerweise<br />

auch einem Überdenken traditioneller Werk begriffe<br />

geführt. Seit einhundert Jahren sind wir deshalb von einem<br />

Werkbegriff abgerückt, der den Genius des alleinschaffenden<br />

Künstlers und die einzigartige Originalität des Werks<br />

in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt hatte. Gleichzeitig<br />

haben ungezählte Werke Anerkennung und Aufnahme<br />

in Sammlungen gefunden, bei denen bereits von der<br />

Ma terialität her eine kurze Verfallszeit eingeplant ist. Und<br />

weiterhin ist seit langem die Vorstellung von Werken performativen<br />

Charakters mit multiplen Identitäten akzeptiert,<br />

die sich aus der jeweiligen Aufführungssituation ergeben.<br />

Alle diese Postulate haben aber bisher weder den Sammler,<br />

noch den Konservator von ihrem Wunsch und Dilemma<br />

befreit, diese Werke in einer identifizierbaren Form bewahren<br />

und wieder präsentieren zu wollen. Was bedeutet es al so<br />

und welche Konsequenzen hat es in der Sammlungspraxis,<br />

wenn wir bei digitalen Kunstwerken heute von Verfallszeiten<br />

von unter zehn Jahren ausgehen müssen?<br />

Nicht die digitalen Kunstwerke an sich veralten schneller,<br />

wie gerne behauptet wird, denn ihre eigentliche Substanz<br />

liegt im digitalen Code, der nicht altern kann. Sondern<br />

die für ihre Erhaltung und Präsentation erforderliche<br />

Hard- und Software, die Betriebssysteme, die spezifischen<br />

Applikationen, die notwendigen Programmierkenntnisse<br />

und häufig genug die finanziellen Mittel für ihre Wiederbelebung<br />

und Neupräsentation stehen meist schon nach<br />

we nigen Jahren nicht mehr zur Verfügung. Für die digitale<br />

Medienkunst bedeutet dies: Je schneller die technische Entwicklung,<br />

umso kürzer die Halbwertzeit der Kunstwerke.<br />

Offensichtlich sind die bisher gültigen Kriterien des spezifischen<br />

Werkcharakters, der Langlebigkeit und der gesicherten<br />

Werthaltigkeit von traditionellen Kunstwerken auf<br />

digitale Medienkunst nicht anwendbar. Die generelle Überschätzung<br />

der Langlebigkeit digitaler Technologien in den<br />

1990-er Jahren bei gleichzeitig rapide fortschreitender technischer<br />

Obsoleszenz hat in vielen Sammlungen zu einem<br />

massiven Rückstau an schlecht oder gar nicht konservierten<br />

digitalen Werken geführt. Meist werden Datenverluste und<br />

Inkompatibilität mit aktueller Hard- und Software erst bei<br />

Wiederinbetriebnahme entdeckt. Schon heute sind viele<br />

Werke verloren gegangen, viele andere könnten nur unter<br />

größtem personellen und finanziellen Aufwand rekonstruiert<br />

werden.<br />

Ebenso häufig mangelt es auch an einer präzisen Dokumentation<br />

schon bei der Anschaffung der Werke. Hierbei<br />

steht die zügige Abwicklung des Kaufs einer bei technischen<br />

Werken oft langwierigen Prüfung der inhaltlichen<br />

und technischen Qualitäten des Werks entgegen. Im Sinne<br />

10 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

der fehlgeleiteten, aber gängigen Bewertung von Ausstellungen<br />

und Museen nach ihren Besucherzahlen ist in den<br />

letzten Jahrzehnten zudem an vielen Häusern mit schnell<br />

aufeinanderfolgenden Ausstellungen eine Prioritätensetzung<br />

erfolgt, die für sorgfältige Konservierungsmaßnahmen wenig<br />

Zeit und noch weniger finanzielle Mittel lässt.<br />

Sind angesichts der extremen technischen Schwierigkeiten<br />

in einer Situation zunehmender Finanzierungslücken<br />

Museen und Sammlungen überhaupt in der Lage, die bisher<br />

hohen Standards auch bei der Konservierung von digitaler<br />

Medienkunst einzuhalten? Sind sie in dieser Situation überhaupt<br />

noch dazu verpflichtet? Kann unter den genannten<br />

Gesichtspunkten die Werthaltigkeit einer „Sammlung“ überhaupt<br />

noch gesichert werden? Wenn diese Fragen nur durch<br />

eine Auswahl von einigen bevorzugten populären Werken<br />

gelöst werden kann, welche Kriterien sollen dann über die<br />

Überlieferung dieser Werke und das Untergehen der anderen<br />

Werke entscheiden?<br />

Lösungsansätze für die Erhaltung digitaler Medienkunst<br />

liegen in der Frage nach der materiellen versus der ideellen<br />

Substanz des Kunstwerks: Im ersten Fall, nämlich dem<br />

Festhalten an der materiellen Substanz des Kunstwerks,<br />

werden das verzweifelt pragmatische Reparieren und die<br />

begrenzte Vorratshaltung obsolet gewordener technischer<br />

Geräte schnell an ihre Grenzen stoßen. Dennoch ist dieser<br />

Ansatz, so lange wir ihn wagen, ebenso vielversprechend,<br />

wie die unbestritten bewährte Methode, die Skulpturen des<br />

Straßburger Münsters durch echten Sandstein, statt durch<br />

Spritzteile aus Faserbeton oder Kunststoff zu ersetzen.<br />

Der zweite Ansatz liegt in der Anerkennung der unwiderruflichen<br />

und kurzfristigen materiellen Vergänglichkeit<br />

des digitalen Kunstwerks, das wie andere zeitbasierte Werke<br />

als immateriell betrachtet und daher den jeweiligen technischen<br />

Systemen ihrer jeweiligen „Aufführungssituation“<br />

angepasst werden könnte.<br />

Digitale Kunst ist jedoch keineswegs substanzlos. Unabhängig<br />

davon, ob wir ihr Wesen im Konzept und in dessen<br />

Umsetzung im materielosen digitalen Code suchen, oder<br />

ob wir an der geschichtlichen Materialität ihrer Erzeugungs-<br />

und Präsentationsgeräte festhalten, stellt sich die ethische<br />

Frage, wie wir denn in einer Situation der Ressourcenknappheit<br />

der Verantwortung gerecht werden wollen,<br />

die jede Generation für die Weitergabe des kulturellen Erbes<br />

übernehmen muss.<br />

Die Zeit drängt! Ist das kulturelle Vermächtnis unserer<br />

Zeit geringer zu achten, als das früherer Generationen?<br />

Oder müssen wir erst abwarten, bis nach massenhaften,<br />

eher durch den Zufall als durch bewusste Auswahl bedingten,<br />

Verlus ten jene Werke übrig geblieben sind, die wir<br />

künfti gen Generationen als Zeugnisse unserer Zeit überlassen<br />

werden?<br />

Professor Dr. Bernhard Serexhe ist Hauptkurator des Medienmuseums<br />

des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe<br />

(ZKM) und Professor für Ästhetik und Medientheorie an der Bilgi-<br />

Universität in Istanbul; seit 2010 leitet er das Projekt „Digital Art Conservation“;<br />

serexhe@zkm.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

EU-Forschungsprojekt „Digital Art Conservation“:<br />

www.digitalartconservation.org


Wege ins Museum – Wege im Museum<br />

Einladung zur Jahrestagung <strong>2011</strong><br />

Das ungarische Nationalmuseum in Budapest ist Gastgeber der Jahrestagung <strong>2011</strong>.<br />

In den letzten Jahren sind die an das<br />

Museum gestellten Anforderungen erheblich<br />

gewachsen und die Erwartungen<br />

der Besucher haben sich deutlich<br />

verändert. Diese Entwicklung hat die<br />

Museen, unabhängig von Typ und Größe,<br />

vor neue Herausforderungen gestellt.<br />

Fachwissenschaftler als Kuratoren<br />

sind nicht mehr allein die Garanten für<br />

eine professionelle Museumsarbeit.<br />

Selbst wenn Sammlungen den Kernbereich<br />

des Museums bilden, so bedarf es<br />

heute einer oder mehrerer Gruppen von<br />

Mitarbeitern, welche die Ausrichtung<br />

und die Professionalität der Museumsarbeit<br />

bestimmen. Eine Ausdifferenzierung<br />

der im Museum angewandten<br />

Berufe hat in Ausbildung und Praxis<br />

stattgefunden. Zunehmend wird die<br />

Museumsarbeit auch von Personen geprägt,<br />

die außerhalb des Museums tätig<br />

sind. Um eine einheitliche und qualifizierte<br />

Arbeit im Museum sowohl<br />

von Seiten der Festangestellten als auch<br />

der Externen und Freiberufler gewährleisten<br />

zu können, bie ten sich die Ethischen<br />

Richtlinien für Museen von<br />

<strong>ICOM</strong> als Leitfaden an.<br />

Aus- und Fortbildung für Museumsberufe<br />

Wo und wie werden die Qualifikationen<br />

für die Museumsberufe vermittelt?<br />

In den Fachstudiengängen der Universitäten,<br />

in den museologischen oder<br />

kulturwissenschaftli chen Studiengängen<br />

der Hochschulen? Welche Rollen<br />

spielen Praktika oder das traditionelle<br />

Volontariat? Welche Kenntnisse sind<br />

nötig, um eine besucher- und be nut zerorientier<br />

te Museumsarbeit zu er möglich?<br />

Wie kann das Museum den Spagat<br />

zwischen Wissenschaft und Event,<br />

zwischen Kennerschaft und Ver mittlungsarbeit<br />

bewältigen? Ist das Museum<br />

ein Tätigkeitsfeld für Absolventen<br />

verschiedener Ausbildungs- und Studiengänge?<br />

Gibt es Berufe im Museum<br />

oder Museumsberufe? Und schließlich:<br />

Was kann <strong>ICOM</strong> beitragen, um qualifizierten<br />

Nachwuchs in die Museen zu<br />

bringen und für die Mitarbeit im Internationalen<br />

Museumsrat zu ge win nen?<br />

Diese Fragen werden vom 22. bis<br />

25. September <strong>2011</strong> auf der gemeinsam<br />

von <strong>ICOM</strong> Ungarn und <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> geplanten Fachtagung<br />

Ways to the Museum – Ways through<br />

the Museum. Education and Career of<br />

Young Museum Professionals in Budapest<br />

erörtert. Die Konfe renzsprache ist<br />

Englisch.<br />

Nachwuchsförderung durch Reisestipendien<br />

Mit der gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Ungarn<br />

durchgeführten Veranstaltung in Budapest<br />

setzt <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> die<br />

Ende der 1990-er Jahre begonnene,<br />

erfolgreiche Reihe der Jahres tagungen<br />

im Ausland fort. Dadurch sollen inter-<br />

AKTUELLES<br />

nationale Begegnungen intensiviert,<br />

der Austausch mit Museumskolleginnen<br />

und -kollegen gestärkt und – im<br />

besten Fall – der Boden für weitere Kooperationen<br />

bereitet werden.<br />

Um dem „Museumsnachwuchs“ eine<br />

möglichst zahlrei che Teilnahme an<br />

der Tagung in Budapest zu ermöglichen,<br />

können deutsche <strong>ICOM</strong>-Mitglieder<br />

mit dem Status „Student“ einen<br />

Antrag auf Reisebeihilfe stellen.<br />

Insgesamt werden von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

zehn Reisestipendien à 150 Euro<br />

ausgelobt. Interessierte wenden sich<br />

bitte bis spätes tens 31. August <strong>2011</strong><br />

an die Geschäftsstelle, icom@icomdeutschland.de.<br />

Für die Bewilligung<br />

der Reisebeihilfen ist der Zeitpunkt<br />

der Antragstellung ausschlaggebend.<br />

Mitgliederversammlung <strong>2011</strong><br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird seine Mitgliederversammlung<br />

<strong>2011</strong> im Rahmen<br />

der Tagung am 23. September <strong>2011</strong><br />

in Budapest veranstalten. Die schriftliche<br />

Einladung an die Mit glieder mit<br />

dem Tagungsprogramm und der Tagesordnung<br />

zur Jahresversammlung<br />

erfolgt bis spätestens Mitte August.<br />

Bitte beachten Sie, dass Mitglieder bei<br />

Nichtanwesenheit ihr Stimmrecht auf<br />

andere stimmberechtigte Mitglieder<br />

schriftlich übertragen können, wobei<br />

jedes Mitglied zur Vertretung von<br />

höchstens zwei abwesenden Mitgliedern<br />

bevollmächtigt werden kann. Eine<br />

Vorlage zur Übertragung des Stimmrechts<br />

erhalten Sie in der Geschäftsstelle,<br />

icom@icom-deutschland.de.<br />

Der Vorstand lädt Sie herzlich zur<br />

Jahrestagung und zur Mitglieder versammlung<br />

<strong>2011</strong> in Budapest ein. Wir<br />

freuen uns auf eine Begegnung und einen<br />

gemeinsamen Austausch mit Ihnen<br />

und den ungarischen Kolleginnen<br />

und Kollegen.<br />

Angelika Ruge,<br />

Klaus Weschenfelder und der<br />

Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Nationalmuseum Budapest: www.hnm.hu<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 11


AKTUELLES<br />

Neue und bekannte Köpfe<br />

für große Aufgaben<br />

Im September 2010 gewählt, seit Januar <strong>2011</strong> im Amt: Der neue Vorstand von <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong>. Doch wer sind die sieben Museumsexperten? Welche beruflichen Statio<br />

nen haben sie absolviert? Was treibt sie an und welche Ziele verfolgen sie bis 2013?<br />

Die neue Leitung im Überblick.<br />

Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg<br />

Dr. Klaus Weschenfelder<br />

Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Kunstsammlungen der Veste Coburg<br />

Direktor<br />

praesident@icom-deutschland.de<br />

1972 Abitur; Studium der Kunstgeschichte, Pädagogik und<br />

Pro vinzialrömischen Archäologie in München; 1977 M.A.;<br />

1980 Promotion.<br />

1978–80 Mitarbeit bei kulturpädagogischen Projekten<br />

in München; 1981–82 Volontariat am Niedersächsischen<br />

Landes museum Hannover, Landesgalerie; 1983–90 Leitung<br />

des Mu seums im Ritterhaus, Offenburg; 1990–2001<br />

Leitung des Mit telrhein-Museums Koblenz (seit 1991<br />

Leitung des städtischen Museumsamtes); seit 2002 Leitung<br />

der Kunstsammlungen der Veste Coburg.<br />

1988–90 Beiratsmitglied Museumsverband Baden-Württem<br />

berg; 1993–95 Regionalvertreter in Museumsverband<br />

Rheinland-Pfalz; 2002–2007 Vorstandsmitglied von ICFA;<br />

seit 2007 Vorstandsmitglied <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; seit 2009<br />

Präsident, Vorstandsmitglied und Schatzmeister der Prinz<br />

Albert-Gesellschaft; Mitglied im Beirat der Zeitschrift kritische<br />

berichte für kunstgeschichte.<br />

12 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

In meiner Arbeit als Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

möchte ich mich einsetzen für:<br />

· die verstärkte Einbindung jüngerer <strong>ICOM</strong> Mitglieder in<br />

die Arbeit des Deutschen Nationalkomitees und der internationalen<br />

Komitees;<br />

· den Ausbau der Kommunikation von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

mit seinen Mitgliedern durch die konsequente Nutzung<br />

bestehender Instrumente (Tagungen, Publikationen, <strong>Mitteilungen</strong>,<br />

Newsletter etc.);<br />

· die Verbreitung der <strong>ICOM</strong>-Positionen (Museumsethik,<br />

Strategic Plan, Kampf gegen ungesetzlichen Handel etc.<br />

in Politik und Verwaltung sowie gegenüber der Öffentlichkeit);<br />

· das qualifizierte Wachstum des Deutschen Nationalkomitees;<br />

· die Hinwirkung im Advisory Committee auf eine größere<br />

Transparenz bei der Haushaltsaufstellung und der Verteilung<br />

der Mittel auf die Projekte des Verbandes.


Foto: privat<br />

Dr. Matthias Henkel<br />

Vorstandsmitglied<br />

Museen der Stadt Nürnberg<br />

Direktor<br />

matthias.henkel@stadt.nuernberg.de<br />

Studium der Ur- und Frühgeschichte, Volkskunde, Anthropologie,<br />

Botanik (Universität Göttingen); Magister 1990;<br />

Promotion 1996.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt visuelle<br />

Anthropologie, Göttingen; Museums-Volontariat in<br />

Lemgo; wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Volkskunde,<br />

Göttingen; Dozent für Wirtschaftsinformatik in<br />

Berlin; Pressesprecher und persönlicher Referent des Gene<br />

raldirektors am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg;<br />

Leiter Presse, Kommunikation, Sponsoring an der<br />

Ge ne raldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin; Lehrtätigkeit<br />

an der FHTW und FHVR in Berlin und an der<br />

Universität Erlangen-Nürnberg; seit 2009 Direktor der Museen<br />

der Stadt Nürnberg.<br />

Studienfachgruppe Volkskunde; Beirat in der Fachgruppe<br />

Geschichtsmuseen im Deutschen Museumsbund; Beirat<br />

in der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Museen; Fachbeirat<br />

Kultur im Deutscher Fachjournalistenverband; Jurymitglied<br />

„Wissenschaftsjahr 2009“ des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung.<br />

Germanistik, Anglistik, Philosophie; Dr. phil.; Habilitation:<br />

Neuere deutsche Literatur und Vergleichende Literaturwissenschaft.<br />

Direktor bzw. Wissenschaftlicher Leiter des Kleist-Museums<br />

Frankfurt (Oder) 2002–2009; Hermann-Hettner-<br />

Gastprofessor an der Technischen Universität Dresden<br />

2010/<strong>2011</strong>.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>: seit 2008 Mitglied des Vorstandes;<br />

ICLM: 2004–2007 Generalsekretär, seit 2007 Präsident;<br />

Repräsentant von <strong>ICOM</strong> u. a. auf der 35. Generalkonferenz<br />

der UNESCO, 2009; UNESCO-Programm Memory<br />

of the World: seit März 2009 Mitglied des Marketing-Ausschusses.<br />

Prof. Dr. Lothar Jordan<br />

Vorstandsmitglied<br />

Technische Universität Dresden<br />

Hermann-Hettner-Gastprofessor<br />

AKTUELLES<br />

Der neue Vorstand >><br />

Museen sind Lernorte mit der Aura als „Ort der Origina le“.<br />

Dies ist in einer sich medialisierenden Welt ein Allein stellungsmerkmal.<br />

Ich verstehe es als Chance, die institutionellen<br />

Kenntnisse und Erfahrungen der letzten zwei Jahrhunderte<br />

für die gesellschaftlichen Herausforderun gen<br />

des 21. Jahrhunderts nutzbar zu machen. Dafür müssen sich<br />

die Museen konzeptionell öffnen, ohne jedoch ihre klassischen<br />

Kernkompetenzen zu vernachlässigen: d. h. so viel<br />

„Event“ wie nötig und so viel inhaltlich-pädagogi sche Arbeit<br />

wie möglich. Insbesondere regional verortete Museen<br />

werden sich stärker auch auf bürgerschaft liches Engagement<br />

stützen müssen. Dafür ist es notwendig, der Bevölkerung<br />

die Bedeutung museologischer Einrichtungen zu vermitteln.<br />

Dieser Aufgabe möchte ich mich gern widmen. Auf<br />

der internationalen Plattform von <strong>ICOM</strong> sehe ich für mich<br />

im Feld des sustainable cultural tourism ein Aktionsfeld<br />

zur stärkeren Vernetzung kultureller Desti na tionen.<br />

lothar.jordan@gmx.de Foto: Winfried Mausolf<br />

Die erfolgreiche Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> sollte ausgebaut<br />

werden:<br />

1. in <strong>Deutschland</strong> durch eine Verbesserung der Zusammenarbeit<br />

mit dem Deutschen Museumsbund und mit anderen<br />

Institutionen des Kulturerbes; Bild und Ausstrahlung von<br />

Museen können in dieser Richtung noch gestärkt werden;<br />

2. durch internationale Projekte, in denen <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

eine führende Rolle übernimmt; auch Projekte, an denen<br />

junge <strong>ICOM</strong>-Mitglieder verantwortlich beteiligt sind;<br />

an der Weiterentwicklung des Internationalen Museumstages<br />

könnte sich <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> führend beteiligen;<br />

3. durch eine expansive Publikationsstrategie; Zahl und<br />

Kompetenz der Mitglieder von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> bieten<br />

eine hervorragende Basis, noch stärker sowohl grundlegende<br />

Schriften als auch anregende Diskussionen zu publizieren.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 13


AKTUELLES<br />

Foto: privat<br />

Studium der Ägytpologie, Kommunikationswissenschaft<br />

und Philologie des Christlichen Orients in München und<br />

Berlin. Promotion in Ägyptologie an der Universität Wien.<br />

1995–1997 Volontariat am Roemer-Pelizaeus-Museum,<br />

Hildesheim; 1997–2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin im<br />

Roemer-Pelizaeus-Museum, Hildesheim; seit 1995 Konzeption<br />

und Mitarbeit an zahlreichen Ausstellungen zu verschiedenen<br />

kulturhistorischen Themen wie auch zeitgenössischen<br />

Kunstprojekten; 2000–2003 wissenschaftliche<br />

Mit arbeiterin an der Universität München; seit 2000 Durchführung<br />

zahlreicher Seminare zur Museumsägyptologie;<br />

2004-2008 Kuratorin am Ägyptischen Museum der Universtität<br />

Bonn; seit 2009 Ausstellungskuratorin bei den Staatlichen<br />

Museen zu Berlin im Rahmen des Excellence Clusters<br />

TOPOI.<br />

Mitglied im Internationalen Ägyptologenverband; seit<br />

1996 <strong>ICOM</strong>-Mitglied und Mitglied von CIPEG; seit 2007<br />

Generalsekretärin von CIPEG.<br />

14 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Foto: privat<br />

Dr. Franziska Nentwig<br />

Vorstandsmitglied<br />

Stiftung Stadtmuseum Berlin<br />

Generaldirektorin und Vorstand der Stiftung<br />

gendir@stadtmuseum.de<br />

Studium an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber<br />

Dresden“; Dissertation an der TU Dresden.<br />

Langjährige Tätigkeit im Deutschen Hygiene-Museum<br />

als Vorstandsreferentin; bis 2006 Direktorin des Bachhauses<br />

Eisenach und Geschäftsführerin der Bachhaus Eisenach<br />

gGmbH; seit 2006 Generaldirektorin und Vorstand der<br />

Stiftung Stadtmuseum Berlin.<br />

Vorstandsmitglied im Landesverband der Museen zu<br />

Berlin e. V.; Mitglied in mehreren Beiräten von Museumsinstitutionen.<br />

Dr. Gabriele Pieke<br />

Vorstandsmitglied<br />

Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung<br />

Preußischer Kulturbesitz<br />

Ausstellungkuratorin<br />

gabriele.pieke@topoi.org<br />

Der neue Vorstand >><br />

Etwa 45 Prozent aller Museen in <strong>Deutschland</strong> verfolgen<br />

volkskundliche, heimatkundliche oder stadt- und regionalgeschichtliche<br />

Themenschwerpunkte. Sie generieren jedoch<br />

weniger als 15 Prozent der Gesamtbesucherzahl aller Museen.<br />

Wie können insbesondere Stadtmuseen ihre Bedeutsamkeit,<br />

ja ihre Unverzichtbarkeit, für ein funktionierendes<br />

Gemeinwesen unter Beweis stellen? Was sollen und können<br />

heute Stadtmuseen in einem sich verändernden, urbanen<br />

Umfeld leisten? Dies sind Fragen, zu denen auch das Stadtmuseum<br />

Berlin „seine“ Antwort(en) sucht. Die Stiftung<br />

Stadtmuseum Berlin, die mehrere Museen umfasst, arbeitet<br />

an einem neuen stadt- und kulturgeschichtlichen Profil.<br />

Der Austausch mit anderen Stadt- und Regionalmuseen ist<br />

dabei sehr wichtig – wie ich ebenso glaube, dass Erfahrungen<br />

des Stadtmuseums Berlin auch anderen Einrichtungen auf<br />

vielfältige Weise dienen können. Ich habe daher kürzlich<br />

die Aufnahme in das International Committee for the<br />

Collections and Activities of Museums of Cities (CAMOC)<br />

beantragt. Im deutschen <strong>ICOM</strong>-Vorstand werde ich mich<br />

besonders für den Gedanken- und Ideentransfer zwischen<br />

Museen für Stadt- und Regionalgeschichte auf <strong>ICOM</strong>-Ebene<br />

einsetzen.<br />

Aktive Vermittlungsarbeit auch in einem kulturpolitischen<br />

Kontext gilt seit jeher als eine zentrale Aufgabe von Museen,<br />

die einen ganz eigenen gesellschaftlichen Beitrag leisten.<br />

Derzeit sehen wir uns mit einer sich stark wandelnden<br />

Medienlandschaft und Facebook-Gesellschaft konfrontiert,<br />

die neue Herausforderungen für Sammlungen und<br />

Museen mit sich bringen.<br />

Auch in meiner eigenen Arbeit kommt – neben der Förderung<br />

von Museumsnachwuchs – dem Aspekt der kreativen<br />

Kulturvermittlung ein besonderer Schwerpunkt zu, wobei<br />

mir insbesondere die Belange kleinerer Museen und Fachsparten<br />

wichtig erscheinen, die häufig unter unzureichenden<br />

Infrastrukturen leiden und nur ungenügend in Netzwerke<br />

eingebunden sind.<br />

Als mitgliederstärkstes Nationalkomitee trägt <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> eine besondere Verwantwortung im Rahmen<br />

der internationalen <strong>ICOM</strong>-Tätigkeiten. Als Verantwortliche<br />

für ein internationales Fachkomitee in <strong>ICOM</strong><br />

möchte ich die derzeit anstehenden Entwicklungen im<br />

strukturellen und administrativen Bereich des Weltverbandes<br />

<strong>ICOM</strong> mitgestalten.


Foto: privat<br />

Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch<br />

Vorstandsmitglied<br />

Ludwig Museum, Koblenz<br />

Direktorin<br />

beate.reifenscheid@ludwigmuseum.org<br />

1980–1985 Studium der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaften<br />

sowie Publizistik; 1984 Auslandsstudium an der<br />

Universidad de Complutense in Madrid; Abschluss: Magister<br />

Artium; 1985–1988 Promotionsvorbereitungen zum<br />

Thema „Raffael-Rezeption in Almanachen und Taschenbüchern<br />

der Romantik und der Biedermeierzeit 1798–1848“<br />

Promotion 1988; von 1983–1985 Stipendiatin des Cusanuswerks,<br />

Bonn; 1985–1988 Promotionsstipendiatin.<br />

Volontärin am Saarland-Museum, Saarbrücken; 1992–<br />

1997 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Saarland Museum:<br />

Leitung des Grafischen Kabinetts sowie der Öffentlichkeitsarbeit,<br />

zahlreiche Ausstellungsprojekte; seit 1997<br />

Leitung des Ludwig-Museums Koblenz, 2002–2004 Leitung<br />

der beiden Städtischen Museen in Koblenz; Kuratorin<br />

für zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland; seit<br />

1991 Lehraufträge an der Universität des Saarlandes, Universität<br />

Hildesheim sowie seit 2000 an der Universität Koblenz-Landau.<br />

<strong>ICOM</strong> Mitglied seit 1990; IKT-Mitglied 1994–1999;<br />

Beirat des Künstlerhauses Schloß Balmoral, 2000–2002.<br />

Management-Studium an der EAP – Europäische Wirtschafts<br />

hochschule (heute ESCP Europe); Maîtrise (Magister)<br />

der Völkerkunde in Straßburg (Frankreich); Promotion<br />

in Soziologie, Karlsruhe.<br />

Von 2000–2006 tätig in Karlsruhe im Bereich der Besucherforschung,<br />

zuerst als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

des Instituts für Soziologie der Universität Karlsruhe (TH),<br />

dann als freiberufliche Mitarbeiterin des Zentrum für Evaluation<br />

und Besucherforschung (ZEB). Von 2006–2008<br />

wissenschaftliche Leiterin des ZEB am Badischen Landesmuseum<br />

Karlsruhe. Selbständig seit 2008.<br />

Vorstandsmitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> seit 2009;<br />

Mitglied von <strong>ICOM</strong> CECA; Mitglied in der Projektgruppe<br />

Plattform 2012 von NATHIST.<br />

AKTUELLES<br />

Bei <strong>ICOM</strong> möchte ich mich für die Kontinuität der wissenschaftlichen<br />

Arbeit und Vernetzung einsetzen. <strong>ICOM</strong><br />

bietet eine hervorragende Basis für eine immer wieder zu<br />

fordernde Sensibilisierung für die wissenschaftlichen Kriterien<br />

musealer Arbeit und dies insbesondere gegenüber den<br />

Mechanismen des schnelllebigen Kunstmarktes. Dies betrifft<br />

insbesondere den Bereich der gefälschten Werke, jener, die<br />

restituiert werden müssen und diejenigen, deren Wertigkeit<br />

möglicherweise noch nicht erkannt wurde. Hier liegt eine<br />

wichtige Naht- und Schnittstelle von <strong>ICOM</strong>, die es in den<br />

nächsten Jahren durch Kommunikation und enge Zusammenarbeit<br />

positiv zu besetzen gilt. Darüber hinaus möchte<br />

ich mich bei <strong>ICOM</strong> für einheitliche Standards und eine<br />

transparente Vernetzung sowie Hilfestellung jeglicher Art<br />

einsetzen.<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith<br />

Vorstandsmitglied<br />

Evaluation für Kultureinrichtungen, Karlsruhe<br />

swi@wintzerith.de Foto: privat<br />

Für mich ist <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> vor allem die berufliche<br />

Vertretung der deutschen Museumsprofis weltweit sowie auf<br />

nationaler Ebene. Es ist zudem ein wichtiges Bindeglied<br />

zwischen der zentralen Organisation in Paris und den<br />

<strong>ICOM</strong>-Mitgliedern in <strong>Deutschland</strong>. So soll unser nationales<br />

Komitee nicht nur aufgrund seiner Mitgliederzahl innerhalb<br />

der internationalen Organisation an Einfluss gewinnen,<br />

sondern auch durch verstärktes Engagement und<br />

aktive Vernetzung. Zusammen mit dem Vorstand möchte<br />

ich diese Vernetzung stärken und die Kooperation mit anderen<br />

Komitees unterstützen oder mitinitiieren, so dass die<br />

Mitglieder den internationalen Austausch stärker pflegen<br />

können. Ein weiteres Anliegen ist es mir, die Nachwuchskräfte<br />

in den Museen und bei <strong>ICOM</strong> nach Kräften zu unterstützen<br />

– ihre Stimme sollte noch deutlicher zu hören sein.<br />


RÜCKBLICK<br />

Museums for Social Harmony<br />

Exotik, Abenteuer und Familienatmosphäre – die <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz vom 7. bis<br />

12. November 2010 in Schanghai hatte von allem etwas, darin sind sich die deutschen<br />

Teilnehmer einig. Rund 3600 Museumsexperten aus 122 Ländern, Regionen und internationalen<br />

Organisationen sollen die Gelegenheit zum Gedankenaustausch genutzt<br />

haben. Stéfanie Wintzerith berichtet über die Höhepunkte des Post-Expo-Events<br />

und Katharina Fibig gibt einen Eindruck von der Konferenz-Tour, die sie vorab in mehrere<br />

chinesi sche Städte geführt hat.<br />

Stéphanie Wintzerith<br />

16 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Foto: Stéphanie Wintzerith


Eine Reihe von „Fabelwesen“ bewacht<br />

das Shanghai Museum. Sie stehen Spalier<br />

vor dem Gebäude, dessen Architektur<br />

viele Symbole des alten Chinas<br />

in Stein, Form und Motiv enthält, und<br />

üben ihre Funktion als Beschützer aus.<br />

Besucher werden hineingelassen, böse<br />

Geister dagegen sollen davon abgehalten<br />

werden, das Gebäude zu betreten<br />

und in den großartigen Sammlungen<br />

ihr Unwesen zu treiben. Die<br />

22. Ge neralkonferenz von <strong>ICOM</strong> fand<br />

in Schang hai statt, zwar nicht im<br />

Shanghai Museum, doch dieses Bild<br />

kommt mir immer als erstes in Erinnerung.<br />

Wir wurden mit offenen Armen empfangen.<br />

Wir wurden mit unglaublicher<br />

Freundlichkeit willkommen geheißen,<br />

umsorgt und als Ehrengäste behandelt.<br />

Die Würdenträger kamen zur Begrüßung<br />

und die Eröffnungs- und Abschlusszeremonien<br />

waren ein Florileg<br />

dessen, was die chinesische Kultur zu<br />

bieten hat – auf höchstem Niveau. Die<br />

Welt der Museen zu Gast in China verdient<br />

eine Prestigeveranstaltung. Es war<br />

deutlich, wie wichtig dieses Ereignis<br />

für China und für die chinesischen Museen<br />

war und wie eifrig man dort um<br />

die Anerkennung der Welt bemüht war<br />

– um die hintergründigen Motive zu<br />

erkennen, muss man wohl Sinologe oder<br />

Kenner sein.<br />

Foto: Stéphanie Wintzerith<br />

Das World Expo Gelände wurde zu<br />

einem exklusiven Tagungsort<br />

In den empfohlenen Hotels stand mindestens<br />

ein Freiwilliger zur Verfügung<br />

und konnte den Tagungsteilnehmern<br />

organisatorische und andere Fragen<br />

beantworten, vor allem auch Adressen<br />

in chinesischer Schrift auf Zettel<br />

schreiben. Eine Armada von Bussen<br />

brachte uns von den Hotels zum Expo-Gelände,<br />

von dessen Eingang zum<br />

eigentlichen Tagungsgebäude. Und<br />

wie der zurück. Eine unglaublich große<br />

Gruppe Freiwilliger, sehr freundlich<br />

lächelnd in ihren orange nen Poloshirts,<br />

schwang ihre Schildchen und<br />

zeigte uns den Weg. Wir konnten einfach<br />

nicht verloren gehen. Wir konnten<br />

allerdings auch keine Frage stellen, da<br />

kaum einer dieser jungen Menschen<br />

über genügend Englischkenntnisse verfügte,<br />

um die Frage zu verstehen oder<br />

gar eine Antwort zu geben. Was soll’s,<br />

der gute Wille war da.<br />

Der chinesische Cerberus nahm die<br />

menschliche Gestalt der Sicherheitskräfte<br />

an, und davon gab es reichlich.<br />

Der Tagungsort war das World Expo<br />

Center auf dem abgeriegelten Gelände<br />

der eine Woche zuvor beendeten Expo<br />

2010. Ohne den entsprechenden Ausweis<br />

war das Betreten des Geländes<br />

nicht erlaubt – was etliche Teilnehmer<br />

RÜCKBLICK<br />

Das Shanghai Museum vermittelt einen<br />

Gesamtüberblick über fünftausend Jahre<br />

chinesischer Geschichte. Aus Anlass der<br />

<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz hatte es sich im<br />

November 2010 besonders geschmückt.<br />

Der chinesische EXPO-Pavillon, wegen<br />

seiner Dimension auch „Krone des Ostens“<br />

genannt, diente der 22. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

als Veranstaltungsort (Foto links).<br />

zu ihrem Leidwesen mehrere Tage lang<br />

zu spüren bekamen (die Verhandlungen<br />

waren zäh, aber sie kamen rein!).<br />

Mensch, Tasche, Identität und Gültigkeit<br />

der Zutrittsgenehmigung wurden<br />

jeden Morgen streng kontrolliert, man<br />

übte sich in Geduld und pflegte den<br />

Kontakt mit den Kollegen – das Seufzen<br />

über die Kontrolle ist ein wunderbares<br />

Thema, um Gespräche anzuregen.<br />

Da der Security-Checkpoint für<br />

den Massenandrang der Expo konzipiert<br />

wurde, waren die Schlangen nicht<br />

allzu lang. Dann gab es noch den eigentlichen<br />

<strong>ICOM</strong>-Teilnehmerausweis,<br />

auch der mit Passbild und entsprechendem<br />

Chip ausgestattet. Bei jedem<br />

Eintritt ins World Expo Center wurde<br />

kontrolliert. Es versteht sich von selbst,<br />

dass sämtliche Bewegungen auf dem<br />

gespenstisch leeren Gelände mit dem<br />

Bus zu geschehen hatten, Fußgänger<br />

seien durch die Abräumarbeiten zu gefährdet<br />

gewesen.<br />

Die erste Museums-Fachmesse Chinas<br />

wurde anlässlich der <strong>ICOM</strong>-Konferenz<br />

ausgetragen und dauerte drei<br />

Tage. Das Interesse der chinesischen<br />

Kollegen war so groß, dass gelegentlich<br />

der Eindruck entstand, die Messe<br />

sei das eigentliche Event und die Generalkonferenz<br />

nur Rahmenprogramm.<br />

An zwei Tagen wurden uns zu Ehren<br />

drei Pavillons der Expo noch einmal<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 17


RÜCKBLICK<br />

Die chinesischen Gastgeber waren stets<br />

bemüht, den Kongressteilnehmern mit<br />

mehrsprachigen Hinweisschildern,<br />

Schepers<br />

Prospekten und Programmheften die<br />

Orientierung zu erleichtern. So konnte<br />

Wolfgang<br />

keiner auf dem weitläufigen Expo-Gelände<br />

verloren gehen. Foto:<br />

Respecting Cultural Heritage for<br />

our Common Future<br />

Die Konferenztour fand vom 30. Oktober<br />

bis 5. November 2010 statt und wurde von<br />

<strong>ICOM</strong> Europe in Kooperation mit <strong>ICOM</strong><br />

China und <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> veranstaltet.<br />

Sie führte nach Xi’an, Luoyang, Kaifeng<br />

und Zhengzhou.<br />

Katharina Fibig<br />

Gefragt, wie es denn in China war, antworte<br />

ich zunächst einsilbig – abenteuerlich. Ich hatte<br />

sehr vielfältige Eindrücke. Aber eigentlich<br />

stimmt „abenteuerlich“ gar nicht, zumindest<br />

nicht, was die Organisation betrifft. Denn unsere<br />

Partner in den Provinzen Shaanxi und<br />

Henan waren formvollendete Gastgeber und<br />

überließen nichts dem Zufall. Nachdem geklärt<br />

war, wer die Vorbereitung für unsere<br />

Ankunft anstelle des plötzlich verstorbenen<br />

Zhao Jianwen übernehmen würde, entstand<br />

keinerlei weitere Unsicherheit, die für Aufregung<br />

hätte sorgen können.<br />

Dies war mein erster Flug nach China, besser<br />

auf den asiatischen Kontinent überhaupt, mir<br />

war also alles sehr neu. Unseren Reiseteilnehmern<br />

zumeist auch, sie kamen alle aus<br />

Eu ropa. Im Zug nach Zhengzhou wurden wir<br />

von der Ansagerstimme angesprochen: „Hope<br />

you are in a travelling mood?!“ Wir konnten<br />

alle antworten: „Yes, we are!“ Das reichhalti ge<br />

Programm und die ebenfalls reichhaltigen<br />

Mittag- und Abendessen waren eng getak-<br />

18 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

geöffnet, der Footprint Pavilion, das<br />

Expo-Museum und der China Pavilion.<br />

Die anderen Pavillons wurden<br />

in einer erstaunlichen Geschwindigkeit<br />

bereits geleert und teilweise abgetragen,<br />

wir erhaschten darauf einen<br />

Blick beim Vorbeifahren. Es ist ein unglaubliches<br />

Privileg gewesen, diese Pavillons<br />

quasi menschenleer im Vergleich<br />

zum Massenandrang der Expo sehen<br />

zu können, wovon auch zahlreiche<br />

Landsleute mit großem Stolz und anhalten<br />

dem Blitzgewitter Gebrauch machten.<br />

<strong>ICOM</strong> zwischen Weltverband und<br />

Freundeskreis<br />

Das formale Leben einer Weltorganisation,<br />

die nach französischem Vereinsrecht<br />

strukturiert ist, geht schon<br />

seine eigenen Wege. Dabei sind die Kulissen<br />

– das pulsierende Leben – meistens<br />

spannender als die eigentlichen<br />

offiziellen Ereignisse. Der gesamte Verband<br />

mitsamt dem Sekretariat wird inoffiziell<br />

tausendmal neu erfunden, neu<br />

gestaltet und neu erklärt – und bleibt<br />

doch bestehen. Vorstände verbünden<br />

sich, internationale Komitees schließen<br />

sich zusammen, man tagt ge meinsam,<br />

trifft sich, entwickelt neue Kooperationsmöglichkeiten<br />

und erweitert Netzwerke.<br />

Man wird geehrt oder über-<br />

Foto: Stéphanie Wintzerith<br />

reicht repräsentative Geschenke. Man<br />

wird gewählt oder abgewählt, man<br />

geht wählen oder hält nach den Ergebnissen<br />

Ausschau. Junge Mit glie der können<br />

endlich den alten Ha sen der Vereinspolitik,<br />

deren Namen sie schon so<br />

oft gehört haben, ein Gesicht zu ordnen.<br />

Sie versuchen zu verstehen, wie<br />

das Riesenschiff <strong>ICOM</strong> manöv riert<br />

wird, was es leisten kann, welche Sandbänke<br />

es umschiffen muss und wo die<br />

Klippen stehen – bzw. wel che Entfernung<br />

von diesen Klippen als sicher gilt.<br />

Um die Funktionsweise und Mechanismen<br />

des Weltverbandes zu verstehen,<br />

muss man unbedingt mehrere Generalkonferenzen<br />

mitgemacht haben,<br />

ja sich aktiv daran beteiligen. <strong>ICOM</strong>,<br />

eine große Organisation. <strong>ICOM</strong>, eine<br />

große Familie. <strong>ICOM</strong>, ein Freundeskreis.<br />

Der gemeinsame Nenner ist und<br />

bleibt das Museum, die Leidenschaft<br />

für das kulturelle Erbe, die Institution<br />

und seine Funktionen. Die Vielfalt<br />

drückt sich in allen Variationen aus<br />

– Land, Fachgebiet, Aufgabenbereich,<br />

Vorlieben – und doch überragt das<br />

Gefühl, gemeinsam etwas bewegen zu<br />

können. Die geballte Energie, die hier<br />

gebündelt auftritt, entfaltet sich vorzug<br />

sweise … in der Kaffeepause. Es<br />

geht um den Austausch zwischen den<br />

Kollegen, den Austausch mit anderen<br />

Fachrichtungen, den Austausch zwi-


Foto: Leif Pareli<br />

schen den Ländern. Die Vorträge liefern<br />

Gesprächsthemen und eine Plattform,<br />

um Ideen, Fakten und An regungen zu<br />

kommunizieren. Sicher sind sprachliche<br />

Schwierigkeiten nicht immer zu<br />

überwinden. Man denke an die Übermacht<br />

des Englischen, das die zwei<br />

anderen offiziellen Sprachen Französisch<br />

und Spanisch immer mehr in den<br />

Schatten stellt. Sicher herrscht auch<br />

nicht immer Einigkeit – zum Glück!<br />

Und doch bewirken diese Tagungen,<br />

so erschöpft man danach sein mag,<br />

einen großen Motivationsschub.<br />

Erstmals wird ein deutscher Kandidat<br />

zum Präsidenten gewählt<br />

Während der Generalkonferenzen finden<br />

traditionell die Wahlen statt, für<br />

die Vorstände einiger internationaler<br />

Komitees sowie für den Weltverband.<br />

Zum ersten Mal wurde ein elektronisches<br />

System eingeführt, das die Verbandswahlen<br />

sicherer und die Auswertung<br />

schneller gestalten sollte. Es<br />

klang anfangs schon etwas kompliziert,<br />

hatte dann aber ganz gut geklappt,<br />

so der allgemeine Eindruck der<br />

wahlberechtigten Delegierten. Es hat<br />

sich schon herumgesprochen: „Wir<br />

sind Präsident“, könnten die Deutschen<br />

sagen, denn „unser“ Kandidat Hans-<br />

Martin Hinz ist zum neuen Präsiden-<br />

ten von <strong>ICOM</strong> gewählt worden. Dem<br />

offiziellen Charakter des Zeremoniellen<br />

zum Trotz brach bei der Verkündung<br />

der Wahlergebnisse ein regelrechter<br />

Jubel aus – nicht nur im Deutschen<br />

Komitee –, so dass selbst ein französischer<br />

Staatspräsident a. D., namentlich<br />

Jacques Chirac, weitere Minuten<br />

warten musste, um seine Abschlussrede<br />

beginnen zu können.<br />

Die Generalversammlung, laut Statuten<br />

das oberste Organ des Vereins,<br />

soll Entscheidungen treffen. Sie wurde<br />

gebeten, (möglichst diskussionslos) die<br />

vorgelegten Dokumente abzusegnen<br />

und die eingereichten Resolutionen<br />

nach bloßem Vorlesen zu beschließen.<br />

Ein demokratisches Verfahren sieht<br />

anders aus, dachten einige Delegierte,<br />

die auch das Wort ergriffen und ihre<br />

Bedenken äußerten – ohne spürbaren<br />

Erfolg. Ob wohl die Stereotypen, die<br />

man üblicherweise mit den Verfahren<br />

im Gastland verbindet, doch durchschimmerten?<br />

Nein …! Schuld war<br />

allein der straffe Zeitplan.<br />

Die Fachtagungen der internationalen<br />

Komitees<br />

Foto: Leif Pareli<br />

Wer seine ganze Aufmerksamkeit den<br />

Formalien der Vereinsordnung widmete,<br />

verpasste allerdings viel. Denn<br />

so ganz nebenbei gab es ja auch viele<br />

RÜCKBLICK<br />

Hans-Martin Hinz wurde als erster<br />

deutscher Kandidat zum <strong>ICOM</strong>-Präsidenten<br />

gewählt (Foto links). Die Begeisterung im<br />

Saal über dieses Wahlergebnis führte dazu,<br />

dass der frühere französische Präsident<br />

Jacques Chirac seine Rede erst mit<br />

Verzögerung halten konnte.<br />

tet. Für diesen Bericht beschränke ich mich auf<br />

den musealen Bereich. Auch wenn für mich<br />

persönlich der Kontakt und die Gespräche mit<br />

den anderen Reiseteilnehmern über unsere<br />

Herkunft und unser Tun wichtiger waren.<br />

Auf den bisherigen <strong>ICOM</strong>-Europe-Touren<br />

ha be ich immer, trotz anfänglicher Ängste<br />

und Vorbehalte gegenüber den bereisten<br />

Ländern, gelernt, offen zu sein und gern wiederzukommen.<br />

Ich war jedes Mal positiv<br />

überrascht, so auch dieses Mal. Während der<br />

Führungen durch die Museen sind mir Objekte<br />

ins Auge gefallen, die in weiterem Sinne<br />

mit Gastfreundschaft, Netzwerken und<br />

Kommunikation zu tun hatten. Sie haben in<br />

mir ein angenehmes Gefühl von Gemeinsam<br />

keit geweckt.<br />

Das Guanzhong Folk Art Museum ist ein<br />

besonderes Museum, weil ein Privatmann<br />

hier Alltagsgegenstände aus dem ländli chen<br />

Bereich zusammengetragen hat – diese Art<br />

des Sammelns ist nicht sehr verbreitet in<br />

China. Der Eigentümer Wang Yangchao empfing<br />

uns warmherzig und erzählte mit viel<br />

Stolz davon, wie sein Museum die Minderheiten<br />

zusammenbringe. Es zeigt vierzig Höfe,<br />

gebaut während unterschiedlicher Perioden,<br />

aus den verschiedensten Regionen Shaanxis.<br />

Wir wurden auf Pfähle aufmerksam gemacht,<br />

die entlang aller Wege aufgestellt<br />

sind. Sie sind mit Tier- und Menschenmotiven<br />

versehen und dienten dazu, die Pferde<br />

der Gäste des Hausherren anzubinden. So<br />

repräsentieren sie in ihrer Vielzahl den Sta-<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 19


RÜCKBLICK<br />

Das Programm der 22. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

war dicht gedrängt, so dass<br />

zahlreiche Veranstaltungen nur parallel<br />

stattfinden konnten. Darüber hinaus<br />

nutzten viele internationale Komitees die<br />

Gelegenheit, auch ihre Jahrestagungen<br />

abzuhalten. Foto: COMCOL<br />

Foto: Katharina Fibig<br />

tus und Reichtum des Besitzers – je mehr<br />

Pfähle, umso mehr Besuch.<br />

Der Löwe im Eingangsbereich des Shaanxi<br />

History Museum ist ein Symbol: Er steht<br />

und stand für Stärke und Überlegenheit. In<br />

China, wo es zu keiner Zeit Löwen gab, benutzten<br />

die Dynastien ihn als Geschenk. Dieser<br />

gehörte der Mutter der einzigen Herrscherin<br />

Wu Zetian. Hier im Museum soll kei ne<br />

Tafel mit Wegweisern von ihm ablenken, daher<br />

sind die Besucher oft irritiert. Was soll so<br />

ein großer Löwe darstellen? Er ist in einer<br />

ausländischen Technik hergestellt, die die Verbundenheit<br />

der Kulturen zeigt. Wir sahen<br />

auch das älteste Stück Papier der Welt. Es ist<br />

weich und grob beschaffen. Daher vermutet<br />

man, dass es zum Einwickeln benutzt wurde.<br />

Später erst änderte man die Verarbeitungstechnik<br />

leicht und erfand somit das<br />

Schreibpapier – in Lily Wangs Augen Chinas<br />

größter Beitrag zur Weltkultur.<br />

Auf der Rundfahrt durch die themenparkartig<br />

neu gestaltete Stadt Kaifeng wurden<br />

20 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Fachtagungen. Die Generalkonferenz<br />

stand unter dem Motto „Museums<br />

for Social Harmony“. In asiati schen<br />

Kulturen fasst der Begriff social harmony<br />

weit mehr als die platte Übersetzung<br />

„soziale Harmonie“ es ahnen<br />

lässt. Nur was genau? In vielen Komitees<br />

herrschte zunächst Ratlosigkeit,<br />

als sie ein Thema für ihre Tagung<br />

suchten, das sich an das Motto anlehnen<br />

sollte. Die meisten Komitees tagten<br />

im World Expo Center, einige hatten<br />

die Gelegenheit, anderswo zu tagen<br />

und dadurch zumindest ein Museum<br />

in Schanghai besser kennenzulernen.<br />

Allerdings waren sie etwas abgeschottet<br />

vom allgemeinen Geschehen.<br />

Neben Plenarveranstaltungen und<br />

Fachtagungen fanden zahlreiche Ereignisse<br />

statt, zu viele, um alle absolvieren<br />

zu können. Zur Auswahl standen<br />

Parallelveranstaltungen, Sitzungen und<br />

Treffen, spontane oder geplante Termine,<br />

Empfänge und Einladungen zum<br />

Abendessen. Plenarsitzungen, die CE-<br />

CA-Tagung – inklusive meines Vortrages<br />

–, ein Workshop zu Gast bei<br />

NATHIST, die A. Wittlin and S. Weil<br />

Memorial Lectures, der Empfang bei<br />

der Alliance Française, die Wahlen, die<br />

Sitzungen des Advisory Committee<br />

(als Zuhörerin) und des Strategic Plan<br />

Committee (als aktive Teilnehmerin)<br />

standen auf meinem Terminplan.<br />

Zahlreiche Museen boten Einblick<br />

in die chinesische Kultur<br />

Bei dem dichten Programm blieb wenig<br />

Zeit, Museen und Sehenswürdigkeiten<br />

in Schanghai zu besichtigen.<br />

Beneidenswert, wer früher anreisen,<br />

länger bleiben oder sogar eine der Konferenztouren<br />

machen konnte. Der Exkursionstag<br />

bot dafür reichlich Gelegenheit,<br />

in die chinesische Kultur<br />

einzutauchen. Ich hatte die Exkursion<br />

nach Hangzhou gebucht. Wir wurden<br />

wie gewohnt kontingentiert und auf<br />

Busse verteilt, die uns im Konvoi (mit<br />

Polizeibegleitung) in eine Kleinstadt<br />

– mit weniger als sechs Millionen Einwohnern<br />

ist von einem Dorf die Rede<br />

– der Nachbarprovinz brachten. In<br />

etwa drei Stunden Fahrt konnten wir<br />

uns mit unseren Nachbarn reichlich<br />

austauschen, China, Stadt und Land<br />

betrachten und dem Informationsfluss<br />

unserer Reisebegleiterin lauschen. Wir<br />

hatten genau dreißig Minuten, um im<br />

Schnellschritt mit Führung durch das<br />

Nationale Teemuseum zu eilen. Wie<br />

man Langnasen, dazu auch noch Museumsspezialisten,<br />

die an jeder Vitrine<br />

hängenbleiben oder genüsslich im Museumsshop<br />

Souvenirs einkaufen wollen,<br />

rechtzeitig wieder in den Bus bekommt,<br />

ist selbst dem besten Touris tenführer<br />

noch ein Rätsel.


Nach dem Mittagessen – unverfälscht<br />

chinesisch, endlich befreit von<br />

westlichen Großstadteinflüssen – in<br />

einem Restaurant inmitten der Teeplantagen<br />

stand ein zweites Museum<br />

auf dem Programm, das Porzellanmuseum.<br />

Auch hier wurde uns exakt eine<br />

halbe Stunde (mit Führung) zugeteilt<br />

und auch hier verhielt sich die Gruppe<br />

äußerst undiszipliniert, völlig unasiatisch.<br />

Das dritte Museum einige<br />

Kilometer weiter war das Chinesische<br />

Seidenmuseum, nun ahnen Sie schon,<br />

wie dieser Besuch vonstatten ging. Für<br />

den Rückweg musste die tagsüber eingehaltene<br />

Sitzordnung in den Bussen<br />

zwecks Verteilung auf die jeweiligen<br />

Hotels geändert werden. Ein Kraftakt<br />

der Organisation. Jedenfalls kamen<br />

wir alle in Schanghai wieder an, meines<br />

Wissens ist keiner in einem der Museen<br />

vergessen worden. So haben wir<br />

selber erlebt, wie sich asiatische Touristengruppen<br />

im Tourenmarathon<br />

fühlen könnten, und obwohl nur die<br />

wenigsten von uns in der Lage waren,<br />

sich dem chinesischen Besuchsverhalten<br />

anzupassen, werden wir sicherlich<br />

mehr Verständnis für diese bis dato<br />

eher verschmähte Gruppe aufbringen.<br />

3.600 Teilnehmer waren angemeldet,<br />

so die Meldung der Organisatoren.<br />

Die Zahlen liegen mir nicht vor,<br />

doch könnte schätzungsweise etwa<br />

die Hälfte davon aus China stammen.<br />

Schade, dass wir dennoch so wenige<br />

Möglichkeiten hatten, mit ihnen in<br />

Kontakt zu treten – was nicht allein<br />

an sprachlichen Schwierigkeiten lag.<br />

Denn in der Regel verschwanden die<br />

meisten trotz Simultanübersetzungen<br />

aus den Tagungsräumen, sobald die<br />

offiziellen Begrüßungsreden bzw. der<br />

Vortrag ihres Landsmannes zu Ende<br />

waren. So schien es mir zumindest,<br />

aber vielleicht trügt dieser Eindruck.<br />

Jedenfalls möchte ich mich für alle<br />

Eindrücke, Anregungen, Kontakte<br />

und Freundschaften, motivierende<br />

Worte und auf den Punkt gebrachten<br />

Kritiken, für die ganze Energie einer<br />

weltweiten Tagung und für das unglaubliche<br />

Erlebnis, auch bei dieser<br />

Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> dabei<br />

gewesen zu sein, ganz herzlich bedanken.<br />

Es was ein fantastischer Motivationsschub.<br />

Xie xie 1 .<br />

1 Chinesisch für „danke“.<br />

Foto: Leif Pareli<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige<br />

Besucherforscherin. Sie führt Besucherbefragungen<br />

und Evaluationen auf nationaler<br />

und internationaler Ebene für Museen und<br />

weitere Kultureinrichtungen durch. Sie ist<br />

Mitglied des Vorstands von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

und des Strategic Plan Committee von<br />

<strong>ICOM</strong>; swi@wintzerith.de.<br />

RÜCKBLICK<br />

Am Ende der Abschlusszeremonie übergab<br />

das chinesische Organisationsteam die<br />

<strong>ICOM</strong>-Flagge an die brasilianische<br />

Delegation. Die <strong>ICOM</strong>-Vertreter Brasiliens<br />

luden herzlich zur 23. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

2013 nach Rio de Janeiro ein.<br />

wir zu einem Spaziergang über eine Brücke<br />

eingeladen, die über und über mit Chrysanthemen<br />

geschmückt war – das zehnte Chrysanthemen-Fest<br />

dieser Art. Man vermittelte<br />

uns die zentrale Bedeutung des Wassers hier:<br />

Die Stadt wurde beim Herannahen eines<br />

Feindes im Kampf überflutet. Dann hielten<br />

wir an einem alten und authentischen Club<br />

für Händler, der Shanshangan Business Hall.<br />

Einleitende Worte zum Gebäude wurden vor<br />

einer Mauer gesprochen, auf der sich ein Emblem<br />

mit in sich verschlungenen Drachen<br />

befindet – sie stellen das Netzwerk der Mitglieder<br />

dar. Im City Museum von Kaifeng erfuhren<br />

wir dann, dass man gerade dabei ist,<br />

das Panoramabild einer Festszene am Fluss,<br />

das man in vielen Museen auch als Modell<br />

und als Relief ausstellt, in die Realität umzusetzen.<br />

Wir standen vor einer Veranschaulichung<br />

mit blinkenden Lichtern. Dazu hieß<br />

es: „Die Karte zeigt, wie die fünf Flüsse, als es<br />

noch keine Flugzeuge und Autos gab, die<br />

Leute zusammenbrachten.“<br />

„Xie xie“<br />

Katharina Fibig studierte Europäische Ethnologie<br />

und Gender Studies in Berlin. Sie arbeitete<br />

für das Deutsche Historische Museum<br />

und das Museum Neukölln. 2006–2010 assistierte<br />

sie dem Präsidenten von <strong>ICOM</strong> Europe,<br />

Dr. Udo Gößwald. In dieser Position half<br />

sie, u. a. Kon ferenztouren zu organisieren;<br />

katharina.fibig@t-online.de.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 21


RÜCKBLICK<br />

„Nun hab’ ich’s.“ – Die Ethik des Sammelns<br />

Ohne Sammlung kein Museum: Selbstverständliche Erkenntnis, die unter dem Diktat<br />

von Zeitgeist, Eventkultur und Sparzwang leicht vergessen werden könnte. Doch<br />

die Museumsexperten hielten auf der Jahrestagung „Die Ethik des Sammelns“ von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> geschlossen dagegen: Soll unsere Gesellschaft nicht in Amnesie<br />

verfallen, ist stetige Arbeit am Gedächtnis unserer Kultur und damit an den Sammlungen<br />

der Museen unabdingbar – über die geeigneten Konzepte und Strategien haben<br />

die Teilnehmer lebhaft diskutiert.<br />

Stéphanie Wintzerith<br />

22 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Foto: Andreas Praefcke


„Nun hab’ ich’s.“ Der Satz ist kurz und sachlich. Er wurde in einem milden<br />

Ton fast nebenbei ausgesprochen. Die Betonung lag auf dem Ich. Doch ist er so<br />

aussagekräftig, dass er der eigentlichen Überschrift der Tagung beinahe die Schau<br />

stehlen könnte. „Die Ethik des Sammelns“ war das Thema der Jahrestagung von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Der Internationale Museumsrat <strong>ICOM</strong> hat sich schon seit<br />

Jahrzehnten für ein ethisches Verhalten in und von Museen eingesetzt und sich<br />

der Herausforderung gestellt, weltweit geltende Richtlinien zu formulieren: Die<br />

Ethischen Richtlinien für Museen von <strong>ICOM</strong>. Sammlungen als Bestandteil des<br />

Museums unterliegen selbstverständlich auch ethischen Regeln. Die Themen reichen<br />

von den großen Prinzipien über (ethisches) Verhalten in der Museums praxis<br />

und beim Erwerb neuer Sammlungsobjekte bis hin zu ihrer potentiellen<br />

Abgabe.<br />

Am Anfang steht die Sammlung. Sie ist das Fundament jeglicher Museumsarbeit,<br />

denn ein Museum ist per definitionem – so steht es in den Ethischen Richtlinien<br />

für Museen von <strong>ICOM</strong> – eine Einrichtung, die „materielle und immaterielle<br />

Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht,<br />

bekannt macht und ausstellt“, also eine Sammlung aufbaut, pflegt und bearbeitet.<br />

Allerdings ist sie nicht der Zweck eines Museums an sich. Denn dieser<br />

besteht darin, Sammlungen und die daraus erlangten Erkenntnisse der Öffentlichkeit<br />

zur Verfügung zu stellen. Ohne Besucher ist die schönste, vollständigste<br />

Sammlung einzig für ihren Besitzer wertvoll, der allgemeinen Öffentlichkeit<br />

dient sie allerdings recht wenig.<br />

„Nun hab’ ich’s.“ Dem Sammler also alle Ehre, der diesen Satz ausgesprochen<br />

hat. Der Sammler, ob Privatsammler, Museumskurator oder im abstrakten Sinne<br />

die Institution Museum, trägt Objekte oder Kunstwerke zusammen, die zusammengehören<br />

– nach welchen Kriterien auch immer er das definiert. Er bemüht<br />

sich um den Erhalt dieser Stücke. Etliche Museen verdanken den Grundstock<br />

ihrer Sammlung der Sammelleidenschaft eines einzelnen Menschen. Jedes Museum<br />

bekam im Laufe seiner Entwicklung mindestens eine, meistens mehrere „komplette“<br />

Sammlungen angeboten – ob zum Kauf, als Schenkung oder als Nachlass.<br />

Schon die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung ist eine ethische.<br />

Das Spannungsfeld zwischen privater und öffentlicher Sammlung ergibt sich<br />

aus den unterschiedlichen Logiken des Sammelns. Im Museum sollten die wissenschaftlichen<br />

Kriterien im Vordergrund stehen, wenn auch subjektive Interessen<br />

nie komplett auszuschließen sind. Die Sammlungspolitik muss definiert<br />

und eingehalten, die Neuzugänge müssen immer so dokumentiert werden, dass<br />

deren Rechtmäßigkeit auch nachvollziehbar ist und die Kontextinformationen<br />

erhalten bleiben. Private Sammlungen können – müssen aber nicht – dem Geschmack<br />

und den momentanen Interessen des Sammlers einen größeren, manchmal<br />

auch entscheidenden Raum lassen. Objekten einer privaten Sammlung haftet<br />

auch keine Aura der Unveräußerlichkeit an. Der Sammler fängt mit wenigen<br />

Foto: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

RÜCKBLICK<br />

Jahrestagung und Mitgliederversammlung<br />

2010 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> fanden<br />

vom 23. bis 25. September 2010 in der<br />

Pfeilerhalle des GRASSI Museums für<br />

Angewandte Kunst in Leipzig statt. Rund<br />

200 Teilnehmer, neben Museumsexperten<br />

auch einige Kunstsammler, tauschten sich<br />

darüber aus, wie Museen auch unter<br />

erschwerten Bedingungen die essentielle<br />

Aufgabe des Sammelns ethisch angemessen<br />

erfüllen können.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 23<br />

Foto: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>


RÜCKBLICK<br />

Ausgrabungen sind heute fester Bestandteil<br />

von Bauabläufen und haben meist<br />

große Fundmengen zur Folge. Aber wie<br />

umgehen mit diesen Funden, zumal wenn<br />

menschliche Knochen darunter sind? Eine<br />

gute Lösung wurde für die Skelette vom<br />

Petriplatz in Berlin gefunden, berichtete<br />

Matthias Wemhoff. Sie lagern nun in einem<br />

Gruftraum unter der Parochialkirche.<br />

Foto aus Urheberrechtsgründen in der<br />

Online-Fassung entfernt.<br />

24 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Foto: Landesdenkmalamt Berlin / Claudia Melisch<br />

Bulul, Philippinen, 19. Jahrhundert: Ge-<br />

schnitzte Holzfiguren, Speere oder Masken<br />

gelangten in der Vergangenheit als Ethno -<br />

graphica zahlreich in die Depots deutscher<br />

völkerkundlicher Museen. Dort fristen sie<br />

gegenwärtig oft ein sogenanntes „Dublettendasein“.<br />

Diese „Dubletten“ sind jedoch<br />

Zeichen für kulturelle Vielfalt und könnten<br />

von den Museen u. a. dazu genutzt werden,<br />

Vertreter der Regionen zu Gesprächen über<br />

Traditionen und Lebensweisen einzuladen,<br />

stellte Anette Rein als These zur Diskussion.<br />

Stücken an, er entwickelt sich mit seiner Sammlung weiter, setzt zwischendurch<br />

andere Schwerpunkte und gestaltet seine Sammlung(en) immer wieder aufs<br />

Neue. Ob sich der private Sammler an ethische Prinzipien hält, bleibt einzig und<br />

allein seine Entscheidung.<br />

„Nun hab’ ich’s.“ Der ganze Stolz des Sammlers liegt in der Betonung auf dem<br />

Ich. Eine seltene Briefmarke, ein Kleinod eines alten Meisters, der Prototyp einer<br />

wichtigen Erfindung, ein Objekt, das die Welt veränderte oder dem Alltag ferner<br />

Zeiten entronnen ist. Was es auch sein mag, es ist herausragend, repräsentativ<br />

oder einzigartig. Doch damit ist eine gewisse Verantwortung verknüpft, einerseits<br />

dem Objekt, andererseits – insbesondere für Museen – der Gesellschaft<br />

gegenüber. Dem ergatterten Sammlungsstück ist der Sammler bzw. das Museum<br />

verpflichtet, es fachgerecht zu bewahren und zu „nutzen“, in diesem Fall zu<br />

erforschen und gegebenenfalls auszustellen. Unter ethischen Gesichtspunkten<br />

sind der Erhalt und die Dokumentation der unzähligen Fundstücke aus der<br />

präventiven Archäologie alles andere als einfach, erläutert Matthias Wemhoff,<br />

Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin. Noch problematischer<br />

ist der angemessene Umgang mit menschlichen Überresten in Ausstellungen<br />

und Magazinen, denn es gelte, zwischen der Faszination des Publikums,<br />

der wissenschaftlichen Erforschung und dem Respekt vor dem Verstorbenen<br />

abzuwägen.<br />

Das Museum ist verpflichtet, seine Sammlungen in gutem Zustand und möglichst<br />

ergänzt den kommenden Generationen zu übergeben. Wie aber eine Sammlung<br />

ergänzen, ohne in die Falle des illegalen Handels zu geraten? Wie eine<br />

Samm lung sinnvoll ergänzen, wenn man keinen Etat zur Verfügung hat oder<br />

als Abgabe- oder auch Sammelstelle für archäologische Funde oder vom Zoll<br />

beschlagnahmte Gegenstände dient?<br />

„Nun hab’ ich’s.“ Als Seufzer lässt sich dieser Satz ebenfalls aussprechen, nämlich<br />

genau dann, wenn man nicht weiß, was man mit diesem Objekt anfangen<br />

soll. Was tun mit den unzähligen archäologischen Funden, die (heute) weder<br />

wissenschaftlich bedeutend, noch wirklich zuordenbar sind, wie etwa die berühmten<br />

„Tonscherben“? Was tun mit einer großen Anzahl von Artefakten,<br />

die sehr ähnlich, aber doch nicht ganz identisch sind? Man denke an naturkundliche<br />

Sammlungen mit ihren tausenden von Exemplaren einer Insektengattung.<br />

Man denke an handgefertigte Objekte in den Depots ethnographischer<br />

Museen. Sie sind alle ähnlich, haben aber doch teils winzige Abweichungen.<br />

Dubletten aus der Natur oder vom Menschen geschaffen sind Ausdruck der Vielfalt,<br />

so Anette Rein, ehemalige Direktorin des Museums der Weltkulturen in<br />

Frankfurt am Main. Reicht das aus, um ihren Verbleib in den Sammlungen zu<br />

rechtfertigen? Und wo liegt die Grenze zwischen gleich, also verzichtbar, und<br />

anders, also erhaltenswert?<br />

Aufgrund der Unveräußerlichkeit von inventarisierten Museumsobjekten werden<br />

Dubletten längst nicht mehr zwischen Museen ausgetauscht, wie es einst<br />

zur „sinnvollen“ Ergänzung der Sammlungen Usus war. Auch die Dokumentation<br />

großer Objektreihen lässt oft zu wünschen übrig – meist aus historischen<br />

Gründen –, was ihnen nicht gerade den besten Stand in der Sammlung beschert.<br />

Wäre da eine Verschlankung solcher Bestände möglicherweise ethischer? Oder<br />

ist das Horten aller Objekte besser, um auch im Notfall noch über „Ersatzobjekte“<br />

zu verfügen oder um für zukünftige Forschungsmethoden noch ausreichend<br />

Material zu erhalten? Wäre eine größere Spezialisierung der Museen<br />

auf bestimmte Sammlungsthemen vielleicht besser?<br />

„Nun hab’ ich’s.“ Aber was, wenn ich es nicht mehr behalten will? In der<br />

deutschen Museumslandschaft löst der Begriff des „Entsammelns“ eine große<br />

Debatte aus. Der Deutsche Museumsbund (DMB) hat versucht, Klarheit zu<br />

schaffen und ein ethisches Vorgehen vorzuschlagen, sollte das Thema in einzelnen<br />

Museen akut werden. Doch selbst innerhalb des Museumsbundes finden<br />

diese Vorschläge sowohl Befürworter als auch Gegner: Ist entsammeln an sich<br />

ethisch? Hans Lochmann, Leiter der Geschäftsstelle des Museumsverbandes für<br />

Niedersachsen und Bremen e. V., präsentierte Kriterien für nachhaltiges Sam-


meln, aber auch Bedingungen für die Abgabe von Sammlungsobjekten: Wann,<br />

unter welchen Umständen bzw. Voraussetzungen und mit welcher Prozedur<br />

könnte eine Abgabe vonstatten gehen?<br />

„Nun hab’ ich’s.“ Legen wir nun die Betonung auf das ’S, wenn es sich aussprechen<br />

ließe, auf das gesammelte Objekt: Das Museum besitzt eine Sammlung.<br />

Zu welchem Zweck? Warum überhaupt naturhistorische Sammlungen aufbauen,<br />

pflegen und erweitern? Für die Forschung, antwortet Volker Mosbrugger,<br />

Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Die<br />

Sammlungen – samt Dubletten – stehen den Forschern zur Verfügung. Ursprünglich<br />

ging es darum, die Natur zu verstehen: Kennen, um Nutzen zu ziehen. So<br />

war die Vielfalt, darunter auch die Variationen und Abweichungen vieler Exemplare,<br />

eine wertvolle Quelle des Wissens. Später verschob sich der Zweck der<br />

Sammlung auf den Schutz der Natur: Kennen, um schützen und erhalten zu<br />

können. Heute geht es hauptsächlich darum, das globale System zu verstehen<br />

und die Nachhaltigkeit zu sichern und zu fördern. Dabei steht die Sammlung<br />

immer als wertvolles Archiv des Lebens im Mittelpunkt. Sie dokumentiert den<br />

Wandel der Natur, sie beinhaltet zahlreiche Spezimina, nach denen Arten beschrieben<br />

wurden. Nun ist ihre Erweiterung durch Arten- und Bodenschutzgesetze<br />

zur Eindämmung der Biopiraterie gehemmt. Offen bleibt also die ethische<br />

Frage: Für die Naturforschung die Gesetze der Menschen brechen oder wegen<br />

dieser Gesetze auf neue wertvolle Erkenntnisse verzichten? Wie kann ein naturkundliches<br />

Museum ethisch sammeln?<br />

Lassen wir die Betonung weitergleiten, diesmal auf das Verb: „Nun hab’ ich’s.“<br />

Bin ich tatsächlich der rechtmäßige Eigentümer dieses Objektes? Diese Frage<br />

plagt sicherlich jeden Sammlungsleiter. Die Verantwortung ist groß, die Geldbeträge<br />

sind beachtlich. Schon bei der Anschaffung der Objekte müssen durch<br />

Provenienzforschung die Eigentumsverhältnisse lückenlos geklärt werden. Doch<br />

die Umsetzung dieser wichtigen ethischen Richtlinien gestaltet sich schwierig.<br />

Verborgenes und Vertuschtes lässt sich nach Jahren des Geheimnisses nicht<br />

ohne weiteres an den Tag bringen, schon gar nicht, wenn ein Verbrechen bewiesen<br />

werden muss. Betroffen sind insbesondere Kulturgüter, die als (Kriegs-)Beute<br />

oder NS-Raub unrechtmäßig entwendet wurden, sowie solche, die aus Plünderungen<br />

von archäologischen Stätten oder als Diebesgut auf den Markt kamen.<br />

Im weitesten Sinne könnten also alle Kulturgüter betroffen sein, die den Eigentümer<br />

wechseln.<br />

Hilfestellung, erklärte Michael Franz, leistet hier die von ihm geleitete Koordinierungsstelle<br />

Magdeburg, die Ansprechpartner für Privatleute sowie Museen<br />

ist. Sie zentralisiert Informationen und führt Datenbanken, in denen Raub-<br />

oder Diebesgut abgerufen werden kann. Sie verfügt über spezialisierte Juristen,<br />

um knifflige Rechtsfragen zu klären. Sie trägt dazu bei, auf der politischen Ebene<br />

Vereinbarungen zu schließen. Sie beschäftigt sich mit den moralisch-ethischen<br />

Aspekten dieser schwierigen Fragen. Nicht nur die Anschaffungen sondern auch<br />

der Bestand sind davon betroffen.<br />

„Nun hab’ ich’s“. Bin ich berechtigt es zu behalten? Forderungen nach Rückgabe<br />

von Objekten und Werken, die in museale Sammlungen gelangt sind, sind<br />

die wohlbekannte Spitze des Eisberges. Um Ethik, (einstige) Rechtslagen, Kaufvorgänge,<br />

Provenienz und Beweise wird gestritten. Die Koordinierungsstelle<br />

Magdeburg in Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> kann auch hier zu einer ethisch<br />

vertretbaren Lösung von Einzelfällen beitragen.<br />

„Nun hab’ ich’s“, jubelt der Käufer. „Hoffentlich rechtmäßig“, denkt er vermutlich<br />

gleich danach, „und zu einem vernünftigen Preis“. Über Auktionen gelangen<br />

viele Werke und Objekte aus Privatbesitz in öffentliche Sammlungen.<br />

Seriöse Auktionshäuser haben relativ gute Möglichkeiten, Provenienzforschung<br />

zu betreiben, schildert der Frankfurter Auktionator Karl M. Arnold, und ziehen<br />

beim leisesten Zweifel die Werke zurück. Zudem werden Auktionskataloge<br />

veröffentlicht, die zur Transparenz beitragen. Andererseits erweist sich der Anonymitätswunsch<br />

einiger Käufer oder Verkäufer als problematisch für die lückenlose<br />

Dokumentation der Eigentumsgeschichte des Objektes. Doch kaufen<br />

RÜCKBLICK<br />

www.lostart.de Foto: Gerhard Winter<br />

Naturwissenschaftliche Sammlungen<br />

sind Archive des Lebens, die auf zahllose<br />

Fragen Antworten bereithalten. Vor allem<br />

dort, wo es um Prozesse über einen langen<br />

Zeitraum geht, können sie dokumentieren,<br />

was einmal war bzw. was sich wie und<br />

wohin entwickelt hat.<br />

Eine der zentralen Aufgaben der Koordinierungsstelle<br />

ist die Dokumentation von<br />

Such- und Fundmeldungen zu Beutekunst<br />

und NS-Raubkunst über www.lostart.de.<br />

Momentan verzeichnet die Koordinierungsstelle<br />

in www.lostart.de mehr als<br />

122.000 detailliert und mehrere Millionen<br />

summarisch aufbereitete Kulturgüter von<br />

über 1.100 Einrichtungen und Privatpersonen.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 25


RÜCKBLICK<br />

26 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Foto: www.kulturstiftung.de<br />

Die Kulturstiftung der Länder unterstützt<br />

deutsche Museen, Bibliotheken und<br />

Archive bei dem Erwerb bedeutender<br />

Kunstwerke und Kulturgüter. So förderte<br />

sie jüngst die gemeinsamen Bemühungen<br />

des Deutschen Literaturarchivs Marbach<br />

und der Bodleian Library/Oxford bei dem<br />

Erwerb der Briefe Franz Kafkas an seine<br />

Schwester Ottla. Zu dem erworbenen Konvolut<br />

gehört auch diese Bildpostkarte aus<br />

Riva am Gardasee vom 7. September 1909.<br />

Foto: Kunstkammer, Georg Laue, München<br />

Thomas Olbricht ist leidenschaftlicher<br />

Kunstsammler. 2010 2010 eröffente er in<br />

Berlin-Mitte den me Collectors Room zur<br />

Präsentation seiner in den vergangenen<br />

25 Jahren zusammengetragen Sammlung.<br />

Sie umfasst Arbeiten vom Beginn des<br />

16. Jahrhunderts bis zur jüngsten<br />

Gegenwartskunst, darunter dieses Paar<br />

Tödlein aus Buchsbaum, um 1600.<br />

können Museen nur dann, wenn sie die entsprechenden Budgets dafür haben.<br />

Reicht es nicht aus, könnte beispielsweise die Kulturstiftung der Länder eingreifen,<br />

deren zwingendes Prinzip es ist, die Qualität durch Gutachten prüfen<br />

zu lassen und die Provenienz der Objekte einwandfrei zu klären. Wenn der Preis<br />

angemessen ist, kann die Stiftung einen Teil des Ankaufspreises übernehmen,<br />

auch bei einer Auktion. Ethisches Handeln ist natürlich oberstes Gebot, so die<br />

Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen.<br />

„Nun hab’ ich’s.“ Auch das erste Wort des Satzes verdient eine Betonung.<br />

Drei Buchstaben, die auf den Lauf der Zeit und die Vergänglichkeit deuten.<br />

„Ich“ bin nur zeitweise im Besitz des Objektes. „Ich“ habe es vielleicht von<br />

einem Vorgänger übernommen und werde es einem Nachfolger übergeben. Die<br />

Sammlung kann den Sammler „überleben“. Wie ist dann mit ihr umzugehen?<br />

Soll sie als Ganzes erhalten bleiben, wird sie aufgelöst? Was passiert beispielsweise<br />

mit dem Nachlass der Künstler? Die Sammlung kann aber auch vom<br />

Sammler verschenkt oder verkauft werden – sogar an eine grenzüberschreitende<br />

Kooperation von drei Museen, wie Friedemann Malsch, Direktor des Kunstmuseums<br />

Liechtenstein, ausführte. Mit welchen Auflagen? Wie gehen die Museen<br />

damit um? Der ehemalige Direktor der Hamburger Kunsthalle, Uwe M.<br />

Schneede, schilderte die spannungsreichen Wechselwirkungen zwischen Sammler<br />

und Museum.<br />

Der Sammler kann seine Sammlung der Öffentlichkeit aber auch eigenständig<br />

präsentieren und dabei seinen „Nachfolger“ als Institution Museum ins<br />

Leben rufen. Ist der Sammler selbst ein Museum, ist die Sammlung langfristig<br />

angelegt. Doch wer kann schon die Zukunft vorhersagen, wer kann garantieren,<br />

dass in fünfzig oder hundert Jahren diese Museen weiterhin existieren und<br />

die Sammlungen, die sie jetzt besitzen, unangetastet – bestenfalls ergänzt – weiteren<br />

Kuratorengenerationen übergeben wurden? Woran werden wir von den<br />

kommenden Generationen gemessen – an der Anzahl von Events und Vermietungen<br />

der Räumlichkeiten oder an den sinnvollen Ergänzungen der Sammlungen?<br />

Die Begriffe „Ethik“ und „Sammlung“ zusammenzubringen, ist ein ehrgeiziges<br />

Unterfangen. Prinzipien stehen gelegentlich im Widerspruch zur Praxis.<br />

Wenn die Ethik leidenschaftliche Debatten auslöst, so entsteht eine Sammlung<br />

meist mit einer großen Leidenschaft für ihren Inhalt. In beiden Fällen sind absolute,<br />

allgemeingültige Wahrheiten schwer zu formulieren oder gar einzuhalten.<br />

Beide zusammen werfen viele Fragen auf. Einige Antworten wurden in den<br />

zahlreichen Redebeiträgen angeboten – die sich hier in Kurzfassung nur schwerlich<br />

präsentieren lassen. Dafür lohnt es sich, den angekündigten Tagungsband<br />

zu lesen. Dass der Bericht der wohldurchdachten Gliederung der Tagung nicht<br />

folgte, lag an einem kurzen Satz, der wie geschaffen dafür war, hier als roter<br />

Faden zu dienen. Nun hab’ ich’s.<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige Besucherforscherin. Sie führt Besucherbefra gungen<br />

und Evaluationen auf nationaler und internationaler Ebene für Museen und weitere<br />

Kultureinrichtungen durch. Sie ist Mitglied des Vorstands von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und des<br />

Strategic Plan Committee von <strong>ICOM</strong>; swi@wintzerith.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Programm und Abstracts: www.icom-deutschland.de<br />

Berichterstattung über die Jahrestagung auf <strong>Deutschland</strong>radio Kultur,<br />

25.9.2010: www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/1281571<br />

1.10.2010: www.dradio.de/dkultur/kulturpresseschau/fazit/1286818<br />

Ein Tagungsband ist in Vorbereitung, Bestellschein siehe S. 59.


RÜCKBLICK<br />

TÄTIGKEITSBERICHT DES PRÄSIDENTEN VON <strong>ICOM</strong> DEUTSCHLAND FÜR 2009/2010<br />

Gehalten vor der Mitgliederversammlung am 24. September 2010 in Leipzig<br />

Die Entwicklung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> verlief im Berichtszeitraum erfreulich<br />

dynamisch. Sowohl hinsichtlich der Mitgliederentwicklung als<br />

auch mit Blick auf die Aktivitäten des Verbandes. Die Mitgliederversammlung<br />

des Jahres 2010 fand am 24. September im Rahmen der Jahrestagung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zum Thema „Die Ethik des Sammelns“<br />

in der Pfeilerhalle des Grassi Museums in Leipzig statt.<br />

Mitgliederstatistik<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat derzeit 4.210 Mitglieder (Stand 1.9.2010), damit<br />

ist von 2005 bis heute einen Zuwachs von ca. 1.500 Mitgliedern<br />

zu verzeichnen. Das Wachstum setzt sich kontinuierlich fort: In den<br />

ersten acht Monaten des Jahres 2010 wurden insgesamt 200 neue<br />

Mitglieder aufgenommen.<br />

Dieses dynamische Wachstum muss unter verschiedenen Gesichtspunkten<br />

bewertet werden. Zum einen verleiht es dem Deutschen<br />

Nationalkomitee als dem stärksten Nationalkomitee von <strong>ICOM</strong>, gefolgt<br />

von Frankreich, entsprechendes Gewicht, es sind damit aber<br />

auch Verpflichtungen und Erwartungen anderer Komitees an eine<br />

kritische und konstruktive Mitarbeit im Weltverband verbunden. Die<br />

hohe Zahl der Mitglieder in <strong>Deutschland</strong> leistet einen nennenswerten<br />

Beitrag zur Finanzierung des Weltverbandes, zugleich wächst auch<br />

der Aufwand für die Betreuung der Mitglieder, dem aber eine seit Jahren<br />

gleichbleibende Personalstärke in unserer Geschäftsstelle kaum<br />

noch gewachsen ist. In absehbarer Zeit muss <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auch<br />

den für die Arbeit des Nationalkomitees verwendeten An teil am Mitgliederbeitrag<br />

behutsam steigern, um den Aufgaben der Mitgliederbetreuung<br />

weiterhin gerecht werden zu können. Nach wie vor sind<br />

die Nationalkomitees die Heimat der Mitglieder, dort treten sie in den<br />

Weltverband ein und dort haben sie den intensivsten Kontakt mit<br />

ihm. Und selbstverständlich ist unsere Geschäftsstelle auch die erste<br />

Adresse für unsere Mitglieder, wenn es darum geht, Wünsche und<br />

Anregungen vorzutragen oder Informationen über den Weltverband<br />

einzuholen.<br />

Mit gewisser Sorge ist aber festzustellen, dass das Interesse an der<br />

aktiven Mitarbeit im Verband nicht in gleichem Masse steigt, wie die<br />

Mitgliederzahl. Es ist daher eine vorrangige Aufgabe des Vorstandes,<br />

für eine intensive Einbindung der Mitglieder, bevorzugt der jungen<br />

neuen Mitglieder, zu sorgen, um sie dauerhaft zu aktiven Mitgliedern<br />

zu machen. Ferner müssen wir auf die Qualifikation der Neumitglieder<br />

achten. So erfreulich das breite Interesse an einer Mitgliedschaft ist, so<br />

wichtig ist das Festhalten an der professionellen Bindung an die Museumsarbeit.<br />

<strong>ICOM</strong> ist ein Berufs- und nicht ein Interessensverband. Wer<br />

allein den durch den Mitgliedsausweis gewährten Vorteil des freien<br />

Museumseintritts sucht, hat in diesem Berufsverband nichts verloren.<br />

Vor diesem Hintergrund streben wir eine Steigerung der Mitgliederzahlen<br />

mit Augenmaß an, um der Stimme des Verbandes als Vereinigung<br />

von Museumsprofis auch in Zukunft Gewicht zu verleihen.<br />

Haushalt<br />

Im Gesamthaushalt des Jahres 2010 in Höhe von 481.000 Euro (Soll)<br />

ist auf der Einnahmenseite ein Betrag von 294.500 Euro enthalten,<br />

der aufgrund der Gebührenfestlegung des Weltverbandes nach Paris<br />

weitergereicht wird. Weitere Einnahmen entstehen durch die Zuwendung<br />

des Bundes in Höhe von 92.000 Euro, durch einen Aufschlag<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auf den Mitgliedsbeitrag sowie durch<br />

Tagungsgebühren und durch Verkaufserlöse. Die Ausgaben für Personal<br />

in der Geschäftsstelle, für Honorare für freie Mitarbeit, für Geschäfts-<br />

bedarf, Reisekosten des Vorstands und der Geschäftsstelle, Website<br />

und für die Herausgabe der <strong>Mitteilungen</strong> sind im Vergleich zum Vorjahr<br />

nahezu unverändert, ebenso die projektbezogenen Ausgaben<br />

wie Reisekostenbeihilfen für deutsche Mitglieder in internationalen<br />

Komitees, für die Durchführung der Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

für Kooperationsprogramme und für Publikationen.<br />

<strong>ICOM</strong> plant für <strong>2011</strong> und 2012 eine weitere Anhebung der Mitgliedsbeiträge<br />

für individuelle Mitglieder, die sich an der finanziellen<br />

Leistungsfähigkeit der Staaten, gemessen am Bruttoinlandsprodukt,<br />

orientiert und für <strong>Deutschland</strong> jeweils 4 Euro pro Jahr betragen wird.<br />

Ebenso wird der Beitrag für institutionelle Mitglieder, gestaffelt nach<br />

der Höhe des Gesamtbudgets der Institutionen, angehoben. Leider<br />

haben wir wegen der teilweise recht drastischen Erhöhung der Gebühren<br />

einige institutionelle Mitglieder verloren, ich danke allen im<br />

Verband gebliebenen Museen für ihre Loyalität und ihr Verständnis.<br />

<strong>ICOM</strong> verspricht mit den erhöhten Einnahmen eine Stärkung der<br />

Projektmittel für internationale Komitees um 33 %, Reisekostenzuschüsse<br />

um 12 % und Sonderprojekte um 43 %, zumeist für die Dritte<br />

Welt, sowie eine Verbesserung des Mitgliederservice durch eine<br />

neue Datenbank und einen neuen Internetauftritt.<br />

Pressearbeit<br />

Im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit veröffentlichte <strong>ICOM</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> Stellungnahmen zum Fall eines illegal gehandelten<br />

Goldgefäßes aus dem Irak (vgl. <strong>Mitteilungen</strong> 2010, S. 10–13), verbunden<br />

mit einem Schreiben an den Präsidenten des zuständigen Finanzgerichts<br />

in München, ferner eine Pressemitteilung zum Fall einer Anfrage<br />

des Fernsehsenders Pro7 für eine Sendung „Stehle(!) ein Bild“ in<br />

dem Format Mutprobe an das Spielzeugmuseum Nürnberg. Diese Pressemitteilung<br />

löste eine Resonanz in der FAZ vom 1. September 2009<br />

aus. In einem Rundfunkinterview des NDR vom 10. Dezember 2009<br />

wurde zu den ins Auge gefassten Verkäufen aus der Sammlung der<br />

Kunsthalle Hamburg Stellung genommen. In einer Pressemitteilung<br />

vom 5. Oktober protestierte <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gegen die geplante<br />

Schließung des Altonaer Museums, die Museumswelt Hamburg vom<br />

De zember 2010 (Beilage zum Hamburger Abendblatt, 7. November 2010)<br />

druckte ein Interview mit dem Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />

Jahrestagung<br />

Das Thema der Tagung „Die Ethik des Sammelns“ ist auf eine erfreuliche<br />

Resonanz gestoßen, was sicher als Hinweis darauf gedeutet<br />

werden kann, welche Bedeutung die Kernaufgaben des Museums<br />

in der täglichen Arbeit unserer Mitglieder haben und welchen Rang<br />

ethische Positionen als Orientierung in einem sich auf vielen Ebenen<br />

rasant verändernden Museumswesen darstellen. Die Teilnahme von<br />

Staatsminister Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung<br />

für Kultur und Medien, zur Eröffnung werten wir als Zeichen der<br />

Anerkennung der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> als dem mitgliederstärksten<br />

Museumsverband in <strong>Deutschland</strong> und danken für die<br />

durch den Bund gewährte finanzielle Unterstützung.<br />

Sonstige Aktivitäten<br />

Mitarbeiter der Geschäftsstelle und Mitglieder des Vorstandes waren<br />

im November 2009 mit einem Stand auf der Museumsmesse Exponatec<br />

Cologne in Köln präsent.<br />

Präsident, Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführung vertraten<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> mit Redebeiträgen bei der Tagung von NATHIST<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 27


RÜCKBLICK<br />

am 26. bis 29. Oktober 2009 in Stralsund, beim Meeting von ICAMT<br />

vom 5. bis 7. November in Berlin, beim Treffen von The Best in Heritage<br />

am 17. November 2009 in Köln, bei der Tagung von SIBMAS am<br />

26. Juli 2010 in München und, ebenfalls in München, bei der Tagung<br />

von COSTUME am 7. September 2010.<br />

Der Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ist ex officio Mitglied im Fachbeirat<br />

der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg<br />

und seit April 2009 auch stellvertretender Vorsitzender des Gremiums,<br />

das zwei Mal im Jahr zusammentritt. Ferner nimmt <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

regelmäßig an den Sitzungen des Deutschen Kulturrates/Deutschen<br />

Kunstrates und der Deutschen UNESCO-Kommission teil. Der<br />

Vorstand trat zu vier Sitzungen zusammen, darüber hinaus bildete sich<br />

eine Arbeitsgruppe zum Thema „Freiwilligenengagement im Museum“<br />

gemeinsam mit dem „Netzwerk Bürgerschaftliches Engagement<br />

im Museum“ (netbem.eu), um eine Stellungnahme zum Europäischen<br />

Jahr der Freiwilligentätigkeit <strong>2011</strong> vorzubereiten. Die Geschäftsstelle<br />

unterstützte das Generalsekretariat in Paris bei der Übersetzung und<br />

Redaktion der „Roten Liste der gefährdeten Kulturgüter aus Mittelamerika<br />

und Mexiko“.<br />

Neben diesen Sonderaktivitäten ist die (täglich besetzte) Geschäftsstelle<br />

kontinuierlich mit Neuaufnahmen von Mitgliedern, Mitgliederanfragen,<br />

Versand von Informationen, Pflege und Aktualisierung<br />

der Homepage beschäftigt.<br />

Unter dem Motto „Museums for Social Harmony – Museen für<br />

ein gesellschaftliches Miteinander“ begingen die Museen rund um<br />

den 18. Mai 2010 weltweit den 33. Internationalen Museumstag. In<br />

<strong>Deutschland</strong>, Österreich und der Schweiz fand das Ereignis am<br />

Sonntag, dem 16. Mai 2010, statt. Der Internationale Museumstag<br />

stand in <strong>Deutschland</strong> unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des<br />

Bundesrates, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen,<br />

Bürgermeister Jens Böhrnsen. Anlässlich des Ereignisses fand am<br />

Sonntag, dem 16. Mai 2010, im Bremer Focke-Museum eine bundesweite<br />

Auftaktveranstaltung statt. Am Museumstag beteiligten sich<br />

1.739 Museen aus dem ganzen Bundesgebiet. Dieser Erfolg ist der<br />

Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museumsbund und den Museumsämtern<br />

und -verbänden der Länder zu verdanken, die für eine<br />

intensive Kommunikation des Internationalen Museumstages gesorgt<br />

haben.<br />

Umfrage >><br />

In unserem Newsletter 03/2009 baten wir unsere Mitglieder darum,<br />

einen Fragebogen zu den Erwartungen an den Verband und an die<br />

Arbeit des Vorstandes von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auszufüllen. Erarbeitung<br />

und Auswertung der Umfrage erfolgte durch unser Vorstandsmitglied<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith als Fachfrau für die Evaluation von<br />

Kultureinrichtungen, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei.<br />

Mit einem Rücklauf von 212 Fragebögen, das entspricht knapp 10 %<br />

der per Newsletter erreichten Mitglieder, können folgende Aussagen<br />

gemacht werden.<br />

Kennzeichnend für die Umfrage ist die überwiegend weibliche Beteiligung<br />

(75 %) von Mit gliedern unter 35 Jahren, das heißt, der Nachwuchs<br />

in unserem Verband ist überwiegend weiblich, während unter<br />

den Mitgliedern über 65 Jahren die Männer deutlich in der Mehrheit<br />

sind. Fast die Hälfte der Mitglieder hat in den letzten vier Jahren an einer<br />

der Tagungen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> teilgenommen, doch blieben<br />

immerhin 55 % in dieser Hinsicht inaktiv. Auch die Beteiligung an den<br />

internationalen Komitees, die in besonderer Weise die Chance der<br />

weltweiten Vernetzung und des internationalen Meinungs- und Erfah-<br />

28 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Publikationen<br />

Anfang Mai wurden die Mittelungen 2010 in verbesserter Aufmachung<br />

auf den Weg gebracht. Beiträge für künftige Ausgaben der jährlich<br />

erscheinenden Schrift, die ein Mitteilungsorgan von Mitgliedern für<br />

Mitglieder sein will, sind immer herzlich willkommen.<br />

Eine Reihe von Veröffentlichungen konnte im Berichtszeitraum<br />

herausgebracht werden. Der Tagungsband Wissenschaftskommunikation<br />

– Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum dokumentiert<br />

die dritte Tagung der Wissenschaftsmuseen im deutsch-französischen<br />

Dialog in Berlin vom 14. bis 16. Oktober 2007.<br />

In Partnerschaft mit <strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz wurde<br />

die Definition des CIDOC Conceptual Refernce Model (CRM, Version<br />

5.0.1.) in gedruckter Form als Band 1 der neu begründeten Schriftenreihe<br />

„Beiträge zur Museologie“ vorgelegt. Damit ist ein lange gehegter<br />

Wunsch von CIDOC realisiert worden, wonach neben der existierenden<br />

Internetversion des CRM auch eine Printversion dieses<br />

Nachschlagewerkes die Arbeit am Schreibtisch und am Computer<br />

erleichtern soll.<br />

Ebenfalls erschienen ist der Tagungsband Museen und Denkmäler.<br />

Historisches Erbe und Kulturtourismus (Internationales Bodensee-Symposium,<br />

Lindau 18. bis 20. Juni 2009) als Band 2 der Schriftenreihe.<br />

Die deutsche Übersetzung des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums<br />

gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz wurde in einer<br />

Auflage von 15.000 Exemplaren gedruckt und allen deutschen <strong>ICOM</strong>-<br />

Mitgliedern sowie allen deutschen Museen und Kultusministerien<br />

kostenlos zugesandt.<br />

Im August 2009 wurde der vom Deutschen Museumsbund erarbeitete<br />

Leitfaden für das wissenschaftliche Volontariat am Museum<br />

gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> herausgegeben. Dem DMB ist<br />

für das Angebot zur Kooperation herzlich zu danken.<br />

Der Rückblick legt eine beachtliche Bilanz offen. Dies zu erreichen<br />

war nur möglich durch die Mitwirkung zahlreicher engagierter Mitglieder<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, durch die lebhafte und kompetente<br />

Beteiligung aller Mitglieder des Vorstandes und in besonderer Weise<br />

durch das große Engagement der Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle<br />

unter der umsichtigen Leitung von Johanna Westphal.<br />

Dr. Klaus Weschenfelder<br />

Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

rungsaustauschs bie tet, liegt bei 36 %, wobei nach eigener Angabe nur<br />

10 % aktiv teilnehmen.<br />

Wertvolle Anregungen brachten die Vorschläge für Tagungsthemen<br />

und für die Arbeit des Vorstandes. Es zeigt sich, dass vor allem<br />

praxisbezogene Themen gewünscht sind, wobei eine besondere Nachfrage<br />

von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus kleineren Museen<br />

kommt. Dem Vorstand zur besonderen Beachtung empfohlen wurde<br />

die verstärkte Aufmerksamkeit für den Nachwuchs an Museen und<br />

die Betonung der internationalen Perspektive als eine Besonderheit<br />

der Arbeit in einem Weltverband.<br />

Der Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat die Umfrageergebnisse<br />

sorgfältig erörtert und entsprechende Vorhaben daraus abgeleitet. So<br />

soll die nächste Jahrestagung in Budapest, gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Ungarn,<br />

dem Museums-Nachwuchs gewidmet sein. In Angriff genommen<br />

wurde die Erstellung eines Leitfadens zur präventiven Konservierung<br />

gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Österreich, <strong>ICOM</strong> Schweiz und dem<br />

<strong>ICOM</strong> Conservation Committee. Ferner wurde aus der Mitte des Vorstandes<br />

eine Strategie-Arbeitsgruppe gebildet, die sich der weiteren<br />

Entwicklung annehmen soll.


RÜCKBLICK<br />

PROTOKOLL DER MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2010 VON <strong>ICOM</strong> DEUTSCHLAND<br />

24. September 2010<br />

Grassi Museum Leipzig<br />

Beginn der Mitgliederversammlung: 17:00 Uhr<br />

Anwesende Mitglieder: 84<br />

Der Vorstand ist vollständig anwesend.<br />

1. Billigung der Tagesordnung<br />

Die vorliegende und den Mitgliedern rechtzeitig übermittelte Tagesordnung<br />

wird gebilligt. Unter Punkt 7 der Tagesordnung (Verschiedenes)<br />

wird ein aktueller Bericht über die angekündigte Schließung<br />

des Altonaer Museums in Hamburg durch Dr. Vanessa Hirsch<br />

angemeldet.<br />

2. Benennung der Protokollführung<br />

Als Protokollführer wird das Vorstandsmitglied Dr. Christoph Lind<br />

benannt.<br />

3. Tätigkeitsbericht des Präsidenten und Vorstellung des Haushalts<br />

Der Präsident, Dr. Klaus Weschenfelder, gibt einen Überblick über die<br />

Aktivitäten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für den Zeitraum seit der letzten<br />

Mitgliederversammlung in Lindau im Juni 2009. Zuvor wird in einer<br />

Schweigeminute der Mitglieder gedacht, die im Berichtszeitraum<br />

verstorben sind. In alphabetischer Reihenfolge:<br />

Dr. Eva Brües<br />

Prof. Dr. Günter Busch<br />

Dr. Hermann Eiselen Senator e.h.e.h.<br />

Barbara Götze<br />

Dr. Gisela Holan<br />

Prof. Dr. Gerhard Kaufmann<br />

Dr. Karl-Heinz Lampe<br />

Thomas Lautz<br />

Dipl. Rest. Katja Lewerentz<br />

Prof. Dr. Ingrid Loschek<br />

Prof. Dr. Claus Zoege von Manteuffel<br />

Fritz Artur Rieber<br />

Prof. Dr. Werner Schmalenbach<br />

Prof. Dr. Eduard Trier<br />

Der Präsident stellt die Zahlen der Mitgliederentwicklung vor: Aktuell<br />

sind in <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> insgesamt 4210 Mitglieder organisiert.<br />

Von 2005 bis heute ist ein Zuwachs von ca. 1500 Mitgliedern zu<br />

verzeichnen. Die positive Mitgliederentwicklung ist ein Beleg für die<br />

erfolgreiche Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Diese beeindruckende<br />

Zahl zeichnet <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> als das mitgliederstärkste Nationalkomitee<br />

weltweit aus. Die steigenden Mitgliederzahlen bringen<br />

einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich, insbesondere bei der<br />

Kontrolle der Anforderungen bei Neuaufnahmen gemäß den Statuten.<br />

Der Präsident stellt den Haushaltsplan von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für<br />

das Jahr 2010 vor. Die Mitgliedsbeiträge machen den größten Teil<br />

der Einnahmen aus; etwa zwei Drittel der Gesamtausgaben sind die<br />

vom Weltverband festgesetzten Beiträge, die das Nationalkomitee<br />

an die Zentrale in Paris abführt.<br />

Der Präsident dankt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der<br />

Geschäftsstelle für ihre engagierte und erfolgreiche Arbeit einschließlich<br />

der Organisation der Tagung in Leipzig.<br />

4. Aussprache zum Bericht<br />

Vorstand und Mitgliederversammlung schließen sich dem Dank des<br />

Präsidenten an die Geschäftsstelle für die erfolgreiche Arbeit an. Der<br />

ausgeglichene Haushalt findet Befürwortung.<br />

5. Genehmigung des Jahresberichts und Entlastung des Vorstands<br />

Der Jahresbericht wird genehmigt. Auf Antrag von Prof. Dr. Eszter<br />

Fontana wird der Vorstand ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der<br />

Vorstandsmitglieder entlastet.<br />

6. Wahlen zum Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für den Zeitraum<br />

<strong>2011</strong> bis 2013<br />

Es wird mit Zustimmung der Mitgliederversammlung Dr. Werner Hilgers<br />

als Wahlleiter bestimmt. Dieser erklärt das Wahlprozedere. Als<br />

Wahlbeobachterin wird mit Zustimmung der Mitgliederversammlung<br />

Martina Krug benannt. Informationen zu den Kandidaten für<br />

die Vorstandswahlen waren zusammen mit den Tagungsunterlagen<br />

an die Mitglieder verteilt worden; die Kandidaten erhalten Gelegenheit,<br />

sich persönlich den Mitgliedern vorzustellen. Im Anschluss wird<br />

die Wahl durchgeführt.<br />

7. Verschiedenes<br />

Dr. Vanessa Hirsch referiert die aktuelle Lage des von der Schließung<br />

bedrohten Altonaer Museums. Eine offizielle Erklärung des Präsidenten<br />

wird vorbereitet.<br />

8. Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorstandswahlen<br />

Der Wahlleiter gibt das Ergebnis der Wahlen unter Angabe der jeweiligen<br />

Stimmenanzahl bekannt. Als Präsident kandidierte Dr. Klaus<br />

Weschenfelder, der für eine weitere Amtsperiode gewählt wird. Die<br />

neu gewählten Mitglieder des Vorstands sind in alphabetischer Reihenfolge:<br />

Dr. Matthias Henkel, Prof. Dr. Lothar Jordan, Dr. Franziska<br />

Nentwig, Dr. Gabriele Pieke, Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch und<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith.<br />

Alle Kandidaten nehmen die Wahl an.<br />

Der Präsident schließt die Mitgliederversammlung um 19:00 Uhr.<br />

Mannheim, den 15. Februar <strong>2011</strong><br />

gez. Dr. Christoph Lind, Protokollführer<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 29


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

28. Januar <strong>2011</strong>: Ein kultur -<br />

histo ri sches Desaster nimmt seinen Lauf<br />

<strong>ICOM</strong> und CIPEG reagierten mit Sofortmaßnahmen auf die Bedrohung von Kulturgütern<br />

in Ägypten. Eine Task Force dokumentierte kurz nach Ausbruch der Unruhen<br />

den Verlust und die Schäden an Kulturschätzen und bestärkte die politischen Akteure<br />

vor Ort darin, das unschätzbare Kulturerbe vor weiterer Beschädigung zu schützen.<br />

Christine Fößmeier<br />

Während nur wenige Meter weiter Tausende friedlich für die<br />

Demokratie in Ägypten demonstrierten, drangen am Abend<br />

des 28. Januar <strong>2011</strong> einige Personen in das Ägypti sche Museum<br />

in Kairo, die weltweit bedeutendste Sammlung ägyptischer<br />

Altertümer, ein und beschädigten und ent wendeten<br />

zahlreiche Ausstellungsobjekte. Derweil berichteten Museen<br />

wie das von Port Said oder Qantara gar von bewaffneten<br />

Banden, die unzählige antike Stücke stah len. Durch<br />

das Internet verbreiteten sich diese Nachrichten rasend<br />

schnell über die ganze Welt.<br />

Bereits am 29. Januar wurde klar, dass <strong>ICOM</strong> dort rasch<br />

tätig werden und in Zusammenarbeit mit ägyptischen Kollegen<br />

auf den Schutz des Kulturgutes drängen sollte. Schon<br />

am Wochenende wurde eine Task Force des Internationalen<br />

Komitees für Ägyptologie (CIPEG) ins Leben gerufen.<br />

Innerhalb von <strong>ICOM</strong> vermag CIPEG als Fachkomitee für<br />

Eines der unzähligen Beispiele von<br />

Raubgrabungen in Ägypten: Die ses Grab<br />

aus dem 6.–5. Jahrhundert v. Chr. in Abusir<br />

wurde stark beschädigt, Grabbeigaben<br />

gestohlen, die Mumie zerfetzt und die<br />

menschlichen Überreste dabei um das Grab<br />

verteilt.<br />

30 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

ägyptische und sudanarchäologische Sammlungen Geschehnisse<br />

wie diese am besten einzuschätzen und arbeitet hier<br />

zusammen mit der <strong>ICOM</strong> Disaster Relief Task Force (<strong>ICOM</strong><br />

DRTF). Die DRTF versteht sich als Einsatztruppe, sollten<br />

Kulturstätten durch Katastrophen betroffen sein.<br />

Neben offiziellen Stellungnahmen und der späteren Verbreitung<br />

von Zwischenberichten durch <strong>ICOM</strong> DRTF galt<br />

es für die CIPEG Task Force, landesumspannende Informationen<br />

zu sammeln und auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen.<br />

Dazu gehören die Berichte von Vandalismus, Bedrohung<br />

der Kulturstätten verschiedener Religionen, illegalen<br />

Landnahmen, Einbrüchen in Lagerräume und Raubgrabungen.<br />

Die offiziellen Informationsquellen waren aufgrund<br />

von Zuständigkeitsproblemen bei der Umwandlung der verantwortlichen<br />

Organe des Supreme Council of Antiquities<br />

in das Ministry of Antiquities und dem wenig später erfolg-<br />

Foto: Archives of the Czech Institute of Egyptology


Foto aus Urheberrechtsgründen in der<br />

Online-Fassung entfernt.<br />

ten Rücktritt des Antikendienstministers Dr. Zahi Hawass<br />

sowie dem Ausfall großer Teile der Polizei kurz vor und<br />

nach dem Zusammenbuch des Mubarak-Regimes nicht<br />

voll funktionstüchtig. Gleichzeitig taten sich durch das Internet,<br />

v. a. Facebook, neue, allerdings nicht immer verifizierbare<br />

Nachrichtenquellen auf.<br />

Wichtig war es, sich einen Überblick u. a. über den Einbruch<br />

im Ägyptischen Museum zu verschaffen. Ein ursprüng<br />

lich beim TV-Sender Al Jazeera ausgestrahltes Handy-<br />

Video, das kurz nach dem Einbruch im Kairoer Mu seum<br />

entstanden war, wurde für die Schadenssichtung entscheidend<br />

und mit Fotos, Internet-Posts und TV-Berichten verglichen.<br />

Eine Datenbank wurde eingerichtet, die eine große<br />

Anzahl der seit Anfang Februar gesammelten Meldungen<br />

über Museen, Magazine oder archäologische Stätten auflistet.<br />

Eine erste Mission von Blue Shield überprüfte daraufhin<br />

vom 12. bis 16. Februar die Zustände in Memphis,<br />

Dahschur und Sakkara.<br />

Solche Sofortmaßnahmen sollten <strong>ICOM</strong> zur besseren Einschätzung<br />

der Lage und raschem Reagieren befähigen, sobald<br />

von offizieller Seite um Beistand gebeten werden würde.<br />

Auch musste die internationale Museumsgemeinschaft<br />

auf die Lage in Ägypten aufmerksam gemacht werden. Das<br />

Interesse richtet sich nun zudem auf die entwendeten Objekte,<br />

die in den weltweiten Handel geraten können. Registrierte<br />

und offiziell als gestohlen gelistete Stücke sind<br />

Ähnlich wie im Sommer 2008 ballen sich auch <strong>2011</strong> die<br />

Einsätze für die <strong>ICOM</strong> Disaster Relief Task Force (DRTF).<br />

In Tunesien gab es keine Schäden für Museen – im Gegenteil:<br />

Die Inspek tionen der Villen der früheren Machthaber<br />

brachte manches Museumsgut wieder zurück.<br />

In Christchurch (Neuseeland) hat das Erdbeben auch<br />

Museen schwer getroffen. Aus Sicherheitsgründen dauerte<br />

es sehr lange, bis die Museen zur Schadensanalyse und Bergung<br />

betreten wer den durften.<br />

Für Libyen musste zuerst ein Museumsverzeichnis erstellt<br />

werden. Die Koordinaten wurden vor den ersten<br />

Luftangriffen an die betreffenden Ver teidigungsministerien<br />

übermittelt.<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Erste fundiertere Schadenseinschätzungen<br />

nach dem Einbruch in das Ägyptische<br />

Museum in Kairo waren erst in der zweiten<br />

Februar-Woche möglich, so z. B. durch eine<br />

Pressekonferenz am 10. Februar <strong>2011</strong> mit<br />

Dr. Zahi Hawass.<br />

natürlich leichter zu entdecken als solche, die aus Raubgrabungen<br />

stammen und unauffällig selbst in den legalen<br />

Kunstmarkt eingeschleust werden können.<br />

Internationale Unterstützung wurde Ende März auch von<br />

der UNESCO in Abstimmung mit <strong>ICOM</strong> angeboten. Vom<br />

22. bis 24. März reiste eine aus westlichen wie ägyptischen<br />

Fachleuten bestehende Delegation nach Kairo, um den Direktor<br />

des Ägyptischen Museums und weitere Offizielle<br />

zu treffen, überstaatliche Beziehungen zu bekräftigen und<br />

Bewältigungsstrategien vorzuschlagen.<br />

Die unsichere Situation für historisches Kulturgut hat<br />

<strong>2011</strong> die Öffentlichkeit zu sensibilisieren vermocht. Ägypten-Fans,<br />

Ägyptologen und Museologen aus aller Welt vereinten<br />

sich für die auch von CIPEG und dem Internationalen<br />

Ägyptologenverband unterstützte private Unterschriften-<br />

Aktion „Petition Egypt’s Transitional Authority to Provide<br />

Adequate Monument and Site Security“.<br />

Christine Fößmeier beschäftigt sich mit Ägypten- und Orientrezeption,<br />

wozu sie auch Seminare und Vorträge u. a. in <strong>Deutschland</strong> und<br />

den USA gehalten hat. Sie ist ein Mitglied von CIPEG;<br />

chrisfoessmeier@aol.com.<br />

Weitere Informationen:<br />

CIPEG: http://cipeg.icom.museum<br />

Blue Shield: www.blueshield-international.org<br />

In Japan gibt es in der Region Nord­Honshu etwa vierhundert<br />

Museen. Die Erdbebenschäden scheinen sich in<br />

Grenzen zu halten, vor allem dank vorbildlicher Vorsorge­Arbeit<br />

des ja pa ni schen Museumsverbandes, der 2008<br />

ein Risiko­Handbuch herausgegeben hat. Rund 25 Museen<br />

liegen direkt an der vom Tsunami verwüsteten Küste; schätzungsweise<br />

fünf bis zehn wurden erheblich geschädigt. In<br />

der Umgebung des beschädigten Atom kraftwerks sind zwei<br />

Museen (25 km) bzw. fünf Museen (45 km) von nuklearer<br />

Strahlung bedroht, siehe auch Spendenaufruf S. 58.<br />

Dr. Thomas Schuler ist Präsident der <strong>ICOM</strong> Disaster Relief Task Force;<br />

th.schuler@t-online.de.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 31


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Deutsche Mitglieder<br />

in offiziellen Positionen bei <strong>ICOM</strong><br />

Bei den Wahlen im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 2010 sind mehr deutsche Mitglieder als jemals zuvor in Führungspositionen<br />

der internationalen Komitees und in Gremien von <strong>ICOM</strong> berufen worden. Allen Kolleginnen und<br />

Kollegen, die sich zur Verfügung gestellt haben, gilt besonderer Dank. Sollten wir jemanden in der nachfolgenden Liste<br />

nicht berücksichtigt haben, bitten wir um Nachsicht und kurze Mitteilung an die Geschäftsstelle von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

icom@icom-deutschland.de. Weitere Informationen zur Arbeit der internationalen Komitees finden Sie unter<br />

www.icom.museum.<br />

<strong>ICOM</strong><br />

Hans-Martin Hinz, hinz@dhm.de<br />

Präsident des Weltverbands<br />

Internationale Komitees<br />

CAMOC – Museums of Cities<br />

Susanne Anna, susanne.anna@duesseldorf.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

CIDOC – Documentation<br />

Regine Stein, r.stein@fotomarburg.de<br />

Generalsekretärin<br />

Martina Krug, martina.krug@t-online.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

CIDOC Working Groups<br />

Data Harvesting and Interchange<br />

Regine Stein, r.stein@fotomarburg.de<br />

Digital Preservation<br />

Stefan Rohde­Enslin,<br />

s.rohde-enslin@smb.spk-berlin.de<br />

Information Centres<br />

Monika Hagedorn­Saupe,<br />

m.hagedorn@smb.spk-berlin.de<br />

Transdisciplinary Approaches in Documentation<br />

Siegfried Krause, s.krause@gnm.de<br />

Günther Görz, goerz@informatik.uni-erlangen.de<br />

Georg Hohmann, g.hohmann@gnm.de<br />

CIMAM – Modern Art<br />

Robert Fleck, fleck@kah-bonn.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

CIMCIM – Musical Instruments<br />

Christiane Rieche, treasurer@cimcim.icom.museum<br />

Schatzmeisterin<br />

Martin Elste, elste@sim.spk-berlin.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

32 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Klaus Weschenfelder, praesident@icom-deutschland.de<br />

Präsident des Deutschen Nationalkomitees<br />

CIPEG – Egyptology<br />

Gabriele Pieke, gabriele.pieke@topoi.org<br />

Generalsekretärin<br />

Christian Loeben, christian.loeben@hannover-stadt.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

COMCOL – Collecting<br />

Léontine Meijer­van Mensch, leontine.meijer@ahk.nl<br />

Präsidentin<br />

Elisabeth Tietmeyer, e.tietmeyer@smb.spk-berlin.de<br />

Vizepräsidentin<br />

COSTUME – Costume<br />

Brigitte Herrbach­Schmidt,<br />

b.herrbach-schmidt@landesmuseum.de<br />

Schatzmeisterin<br />

DEMHIST – Historic House Museums<br />

Hartmut Dorgerloh, generaldirektion@spsg.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

GLASS – Glass<br />

Karin Rühl, Karin.ruehl@glassmuseum-frauenau.de<br />

Schatzmeisterin<br />

Susanne Netzer, kgm@smb.spk-berlin.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

ICDAD – Decorative Arts & Design<br />

Petra Krutisch, p.krutisch@gnm.de<br />

Schatzmeisterin<br />

Wolfgang Schepers,<br />

wolfgang.schepers@hannover-stadt.de<br />

Vorstandsmitglied


ICEE – Exhibition Exchange<br />

Christoph Lind, christoph.lind@mannheim.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

Karl­Heinz Ziessow, ziessow@ballodora.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

ICLM – Literary Museums<br />

Lothar Jordan, iclm.jordan@gmx.de<br />

Präsident<br />

Bernhard Lauer, grimm-museum@t-online.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

ICME – Ethnography<br />

Anette Rein, ar_welten@yahoo.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

IC MEMO – Memorial Museums<br />

Jan Erik Schulte, jan.schulte@mailbox.tu-dresden.de<br />

Vizepräsident<br />

Christiane Hoss, icmemo@netcologne.de<br />

Generalsekretärin und Schatzmeisterin<br />

Norbert Haase, norbert.haase@online.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

Markus Ohlhauser, markusohlhauser@web.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

ICMS – Security<br />

Michael John, michael.john@skd.smwk.sachsen.de<br />

Schatzmeister<br />

ICOFOM Subcommittees<br />

SIB&SAP<br />

Hildegard K. Vieregg, vieregg.hildegard@onlinemv.de<br />

<strong>ICOM</strong>AM – Arms and Military History<br />

Alfred Geibig, a.geibig@kunstsammlungen-coburg.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

<strong>ICOM</strong>-CC Working Groups<br />

Glass and Ceramics<br />

Gerhard Eggert,<br />

coordinatorwgglassceramics@googlemail.com<br />

Leather and Related Materials<br />

Jutta Göpfrich, j.goepfrich@ledermuseum.de<br />

Paintings<br />

Gunnar Heydenreich, gunnar.heydenreich@fh-koeln.de<br />

Scientific Research<br />

Christoph Herm, herm@serv1.hfbk-dresden.de<br />

Textiles<br />

Christine Müller­Radloff,<br />

christine.mueller-radloff@skd.museum<br />

ICR – Regional Museums<br />

Otto Lohr, otto.lohr@blfd.bayern.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

Helmut Sydow, helmutsydow@gmx.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

UMAC – University Museums & Collections<br />

Cornelia Weber, weber@mathematik.hu-berlin.de<br />

Vorsitzende der Arbeitsgruppe Directories<br />

Working Groups and Task Forces<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

DRTF – Disaster Relief for Museums Task Force<br />

Thomas Schuler, th.schuler@t-online.de<br />

Vorsitzender<br />

Michael John, michael.john@skd.smwk.sachsen.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

Affiliated International Organisations<br />

AEOM – Association of European Open-Air Museums<br />

Jan Carstensen, jan.carstensen@lwl.org<br />

Vize-Präsident<br />

Monika Kania Schütz,<br />

monika.kania-schuetz@glentleiten.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

AIMA – International Association of Agricultural<br />

Museums<br />

Peter Lummel, lummel@domaene-dahlem.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

EXARC – International Organisation of Archaeological<br />

Open Air Museums and Experimental Archaeology<br />

Martin Schmidt,<br />

martin.schmidt@nlm-h.niedersachsen.de<br />

Vizepräsident<br />

Ulrike Braun, azh@archaeo-centrum.de<br />

Schatzmeisterin<br />

HO!I – Hands On! International Association of Children’s<br />

Museums<br />

Petra Zwaka, museum@ba-temp.verwalt-berlin.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

IAMH – International Association of Museums of History<br />

Rosmarie Beier­de Haan, beier@dhm.de<br />

Schatzmeisterin<br />

IATM – International Association of Transports and<br />

Communication Museums<br />

Michael Dünnebier,<br />

michael.duennebier@verkehrsmuseum-dresden.de<br />

Präsident<br />

Jürgen Franzke, juergen.franzke@bahn.de<br />

Vorstandsmitglied<br />

ICMM – International Congress of Maritime Museums<br />

Lars U. Scholl, scholl@dsm.museum<br />

Vorstandsmitglied<br />

SIBMAS – International Association of Libraries and<br />

Museums of the Performing Arts<br />

Winrich Meiszies, winrich.meiszies@duesseldorf.de<br />

Präsident<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 33


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Die internationalen Komitees<br />

stellen sich vor<br />

Die inhaltliche Arbeit von <strong>ICOM</strong> findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Sie widmen<br />

sich den speziellen Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps oder einer speziellen<br />

museumsverwandten Disziplin. Derzeit gibt es 31 internationale Komitees, die durch einen Präsidenten, einen<br />

Sekretär und einen Vorstand vertreten sind. Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung deutscher<br />

<strong>ICOM</strong>-Mitglieder in den internationalen Komitees. Auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> begrüßt Ihr Engagement sehr.<br />

Damit die Professionalität von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gerade in internationalen Fragen gesichert ist, sollte jedes<br />

Mitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auch Mitglied eines internationalen Komitees sein. Voraussetzung für die Aufnahme<br />

in ein internationales Komitee ist eine individuelle oder institutionelle Mitgliedschaft bei <strong>ICOM</strong>. Weitere<br />

Informationen zum Beitritt zu einem der internationalen Komitees finden Sie unter www.icom.museum oder<br />

www.icom-deutschland.de.<br />

34 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Foto: Hannelore Kunz-Ott


International Committee for the Collections and Activities<br />

of Museums of Cities – CAMOC<br />

Im Jahr 1993 hielt, wie Ian Jones im<br />

Beitrag „Cities and Museums about<br />

Them“ des Sammelbandes City Museums<br />

and City Development (2008)<br />

be richtet, das Museum of London ein<br />

Symposium zum Thema Stadtmuseen<br />

ab. Es handelte sich dabei vermutlich<br />

um die erste internationale Tagung für<br />

diese Museumsgattung. Eine Gruppe<br />

von Stadtmuseen schloss sich danach<br />

zur „International Association of City<br />

Museums“ zusammen. In diesem Kontext<br />

fanden Tagungen 1995 in Barcelona,<br />

2000 in Luxembourg und 2005<br />

in Amsterdam statt. Das Journal Museum<br />

International der U N ESCO<br />

wid mete sich 1995 in einer Ausgabe<br />

dem Thema Stadtmuseen. Zwei der<br />

Artikel lieferten bedeutende Denkanstöße<br />

für die Diskussion über die Zukunft<br />

der Stadtmuseen: „Discovering<br />

the City“ von Nicho la Johnson und<br />

„Museums about Cities“ von Max<br />

Hebditch.<br />

Im Mai 2004 schrieb Ian Jones an<br />

Eloisa Zell von <strong>ICOM</strong> und schlug ihr<br />

vor, ein Internationales Komitee für<br />

Stadtmuseen zu gründen. Sie erwähnte<br />

Galina Vedernikowa vom Moskauer<br />

Stadtmuseum, die diese Idee bereits<br />

vorgetragen hatte; 2001 hatte Vedernikowa<br />

eine Arbeitsgruppe von Museumskollegen<br />

aus Stadtmuseen um<br />

sich versammelt, die weitere Museumsdirektoren<br />

eingeladen hatte.<br />

Die offizielle Gründung von CA MOC<br />

wurde an den <strong>ICOM</strong> auf der Tagung<br />

in Seoul im Oktober 2004 herangetragen.<br />

Das neue Komitee CAMOC<br />

– International Committee for the<br />

Collections and Activities of Museums<br />

of Cities – traf dann erstmals offiziell<br />

im April 2005 in Moskau zusammen.<br />

Heute hat CAMOC 149 Mitglieder<br />

(inklusive außerordentlichen Mitglieder).<br />

Diese setzen sich folgendermaßen<br />

zusammen: 59 Mitglieder aus Europa,<br />

39 Mitglieder aus der Russischen Förderation,<br />

16 Mitglieder aus Nordamerika,<br />

12 Mitglieder aus Südamerika,<br />

5 Mitglieder aus Australien, 1 Mitglied<br />

aus Neuseeland u. a. Dem aktuellen<br />

Vorstand ge hören an: Suay Aksoy (Präsidentin,<br />

Türkei), Maria Marlen Mouliou<br />

(Generalsekretärin, Griechenland),<br />

Susanne Anna (Mitglied, Deutsch land),<br />

Catherine C. Cole (Mitglied, Kanada),<br />

Maria Ignez Franco (Vizepräsidentin,<br />

Brasilien), Zhang Lan (Vizepräsident,<br />

China), Hugh Maguire (Mitglied, Irland),<br />

Gulchachak Nazipova (Mitglied,<br />

Russische Förderation), C. L. Roberts<br />

(Mitglied, USA), Eric Sandweiss (Mitglied,<br />

USA), Efstratios Stratigis (Mitglied,<br />

Griechenland), Isabelle Vinson<br />

(Mitglied, Frankreich). Außerordentliche<br />

Vorstandsmitglieder sind: Galina<br />

Verdernikowa (Vizepräsidentin, Russische<br />

Förderation), Jack Lohmann<br />

(Mitglied, England), Michal Niezabitowsk<br />

(Mitglied, Polen).<br />

CAMOC’s Aufgabe lautet: „CAMOC<br />

is about cities and the people in them.<br />

It is a forum for all who are interested<br />

and involved in cities, where they can<br />

share knowledge and experience, exchange<br />

ideas and explore partnerships<br />

across national boundaries.”<br />

Suay Aksoy formuliert im Annual<br />

Report 2010 die aktuellen Ziele von<br />

CAMOC wie folgt: Das Komitee be-<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

greift sich als think tank von <strong>ICOM</strong><br />

für Städte und Stadtmuseen. Hierfür<br />

soll seine Arbeit projektorientiert und<br />

partizipativ ausgerichtet sein und die<br />

internationale Zusammenarbeit zwischen<br />

Museen, ihren Komitees und<br />

Kulturorganisa tio nen befördern. So<br />

findet beispielsweise die Jahrestagung<br />

im November <strong>2011</strong> in Berlin gemeinsam<br />

mit dem International Committee<br />

for Collecting (COMCOL) statt.<br />

Eine ent spre chende Vernetzung in<br />

Form einer Datenbank der Stadt museen<br />

ist in Planung.<br />

CAMOC sieht sich bei der Kooperation<br />

mit Zivilgesellschaft und Behörden<br />

in der Pflicht. Das Komitee<br />

gewährt Unterstützung in der Zusammenarbeit<br />

bei der Lösung von Problemen<br />

der Umweltzerstörung, des Terrorismus<br />

u. ä. in Städten. Hier kann von<br />

Kolleginnen und Kollegen der Stadtmuseen<br />

gelernt werden, die bereits in<br />

urbane Katastrophen involviert waren.<br />

CAMOC arbeitet an der Errichtung<br />

eines neuen Museumstyps: Das Stadtmuseum,<br />

das sich mit Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft von Städten<br />

beschäftigt und zur Plattform für Bürgerinnen<br />

und Bürger wird, um die eigene<br />

Stadt und Stadtgesellschaft zu<br />

gestalten. CAMOC fördert die Entstehung<br />

neuer Stadtmuseen.<br />

Weitere Informationen:<br />

Dr. Susanne Anna,<br />

Vorstandsmitglied von CAMOC;<br />

susanne.anna@duesseldorf.de<br />

Konferenzberichte und Materialien:<br />

www.camoc.icom.museum<br />

In den USA leben 87 Prozent und in Lateinamerika rund 78 Prozent der Bevölkerung in Städten, die Zahl der Städte insgesamt und auch die der<br />

Megastädte (Sao Paulo, 11 Millionen Einwohner) wächst. CAMOC wendet sich den damit verbunden Chancen und Risiken zu mit dem Ziel, das<br />

sich verändernde Leben in Städten weltweit zu dokumentieren und lebenswert zu gestalten.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 35<br />

Foto: fotolia, T. Allendorf


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

International Committee for Collecting – COMCOL<br />

Über das International Committee for<br />

Collecting (COMCOL) zu schreiben,<br />

bedeutet für mich, zunächst die Vorge<br />

schichte des Komitees zu schildern.<br />

Alles nahm seinen An fang mit der<br />

Gründung des Netzwerks „Samdok“<br />

der kulturhistorischen Museen in<br />

Schweden im Jahr 1977. Ein Hauptanliegen<br />

war, Objekte gegenwärtiger Kultur<br />

unter dem Slogan „heute für morgen“<br />

zu sammeln. Heute ist „Sam dok“<br />

vor allem eine Plattform, die der fachlichen<br />

Weiterbildung und dem Erfahrungsaustausch<br />

dient, auf der die<br />

Themen „Gegenwartskultur und Gesellschaft“<br />

diskutiert und die Bewahrung<br />

von Kulturerbe als Ergebnis des<br />

Sammelns erörtert werden. Der internationale<br />

Erfahrungsaustausch führte<br />

zu der Erkenntnis, dass bei <strong>ICOM</strong> ein<br />

Bedarf nach einem internationalen Komitee<br />

für das Sammeln von materieller<br />

und immaterieller Kultur besteht.<br />

Hierunter wird der aktive Prozess des<br />

Sammelns, d. h. die Weiterentwicklung<br />

der vorhandenen Sammlungen bzw.<br />

das Anlegen von neuen Sammlungen,<br />

verstanden. In der großen Bandbreite<br />

der internationalen (museographi schen)<br />

Komitees existierte ein solches Komitee<br />

noch nicht. Im Dezember 2009<br />

stimmte der Exekutivrat von <strong>ICOM</strong><br />

dem Vorschlag der Gründung des neuen<br />

Komitees zu; im März 2010 bestätigte<br />

der Generaldirektor die Entscheidung<br />

offiziell.<br />

Die Aufgabe von COMCOL besteht<br />

darin, Diskussionen zu vertiefen und<br />

Wissen über die Praxis, Theorie und<br />

Ethik des Sammelns sowie über Sammlungen<br />

(sowohl materiell als auch immateriell)<br />

auszutauschen. Wir wollen<br />

eine Platt form für den fachlichen Meinungs-<br />

und Erfahrungsaustausch im<br />

Bereich Sammeln (im weitesten Sinne)<br />

bieten. Der Auftrag beinhaltet: Reflexion<br />

über Strategien des Sammelns und<br />

Entsammelns sowie Diskussion über<br />

das Sammeln der Gegenwart, die Rückgabe<br />

von Kulturgut und ethisch respekt<br />

volle Methoden, welche die Rolle<br />

von Sammlungen heute und in der<br />

Zukunft beeinflussen. Dies gilt für alle<br />

Museumsarten aus allen Teilen der<br />

Welt.<br />

Drei grundlegende Konzepte wurden<br />

als Parameter für die Arbeit von<br />

COMCOL festgelegt:<br />

· Sammeln als kulturelle Leistung,<br />

36 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Gründungsversammlung von COMCOL auf der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Schanghai,<br />

7. bis 12. November 2010<br />

· Sammeln als Instrument zur Weiterentwicklung<br />

von Samm lungen,<br />

· Sammlungen als Mittel, um die gesellschaftlichen<br />

Zielsetzungen eines<br />

Museums besser umsetzen zu können.<br />

Diese Parameter betonen die dynamische<br />

Natur von Samm lungen und<br />

des Sammelns als Prozess. COMCOL<br />

ist nicht das Internationale Komitee<br />

für Sammlungen, es ist ein Komitee,<br />

das sich mit Sammeln oder, präziser,<br />

dem Weiterentwickeln von Sammlungen<br />

befasst.<br />

Die Idee einer „geteilten Verantwortung“<br />

ist für COMCOL eines der wesentlichen<br />

Konzepte der heutigen Professionalität<br />

in der Museumsarbeit:<br />

Dies gilt für die Beziehung zwischen<br />

Organisationen und Interessengruppen<br />

in Netzwerken sowie zwischen<br />

Museen und ihren source communities.<br />

Dies impliziert natürlich eine Diskussion<br />

über die Rolle und die Verantwortung<br />

von Museumsfachleuten.<br />

In diesem Zusammenhang – und um<br />

der Vorgeschichte von COMCOL bei<br />

„Samdok“ Tribut zu zollen – wurde<br />

als The ma unserer ersten Jahrestagung<br />

„Partizipative Strategien zur Dokumentation<br />

der Gegenwart“ ausgewählt,<br />

die vom 31. Oktober bis 3. November<br />

<strong>2011</strong> in den Museen Dahlem der Staatlichen<br />

Museen zu Berlin stattfinden<br />

wird. COMCOL wird diese in enger<br />

Zusammenarbeit mit CAMOC und<br />

<strong>ICOM</strong> Europe organisieren. Sie sind<br />

alle herzlich willkommen!<br />

Weitere Informationen:<br />

Léontine Meijer-van Mensch,<br />

Präsidentin von COMCOL;<br />

leontine.meijer@ahk.nl<br />

www.comcol-icom.org


CIDOC-Arbeitsgruppe: Transdisciplinary Approaches in Documentation<br />

Die Arbeitsgruppe „Transdisciplinary<br />

Approaches in Documentation“<br />

(TraiD) wurde im Jahr 2008 auf dem<br />

CIDOC-Treffen in Athen ins Leben<br />

gerufen. Ausgangspunkt der Gründung<br />

war die in verschiedenen theoretischen<br />

und praktischen Arbeiten gewonnene<br />

Einsicht, dass das CIDOC<br />

Conceptual Reference Modell (CIDOC<br />

CRM) über die ursprünglich geplante<br />

semantische Angleichung von Da tenstrukturen,<br />

die zu allererst in einem<br />

technischen Sinn begriffen wurde, hinaus<br />

auch als eine gemeinsame Sprache<br />

zur Angleichung wissenschaftlicher<br />

Konzepte zwischen un terschiedlichen<br />

wissenschaftlichen Disziplinen verstanden<br />

werden kann. Es lassen sich<br />

auf überraschend einfache Wei se dokumentarische<br />

Grundkonzepte zwischen<br />

naturkundlichen und kulturhistorischen<br />

Objekten, z. B. hin sicht lich<br />

der Klassifikation oder der Aufsammlung<br />

von Tieren bzw. der Erstellung<br />

von Objekten, abbilden, die durch die<br />

spezialisierten Sprachen in den verschiedenen<br />

Disziplinen verdeckt werden.<br />

In der Schlussfolgerung des Gesagten<br />

liegt damit bereits in der musealen<br />

Dokumentation ein enormes<br />

wissenschaft liches Potential, das bisher<br />

auf Grund des allgemeinen Verständnisses<br />

der Dokumentation nicht<br />

nutzbar ist. Seit mehr als hundert Jahren<br />

hat sich der Hintergrund der<br />

Dokumen tation in den wissenschaftlichen<br />

Disziplinen nicht wesentlich verändert.<br />

Die konzeptionellen Ziele des<br />

Strukturierens von Information in modernen<br />

Datenbanken basieren daher<br />

immer noch auf den nahezu gleichen<br />

Konzepten, wie sie in Karteikartenkatalogen<br />

von jeher Anwendung fanden.<br />

Dies negligiert die Tatsache, dass das<br />

digitale Medium wesentlich mehr als<br />

papierbasierte Ordnungssysteme zu<br />

leisten im Stande ist. Diese traditionelle<br />

analoge Praxis der Dokumentation<br />

identifizierte vor allem einfache<br />

Entitäten als Ord nungs ele men te bzw.<br />

Feldnamen in Datenbanken wie „Maler“,<br />

„Sammler“ oder „Autor“.<br />

Modernere Auffassungen der Dokumentation<br />

legen den Fokus aber stärker<br />

auf Prozesse und Ereignisse über<br />

die angesprochenen Entitäten des<br />

„Was, Wer, Wo, Wann“ bzw. „Objekt/<br />

Konzept, Person, Ort, Zeit“, die aktiv<br />

aufeinander bezogen werden können.<br />

Und erst mit dieser Fokussierung auf<br />

Ereignisse in der wissenschaftli chen<br />

Dokumentation lässt sich eine volle<br />

wissenschaftliche Erschließungstiefe<br />

erreichen, die weit über die einfache<br />

Verwaltungsinformation, wie sie in<br />

heutigen Systemen gehalten wird, hinausgeht.<br />

In diesem Sinne ist die Dokumentation<br />

von Prozessen und Ereignissen<br />

eine Grundvoraussetzung<br />

einer transdisziplinären Informationsvernetzung,<br />

wie sie für zukünftige Wissensnetzwerke<br />

oder andere Wissens darstellungsfor<br />

men im Internet benötigt<br />

wird.<br />

Die CIDOC-Arbeitsgruppe „Transdisciplinary<br />

Approaches in Documentation“<br />

bildet ein Forum zur Diskussion<br />

der digitalen Dokumentation<br />

als ein methodisches Ele ment der Forschung.<br />

Aktuelle Fragen sind: Welches<br />

sind die spezifischen Konzepte, wie sie<br />

in Wissenschaftssprachen vorkommen?<br />

Wie können diese spezifischen Konzepte<br />

universell verständlich gemacht<br />

werden? Gibt es Unterschiede in der<br />

methodologischen Struktur archäologischer<br />

und biologischer Klassifikation<br />

(Typologie)? Wie lässt sich disziplinbezogenes<br />

Wissen domänenneutral<br />

darstellen?<br />

Ein erstes Projekt in dieser Richtung,<br />

das mit Unterstützung der Deutschen<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Möglicher Datenfluss zwischen unterschiedlichen Arten CRM kompatibler Systeme und Daten<br />

struk turen<br />

Forschungsgemeinschaft gestartet<br />

wurde, bildet das sogenannte Wiss-<br />

KI-Projekt. WissKI steht darin als<br />

Akronym für Wissenschaftliche Kommu<br />

ni ka tions infra struk tur.<br />

Weitere Informationen:<br />

Dr. Siegfried Krause, Chair;<br />

s.krause@gnm.de<br />

Prof. Dr. Günther Görz, Co-Chair;<br />

goerz@informatik.uni-erlangen.de<br />

WissKi-Projekt: http://wiss-ki.eu<br />

Literatur:<br />

Krause, Siegfried; Karl-Heinz Lampe: Challenges<br />

in museum documen tation for transdisciplinary<br />

information integration. From field<br />

names to events. In: CIDOC Newsletter<br />

01/2009. S. 17–19, http://cidoc.icom.museum/newsletter_01_2009.pdf<br />

(zugegriffen<br />

31.01.<strong>2011</strong>).<br />

Krause, Siegfried; Georg Hohmann, Karl-Heinz<br />

Lampe, Bernhard Schie mann: Wissen vernetzt.<br />

Vom Wandel der Dokumentation in<br />

Museen der Natur- und Kulturgeschichte. In:<br />

Schwerpunkt: Kulturerbe und KI. Bremen:<br />

BöttcherIT-Verlag, 2009, S. 5–11.<br />

Krause, Siegfried; Karl-Heinz Lampe, Martin<br />

Doerr: Definition des CIDOC Conceptual<br />

Re ference Model. Version 5.0.1, autorisiert<br />

durch die CIDOC CRM Special Interest Group<br />

(SIG). Berlin: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, 2010.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 37


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Tagungsberichte<br />

AV<strong>ICOM</strong> – International Committee for Audiovisual<br />

and Image and Sound New Technologies<br />

Technologies Serving Museum<br />

Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />

in Schanghai, China<br />

Andrea Prehn<br />

Das internationale Komitee International Committee for<br />

Audiovisual and Image and Sound New Technologies<br />

(AV<strong>ICOM</strong>) wurde 1991 mit dem Ziel gegründet, Museen<br />

beim Einsatz von Neuen Medien durch Information, Beratung<br />

und Vernetzung zu unterstützen. Die Konferenz von<br />

AV<strong>ICOM</strong> in Schanghai fand unter dem Motto „Medien<br />

im Dienste des Museums“ statt. Marie-Françoise Delval,<br />

Präsidentin von AV<strong>ICOM</strong> von 2004 bis 2010, betonte in<br />

ihrer Eröffnungsrede, dass es hierbei um den „Dienst“ der<br />

Medien in allen Museumsbereichen geht: zur Erhaltung der<br />

Museumsobjekte, zur Erleichterung der allgemeinen, täglichen<br />

Arbeit wie auch für Informations- und Vermittlungsangebote.<br />

Dabei ginge es nicht darum, die Möglichkeiten<br />

der Neuen Medien zu verherrlichen, sondern realistisch<br />

Kritisches und Grenzen zu diskutieren und einen Fokus auf<br />

inhaltliche und technische Qualität zu setzen.<br />

Nach eigenen Angaben hat AV<strong>ICOM</strong> inzwischen rund<br />

fünfhundert Mitglieder aus fünfzig Ländern. Ein solch<br />

buntes Bild zeichnete sich bei der Versammlung in Schanghai<br />

nicht ab. An dem Treffen nahmen ca. siebzig Personen<br />

teil, davon kamen ca. sechzig aus China. Das rege Interesse<br />

der chinesischen Kollegen an dieser Arbeitsgruppe zeigt,<br />

dass mit dem Einsatz moderner Medien und Technologien<br />

große Hoffnungen verbunden werden. Allerdings fehlte<br />

durch die eher nationale Zusammensetzung der Teilnehmer<br />

der internationale Austausch. Nur drei der dreizehn<br />

Beiträge kamen von fran zösischen und kanadischen Kollegen.<br />

Alle übrigen Referenten stammten aus China. Hu<br />

Jiang vom Shanghai Museum stellte in einer Eingangsrede<br />

ausführlich Animationen vor, die im chinesischen Expo-<br />

Pavillon die Darstellung wichtiger Aspekte zur Landes-<br />

und Kulturgeschichte unterstützten. Diese Präsentation<br />

zeigte nebenbei auch, dass Neue Medien nicht nur eingesetzt<br />

werden können, um zu informieren und zu vermitteln,<br />

sondern auch um zu beeindrucken. Leider war dieser<br />

Vortrag einer der wenigen Präsentationen von chinesischer<br />

Seite, der uns mit visuellen und animierten Beispielen<br />

Mul ti mediaanwendungen „vor Augen“ führte. Zudem<br />

blieb die Botschaft der meisten chinesischen Referenten<br />

identisch und ließ sich auf folgende Kernaussagen reduzieren:<br />

Neue Medien sind für Museen in allen Bereichen absolut<br />

wichtig, sowohl für die Digitalisierung der Objekte<br />

wie auch für die Vermittlung. Sehr lange ist diese Bedeutung<br />

in China nicht erkannt worden. Die Zusammenarbeit<br />

der Museen untereinander ist für die Entwicklung und<br />

Standards absolut wichtig und sollte vorangetrieben werden.<br />

Das klang vertraut, wirkte aber auch wie eine Aneinanderreihung<br />

von Allgemeinplätzen. Dass chinesische Mu-<br />

38 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Preisverleihung des Fiamp 2010: Die meisten Preise gingen an chinesische<br />

Medienproduzenten.<br />

seen in Hinblick auf Medienanwendungen durch aus mehr<br />

zu bieten haben, zudem informative, spielerische und unterhaltsame,<br />

davon konnte sich die Autorin vor der Generalkonferenz<br />

bei einer von <strong>ICOM</strong> Europe veranstalteten<br />

Konferenz-Tour mit vielen Museumsbesuchen überzeugen<br />

(s. S. 18).<br />

Die europäischen Referenten waren dagegen freizügiger<br />

mit Anwendungsbeispielen. Die Beiträge stammten von<br />

Jean-Michael Humbert (Abteilung für Kulturerbe- und<br />

Denk malpflege des französischen Kulturministeriums) und<br />

Ghislaine Azemard (Universität Paris). Beide Referenten<br />

stellten mobile Informationssysteme vor. Die tragbaren Minicomputer<br />

– beides unterschiedliche Modelle für verschiedene<br />

Anwendungen – boten Blicke in Vergangenheit und<br />

Zu kunft. Mit ihnen ausgestattet, erschließen sich z. B.<br />

durch die virtuelle Rekonstruktion von nicht mehr vorhandenen<br />

Gebäuden, durch die Zoomfunktionen auf unerreichbare<br />

Deckenmalereien oder Kirchturmspitzen etc. Landschaften<br />

und Stadträume neu.<br />

Die Konferenz wurde außerdem flankiert von dem regelmäßig<br />

von AV<strong>ICOM</strong> ausgerichteten Wettbewerb „Festival<br />

International de l’Audiovisuel et du Multimédia sur le<br />

Patrimoine“ (Fiamp). Fiamp ist eine jährlich stattfindende<br />

Preisverleihung, die gute Medienproduktionen für und von<br />

Museen auszeichnet. Diese Ehrung soll die Museen ermuntern,<br />

sich ein Beispiel zu nehmen und mehr auf die Qualität<br />

ihrer Produktionen zu achten. Gewinner des Fiamp<br />

2010 in Schanghai in allen Kategorien war ein Film über<br />

den I.M.-Pei-Neubau des Suzhou Museums (China). Weitere<br />

Ehrungen gingen an Produktionen mit den Kategorien<br />

Film, Kurzfilm, Homepages, Internetseiten zu Einzelthemen<br />

und Multimediastationen in Museen, wobei die meisten<br />

prämierten Produktionen aus China und Frankreich<br />

stammten.<br />

Auch bei AV<strong>ICOM</strong> wurde mit der Generalkonferenz in<br />

Schanghai turnusgemäß der Vorstand durch Wahlen neu<br />

zusammengesetzt. Neue Präsidentin ist Manon Blanchette<br />

von der Generalverwaltung der Museen Montreals aus Kanada.<br />

Andrea Prehn arbeitet im Referat Kulturstatistik und Besucherforschung<br />

des Instituts für Museumsforschung in Berlin;<br />

a.prehn@smb.spk-berlin.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.unesco.org/webworld/avicom/


CECA – Committee of Education and Cultural Action<br />

Museums for Social Harmony<br />

Jahrestagung vom 8. bis 12. November 2010<br />

in Schanghai, China<br />

Hannelore Dudek<br />

Alle drei Jahre findet die Jahrestagung des internationalen<br />

Komitees CECA innerhalb der Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong><br />

statt. In Schanghai sollen es etwa 220 CECA-Teilnehmer<br />

aus zwanzig Nationen (davon 85 Nichtchinesen) gewesen<br />

sein. Teilnehmerlisten gab es leider nicht, so dass eine gezielte<br />

Kontaktaufnahme schwierig war, da im Programmheft<br />

oft nur Namen, selten Museum, Stadt oder Land oder<br />

Kontaktadressen vermerkt waren. Aus <strong>Deutschland</strong> kamen<br />

– so wenig wie selten zuvor – vier Teilnehmerinnen nach<br />

Schanghai.<br />

Während der Tagung herrschte bei CECA, wie gewohnt,<br />

eine sehr angenehme Atmosphäre. Natürlich waren die Kaffeepausen<br />

der ergiebigste Ort, um Gespräche mit bekannten<br />

Kollegen zu führen oder neue Kontakte zu schließen.<br />

Die Eröffnungsreden am Montag, 8. November, boten<br />

zu nächst eine Übersicht über vielfältige Aspekte der Museen<br />

und der Museumsarbeit in China. Entstehung der Museen<br />

nach 1911, Gliederung der Museen, Fortbildung für<br />

das Personal oder auch die Grundsätze der sozialen Erziehung<br />

wurden erörtert. Wang Fang, die stellvertretende Direktorin<br />

des Museums der westlichen Han-Dynastie, Guangzhou,<br />

stellte zum Beispiel fest, dass es wenig neue Ideen<br />

zur pädagogischen Arbeit in den Museen gäbe, so dass es<br />

notwendig sei, neue Präsentationsformen zu erproben. Dabei<br />

sei es wichtig, Pädagogen von Anfang an in die Arbeit<br />

einzubinden. Ausführungen dieser Art erfreuten natürlich<br />

die CECA-Mitglieder. Doch die Vorstellung eines Spaßraumes<br />

im Museum mit der Möglichkeit der Verkleidung<br />

für Kinder oder auch die Einbeziehung von Cartoons in die<br />

pädagogische Arbeit stieß nicht auf einhellige Zustimmung<br />

der Teilnehmer und führte zur Frage, ob Workshops oder<br />

Cartoons ein guter Weg pädagogischer Arbeit seien.<br />

Daniel Castro Benitez aus Kolumbien setzte sich vor allem<br />

mit der Frage auseinander, ob soziale Harmonie in disharmonischen<br />

Gesellschaften überhaupt möglich sei. Für<br />

ihn war – auch im Museum – der soziale Akt bedeutender<br />

als das Objekt.<br />

Am zweiten Tag ging es immer wieder um die Frage, wie<br />

erzieherisch, harmonisch oder sozial die Projekte der Museen<br />

von den Besuchern angesehen oder empfunden wurden.<br />

Von Richard Lachapelle, Universität Montreal, Canada,<br />

gab es interessante Beispiele zur Frage „Is public art<br />

educational?“. So berichtete er, dass auf einem New Yorker<br />

Platz eine Skulptur von Serra entfernt werden musste,<br />

da sich die Bürger durch diese gestört fühlten, während<br />

eine ebenfalls große Skulptur von Anish Kapoor von Chicagos<br />

Bewohnern so angenommen wurde, dass diese sich<br />

völlig frei auf dem Platz bewegten und dazu auch die Skulptur<br />

durchquerten.<br />

Wie bei jedem CECA-Treffen stand bei allen Beiträgen<br />

the development of museum education and cultural action<br />

im Vordergrund. Dafür hat CECA ein überaus erfolgreiches<br />

Informationsmodell entwickelt, nämlich den market<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Öffentliche Kunstwerke erfüllen nicht immer die Erwartungen des<br />

Publikums, wie Richard Lachapelle an Beispielen erläuterte. „Cloud<br />

Gate“ (Foto) wurde von der Chicagoer Bevölkerung überwiegend<br />

positiv aufgenommen, während „Tilted Arc“ in New York aufgrund<br />

von Anwohnerprotesten entfernt werden musste.<br />

of ideas. In Kurzbeiträgen werden die unterschiedlichsten<br />

Projekte aus aller Welt in Text, Bild und Ton vorgestellt.<br />

Auch in Schanghai war das Interesse des Auditoriums an<br />

diesem Programmteil groß. Da gab es Berichte aus Belgien,<br />

Brasilien, <strong>Deutschland</strong>, Korea, Russland, Schweden oder<br />

auch den USA. So stellte Anna Van Weag aus Brüssel ein<br />

kommunales Fotoausstellungsprojekt unter dem Titel<br />

„Home & Away“ vor, an dem 59 Menschen – fern der<br />

Heimat oder gar gänzlich ohne ein Zuhause – beteiligt<br />

waren. Sie hatten Objekte mitgebracht, die ihnen das Gefühl<br />

einer Privatsphäre vermitteln konnten, um sich damit<br />

fotografieren zu lassen.<br />

Stéphanie Wintzerith wiederum stellte eine Initiative aus<br />

<strong>Deutschland</strong> vor, in der es um die Frage ging, ob Museen<br />

ein Instrument der Integration werden können. Fragen<br />

wur den gestellt, ob Sprachkurse im Museum eine Möglichkeit<br />

zur Integration bilden können oder ob das überhaupt<br />

zu den Aufgaben der Museen gehöre. Einen gänzlich anderen<br />

Bezug zum Kongressthema bot der Beitrag von Myoung<br />

Suk Oh aus Korea. In einem Kinderbilderbuch ging es darum,<br />

dass eine Großmutter vom Tiger gefressen werden<br />

sollte. Doch gemeinsam mit den Kindern wurde im Museum<br />

erarbeitet, wie das denn verhindert werden könnte.<br />

Und nicht vergessen werden soll es auch, dass CECA ab<br />

2010 neue Vorstandsmitglieder hat, zur neuen Präsidentin<br />

wurde Emma Nardi (Italien) gewählt. Vom 16. bis 21. September<br />

<strong>2011</strong> wollen sich die CECA-Mitglieder in Zagreb,<br />

Kroatien, zum Thema „Old Questions – New Answers“<br />

treffen.<br />

Dr. Hannelore Dudek ist in den Bereichen Museumspädagogik und<br />

Projektmanagement tätig; hanna.dudek@t-online.de.<br />

Weitere Informationen<br />

http://ceca.icom.museum<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 39


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CIDOC – International Committee of Documentation<br />

Museums in Intercultural Dialogue –<br />

New Practices in Knowledge Sharing<br />

and Information Integration<br />

Jahrestagung vom 8. bis 10. November <strong>2011</strong><br />

in Schanghai, China<br />

Axel Ermert, Monika Hagedorn-Saupe, Martina Krug, Karin Kühling<br />

Die CIDOC-Jahrestagung 2010 im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-<br />

Generalkonferenz in Schanghai hat wieder ein vielfältiges<br />

Spektrum verschiedener Arbeitsschwerpunkte vorgestellt.<br />

Einführend für das Gastgeberland stellte You Qingqioa<br />

vom Palastmuseum Peking zunächst die Praxis der Dokumentation<br />

in den chinesischen Museen vor. Im Zusammenhang<br />

damit stellte später Zhu Kongqiang, Direktor der<br />

Provinz Schanghai, die zentrale Datenbank für Kulturerbe<br />

in China vor.<br />

Im Anschluss verwies Nicholas Crofts aus Lausanne auf<br />

den Einfluss, den intangible heritage, wie z. B. mündliche<br />

Überlieferungen, für Museen heute weltweit hat und stellte<br />

die Frage, wie die Museen diese nicht-physischen Objek te<br />

künftig intensiver und systematisch dokumentieren können.<br />

Lev Noll vom Puschkinmuseum in Moskau stellte das im<br />

Aufbau befindliche neue Internetportal seines Hauses vor,<br />

das u. a. die verschiedenen Abteilungen zur britischen und<br />

russischen Druckgraphik präsentiert und das für sechs<br />

Sprachen ausgebaut werden soll.<br />

Monika Hagedorn-Saupe informierte über die Online-<br />

Zugänglichkeit von kulturellem Erbe, die über die EU-Projekte<br />

Europeana und Athena sowie zugehörige nationale<br />

Aktivitäten als europaweites Angebot geleistet werden (s.<br />

S. 58).<br />

Günther Goerz (Unversität Erlangen-Nürnberg) berichtete<br />

von der semantischen Annotierung mittelalterlicher Kartografie<br />

am Beispiel des Behaim-Globus von 1492. Dieses<br />

früheste erhaltene Stück aus dem Germanischen Nationalmuseum<br />

zeigt verschiedene, teilweise übereinander gelagerte<br />

Informationsschichten mit Ortsangaben, Illustrationen, Legenden,<br />

die über das CIDOC-CRM-Ontology-Model als<br />

ganzes und in ihrem Zusammenhang erschlossen werden<br />

sollen.<br />

Katri Hirvonen-Nurmi aus Espoo stellte das ethnografische<br />

Helinä-Rautavaara-Museum vor, das eine umfangreiche<br />

Sammlung afro-brasilianischen Kulturgutes besitzt.<br />

Durch die Digitalisierung und Verbreitung über die Museums-Webseite<br />

ist es möglich, weltweit und auch direkt<br />

aus Brasilien Informationen zu den historischen Fotografien<br />

zur Tanz-Kampf-Kunst Capoeira zu erhalten, zu sammeln<br />

und zu bearbeiten.<br />

Hans Rengman aus Schweden berichtete von seinem erfolgreichen<br />

Versuch, verschiedene Museumsobjekt-Datensätze<br />

nach SAMOREG – einem schon seit dreißig Jahren<br />

bestehenden schwedischen De-facto-Datenstandard für Museen<br />

– mit dem neuen Austauschformat LIDO zu mappen.<br />

Karin Kühling vom Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig<br />

zeigte über Briefe von Napoleon und andere autografische<br />

Quellen auf, welche Vorteile für Forschung und Wissenschaft<br />

die digitale Präsentation der Sammlung im Internet<br />

40 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Das Helinä-Rautavaara-Museum macht Objekte seiner Sammlung<br />

wie dieses historische Foto über seine Internetplattform zugänglich<br />

und bietet den Nutzern somit einen interkulturellen Dialog an.<br />

bietet. Der Dialog mit den Nutzern über die Objekte führte<br />

zu einem Wissenszuwachs für das Museum.<br />

Der französische Kollege Vincent Ribauld stellte ein Seminar<br />

vor, das er an seiner Hochschule für Studenten im<br />

naturwissenschaftlichen und technischen Grundstudium<br />

abgehalten hat und für das mit Hilfe des CIDOC-CRM<br />

lernunterstützende Wikis erstellt wurden, die auch die direkte<br />

Kommunikation der Studenten untereinander und<br />

des Hochschullehrers mit ihnen ermöglichen.<br />

Auch diesmal nahm die Arbeit der Arbeitsgruppen einen<br />

wichtigen Raum ein. In Schanghai tagten die Arbeitsgruppen<br />

CRM-SIG, Documentation Standards, Lightweight<br />

Information Documenting Objects (LIDO), Transdisciplinary<br />

Methods and Data sowie Archeaology.<br />

Auf der jährlichen Mitgliederversammlung wurde der<br />

Dreijahresbericht über die gesamte Tätigkeit des Vorstands<br />

während der abgeschlossenen Periode vorgetragen. Den<br />

ausscheidenden Vorstandsmitgliedern Christian Emil Ore<br />

(Präsident), Monika Hagedorn-Saupe (Generalsekretärin),<br />

Maja Sojat-Bikac (Redakteurin), Richard Light (Schatzmeister),<br />

Axel Ermert und Faith Teh Eng Eng wurde gedankt<br />

und der neu gewählte Vorstand vorgestellt. Zu diesem<br />

gehören der Präsident Nicholas Crofts, der Vizpräsident<br />

Hans Rengmann, die Generalsekretärin Regine Stein, der<br />

Schatzmeister Stephen Stead und die Mitglieder Nancy<br />

Asseldonk, Marie-France Cardonna, Walter Koch und Martina<br />

Krug.<br />

Die nächste Jahrestagung findet vom 5. bis 9. September<br />

<strong>2011</strong> in Sibiu, Rumänien, statt. Für 2012 wurde als Tagungsort<br />

Helsinki gewählt.<br />

Eine ganztätige Exkursion führte die CIDOC-Mitglieder,<br />

eingeladen durch das chinesische nationale CIDOC-Komitee,<br />

in das Huzhou-Museum und in die historische Wasserstadt<br />

Nanxun.<br />

Martina Krug, Städtisches Museum Hann. Münden; museum@hann.<br />

muenden.de. Prof. Monika Hagedorn-Saupe, Institut für Museumsforschung,<br />

Berlin; m.hagedorn@smb.spk-berlin.de. Axel Ermert, Institut<br />

für Museumsforschung, Berlin; a.ermert@smb.spk-berlin.de. Karin Kühling,<br />

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig; karin.kuehling@leipzig.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Tagungsprogramm und Abstracts: http://cidoc.meta.se/2010


CIMAM – International Committee for Museums and<br />

Collections of Modern Art<br />

Common Ground for Museums<br />

in a Global Society<br />

Jahrestagung vom 8. bis 11. November 2010<br />

in Schanghai und Peking, China<br />

Angela Lammert<br />

Fungiert das Museum als Theater, wo das Schauspiel der<br />

Kunstgeschichte aufgeführt wird, oder ist es ein Ort für<br />

die „Wissensproduktion“, die mit der akademischen Diskussion<br />

verbunden ist? Gibt es überhaupt einen Unterschied?<br />

Das waren zwei Fragen, die auf der Jahrestagung gestellt<br />

worden sind. Angesichts der Globalisierung der zeitgenössischen<br />

Kunst, der rasanten Erweiterung des Kunstmarktes<br />

mit dem Boom neuer Biennalen von Schanghai bis Dubai<br />

und der Eventkultur in der Ausstellungspraxis muss die Rolle<br />

des Museums in der Gesellschaft neu befragt werden. Das<br />

bedeutet nicht nur den Umbruch der westlich-neuzeitlichen<br />

Kunstkonzeptionen, sondern auch die Notwendigkeit zu<br />

überdenken, ob es eine gemeinsame ethische Basis der unterschiedlichen<br />

Akteure in der internationalen Kunstwelt gibt.<br />

Dieses Diskussionsangebot des Vorbereitungsteams der<br />

Konferenz war ebenso klug gewählt wie die Veranstaltungsorte<br />

Schanghai und Peking. China ist in den letzten<br />

zehn Jahren zu einem festen Akteur auf dem Gebiet der<br />

Ge genwartskunst geworden und kann in seinem Spagat<br />

zwischen prosperierendem Wirtschafts- und Kunstmarkt<br />

auf der einen Seite und einer widersprüchlichen politischen<br />

Verfasstheit auf der anderen Seite ebenso wie in seinem<br />

bizarren Nebeneinander der Extreme als eine ideale Wahl<br />

für diese Diskussion gelten. Gleichzeitig ist China auch<br />

exem plarisch für die Schnelllebigkeit von Trends auf dem<br />

Kunstmarkt. Nicht nur die internationalen Kooperationen<br />

der neu entstandenen Museen, sondern auch die Symbiose<br />

von chinesischen und westlichen Galerien in den neu entstandenen<br />

Galeriezentren – 798 Art Zone und Caochangdi<br />

Art District in Peking und ShangART und ShangART<br />

H-Space in Schanghai – sind besonders herausragende<br />

Bei spiele einer rapiden Veränderung und Neu verteilung<br />

von Entscheidungsstrategien und -struktu ren innerhalb<br />

des globalen Kunstmarktes. Kann man von gemeinsamen<br />

Wer te vorstellungen und -strukturen reden, obwohl die regionalen<br />

und politischen Unterschiede anders gelagerte<br />

Möglichkeiten und Schwierigkeiten produzieren? Wenn es<br />

vergleichbare Wertevorstellungen gibt, welche könnten<br />

das sein oder wie wären diese zu formulieren? Wel che neu<br />

und gemeinsam zu entwickelnden Formen der Zusammenarbeit<br />

können auf dieser Grundlage gefunden werden?<br />

Um sich all diesen Fragen zu nähern, ist Information und<br />

Kenntnis über die unterschiedlichen Bedingungen notwendig.<br />

Dafür war in der Konferenz eine klare Struktur<br />

vorgegeben. Am ersten Tag ging es um die Rolle der Intellektuellen<br />

bei der Entwicklung einer counter hegemony,<br />

um unterschiedliche Formen des Museums als dispositif<br />

in Ost und West, um dialogische Praktiken in der postkolonialen<br />

Welt und um chinesische Museen innerhalb des<br />

eigenen Kontextes. Die Frage stellt sich, ob der Begriff der<br />

Vormachtstellung, auch wenn er politically correct als<br />

counter hegemony beschrieben wird, nicht doch eine Hierarchisierung<br />

der teilnehmenden Länder und Institutionen<br />

widerspiegelt.<br />

Am zweiten Tag wurden Fallstudien aus Taiwan, Polen<br />

und den Philippinen ebenso wie ein Künstlerstatement diskutiert.<br />

Dem schlossen sich Workshops an – eine gute Idee,<br />

das Gespräch zu intensivieren. Das Verhältnis von lokalen<br />

Museumsmodellen und internationalen Normen bzw. von<br />

Publikum, Öffentlichkeit und populärer Kultur spielten<br />

da bei ebenso eine Rolle wie praktische Fragen nach dem<br />

Museumsmanagement, dem Diskurs zwischen Nationalen<br />

und Internationalen wie die grundsätzliche Reflexion über<br />

die Definition der Institution Museum. Bei den Vorträgen<br />

waren theoretische Positionen wie die von Susan Buck-<br />

Morss (New York), die den Begriff der Globalisierung nach<br />

dem Ende des Ost-West-Konflikts zwischen kommunis tischem<br />

Erbe und gegenwärtigen Transformationen diskutierte<br />

neben solche aus der Ausstellungspraxis gestellt, wie<br />

die von Jarosla Suchan (Muzeum Sztuki Lodz/Polen), der<br />

von der These des „Museums als Happening“, als Ort der<br />

Erfahrung ausging.<br />

Neben dem Vortragsprogramm wurden Besuche in den<br />

unterschiedlichen Kunstzentren organisiert. Am frühen<br />

Nach mittag fand die Wahl des CIMAM-Komitees statt. Als<br />

Präsident des CIMAM löste Zdenka Badovinc, Direktorin<br />

der Moderna Galerija in Ljubljana, den Direktor des<br />

Museo Nacional Centre de Arte Reina Sofia in Madrid,<br />

Manuel J. Borja-Villel, ab.<br />

In Peking konnten die Erfahrungen erweitert und vertieft<br />

werden. Der Gang durch die Galerienviertel in beiden<br />

Städten eröffnete einen aufschlussreichen Einblick in die<br />

widersprüchliche Spannung zwischen der sich langsam institutionalisierenden<br />

Aufbruchsstimmung einer neu entstehenden<br />

chinesischen Galerieszene und der „ausländischen<br />

Gier neuer Kunst aus China“, die sich auch in der Präsenz<br />

amerikanischer und europäischer Galeristen zeigt. Die Argumentationslinien<br />

der einzelnen Akteure sagen viel über<br />

die Brisanz des Konferenzthemas aus.<br />

Dr. Angela Lammert leitet an der Akademie der Künste interdisziplinäre<br />

Sonderprojekte der Sektion Bildende Kunst. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten<br />

zählen Ausstellungen, Lehrtätigkeit und eine Gastprofessur<br />

zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts; lammert@adk.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Ein ehemaliges Fabrikgelände im Norden Pekings wandelte sich<br />

zur „Kunstfabrik 798“.<br />

Videodokumentation der CIMAM-Jahrestagung im Shanghai Grand<br />

Theatre: www.cimam.org/meeting/meeting2.php<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 41


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

CIPEG – International Committee for Egyptology<br />

University Museums and Collections<br />

as Recorders of Cultural and Natural<br />

Communities<br />

Erste gemeinsame Tagung von UMAC und CIPEG<br />

und Jahrestagung vom 7. bis 12. November 2010<br />

in Schanghai, China<br />

Gabriele Pieke<br />

Anlässlich der 22. Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong>, die unter<br />

dem Thema „Museums for Social Harmony“ stand, traf<br />

sich auch eine kleine Delegation von CIPEG-Mitgliedern<br />

in Schanghai. Eine inoffizielle Jahrestagung hatte bereits<br />

sehr erfolgreich vom 19. bis 23. August in Montepulciano,<br />

Italien, unter dem Motto „News from Egyptian Collections<br />

and new Egyptian Collections“ stattgefunden. Da es<br />

in China keinerlei nennenswerte altägyptische Sammlungen<br />

gibt, hätten sicherlich nur wenige CIPEG-Mitglieder<br />

den Weg nach Schanghai gefunden und es erschien angeraten,<br />

ein zweites Treffen zu veranstalten. Die Tagung im<br />

Rahmen der Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> war als joint<br />

meeting mit UMAC, dem Internationalen Komitee für Universitätsmuseen<br />

und -sammlungen, angelegt, wobei ein<br />

Groß teil der Organisation dankenswerterweise von UMAC<br />

übernommen wurde. Insgesamt fanden sich an drei Tagen<br />

72 Teilnehmer aus 24 Ländern im Internationalen Konferenzzentrum<br />

auf dem Expo-Gelände zusammen. Das Thema<br />

„University Museums and Collections as Recorders of<br />

Cultural and Natural Communities“ war dabei auch für<br />

die Teilnehmer von CIPEG von Relevanz, da zahlreiche<br />

ägyp tische Sammlungen in einem universitären Kontext<br />

stehen. Demzufolge konnte diese Kooperation mit wechselseitigen<br />

Vorträgen von Teilnehmern aus beiden Komitees<br />

als extrem bereichernd gelten.<br />

Nach den einführenden Worten der beiden Vorsitzenden<br />

Cornelia Weber, UMAC, und Claire Derriks, CIPEG, sowie<br />

Wu Hong-zhou, dem Präsidenten des Chinese University<br />

Museums Committee (CUMC) wurden vor allem die<br />

Thesen und Erkenntnisse der chinesischen Kollegen mit<br />

großer Spannung erwartet, die bis dato in internationalen<br />

Fachkreisen wenig präsent und demzufolge nahezu unbekannt<br />

waren. Aber auch die Vorträge von Museumskollegen<br />

aus Singapur, Australien oder den Philippinen zu Themen<br />

wie „Reflections on Modern Museology and the Uni ver sity<br />

Museums“, „Access to Collections: Creating a Better Future<br />

Through Social Harmony“ und „Making Relevant University<br />

Museums: Collections and Contemporary Cura torial<br />

Practice in Southeast Asia“ waren von großem Inter esse für<br />

die eigene Arbeit in ägyptischen und sudanarchäo logischen<br />

Sammlungen und zeigten zum Teil ähnliche Alltagsprobleme<br />

und konzeptionelle Fragestellungen, wie sie derzeit<br />

auch in unserem Komitee diskutiert werden. Mit großem<br />

Interesse wurde zudem auch der von UMAC angebotene<br />

Nachmittags-Workshop zu „Strategic Planning“ wahrgenommen.<br />

Ein besonderer Höhepunkt der Tagung war der<br />

Besuch im Museum für Traditionelle Chinesische Medizin<br />

an der Universität von Schanghai, das neben einer Führung<br />

42 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Die Teilnehmer der gemeinsamen Tagung von UMAC und CIPEC besuchten<br />

das Museum für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) der<br />

Shanghai TCM University.<br />

durch die Dauerausstellung sowie dem zugehörigen Garten<br />

mit Heilpflanzen auch ein gemeinsames Abendessen mit den<br />

chinesischen Museumskollegen beinhaltete und Gelegenheit<br />

zum informellen Austausch bot.<br />

Neben der ausgesprochen befruchtenden gemeinsamen<br />

Tagung mit UMAC waren für CIPEG, einem der eher kleinen<br />

internationalen Komitees, zudem die Wahlen für das<br />

Executive Council von Bedeutung. Erfreulicherweise wurden<br />

mit Regine Schulz und Ossama Abdel Meguid zwei<br />

langjährige Entscheidungsträger von CIPEG in dieses wichtige<br />

Gremium von <strong>ICOM</strong> gewählt. Zudem wurde die von<br />

unserem Komitee eingebrachte Resolution zur Stärkung einer<br />

kunsthistorischen und archäologischen Lehre an Universitäten<br />

von der Generalversammlung angenommen.<br />

Die se schien CIPEG aufgrund einer allzu häufig fehlenden<br />

objektkundlichen Grundausbildung von Bedeutung, die in<br />

vielen Fächern ein zunehmendes Problem darstellt, da es<br />

den Sammlungen mittlerweile an qualifiziert ausgebildetem<br />

Museumsnachwuchs ermangelt.<br />

Ingesamt bot die Tagung in Kooperation mit dem Fachkomitee<br />

der Universitätsmuseen wie aber auch die Generalkonferenz<br />

die Möglichkeit, den fachlichen Austausch auf<br />

internationaler Ebene zu vertiefen und über Ausstellungskonzepte,<br />

Präsentationsformen und auch moderne Vermittlungsansätze<br />

für wissenschaftliche Forschungsinhalte ins<br />

Gespräch zu kommen.<br />

Dr. Gabriele Pieke ist seit 2007 Generalsekretärin von CIPEG und derzeit<br />

als Kuratorin der Staatlichen Museen zu Berlin für ein Sonderausstellungsprojekt<br />

des Excellence Clusters „TOPOI – The Formation and<br />

Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations” verantwortlich;<br />

gabriele.pieke@topoi.org.<br />

Weitere Informationen:<br />

http://cipeg.icom.museum<br />

Jahrestagung <strong>2011</strong>: 1. bis 4. September <strong>2011</strong> in Poznan, Polen, unter<br />

dem Titel: „The Ethics of Collecting“


COSTUME – International Committee for Museums<br />

and Collections of Costume<br />

Chinese Costume:<br />

Material, Technology and Fashion<br />

Jahrestagung vom 7. bis 12. November 2010<br />

in Schanghai, China<br />

Karin Thönnissen, Brigitte Herrbach-Schmidt<br />

Die erste Sitzung des <strong>ICOM</strong>-Costume-Komitee fand gleich<br />

nach der Eröffnung der Generalversammlung auf dem Expo-Gelände<br />

statt, wo wir vom Textilkomitee der Chinesischen<br />

Museumsgesellschaft begrüßt wurden. Noch gibt<br />

es keine chinesischen Mitglieder unseres Komitees, daher<br />

hatte die chinesische Regierung Frau Yang Yuan vom Chinese<br />

Museum of Women and Children als Ansprechpartnerin<br />

bestimmt.<br />

Die Jahresversammlung begann mit dem Trienniumsbericht<br />

der Präsidentin. Die Wahl hatte im Vorfeld schriftlich<br />

stattgefunden, dabei wurden Präsidentin (Johansen,<br />

Dänemark), Generalsekretärin (Berger, USA) und Schatzmeisterin<br />

(Herrbach-Schmidt, <strong>Deutschland</strong>) bestätigt. Das<br />

bedeutet einen großen Vertrauensbeweis, aber auch: Das<br />

Bemühen um Nachwuchs muss intensiviert werden. Das<br />

<strong>ICOM</strong>-Costume-Komitee hat zurzeit 259 Mitglieder aus<br />

zwanzig Ländern. Katia Johansen hob hervor, dass bisher<br />

die Vorträge der Tagungen publiziert werden konnten, auch<br />

die der Tagung in München im September 2010. Das wichtige<br />

Ziel in den nächsten Jahren sei die Vermittlung des<br />

„Kostümwissens“ auf allen Ebenen. Es folgten Vorträge<br />

chinesischer Kollegen, am eindrücklichsten der von Zhao<br />

Feng (Leiter des China National Silk Museum) über Ausgrabungen<br />

in Dunhuang, Yingpan, Turfan, Alar und Munchaktepa.<br />

Er schlug vor, textiles from the silk road gemeinsam<br />

mit den Kollegen aus Europa, Zentralasien und Nordwest-<br />

China zu erforschen. Mit der chinesischen Modefirma „Exception“<br />

wurde faszinierendes zeitgenössisches Modedesign<br />

vorgestellt.<br />

Am Abend und am folgenden Tag waren beide Costume-Gruppen<br />

Gäste der Metersbonwe-Gesellschaft, einer<br />

bis her nur auf dem chinesischen Binnenmarkt tätigen Firma<br />

für Sportbekleidung. Ihr Gründer hat in wenigen Jahren<br />

eine Sammlung historischer chinesischer Kostüme zusammengetragen,<br />

die im eigenen Museumsgebäude auf dem<br />

Firmengelände gezeigt wird. Ein Teil der vierzig angemeldeten<br />

chinesischen Kollegen hatten zwar nicht kommen<br />

können, aber mit den fünfzehn <strong>ICOM</strong>-Mitgliedern war der<br />

Seminarraum gut gefüllt bei den Vorträgen zu „Chinese<br />

Costume – Material, Technology and Fashion“. Obwohl<br />

die Zeit leider zu knapp war, um alle geplanten Vorträge<br />

zu hören, erhielten wir dennoch einen guten Einblick in<br />

die aktuelle Forschung, u. a. durch die Beiträge „Drachengewänder<br />

der Yongzheng Zeit“ und „Gu-Stickerei der Ming<br />

Dynasty“. Interessant waren gerade für die amerikani schen<br />

Kolleginnen die Vorträge zu schamanischer Kleidung (z. T.<br />

mit Originalen), die deutliche Parallelen zu nordamerikanischer<br />

indianischer Symbolik aufweist. Unsere „westlichen“<br />

Vorträge konzentrierten sich darauf, chinesische<br />

Stücke in den jeweiligen Museen vorzustellen.<br />

Kurzfristig konnte ein Besuch des Shanghai Museum of<br />

Textiles and Costume arrangiert werden. Jillian Li empfing<br />

uns sehr herzlich und führte kompetent durch ihr Museum,<br />

in dem neben Hofgewändern und Kleidung ethnischer<br />

Minderheiten auch Alltagkleidung gesammelt und ausgestellt<br />

wird. Der Nachmittag galt dem Shanghai Museum,<br />

dessen Textilabteilung vor allem Kostüme ethnischer Minderheiten<br />

präsentiert, die überwiegend erst in jüngerer Zeit<br />

zusammengetragen wurde.<br />

Den Donnerstag verbrachten wir im China National Silk<br />

Museum in Hangzhou, das seit einigen Jahren von der Provinz<br />

und der Seidenindustrie getragen wird. Die fünftausendjährige<br />

Geschichte der Seidenproduktion, die Entwicklung<br />

vom Ei zum Seidenfaden und die unterschiedlichen<br />

Gewebe (Bindungsarten) sind didaktisch vorbildlich dargestellt.<br />

Die Kostümsammlung und die Exponate aus der<br />

Zeit der Liao-Dynastie beeindruckten gleichermaßen. Die<br />

für uns aus den Depots geholten Stücke ließen den Wunsch<br />

wachsen, noch einmal wiederzukommen. Die Forschung<br />

am Museum erlaubte die Rekonstruktion von verschiedenen<br />

Webstühlen, wir sahen gleichsam die Geschichte der<br />

Webstühle und erlebten bei den Zugwebstühlen den Zugjungen<br />

oben im Stuhl. Die Färberei hat ein eigenes Gebäude<br />

und für die Restauratorenausbildung wird in Kürze ein<br />

weiteres errichtet werden. Eine kurze Fahrt zum berühmten<br />

West Lake beschloss Tag und Tagung. Fortsetzung folgt<br />

– vom 25. bis 30. September <strong>2011</strong> im Ethnographischen<br />

Museum in Belgrad, unter dem Titel „In Between – Cultures<br />

of dress between the East and the West“.<br />

Dr. Karin Thönnissen ist als Kuratorin am Städtischen Museum Wesel<br />

tätig. Sie konzentriert sich auf die Textil- und Modegeschichte;<br />

kthoennissen@web.de.<br />

Dr. Brigitte Herrbach-Schmidt, Konservatorin am Badischen Landesmuseum,<br />

arbeitet vor allem in den Bereichen Skulptur und Textil. Sie<br />

ist Schatzmeisterin des <strong>ICOM</strong>-Costume-Komitee;<br />

b.herrbach-schmidt@landesmuseum.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Im Nationalen chinesischen Seidenmuseum wird die Behandlung<br />

von Seidenraupenkokons demonstriert.<br />

www.costume-committee.org<br />

Jahrestagung <strong>2011</strong>: www.etnografskimuzej.rs/icom01e.htm<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 43


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

GLASS – International Committee for Museums and<br />

Collections of Glass<br />

From Silk Road to Container Ship:<br />

Artefacts, Environment and Cultural<br />

Transfer<br />

Gemeinsame Tagung von DEMHIST, GLASS, ICDAD und<br />

ICFA in Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> China<br />

am 9. November 2010 in Schanghai, China<br />

Clementine Schack von Wittenau<br />

Erfüllt von den Eindrücken, die wir während der Pre-Conference-Tour<br />

unter anderem nach Yinxu, Luoyang und<br />

Xi’an, den drei Hauptstädten des alten China, und Peking<br />

als Höhepunkt empfangen hatten, kamen wir am 6. November<br />

abends in Schanghai an. Auf dem festlichen Empfang<br />

am nächsten Tag mit etwa 3600 Tagungsteilnehmern<br />

stellte sich heraus, dass von den <strong>ICOM</strong>-Mitgliedern des<br />

Glass-Komitees nur fünf angereist waren: Paloma Pastor<br />

(Präsidentin), Simona Violeta Gheorghe aus Bukarest, Milan<br />

Hlaveš aus Prag (beide Vorstandsmitglieder) sowie<br />

Vesna Delic Gozze aus Dubrovnik und die Autorin dieses<br />

Berichts.<br />

Am frühen Montagnachmittag, dem 8. November, fand<br />

die erste Sitzung des Glass-Komitees statt. Wir lernten vor<br />

allem Professor Zhuang Xiaowei, den Leiter des Glasstudios<br />

an der Universität von Schanghai und Direktor des<br />

gerade neu errichteten Shanghai Museum of Glass kennen,<br />

auf den ich besonders gespannt war, da wir bereits per E-<br />

Mail korrespondiert hatten. Paloma Pastor berichtete vor<br />

allem vom Fortgang der Planungen der Jahrestagung <strong>2011</strong>,<br />

die entgegen der ursprünglichen Absicht nicht in den USA,<br />

sondern in Barcelona, Peralada und Almería abgehalten<br />

werden solle. Der Grund für die Änderung sei, dass in den<br />

USA 2012 das 50-jährige Jubiläum der amerikanischen Studioglasbewegung<br />

mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert<br />

würde, in die sich unsere Jahrestagung mit Besuchen von<br />

Corning und Toledo, Ohio, einbinden ließen.<br />

Die gemeinsame Tagung von DEMHIST, GLASS, ICDAD<br />

und ICFA am 9. November stand unter dem übergreifenden<br />

Thema „From Silk Road to Container Ship: Artefacts,<br />

Environment and Cultural Transfer“ und war zusammen<br />

mit <strong>ICOM</strong> China gewissenhaft vorbereitet. So lagen die<br />

einzelnen Vorträge jedem Zuhörer in gedruckter Broschürenform<br />

auf Chinesisch und Englisch vor. Ich war besonders<br />

neugierig auf den Beitrag von Zhuang Xiaowei, der<br />

uns auf die Besichtigung des Glasmuseums in statu nascendi<br />

einstimmte. In seiner Rede (die erheblich von dem Manuskript<br />

der Broschüre abwich) hob er gleich zu Anfang hervor,<br />

dass sie nicht ein museum of seeing history einrichteten,<br />

vielmehr spiegelte dieses nur einen Teil der Geschichte des<br />

Glases wider. Sie versuchten, darin eine neue Haltung einzunehmen,<br />

„a multi-cultural attitude“. … „There will be<br />

no end of criss-cross relations between nations.“<br />

Einen weiteren Beitrag zum Thema Glas steuerte Paloma<br />

Pastor unter dem Titel „A Preliminary Approach to the<br />

Study of Chinoiserie Glass in Europe in the 16th and 19th<br />

Centuries“ bei. Sie führte darin unter anderem aus, dass Ar-<br />

44 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Glasmuseum in Schanghai<br />

chivalien im Vatikan zufolge in der Qing-Dynastie enge Beziehungen<br />

zwischen dem kaiserlichen Hof und Venedig bestanden<br />

hätten, was in westlichen Fachkreisen nicht allgemein<br />

bekannt sein dürfte. So sei der Kangxi-Kaiser (1654–1722)<br />

von dem venezianischen cristallo derart fasziniert gewesen,<br />

dass er 1680 anordnete, in der Verbotenen Stadt eine Kaiserliche<br />

Glasfabrik zu betreiben. Milan Hlaveš arbeitete<br />

in seinem Koreferat die Einflüsse der Chinoiserie auf die<br />

böhmische Glasproduktion im 18. und 19. Jahrhundert<br />

noch weiter aus.<br />

Am Nachmittag des 10. November stand nun endlich der<br />

Besuch des Shanghai Museum of Glass an, das im April<br />

oder Mai eröffnet werden soll und damit das einzige Museum<br />

dieser Art in ganz China sein wird. Es liegt vor den<br />

Toren der Zwanzig-Millionen-Stadt inmitten einer Industriegegend,<br />

die sich in ein paar Jahren in eine grüne Oase<br />

verwandeln soll. Das Museum zieht in eine aufgelassene<br />

Glasfabrik ein und wird über ca. 3750 qm Ausstellungsfläche<br />

verfügen. In den ehemaligen Werkhallen wird die Geschichte<br />

des Glases und dessen Technologie in China und<br />

der westlichen Welt dargestellt, außerdem wird es Künstlerateliers,<br />

Vorführwerkstätten, glastechnische Versuchslabors,<br />

eine Bibliothek, einen Museumsshop, Restau rant<br />

und Café geben. Zur Hauptattraktion wird der „Kaleidoskop-Eingang“<br />

werden, eine Art Audiovision zum Thema<br />

„Glas und das Leben der Menschen“.<br />

Dr. Clementine Schack von Wittenau leitete von 1990 bis 2009 die<br />

Abteilung Kunsthandwerk und Glas in den Kunstsammlungen der<br />

Veste Coburg. Seit September 2009 ist sie im Ruhestand;<br />

cschackvw@gmail.com.<br />

Weitere Informationen:<br />

Die Jahrestagung <strong>2011</strong> findet vom 30. Mai bis 4. Juni <strong>2011</strong> unter dem<br />

Titel „Glass Collections of Spain“ in Barcelona und La Granja statt.<br />

Programm: http://network.icom.museum/glass.html.


ICDAD – International Committee of Decorative Arts<br />

and Design<br />

From Silk Road to Container Ship:<br />

Artefacts, Environment and Cultural<br />

Transfer<br />

Gemeinsame Tagung von DEMHIST, GLASS, ICDAD und<br />

ICFA in Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> China<br />

am 9. November 2010 in Schanghai, China<br />

Wolfgang Schepers<br />

Nach der sehr theatralischen Eröffnungszeremonie am<br />

7. November mit Ballett, Trommel-Wirbel, Reden und anschließendem<br />

Gala-Diner folgten am nächsten Tag das Plenum<br />

und am Nachmittag die separaten Veranstaltungen<br />

der einzelnen internationalen Komitees.<br />

Für ICDAD hatten sich nach meinen Unterlagen 54 chine<br />

sische Kollegen aus den großen Städten angemeldet,<br />

wäh rend man die Kollegen aus oversea an zwei Händen<br />

abzäh len konnte. Als Vertreter des Präsidenten von ICDAD<br />

hat te ich zu begrüßen, zu danken und im Wesentlichen auf<br />

dem Podium zu repräsentieren. Der Hauptakteur war Zhao<br />

Chungui, der einen simultan ins Englische übersetzten<br />

Vortrag zu Gestaltungsfragen von Ausstellungen und Museen<br />

hielt. Beim Blick in das Auditorium hatte man den Eindruck,<br />

dass viele seiner Studenten oder ehemaligen Schüler<br />

anwesend waren – die man jedoch am nächsten Tag bei<br />

unserer gemeinsamen Tagung dann nicht mehr traf. Der<br />

sehr lange Vortrag zeigte, dass man inzwischen einen internationalen<br />

Standard in Bezug auf die Vermittlung durch<br />

didaktische Mittel wie Szenographien, Einsatz von Schrift<br />

und Bild sowie neuer Medien in den Museen weltweit gefunden<br />

hat.<br />

Unsere eigentliche Veranstaltung aber war die gemeinsame<br />

Tagung der vier internationalen Komitees, die – soweit<br />

ich mich erinnere – erstmalig gemeinsam tagten. Eigentlich<br />

aus der „Not“ geboren – denn separate Veran stal tungen<br />

der einzelnen Komitees wären wegen der zu erwartenden<br />

geringen Teilnehmerzahl wenig sinnvoll gewesen –,<br />

erwies sich die gemeinsame Veranstaltung als ausgesprochen<br />

fruchtbar. ICDAD hatte zuvor im September 2010<br />

eine eigene Tagung in den Niederlanden durchgeführt.<br />

Unsere gemeinsame Tagung spannte den Bogen vom chinesischen<br />

Export-Porzellan über die Chinoiserie-Mode in<br />

Glas und Porzellan, die Skulpturen am Hafen von Schanghai<br />

zwischen 1860 und 1945 sowie das im Aufbau befindliche<br />

Glas-Museum in Schanghai bis hin zum Baba Hause<br />

in Singapur und „Emperor Bao Dai’s Residence at Dalat in<br />

Vietnam“.<br />

Wenig bekannt zu sein scheint mir, dass – im Gegensatz<br />

zum allseits bekannten Einfluss der Chinoiserie-Mode<br />

im 18. Jahrhundert – schon lange Zeit davor genau<br />

das Umgekehrte passierte, dass nämlich vom 7. bis zum<br />

14. Jahrhundert christliche Einflüsse in China festzustellen<br />

sind. Rui Oliviera Lopes vom Research Centre of Sciences<br />

of Art and Heritage – Francisca de Holanda, Faculty<br />

of Fine Arts, University of Lisbon, konnte dies u. a. durch<br />

chinesische Darstellungen in der Tradition des Bildtypus<br />

Maria mit dem Kinde eindrucksvoll auch bildlich belegen.<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Zweifellos besonders provokant waren Johannes Wieningers<br />

(Leiter Asien-Sammlung am Österreichischen Museum<br />

für angewandte Kunst/Gegenwartskunst, MAK)<br />

Thesen zu einem „Ideal Museum: World Culture or Boundaryless<br />

World Culture“. Er forderte, die Zeugnisse der<br />

materiellen Kultur sowohl außereuropäischer als auch<br />

europäischer Länder gleichwertig nebeneinander zu stellen<br />

und somit ein Museum der Weltkulturen zu schaffen.<br />

Dazu müssten die europäischen Museen nur ihre Magazine<br />

öffnen und bis her nur selten oder gar nicht gezeigte<br />

Artefakte zu ei nem Museum mit den außereuropäischen<br />

Objekten zusam menführen. Meiner Meinung nach wird damit<br />

aber einer Relativierung das Wort geredet, die die jeweiligen<br />

gesellschaftlichen, historischen und kulturgeschichtlichen<br />

Deter minanten nicht ausreichend berücksichtigt.<br />

Weitere Fragen schließen sich an:<br />

Wie kann die Repräsentativität einer derartigen Auswahl<br />

gewährleistet werden? Wer trifft die Auswahl der relevanten<br />

Exponate? Inwieweit sind Drittländer an einer<br />

solchen Auswahl von Ausstellungsstücken beteiligt? Wie<br />

kann man vermeiden, dass in einer solchen Auswahl nicht<br />

doch der eurozentrische Blick maßgebend wird usw.? Schade,<br />

dass man darüber in Schanghai nicht ausreichend intensiv<br />

diskutiert hat.<br />

Hervorheben möchte ich des Weiteren den einzigen chinesischen<br />

Beitrag, dargeboten von Zhuang Xiaowei, dem<br />

Direktor des Shanghai Museum of Glass, der eingangs<br />

feststellte, in Europa käme auf 200.000 Einwohner ein<br />

Mu seum. Daraus abgeleitet habe dass Shanghai Municipal<br />

Government 2005 beschlossen, in dieser Stadt mit rund<br />

zwanzig Millionen Einwohnern hundert(!) öffentliche Museen<br />

zu gründen bzw. zu bauen. Sein Glas-Museum sei<br />

eines davon. Im Laufe des Vortrages wurde klar, dass man<br />

in diesem Falle einen Glaskünstler mit dem Aufbau des<br />

Museums beauftragt hatte. Nicht der ausgebildete (Kunst-)<br />

Historiker, sondern der praktizierende „Glaskünstler“ entscheidet<br />

also darüber, was in ein solches Museum aufgenommen<br />

wird und was nicht – ein Ansatz, der hierzulande un üblich,<br />

aber dennoch nicht weniger überlegenswert erscheint.<br />

Am folgenden Tag standen gemeinsame Besuche mehrerer<br />

Museen in Schanghai auf dem Plan, woran sich der Berichterstatter<br />

aufgrund beruflicher Verpflichtungen in der<br />

Heimat leider nicht mehr beteiligen konnte. Gleichwohl<br />

reis ten wir mit vielen Denkanstößen und wertvollen internationalen<br />

Kontakten wieder ab, u. a. mit der Option, die<br />

ICDAD-Jahrestagung <strong>2011</strong> in Moskau abzuhalten, und<br />

der Überlegung, auch in Zukunft gemeinsame Tagungen,<br />

insbesondere mit den internationalen Komitees GLASS und<br />

DEMHIST, zu veranstalten.<br />

Dr. Wolfgang Schepers leitet das Museum August Kestner in Hannover.<br />

Er ist Mitglied des ICDAD-Vorstandes;<br />

wolfgang.schepers@hannover-stadt.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Programm und Abstracts: www.icom-icdad.com<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 45


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICEE – International Committee for Exhibition and<br />

Exchange<br />

Museums for Social Harmony<br />

Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />

in Schanghai, China<br />

Karl-Heinz Ziessow<br />

Der zum Abschluss der <strong>ICOM</strong>-Weltkonferenz am sechsten<br />

Konferenztag an alle Teilnehmer überreichte Bildband war<br />

nur die symbolische Krönung eines in allem perfekt organisierten<br />

globalen Events: Hier fand sich schon gedruckt<br />

und abgebildet, was eben noch Wirklichkeit gewesen schien<br />

– ein Austausch von Experten, in dem es eine Woche lang<br />

um das Museum in allen seinen Schattierungen und in allen<br />

seinen Aspekten gegangen war. Der Konferenztitel Museums<br />

for Social Harmony lenkte den Blick aller Komitees<br />

vor allem auch auf die Rolle von Museen als Orten der Auseinandersetzung<br />

und des Dialogs in und zwischen den Gesellschaften,<br />

deren kulturelles Erbe sie zur Anschauung<br />

bringen und zur Diskussion stellen.<br />

Einer bereits in Seoul 2003 begründeten Tradition folgend,<br />

nutzte ICEE auch die Konferenz in Schanghai zur<br />

Begegnung und zum intensiven Austausch mit einem anderen<br />

der internationalen Komitees, in diesem Jahr mit ICME,<br />

dem Komitee für ethnographische Museen und Sammlungen.<br />

Annette Rein aus Frankfurt hob in ihrem einführenden<br />

Statement zur gemeinsamen Sitzung unter dem Titel<br />

„Defining Categories of Artifacts“ vor allem hervor, dass<br />

sich mit dem Austausch von Objek ten nicht nur Artefakte<br />

in unterschiedlichen kulturellen Zu sammenhängen begegnen,<br />

sondern vor allem der Austausch zwischen Wissenssystemen<br />

und Verständnisweisen organi siert wird. Ausdrucksvoll<br />

und bildreich wie stets unterstrich Amareswar Galla<br />

diese Erfahrung aus seiner eigenen biografischen Perspektive<br />

am Beispiel der Krishna-Figuren, hinter denen er als<br />

Kind spielte, und denen er später im Metropolitan Museum<br />

in New York als Objekt der Bewunderung und im British<br />

Museum als Arbeitsobjekt wiederbegegnete – Sinnbilder<br />

jenes Gestaltwandels, den auch der Austausch von Artefakten<br />

und Ausstellungen fortwährend initiiert und reflektiert,<br />

vor allem wenn er in internationalen Kontexten operiert.<br />

Die zweite Sektion des Konferenztages beschäftigte sich<br />

unter der Leitung von Anne Cathérine Hauglustaine mit<br />

der Bedeutungsproduktion in Ausstellungen („Meaning as<br />

a Function of Display“). Während Marie-Paule Jungblut<br />

vom Historischen Museum der Stadt Luxemburg darstellte,<br />

wie eine Ausstellung zu „Mord und Totschlag“ dort an die<br />

Grenzen auch der eigenen moralischen Vorstellungen der<br />

Besucher ging, führte Philippe Guillet vom Naturhistorischen<br />

Museum Orléans jene Wandlungen vor Augen, denen<br />

die Interpretation und Präsentation natürlicher Artefakte<br />

durch globale ökologische Fragestellungen unterliegt.<br />

Der seit einigen Jahren von Carina Jaatinen aus dem finnischen<br />

Espoo organisierte und moderierte „Marketplace<br />

of Exhibitions and Ideas“, sicherlich eine Besonderheit<br />

dieses auf Austausch fokussierten Komitees, fand auch in<br />

Schanghai einen fast kaum noch zu bewältigenden Zuspruch,<br />

nicht zuletzt auch von chinesischen Kollegen, die<br />

46 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

diese Plattform mit ihren häufig sehr kompakten fünfminütigen<br />

Beiträgen nutzten, um neben den in den <strong>ICOM</strong>-Exkursionen<br />

vorrangig besuchten Großstadtmuseen auch die<br />

reichen Schätze der chinesischen Provinzialmuseen und ihre<br />

Angebote, u. a. in Hubei, Guangzhou, Gansu und Liaoning,<br />

zum Ausstellungsaustausch vorzustellen. Bei den übrigen<br />

Präsentationen konnten u. a. Khairuddin Hori und<br />

Géraldine Hebras vom Kunstmuseum Singapur mit einer<br />

Präsentation zu zwei Jahrzehnten zeitgenössischer Kunst<br />

in Südostasien und Patrick Sears vom neu entstandenen<br />

Rubin Museum of Art in New York mit buddhistischen<br />

Kunstwerken aus der Mongolei beeindrucken, während<br />

Linda Lloyd Jones vom Victoria and Albert Museum nicht<br />

zuletzt mit Bildern einer Wanderausstellung zu 350 Jahren<br />

Unterwäsche die Aufmerksamkeit zu fesseln verstand.<br />

Die Fachexkursion am zweiten Konferenztag führte das<br />

Komitee unter der ortskundigen Führung des ICEE-Vorstandsmitglieds<br />

Xiuqin Zhou vom Museum für Archäologie<br />

und Anthropologie der Universität von Pennsylvania zu<br />

drei herausragenden und sehr unterschiedlichen Museen der<br />

Stadt. Am Anfang stand der Besuch im Museum für tradi<br />

tio nelle chinesische Medizin. Die auf dem Gelände der<br />

gleichnamigen Hochschule gelegene, 1938 als erstes chinesisches<br />

Spezialmuseum eingerichtete Einrichtung zeigt Artefakte<br />

aus 4000 Jahren chinesischer Medizingeschichte,<br />

darunter als eines der ältesten Exponate eine Akupunkturnadel<br />

aus der Jungsteinzeit. Die nächste Station der Museumsexkursion<br />

führte in das Haus von Song Ch’ing-ling,<br />

der jungen Frau des 1921 gestorbenen Staatsgründers Sun<br />

Yat-sen, deren weitreichendes Wirken zur Zeit Mao Zedongs<br />

hier eine eher huldigende als kritische Würdigung erfährt.<br />

Am Ende des Exkursionstags schloss sich mit dem<br />

seit 1996 in einem Neubau am Platz des Volkes untergebrachten<br />

Shanghai Museum eine in zehn Galerien gegliederte<br />

überwältigende Präsentation der chinesischen Kunst<br />

und Kultur an.<br />

Am Abschluss der fachlichen Diskussionen standen wie<br />

üblich die Vorstandswahlen, aus denen Anne Cathérine<br />

Hauglustaine aus dem Wissenschaftsmuseum Straßburg<br />

als neue ICEE-Präsidentin hervorging, unterstützt von Nicolas<br />

Gauvin vom Kanadischen Zivilisationsmuseum Gatineau<br />

als Generalsekretär, der bereits in der vergangenen<br />

Amtsperiode diese Position versehen hat.<br />

Dr. Karl-Heinz Ziessow, Oberkustos, ist im Museumsdorf Cloppenburg<br />

in den Bereichen Sonderausstellungen, Sammlungsverwaltung,<br />

Internatio nale Kooperation tätig. Von 2001 bis 2007 war er Vorstandsmitglied<br />

von ICEE; ziessow@museumsdorf.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Programm: www.icee.icom.museum


ICLM – International Committee for Literary Museums<br />

Übersetzungen in Literaturmuseen<br />

Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />

in Schanghai, China<br />

Lothar Jordan<br />

Die Jahrestagung des Internationalen Komitees der Literatur-<br />

und Komponistenmuseen (ICLM) fand im Rahmen<br />

der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Schanghai statt. Schwerpunkte<br />

der Tagung waren das Thema „Translations in Literary<br />

and Composer Museums“ und die Begegnung mit<br />

den chinesischen Kolleginnen und Kollegen, die Ende 2009<br />

ein nationales chinesisches Komitee der Literaturmuseen<br />

(CCLM) gegründet haben. Professor Fu Guangming (Nationalmuseum<br />

der modernen chinesischen Literatur, Peking)<br />

entfaltete eindrucksvoll das Panorama der chinesischen Literaturmuseen.<br />

Die Vorträge wurden ergänzt durch Besuche<br />

von Literaturmuseen und literarischen Gedächtnisorten<br />

in Schanghai, insbesondere zum Dichter Lu Xun, aber<br />

auch des Literaturmuseums für die Schriftstellerin Bing<br />

Xin. Das Besuchsprogramm der chinesischen Kollegen war<br />

vielfältig, anregend und gastfreundlich. Die kanonische<br />

Rol le, die der Schriftsteller Lu Xun (1881–1936) für die<br />

Entwicklung der chinesischen Literatur im 20. Jahrhundert<br />

und als linksgerichteter Dichter für die Verbindung von<br />

Literatur und Politik im modernen China bis heute spielt,<br />

wurde deutlich.<br />

ICLM hatte als inhaltlichen Schwerpunkt der Jahrestagung<br />

das Thema „Übersetzungen“ gewählt. Übersetzun gen<br />

sind für den internationalen Austausch von zentraler Bedeutung.<br />

Sie spielen für Literaturmuseen, deren Gegenstände<br />

auf Sprache basieren, eine besonders wichtige Rolle.<br />

So berichtete Galina Alexeeva über Seminare, welche die<br />

Leo-Tolstoi-Museumsdomäne Jasnaja Poljana mit Übersetzerinnen<br />

und Übersetzern des Werkes von Leo Tolstoi<br />

durchgeführt hat. Der Berichterstatter versuchte, die vielfältigen<br />

Rollen, die Übersetzungen in Literaturmuseen spielen,<br />

zu differenzieren. Dazu gehören neben literarischen<br />

Übersetzungen auch Übersetzungen, die sich an Besucher<br />

richten, etwa für den mehrsprachigen Audio-Guide oder<br />

für leicht verständliche Informationen an der Kasse. Die<br />

anschließende Diskussion und Auswertung ergab, dass<br />

dieses Thema im ICLM weiterbearbeitet werden sollte und<br />

über den Kreis der Literaturmuseen hinaus im <strong>ICOM</strong> Bedeutung<br />

haben könnte.<br />

Auf der ICLM-Mitgliederversammlung am 10. November<br />

konnte das Komitee auf eine erfolgreiche Arbeit im letzten<br />

Jahr zurückblicken. Dazu gehörte besonders der Einsatz<br />

für die Stärkung des Internationalen Museumstages <strong>2011</strong>,<br />

dessen Motto „Museum and Memory – Museen, unser Gedächtnis“<br />

ICLM vorgeschlagen hatte. In einem internationalen<br />

Workshop, den das Komitee im September 2010 in<br />

Kooperation mit der Association des Musées de la Grande<br />

Région (AMGR) in Berlin veranstaltet hatte, war es gelungen,<br />

für <strong>ICOM</strong> neben dem UNESCO-Programm „Memory<br />

of the World“ auch die Weltverbände der Archive (ICA),<br />

der Audiovisuellen Archive (CCAAA), der Bibliotheken<br />

(IFLA) und der Denkmalpflege (<strong>ICOM</strong>OS) als Partner des<br />

Internationalen Museumstages <strong>2011</strong> zu gewinnen.<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Am 10. November 2010 fanden Wahlen zum ICLM-<br />

Vorstand für den Zeitraum von <strong>2011</strong> bis 2013 statt. Der<br />

Berichterstatter wurde als Präsident wiedergewählt. Vizepräsidentin<br />

wurde Fredrikke Hegnar von Ubisch (Norwegen),<br />

Generalsekretärin Galina Alexeeva (Russland). Aus<br />

<strong>Deutschland</strong> wurde Bernhard Lauer (Brüder-Grimm-Museum,<br />

Kassel) neu in den Vorstand gewählt.<br />

Die Teilnehmerzahl war deutlich geringer als bei den letzten<br />

Jahrestagungen, die in Europa stattgefunden hatten.<br />

Dafür waren vor allem finanzielle Gründe ausschlaggebend:<br />

Die Konferenz war nicht nur wegen der Reisekosten,<br />

sondern auch aufgrund der weiteren Kosten recht teuer.<br />

Die Sicherheitsmaßnahmen waren exorbitant, gelegentlich<br />

kam es zu Beeinträchtigungen der Teilnahme. Das World<br />

Expo Center war eine in jeder Hinsicht exklusive Tagungsstätte.<br />

Unmittelbar im Anschluss an die Mitgliederversammlung<br />

fand eine gemeinsame Sitzung der anwesenden ICLM-<br />

Mitglieder mit CCLM statt. Die Diskussion mit den chinesischen<br />

Kolleginnen und Kollegen war offen. Es bestand<br />

beiderseits Interesse an weiteren Begegnungen und Kooperationen.<br />

Professor Dr. Lothar Jordan ist Präsident von ICLM und Mitglied des<br />

Vorstandes von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; iclm.jordan@gmx.de.<br />

Das Museum als außerschulischer Lernort: Eine Schülergruppe besucht<br />

das Lu-Xun-Museum in Schanghai. Lu Xun gilt in China als der<br />

Begründer der modernen chinesischen Literatur und wird von der<br />

Politik als Kulturheiliger verehrt.<br />

Foto: ICLM<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 47


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICMS – International Committee on Museum Security<br />

Security of the Public and the Cultural<br />

Relics When Moving<br />

Jahrestagung vom 8. bis 10. Oktober 2010<br />

in Schanghai und Hangzhou, China<br />

Hans-Jürgen Harras<br />

29 ICMS-Mitglieder und 93 Kollegen chinesischer Institutionen<br />

nahmen an der Jahrestagung teil, die während der<br />

<strong>ICOM</strong> Generalkonferenz 2010 in Schanghai stattfand. Die<br />

Vorbereitung der Tagung ist den chinesischen Kollegen außerordentlich<br />

gut gelungen, z. B. lagen den Teilnehmern al le<br />

Redebeiträge vorab in Form eines Tagungsbandes auf Chinesisch<br />

und Englisch vor. Dies erleichterte die Verständigung<br />

enorm. Da die chinesischen Kontaktpartner, die mit<br />

der Durchführung der ICMS-Jahrestagung 2010 betraut<br />

wa ren, bereits an den ICMS-Tagungen 2008 und 2009 teilgenommen<br />

hatten, konnten sie nun von den zahlreich gesammelten<br />

Erfahrungen profitierten.<br />

Im Fokus der Vorträge stand die Sicherheitssituation in<br />

den chinesischen Museen. Hierzu gab es eine Reihe von<br />

Prä sentationen, die eine gegenüber den europäischen und<br />

amerikanischen Museen abweichende Herangehensweise<br />

in China zeigten. Die chinesischen Kollegen formulierten<br />

für ihre Sicherheitsmaßnahmen eine Reihe von Prinzipien,<br />

die dem Motto folgen „Visitors first, security foremost“.<br />

Dabei geht es besonders darum, Besucher, die in großer<br />

Zahl die Museen aufsuchen, so bequem wie möglich durch<br />

oft ausgedehnte Gebäude und Anlagen zu führen. Hervorzuheben<br />

ist, dass auf chinesischer Seite sehr offen darüber<br />

diskutiert wurde, an welchen Stellen es in den verschiedenen<br />

Museen weiterhin Probleme und unbeantwortete Fragen<br />

gibt. Es wurden somit nicht nur realisierte Lösungen<br />

für Sicherheitsprobleme präsentiert, sondern auch – nach<br />

anfänglichem Zögern – ungelöste Probleme sowie Erfahrun<br />

gen aus dem nicht-asiatischen Raum, die Vorteile, Nachteile<br />

und die unterschiedlichen kulturbedingten Reflexionen<br />

von Sicherheitsmaßnahmen und auch Probleme der<br />

Ef fektivität und Wirtschaftlichkeit offensiv diskutiert.<br />

Am 9. und 10. Oktober fand die Jahrestagung außerhalb<br />

Schanghais, in Hangzhou, in der Provinz Zhejiang statt.<br />

Dort besichtigten wir unter anderem die sicherheitstechni<br />

schen Ausrüstungen des Zhejiang Museum of Natural<br />

History und des Zhejiang Provincial Museum. Auf ICMS-<br />

Seite gab es ein reges Interesse. Die Diskussion ergab, dass<br />

bei der anlagentechnischen Ausrüstung der Museen vieles<br />

übereinstimmt, organisatorische Abläufe aber zum Teil unterschiedlich<br />

geregelt sind, was anderen Hierarchiestrukturen<br />

und einer anderen Personalausstattung geschuldet ist.<br />

Auch das Problem geringer Vergütung bei Sicherheitsdienstleistung<br />

und der Unterbewertung der Relevanz von Ausbildung<br />

in China trat in der Diskussion offen zu Tage. Uns<br />

fiel zum Beispiel positiv auf, dass sich die Mitarbeiter der<br />

Sicherheitsbereiche, sowohl in internen Bereichen wie auch<br />

in den Ausstellungsräumen, äußerst diszipliniert verhiel ten.<br />

Der Jahresbericht des ICMS wurde vom aus dieser Funktion<br />

ausscheidenden Vorsitzenden Hans-Jürgen Harras vorgestellt:<br />

Die Arbeit des ICMS konnte auch im vergangenen<br />

48 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Fachgespräch in der Sicherheitszentrale des Zhejiang Provincial<br />

Mu seum, v.l.n.r: Chen Wei, Michael Hansen, Michael John, Hanna<br />

Pennock sowie drei Sicherheitsmitarbeiter des Museums<br />

Jahr kontinuierlich weitergeführt werden. Die Arbeitsgruppe<br />

zur Erstellung eines Handbook for Museums Emergency<br />

Situations stellte in Aussicht, das Handbuch zum Ende<br />

des Jahres als online verfügbare Publikation in Englisch,<br />

Französisch und Spanisch fertig zu stellen. Ebenso gab es<br />

Weiterentwicklungen für das Online­Vocabulary of Museum<br />

Security Terms. Weitere Fachbegriffe wurden hinzugefügt<br />

und Finnisch als neue Sprache ergänzt. ICMS bemühte<br />

sich erfolgreich um Spenden und Sponsorenmittel<br />

und erreichte dadurch eine ausgewogene finanzielle Basis,<br />

die für die Projektarbeit sehr förderlich ist. ICMS konnte<br />

für 2010 wiederum ein Stipendium für Südafrika vergeben.<br />

Im Rahmen der Wahlen zum Vorstand für das nächste<br />

Triennium wurden Willem Hekman aus den Niederlanden<br />

zum neuen Vorsitzenden und Irina Kuznetsova aus Russland<br />

zum Sekretär gewählt. Aus den Reihen der deutschen<br />

Mitglieder wurden Michael John und weitere Kollegen zu<br />

Vorstandsmitgliedern gewählt. Um im Hinblick auf die<br />

Beteiligungsmöglichkeiten eine Balance zwischen den verschiedenen<br />

Kontinenten herzustellen, wurde Tian Kai aus<br />

dem Henan-Museum in China kooptiert, was die chinesische<br />

Seite außerordentlich begrüßte und mehrere Mitgliedsanträge<br />

zur Aufnahme in ICMS zur Folge hatte.<br />

Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Harras ist Leiter des Referates Sicherheit der<br />

Staatlichen Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und<br />

war bis 2010 Präsident des ICMS; h.j.harras@smb.spk-berlin.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Die Jahrestagung <strong>2011</strong> wird vom 2. bis 8. Oktober <strong>2011</strong> in Split, Kroatien,<br />

stattfinden, Tagungsprogramm unter www.icom-icms.org. Für<br />

die Teilnahme von Mitgliedern aus Entwicklungsländern stehen<br />

wieder zwei Stipendien bis je maximal 1.000 Euro zur Verfügung. Auf<br />

Grund negativer Erfahrungen aus vergangenen Jahren wurde für<br />

die Vergabe ein spezieller Antragsbogen entwickelt, der unter www.<br />

icom-icms.org verfügbar ist.


ICOFOM – International Committee for Museology<br />

A New Global Ethics on Deaccessioning<br />

and Return of Cultural Heritage<br />

33. Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />

in Schanghai, China<br />

Hildegard K. Vieregg<br />

Die 33. ICOFOM-Jahrestagung hatte zum Ziel, das Thema<br />

„A New Global Ethics on Deacessioning and Return<br />

of Cultural Heritage“ mit dem Thema „Museums for Social<br />

Harmony“der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz zu verbinden.<br />

Wie stark die kulturelle Vielfalt in ICOFOM ausgeprägt<br />

ist und demnach die Fragestellungen verankert sind, zeigte<br />

sich vor allem darin, dass das neben ICOFOM Lateinamerika<br />

(ICOFOM LAM) bestehende Sub-Komitee ICOFOM<br />

Siberia, East Asia and the Pacific (ICOFOM SIB&SAP)<br />

ge rade durch die Bezugnahme auf zahlreiche indigene Kulturen<br />

und ethische Fragen bei der Programmgestaltung<br />

ent scheidend mitwirkte. Insofern verhalfen die intensive Vor -<br />

be reitung der Tagung durch ICOFOM SIB&SAP (Präsidentin:<br />

Olga Truevtseva, Russland, Vizepräsidentin: Guoning<br />

Chen, Taiwan, und Hildegard K. Vieregg, <strong>Deutschland</strong>)<br />

der ICOFOM-Tagung 2010 zu einem interdisziplinären<br />

und interkulturellen Akzent im Hinblick auf Sibirien und<br />

Südostasien.<br />

Weltweit hatten Mitglieder von ICOFOM schon vor der<br />

Tagung in schriftlichen Beiträgen für die ICOFOM Study<br />

Series 39 unter dem Gesamtthema „Deaccession and Return<br />

of Cultural Heritage: A New Global Ethics“ ihre Positionen<br />

dargelegt. Wie seit vielen Jahren bildete auch dieser<br />

schon im voraus veröffentlichte Tagungsband eine wichtige<br />

Grundlage für die Veranstaltung.<br />

Schwerpunkte lagen auf den drei Themenbereichen: deaccession<br />

und restitution – ein und dasselbe Problem? Haben<br />

Museen das Recht zu deaccession? Und: Haben Museen<br />

die Pflicht zu restitution? Beson ders hervorheben<br />

möchte ich in diesem Zusammenhang das Impulsreferat von<br />

Bernice Murphy, Australien, zum Thema: „A New Global<br />

Ethics on Deaccessioning and Return of Cultural Heritage“.<br />

Murphy, die sich seit vielen Jahren mit ethischen Fragen<br />

der Museen beschäftigt, betonte insbesondere historische<br />

Bedingungen und den „Wettbewerb“ der Kultu ren, die Unterschiede<br />

zwischen den Auffassungen in „westlichen“ Kulturen<br />

und „asiatischen“ Gesellschaften sowie die Wahrung<br />

ethischer Grundsätze im Museumsmanagement.<br />

Die anschließende Diskussion kam zu dem Ergebnis, dass<br />

sich seit der Verabschiedung des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for<br />

Museums im Jahr 2004 neue Probleme zwischen Gesellschaften<br />

und Museen entwickelt haben. Deshalb solle der<br />

<strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums weiterhin im Kontext<br />

der Weiterentwicklung der Museen ausgestaltet werden.<br />

Als Vorstandsmitglied von ICOFOM und als Vizepräsidentin<br />

des Sub-Komitees ICOFOM SIB verband ich auch<br />

in meinen eigenen Beiträgen, insbesondere zum Thema<br />

„Contemporary Approaches to Restitution in its Diverse<br />

Contexts“, das von ICOFOM erarbeitete Begriffsvokabular<br />

der Museologie mit Beispielen aus der Museumswelt<br />

und den Ethischen Richtlinien für Museen von <strong>ICOM</strong>.<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Unter den zahlreichen Teilnehmern und Diskutanten waren<br />

auch viele Gäste anderer Komitees, die konstruktive,<br />

weiterführende Impulse einbrachten. Als eine der internationalen<br />

Rapporteure folgte ich den Vorträgen, Statements<br />

und Diskussionen und konnte zum Resümee der Tagung<br />

beitragen.<br />

Außer den Veranstaltungen im Tagungszentrum führte<br />

uns eine eintägige Exkursion zum gleichen Thema ins Zijang<br />

Provincial Museum, das der chinesischen Kulturgeschichte<br />

und den Geisteswissenschaften gewidmet ist.<br />

Gerade durch die internationalen und interkulturellen Ansätze<br />

und Ansichten der europäischen und osteuropäischen,<br />

der lateinamerikanischen, südostasiatischen und insbesondere<br />

chinesischen Museumskollegen, ergaben sich vorzügliche<br />

Dialoge hinsichtlich der Bedeutung des kulturellen<br />

Erbes für die verschiedenen Nationen im Zusammenhang<br />

mit Fragen der Restitution.<br />

Während bei den ICOFOM-Wahlen Ann Davis aus Kanada<br />

als Präsidentin von ICOFOM hervorging, sind nunmehr<br />

neben einer Kollegin aus Sibirien erstmals auch zwei<br />

Kolleginnen aus Taiwan im Vorstand vertreten.<br />

Bei allem „Amtlichen“ möchte ich nicht vergessen, unseren<br />

chinesischen Kollegen aus Zeijang für die großartige<br />

Fahrt auf einem traditionellen chinesischen Boot über den<br />

West Lake, den Besuch im National Silk Museum und die<br />

Einladung zum Dinner zu danken.<br />

Prof. Dr. Hildegard K. Vieregg ist als Lehrbeauftragte an der Hochschule<br />

für Philosophie in München tätig, ihre Arbeitsschwerpunk te<br />

sind Museumsgeschichte und und Museologie. Sie ist Vizepräsidentin<br />

des Sub-Komitees ICOFOM SIB&SAP;<br />

vieregg.hildegard@onlinemv.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Tagungsband: Deaccession and Return of Cultural Heritage: A New<br />

Global Ethics. Hrsg. von ICOFOM. Paris 2010. ICOFOM Study Series –<br />

ISS 39. Download: www.icofom.com.ar/publications.htm<br />

Jahrestagung <strong>2011</strong>: 23. bis 26.10.<strong>2011</strong> in Taipei und Kaohsiung (Taiwan)<br />

Die Exkursion führte auch zum Nationalen chinesischen Seidenmuseum.<br />

Dort verfolgte Suzanne Nash (USA) mit Interesse den komplizierten<br />

Techniken der Seidenweberei.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 49


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

ICR – International Committee for Regional Museums<br />

Museums for Social Harmony<br />

Jahrestagung vom 7. bis 12. November 2010<br />

in Schang hai, China<br />

Otto Lohr<br />

Was können Regionalmuseen zur sozialen Harmonie beitragen?<br />

Diese Frage diskutierten die Teilnehmer des internationalen<br />

Komitees von ICR in Schanghai anlässlich der<br />

Jahrestagung 2010. Impulsreferate und Präsentationen be -<br />

leuchteten das Tagungsthema aus verschiedenen Blickwinkeln.<br />

Heimo Kaindl aus Österreich betonte, dass die Beteiligung<br />

der örtlichen Bevölkerung an den Museen als Orten<br />

regionaler oder lokaler Identität große Bedeutung besitze.<br />

An Beispielen zeigte er auf, wie Museen in religiösen und<br />

ethnischen Spannungsfeldern Beiträge zur sozialen Harmonie<br />

leisten. Chen Jianming erläuterte am Beispiel des Hu nan-<br />

Provinzmuseums den Beitrag der Regionalmuseen in China<br />

zur sozialen Harmonie. Regionalmuseen sind – anders<br />

als Kunstmuseen – stärker an den Bedürfnissen der Region<br />

orientiert. Sie fungieren auch dort als regionale Zentren von<br />

Wissen und Kultur. Ein weiterer Schritt in Richtung sozialer<br />

Harmonie ist die Politik des freien Eintritts und die kostenfreie<br />

Vermittlung, die den Museen einen enormen Besucherzuwachs<br />

gebracht hat. Jane Legget aus Neuseeland<br />

stellte ein interessantes Projekt in der kleinen Ortschaft Riverton<br />

auf der südlichen Insel vor. Der Ort ist seit über<br />

150 Jahren durch ein relativ friedliches Zusammenleben<br />

von Maori und europäischen Siedlern geprägt. Grund dafür<br />

waren die vielen Eheschließungen zwischen den ethnischen<br />

Gruppen. Im Jahr 1950 wurde das erste Museum im<br />

alten Gerichtsgebäude eingerichtet. Wie in vielen Museen<br />

gingen die Besucherzahlen in den letzten Jahren wegen der<br />

mangelnden Attraktivität des Museums deutlich zurück.<br />

Mit einem neuen Besucherzentrum sollte in dem kleinen<br />

Museum alles besser werden. Obwohl die Maoris von Anfang<br />

an in die Planungen eingebunden waren, kam es zu<br />

zahlreichen Kommunikationsproblemen. Professionelle Hilfe<br />

wurde durch das Nationalmuseum und durch Tou rismusini<br />

tiativen geleistet.<br />

Die Reihe der Präsentationen eröffnete Goranka Horjan<br />

aus Kroatien mit ihrem Beitrag dazu, was Regionalmuseen<br />

allgemein zur sozialen Harmonie leisten können: Sie bewahren<br />

die lokale Identität und das kulturelle Wissen als wertvollen<br />

Schatz und bieten großes Potential für regionale<br />

Entwicklung. Sie formen soziale Werte und fördern Toleranz.<br />

Sie verwies auf die immer wieder auftretende Diskrepanz<br />

zwischen Ökonomie und Kultur. Tourismus bringt<br />

zwar Profit, birgt aber auch Gefahren. Dennoch leisten die<br />

Regionalmuseen auch in einem Beitrag zur Bewahrung der<br />

Qualität von sites. Ein Kooperationsprojekt zwischen Slowenien<br />

und Ungarn stellte Metka Fujs aus Slowenien vor.<br />

Beteiligt waren drei Museen mit dem Ziel, wechselseitiges<br />

Lernen zu fördern. Im Rahmen des Projekts wird auch eine<br />

Datenbank des Kulturerbes der Minderheiten in der Region<br />

erarbeitet.<br />

Sheng Jianwu aus China berichtete von einem rollenden<br />

Museum, das in Lastwagen zu den Menschen kommt.<br />

50 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Chinesische Besucher des Hunan-Provinzmuseums in Changsha kleiden<br />

sich in Gewänder der westlichen Han-Dynastie (206 v. Chr.–8 n.<br />

Chr.) und machen sich auf diese besondere Weise mit der Geschichte<br />

der Provinz vertraut.<br />

Es wird zur Verbesserung des kulturellen Angebots in<br />

ländlichen Regionen eingesetzt, hauptsächlich für Soldaten<br />

und Minenarbeiter, aber auch für Schüler. Einen ähnlichen<br />

Ansatz, die Ausstellungen zu den Menschen zu<br />

bringen, zeigte Orit Shamir aus Israel auf. Dort werden<br />

ar chäologische Ausstellungen in Schulen, Hospitälern und<br />

auch Hotels eingerichtet. Der Verfasser stellte zwei Beispiele<br />

aus bayerischen Museen vor: zum einen die Angebote in<br />

jüdischen Museen für die Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen<br />

Sowjetunion, zum anderen ein grenzüberschreitendes<br />

Projekt aus dem bayerischen-tschechischen Grenzgebiet<br />

im Landkreis Cham, in dem durch Austausch von<br />

Fachwissen und Fachleuten Vorurteile im interkulturellen<br />

Dialog abgebaut werden sollen.<br />

Linda Mboya aus Kenia beeindruckte die Zuhörer mit<br />

dem Ausstellungsprojekt „Das brennende Kenia – niemals<br />

vergessen, niemals wieder“. Fotografien zeigen die schrecklichen<br />

Ereignisse des Jahres 2008. Museen in allen Teilen<br />

des Landes haben eine Rolle im nationalen Heilungsprozess<br />

übernommen. Mit besonders geschulten Experten konnte<br />

ein Vermittlungsprogramm gestartet werden, um die zum<br />

Teil heftigen Emotionen der Besucher beim Betrachten der<br />

Gräuelbilder zu begleiten. Sie unterstrich die Bedeutung von<br />

Kulturfestivals, die, z. B. mit Tänzen, dazu beitragen, die<br />

Bräuche und Sitten anderer Stämme zu verstehen.<br />

An der von Huang Lei vom Hunan-Provinzmuseum und<br />

seinem Team hervorragend organisierten Jahrestagung im<br />

Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 2010 nahmen Museumsfachleute<br />

aus siebzehn Ländern teil.<br />

Dr. Otto Lohr, Vorstandsmitglied von ICR, arbeitet in der Landesstelle<br />

für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, München, dort ist er verantwortlich<br />

für die kunst- und kulturhistorischen Museen in Mittelfranken<br />

und der Oberpfalz sowie für die jüdischen Museen;<br />

otto.lohr@blfd.bayern.de<br />

Weitere Informationen:<br />

www.icr-icom.org<br />

Die Jahrestagung <strong>2011</strong> wird vom 22. bis 28. August <strong>2011</strong> in Kristiansand,<br />

Norwegen, stattfinden; Tagungsthema: Changing Tastes – Local<br />

Gastronomy and Regional Museums.


ICTOP – International Committee for the Training of<br />

Personnel<br />

Different Approaches and<br />

New Challenges for the Training of<br />

Museum Professionals<br />

Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />

in Schang hai, China<br />

Angelika Ruge<br />

Die Vorbereitungen und die Organisation der Jahrestagung<br />

von ICTOP während der Generalkonferenz in Schanghai<br />

waren aufwendiger und schwieriger als jede andere Tagung<br />

während meiner Präsidentschaft von 2004 bis 2010. Es war<br />

umso erfreulicher, dass ICTOP einige Mitglieder begrüßen<br />

konnte, die schon lange nicht mehr an einer Jahrestagung<br />

teilgenommen hatten. Hierzu trugen die großzügig Reisestipendien<br />

von <strong>ICOM</strong> bei.<br />

Hatten wir zu Beginn kurzfristige Absagen von zwei prominenten<br />

Vertretern aus Peking und Brasilia zu bedauern,<br />

so war der Vortrag von Jiansong LU von der Fudan-Univer-<br />

Fudan-Universität<br />

in Schanghai zum Thema „Medium and Long Term<br />

Development. Planning for Museums in China“ eine be- besondere<br />

Ehre für uns. Professor LU hat ein neues Planungskonzept<br />

für chinesische Museen vorgestellt. Im Prinzip geht<br />

es um eine Modernisierung des besucherfreundlichen Museums.<br />

Der Service soll ausgebaut, die Vermittlungsarbeit<br />

verstärkt und die Gebäude und damit auch die Ausstellungsflächen<br />

sollen erneuert und vergrößert werden. Wie auch aus<br />

Gesprächen zu erfahren war, hat Professor LU eine Gruppe<br />

von jüngeren Doktorandinnen um sich geschart, die<br />

sich mit den vielfältigen Aspekten einer zeitgemäßen Museumsorganisation<br />

im Sinne der Besucherorientierung beschäftigen.<br />

Diese haben häufig die Möglichkeit, durch Forschungsaufenthalte<br />

in den USA ihr Wissen zu ergänzen. So<br />

aufschlussreich der Beitrag war, so interessant ist die Tatsache,<br />

welche Schwierigkeiten die Übersetzung englischer<br />

Fachausdrücke in die chinesische Sprache bedeuten.<br />

Eine zweite Gastrednerin war Deirdre Prins-Solani, Direktorin<br />

des Center for Heritage Development in Africa in<br />

Mombasa, Kenia. Unter dem Titel „Conservation of Design“<br />

stellte sie ein Projekt vor, durch das traditionelles<br />

Design in Theorie und Praxis gefördert werden soll. Dies<br />

ist nicht unbedingt ein neuer Ansatz für die Museen in den<br />

Ländern der Dritten Welt, jedoch verspricht sich das Center<br />

for Heritage Development davon eine Belebung der Museen,<br />

die gleichzeitig durch die Herstellung traditioneller Produkte<br />

einen Beitrag zu ihrer Finanzierung leisten sollen.<br />

Am zweiten und dritten Sitzungstag wurden eine Vielfalt<br />

von neuen Projekten vorgestellt, die zeigen, wie auf dem<br />

Gebiet der Professionalisierung der Museumsarbeit durch<br />

Aus- und Weiterbildung, z. B. in Brasilien, große Anstrengungen<br />

unternommen werden. Es gibt heute in sechzehn<br />

Universitäten des Landes staatlich anerkannte Studiengänge<br />

für Museologen. Darin drückt sich der Wille der brasilianischen<br />

Regierung aus, der Museumsarbeit in politischer<br />

und sozialer Hinsicht einen hohen Stellenwert beizumessen.<br />

Ganz anders sieht dies in Ländern wie Uruguay, Georgien<br />

und der Ukraine aus. Von dort gab es Hilferufe zur Un-<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

terstützung der Aus- und Weiterbildung. Kolleginnen aus<br />

Lettland und Slowenien konnten mit ihren Erfahrungen<br />

nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft gleich konkrete<br />

Hilfe anbieten.<br />

Aus den USA und Kanada kamen Berichte aus unterschiedlichen<br />

Bereichen, die verdeutlichten, wie sehr die museum<br />

studies sich zu heritage studies erweitern. Hier liegt<br />

auch für die zukünftige Entwicklung von ICTOP eine interessante<br />

Herausforderung.<br />

Meinen Bericht über eine Arbeitstagung zu zum Thema<br />

E-Learning als Instrument für die Weiterbildung des Museumspersonals<br />

wurde durch den Vortrag von Michael Schumann,<br />

Berlin, „Augmenting Learning: E-Training Museum<br />

Staff in Online 3D Environments“, bestens ergänzt. Diesem<br />

lag ein Projekt in der Gemäldegalerie Dresden zugrunde.<br />

Wie so häufig auf diesen Jahrestagungen war die Zeit zu<br />

kurz, um sich ausführlicher mit diesen neuen Fragen zu beschäftigen.<br />

Ferner möchte ich zwei Treffen erwähnen: Zum zweiten<br />

Mal fanden Die Alma-S.-Wittlin-und-Stephen-E.-Weil-Memorial-Lectures<br />

statt, die gemeinsam von CECA, INTER-<br />

COM, ICEE und ICTOP ausgerichtet werden. Lynda Kelly,<br />

Australia, sprach über „The Museum Without Walls: How<br />

Web 2.0 Is Changing the Nature of Museum Work“ und<br />

David Fleming, England, über „Museums as Campaigners<br />

for Social Justice“.<br />

ICTOP hat einen field day mit der Unterstützung von<br />

Professor LU in das Postal Office Museum in Schanghai<br />

organisiert. Dieses Museum erzählt die Geschichte der Post<br />

in China. Die Geschichte des chinesischen Postwesens im<br />

20. Jahrhundert ist auch eine Vorgeschichte der Revolution<br />

von 1948. Nach seiner Darstellung waren die Postangestellten<br />

die besten Kuriere für die Verbreitung der revolutionären<br />

Ideen im Land. Wie in allen Museen bleibt die Zeit<br />

der Kulturrevolution dabei weitgehend ausgespart.<br />

ICTOP erhielt mit dem Treffen in Schanghai eine neue<br />

Präsidentin, Lynne Teather aus Toronto, Kanada, und einen<br />

neuen Vorstand. Als past president werde ich weiterhin<br />

die Arbeit dieses Komitees begleiten.<br />

Dr. Angelika Ruge war von 1993 bis 2007 als Professorin für Museumskunde<br />

an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin<br />

tätig und fungierte von 2004 bis 2010 als Präsidentin von ICTOP;<br />

angelika.ruge@online.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 51


INTERNATIONALE KOMITEES<br />

MPR – International Committee for Marketing and<br />

Public Relations<br />

Kommunikation und neues Publikum<br />

Tagung vom 8. bis 10. November 2010 in Schanghai,<br />

China<br />

Wolfgang Stäbler<br />

Im Rahmen der 22. Generalversammlung von <strong>ICOM</strong> trafen<br />

sich zahlreiche MPR-Kollegen, um das Thema „Communication<br />

and New Audiences“ zu diskutieren. Erfreulicherweise<br />

war der Zuspruch so groß, dass wir am zweiten<br />

Tag ein größeres „Quartier“ suchen mussten.<br />

Yan Hongbin, Vorsitzender von MPR China, und Paal<br />

Mork, Präsident des MPR, begrüßten die Teilnehmer. Dabei<br />

erfuhren wir, dass es zurzeit in China 1.800 Museen<br />

gibt – Tendenz stark steigend – die jährlich etwa fünfzehn<br />

Millionen Besuche verzeichnen können. Mork berichtete aus<br />

seinem Tätigkeitsfeld in Norwegen, dass als zentrale Frage<br />

angesehen werde, wie man die Museen für alle Gruppen<br />

der Gesellschaft öffnen könne.<br />

Den Einstieg ins Vortragsprogramm übernahmen Vertreter<br />

des universitären Bereichs. Huang Kuang-nan, Präsident<br />

der Taiwan University of Arts, forderte, in den Museen<br />

die „Blue Ocean Strategy“ – ein Begriff aus der Wirtschaft<br />

zur Schaffung neuer Nachfrage und Märkte – einzuführen<br />

und interdisziplinäre Allianzen zu schmieden. Die Museen<br />

müssten kreativ arbeiten, Mittel einwerben und sie dann<br />

im Sinne dieser strategischen Vorgabe einsetzen. Besonders<br />

mit Besuchern der jungen Generation befasste sich Indrani<br />

Bhattacharya von der Universität Kalkutta. Sie betonte am<br />

indischen Beispiel, wie wichtig es sei, jungen, wissensdurstigen<br />

Besucherschichten die Möglichkeit zu eröffnen, die Kultur,<br />

an der sie teilhaben wollen, auch mitzubestimmen.<br />

Eine empirische Studie des Center for Corporate Communication<br />

und des Center for Museologie an der Universität<br />

Aarhus, Dänemark, stellte Anna Karina Kjeldsen vor. Dabei<br />

wurden die 220 dänischen Museen dazu befragt, ob<br />

sie strategisch kommunizieren. Die Auswertung der Antworten<br />

(Rücklauf 56 Prozent) ergab, dass für die Museen<br />

Kommunikation zumeist nach wie vor in Form einer Einbahnstraße<br />

– Ausgabe von Informationen, kaum der Wille<br />

zum Dialog – stattfindet. Interessanterweise geben sich<br />

Kunstmuseen kommunikationsfreudiger und stärker auf<br />

Wirkung bedacht als kulturgeschichtliche Museen.<br />

Eine niederländische Studie, die sich mit den Gründen<br />

für wiederholte Museumsbesuche befasst, stellte Jan Sas,<br />

Reinward-Institut Amsterdam vor. Dabei wurde deutlich,<br />

dass sich die Hauptgründe für die Besuchsentscheidung bei<br />

Einmal- und Mehrfachbesuchern nicht wesentlich unterscheiden.<br />

Sas arbeitete 14 P’s der Besuchermotivation heraus,<br />

von product bis progression, also dem Fortschritt bei<br />

Umgestaltungen. Über das branding des Technischen Museums<br />

in Stockholm, das nach einer Neugestaltung von<br />

2005 bis 2009 seine Besucherzahl auf 318.000 fast verdoppeln<br />

konnte, berichtete Ulrika Forsberg. Passend dazu<br />

stellte Anne-Marie Delga vom Palais de la decouverte un<br />

lieu universcience die Arbeit dieser französischen Institution<br />

mit ihren jährlich 3,5 Millionen Besuchern vor. Als<br />

ein Beispiel präsentierte sie eine interaktive Ausstellung,<br />

52 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

die Technik, Kunst und elektronische Musik zusammenführt<br />

und damit neue Besucherschichten anspricht.<br />

An einer vergleichenden Studie zwischen Museen in Ungarn,<br />

Tschechien, Polen und der Slowakei arbeitet Katarzyna<br />

Jagodzinska vom Internationalen Kulturzentrum<br />

Kra kau, Polen. Sie hat vor allem die Internet-Auftritte von<br />

Kunstmuseen und Aktivitäten in sozialen Netzwerken im<br />

Focus. Die Besucherorientierung der Museen stand bei<br />

den Ausführungen von Tsz Man, Macao, im Mittelpunkt<br />

der Aus führungen, während Damon Monzavi vom Edelsteinmuseum<br />

in Teheran Zukunftsvisionen entwarf, wie<br />

man über elektronische Bücher und Applikationen für das<br />

Mobiltelefon die Pendler der Stadt, die täglich stundenlang<br />

im Stau stehen, für die Museen interessieren könnte. Der<br />

Berichterstatter stellte hingegen eine ortsfeste Einrichtung,<br />

den Infopoint Museen & Schlösser in Bayern in München,<br />

als multifunktionalen Ort für Museen und ihre Besucher<br />

(Informationsquelle für Touristen und Einheimische, Kommunikations-<br />

und Werbeplattform für Museen, Veranstaltungsraum)<br />

vor. Eine Übersicht aller Vortragsthemen ist<br />

unter http://mpr.icom.museum abrufbar.<br />

Bei der Neuwahl des Vorstandes blieb das Amt des Präsidenten<br />

in skandinavischer Hand: Mit Marjo Riita Saloniemi<br />

folgt eine Finnin dem Norweger Paal Mork nach.<br />

Vizepräsidentin ist nun Romina Mancuso aus Italien. Die<br />

das Treffen abschließende Exkursion in die historische<br />

Stadt Zhouzhouang und die Yuyuan-Gärten in Schanghai<br />

bot die willkommene Gelegenheit, die Gespräche und Diskussionen<br />

fortzuführen. Ein Dank den Gastgebern von MPR<br />

China für die gute Organisation und die überaus herzliche<br />

Aufnahme!<br />

Dr. Wolfgang Stäbler verantwortet in der Landesstelle für die nichtstaatlichen<br />

Museen in Bayern den Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Tagungen,<br />

Fortbildungen, zeitgeschichtliche Museen und Vertriebenenmuseen;<br />

wolfgang.staebler@blfd.bayern.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.mpr.icom.museum<br />

Die MPR-Jahrestagung <strong>2011</strong> wird vom 17. bis 20. September <strong>2011</strong> in<br />

Brno, Tschechische Republik, zu dem Thema „Measuring (and Promoting)<br />

Museum Success“ statt.<br />

Mitglieder des Komitees MPR im Hof eines Palastes der Yuyuan-Gärten<br />

in Schanghai


NATHIST – International Committee for Museums and<br />

Collections of Natural History<br />

Biodiversity and Climate Change –<br />

A Multicultural Approach<br />

Jahrestagung vom 8. bis 11. November 2010<br />

in Schang hai, China<br />

Ulrike Stottrop<br />

Die <strong>ICOM</strong>-Tagung in Schanghai war in vielfacher Hinsicht<br />

beeindruckend: Zuallererst die Stadt selbst mit ihrer<br />

Museumslandschaft – eine Megacity mit Megamuseen, zu<br />

denen mit 15.000 Besuchern täglich auch das Science and<br />

Technology Museum zählt, in dem das NAT HIST-Treffen<br />

stattfand. Das über 60.000 qm große Haus mit mehr als<br />

300 Mitarbeitern ist eine Mischung aus Science Center europäischer<br />

Prägung und Naturkundemuseum mit offenen<br />

Dioramen, Aquarien, beweglichen Tiermodellen und modernen<br />

Medienstationen. Offenkundig war es der Anspruch,<br />

sich als Top-Einrichtung zu präsentieren: keine Station,<br />

die nicht funktionierte, kein Spotlight, das nicht brannte,<br />

eine neue Ausstellung, die über Nacht aufgebaut wurde,<br />

zahl reiche Reinigungskräfte, die das imposante Gebäude<br />

aus Glas und Marmor permanent in einem überaus ordentlichen<br />

Zustand hielten.<br />

Ein neues Naturkundemuseum ähnlicher Größe ist in<br />

Planung und soll in diesem Jahr eröffnen. Auf der <strong>ICOM</strong>-<br />

Tagung 2007 in Wien waren bereits erste Konzeptideen präsentiert<br />

worden, das Haus – so damals – sollte an den Lehren<br />

des Konfuzius ausgerichtet sein, dem es darum ging, mit<br />

der Natur zu harmonieren, und nicht, sie zu beherrschen.<br />

Welch ein Ansatz, die über Jahrhunderte verbreitete chinesische<br />

Naturphilosophie in einem modernen Naturkundemuseum<br />

zu berücksichtigen! In der Geschichte der Naturkundemuseen<br />

wäre dies ein Novum gewesen. Wäre – denn<br />

in dem von Wang Xiaoming, dem Direktor des Shanghai<br />

Science and Technology Museum, vorgestellten, gleichwohl<br />

vielversprechenden Konzept des neuen Naturkundemuseums<br />

war davon keine Rede mehr. Rund zweihundert internationale<br />

Museumsfachleute waren, so Wang Xiaoming,<br />

in den letzten Jahren konsultiert worden, 2009 ein ausgewählter<br />

Kreis führender Museumsdirektoren, was im Ergeb<br />

nis dazu geführt hat, dass sich das neue Haus thematisch<br />

an den großen amerikanischen und europäischen<br />

Na turkundemuseen orientieren wird und sich darüber hinaus<br />

der allerneuesten Präsentationstechnologie und -ästhetik<br />

bedienen wird (Vortrag Ji Yani, Shanghai Science and<br />

Technology Museum: The Enlightment from the Exhibitions<br />

of EXPO 2010). Inwiefern die von Jin Xingbao, Shanghai<br />

Science and Technology Museum, in ihrem Vortrag „Museum,<br />

a Civic Place for Self-Learning by Trustworthy<br />

Information“ formulierte Auffassung, dass natur wis senschaft<br />

liche Museen in ihren Ausstellungen und Vermittlungs<br />

programmen sammlungsbezogene Forschung kommunizieren<br />

müssen, im neuen Museum realisiert wird, bleibt<br />

abzuwarten. Überraschend für mich war die Tatsache, dass<br />

es im Science and Technology Museum keinen einzigen<br />

forschenden Naturwissenschaftler gibt und auch die Sammlung<br />

im Vergleich zu beispielsweise den großen deutschen<br />

INTERNATIONALE KOMITEES<br />

Zu den gigantischen Museumsbauten Chinas zählt auch das Science<br />

and Technology Center in Schanghai, in dem NATHIST seine Jahrestagung<br />

2010 abgehalten hat.<br />

naturwissenschaftlichen Forschungsmuseen nur sehr klein<br />

ist.<br />

Ein Schwerpunktthema des Treffens von NAT HIST war<br />

„Biodiversity and Climate Change – a Multicultural Approach“.<br />

Kurzfassungen aller Vorträge sind auf unserer<br />

Internetseite unter der Rubrik „annual meetings“ nachzulesen,<br />

da allein ein Überblick über die Vorträge den Rahmen<br />

dieses Berichts sprengen würde. Herausragend fand<br />

ich den Vortrag von Volker Moosbrugger, Generaldirektor<br />

der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt<br />

(Natural History Museums and the Rio 2012 Project),<br />

weil er es zum einen exzellent versteht, die globalen Umweltprobleme<br />

und die Notwendigkeit einer gemeinsamen<br />

Herangehensweise zu kommunizieren und zum anderen<br />

die Bedeutung und Ergebnisse der UN-Konferenz 1992 in<br />

Rio, des Johannisburg-Gipfels 2002 (World Summit on<br />

Sustainable Development), der COP 10 Konferenz 2010 in<br />

Nagoya, Japan (Convention on Biological Diversity) und<br />

der Konferenz in Rio de Janeiro 2012 zusammenfassend<br />

darzustellen.<br />

Gemeinsam mit Eric Dorfman, Neuseeland, in Schanghai<br />

neu gewählter Vizepräsident von NATHIST, leitete er den<br />

Workshop zum Thema Natural History Museums Initiative<br />

on Climate Change and Sustainable Development and<br />

Biodiversity, der die „Shanghai Declaration“ der Fachgruppe<br />

für die Rio-2012-Plattform zum Ergebnis hatte.<br />

Ich danke den chinesischen Kolleginnen und Kollegen<br />

für die Ausrichtung der Tagung und für die Gastfreundschaft<br />

und Freundlichkeit, mit der wir empfangen wurden.<br />

Ulrike Stottrop leitet in der Stiftung Ruhr Museum den Fachbereich<br />

Wissenschaft und Sammlungen, ferner die Abteilung Geologie/Naturwissenschaften<br />

und das Mineralien-Museum. Von 2004 bis 2010<br />

war sie Schatzmeisterin von NATHIST;<br />

ulrike.stottrop@ruhrmuseum.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Kurzfassungen der Vorträge: http://nathist.icom.museum<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 53


UMSCHAU<br />

Hamburg: Museen in Gefahr<br />

Der CDU-geführte Hamburger Senat wollte das Altonaer Museum schließen, der<br />

neugewählte Erste Bürgermeister, Olaf Scholz, sprach sich für die Erhaltung des Altonaer<br />

Museums aus. Auch Barabara Kisseler, die neue Kultursenatorin, „traut dem<br />

Haus eine Zukunft zu“.<br />

Vanessa Hirsch<br />

Als eines der ersten deutschen Bundesländer<br />

hat die Freie und Hansestadt<br />

Hamburg Ende 2010 bei ihren Kürzungsvorgaben<br />

zur Konsolidierung der<br />

öffentlichen Haushalte den Kulturbereich<br />

bewusst mit einbezogen. Im Zu ge<br />

eines verantwortlichen Wirtschaftens<br />

könne es nach Meinung des Senates<br />

keine Bestandsgarantie für die staat lichen<br />

Museen der Hansestadt mehr geben.<br />

Insbesondere die museale Dar stellung<br />

der Hamburger Geschichte müsse<br />

an den zehn Standorten der Stif tung<br />

His torische Museen Hamburg (SHMH)<br />

ohne teure Dopplungen geleistet werden.<br />

Die 2008 gegründete Stiftung<br />

54 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

um fasst mit dem Altonaer Mu seum,<br />

dem Helms-Museum, dem Museum<br />

der Arbeit und dem Museum für Hambur<br />

gi sche Geschichte vier vor mals<br />

selb stän dige Haupthäuser und deren<br />

Außenstellen Bergedorfer Schloss, Hafen<br />

museum, Jenisch Haus, Kramerwitwenwohnungen,<br />

Rieck Haus und<br />

Speicherstadtmuseum.<br />

Am 22. September 2010 verkündete<br />

der Hamburger Senat, das Altonaer<br />

Museum werde „als Teil der Zusammenführung<br />

der historischen Museen<br />

in <strong>2011</strong> geschlossen“. Außerdem sollten<br />

die Hamburger Öffentlichen Bücher<br />

hallen eine Etatkürzung von 1,5<br />

Foto Henning Homann<br />

Millionen Euro, und das Deutsche<br />

Schau spielhaus eine Reduzierung des<br />

Jahresetats von 1,2 Millionen Euro hinnehmen.<br />

Dies sei der Beitrag der Kultur<br />

zu einem Sparpaket, das der Hansestadt<br />

eine jährliche Ausgabenentlastung<br />

von 500 Millionen Euro bescheren<br />

solle.<br />

Das Altonaer Museum befasst sich<br />

als eines der größten deutschen Regionalmuseen<br />

entgegen der Behauptung<br />

des Hamburger Senats weniger mit<br />

Ham burgischer Stadtgeschichte als vielmehr<br />

mit der Kunst- und Kulturgeschichte<br />

Norddeutschlands. Die 2006<br />

eröffnete interaktive Kinderabteilung


des Museums wurde im September<br />

2010 für ihre herausragende Kinder-<br />

und Jugendarbeit ausgezeichnet. Darüber<br />

hinaus hat sich das Museum bereits<br />

seit 2005 auf den Weg zu einer<br />

konzeptuellen und baulichen Erneuerung<br />

gemacht. Im November 2009<br />

konnte der aufwendige Umbau des Eingangsbereiches<br />

abgeschlossen wer den,<br />

ein Projekt, das ein Jahr später als eines<br />

von fünf Hamburger Bauwerken des<br />

Jahres 2010 ausgezeichnet wurde. Vor<br />

diesem Hintergrund mussten die Schließungspläne<br />

auf die Öffentlichkeit geradezu<br />

absurd wirken.<br />

Während der folgenden Wochen rollte<br />

eine Welle des Kulturprotests durch<br />

die Hansestadt. Die betroffenen Kultureinrichtungen<br />

rüttelten die Öffentlichkeit<br />

mit einer Vielzahl gemeinsa mer<br />

Veranstaltungen auf, tausende von Bürgern<br />

gingen gegen das Kürzungspaket<br />

auf die Straße. Auch in den überregionalen<br />

Medien wurde die ange kün digte<br />

Museumsschließung breit beachtet.<br />

Fachverbände wie der International<br />

Council of Museums (<strong>ICOM</strong>) und der<br />

Deutsche Museumsbund (DMB) protestierten.<br />

Altkanzler Helmut Schmidt<br />

sprach sich für den Erhalt des Altonaer<br />

Museums aus. Es gründete sich eine<br />

Bürgerinitiative für den Erhalt des Altonaer<br />

Museums und in weniger als<br />

vier Wochen wurden über 50.000 Unterschriften<br />

für den Erhalt des Museums<br />

gesammelt – am 18. November<br />

2010 konnten dem Präsidenten der<br />

Foto Elke Schneider<br />

Bür gerschaft 80.000 Unterschriften<br />

übergeben werden. Der Erste Bürgermeister<br />

Christoph Ahlhaus (CDU)<br />

lud für den 27. Oktober 2010 Vertreter<br />

der von den Kürzungen betroffenen<br />

Kultureinrichtungen zu einem Kulturgipfel<br />

ein.<br />

Das Treffen endete mit dem Beschluss,<br />

die Schließung des Altonaer<br />

Museums vorerst auszusetzen. Bis<br />

April <strong>2011</strong> sollte die Vorsitzende der<br />

Stiftung Historische Museen Hamburg<br />

ein Konzept zur Neuorganisation der<br />

Gesamtstiftung erarbeiten. Das Altonaer<br />

Museum solle in reduzierter Form<br />

(es wurde z. B. die Vermietung von<br />

Aus stellungsflächen angeregt) am jetzigen<br />

Standort weiter betrieben werden.<br />

Die Erbringung des von der Stiftung<br />

Historische Museen Hamburg<br />

(SHMH) zu leistenden Sparbeitrags sei<br />

über einen Zeitraum von mehreren<br />

Jah ren zu strecken, bis die Zuwendung<br />

im Jahr 2014 dauerhaft um 3,5 Millionen<br />

Euro verringert sei. Konkret<br />

liegen die Kürzungen, ausgehend von<br />

der Zuwendungssumme der Stiftung<br />

Historische Museen Hamburg aus dem<br />

Jahr 2010 (11,5 Millionen Euro), bei<br />

0,5 Millionen Euro im Jahr <strong>2011</strong>, bei<br />

1,5 Millionen Euro im Jahr 2012, bei<br />

2,5 Millionen Euro im Jahr 2013 und<br />

schließlich bei 3,5 Millionen Euro im<br />

Jahr 2014. Das entspricht dem Jahresetat<br />

des Altonaer Museums (Stand<br />

2010). Konkret bedeutet dies, dass mit<br />

einem um dreißig Prozent verringer-<br />

UMSCHAU<br />

Mit Protestaktionen wie dem Solidaritätstag<br />

des Altonaer Museums am 3. Oktober 2010<br />

und der Demonstration der Bürgerinitiative<br />

für das Altonaer Museum am 23. Oktober<br />

2010 (Foto links) bekräftigten zahlreiche<br />

Unterstützer ihr Engagement für den Erhalt<br />

des Museums.<br />

ten Etat nicht alle der zehn Standorte<br />

weiter betrieben werden könnten. Die<br />

Entscheidung darüber, welche Standorte<br />

wann geschlossen werden müssen,<br />

sollte somit bei den Betroffenen<br />

selbst liegen: Ein bitterer Etappensieg.<br />

Seit dem Scheitern der Regierungskoalition<br />

aus CDU und Grünen im<br />

November <strong>2011</strong> stehen die Zeichen auf<br />

Neuausrichtung. Der Erste Bür germeis<br />

ter der Hansestadt, Olaf Scholz,<br />

jedenfalls hat eine Rücknahme der Kürzungsbeschlüsse<br />

in Aussicht gestellt<br />

und seine Kultursenatorin Barbara<br />

Kisseler hat den Wunsch, das Altonaer<br />

Museum zu erhalten, in mehreren<br />

Interviews bereits bekräftigt.<br />

Dr. Vanessa Hirsch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

des Altonaer Museums für Kunst<br />

und Kulturgeschichte;<br />

vanessa.hirsch@altonaermuseum.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

Altonaer Museum:<br />

www.altonaermuseum.de<br />

Bürgerinitiative „Altonaer Museum bleibt!“:<br />

www.altonaermuseumbleibt.de<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 55


UMSCHAU<br />

Leben im hohen Norden<br />

Der heutige Alltag der Zirkumpolar-Völker wird von dem Verlust der kulturellen Identität<br />

geprägt. Das Projekt „Cir cumpolar Civilization in the World Museums: Yesterday,<br />

Today, Tomorrow“ hat zum Ziel, Kulturobjekte in den Museen der Welt zu sichern, um<br />

das kulturelle Erbe für künftige Generationen „wiederbeleben“ und die spirituellen<br />

Traditionen in das moderne Leben der Zirkumpolar-Bevölkerung integrieren zu können.<br />

Siegmar Nahser<br />

Die Seitenteile der Rentiertrense aus<br />

Mammutknochen waren Ende des 19.<br />

Jahrhunderts in Nord-Jakutien im Gebrauch.<br />

The short-term goal of the international<br />

project is the consolidation of world community<br />

efforts for collecting, processing<br />

and preserving exhibits and collections on<br />

the cultural heritage of the Arctic peoples,<br />

which are stored in world museums.<br />

The long-term goal of the international<br />

project is the promotion of knowledge about<br />

the cultural diversity and an integral outlook<br />

on the cultural heritage of the circumpolar<br />

zone peoples, who have at present lost their<br />

own cultural originality and self-identification.<br />

This project is aimed at “reviving” this<br />

unique cultural heritage for the contemporary<br />

and future generations of the circumpolar<br />

world peoples. This will result in<br />

the integration of ancient knowledge and<br />

specimens of their spiritual culture in the<br />

modern life of these peoples.<br />

Aus der Projektbeschreibung „Circumpolar<br />

Civilization in the World Museums: Yesterday,<br />

Today, Tomorrow, 2009–1012“.<br />

56 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

Am Rande der 22. <strong>ICOM</strong>-Generalkon<br />

ferenz in Schanghai traten am 9.<br />

No vember 2010 zahlreiche Projektbeteiligte<br />

zu einem Arbeitstreffen zusammen.<br />

<strong>ICOM</strong> Russland und die<br />

UNESCO-Gruppe der Republik Sacha,<br />

auch Jakutien genannt, hatten zur zweiten<br />

Tagung des Komitees nach Konstituierung<br />

während der gleichnamigen<br />

Tagung in Jakutsk im August 2009<br />

eingeladen. Die UNESCO-Sektion<br />

Russland und <strong>ICOM</strong> Russland hatten<br />

sich seit 2005 um das Projekt vorbereitend<br />

gekümmert, um es in finanziel le<br />

und museologisch untermauerte, feste<br />

Bahnen zu lenken. Die erste Tagung in<br />

Jakutsk im August 2009 bot Gelegenheit,<br />

Aspekte weltweit verstreuter Museumssammlungen<br />

zur Kultur der Jakuten,<br />

Jukagiren und Samagiren zu<br />

diskutieren. <strong>ICOM</strong> Russland stellte<br />

dabei einen exzellenten, russisch- und<br />

englischsprachigen Auswahlkatalog<br />

vor (Circumpolar Civilization in the<br />

World Museums: Yesterday, Today,<br />

Tomorrow.). Zur Beförderung dieses,<br />

auf weitere Museen außerhalb Jakutiens<br />

ausgerichteten Projekts wurde in<br />

Jakutsk ein koordinierendes Komitee,<br />

das sogenannte International Committee<br />

on a volontary basis, gebildet,<br />

das sich am Rande der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

in Schanghai zur zweiten<br />

Besprechung traf.<br />

Die Tagung in Schanghai festigte die<br />

Kooperation und Zuarbeit für weitere<br />

entsprechende Kataloge, fortführend<br />

mit einem aus deutschen Sammlungen.<br />

Es beteiligten sich bislang das Museum<br />

für Völkerkunde Leipzig (Marita<br />

Ando), das Lindenmuseum Stuttgart<br />

(Sonja Schierle) und das Ethnologische<br />

Museum der Staatlichen Museen zu<br />

Berlin (Siegmar Nahser). Die Publikation<br />

wird dreisprachig und ebenfalls<br />

als Auswahlkatalog angelegt sein. Die<br />

Finanzierung erfolgt zu etwa achtzig<br />

Prozent durch die UNESCO. Die Mi-<br />

tglieder der Arbeitsgruppe diskutierten<br />

erneut kontrovers das über die Kulturen<br />

der in Jakutien lebenden Ethnien<br />

hinausgehende Grundthema. Mitteleuropäische<br />

Teilnehmer (Leif Pareli,<br />

Siegmar Nahser) verlangten erneut eine<br />

Einbeziehung von Sammlungen aus<br />

Dänemark, besonders Grönlands, und<br />

aus den USA, insbesondere Alaskas.<br />

Die Initiatoren konnten ihr Bemühen<br />

nachweisen, weitere Sammlungsleiter<br />

und Kuratoren für dieses Projekt gewonnen<br />

zu haben. Zusagen zur weiteren<br />

Beteiligung lagen aus Frankreich<br />

(Guille Pacaud, Autun) und den USA<br />

(James Pepper Henry, Anchorage) vor.<br />

Die nächste Sitzung des Komitees<br />

wird für den Herbst <strong>2011</strong> im Nationalmuseum<br />

der Republik Tatarstan in<br />

Kasan ins Auge gefasst.<br />

Teilnehmer: Gulchachak R. Nazipova<br />

(Kasan, Republik Tatarstan), A.<br />

Borisovna (<strong>ICOM</strong> Russland), Elizabeta<br />

A. Sidorova, Ulyana A. Vinokurova,<br />

Agafija E. Zakharova, Yegor S.<br />

Shishigin (alle vier Jakutsk), Siegmar<br />

Nahser (Berlin), Feodosiya V. Gabysheva<br />

(Republik Sacha/Russische Föderation),<br />

Leif Pareli (<strong>ICOM</strong> Norwegen),<br />

Knut Wik (Advisory Committee<br />

von <strong>ICOM</strong>), Vladimir I. Tolstoi (<strong>ICOM</strong><br />

Rußland).<br />

Dr. Siegmar Nahser ist als Oberkustos am<br />

Eth nologischen Museum, Staatliche Museen<br />

zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, tätig. Er<br />

leitet die Sammlung Ost- und Nordasien;<br />

s.nahser@smb.spk-berlin.de.<br />

Weitere Informationen:<br />

http://arcticmuseum.com<br />

Literatur:<br />

Shishigin, Y. (Ed): Circumpolar Civilization in<br />

the World Museums: Yesterday, Today, Tomorrow.<br />

Museums of the Republic of Sakha<br />

(Yakutia) – Catalogue, Yakutsk 2009.


Museumsdepots und Depoteinrichtung<br />

Die Tagung fand am 4. und 5. März <strong>2011</strong> im ATRIUM,<br />

dem Zentrum Alter Kulturen, innerhalb des Archäologischen<br />

Museums Innsbruck, statt. Selbst die Organisatoren<br />

waren überrascht über die große Zahl von ca. 140 Teilnehmern,<br />

die mitunter von weit her angereist waren. Dies<br />

zeigte deutlich, dass Magazine und Depots, die in Museum<br />

eher ein Schattendasein fristen und im schlimmsten<br />

Fall als Entsorgungsraum dienen, im Blickpunkt des allgemeinen<br />

Interesses stehen. Die Problematik hinsichtlich einer<br />

adäquaten Aufbewahrung von Kunst- und Kulturgut<br />

wurde erstmals 1976 im Rahmen einer Tagung in Washington<br />

D.C., organisiert von der UNESCO, öffentlich diskutiert<br />

und ist heute aktueller denn je.<br />

Als herausragende Beiträge seien hier der Vortrag von<br />

Joachim Huber und Karl Reuter über den Bau und die<br />

Einrichtung des neuen Zentraldepots des Kunsthistorischen<br />

Museums in Wien genannt, so wie der Vortrag von Maruchi<br />

Yoshida und Lars Klemm, die sich mit der Projektentwicklung<br />

von Depotneubauten auseinander gesetzt haben.<br />

Beide Vorträge zeichneten sich dadurch aus, dass Depoträume<br />

nicht als repräsentative Bauten, sondern als funktio<br />

nelle Gebäude betrachtet wurden, deren Bau und Einrichtung<br />

einer guten Vorbereitung und Strukturierung<br />

bedürfen. Überdies zeigte sich im Fall des Zentraldepots<br />

des Kunsthistorischen Museums in Wien, dass das Hinzuziehen<br />

von externen Beratern sehr effizient war, da hier<br />

Expertenwissen einfließen konnte, dass im Museum nicht<br />

vorhanden war. Denn welcher Restaurator, Magaziner<br />

UMSCHAU<br />

Anfang März <strong>2011</strong> fand in Innsbruck ein Symposium zum Themenbereich „Erhalten<br />

und Bewahren von Sammlungsbeständen“ statt. Die Errichtung und das Manage ment<br />

von Depots zählen zu den zentralen Aufgaben eines Museums, stellen aber auch<br />

besondere Herausforderungen dar. Museumsexperten diskutierten über Lösungsmög<br />

lichkeiten konservatori scher, struktureller und finanzieller Depotprobleme.<br />

Helene Tello<br />

Bestände des Tiroler Landesmuseums wie diese Herbarien sind derzeit<br />

über neun Liegenschaften verteilt, die nur zum Teil den Ansprüchen<br />

an eine vertretbare Deponierung genügen. Mit dem geplanten<br />

Zentraldepot soll eine konservatorisch angemessene Lösung gefunden<br />

werden.<br />

Eines der Best-Practice-Beispiele: Das neue Depot des Alpenvereinsmuseums<br />

Innsbruck, das 2009 mit dem österreichischen Museumspreis<br />

ausgezeichnet wurde.<br />

oder Wissenschaftler beschäftigt sich qua seines Amtes<br />

beispielsweise mit dem Einsatz einer Bauteilaktivierung,<br />

die aber im angewandten Fall äußerst kosten- und energiesparend<br />

ist. Tagungen dieser Art sind im Zeitalter eines<br />

sich immer schneller drehenden Karussells von Veranstaltungen<br />

in den Museen von nicht zu unterschätzender Bedeutung.<br />

Sie machen deutlich, dass Kulturschaffende ein<br />

hohes Maß an Verantwortung für die Sicherheit und Zugänglichkeit<br />

der ihnen anvertrauten Kunst-und Kulturwerke<br />

zur Bewahrung unseres kulturellen Gedächtnisses<br />

haben.<br />

Die Organisation der Tagung war herausragend. Bei strahlendem<br />

Sonnenschein haben die österreichischen Kollegen<br />

nicht nur für einen reibungslosen Ablauf des Symposiums<br />

gesorgt, sondern ihre Gäste auch kulinarisch während der<br />

Tagung und der anschließenden Exkursion am folgenden<br />

Tag verwöhnt. Ihnen allen sie Dank, dass in diesem wunderbaren<br />

Rahmen nicht nur Kulturschaffende aus dem<br />

deutschsprachigen Raum, sondern auch aus England, unkompliziert<br />

miteinander ins Gespräch kommen konnten.<br />

Helene Tello ist als Restauratorin im Ethnologischen Museum, Staatliche<br />

Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, tätig. Sie betreut<br />

die Nord- und Südamerikanischen Sammlungen;<br />

h.tello@smb.spk-berlin.de<br />

Weitere Informationen:<br />

Programm und Abstracts:<br />

www.uibk.ac.at/archaeologie-museum/veranstaltungen<strong>2011</strong>.htm<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 57


UMSCHAU<br />

Europäisches Jahr der Freiwilligentätigkeit <strong>2011</strong>: Freiwillig. Etwas bewegen!<br />

Kultur ist Ehrensache – aber nicht hauptsächlich ehrenamtlich!<br />

Das Jahr <strong>2011</strong> wurde zum Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit<br />

ausgerufen – gleichzeitig wurde von den Vereinten<br />

Nationen zum zehnten Mal das Internationale Jahr<br />

des Ehrenamtes ausgelobt.<br />

Die Europäische Union unterstützt die Stärkung der aktiven<br />

Bürgerschaft mit insgesamt acht Millionen Euro. Dies<br />

macht deutlich, dass dem Phänomen der Ehrenamtlichkeit<br />

– allein in Europa engagieren sich hundert Millionen Menschen<br />

ehrenamtlich – eine große, ja sogar wachsende Aufmerksamkeit<br />

geschenkt wird. Schließlich sind durch entsprechende<br />

Tätigkeiten nicht nur der wirtschaftliche, sondern<br />

auch soziale, politische und schließlich der kulturelle Sektor<br />

der europäischen Völkergemeinschaft berührt. Politisch<br />

intendiert wird damit eine Förderung von Demokratie, Bürgersinn<br />

und Bürgerbeteiligung und nicht die Streichung von<br />

Planstellen.<br />

„Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern<br />

was du für dein Land tun kannst.“ So formulierte es J. F.<br />

Kennedy in seiner Antrittsrede als Präsident der Vereinig ten<br />

Staaten von Amerika am 20. Januar 1961. Diese altru is tische<br />

Einstellung hat durchaus auch in der institutionel len<br />

Verfasstheit der Kulturlandschaft Europas ihre Tra dition:<br />

Museen wären nie in der uns heute geläufigen Flächendeckung<br />

begründet worden, hätte nicht oft ein privates Sammler-<br />

oder Expositionsinteresse zunächst den Anstoß dazu<br />

gegeben.<br />

In Zeiten sich verschlankender öffentlicher Kassen liegt<br />

es daher nahe, nach hilfreich-helfenden Händen zu suchen.<br />

Schließlich ist das Spektrum möglicher Unterstützungsleistungen<br />

ausgesprochen vielfältig: Zeit-, Sach-, Kontakt- oder<br />

Wissensleistungen sind hier beispielhaft erwähnte Formen<br />

Europeana legt Ausbauschritte fest<br />

Strategischer Plan publiziert<br />

Derzeit wird ein zentrales Zugangsportal<br />

zum digitalisierten kulturellen Erbe in Europa<br />

ausgebaut – politisch und finanziell<br />

durch viele nationale und europäische Partner<br />

unterstützt. Der Vorstand von Europeana<br />

umfasst Vertreter aus zahlreichen<br />

kulturellen Verbänden – die Museen werden<br />

u. a. durch <strong>ICOM</strong> Europe repräsentiert und durch Monika<br />

Hagedorn-Saupe vertreten (s. <strong>Mitteilungen</strong> 2010, S.<br />

32). Die Europeana umfasst nach einer ersten großen<br />

Auf bauphase, an der sich viele Partner beteiligt haben, mehr<br />

als fünfzehn Millionen Nachweise. Europeana hat nun ihren<br />

strategischen Plan <strong>2011</strong>–2015 publiziert, in dem die<br />

Ausbauschritte für die kommenden Jahre festgelegt sind.<br />

Weitere Informationen:<br />

Strategischer Plan: www.europeana.eu<br />

Monika Hagedorn-Saupe für <strong>ICOM</strong> Europe:<br />

m.hagedorn@smb.spk-berlin.de<br />

58 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />

ehrenamtlichen Engagements. Dabei bedeutet Teilnahme<br />

zweifellos auch Teilhabe, deren Gegenwert im „symbolischen<br />

Kapital“ der Ehre zu begleichen ist. Auch unser Staatsoberhaupt<br />

ehrt das Ehrenamt durch würdige Veranstaltungen<br />

mit hoher symbolischer Aufladung.<br />

Das Ehrenamt zu fördern hat eine gesamtgesellschaftliche<br />

Berechtigung und eine gesellschaftspolitische Perspektive.<br />

Gleichwohl muss diese Förderung mit einer Forderung<br />

verbunden sein: der Forderung an die Träger, dass es kein<br />

Entweder-Oder sondern nur ein Sowohl-als-Auch geben<br />

darf, wenn es um die Abwägung zwischen ehrenamtlich unterstützter<br />

und hauptamtlich betriebener Kulturarbeit geht.<br />

Gerade im Hinblick auf die aktuellen gesellschaftlichen<br />

Trends (lebenslanges Lernen, Fachkräftemangel, Freizeitgesellschaft,<br />

Überalterung, Integration) bietet die Mobilisierung<br />

ehrenamtlichen Engagements ein großes Potential:<br />

Die Erschließung neuer Sammlungsbereiche oder die Entwicklung<br />

alternativer Vermittlungskonzepte seien hier exemplarisch<br />

erwähnt. Im interkulturellen Bereich könnten<br />

gerade kommunale Museen zu Foren eines transkulturellen<br />

Diskurses entwickelt werden, bei dem alle Beteiligten<br />

durch Wissens- und Erfahrungsaustausch gewinnen. In jedem<br />

Fall würde ein Beziehungsgeflecht von gegenseitigen<br />

Verpflichtungen entstehen – Kontakte, die ein zusätzliches<br />

gesellschaftliches Bindemittel darstellen können.<br />

Matthias Henkel<br />

Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Weitere Informationen:<br />

http://europa.eu/volunteering/de<br />

Kooperationsbündnis startet Spendenaufruf<br />

Aktion „Hilfe für Japan“<br />

Das schwere Erdbeben, der Tsunami und die Reaktorkatastrophe<br />

haben auch mehrere japanische Museen schwer<br />

getroffen.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> fördert die Aktion „Hilfe für Japan“,<br />

eine Initiative von MUSEUM AKTUELL, München, und<br />

„The Best in Heritage“, Zagreb.<br />

Auch Sie können helfen, den Wiederaufbau japanischer<br />

Mu seen zu unterstützen.<br />

Das Kooperationsbündnis für Japan, bestehend aus<br />

MUSEUM AKTUELL, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und „The Best in Heritage“<br />

Weitere Informationen:<br />

www.museum-aktuell.de


UMSCHAU<br />

Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Archäologisches Kulturgut, einschließlich des unter Wasser<br />

liegenden, ist die am stärksten gefährdete Kategorie der<br />

gefährdeten Kulturgüter Kolumbiens, vor allem in den abgelegenen<br />

Regionen. Heimliches Ausgraben und unerlaubte<br />

Ausfuhr sind die Antwort auf eine Nachfrage des internationalen<br />

Markts für Altertümer, der in letzter Zeit u. a.<br />

durch Internetverkäufe stark angestiegen ist.<br />

Der Internationale Museumsrat (<strong>ICOM</strong>) erarbeitet für<br />

die Krisen- und Konfliktregionen dieser Welt, die von Plünderungen<br />

und illegalem Handel mit Kulturgütern betroffen<br />

sind, sogenannte „Rote Listen“ des gefährdeten kulturellen<br />

Erbes und stellt diese Museen, Kunsthändlern, Sammlern<br />

sowie Zoll- und Polizeibeamten zur Verfügung mit<br />

dem Ziel, den Export oder Verkauf zu verhindern.<br />

Download:<br />

www.icom-deutschland.de/publikationen.php<br />

Broschüre zu bestellen bei:<br />

<strong>ICOM</strong> Secretariat, Maison de l‘UNESCO<br />

1, rue Miollis, F - 75732 Paris Cedex 15<br />

Tel.: +33 1 47340500, Fax: +33 1 43067862<br />

E-Mail: secretariat@icom.museum<br />

Rote Liste der gefährdeten Kulturgüter<br />

Kolumbiens<br />

herausgegeben von <strong>ICOM</strong>,<br />

Paris 2010, 8 Seiten<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur<br />

Museologie · Band 3<br />

Die Ethik des Sammelns<br />

Tagungsband zur Jahrestagung von<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> 2010, Berlin <strong>2011</strong>,<br />

180 Seiten, ISBN 978-3-00-034461-9,<br />

Preis: 15 Euro, zzgl. Versand<br />

(Für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und<br />

Tagungsteilnehmer: 10 Euro, zzgl. Versand)<br />

Wenn sich Museen im Spannungsfeld von Etatknappheit<br />

und ungesteuertem Objektzustrom bewegen, geraten die<br />

Grundsätze des Sammelns, einer musealen Kernaufgabe,<br />

zur Herausforderung. Wegen der großen Bedeutung der<br />

Sammlungstätigkeit für die Ausbildung von Geschichtsbewusstsein,<br />

Kultur- und Naturverständnis müssen Museen<br />

ihre grundsätzliche Haltung zum Sammeln ständig überprüfen.<br />

Der Tagungsband vereinigt fünfzehn Referate der<br />

fünf Themenrunden sowie einige Beiträge der „Open Box“,<br />

die auf der Jahrestagung 2010 vom 23. bis 25. September<br />

2010 im Grassi Museum in Leipzig gehalten worden sind.<br />

Unter dem Aspekt der musealen Verantwortung werden in<br />

den Beiträgen vielfältige Fragen der Erwerbspolitik und<br />

Sammlungsstrategien, Provenienzfragen, Fragen zum Umgang<br />

mit Privatsammlungen und neue Konzepte durchaus<br />

kontrovers diskutiert.<br />

Zu bestellen bei:<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, In der Halde 1, 14195 Berlin<br />

Tel.: +49 30 69504525, Fax: +49 30 69504526<br />

E-Mail: icom@icom-deutschland.de<br />

Bestellung | Hiermit bestelle ich folgende Publikationen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> aus der Liste der lieferbaren Schriften:<br />

Stk. Das Museum und die Dritte Welt. Hrsg. Hermann Auer, 1981, 357 Seiten, ISBN 3-598-10346-8 5,00 €<br />

Stk. Chancen und Grenzen moderner Technologien im Museum. Hrsg. Hermann Auer, 1986, 241 Seiten, ISBN 3-598-10631-9 5,00 €<br />

Stk. Museologie – Neue Wege – Neue Ziele. Hrsg. Hermann Auer, 1989, 289 Seiten, ISBN 3-598-10809-5 5,00 €<br />

Stk. Museum und Denkmalpflege. Hrsg. Hermann Auer, 1992, 257 Seiten, ISBN 3-598-11107-X 12,00 €<br />

Stk. Reif für das Museum? Ausbildung – Fortbildung – Einbildung. Hrsg. Hans-Albert Treff, 1995,<br />

258 Seiten, ISBN 3-87023-050-9 10,00 €<br />

Stk. Museen unter Rentabilitätsdruck. Engpässe – Sackgassen – Auswege. Hrsg. Hans-Albert Treff, 1998,<br />

279 Seiten, ISBN 3-00-002395-X 20,00 €<br />

Stk. Das Museum als Global Village. Versuch einer Standortbestimmung am Beginn des 21. Jahrhunderts.<br />

Hrsg. Hans-Martin Hinz, 2001, 162 Seiten, ISBN 3-631-37692-8 15,00 €<br />

Stk. Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum. Hrsg. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

<strong>ICOM</strong> Frankreich und Deutsches Technikmuseum, 2009, 166 Seiten, ISBN 978-3-631-58095-0 15,00 €*<br />

bitte abtrennen<br />

Stk. Definition des CIDOC Conceptual Reference Model, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 1,<br />

hrsg. und übersetzt aus dem Engl. von K. -H. Lampe, S. Krause, M. Doerr, 2010, 208 Seiten, ISBN 978-3-00-030907-6 10,00 €<br />

Stk. Ethische Richtlinien für Museen von <strong>ICOM</strong>. Hrsg. <strong>ICOM</strong> Schweiz, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>ICOM</strong> Österreich, 2010,<br />

32 Seiten, ISBN 978-3-9523484-5-1 4,00 €<br />

Stk. Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus. Tagungsband des Internationalen Bodensee­Symposiums 2009.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 2, hrsg. von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, 2010, 176 Seiten, ISBN 978-3-00-028961-3<br />

15,00 €**<br />

Stk. Die Ethik des Sammelns. Tagungsband zur Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> 2010.<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 3, hrsg. von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>2011</strong>, 180 Seiten, ISBN 978-3-00-034461-9<br />

15,00 €* (ab September <strong>2011</strong> lieferbar)<br />

* 10,00 € für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und für Tagungsteilnehmer ; **10,00 € für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und <strong>ICOM</strong>OS sowie für Tagungsteilnehmer<br />

Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten. Eine Mehrwertsteuer wird nicht erhoben.


Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

14. Mai <strong>2011</strong><br />

Nacht der Museen<br />

http://nuitdesmusees.culture.fr<br />

15. Mai <strong>2011</strong><br />

Internationaler Museumstag<br />

Museum and Memory – Museen, unser Gedächtnis!<br />

www.museumstag.de<br />

http://icom.museum/imd.html<br />

21. Mai <strong>2011</strong><br />

„Kultur gut stärken“<br />

Bundesweiter Aktionstag für kulturelle Vielfalt und gegen<br />

Kulturabbau<br />

http://kulturstimmen.de/<br />

22. bis 25. September <strong>2011</strong>, Budapest<br />

Ungarisches Nationalmuseum<br />

Jahrestagung und Mitgliederversammlung<br />

von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

Gemeinsame Tagung mit <strong>ICOM</strong> Ungarn<br />

Ways to the Museum – Ways through the Museum.<br />

Education and Career of Young Museum Professionals<br />

Konferenzsprache Englisch<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Bitte im ausreichend frankierten Umschlag einsenden.<br />

Oder Bestellung von Newsletter oder Publikationen an:<br />

icom@icom-deutschland.de bzw. per Fax an: +49 30 69504526<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

In der Halde 1<br />

14195 Berlin<br />

Bitte senden Sie mir die Publikationen und die Rechnung an folgende Adresse:<br />

Vorname<br />

Name<br />

Institution<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Datum<br />

E-Mail<br />

2. bis 5. Oktober <strong>2011</strong>, Bad Staffelstein<br />

Kloster Banz<br />

Jahrestagung von ICME<br />

Dissolving boundaries. Museological Approaches to<br />

National, Social and Cultural Issues<br />

www.icme.icom.museum<br />

24. bis 26. Oktober <strong>2011</strong>, Berlin<br />

Deutsches Historisches Museum<br />

Jahrestagung von ICEE<br />

Go International! The Challenge of Creating International<br />

Exhibitions<br />

www.icee.icom.museum<br />

31. Oktober bis 3. November <strong>2011</strong>, Berlin<br />

Museen Dahlem (Staatliche Museen zu Berlin)<br />

Jahrestagung von COMCOL, CAMOC, <strong>ICOM</strong> Europe<br />

Participative Strategies in Documenting the Present<br />

www.comcol-icom.org, www.camoc.icom.museum,<br />

www.icom-europe.org<br />

16. bis 18. November <strong>2011</strong>, Köln<br />

EXPONATEC COLOGNE<br />

Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung und<br />

Kulturerbe<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird mit einem eigenen Stand<br />

auf der Messe vertreten sein. <strong>ICOM</strong>-Mitglieder haben<br />

freien Eintritt.<br />

www.exponatec.de<br />

Unterschrift<br />

bitte abtrennen<br />

hier falzen<br />

Ich bin Mitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und möchte den <strong>ICOM</strong>-Newsletter<br />

per E-Mail an folgende Adresse erhalten:


Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Mai 2012<br />

Internationaler Museumstag<br />

Museums in a Changing World.<br />

New Challenges – New Inspiration<br />

Das genaue Datum des Internationalen Museumstags<br />

für <strong>Deutschland</strong> und eine Übersetzung des<br />

Mottos ins Deutsche werden demnächst bekannt<br />

gegeben.<br />

www.museumstag.de<br />

http://icom.museum/imd.html<br />

vorauss. Juni 2013, Rio de Janeiro (Brasilien)<br />

23. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />

Das genaue Datum und das Motto stehen noch<br />

nicht fest.<br />

www.icom.museum<br />

Die aktuellen Termine der Tagungen der internationalen<br />

Komitees finden Sie unter:<br />

http://icom.museum/calendar.html<br />

Vorstand<br />

Präsident:<br />

Dr. Klaus Weschenfelder, praesident@icom-deutschland.de<br />

Vorstandsmitglieder:<br />

Dr. Matthias Henkel, matthias.henkel@stadt.nuernberg.de<br />

Prof. Dr. Lothar Jordan, iclm.jordan@gmx.de<br />

Dr. Franziska Nentwig, gendir@stadtmuseum.de<br />

Dr. Gabriele Pieke, gabriele.pieke@topoi.org<br />

Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch,<br />

beate.reifenscheid@ludwigmuseum.org<br />

Dr. Stéphanie Wintzerith, swi@wintzerith.de<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Dr. Klaus Weschenfelder<br />

Johanna Westphal M. A.<br />

Geschäftsstelle <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Johanna Westphal M.A.<br />

Beate von Törne M.A.<br />

Juliana Ullmann M.A.<br />

In der Halde 1, 14195 Berlin<br />

Tel.: +49 30 69504525<br />

Fax: +49 30 69504526<br />

icom@icom-deutschland.de<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Redaktion: Anke Ziemer M.A., a.ziemer@t-online.de<br />

Gestaltung: Claudia Heckel, Berlin, www.besseresdesign.de<br />

Druck: Oktoberdruck, Berlin<br />

Copyrights liegen bei den Autoren und Fotografen.<br />

Inhaber von Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten,<br />

bitten wir um Kontaktaufnahme.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht<br />

unbedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber.


Aktuelle Informationen finden Sie unter<br />

www.icom-deutschland.de<br />

Informationen über den Weltverband, seine Komitees<br />

und Projekte können Sie aufrufen unter<br />

www.icom.museum<br />

<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

In der Halde 1 · 14195 Berlin<br />

TELEFON +49 30 69504525<br />

FAX +49 30 69504526<br />

icom@icom-deutschland.de · www.icom-deutschland.de<br />

Gefördert aus Mitteln des

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