ICOM Deutschland Mitteilungen 2011
ICOM Deutschland Mitteilungen 2011
ICOM Deutschland Mitteilungen 2011
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<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
<strong>Mitteilungen</strong> <strong>2011</strong><br />
ISSN 1865-6749 | Heft 33 (18. Jahrgang)<br />
<strong>ICOM</strong> UNTER DEUTSCHER FÜHRUNG<br />
Hans-Martin Hinz zum Präsidenten gewählt<br />
WEGE INS MUSEUM – WEGE IM MUSEUM<br />
Wie Karrieren in Museumsberufen gelingen können<br />
WORAN WIR UNS MORGEN ERINNERN WERDEN<br />
Ist das kulturelle Gedächtnis noch zu retten?
WWW.EXPONATEC.DE<br />
16. –18. NOVEMBER <strong>2011</strong><br />
INTERNATIONALE FACHMESSE FÜR MUSEEN,<br />
KONSERVIERUNG UND KULTURERBE<br />
Die Museumsmesse im deutschsprachigen Raum<br />
Koelnmesse GmbH<br />
Messeplatz 1, 50679 Köln<br />
Tel. 0221 821-0<br />
Fax 0221 821-3734<br />
exponatec@koelnmesse.de<br />
Fotos: Wolfgang Stäbler, szenum <strong>2011</strong>/Sabine Jank, ICLM, Andreas<br />
Praefcke, Elke Schneider, Stéphanie Wintzerith, Stéphanie Wintzerith,<br />
Andrea Prehn, Helinä-Rautavaara-Museum, Landesdenkmalamt<br />
Berlin/Claudia Melisch<br />
Großes Titelfoto:<br />
Jeffrey Shaw: The Legible City, 1989, interaktive Computerinstallation<br />
(Sammlung ZKM)<br />
Die Installation „The Legible City“ besteht aus einer Projektionsfläche,<br />
vor der ein Fahrrad positioniert ist. Auf der Projektionsfläche<br />
wird die Architektur einer Stadt in Form von Buchstaben abgebildet,<br />
die der Museumsbesucher mit dem Fahrrad erkunden kann.<br />
„The Legible City“ wurde u. a. auf der Ars Electronica in Linz, auf der<br />
World Design Expo Artec ’89 und in der Ausstellung „Die algorithmische<br />
Revolution“ des Zentrums für Kunst und Medientechnologie<br />
in Karlsruhe (ZKM) gezeigt.<br />
Heft 33 (18. Jahrgang)<br />
Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr<br />
Auflage: 5.300<br />
Gefördert durch die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> mit einer<br />
Zuwendung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und<br />
Medien<br />
Berlin, Mai <strong>2011</strong><br />
ISSN 1865-6749
EDITORIAL<br />
Liebe Leserinnen und Leser, Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg<br />
im November vergangenen Jahres wurde Hans-Martin Hinz<br />
zum Präsidenten des Internationalen Museumsrates gewählt.<br />
Wir gratulieren ihm dazu ganz herzlich und wünschen<br />
ihm als dem ersten deutschen Museumsexperten in<br />
dieser Position viel Erfolg für die kommenden Jahre.<br />
An Herausforderungen fehlt es nicht. Zum einen gilt es,<br />
die Museen weltweit im Kampf gegen den illegalen Handel<br />
mit dem kulturellen Erbe zu unterstützen und sie auf den<br />
Umgang mit den in jüngster Zeit immer deutlicher werdenden<br />
und mit immer dramatischeren Folgen auftretenden<br />
Bedrohungen durch Naturkatastrophen oder bewaffnete<br />
Konflikte vorzubereiten.<br />
Zum anderen zeichnen sich auch in relativ sicheren und<br />
überdies wohlhabenden Industrienationen wenig erfreuliche<br />
Tendenzen in der Haltung politisch Verantwortlicher<br />
gegenüber der Museumslandschaft ab, die sich in teilweise<br />
drastischen Mittelkürzungen, in einer mancherorts zu beobachtenden<br />
Gängelung von Institutionen und einem bisweilen<br />
sehr ruppigem Umgang mit verdienten Kolleginnen<br />
und Kollegen ausdrücken.<br />
Bedenklich stimmt, wenn solche Maßnahmen nicht allein<br />
die Folgen der finanziellen Krisen öffentlicher Haushalte<br />
sind, sondern, wie Dirk Schümer in den Niederlanden<br />
beobachtete, Ausdruck einer wachsenden Kulturfeindlichkeit<br />
in politischen Milieus, wo es inzwischen als chic gilt,<br />
Ressentiments gegen die Kultur zu pflegen (FAZ vom<br />
8. März <strong>2011</strong>).<br />
Dies ist besonders unverständlich, wenn man bedenkt,<br />
welche Attraktivität Museen auf ihr Publikum ausüben,<br />
wenn man bedenkt, welche Leistungen sie in der Vermitt-<br />
lung kultureller Bildung und in der Entwicklung von Identität<br />
erbringen. Damit tragen Museen zur Stabilisierung<br />
von Gesellschaften bei, sind mithin systemrelevant und verdienten<br />
eigentlich einen „Rettungsschirm“ anstelle der<br />
Steine, die man ihnen oft genug in den Weg rollt.<br />
Um sich weiterhin behaupten zu können und um die Zustimmung<br />
nicht nur in den breiten Kreisen der Bevölkerung<br />
zu behalten, die zu den immerhin 100 Millionen im<br />
vergangenen Jahr in <strong>Deutschland</strong> gezählten Museumsbesuchen<br />
führte, sondern auch bei politischen Entscheidungsträgern,<br />
ist es wichtig, die Glaubwürdigkeit des Museums<br />
zu erhalten, seine Integrität und seine Authentizität zu wahren.<br />
Durch sein einzigartiges professionelles Netzwerk,<br />
durch die Formulierung von ethischen und fachlichen Leitlinien<br />
und durch Maßnahmen zur Verdeutlichung der Relevanz<br />
von Museen in unserer Gesellschaft kann <strong>ICOM</strong><br />
dazu beitragen. Auch die gemeinsame Jahrestagung von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>ICOM</strong> Ungarn in diesem Jahr<br />
steht in diesem Zeichen. Auf die an Museen und Kulturschätzen<br />
so reiche, charmante und dynamische Stadt Budapest<br />
und auf die Begegnungen mit der spannenden ungarischen<br />
Museumsszene dürfen wir uns freuen.<br />
Klaus Weschenfelder<br />
Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>
INHALT<br />
AKTUELLES<br />
Grußwort von Hans-Martin Hinz ..............................4<br />
Neuordnung der Mitgliedsbeiträge<br />
Erläuterungen zur studentischen Mitgliedschaft ..................5<br />
Museen, unser Gedächtnis!<br />
34. Internationaler Museumstag <strong>2011</strong> ............................6<br />
Substanz und Ethik in der Konservierung<br />
digitaler Medienkunst<br />
Gastbeitrag von Bernhard Serexhe ...............................8<br />
Wege ins Museum – Wege im Museum<br />
Einladung zur Jahrestagung und Mitgliederversammlung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>2011</strong> .................................. 11<br />
Neue und bekannte Köpfe für große Aufgaben<br />
Der neugewählte Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ............. 12<br />
RÜCKBLICK<br />
Museums for Social Harmony<br />
Höhepunkte der 22. Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> ............... 16<br />
„Nun hab’ ich’s.“ – Die Ethik des Sammelns<br />
Höhepunkte der Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ......... 22<br />
Tätigkeitsbericht 2009/2010 des Präsidenten von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ........................................... 27<br />
Protokoll der Mitgliederversammlung .......................... 29<br />
2 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Foto: Marc Wathieu<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
28. Januar <strong>2011</strong>: Ein kulturhistorisches Desaster<br />
nimmt seinen Lauf<br />
<strong>ICOM</strong> und CIPEG reagieren auf die Bedrohung<br />
von Kulturgütern in Ägypten .................................. 30<br />
Deutsche Mitglieder in offiziellen Positionen bei <strong>ICOM</strong> ..... 32<br />
Die internationalen Komitees stellen sich vor<br />
International Committee for the Collections and Activities of<br />
Museums of Cities (CAMOC) .................................. 35<br />
International Committee for Collecting (COMCOL) ............. 36<br />
CIDOC-Arbeitsgruppe: Transdisciplinary Approaches in<br />
Documentation ............................................... 37<br />
Tagungsberichte<br />
Technologies Serving Museum<br />
AV<strong>ICOM</strong> – International Committee for Audiovisual<br />
and Image and Sound New Technologies ...................... 38<br />
Museums for Social Harmony<br />
CECA – International Committee of Education and<br />
Cultural Action ................................................ 39<br />
Museums in Intercultural Dialogue<br />
CIDOC – International Committee of Documentation .......... 40<br />
Common Grounds for Museums in a Global Society<br />
CIMAM – International Committee for Museums and<br />
Collections of Modern Art ..................................... 41<br />
University Museums and Collections as Recorders of<br />
Cultural and Natural Communities<br />
CIPEG – International Committee for Egyptology ............... 42<br />
Chinese Costume: Material, Technology and Fashion<br />
COSTUME – International Committee for Museums and<br />
Collections of Costume ........................................ 43<br />
Foto: Leif Pareli, <strong>ICOM</strong> Norwegen
From Silk Road to Container Ship: Artefacts, Environment<br />
and Cultural Transfer<br />
GLASS – International Committee for Museums<br />
and Collections of Glass ....................................... 44<br />
From Silk Road to Container Ship: Artefacts, Environment<br />
and Cultural Transfer<br />
ICDAD – International Committee of Decorative<br />
Arts and Design ............................................... 45<br />
Museums for Social Harmony<br />
ICEE – International Committee for Exhibition Exchange ........ 46<br />
Übersetzungen in Literaturmuseen<br />
ICLM – International Committee for Literary Museums .......... 47<br />
Security of the Public and the Cultural Relics When Moving<br />
ICMS – International Committee on Museum Security .......... 48<br />
A New Global Ethics on Deaccessioning and Return of<br />
Cultural Heritage<br />
ICOFOM – International Committee for Museology ............. 49<br />
Museums for Social Harmony<br />
ICR – International Committee for Regional Museums .......... 50<br />
Different Approaches and New Challanges for the Training<br />
of Museum Professionals<br />
ICTOP – International Committee for the Training of Personnel . 51<br />
Kommunikation und neues Publikum<br />
MPR – International Committee for Marketing<br />
and Public Relations ........................................... 52<br />
Biodiversity and Climate Change – A Multicultural Approach<br />
NATHIST – International Committee for Museums and<br />
Collections of Natural History .................................. 53<br />
Foto: stumptownpanda<br />
UMSCHAU<br />
Hamburg: Museen in Gefahr<br />
Welche Zukunft hat das Altonaer Museum? .................... 54<br />
Leben im hohen Norden<br />
Projekt „Circumpolar Civilisation“ geht in die nächste Runde .... 56<br />
Museumsdepots und Depoteinrichtungen<br />
Symposium mit starker Beteiligung ............................ 57<br />
Kultur ist Ehrensache – aber nicht hauptsächlich<br />
ehrenamtlich!<br />
Europäisches Jahr der Freiwilligentätigkeit <strong>2011</strong> ................ 58<br />
Strategischer Plan publiziert<br />
Europeana legt Ausbauschritte fest ............................ 58<br />
Aktion „Hilfe für Japan“<br />
Kooperationsbündnis startet Spendenaufruf ................... 58<br />
Publikationen ................................................. 59<br />
Veranstaltungen .............................................. 60<br />
Vorstand / Impressum ......................................... 61<br />
Foto Henning Homann<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 3
AKTUELLES<br />
„Meine Erfahrungen aus der Arbeit für <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> nehme ich nun<br />
mit in das Amt des Präsidenten von <strong>ICOM</strong>.“<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
seit meiner Wahl zum Präsidenten von <strong>ICOM</strong> sind erst wenige<br />
Monate vergangen. Am 12. November 2010 hat mich<br />
die Generalversammlung von <strong>ICOM</strong> in Schanghai zum Präsidenten<br />
des Weltverbandes für die nächsten drei Jahre gewählt.<br />
Ich freue mich, dass mir als erstem deutschen Kandidaten<br />
das höchste Ehrenamt des größten internationalen<br />
Kulturverbandes anvertraut worden ist.<br />
Und es macht mich stolz, dass damit auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
eine besondere weltweite Anerkennung entgegengebracht<br />
wird, die zum einen der Bedeutung unseres Nationalkomitees<br />
als mitgliederstärkstes Komitee innerhalb des<br />
Verbandes entspricht und zum anderen die hervorragende<br />
Arbeit des Nationalkomitees würdigt.<br />
Ich selbst bin 1992 Mitglied von <strong>ICOM</strong> geworden und<br />
habe es von Anfang an als großen Ertrag gesehen, im internationalen<br />
Dialog zu hören und zu sehen, wie weltweit<br />
Museumsarbeit geleistet wird und welche Gedanken, Konzeptionen<br />
und Ziele dem zugrunde liegen. Als Präsident<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> (1999–2004) und <strong>ICOM</strong> Europe<br />
(2002–2005) habe ich es als Privileg angesehen, den Verband<br />
mitzugestalten und die internationale Perspektive von<br />
Kulturpolitik und Museumsarbeit in den Mittelpunkt zu<br />
rücken. Sie werden sich an die vielen internationalen Kooperationen<br />
erinnern, die <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> durchgeführt<br />
hat und die uns im Gesamtverband bekannt gemacht<br />
haben. Diese Erfahrungen nehme ich nun mit in das Amt<br />
des Präsidenten von <strong>ICOM</strong>.<br />
Auch hier gehört es zu meinen Zielen, den internationalen<br />
Dialog zu fördern, die Professionalität zu steigern und<br />
4 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
<strong>ICOM</strong> als Weltverband eine noch gewichtigere Stimme zu<br />
verleihen. Die Arbeit der Komitees ist mir sehr wichtig<br />
und auch der Rahmen, in dem sich die Arbeit vollzieht. Sie<br />
wissen, dass es dazu den Strategischen Plan 2008–2010<br />
gab. Ich denke, er hat sich sehr bewährt, und auch der<br />
künftige Plan, der derzeit entwickelt wird, ist von großer<br />
Bedeutung für das Selbstverständnis unserer internationalen<br />
Arbeit.<br />
Eines der für die Museumsarbeit und die Gesellschaft generell<br />
wichtigsten Instrumentarien ist und bleibt der <strong>ICOM</strong><br />
Code of Ethics for Museums, mit dem <strong>ICOM</strong> ein moralisch<br />
wichtiges Instrumentarium besitzt, sich überall auf der<br />
Welt für den Schutz des kulturellen Erbes einzusetzen. Dies<br />
betrifft die Alltagsarbeit in den Museen ebenso wie große<br />
Konfliktfelder etwa in Krisengebieten der Erde, in denen<br />
Museen und ihre Sammlungen gefährdet sind.<br />
Es ist wichtig, dass auch staatliche Stellen den <strong>ICOM</strong><br />
Code of Ethics for Museums anerkennen und sich an den<br />
dort gemachten Empfehlungen orientieren. In <strong>Deutschland</strong><br />
hat erfreulicherweise der Deutsche Bundestag mit der Annah<br />
me des Berichtes der Enquete-Kommission „Kultur in<br />
<strong>Deutschland</strong>“ im Jahre 2007 den <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for<br />
Mu seums als Grundlage der Museumsarbeit in <strong>Deutschland</strong><br />
bezeichnet.<br />
<strong>ICOM</strong> ist ein Weltverband im Wandel. Das betrifft zum<br />
einen den rasanten Anstieg der Zahl der Mitglieder, um<br />
deren aktive Mitarbeit in den internationalen Komitees wir<br />
intensiver werben müssen. Dies betrifft auch das Management<br />
des Weltverbandes. Seit Herbst 2008 restrukturiert<br />
der Generaldirektor von <strong>ICOM</strong>, Julien Anfruns, das Sekretariat<br />
in Paris mit dem Ziel einer besseren Mitgliederbetreuung<br />
und Straffung der Organisation. Aus meinen<br />
eigenen Begegnungen kann ich die Kompetenz der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter nur loben und ich weiß, dass<br />
Ihr Engagement für <strong>ICOM</strong> in Paris sehr gewürdigt wird.<br />
Wie in allen Umstrukturierungsprozessen ist es auch zu<br />
Problemen gekommen, die die Transparenz, das Timing und<br />
die Kommunikation betreffen. Daran wird gearbeitet und<br />
ich bin sicher, dass es sich nur um Probleme des Übergangs<br />
handelt.<br />
Bitte lassen Sie es mich wissen, was Ihnen in <strong>ICOM</strong>-Angelegenheiten<br />
am Herzen liegt.<br />
Für heute verbleibe ich mit freundlichen Grüßen<br />
Ihr<br />
Hans-Martin Hinz<br />
Foto: <strong>ICOM</strong>
Neuordnung der Mitgliedsbeiträge<br />
Die Generalversammlung von <strong>ICOM</strong> hatte im Juni 2009 beschlossen,<br />
eine neue Gebührenordnung für institutionel le<br />
Mitglieder in Kraft zu setzen, bei der sich der Mitgliedsbeitrag<br />
an der Höhe des Jahresbudgets der Institution bemisst.<br />
Im November 2010 wurde diese neue Gebührenordnung<br />
noch einmal angepasst, um vor allem Institutionen mit einem<br />
hohen Jahresbudget finanziell zu entlasten. Auch wurde eine<br />
neue Regelung bezüglich der Anzahl der institu tio nellen<br />
Mitgliedsausweise beschlossen.<br />
Die neue Gebührenordnung bedeutete für die meisten unserer<br />
institutionellen Mitglieder einen höheren finanziellen<br />
Aufwand, für sehr große Häuser war die Steigerung des<br />
Beitrags erheblich. Ich weiß, dass angesichts angespannter<br />
Haushalte Mitgliedsbeiträge oft zuerst auf den Prüfstand<br />
gestellt werden. Deshalb freut es mich umso mehr, dass nicht<br />
nur die meisten unserer Mitglieder die Neuordnung mitgetragen<br />
haben und dem Verband treu geblieben sind, sondern<br />
dass wir auch neue Mitglieder gewinnen konnten.<br />
Studentische Mitgliedschaft – Nachwuchspflege in einem<br />
Berufsverband<br />
Der Internationale Museumsrat <strong>ICOM</strong> kennt seit geraumer<br />
Zeit die Kategorie der studentischen Mitgliedschaft zu<br />
einem reduzierten Beitrag. Leitendes Prinzip bei dieser Regelung<br />
ist nicht der Gedanke der Vergünstigung für Studierende,<br />
sondern die Profilierung des Berufsverbandes durch<br />
die Einbindung des spezialisierten Museumsnachwuchses.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat im vergangenen Jahr beschlossen,<br />
die studentische Mitgliedschaft einzuführen und sie mit den<br />
gleichen Rechten wie die reguläre Mitgliedschaft zu versehen<br />
(im Weltverband allerdings haben Mitglieder mit dem<br />
Status student, non voting kein Stimmrecht). Leider haben<br />
wir es versäumt, alle Details bezüg lich ei ner solchen<br />
Mitgliedschaft ausreichend zu kommu nizie ren. Viele Anfragen<br />
haben uns erreicht und es wurde sehr viel individuelle<br />
Aufklärungsarbeit durch die Geschäftsstelle geleistet.<br />
Wer kann studentisches Mitglied werden?<br />
AKTUELLES<br />
- Studierende, die eine direkt auf die Museumstätigkeit hinführende<br />
akademische Ausbildung absolvieren (z. B. Museologie,<br />
Museumsmanagement),<br />
- Wissenschaftliche Volontäre am Museum.<br />
Wer ist von der studentischen Mitgliedschaft ausgeschlossen?<br />
- Wer bereits einen für einen Museumsberuf qualifizieren den<br />
Studienabschluss hat (Master, Magister, Diplom, Staatsexamen)<br />
und anschließend eine höhere Qualifikation anstrebt,<br />
- wer reguläres Mitglied bei <strong>ICOM</strong> ist, weil eine Tätigkeit<br />
in einem Museum oder in freier Mitarbeit überwiegend für<br />
ein oder mehrere Museen vorliegt, auch wenn der Betreffende<br />
an einer Hochschule eingeschrieben ist.<br />
<strong>ICOM</strong> muss unbedingt seinen Charakter als Berufsverband<br />
wahren, um im Wirkungsbereich der Nationalkomitees,<br />
aber auch international, als Vertretung der im Museum<br />
Tätigen anerkannt zu werden und glaubwürdig zu sein.<br />
Dies erfordert eine strenge Prüfung der Voraussetzungen<br />
für die Mitgliedschaft. Es ist leider nicht möglich, Studierenden,<br />
die allgemein an der Museumsarbeit interessiert sind,<br />
die Mitgliedschaft bei <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zu gewähren.<br />
Unsere studentischen Mitglieder, aus denen der Nachwuchs<br />
für die Museumsarbeit erwachsen sollte, laden wir<br />
nachdrücklich dazu ein, sich aktiv an der Arbeit des Internationalen<br />
Museumsrates <strong>ICOM</strong> auf nationaler und internationaler<br />
Ebene zu beteiligen.<br />
Klaus Weschenfelder<br />
Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
Bundesweiter AktionstAg Am 21. mAi <strong>2011</strong><br />
An diesem Tag werden Aktionen, Veranstaltungen, Ausstellungen, Lesungen, Konzerte,<br />
Tage der offenen Tür, Demonstrationen und vieles andere mehr stattfinden.<br />
www.icom-deutschland.de/mitgliedschaft-icom-mitgliedschaft.php
AKTUELLES<br />
34. Internationaler Museumstag:<br />
„Museen, unser Gedächtnis!“<br />
Seit <strong>ICOM</strong> den Internationalen Museumstag ins Leben gerufen hat, beteiligen sich<br />
weltweit immer mehr Museen an dieser Initiative. Im Jahr <strong>2011</strong> gibt es erstmals eine<br />
Kooperation mit dem UNESCO-Programm „Memory of the World“.<br />
Roslyn Russell berichtet von einem gemeinsamen Arbeitstreffen und der Vorstand<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> freut sich auch in diesem Jahr auf ein lebendiges Fest.<br />
Roslyn Russell<br />
Als Vorbereitung auf den Internationalen<br />
Museumstag <strong>2011</strong> fand im September<br />
2010 in Berlin ein Workshop<br />
statt, bei dem Vertreter des Internatio<br />
nalen Museumsrats (<strong>ICOM</strong>) und<br />
weiterer sogenannter Erinnerungsor -<br />
ganisationen über eine Zusammen arbeit<br />
im Rahmen des Internationalen<br />
Museumstages und seines Mottos diskutiert<br />
haben.<br />
Ich kam nach Berlin, um das Weltdokumentenerbe-Programm<br />
„Memory<br />
of the World“ der UNESCO zu vertreten.<br />
Der Workshop wurde vom Internationalen<br />
Komitee für Literatur- und<br />
Komponistenmuseen (ICLM) so wie<br />
der Vereinigung der Museen der Großregion<br />
(AMGR, bestehend aus dem<br />
„Wer entscheidet heute,<br />
woran wir uns morgen<br />
erinnern werden?“, fragt<br />
die UNESCO in ih rem<br />
Weltdokumentenerbe-Programm„Memory<br />
of the World“.<br />
Ziel des Programms<br />
ist, den weltweiten<br />
Zugang zu<br />
kul tu rell bedeutsa<br />
men Dokumenten<br />
zu sichern und das dokumentarische Erbe<br />
vor Zerstörung zu bewahren. Der Internationale<br />
Museumstag the ma tisiert mit seinem<br />
diesjährigen Motto die se gemeinsame Aufgabe.<br />
Museen bewahren in ihren Sammlungen<br />
zahlreiche Dokumente, die für unser kulturelles<br />
Gedächtnis grundlegend sind. Diese<br />
stehen im Mittelpunkt des 34. Internationalen<br />
Museumstages mit dem Motto „Museum<br />
6 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Saarland, Rheinland-Pfalz, Lothringen,<br />
Wallonien und Luxemburg) veranstaltet.<br />
Der Veranstaltungsort passte gut<br />
zum Thema „Erinnern“, da er sich in<br />
nächs ter Nähe von Orten befand, die mit<br />
tragischen Erinnerungen an die deutsche<br />
Geschichte des 20. Jahrhunderts<br />
verbunden sind. Der Workshop fand<br />
im Haus der Ständigen Vertretung des<br />
Saarlands statt, mit Blick auf das Denkmal<br />
für die ermordeten Juden Europas.<br />
Als Vorsitzende des International<br />
Advisory Committee des UNESCO-<br />
Programms „Memory of the World“<br />
bestand meine Aufgabe in dem Workshop<br />
darin, die Rolle der Museen im<br />
Rahmen dieses Programms darzule-<br />
and Memory“. In <strong>Deutschland</strong>, Österreich und<br />
der Schweiz feiern die Museen das Ereignis<br />
am Sonntag, 15. Mai <strong>2011</strong>, unter dem Slogan<br />
„Museen, unser Gedächtnis!“.<br />
Um die internationale Wahrnehmung des<br />
Museumsta ges zu stärken, wird dieser <strong>2011</strong><br />
zum ersten Mal in Zusam men arbeit mit dem<br />
UNESCO-Programm „Memory of the World“<br />
durchgeführt. <strong>Deutschland</strong> ist mit elf Einträgen<br />
im UNESCO-Register „Memory of the<br />
World“ vertreten, beispielsweise mit den ältesten<br />
Tondokumenten traditionel ler Musik<br />
aus den historischen Beständen des Berliner<br />
Phonogramm-Archivs, dem literarischen<br />
Nach lass Johann Wolfgang von Goethes und<br />
der Partitur der 9. Sinfonie Ludwig van Beethovens<br />
(s. <strong>Mitteilungen</strong> 2010, S.14–17).<br />
Der Internationale Museumstag <strong>2011</strong> lenkt<br />
den Blick der Besucher, der Kulturvermittler<br />
und -förderer und der Medien auf die Wichtigkeit<br />
und die Pflege des kulturellen Erbes<br />
und auch auf die Leistungen und die Probleme<br />
gen – beginnend mit ihrer Aufnahme<br />
in das UNESCO-Register, in dem das<br />
Weltdokumentenerbe auf internationa<br />
ler, regionaler und nationaler Ebene<br />
zusammengestellt ist.<br />
Museen sind in diesem Register weniger<br />
stark als Bibliotheken und Archive<br />
vertreten – von den aktuell 193<br />
Einträgen im UNESCO-Register stammen<br />
nur 23 aus Museen oder Museumseinrichtungen,<br />
obwohl gerade Museen<br />
bei der Sicherung von Erinnerung<br />
und deren Zugänglichmachung eine<br />
bedeutende Rolle spielen.<br />
Ferner habe ich die Gelegenheit genutzt,<br />
den Kollegen anderer Museen<br />
und Nichtregierungsorganisationen<br />
einige Beispiele der Arbeit des Natio-<br />
bei der Arbeit an den Dokumenten: von ihrer<br />
Konservierung und Pflege bis zur Vermittlung<br />
ihrer Bedeutung in Ausstellungen oder<br />
im Internet. Die Museen wollen dabei die gesellschaftliche<br />
Relevanz ihrer Dokumente<br />
und Objekte in ihrer Stadt und in ihrer Region<br />
deutlich machen und diskutieren.<br />
Auch andere Weltverbände des Kulturerbes<br />
wie Inter national Council on Archives<br />
(ICA), Coordinating Council of Audiovisual Archives<br />
Associations (CCAAA), International<br />
Federation of Library Associations and Institutions<br />
(IFLA) und International Council on<br />
Mo numents and Sites (<strong>ICOM</strong>OS) sind <strong>2011</strong><br />
erstmals Partner des Internationalen Museumstages.<br />
Kooperationen und gemeinsame<br />
Auftritte bringen diesen neuen Akzent <strong>2011</strong><br />
zur Geltung. Museen weltweit machen darauf<br />
aufmerksam, dass sie jeweils ihren Beitrag<br />
zum lokalen und zum menschheitlichen Gedächtnis<br />
leisten, dass sie Teile eines großen,<br />
weltumspannenden Netzes sind.
nal Museum of Australia und weiterer<br />
Sammeleinrichtungen vorzuführen, an<br />
denen das Dokumentenerbe und der<br />
darin enthaltene Erinnerungs schatz<br />
deutlich wird.<br />
Das National Museum und die National<br />
Library of Australia halten in<br />
gemeinsamer Arbeit die Geschichten<br />
der „Vergessenen Australier“ fest, der<br />
über einer halben Million Australier,<br />
die im 20. Jahrhundert als Kindermigranten<br />
oder aufgrund staatlicher Vormundschaft<br />
in Heimen oder ähnlichen<br />
Einrichtungen aufwachsen mussten,<br />
wodurch sie in ihren Lebenswegen oft<br />
großen Schaden genommen haben und<br />
auch heute noch unter schmerzhaften<br />
Erinnerungen leiden.<br />
Die Eröffnung der Ausstellung Inside:<br />
Life in Children’s Homes unter<br />
Leitung der Kuratoren Dr. Jay Arthur<br />
und Dr. Adele Chynoweth ist für November<br />
<strong>2011</strong> im National Museum of<br />
Australia geplant. Bisher ist sie zwar<br />
erst zu einem Teil fertig gestaltet, auf<br />
der Internetseite des National Mu seum<br />
www.nma.gov.au/blogs/inside stehen<br />
aber bereits Informationen zur Verfügung.<br />
Die Ausstellung wird in An er kennung<br />
dieser leidvollen Kindheitserfahrungen<br />
und zum Gedenken daran durch<br />
das australische Ministerium für Familie,<br />
Wohnen, Gemeinden und indigene<br />
Angelegenheiten finanziert.<br />
Jahrestage dienen als Inspiration<br />
Das Motto bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte,<br />
so dass jedes Museum mit seiner<br />
spezifischen Sammlung an diesem besonderen<br />
Tag teilnehmen kann:<br />
<strong>2011</strong> findet das Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit<br />
statt (s. auch S. 58).<br />
Vor 60 Jahren, im April 1951, wurde in Paris<br />
die Europäische Gemeinschaft für Kohle und<br />
Stahl („Montanunion“) gegründet.<br />
Am 15. Mai <strong>2011</strong> feiern die Menschen weltweit<br />
den von der UNO 1994 eingeführten<br />
Internationalen Tag der Familie.<br />
50 Jahre Deutsch-Türkisches Anwerbeabkommen:<br />
Von 1961 bis 1972 zogen rund<br />
750.000 Türken in die Bundesrepublik.<br />
Heute leben in <strong>Deutschland</strong> etwa drei Millionen<br />
Menschen mit türkischen Wurzeln.<br />
Der Internationale Museumstag wird vom<br />
Internationa len Museumsrat (<strong>ICOM</strong>) seit 1977<br />
jährlich ausgerufen. Er verfolgt das Ziel, auf die<br />
In der National Library wird das<br />
Pro jekt „Mündlich überlieferte Geschich<br />
te“ zu den „Vergessenen Australiern“<br />
von Dr. Joanna Sassoon geleitet.<br />
Auf der Internetseite Forgotten Australians:<br />
Our History (Vergessene Australier:<br />
Unsere Geschichte) unter http://<br />
for gotten australianshistory.gov.au/<br />
index.html sind Fotos und Dokumente,<br />
mündlich überlieferte Geschichten<br />
und weitere Zeugnisse der „Vergessenen<br />
Australier“ zugänglich.<br />
Eine der „Vergessenen Australier“,<br />
die im Rahmen des Projekts der National<br />
Library von ihren Erfahrungen<br />
berichtet haben, ist Wilma Robb. Ihre<br />
Geschichte wird sich auch in der Ausstellung<br />
Inside finden. Auf einem Seminar<br />
des Museums am 7. Oktober<br />
2010 sprach sie von ihren Erfahrun gen<br />
und dem Entschluss, ihre Geschichte<br />
zu erzählen, auch wenn die Erinnerungen,<br />
die dadurch aufkämen, „schrecklich“<br />
seien. Wilma ist überzeugt, dass<br />
es wichtig ist, „die Stimme hinter der<br />
Geschichte zu hören und die Fotos des<br />
kleinen Mädchens zu sehen, das mit<br />
fünf Jahren in ein Heim geschickt wurde“.<br />
1<br />
Was können Museen tun, um mehr<br />
Aufmerksamkeit auf die wichtige Rolle<br />
zu lenken, die sie bei der Sicherung,<br />
Erhaltung und Zugänglichmachung<br />
von Erinnerung spielen, die in allen<br />
Bedeutung und die Vielfalt der Mu seen aufmerksam<br />
zu machen. Gleichzeitig ermuntert er<br />
Besucherinnen und Besucher, die in den Einrichtungen<br />
bewahrten Schätze zu erkunden.<br />
Daher ist der Eintritt in die Museen an diesem<br />
Tag in der Regel frei. Seit 1992 wird der Tag von<br />
einem jährlich wechselnden Motto begleitet.<br />
Mit dem Anliegen, die Museumsland schaft<br />
in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken,<br />
steht der Internationale Museumstag in<br />
<strong>Deutschland</strong> seit Jahren für die kulturelle<br />
Vielfalt und den Kulturföderalismus unseres<br />
Landes. Hierzu gehört auch, dass die Koordination<br />
der Kampagne in enger Zusammenarbeit<br />
mit dem Deutschen Museumsbund<br />
und den Museumsverbänden auf Länder- und<br />
Bundesebene geschieht. Da die überwiegen<br />
de Zahl der Museen in <strong>Deutschland</strong> ihre<br />
Wirkung unmittelbar vor Ort entfaltet und<br />
gerade hier die Sparkassen-Finanzgruppe<br />
tra ditionell als Förderer von Kunst und Kultur<br />
wirkt, begrüßen die reg ionalen Museumsäm-<br />
AKTUELLES<br />
erdenklichen Arten von Dokumenten<br />
verborgen sind? Für den Inter natio nalen<br />
Museumstag <strong>2011</strong> hat <strong>ICOM</strong> ei ne<br />
Reihe von Schwerpunktthemen vorgeschlagen,<br />
u. a.:<br />
· Sicherung von und Zugang zu<br />
Samm lungen (einschließlich Dokumenten)<br />
· Museumsgeschichte: Was ist das Thema<br />
Ihres Museums?<br />
· Vergessene Erinnerung<br />
· Erinnern, Gemeinschaft und Identität<br />
<strong>ICOM</strong> wirbt mit Plakaten in 36<br />
Spra chen und einer Internetseite für<br />
das Motto „Museum and Memory“<br />
(„Museen, unser Gedächtnis“). Unter<br />
http://network.icom.museum/imd<strong>2011</strong>.<br />
html werden die obengenannten Themenbereiche<br />
vorgestellt und Beispiele<br />
für Umsetzungsmöglichkeiten sowie<br />
gemeinsame Projekte, die für den Internationalen<br />
Museumstag <strong>2011</strong> vorgeschlagen<br />
wurden und aus dem Workshop<br />
in Berlin hervorgegangen sind,<br />
präsentiert.<br />
Roslyn Russell (Australien) ist Vorsitzende des<br />
International Advisory Committee und Mitglied<br />
des Register-Sub-Committee des UN-<br />
ESCO-Programms „Memory of the World“.<br />
1 Rudra, Natasha: Painful stories of a country’s<br />
shame. In: Canberra Times vom 8.10.2010.<br />
ter und -verbände die Partnerschaft mit den<br />
Stiftungen und Verbänden der Sparkassen-Finanzgruppe<br />
in den Bundesländern.<br />
Die Schirmherrschaft für den Internationalen<br />
Museumstag in <strong>Deutschland</strong> wird vom<br />
Präsidenten des Bundesrates übernommen –<br />
im Jahr <strong>2011</strong> von der Ministerpräsidentin von<br />
Nordrhein-Westfalen, Frau Hannelore Kraft.<br />
Wir freuen uns mit Ihnen auf einen lebendigen<br />
Internationalen Museumstag <strong>2011</strong>, der zu<br />
einem Fest für die Besucher und die Mitarbeiter<br />
der Museen wird. Entscheiden Sie heute mit, woran<br />
die Menschheit sich morgen erinnern wird!<br />
Johanna Westphal<br />
Geschäftsführerin <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
www.museumstag.de<br />
<strong>ICOM</strong>: http://icom.museum/imd.html<br />
UNESCO-Programm „Memory of the World“:<br />
www.unesco.de/mow.html<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 7
AKTUELLES<br />
Substanz und Ethik in der Konservierung<br />
digitaler Medienkunst<br />
Die digitale Revolution hat Bedingungen hervorgebracht, die das Fortbestehen des<br />
kulturellen Gedächtnisses in Frage stellen. Die Auswirkungen dieses Systemwandels<br />
sind bisher kaum reflektiert worden. Auf welche Werte aber kann sich eine Gesellschaft<br />
stützen, die nur noch über ein eventorientiertes Kurzzeitgedächtnis verfügt?<br />
Gastbeitrag von Bernhard Serexhe<br />
Der Einblick in private und öffentliche Sammlungen zeigt,<br />
dass die Konservierungspraxis digitaler Medienkunst weit<br />
hinter den an traditioneller Kunst geschulten Erwartungen<br />
zurückbleibt. Es ist keineswegs ein Geheimnis, dass gerade<br />
die digitale Kunst mehr als andere Künste vom Verfall bedroht<br />
ist, dies aus den unterschiedlichsten zusammenwirkenden<br />
Gründen.<br />
Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln als Hauptaufgaben<br />
von Museen sind Strategien der Weitergabe des<br />
kulturellen Erbes. Indem man aber über das einzelne Werk,<br />
die damit verbundenen stilistischen Fragen und die jeweiligen<br />
Konservierungskonzepte hinausschaut, wird deutlich,<br />
dass zum Verständnis der Strukturen die grundsätzliche<br />
Frage nach der Bedingtheit und Zukunft des digitalen kulturellen<br />
Erbes gestellt werden muss. Den in der Digitalisierung<br />
des kulturellen Erbes begründeten Paradigmenwechsel<br />
zu analysieren und hieraus ein besseres Verständnis für<br />
die anstehenden strukturellen und institutionellen Verände<br />
rungen zu gewinnen, ist daher die Zielrichtung des Forschungsprojekts<br />
„Digital Art Conservation“.<br />
Das Forschungsprojekt „Digital Art Conservation“ zielt<br />
somit auf das Verstehen der Umstände, unter denen heute<br />
in Sammlungen enthaltene digitale Kunst konserviert wird,<br />
beziehungsweise nicht konserviert werden kann. Dieses<br />
Projekt, an dem drei französische und zwei Schweizer Partnerinstitutionen<br />
mitwirken, ist vom Zentrum für Kunst und<br />
Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) initiiert worden.<br />
Systemwechsel des kulturellen Gedächtnisses<br />
Seit Jahrtausenden ist das Selbstbild unserer Gesellschaften<br />
durch prinzipiell auf Langfristigkeit angelegte Überlieferungssysteme<br />
geprägt. Der Ägyptologe, Religions- und<br />
Kulturwissenschaftler Jan Assmann hat in seinen Untersuchungen<br />
zur alt-ägyptischen Kultur überzeugend nachgewiesen,<br />
dass „die Tradition in uns, die über Generatio nen,<br />
in jahrhunderte-, ja teilweise jahrtausendelanger Wiederholung<br />
gehärteten Texte, Bilder und Riten, [die] unser Zeit-<br />
und Geschichtsbewusstsein, unser Selbst- und Weltbild prägen.“<br />
1 Entscheidend in dieser Feststellung ist die Folgerung,<br />
dass das kulturelle Gedächtnis – eine Begriffsprägung Jan<br />
Assmanns – in allen bisherigen Kulturen auf Langlebigkeit<br />
und Verlässlichkeit ausgerichtet war.<br />
1 Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und po li ti sche<br />
Identität in frühen Hochkulturen. München: C. H. Beck, 1992, S. 75.<br />
8 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Seit wenigen Jahrzehnten erst erlaubt die Digitalisierung<br />
eine leichtere Generierung, Bearbeitung und Weitergabe<br />
von kulturellen Inhalten. Im Internet – so das große Versprechen<br />
unserer Zeit – sollen diese Inhalte jedem Nutzer<br />
jederzeit an jedem Ort der Welt zur Verfügung stehen. Digitalisierung<br />
und weltweite Vernetzung haben die traditionelle<br />
Informationsbeschaffung zu einem universellen Zugriff<br />
auf eine Unmasse ungefilterter Informationen erweitert.<br />
Tex te, Bilder, Filme, Musik, Kunstwerke, Dokumente jeder<br />
Art, ja, letztlich nahezu alle Äußerungen des Menschen,<br />
werden heute in binärem Code generiert und aufbewahrt,<br />
der nicht mehr von den Sinnen des Menschen unmittelbar,<br />
sondern nur noch mit Hilfe von Maschinen gelesen und in<br />
eine für den Menschen aufnehmbare Form gebracht werden<br />
kann.<br />
Im Hinblick auf die Bewahrung des kulturellen Gedächtnisses<br />
müssen wir also die grundsätzliche Feststellung treffen,<br />
dass seit etwa dreißig Jahren der Einsatz von digitalen<br />
Bearbeitungs-, Kommunikations- und Speichermedien zu<br />
einer nicht mehr auflösbaren Abhängigkeit von Hard- und<br />
Software sowie von digitalen Kommunikationssystemen geführt<br />
hat, deren Entwicklung, Steuerung und Zurverfügungstellung<br />
allerdings einzig den Unternehmenszielen der Privatwirtschaft<br />
unterworfen sind. In zunehmendem Maße<br />
zeigt sich, dass die Wertschöpfungsstrategien börsennotierter<br />
Unternehmen nicht mit den bisher auf Langlebigkeit ausgerichteten<br />
Leitbildern traditioneller Kulturübermittlung<br />
übereinstimmen. Es ist an dieser Stelle fast überflüssig auszuführen,<br />
dass die Gesetze des unserer Gesellschaftsform<br />
zugrunde liegenden Konsumismus insbesondere in den Bereich<br />
der digitalen Industrien und Märkte hineinwirken.<br />
Jede neu entwickelte Technologie muss möglichst schnell<br />
durch eine noch mehr versprechende, neue Technologie ersetzt<br />
werden. Offensichtlich würde sich eine Soft- und Hardwareindustrie<br />
durch die Entwicklung eines langfristig sicheren<br />
Speicherungssystems selbst überflüssig machen.<br />
Wir können heute zu Recht von einer Explosion der Speicherkapazitäten<br />
und einer Implosion der Speicherzeiten sprechen<br />
(Peter Weibel), eine Entwicklung, die zum Eingehen<br />
immer größerer Risiken geführt hat. Das zentrale digitale<br />
Versprechen einer langfristigen Datensicherheit ist bisher jedoch<br />
nicht eingelöst worden. Die Bewahrung von digitalisierten<br />
Inhalten ist einer immer kurzfristigeren Anpassung<br />
an neue technische Systeme unterworfen. In der daraus resultierenden<br />
funktionalen Obsoleszenz des Digitalen liegt<br />
eine systemimmanente Bedrohung des kulturellen Gedächt-
Jeffrey Shaw: Legible City, 1989 – ein gefährdeter Klassiker der interaktiven Medienkunst<br />
nisses, die die bisher gültigen Kriterien der Langlebigkeit<br />
und Authentizität in jedem Moment ad absurdum führt<br />
und daher zu einem generellen Umdenken auffordert.<br />
So hat die digitale Revolution Bedingungen hervorgebracht,<br />
die das Fortbestehen des kulturellen Gedächtnisses<br />
in seiner bisherigen Form zutiefst in Frage stellen. Bereits<br />
im Jahr 2003 stellte die UNESCO-Charta zur Bewahrung<br />
des digitalen Erbes (Charter on the Preservation of Digital<br />
Heritage) in ihrem Artikel 3 hierzu fest: „The world’s digital<br />
heritage is at risk of being lost to posterity. […] Digital<br />
evolution has been too rapid and costly for governments<br />
and institutions to develop timely and informed preservation<br />
strategies. The threat to the economic, social, intellectual<br />
and cultural potential of the heritage – the building<br />
blocks of the future – has not been fully grasped.“<br />
Von der Hoffnung, das kulturelle Gedächtnis durch seine<br />
umfassende Digitalisierung zu retten<br />
Um den fortschreitenden Verlust der originalen Träger des<br />
kulturellen Gedächtnisses auszugleichen und gleichzeitig<br />
die zunehmend ausschließlich in digitaler Form erfassten<br />
Daten zu sichern und weltweit zugänglich zu machen, sind<br />
seit den 1990-er Jahren weltweit verstärkt Forschungsprojekte<br />
zur digitalen Konservierung und Langzeitarchivierung<br />
auf den Weg gebracht worden. Hiermit wird die Hoffnung<br />
verbunden, dass digitalisierte Daten auf hochentwickelten<br />
AKTUELLES<br />
technischen Datenträgern und in mehrfach gesicherten und<br />
fortlaufend gespiegelten, in weltweiten Netzen dezentral<br />
verteilten Datenbanken sicherer als analoge Daten sind, die<br />
grundsätzlich durch äußere Zerstörungen und Verfall jeder<br />
Ursache gefährdet sind. Es wird dabei jedoch immer vorausgesetzt,<br />
dass das Gesamtsystem jederzeit weltweit funktioniert<br />
und nicht von Störungen, Programmierfehlern oder<br />
beabsichtigten Angriffen korrumpiert wird.<br />
Dieser Hoffnung, die digitalen Abbilder unserer Welt für<br />
nachfolgende Generationen dauerhaft bewahren zu können,<br />
widerspricht allerdings, dass digitalisierte Daten in noch<br />
höherem Maße als beispielsweise Fotografien oder Videobänder<br />
für unterschiedlichste, kaum kontrollierbare Störeinflüsse<br />
anfällig sind. Zudem übertrifft der Aufwand für<br />
die dauerhafte digitale Konservierung der bisher gespeicherten<br />
Datenmengen bei weitem die den Museen, Sammlungen<br />
und Archiven zur Verfügung stehenden finanziel len<br />
Mittel und Kenntnisse. Ein weiterer entscheidender Risikofaktor<br />
für die Langzeitbewahrung des digitalen kulturellen<br />
Gedächtnisses ist der mit dem ständig erhöhten Speicherbedarf<br />
verbundene Systemwechsel, so dass jeweils nach<br />
wenigen Jahren die benötigten Abspielgeräte beziehungsweise<br />
das notwendige Betriebssystem nicht mehr zur Verfügung<br />
stehen. Darüber hinaus erfordert der mit der Menge<br />
und Diversität digitaler Daten zunehmende, unausgesetzte<br />
Pflege- und Verwaltungsbedarf über viele Generationen<br />
und jeden Regimewechsel hinweg höchstes Vertrauen in<br />
Foto: Sammlung ZKM<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 9
AKTUELLES<br />
die Qualität und in die absolute Unabhängigkeit seiner Administratoren,<br />
eine Forderung, der wir auch mit unserer<br />
jüngsten geschichtlichen Erfahrung keineswegs optimistisch<br />
entgegen sehen können.<br />
Welche konservatorische Praxis?<br />
Es ist offensichtlich, dass sich auch in der Praxis und Theo rie<br />
der Sammlung und Konservierung von Kunst ein Pa ra digmenwechsel<br />
vollzogen hat, der Kuratoren, Sammler, Kunstwissenschaftler<br />
und Konservatoren vor bislang ungelöste<br />
Probleme stellt. Schon immer haben neue Produktionsbedingungen<br />
zu einer neuen Werkpraxis und notwen digerweise<br />
auch einem Überdenken traditioneller Werk begriffe<br />
geführt. Seit einhundert Jahren sind wir deshalb von einem<br />
Werkbegriff abgerückt, der den Genius des alleinschaffenden<br />
Künstlers und die einzigartige Originalität des Werks<br />
in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt hatte. Gleichzeitig<br />
haben ungezählte Werke Anerkennung und Aufnahme<br />
in Sammlungen gefunden, bei denen bereits von der<br />
Ma terialität her eine kurze Verfallszeit eingeplant ist. Und<br />
weiterhin ist seit langem die Vorstellung von Werken performativen<br />
Charakters mit multiplen Identitäten akzeptiert,<br />
die sich aus der jeweiligen Aufführungssituation ergeben.<br />
Alle diese Postulate haben aber bisher weder den Sammler,<br />
noch den Konservator von ihrem Wunsch und Dilemma<br />
befreit, diese Werke in einer identifizierbaren Form bewahren<br />
und wieder präsentieren zu wollen. Was bedeutet es al so<br />
und welche Konsequenzen hat es in der Sammlungspraxis,<br />
wenn wir bei digitalen Kunstwerken heute von Verfallszeiten<br />
von unter zehn Jahren ausgehen müssen?<br />
Nicht die digitalen Kunstwerke an sich veralten schneller,<br />
wie gerne behauptet wird, denn ihre eigentliche Substanz<br />
liegt im digitalen Code, der nicht altern kann. Sondern<br />
die für ihre Erhaltung und Präsentation erforderliche<br />
Hard- und Software, die Betriebssysteme, die spezifischen<br />
Applikationen, die notwendigen Programmierkenntnisse<br />
und häufig genug die finanziellen Mittel für ihre Wiederbelebung<br />
und Neupräsentation stehen meist schon nach<br />
we nigen Jahren nicht mehr zur Verfügung. Für die digitale<br />
Medienkunst bedeutet dies: Je schneller die technische Entwicklung,<br />
umso kürzer die Halbwertzeit der Kunstwerke.<br />
Offensichtlich sind die bisher gültigen Kriterien des spezifischen<br />
Werkcharakters, der Langlebigkeit und der gesicherten<br />
Werthaltigkeit von traditionellen Kunstwerken auf<br />
digitale Medienkunst nicht anwendbar. Die generelle Überschätzung<br />
der Langlebigkeit digitaler Technologien in den<br />
1990-er Jahren bei gleichzeitig rapide fortschreitender technischer<br />
Obsoleszenz hat in vielen Sammlungen zu einem<br />
massiven Rückstau an schlecht oder gar nicht konservierten<br />
digitalen Werken geführt. Meist werden Datenverluste und<br />
Inkompatibilität mit aktueller Hard- und Software erst bei<br />
Wiederinbetriebnahme entdeckt. Schon heute sind viele<br />
Werke verloren gegangen, viele andere könnten nur unter<br />
größtem personellen und finanziellen Aufwand rekonstruiert<br />
werden.<br />
Ebenso häufig mangelt es auch an einer präzisen Dokumentation<br />
schon bei der Anschaffung der Werke. Hierbei<br />
steht die zügige Abwicklung des Kaufs einer bei technischen<br />
Werken oft langwierigen Prüfung der inhaltlichen<br />
und technischen Qualitäten des Werks entgegen. Im Sinne<br />
10 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
der fehlgeleiteten, aber gängigen Bewertung von Ausstellungen<br />
und Museen nach ihren Besucherzahlen ist in den<br />
letzten Jahrzehnten zudem an vielen Häusern mit schnell<br />
aufeinanderfolgenden Ausstellungen eine Prioritätensetzung<br />
erfolgt, die für sorgfältige Konservierungsmaßnahmen wenig<br />
Zeit und noch weniger finanzielle Mittel lässt.<br />
Sind angesichts der extremen technischen Schwierigkeiten<br />
in einer Situation zunehmender Finanzierungslücken<br />
Museen und Sammlungen überhaupt in der Lage, die bisher<br />
hohen Standards auch bei der Konservierung von digitaler<br />
Medienkunst einzuhalten? Sind sie in dieser Situation überhaupt<br />
noch dazu verpflichtet? Kann unter den genannten<br />
Gesichtspunkten die Werthaltigkeit einer „Sammlung“ überhaupt<br />
noch gesichert werden? Wenn diese Fragen nur durch<br />
eine Auswahl von einigen bevorzugten populären Werken<br />
gelöst werden kann, welche Kriterien sollen dann über die<br />
Überlieferung dieser Werke und das Untergehen der anderen<br />
Werke entscheiden?<br />
Lösungsansätze für die Erhaltung digitaler Medienkunst<br />
liegen in der Frage nach der materiellen versus der ideellen<br />
Substanz des Kunstwerks: Im ersten Fall, nämlich dem<br />
Festhalten an der materiellen Substanz des Kunstwerks,<br />
werden das verzweifelt pragmatische Reparieren und die<br />
begrenzte Vorratshaltung obsolet gewordener technischer<br />
Geräte schnell an ihre Grenzen stoßen. Dennoch ist dieser<br />
Ansatz, so lange wir ihn wagen, ebenso vielversprechend,<br />
wie die unbestritten bewährte Methode, die Skulpturen des<br />
Straßburger Münsters durch echten Sandstein, statt durch<br />
Spritzteile aus Faserbeton oder Kunststoff zu ersetzen.<br />
Der zweite Ansatz liegt in der Anerkennung der unwiderruflichen<br />
und kurzfristigen materiellen Vergänglichkeit<br />
des digitalen Kunstwerks, das wie andere zeitbasierte Werke<br />
als immateriell betrachtet und daher den jeweiligen technischen<br />
Systemen ihrer jeweiligen „Aufführungssituation“<br />
angepasst werden könnte.<br />
Digitale Kunst ist jedoch keineswegs substanzlos. Unabhängig<br />
davon, ob wir ihr Wesen im Konzept und in dessen<br />
Umsetzung im materielosen digitalen Code suchen, oder<br />
ob wir an der geschichtlichen Materialität ihrer Erzeugungs-<br />
und Präsentationsgeräte festhalten, stellt sich die ethische<br />
Frage, wie wir denn in einer Situation der Ressourcenknappheit<br />
der Verantwortung gerecht werden wollen,<br />
die jede Generation für die Weitergabe des kulturellen Erbes<br />
übernehmen muss.<br />
Die Zeit drängt! Ist das kulturelle Vermächtnis unserer<br />
Zeit geringer zu achten, als das früherer Generationen?<br />
Oder müssen wir erst abwarten, bis nach massenhaften,<br />
eher durch den Zufall als durch bewusste Auswahl bedingten,<br />
Verlus ten jene Werke übrig geblieben sind, die wir<br />
künfti gen Generationen als Zeugnisse unserer Zeit überlassen<br />
werden?<br />
Professor Dr. Bernhard Serexhe ist Hauptkurator des Medienmuseums<br />
des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe<br />
(ZKM) und Professor für Ästhetik und Medientheorie an der Bilgi-<br />
Universität in Istanbul; seit 2010 leitet er das Projekt „Digital Art Conservation“;<br />
serexhe@zkm.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
EU-Forschungsprojekt „Digital Art Conservation“:<br />
www.digitalartconservation.org
Wege ins Museum – Wege im Museum<br />
Einladung zur Jahrestagung <strong>2011</strong><br />
Das ungarische Nationalmuseum in Budapest ist Gastgeber der Jahrestagung <strong>2011</strong>.<br />
In den letzten Jahren sind die an das<br />
Museum gestellten Anforderungen erheblich<br />
gewachsen und die Erwartungen<br />
der Besucher haben sich deutlich<br />
verändert. Diese Entwicklung hat die<br />
Museen, unabhängig von Typ und Größe,<br />
vor neue Herausforderungen gestellt.<br />
Fachwissenschaftler als Kuratoren<br />
sind nicht mehr allein die Garanten für<br />
eine professionelle Museumsarbeit.<br />
Selbst wenn Sammlungen den Kernbereich<br />
des Museums bilden, so bedarf es<br />
heute einer oder mehrerer Gruppen von<br />
Mitarbeitern, welche die Ausrichtung<br />
und die Professionalität der Museumsarbeit<br />
bestimmen. Eine Ausdifferenzierung<br />
der im Museum angewandten<br />
Berufe hat in Ausbildung und Praxis<br />
stattgefunden. Zunehmend wird die<br />
Museumsarbeit auch von Personen geprägt,<br />
die außerhalb des Museums tätig<br />
sind. Um eine einheitliche und qualifizierte<br />
Arbeit im Museum sowohl<br />
von Seiten der Festangestellten als auch<br />
der Externen und Freiberufler gewährleisten<br />
zu können, bie ten sich die Ethischen<br />
Richtlinien für Museen von<br />
<strong>ICOM</strong> als Leitfaden an.<br />
Aus- und Fortbildung für Museumsberufe<br />
Wo und wie werden die Qualifikationen<br />
für die Museumsberufe vermittelt?<br />
In den Fachstudiengängen der Universitäten,<br />
in den museologischen oder<br />
kulturwissenschaftli chen Studiengängen<br />
der Hochschulen? Welche Rollen<br />
spielen Praktika oder das traditionelle<br />
Volontariat? Welche Kenntnisse sind<br />
nötig, um eine besucher- und be nut zerorientier<br />
te Museumsarbeit zu er möglich?<br />
Wie kann das Museum den Spagat<br />
zwischen Wissenschaft und Event,<br />
zwischen Kennerschaft und Ver mittlungsarbeit<br />
bewältigen? Ist das Museum<br />
ein Tätigkeitsfeld für Absolventen<br />
verschiedener Ausbildungs- und Studiengänge?<br />
Gibt es Berufe im Museum<br />
oder Museumsberufe? Und schließlich:<br />
Was kann <strong>ICOM</strong> beitragen, um qualifizierten<br />
Nachwuchs in die Museen zu<br />
bringen und für die Mitarbeit im Internationalen<br />
Museumsrat zu ge win nen?<br />
Diese Fragen werden vom 22. bis<br />
25. September <strong>2011</strong> auf der gemeinsam<br />
von <strong>ICOM</strong> Ungarn und <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> geplanten Fachtagung<br />
Ways to the Museum – Ways through<br />
the Museum. Education and Career of<br />
Young Museum Professionals in Budapest<br />
erörtert. Die Konfe renzsprache ist<br />
Englisch.<br />
Nachwuchsförderung durch Reisestipendien<br />
Mit der gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Ungarn<br />
durchgeführten Veranstaltung in Budapest<br />
setzt <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> die<br />
Ende der 1990-er Jahre begonnene,<br />
erfolgreiche Reihe der Jahres tagungen<br />
im Ausland fort. Dadurch sollen inter-<br />
AKTUELLES<br />
nationale Begegnungen intensiviert,<br />
der Austausch mit Museumskolleginnen<br />
und -kollegen gestärkt und – im<br />
besten Fall – der Boden für weitere Kooperationen<br />
bereitet werden.<br />
Um dem „Museumsnachwuchs“ eine<br />
möglichst zahlrei che Teilnahme an<br />
der Tagung in Budapest zu ermöglichen,<br />
können deutsche <strong>ICOM</strong>-Mitglieder<br />
mit dem Status „Student“ einen<br />
Antrag auf Reisebeihilfe stellen.<br />
Insgesamt werden von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
zehn Reisestipendien à 150 Euro<br />
ausgelobt. Interessierte wenden sich<br />
bitte bis spätes tens 31. August <strong>2011</strong><br />
an die Geschäftsstelle, icom@icomdeutschland.de.<br />
Für die Bewilligung<br />
der Reisebeihilfen ist der Zeitpunkt<br />
der Antragstellung ausschlaggebend.<br />
Mitgliederversammlung <strong>2011</strong><br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird seine Mitgliederversammlung<br />
<strong>2011</strong> im Rahmen<br />
der Tagung am 23. September <strong>2011</strong><br />
in Budapest veranstalten. Die schriftliche<br />
Einladung an die Mit glieder mit<br />
dem Tagungsprogramm und der Tagesordnung<br />
zur Jahresversammlung<br />
erfolgt bis spätestens Mitte August.<br />
Bitte beachten Sie, dass Mitglieder bei<br />
Nichtanwesenheit ihr Stimmrecht auf<br />
andere stimmberechtigte Mitglieder<br />
schriftlich übertragen können, wobei<br />
jedes Mitglied zur Vertretung von<br />
höchstens zwei abwesenden Mitgliedern<br />
bevollmächtigt werden kann. Eine<br />
Vorlage zur Übertragung des Stimmrechts<br />
erhalten Sie in der Geschäftsstelle,<br />
icom@icom-deutschland.de.<br />
Der Vorstand lädt Sie herzlich zur<br />
Jahrestagung und zur Mitglieder versammlung<br />
<strong>2011</strong> in Budapest ein. Wir<br />
freuen uns auf eine Begegnung und einen<br />
gemeinsamen Austausch mit Ihnen<br />
und den ungarischen Kolleginnen<br />
und Kollegen.<br />
Angelika Ruge,<br />
Klaus Weschenfelder und der<br />
Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Nationalmuseum Budapest: www.hnm.hu<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 11
AKTUELLES<br />
Neue und bekannte Köpfe<br />
für große Aufgaben<br />
Im September 2010 gewählt, seit Januar <strong>2011</strong> im Amt: Der neue Vorstand von <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong>. Doch wer sind die sieben Museumsexperten? Welche beruflichen Statio<br />
nen haben sie absolviert? Was treibt sie an und welche Ziele verfolgen sie bis 2013?<br />
Die neue Leitung im Überblick.<br />
Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg<br />
Dr. Klaus Weschenfelder<br />
Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Kunstsammlungen der Veste Coburg<br />
Direktor<br />
praesident@icom-deutschland.de<br />
1972 Abitur; Studium der Kunstgeschichte, Pädagogik und<br />
Pro vinzialrömischen Archäologie in München; 1977 M.A.;<br />
1980 Promotion.<br />
1978–80 Mitarbeit bei kulturpädagogischen Projekten<br />
in München; 1981–82 Volontariat am Niedersächsischen<br />
Landes museum Hannover, Landesgalerie; 1983–90 Leitung<br />
des Mu seums im Ritterhaus, Offenburg; 1990–2001<br />
Leitung des Mit telrhein-Museums Koblenz (seit 1991<br />
Leitung des städtischen Museumsamtes); seit 2002 Leitung<br />
der Kunstsammlungen der Veste Coburg.<br />
1988–90 Beiratsmitglied Museumsverband Baden-Württem<br />
berg; 1993–95 Regionalvertreter in Museumsverband<br />
Rheinland-Pfalz; 2002–2007 Vorstandsmitglied von ICFA;<br />
seit 2007 Vorstandsmitglied <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; seit 2009<br />
Präsident, Vorstandsmitglied und Schatzmeister der Prinz<br />
Albert-Gesellschaft; Mitglied im Beirat der Zeitschrift kritische<br />
berichte für kunstgeschichte.<br />
12 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
In meiner Arbeit als Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
möchte ich mich einsetzen für:<br />
· die verstärkte Einbindung jüngerer <strong>ICOM</strong> Mitglieder in<br />
die Arbeit des Deutschen Nationalkomitees und der internationalen<br />
Komitees;<br />
· den Ausbau der Kommunikation von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
mit seinen Mitgliedern durch die konsequente Nutzung<br />
bestehender Instrumente (Tagungen, Publikationen, <strong>Mitteilungen</strong>,<br />
Newsletter etc.);<br />
· die Verbreitung der <strong>ICOM</strong>-Positionen (Museumsethik,<br />
Strategic Plan, Kampf gegen ungesetzlichen Handel etc.<br />
in Politik und Verwaltung sowie gegenüber der Öffentlichkeit);<br />
· das qualifizierte Wachstum des Deutschen Nationalkomitees;<br />
· die Hinwirkung im Advisory Committee auf eine größere<br />
Transparenz bei der Haushaltsaufstellung und der Verteilung<br />
der Mittel auf die Projekte des Verbandes.
Foto: privat<br />
Dr. Matthias Henkel<br />
Vorstandsmitglied<br />
Museen der Stadt Nürnberg<br />
Direktor<br />
matthias.henkel@stadt.nuernberg.de<br />
Studium der Ur- und Frühgeschichte, Volkskunde, Anthropologie,<br />
Botanik (Universität Göttingen); Magister 1990;<br />
Promotion 1996.<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt visuelle<br />
Anthropologie, Göttingen; Museums-Volontariat in<br />
Lemgo; wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Volkskunde,<br />
Göttingen; Dozent für Wirtschaftsinformatik in<br />
Berlin; Pressesprecher und persönlicher Referent des Gene<br />
raldirektors am Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg;<br />
Leiter Presse, Kommunikation, Sponsoring an der<br />
Ge ne raldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin; Lehrtätigkeit<br />
an der FHTW und FHVR in Berlin und an der<br />
Universität Erlangen-Nürnberg; seit 2009 Direktor der Museen<br />
der Stadt Nürnberg.<br />
Studienfachgruppe Volkskunde; Beirat in der Fachgruppe<br />
Geschichtsmuseen im Deutschen Museumsbund; Beirat<br />
in der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Museen; Fachbeirat<br />
Kultur im Deutscher Fachjournalistenverband; Jurymitglied<br />
„Wissenschaftsjahr 2009“ des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung.<br />
Germanistik, Anglistik, Philosophie; Dr. phil.; Habilitation:<br />
Neuere deutsche Literatur und Vergleichende Literaturwissenschaft.<br />
Direktor bzw. Wissenschaftlicher Leiter des Kleist-Museums<br />
Frankfurt (Oder) 2002–2009; Hermann-Hettner-<br />
Gastprofessor an der Technischen Universität Dresden<br />
2010/<strong>2011</strong>.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>: seit 2008 Mitglied des Vorstandes;<br />
ICLM: 2004–2007 Generalsekretär, seit 2007 Präsident;<br />
Repräsentant von <strong>ICOM</strong> u. a. auf der 35. Generalkonferenz<br />
der UNESCO, 2009; UNESCO-Programm Memory<br />
of the World: seit März 2009 Mitglied des Marketing-Ausschusses.<br />
Prof. Dr. Lothar Jordan<br />
Vorstandsmitglied<br />
Technische Universität Dresden<br />
Hermann-Hettner-Gastprofessor<br />
AKTUELLES<br />
Der neue Vorstand >><br />
Museen sind Lernorte mit der Aura als „Ort der Origina le“.<br />
Dies ist in einer sich medialisierenden Welt ein Allein stellungsmerkmal.<br />
Ich verstehe es als Chance, die institutionellen<br />
Kenntnisse und Erfahrungen der letzten zwei Jahrhunderte<br />
für die gesellschaftlichen Herausforderun gen<br />
des 21. Jahrhunderts nutzbar zu machen. Dafür müssen sich<br />
die Museen konzeptionell öffnen, ohne jedoch ihre klassischen<br />
Kernkompetenzen zu vernachlässigen: d. h. so viel<br />
„Event“ wie nötig und so viel inhaltlich-pädagogi sche Arbeit<br />
wie möglich. Insbesondere regional verortete Museen<br />
werden sich stärker auch auf bürgerschaft liches Engagement<br />
stützen müssen. Dafür ist es notwendig, der Bevölkerung<br />
die Bedeutung museologischer Einrichtungen zu vermitteln.<br />
Dieser Aufgabe möchte ich mich gern widmen. Auf<br />
der internationalen Plattform von <strong>ICOM</strong> sehe ich für mich<br />
im Feld des sustainable cultural tourism ein Aktionsfeld<br />
zur stärkeren Vernetzung kultureller Desti na tionen.<br />
lothar.jordan@gmx.de Foto: Winfried Mausolf<br />
Die erfolgreiche Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> sollte ausgebaut<br />
werden:<br />
1. in <strong>Deutschland</strong> durch eine Verbesserung der Zusammenarbeit<br />
mit dem Deutschen Museumsbund und mit anderen<br />
Institutionen des Kulturerbes; Bild und Ausstrahlung von<br />
Museen können in dieser Richtung noch gestärkt werden;<br />
2. durch internationale Projekte, in denen <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
eine führende Rolle übernimmt; auch Projekte, an denen<br />
junge <strong>ICOM</strong>-Mitglieder verantwortlich beteiligt sind;<br />
an der Weiterentwicklung des Internationalen Museumstages<br />
könnte sich <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> führend beteiligen;<br />
3. durch eine expansive Publikationsstrategie; Zahl und<br />
Kompetenz der Mitglieder von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> bieten<br />
eine hervorragende Basis, noch stärker sowohl grundlegende<br />
Schriften als auch anregende Diskussionen zu publizieren.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 13
AKTUELLES<br />
Foto: privat<br />
Studium der Ägytpologie, Kommunikationswissenschaft<br />
und Philologie des Christlichen Orients in München und<br />
Berlin. Promotion in Ägyptologie an der Universität Wien.<br />
1995–1997 Volontariat am Roemer-Pelizaeus-Museum,<br />
Hildesheim; 1997–2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin im<br />
Roemer-Pelizaeus-Museum, Hildesheim; seit 1995 Konzeption<br />
und Mitarbeit an zahlreichen Ausstellungen zu verschiedenen<br />
kulturhistorischen Themen wie auch zeitgenössischen<br />
Kunstprojekten; 2000–2003 wissenschaftliche<br />
Mit arbeiterin an der Universität München; seit 2000 Durchführung<br />
zahlreicher Seminare zur Museumsägyptologie;<br />
2004-2008 Kuratorin am Ägyptischen Museum der Universtität<br />
Bonn; seit 2009 Ausstellungskuratorin bei den Staatlichen<br />
Museen zu Berlin im Rahmen des Excellence Clusters<br />
TOPOI.<br />
Mitglied im Internationalen Ägyptologenverband; seit<br />
1996 <strong>ICOM</strong>-Mitglied und Mitglied von CIPEG; seit 2007<br />
Generalsekretärin von CIPEG.<br />
14 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Foto: privat<br />
Dr. Franziska Nentwig<br />
Vorstandsmitglied<br />
Stiftung Stadtmuseum Berlin<br />
Generaldirektorin und Vorstand der Stiftung<br />
gendir@stadtmuseum.de<br />
Studium an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber<br />
Dresden“; Dissertation an der TU Dresden.<br />
Langjährige Tätigkeit im Deutschen Hygiene-Museum<br />
als Vorstandsreferentin; bis 2006 Direktorin des Bachhauses<br />
Eisenach und Geschäftsführerin der Bachhaus Eisenach<br />
gGmbH; seit 2006 Generaldirektorin und Vorstand der<br />
Stiftung Stadtmuseum Berlin.<br />
Vorstandsmitglied im Landesverband der Museen zu<br />
Berlin e. V.; Mitglied in mehreren Beiräten von Museumsinstitutionen.<br />
Dr. Gabriele Pieke<br />
Vorstandsmitglied<br />
Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung<br />
Preußischer Kulturbesitz<br />
Ausstellungkuratorin<br />
gabriele.pieke@topoi.org<br />
Der neue Vorstand >><br />
Etwa 45 Prozent aller Museen in <strong>Deutschland</strong> verfolgen<br />
volkskundliche, heimatkundliche oder stadt- und regionalgeschichtliche<br />
Themenschwerpunkte. Sie generieren jedoch<br />
weniger als 15 Prozent der Gesamtbesucherzahl aller Museen.<br />
Wie können insbesondere Stadtmuseen ihre Bedeutsamkeit,<br />
ja ihre Unverzichtbarkeit, für ein funktionierendes<br />
Gemeinwesen unter Beweis stellen? Was sollen und können<br />
heute Stadtmuseen in einem sich verändernden, urbanen<br />
Umfeld leisten? Dies sind Fragen, zu denen auch das Stadtmuseum<br />
Berlin „seine“ Antwort(en) sucht. Die Stiftung<br />
Stadtmuseum Berlin, die mehrere Museen umfasst, arbeitet<br />
an einem neuen stadt- und kulturgeschichtlichen Profil.<br />
Der Austausch mit anderen Stadt- und Regionalmuseen ist<br />
dabei sehr wichtig – wie ich ebenso glaube, dass Erfahrungen<br />
des Stadtmuseums Berlin auch anderen Einrichtungen auf<br />
vielfältige Weise dienen können. Ich habe daher kürzlich<br />
die Aufnahme in das International Committee for the<br />
Collections and Activities of Museums of Cities (CAMOC)<br />
beantragt. Im deutschen <strong>ICOM</strong>-Vorstand werde ich mich<br />
besonders für den Gedanken- und Ideentransfer zwischen<br />
Museen für Stadt- und Regionalgeschichte auf <strong>ICOM</strong>-Ebene<br />
einsetzen.<br />
Aktive Vermittlungsarbeit auch in einem kulturpolitischen<br />
Kontext gilt seit jeher als eine zentrale Aufgabe von Museen,<br />
die einen ganz eigenen gesellschaftlichen Beitrag leisten.<br />
Derzeit sehen wir uns mit einer sich stark wandelnden<br />
Medienlandschaft und Facebook-Gesellschaft konfrontiert,<br />
die neue Herausforderungen für Sammlungen und<br />
Museen mit sich bringen.<br />
Auch in meiner eigenen Arbeit kommt – neben der Förderung<br />
von Museumsnachwuchs – dem Aspekt der kreativen<br />
Kulturvermittlung ein besonderer Schwerpunkt zu, wobei<br />
mir insbesondere die Belange kleinerer Museen und Fachsparten<br />
wichtig erscheinen, die häufig unter unzureichenden<br />
Infrastrukturen leiden und nur ungenügend in Netzwerke<br />
eingebunden sind.<br />
Als mitgliederstärkstes Nationalkomitee trägt <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> eine besondere Verwantwortung im Rahmen<br />
der internationalen <strong>ICOM</strong>-Tätigkeiten. Als Verantwortliche<br />
für ein internationales Fachkomitee in <strong>ICOM</strong><br />
möchte ich die derzeit anstehenden Entwicklungen im<br />
strukturellen und administrativen Bereich des Weltverbandes<br />
<strong>ICOM</strong> mitgestalten.
Foto: privat<br />
Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch<br />
Vorstandsmitglied<br />
Ludwig Museum, Koblenz<br />
Direktorin<br />
beate.reifenscheid@ludwigmuseum.org<br />
1980–1985 Studium der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaften<br />
sowie Publizistik; 1984 Auslandsstudium an der<br />
Universidad de Complutense in Madrid; Abschluss: Magister<br />
Artium; 1985–1988 Promotionsvorbereitungen zum<br />
Thema „Raffael-Rezeption in Almanachen und Taschenbüchern<br />
der Romantik und der Biedermeierzeit 1798–1848“<br />
Promotion 1988; von 1983–1985 Stipendiatin des Cusanuswerks,<br />
Bonn; 1985–1988 Promotionsstipendiatin.<br />
Volontärin am Saarland-Museum, Saarbrücken; 1992–<br />
1997 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Saarland Museum:<br />
Leitung des Grafischen Kabinetts sowie der Öffentlichkeitsarbeit,<br />
zahlreiche Ausstellungsprojekte; seit 1997<br />
Leitung des Ludwig-Museums Koblenz, 2002–2004 Leitung<br />
der beiden Städtischen Museen in Koblenz; Kuratorin<br />
für zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland; seit<br />
1991 Lehraufträge an der Universität des Saarlandes, Universität<br />
Hildesheim sowie seit 2000 an der Universität Koblenz-Landau.<br />
<strong>ICOM</strong> Mitglied seit 1990; IKT-Mitglied 1994–1999;<br />
Beirat des Künstlerhauses Schloß Balmoral, 2000–2002.<br />
Management-Studium an der EAP – Europäische Wirtschafts<br />
hochschule (heute ESCP Europe); Maîtrise (Magister)<br />
der Völkerkunde in Straßburg (Frankreich); Promotion<br />
in Soziologie, Karlsruhe.<br />
Von 2000–2006 tätig in Karlsruhe im Bereich der Besucherforschung,<br />
zuerst als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
des Instituts für Soziologie der Universität Karlsruhe (TH),<br />
dann als freiberufliche Mitarbeiterin des Zentrum für Evaluation<br />
und Besucherforschung (ZEB). Von 2006–2008<br />
wissenschaftliche Leiterin des ZEB am Badischen Landesmuseum<br />
Karlsruhe. Selbständig seit 2008.<br />
Vorstandsmitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> seit 2009;<br />
Mitglied von <strong>ICOM</strong> CECA; Mitglied in der Projektgruppe<br />
Plattform 2012 von NATHIST.<br />
AKTUELLES<br />
Bei <strong>ICOM</strong> möchte ich mich für die Kontinuität der wissenschaftlichen<br />
Arbeit und Vernetzung einsetzen. <strong>ICOM</strong><br />
bietet eine hervorragende Basis für eine immer wieder zu<br />
fordernde Sensibilisierung für die wissenschaftlichen Kriterien<br />
musealer Arbeit und dies insbesondere gegenüber den<br />
Mechanismen des schnelllebigen Kunstmarktes. Dies betrifft<br />
insbesondere den Bereich der gefälschten Werke, jener, die<br />
restituiert werden müssen und diejenigen, deren Wertigkeit<br />
möglicherweise noch nicht erkannt wurde. Hier liegt eine<br />
wichtige Naht- und Schnittstelle von <strong>ICOM</strong>, die es in den<br />
nächsten Jahren durch Kommunikation und enge Zusammenarbeit<br />
positiv zu besetzen gilt. Darüber hinaus möchte<br />
ich mich bei <strong>ICOM</strong> für einheitliche Standards und eine<br />
transparente Vernetzung sowie Hilfestellung jeglicher Art<br />
einsetzen.<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith<br />
Vorstandsmitglied<br />
Evaluation für Kultureinrichtungen, Karlsruhe<br />
swi@wintzerith.de Foto: privat<br />
Für mich ist <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> vor allem die berufliche<br />
Vertretung der deutschen Museumsprofis weltweit sowie auf<br />
nationaler Ebene. Es ist zudem ein wichtiges Bindeglied<br />
zwischen der zentralen Organisation in Paris und den<br />
<strong>ICOM</strong>-Mitgliedern in <strong>Deutschland</strong>. So soll unser nationales<br />
Komitee nicht nur aufgrund seiner Mitgliederzahl innerhalb<br />
der internationalen Organisation an Einfluss gewinnen,<br />
sondern auch durch verstärktes Engagement und<br />
aktive Vernetzung. Zusammen mit dem Vorstand möchte<br />
ich diese Vernetzung stärken und die Kooperation mit anderen<br />
Komitees unterstützen oder mitinitiieren, so dass die<br />
Mitglieder den internationalen Austausch stärker pflegen<br />
können. Ein weiteres Anliegen ist es mir, die Nachwuchskräfte<br />
in den Museen und bei <strong>ICOM</strong> nach Kräften zu unterstützen<br />
– ihre Stimme sollte noch deutlicher zu hören sein.<br />
RÜCKBLICK<br />
Museums for Social Harmony<br />
Exotik, Abenteuer und Familienatmosphäre – die <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz vom 7. bis<br />
12. November 2010 in Schanghai hatte von allem etwas, darin sind sich die deutschen<br />
Teilnehmer einig. Rund 3600 Museumsexperten aus 122 Ländern, Regionen und internationalen<br />
Organisationen sollen die Gelegenheit zum Gedankenaustausch genutzt<br />
haben. Stéfanie Wintzerith berichtet über die Höhepunkte des Post-Expo-Events<br />
und Katharina Fibig gibt einen Eindruck von der Konferenz-Tour, die sie vorab in mehrere<br />
chinesi sche Städte geführt hat.<br />
Stéphanie Wintzerith<br />
16 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Foto: Stéphanie Wintzerith
Eine Reihe von „Fabelwesen“ bewacht<br />
das Shanghai Museum. Sie stehen Spalier<br />
vor dem Gebäude, dessen Architektur<br />
viele Symbole des alten Chinas<br />
in Stein, Form und Motiv enthält, und<br />
üben ihre Funktion als Beschützer aus.<br />
Besucher werden hineingelassen, böse<br />
Geister dagegen sollen davon abgehalten<br />
werden, das Gebäude zu betreten<br />
und in den großartigen Sammlungen<br />
ihr Unwesen zu treiben. Die<br />
22. Ge neralkonferenz von <strong>ICOM</strong> fand<br />
in Schang hai statt, zwar nicht im<br />
Shanghai Museum, doch dieses Bild<br />
kommt mir immer als erstes in Erinnerung.<br />
Wir wurden mit offenen Armen empfangen.<br />
Wir wurden mit unglaublicher<br />
Freundlichkeit willkommen geheißen,<br />
umsorgt und als Ehrengäste behandelt.<br />
Die Würdenträger kamen zur Begrüßung<br />
und die Eröffnungs- und Abschlusszeremonien<br />
waren ein Florileg<br />
dessen, was die chinesische Kultur zu<br />
bieten hat – auf höchstem Niveau. Die<br />
Welt der Museen zu Gast in China verdient<br />
eine Prestigeveranstaltung. Es war<br />
deutlich, wie wichtig dieses Ereignis<br />
für China und für die chinesischen Museen<br />
war und wie eifrig man dort um<br />
die Anerkennung der Welt bemüht war<br />
– um die hintergründigen Motive zu<br />
erkennen, muss man wohl Sinologe oder<br />
Kenner sein.<br />
Foto: Stéphanie Wintzerith<br />
Das World Expo Gelände wurde zu<br />
einem exklusiven Tagungsort<br />
In den empfohlenen Hotels stand mindestens<br />
ein Freiwilliger zur Verfügung<br />
und konnte den Tagungsteilnehmern<br />
organisatorische und andere Fragen<br />
beantworten, vor allem auch Adressen<br />
in chinesischer Schrift auf Zettel<br />
schreiben. Eine Armada von Bussen<br />
brachte uns von den Hotels zum Expo-Gelände,<br />
von dessen Eingang zum<br />
eigentlichen Tagungsgebäude. Und<br />
wie der zurück. Eine unglaublich große<br />
Gruppe Freiwilliger, sehr freundlich<br />
lächelnd in ihren orange nen Poloshirts,<br />
schwang ihre Schildchen und<br />
zeigte uns den Weg. Wir konnten einfach<br />
nicht verloren gehen. Wir konnten<br />
allerdings auch keine Frage stellen, da<br />
kaum einer dieser jungen Menschen<br />
über genügend Englischkenntnisse verfügte,<br />
um die Frage zu verstehen oder<br />
gar eine Antwort zu geben. Was soll’s,<br />
der gute Wille war da.<br />
Der chinesische Cerberus nahm die<br />
menschliche Gestalt der Sicherheitskräfte<br />
an, und davon gab es reichlich.<br />
Der Tagungsort war das World Expo<br />
Center auf dem abgeriegelten Gelände<br />
der eine Woche zuvor beendeten Expo<br />
2010. Ohne den entsprechenden Ausweis<br />
war das Betreten des Geländes<br />
nicht erlaubt – was etliche Teilnehmer<br />
RÜCKBLICK<br />
Das Shanghai Museum vermittelt einen<br />
Gesamtüberblick über fünftausend Jahre<br />
chinesischer Geschichte. Aus Anlass der<br />
<strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz hatte es sich im<br />
November 2010 besonders geschmückt.<br />
Der chinesische EXPO-Pavillon, wegen<br />
seiner Dimension auch „Krone des Ostens“<br />
genannt, diente der 22. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
als Veranstaltungsort (Foto links).<br />
zu ihrem Leidwesen mehrere Tage lang<br />
zu spüren bekamen (die Verhandlungen<br />
waren zäh, aber sie kamen rein!).<br />
Mensch, Tasche, Identität und Gültigkeit<br />
der Zutrittsgenehmigung wurden<br />
jeden Morgen streng kontrolliert, man<br />
übte sich in Geduld und pflegte den<br />
Kontakt mit den Kollegen – das Seufzen<br />
über die Kontrolle ist ein wunderbares<br />
Thema, um Gespräche anzuregen.<br />
Da der Security-Checkpoint für<br />
den Massenandrang der Expo konzipiert<br />
wurde, waren die Schlangen nicht<br />
allzu lang. Dann gab es noch den eigentlichen<br />
<strong>ICOM</strong>-Teilnehmerausweis,<br />
auch der mit Passbild und entsprechendem<br />
Chip ausgestattet. Bei jedem<br />
Eintritt ins World Expo Center wurde<br />
kontrolliert. Es versteht sich von selbst,<br />
dass sämtliche Bewegungen auf dem<br />
gespenstisch leeren Gelände mit dem<br />
Bus zu geschehen hatten, Fußgänger<br />
seien durch die Abräumarbeiten zu gefährdet<br />
gewesen.<br />
Die erste Museums-Fachmesse Chinas<br />
wurde anlässlich der <strong>ICOM</strong>-Konferenz<br />
ausgetragen und dauerte drei<br />
Tage. Das Interesse der chinesischen<br />
Kollegen war so groß, dass gelegentlich<br />
der Eindruck entstand, die Messe<br />
sei das eigentliche Event und die Generalkonferenz<br />
nur Rahmenprogramm.<br />
An zwei Tagen wurden uns zu Ehren<br />
drei Pavillons der Expo noch einmal<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 17
RÜCKBLICK<br />
Die chinesischen Gastgeber waren stets<br />
bemüht, den Kongressteilnehmern mit<br />
mehrsprachigen Hinweisschildern,<br />
Schepers<br />
Prospekten und Programmheften die<br />
Orientierung zu erleichtern. So konnte<br />
Wolfgang<br />
keiner auf dem weitläufigen Expo-Gelände<br />
verloren gehen. Foto:<br />
Respecting Cultural Heritage for<br />
our Common Future<br />
Die Konferenztour fand vom 30. Oktober<br />
bis 5. November 2010 statt und wurde von<br />
<strong>ICOM</strong> Europe in Kooperation mit <strong>ICOM</strong><br />
China und <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> veranstaltet.<br />
Sie führte nach Xi’an, Luoyang, Kaifeng<br />
und Zhengzhou.<br />
Katharina Fibig<br />
Gefragt, wie es denn in China war, antworte<br />
ich zunächst einsilbig – abenteuerlich. Ich hatte<br />
sehr vielfältige Eindrücke. Aber eigentlich<br />
stimmt „abenteuerlich“ gar nicht, zumindest<br />
nicht, was die Organisation betrifft. Denn unsere<br />
Partner in den Provinzen Shaanxi und<br />
Henan waren formvollendete Gastgeber und<br />
überließen nichts dem Zufall. Nachdem geklärt<br />
war, wer die Vorbereitung für unsere<br />
Ankunft anstelle des plötzlich verstorbenen<br />
Zhao Jianwen übernehmen würde, entstand<br />
keinerlei weitere Unsicherheit, die für Aufregung<br />
hätte sorgen können.<br />
Dies war mein erster Flug nach China, besser<br />
auf den asiatischen Kontinent überhaupt, mir<br />
war also alles sehr neu. Unseren Reiseteilnehmern<br />
zumeist auch, sie kamen alle aus<br />
Eu ropa. Im Zug nach Zhengzhou wurden wir<br />
von der Ansagerstimme angesprochen: „Hope<br />
you are in a travelling mood?!“ Wir konnten<br />
alle antworten: „Yes, we are!“ Das reichhalti ge<br />
Programm und die ebenfalls reichhaltigen<br />
Mittag- und Abendessen waren eng getak-<br />
18 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
geöffnet, der Footprint Pavilion, das<br />
Expo-Museum und der China Pavilion.<br />
Die anderen Pavillons wurden<br />
in einer erstaunlichen Geschwindigkeit<br />
bereits geleert und teilweise abgetragen,<br />
wir erhaschten darauf einen<br />
Blick beim Vorbeifahren. Es ist ein unglaubliches<br />
Privileg gewesen, diese Pavillons<br />
quasi menschenleer im Vergleich<br />
zum Massenandrang der Expo sehen<br />
zu können, wovon auch zahlreiche<br />
Landsleute mit großem Stolz und anhalten<br />
dem Blitzgewitter Gebrauch machten.<br />
<strong>ICOM</strong> zwischen Weltverband und<br />
Freundeskreis<br />
Das formale Leben einer Weltorganisation,<br />
die nach französischem Vereinsrecht<br />
strukturiert ist, geht schon<br />
seine eigenen Wege. Dabei sind die Kulissen<br />
– das pulsierende Leben – meistens<br />
spannender als die eigentlichen<br />
offiziellen Ereignisse. Der gesamte Verband<br />
mitsamt dem Sekretariat wird inoffiziell<br />
tausendmal neu erfunden, neu<br />
gestaltet und neu erklärt – und bleibt<br />
doch bestehen. Vorstände verbünden<br />
sich, internationale Komitees schließen<br />
sich zusammen, man tagt ge meinsam,<br />
trifft sich, entwickelt neue Kooperationsmöglichkeiten<br />
und erweitert Netzwerke.<br />
Man wird geehrt oder über-<br />
Foto: Stéphanie Wintzerith<br />
reicht repräsentative Geschenke. Man<br />
wird gewählt oder abgewählt, man<br />
geht wählen oder hält nach den Ergebnissen<br />
Ausschau. Junge Mit glie der können<br />
endlich den alten Ha sen der Vereinspolitik,<br />
deren Namen sie schon so<br />
oft gehört haben, ein Gesicht zu ordnen.<br />
Sie versuchen zu verstehen, wie<br />
das Riesenschiff <strong>ICOM</strong> manöv riert<br />
wird, was es leisten kann, welche Sandbänke<br />
es umschiffen muss und wo die<br />
Klippen stehen – bzw. wel che Entfernung<br />
von diesen Klippen als sicher gilt.<br />
Um die Funktionsweise und Mechanismen<br />
des Weltverbandes zu verstehen,<br />
muss man unbedingt mehrere Generalkonferenzen<br />
mitgemacht haben,<br />
ja sich aktiv daran beteiligen. <strong>ICOM</strong>,<br />
eine große Organisation. <strong>ICOM</strong>, eine<br />
große Familie. <strong>ICOM</strong>, ein Freundeskreis.<br />
Der gemeinsame Nenner ist und<br />
bleibt das Museum, die Leidenschaft<br />
für das kulturelle Erbe, die Institution<br />
und seine Funktionen. Die Vielfalt<br />
drückt sich in allen Variationen aus<br />
– Land, Fachgebiet, Aufgabenbereich,<br />
Vorlieben – und doch überragt das<br />
Gefühl, gemeinsam etwas bewegen zu<br />
können. Die geballte Energie, die hier<br />
gebündelt auftritt, entfaltet sich vorzug<br />
sweise … in der Kaffeepause. Es<br />
geht um den Austausch zwischen den<br />
Kollegen, den Austausch mit anderen<br />
Fachrichtungen, den Austausch zwi-
Foto: Leif Pareli<br />
schen den Ländern. Die Vorträge liefern<br />
Gesprächsthemen und eine Plattform,<br />
um Ideen, Fakten und An regungen zu<br />
kommunizieren. Sicher sind sprachliche<br />
Schwierigkeiten nicht immer zu<br />
überwinden. Man denke an die Übermacht<br />
des Englischen, das die zwei<br />
anderen offiziellen Sprachen Französisch<br />
und Spanisch immer mehr in den<br />
Schatten stellt. Sicher herrscht auch<br />
nicht immer Einigkeit – zum Glück!<br />
Und doch bewirken diese Tagungen,<br />
so erschöpft man danach sein mag,<br />
einen großen Motivationsschub.<br />
Erstmals wird ein deutscher Kandidat<br />
zum Präsidenten gewählt<br />
Während der Generalkonferenzen finden<br />
traditionell die Wahlen statt, für<br />
die Vorstände einiger internationaler<br />
Komitees sowie für den Weltverband.<br />
Zum ersten Mal wurde ein elektronisches<br />
System eingeführt, das die Verbandswahlen<br />
sicherer und die Auswertung<br />
schneller gestalten sollte. Es<br />
klang anfangs schon etwas kompliziert,<br />
hatte dann aber ganz gut geklappt,<br />
so der allgemeine Eindruck der<br />
wahlberechtigten Delegierten. Es hat<br />
sich schon herumgesprochen: „Wir<br />
sind Präsident“, könnten die Deutschen<br />
sagen, denn „unser“ Kandidat Hans-<br />
Martin Hinz ist zum neuen Präsiden-<br />
ten von <strong>ICOM</strong> gewählt worden. Dem<br />
offiziellen Charakter des Zeremoniellen<br />
zum Trotz brach bei der Verkündung<br />
der Wahlergebnisse ein regelrechter<br />
Jubel aus – nicht nur im Deutschen<br />
Komitee –, so dass selbst ein französischer<br />
Staatspräsident a. D., namentlich<br />
Jacques Chirac, weitere Minuten<br />
warten musste, um seine Abschlussrede<br />
beginnen zu können.<br />
Die Generalversammlung, laut Statuten<br />
das oberste Organ des Vereins,<br />
soll Entscheidungen treffen. Sie wurde<br />
gebeten, (möglichst diskussionslos) die<br />
vorgelegten Dokumente abzusegnen<br />
und die eingereichten Resolutionen<br />
nach bloßem Vorlesen zu beschließen.<br />
Ein demokratisches Verfahren sieht<br />
anders aus, dachten einige Delegierte,<br />
die auch das Wort ergriffen und ihre<br />
Bedenken äußerten – ohne spürbaren<br />
Erfolg. Ob wohl die Stereotypen, die<br />
man üblicherweise mit den Verfahren<br />
im Gastland verbindet, doch durchschimmerten?<br />
Nein …! Schuld war<br />
allein der straffe Zeitplan.<br />
Die Fachtagungen der internationalen<br />
Komitees<br />
Foto: Leif Pareli<br />
Wer seine ganze Aufmerksamkeit den<br />
Formalien der Vereinsordnung widmete,<br />
verpasste allerdings viel. Denn<br />
so ganz nebenbei gab es ja auch viele<br />
RÜCKBLICK<br />
Hans-Martin Hinz wurde als erster<br />
deutscher Kandidat zum <strong>ICOM</strong>-Präsidenten<br />
gewählt (Foto links). Die Begeisterung im<br />
Saal über dieses Wahlergebnis führte dazu,<br />
dass der frühere französische Präsident<br />
Jacques Chirac seine Rede erst mit<br />
Verzögerung halten konnte.<br />
tet. Für diesen Bericht beschränke ich mich auf<br />
den musealen Bereich. Auch wenn für mich<br />
persönlich der Kontakt und die Gespräche mit<br />
den anderen Reiseteilnehmern über unsere<br />
Herkunft und unser Tun wichtiger waren.<br />
Auf den bisherigen <strong>ICOM</strong>-Europe-Touren<br />
ha be ich immer, trotz anfänglicher Ängste<br />
und Vorbehalte gegenüber den bereisten<br />
Ländern, gelernt, offen zu sein und gern wiederzukommen.<br />
Ich war jedes Mal positiv<br />
überrascht, so auch dieses Mal. Während der<br />
Führungen durch die Museen sind mir Objekte<br />
ins Auge gefallen, die in weiterem Sinne<br />
mit Gastfreundschaft, Netzwerken und<br />
Kommunikation zu tun hatten. Sie haben in<br />
mir ein angenehmes Gefühl von Gemeinsam<br />
keit geweckt.<br />
Das Guanzhong Folk Art Museum ist ein<br />
besonderes Museum, weil ein Privatmann<br />
hier Alltagsgegenstände aus dem ländli chen<br />
Bereich zusammengetragen hat – diese Art<br />
des Sammelns ist nicht sehr verbreitet in<br />
China. Der Eigentümer Wang Yangchao empfing<br />
uns warmherzig und erzählte mit viel<br />
Stolz davon, wie sein Museum die Minderheiten<br />
zusammenbringe. Es zeigt vierzig Höfe,<br />
gebaut während unterschiedlicher Perioden,<br />
aus den verschiedensten Regionen Shaanxis.<br />
Wir wurden auf Pfähle aufmerksam gemacht,<br />
die entlang aller Wege aufgestellt<br />
sind. Sie sind mit Tier- und Menschenmotiven<br />
versehen und dienten dazu, die Pferde<br />
der Gäste des Hausherren anzubinden. So<br />
repräsentieren sie in ihrer Vielzahl den Sta-<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 19
RÜCKBLICK<br />
Das Programm der 22. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
war dicht gedrängt, so dass<br />
zahlreiche Veranstaltungen nur parallel<br />
stattfinden konnten. Darüber hinaus<br />
nutzten viele internationale Komitees die<br />
Gelegenheit, auch ihre Jahrestagungen<br />
abzuhalten. Foto: COMCOL<br />
Foto: Katharina Fibig<br />
tus und Reichtum des Besitzers – je mehr<br />
Pfähle, umso mehr Besuch.<br />
Der Löwe im Eingangsbereich des Shaanxi<br />
History Museum ist ein Symbol: Er steht<br />
und stand für Stärke und Überlegenheit. In<br />
China, wo es zu keiner Zeit Löwen gab, benutzten<br />
die Dynastien ihn als Geschenk. Dieser<br />
gehörte der Mutter der einzigen Herrscherin<br />
Wu Zetian. Hier im Museum soll kei ne<br />
Tafel mit Wegweisern von ihm ablenken, daher<br />
sind die Besucher oft irritiert. Was soll so<br />
ein großer Löwe darstellen? Er ist in einer<br />
ausländischen Technik hergestellt, die die Verbundenheit<br />
der Kulturen zeigt. Wir sahen<br />
auch das älteste Stück Papier der Welt. Es ist<br />
weich und grob beschaffen. Daher vermutet<br />
man, dass es zum Einwickeln benutzt wurde.<br />
Später erst änderte man die Verarbeitungstechnik<br />
leicht und erfand somit das<br />
Schreibpapier – in Lily Wangs Augen Chinas<br />
größter Beitrag zur Weltkultur.<br />
Auf der Rundfahrt durch die themenparkartig<br />
neu gestaltete Stadt Kaifeng wurden<br />
20 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Fachtagungen. Die Generalkonferenz<br />
stand unter dem Motto „Museums<br />
for Social Harmony“. In asiati schen<br />
Kulturen fasst der Begriff social harmony<br />
weit mehr als die platte Übersetzung<br />
„soziale Harmonie“ es ahnen<br />
lässt. Nur was genau? In vielen Komitees<br />
herrschte zunächst Ratlosigkeit,<br />
als sie ein Thema für ihre Tagung<br />
suchten, das sich an das Motto anlehnen<br />
sollte. Die meisten Komitees tagten<br />
im World Expo Center, einige hatten<br />
die Gelegenheit, anderswo zu tagen<br />
und dadurch zumindest ein Museum<br />
in Schanghai besser kennenzulernen.<br />
Allerdings waren sie etwas abgeschottet<br />
vom allgemeinen Geschehen.<br />
Neben Plenarveranstaltungen und<br />
Fachtagungen fanden zahlreiche Ereignisse<br />
statt, zu viele, um alle absolvieren<br />
zu können. Zur Auswahl standen<br />
Parallelveranstaltungen, Sitzungen und<br />
Treffen, spontane oder geplante Termine,<br />
Empfänge und Einladungen zum<br />
Abendessen. Plenarsitzungen, die CE-<br />
CA-Tagung – inklusive meines Vortrages<br />
–, ein Workshop zu Gast bei<br />
NATHIST, die A. Wittlin and S. Weil<br />
Memorial Lectures, der Empfang bei<br />
der Alliance Française, die Wahlen, die<br />
Sitzungen des Advisory Committee<br />
(als Zuhörerin) und des Strategic Plan<br />
Committee (als aktive Teilnehmerin)<br />
standen auf meinem Terminplan.<br />
Zahlreiche Museen boten Einblick<br />
in die chinesische Kultur<br />
Bei dem dichten Programm blieb wenig<br />
Zeit, Museen und Sehenswürdigkeiten<br />
in Schanghai zu besichtigen.<br />
Beneidenswert, wer früher anreisen,<br />
länger bleiben oder sogar eine der Konferenztouren<br />
machen konnte. Der Exkursionstag<br />
bot dafür reichlich Gelegenheit,<br />
in die chinesische Kultur<br />
einzutauchen. Ich hatte die Exkursion<br />
nach Hangzhou gebucht. Wir wurden<br />
wie gewohnt kontingentiert und auf<br />
Busse verteilt, die uns im Konvoi (mit<br />
Polizeibegleitung) in eine Kleinstadt<br />
– mit weniger als sechs Millionen Einwohnern<br />
ist von einem Dorf die Rede<br />
– der Nachbarprovinz brachten. In<br />
etwa drei Stunden Fahrt konnten wir<br />
uns mit unseren Nachbarn reichlich<br />
austauschen, China, Stadt und Land<br />
betrachten und dem Informationsfluss<br />
unserer Reisebegleiterin lauschen. Wir<br />
hatten genau dreißig Minuten, um im<br />
Schnellschritt mit Führung durch das<br />
Nationale Teemuseum zu eilen. Wie<br />
man Langnasen, dazu auch noch Museumsspezialisten,<br />
die an jeder Vitrine<br />
hängenbleiben oder genüsslich im Museumsshop<br />
Souvenirs einkaufen wollen,<br />
rechtzeitig wieder in den Bus bekommt,<br />
ist selbst dem besten Touris tenführer<br />
noch ein Rätsel.
Nach dem Mittagessen – unverfälscht<br />
chinesisch, endlich befreit von<br />
westlichen Großstadteinflüssen – in<br />
einem Restaurant inmitten der Teeplantagen<br />
stand ein zweites Museum<br />
auf dem Programm, das Porzellanmuseum.<br />
Auch hier wurde uns exakt eine<br />
halbe Stunde (mit Führung) zugeteilt<br />
und auch hier verhielt sich die Gruppe<br />
äußerst undiszipliniert, völlig unasiatisch.<br />
Das dritte Museum einige<br />
Kilometer weiter war das Chinesische<br />
Seidenmuseum, nun ahnen Sie schon,<br />
wie dieser Besuch vonstatten ging. Für<br />
den Rückweg musste die tagsüber eingehaltene<br />
Sitzordnung in den Bussen<br />
zwecks Verteilung auf die jeweiligen<br />
Hotels geändert werden. Ein Kraftakt<br />
der Organisation. Jedenfalls kamen<br />
wir alle in Schanghai wieder an, meines<br />
Wissens ist keiner in einem der Museen<br />
vergessen worden. So haben wir<br />
selber erlebt, wie sich asiatische Touristengruppen<br />
im Tourenmarathon<br />
fühlen könnten, und obwohl nur die<br />
wenigsten von uns in der Lage waren,<br />
sich dem chinesischen Besuchsverhalten<br />
anzupassen, werden wir sicherlich<br />
mehr Verständnis für diese bis dato<br />
eher verschmähte Gruppe aufbringen.<br />
3.600 Teilnehmer waren angemeldet,<br />
so die Meldung der Organisatoren.<br />
Die Zahlen liegen mir nicht vor,<br />
doch könnte schätzungsweise etwa<br />
die Hälfte davon aus China stammen.<br />
Schade, dass wir dennoch so wenige<br />
Möglichkeiten hatten, mit ihnen in<br />
Kontakt zu treten – was nicht allein<br />
an sprachlichen Schwierigkeiten lag.<br />
Denn in der Regel verschwanden die<br />
meisten trotz Simultanübersetzungen<br />
aus den Tagungsräumen, sobald die<br />
offiziellen Begrüßungsreden bzw. der<br />
Vortrag ihres Landsmannes zu Ende<br />
waren. So schien es mir zumindest,<br />
aber vielleicht trügt dieser Eindruck.<br />
Jedenfalls möchte ich mich für alle<br />
Eindrücke, Anregungen, Kontakte<br />
und Freundschaften, motivierende<br />
Worte und auf den Punkt gebrachten<br />
Kritiken, für die ganze Energie einer<br />
weltweiten Tagung und für das unglaubliche<br />
Erlebnis, auch bei dieser<br />
Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> dabei<br />
gewesen zu sein, ganz herzlich bedanken.<br />
Es was ein fantastischer Motivationsschub.<br />
Xie xie 1 .<br />
1 Chinesisch für „danke“.<br />
Foto: Leif Pareli<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige<br />
Besucherforscherin. Sie führt Besucherbefragungen<br />
und Evaluationen auf nationaler<br />
und internationaler Ebene für Museen und<br />
weitere Kultureinrichtungen durch. Sie ist<br />
Mitglied des Vorstands von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
und des Strategic Plan Committee von<br />
<strong>ICOM</strong>; swi@wintzerith.de.<br />
RÜCKBLICK<br />
Am Ende der Abschlusszeremonie übergab<br />
das chinesische Organisationsteam die<br />
<strong>ICOM</strong>-Flagge an die brasilianische<br />
Delegation. Die <strong>ICOM</strong>-Vertreter Brasiliens<br />
luden herzlich zur 23. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
2013 nach Rio de Janeiro ein.<br />
wir zu einem Spaziergang über eine Brücke<br />
eingeladen, die über und über mit Chrysanthemen<br />
geschmückt war – das zehnte Chrysanthemen-Fest<br />
dieser Art. Man vermittelte<br />
uns die zentrale Bedeutung des Wassers hier:<br />
Die Stadt wurde beim Herannahen eines<br />
Feindes im Kampf überflutet. Dann hielten<br />
wir an einem alten und authentischen Club<br />
für Händler, der Shanshangan Business Hall.<br />
Einleitende Worte zum Gebäude wurden vor<br />
einer Mauer gesprochen, auf der sich ein Emblem<br />
mit in sich verschlungenen Drachen<br />
befindet – sie stellen das Netzwerk der Mitglieder<br />
dar. Im City Museum von Kaifeng erfuhren<br />
wir dann, dass man gerade dabei ist,<br />
das Panoramabild einer Festszene am Fluss,<br />
das man in vielen Museen auch als Modell<br />
und als Relief ausstellt, in die Realität umzusetzen.<br />
Wir standen vor einer Veranschaulichung<br />
mit blinkenden Lichtern. Dazu hieß<br />
es: „Die Karte zeigt, wie die fünf Flüsse, als es<br />
noch keine Flugzeuge und Autos gab, die<br />
Leute zusammenbrachten.“<br />
„Xie xie“<br />
Katharina Fibig studierte Europäische Ethnologie<br />
und Gender Studies in Berlin. Sie arbeitete<br />
für das Deutsche Historische Museum<br />
und das Museum Neukölln. 2006–2010 assistierte<br />
sie dem Präsidenten von <strong>ICOM</strong> Europe,<br />
Dr. Udo Gößwald. In dieser Position half<br />
sie, u. a. Kon ferenztouren zu organisieren;<br />
katharina.fibig@t-online.de.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 21
RÜCKBLICK<br />
„Nun hab’ ich’s.“ – Die Ethik des Sammelns<br />
Ohne Sammlung kein Museum: Selbstverständliche Erkenntnis, die unter dem Diktat<br />
von Zeitgeist, Eventkultur und Sparzwang leicht vergessen werden könnte. Doch<br />
die Museumsexperten hielten auf der Jahrestagung „Die Ethik des Sammelns“ von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> geschlossen dagegen: Soll unsere Gesellschaft nicht in Amnesie<br />
verfallen, ist stetige Arbeit am Gedächtnis unserer Kultur und damit an den Sammlungen<br />
der Museen unabdingbar – über die geeigneten Konzepte und Strategien haben<br />
die Teilnehmer lebhaft diskutiert.<br />
Stéphanie Wintzerith<br />
22 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Foto: Andreas Praefcke
„Nun hab’ ich’s.“ Der Satz ist kurz und sachlich. Er wurde in einem milden<br />
Ton fast nebenbei ausgesprochen. Die Betonung lag auf dem Ich. Doch ist er so<br />
aussagekräftig, dass er der eigentlichen Überschrift der Tagung beinahe die Schau<br />
stehlen könnte. „Die Ethik des Sammelns“ war das Thema der Jahrestagung von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Der Internationale Museumsrat <strong>ICOM</strong> hat sich schon seit<br />
Jahrzehnten für ein ethisches Verhalten in und von Museen eingesetzt und sich<br />
der Herausforderung gestellt, weltweit geltende Richtlinien zu formulieren: Die<br />
Ethischen Richtlinien für Museen von <strong>ICOM</strong>. Sammlungen als Bestandteil des<br />
Museums unterliegen selbstverständlich auch ethischen Regeln. Die Themen reichen<br />
von den großen Prinzipien über (ethisches) Verhalten in der Museums praxis<br />
und beim Erwerb neuer Sammlungsobjekte bis hin zu ihrer potentiellen<br />
Abgabe.<br />
Am Anfang steht die Sammlung. Sie ist das Fundament jeglicher Museumsarbeit,<br />
denn ein Museum ist per definitionem – so steht es in den Ethischen Richtlinien<br />
für Museen von <strong>ICOM</strong> – eine Einrichtung, die „materielle und immaterielle<br />
Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht,<br />
bekannt macht und ausstellt“, also eine Sammlung aufbaut, pflegt und bearbeitet.<br />
Allerdings ist sie nicht der Zweck eines Museums an sich. Denn dieser<br />
besteht darin, Sammlungen und die daraus erlangten Erkenntnisse der Öffentlichkeit<br />
zur Verfügung zu stellen. Ohne Besucher ist die schönste, vollständigste<br />
Sammlung einzig für ihren Besitzer wertvoll, der allgemeinen Öffentlichkeit<br />
dient sie allerdings recht wenig.<br />
„Nun hab’ ich’s.“ Dem Sammler also alle Ehre, der diesen Satz ausgesprochen<br />
hat. Der Sammler, ob Privatsammler, Museumskurator oder im abstrakten Sinne<br />
die Institution Museum, trägt Objekte oder Kunstwerke zusammen, die zusammengehören<br />
– nach welchen Kriterien auch immer er das definiert. Er bemüht<br />
sich um den Erhalt dieser Stücke. Etliche Museen verdanken den Grundstock<br />
ihrer Sammlung der Sammelleidenschaft eines einzelnen Menschen. Jedes Museum<br />
bekam im Laufe seiner Entwicklung mindestens eine, meistens mehrere „komplette“<br />
Sammlungen angeboten – ob zum Kauf, als Schenkung oder als Nachlass.<br />
Schon die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung ist eine ethische.<br />
Das Spannungsfeld zwischen privater und öffentlicher Sammlung ergibt sich<br />
aus den unterschiedlichen Logiken des Sammelns. Im Museum sollten die wissenschaftlichen<br />
Kriterien im Vordergrund stehen, wenn auch subjektive Interessen<br />
nie komplett auszuschließen sind. Die Sammlungspolitik muss definiert<br />
und eingehalten, die Neuzugänge müssen immer so dokumentiert werden, dass<br />
deren Rechtmäßigkeit auch nachvollziehbar ist und die Kontextinformationen<br />
erhalten bleiben. Private Sammlungen können – müssen aber nicht – dem Geschmack<br />
und den momentanen Interessen des Sammlers einen größeren, manchmal<br />
auch entscheidenden Raum lassen. Objekten einer privaten Sammlung haftet<br />
auch keine Aura der Unveräußerlichkeit an. Der Sammler fängt mit wenigen<br />
Foto: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
RÜCKBLICK<br />
Jahrestagung und Mitgliederversammlung<br />
2010 von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> fanden<br />
vom 23. bis 25. September 2010 in der<br />
Pfeilerhalle des GRASSI Museums für<br />
Angewandte Kunst in Leipzig statt. Rund<br />
200 Teilnehmer, neben Museumsexperten<br />
auch einige Kunstsammler, tauschten sich<br />
darüber aus, wie Museen auch unter<br />
erschwerten Bedingungen die essentielle<br />
Aufgabe des Sammelns ethisch angemessen<br />
erfüllen können.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 23<br />
Foto: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>
RÜCKBLICK<br />
Ausgrabungen sind heute fester Bestandteil<br />
von Bauabläufen und haben meist<br />
große Fundmengen zur Folge. Aber wie<br />
umgehen mit diesen Funden, zumal wenn<br />
menschliche Knochen darunter sind? Eine<br />
gute Lösung wurde für die Skelette vom<br />
Petriplatz in Berlin gefunden, berichtete<br />
Matthias Wemhoff. Sie lagern nun in einem<br />
Gruftraum unter der Parochialkirche.<br />
Foto aus Urheberrechtsgründen in der<br />
Online-Fassung entfernt.<br />
24 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Foto: Landesdenkmalamt Berlin / Claudia Melisch<br />
Bulul, Philippinen, 19. Jahrhundert: Ge-<br />
schnitzte Holzfiguren, Speere oder Masken<br />
gelangten in der Vergangenheit als Ethno -<br />
graphica zahlreich in die Depots deutscher<br />
völkerkundlicher Museen. Dort fristen sie<br />
gegenwärtig oft ein sogenanntes „Dublettendasein“.<br />
Diese „Dubletten“ sind jedoch<br />
Zeichen für kulturelle Vielfalt und könnten<br />
von den Museen u. a. dazu genutzt werden,<br />
Vertreter der Regionen zu Gesprächen über<br />
Traditionen und Lebensweisen einzuladen,<br />
stellte Anette Rein als These zur Diskussion.<br />
Stücken an, er entwickelt sich mit seiner Sammlung weiter, setzt zwischendurch<br />
andere Schwerpunkte und gestaltet seine Sammlung(en) immer wieder aufs<br />
Neue. Ob sich der private Sammler an ethische Prinzipien hält, bleibt einzig und<br />
allein seine Entscheidung.<br />
„Nun hab’ ich’s.“ Der ganze Stolz des Sammlers liegt in der Betonung auf dem<br />
Ich. Eine seltene Briefmarke, ein Kleinod eines alten Meisters, der Prototyp einer<br />
wichtigen Erfindung, ein Objekt, das die Welt veränderte oder dem Alltag ferner<br />
Zeiten entronnen ist. Was es auch sein mag, es ist herausragend, repräsentativ<br />
oder einzigartig. Doch damit ist eine gewisse Verantwortung verknüpft, einerseits<br />
dem Objekt, andererseits – insbesondere für Museen – der Gesellschaft<br />
gegenüber. Dem ergatterten Sammlungsstück ist der Sammler bzw. das Museum<br />
verpflichtet, es fachgerecht zu bewahren und zu „nutzen“, in diesem Fall zu<br />
erforschen und gegebenenfalls auszustellen. Unter ethischen Gesichtspunkten<br />
sind der Erhalt und die Dokumentation der unzähligen Fundstücke aus der<br />
präventiven Archäologie alles andere als einfach, erläutert Matthias Wemhoff,<br />
Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin. Noch problematischer<br />
ist der angemessene Umgang mit menschlichen Überresten in Ausstellungen<br />
und Magazinen, denn es gelte, zwischen der Faszination des Publikums,<br />
der wissenschaftlichen Erforschung und dem Respekt vor dem Verstorbenen<br />
abzuwägen.<br />
Das Museum ist verpflichtet, seine Sammlungen in gutem Zustand und möglichst<br />
ergänzt den kommenden Generationen zu übergeben. Wie aber eine Sammlung<br />
ergänzen, ohne in die Falle des illegalen Handels zu geraten? Wie eine<br />
Samm lung sinnvoll ergänzen, wenn man keinen Etat zur Verfügung hat oder<br />
als Abgabe- oder auch Sammelstelle für archäologische Funde oder vom Zoll<br />
beschlagnahmte Gegenstände dient?<br />
„Nun hab’ ich’s.“ Als Seufzer lässt sich dieser Satz ebenfalls aussprechen, nämlich<br />
genau dann, wenn man nicht weiß, was man mit diesem Objekt anfangen<br />
soll. Was tun mit den unzähligen archäologischen Funden, die (heute) weder<br />
wissenschaftlich bedeutend, noch wirklich zuordenbar sind, wie etwa die berühmten<br />
„Tonscherben“? Was tun mit einer großen Anzahl von Artefakten,<br />
die sehr ähnlich, aber doch nicht ganz identisch sind? Man denke an naturkundliche<br />
Sammlungen mit ihren tausenden von Exemplaren einer Insektengattung.<br />
Man denke an handgefertigte Objekte in den Depots ethnographischer<br />
Museen. Sie sind alle ähnlich, haben aber doch teils winzige Abweichungen.<br />
Dubletten aus der Natur oder vom Menschen geschaffen sind Ausdruck der Vielfalt,<br />
so Anette Rein, ehemalige Direktorin des Museums der Weltkulturen in<br />
Frankfurt am Main. Reicht das aus, um ihren Verbleib in den Sammlungen zu<br />
rechtfertigen? Und wo liegt die Grenze zwischen gleich, also verzichtbar, und<br />
anders, also erhaltenswert?<br />
Aufgrund der Unveräußerlichkeit von inventarisierten Museumsobjekten werden<br />
Dubletten längst nicht mehr zwischen Museen ausgetauscht, wie es einst<br />
zur „sinnvollen“ Ergänzung der Sammlungen Usus war. Auch die Dokumentation<br />
großer Objektreihen lässt oft zu wünschen übrig – meist aus historischen<br />
Gründen –, was ihnen nicht gerade den besten Stand in der Sammlung beschert.<br />
Wäre da eine Verschlankung solcher Bestände möglicherweise ethischer? Oder<br />
ist das Horten aller Objekte besser, um auch im Notfall noch über „Ersatzobjekte“<br />
zu verfügen oder um für zukünftige Forschungsmethoden noch ausreichend<br />
Material zu erhalten? Wäre eine größere Spezialisierung der Museen<br />
auf bestimmte Sammlungsthemen vielleicht besser?<br />
„Nun hab’ ich’s.“ Aber was, wenn ich es nicht mehr behalten will? In der<br />
deutschen Museumslandschaft löst der Begriff des „Entsammelns“ eine große<br />
Debatte aus. Der Deutsche Museumsbund (DMB) hat versucht, Klarheit zu<br />
schaffen und ein ethisches Vorgehen vorzuschlagen, sollte das Thema in einzelnen<br />
Museen akut werden. Doch selbst innerhalb des Museumsbundes finden<br />
diese Vorschläge sowohl Befürworter als auch Gegner: Ist entsammeln an sich<br />
ethisch? Hans Lochmann, Leiter der Geschäftsstelle des Museumsverbandes für<br />
Niedersachsen und Bremen e. V., präsentierte Kriterien für nachhaltiges Sam-
meln, aber auch Bedingungen für die Abgabe von Sammlungsobjekten: Wann,<br />
unter welchen Umständen bzw. Voraussetzungen und mit welcher Prozedur<br />
könnte eine Abgabe vonstatten gehen?<br />
„Nun hab’ ich’s.“ Legen wir nun die Betonung auf das ’S, wenn es sich aussprechen<br />
ließe, auf das gesammelte Objekt: Das Museum besitzt eine Sammlung.<br />
Zu welchem Zweck? Warum überhaupt naturhistorische Sammlungen aufbauen,<br />
pflegen und erweitern? Für die Forschung, antwortet Volker Mosbrugger,<br />
Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Die<br />
Sammlungen – samt Dubletten – stehen den Forschern zur Verfügung. Ursprünglich<br />
ging es darum, die Natur zu verstehen: Kennen, um Nutzen zu ziehen. So<br />
war die Vielfalt, darunter auch die Variationen und Abweichungen vieler Exemplare,<br />
eine wertvolle Quelle des Wissens. Später verschob sich der Zweck der<br />
Sammlung auf den Schutz der Natur: Kennen, um schützen und erhalten zu<br />
können. Heute geht es hauptsächlich darum, das globale System zu verstehen<br />
und die Nachhaltigkeit zu sichern und zu fördern. Dabei steht die Sammlung<br />
immer als wertvolles Archiv des Lebens im Mittelpunkt. Sie dokumentiert den<br />
Wandel der Natur, sie beinhaltet zahlreiche Spezimina, nach denen Arten beschrieben<br />
wurden. Nun ist ihre Erweiterung durch Arten- und Bodenschutzgesetze<br />
zur Eindämmung der Biopiraterie gehemmt. Offen bleibt also die ethische<br />
Frage: Für die Naturforschung die Gesetze der Menschen brechen oder wegen<br />
dieser Gesetze auf neue wertvolle Erkenntnisse verzichten? Wie kann ein naturkundliches<br />
Museum ethisch sammeln?<br />
Lassen wir die Betonung weitergleiten, diesmal auf das Verb: „Nun hab’ ich’s.“<br />
Bin ich tatsächlich der rechtmäßige Eigentümer dieses Objektes? Diese Frage<br />
plagt sicherlich jeden Sammlungsleiter. Die Verantwortung ist groß, die Geldbeträge<br />
sind beachtlich. Schon bei der Anschaffung der Objekte müssen durch<br />
Provenienzforschung die Eigentumsverhältnisse lückenlos geklärt werden. Doch<br />
die Umsetzung dieser wichtigen ethischen Richtlinien gestaltet sich schwierig.<br />
Verborgenes und Vertuschtes lässt sich nach Jahren des Geheimnisses nicht<br />
ohne weiteres an den Tag bringen, schon gar nicht, wenn ein Verbrechen bewiesen<br />
werden muss. Betroffen sind insbesondere Kulturgüter, die als (Kriegs-)Beute<br />
oder NS-Raub unrechtmäßig entwendet wurden, sowie solche, die aus Plünderungen<br />
von archäologischen Stätten oder als Diebesgut auf den Markt kamen.<br />
Im weitesten Sinne könnten also alle Kulturgüter betroffen sein, die den Eigentümer<br />
wechseln.<br />
Hilfestellung, erklärte Michael Franz, leistet hier die von ihm geleitete Koordinierungsstelle<br />
Magdeburg, die Ansprechpartner für Privatleute sowie Museen<br />
ist. Sie zentralisiert Informationen und führt Datenbanken, in denen Raub-<br />
oder Diebesgut abgerufen werden kann. Sie verfügt über spezialisierte Juristen,<br />
um knifflige Rechtsfragen zu klären. Sie trägt dazu bei, auf der politischen Ebene<br />
Vereinbarungen zu schließen. Sie beschäftigt sich mit den moralisch-ethischen<br />
Aspekten dieser schwierigen Fragen. Nicht nur die Anschaffungen sondern auch<br />
der Bestand sind davon betroffen.<br />
„Nun hab’ ich’s“. Bin ich berechtigt es zu behalten? Forderungen nach Rückgabe<br />
von Objekten und Werken, die in museale Sammlungen gelangt sind, sind<br />
die wohlbekannte Spitze des Eisberges. Um Ethik, (einstige) Rechtslagen, Kaufvorgänge,<br />
Provenienz und Beweise wird gestritten. Die Koordinierungsstelle<br />
Magdeburg in Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> kann auch hier zu einer ethisch<br />
vertretbaren Lösung von Einzelfällen beitragen.<br />
„Nun hab’ ich’s“, jubelt der Käufer. „Hoffentlich rechtmäßig“, denkt er vermutlich<br />
gleich danach, „und zu einem vernünftigen Preis“. Über Auktionen gelangen<br />
viele Werke und Objekte aus Privatbesitz in öffentliche Sammlungen.<br />
Seriöse Auktionshäuser haben relativ gute Möglichkeiten, Provenienzforschung<br />
zu betreiben, schildert der Frankfurter Auktionator Karl M. Arnold, und ziehen<br />
beim leisesten Zweifel die Werke zurück. Zudem werden Auktionskataloge<br />
veröffentlicht, die zur Transparenz beitragen. Andererseits erweist sich der Anonymitätswunsch<br />
einiger Käufer oder Verkäufer als problematisch für die lückenlose<br />
Dokumentation der Eigentumsgeschichte des Objektes. Doch kaufen<br />
RÜCKBLICK<br />
www.lostart.de Foto: Gerhard Winter<br />
Naturwissenschaftliche Sammlungen<br />
sind Archive des Lebens, die auf zahllose<br />
Fragen Antworten bereithalten. Vor allem<br />
dort, wo es um Prozesse über einen langen<br />
Zeitraum geht, können sie dokumentieren,<br />
was einmal war bzw. was sich wie und<br />
wohin entwickelt hat.<br />
Eine der zentralen Aufgaben der Koordinierungsstelle<br />
ist die Dokumentation von<br />
Such- und Fundmeldungen zu Beutekunst<br />
und NS-Raubkunst über www.lostart.de.<br />
Momentan verzeichnet die Koordinierungsstelle<br />
in www.lostart.de mehr als<br />
122.000 detailliert und mehrere Millionen<br />
summarisch aufbereitete Kulturgüter von<br />
über 1.100 Einrichtungen und Privatpersonen.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 25
RÜCKBLICK<br />
26 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Foto: www.kulturstiftung.de<br />
Die Kulturstiftung der Länder unterstützt<br />
deutsche Museen, Bibliotheken und<br />
Archive bei dem Erwerb bedeutender<br />
Kunstwerke und Kulturgüter. So förderte<br />
sie jüngst die gemeinsamen Bemühungen<br />
des Deutschen Literaturarchivs Marbach<br />
und der Bodleian Library/Oxford bei dem<br />
Erwerb der Briefe Franz Kafkas an seine<br />
Schwester Ottla. Zu dem erworbenen Konvolut<br />
gehört auch diese Bildpostkarte aus<br />
Riva am Gardasee vom 7. September 1909.<br />
Foto: Kunstkammer, Georg Laue, München<br />
Thomas Olbricht ist leidenschaftlicher<br />
Kunstsammler. 2010 2010 eröffente er in<br />
Berlin-Mitte den me Collectors Room zur<br />
Präsentation seiner in den vergangenen<br />
25 Jahren zusammengetragen Sammlung.<br />
Sie umfasst Arbeiten vom Beginn des<br />
16. Jahrhunderts bis zur jüngsten<br />
Gegenwartskunst, darunter dieses Paar<br />
Tödlein aus Buchsbaum, um 1600.<br />
können Museen nur dann, wenn sie die entsprechenden Budgets dafür haben.<br />
Reicht es nicht aus, könnte beispielsweise die Kulturstiftung der Länder eingreifen,<br />
deren zwingendes Prinzip es ist, die Qualität durch Gutachten prüfen<br />
zu lassen und die Provenienz der Objekte einwandfrei zu klären. Wenn der Preis<br />
angemessen ist, kann die Stiftung einen Teil des Ankaufspreises übernehmen,<br />
auch bei einer Auktion. Ethisches Handeln ist natürlich oberstes Gebot, so die<br />
Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen.<br />
„Nun hab’ ich’s.“ Auch das erste Wort des Satzes verdient eine Betonung.<br />
Drei Buchstaben, die auf den Lauf der Zeit und die Vergänglichkeit deuten.<br />
„Ich“ bin nur zeitweise im Besitz des Objektes. „Ich“ habe es vielleicht von<br />
einem Vorgänger übernommen und werde es einem Nachfolger übergeben. Die<br />
Sammlung kann den Sammler „überleben“. Wie ist dann mit ihr umzugehen?<br />
Soll sie als Ganzes erhalten bleiben, wird sie aufgelöst? Was passiert beispielsweise<br />
mit dem Nachlass der Künstler? Die Sammlung kann aber auch vom<br />
Sammler verschenkt oder verkauft werden – sogar an eine grenzüberschreitende<br />
Kooperation von drei Museen, wie Friedemann Malsch, Direktor des Kunstmuseums<br />
Liechtenstein, ausführte. Mit welchen Auflagen? Wie gehen die Museen<br />
damit um? Der ehemalige Direktor der Hamburger Kunsthalle, Uwe M.<br />
Schneede, schilderte die spannungsreichen Wechselwirkungen zwischen Sammler<br />
und Museum.<br />
Der Sammler kann seine Sammlung der Öffentlichkeit aber auch eigenständig<br />
präsentieren und dabei seinen „Nachfolger“ als Institution Museum ins<br />
Leben rufen. Ist der Sammler selbst ein Museum, ist die Sammlung langfristig<br />
angelegt. Doch wer kann schon die Zukunft vorhersagen, wer kann garantieren,<br />
dass in fünfzig oder hundert Jahren diese Museen weiterhin existieren und<br />
die Sammlungen, die sie jetzt besitzen, unangetastet – bestenfalls ergänzt – weiteren<br />
Kuratorengenerationen übergeben wurden? Woran werden wir von den<br />
kommenden Generationen gemessen – an der Anzahl von Events und Vermietungen<br />
der Räumlichkeiten oder an den sinnvollen Ergänzungen der Sammlungen?<br />
Die Begriffe „Ethik“ und „Sammlung“ zusammenzubringen, ist ein ehrgeiziges<br />
Unterfangen. Prinzipien stehen gelegentlich im Widerspruch zur Praxis.<br />
Wenn die Ethik leidenschaftliche Debatten auslöst, so entsteht eine Sammlung<br />
meist mit einer großen Leidenschaft für ihren Inhalt. In beiden Fällen sind absolute,<br />
allgemeingültige Wahrheiten schwer zu formulieren oder gar einzuhalten.<br />
Beide zusammen werfen viele Fragen auf. Einige Antworten wurden in den<br />
zahlreichen Redebeiträgen angeboten – die sich hier in Kurzfassung nur schwerlich<br />
präsentieren lassen. Dafür lohnt es sich, den angekündigten Tagungsband<br />
zu lesen. Dass der Bericht der wohldurchdachten Gliederung der Tagung nicht<br />
folgte, lag an einem kurzen Satz, der wie geschaffen dafür war, hier als roter<br />
Faden zu dienen. Nun hab’ ich’s.<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige Besucherforscherin. Sie führt Besucherbefra gungen<br />
und Evaluationen auf nationaler und internationaler Ebene für Museen und weitere<br />
Kultureinrichtungen durch. Sie ist Mitglied des Vorstands von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und des<br />
Strategic Plan Committee von <strong>ICOM</strong>; swi@wintzerith.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Programm und Abstracts: www.icom-deutschland.de<br />
Berichterstattung über die Jahrestagung auf <strong>Deutschland</strong>radio Kultur,<br />
25.9.2010: www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/1281571<br />
1.10.2010: www.dradio.de/dkultur/kulturpresseschau/fazit/1286818<br />
Ein Tagungsband ist in Vorbereitung, Bestellschein siehe S. 59.
RÜCKBLICK<br />
TÄTIGKEITSBERICHT DES PRÄSIDENTEN VON <strong>ICOM</strong> DEUTSCHLAND FÜR 2009/2010<br />
Gehalten vor der Mitgliederversammlung am 24. September 2010 in Leipzig<br />
Die Entwicklung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> verlief im Berichtszeitraum erfreulich<br />
dynamisch. Sowohl hinsichtlich der Mitgliederentwicklung als<br />
auch mit Blick auf die Aktivitäten des Verbandes. Die Mitgliederversammlung<br />
des Jahres 2010 fand am 24. September im Rahmen der Jahrestagung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> zum Thema „Die Ethik des Sammelns“<br />
in der Pfeilerhalle des Grassi Museums in Leipzig statt.<br />
Mitgliederstatistik<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat derzeit 4.210 Mitglieder (Stand 1.9.2010), damit<br />
ist von 2005 bis heute einen Zuwachs von ca. 1.500 Mitgliedern<br />
zu verzeichnen. Das Wachstum setzt sich kontinuierlich fort: In den<br />
ersten acht Monaten des Jahres 2010 wurden insgesamt 200 neue<br />
Mitglieder aufgenommen.<br />
Dieses dynamische Wachstum muss unter verschiedenen Gesichtspunkten<br />
bewertet werden. Zum einen verleiht es dem Deutschen<br />
Nationalkomitee als dem stärksten Nationalkomitee von <strong>ICOM</strong>, gefolgt<br />
von Frankreich, entsprechendes Gewicht, es sind damit aber<br />
auch Verpflichtungen und Erwartungen anderer Komitees an eine<br />
kritische und konstruktive Mitarbeit im Weltverband verbunden. Die<br />
hohe Zahl der Mitglieder in <strong>Deutschland</strong> leistet einen nennenswerten<br />
Beitrag zur Finanzierung des Weltverbandes, zugleich wächst auch<br />
der Aufwand für die Betreuung der Mitglieder, dem aber eine seit Jahren<br />
gleichbleibende Personalstärke in unserer Geschäftsstelle kaum<br />
noch gewachsen ist. In absehbarer Zeit muss <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auch<br />
den für die Arbeit des Nationalkomitees verwendeten An teil am Mitgliederbeitrag<br />
behutsam steigern, um den Aufgaben der Mitgliederbetreuung<br />
weiterhin gerecht werden zu können. Nach wie vor sind<br />
die Nationalkomitees die Heimat der Mitglieder, dort treten sie in den<br />
Weltverband ein und dort haben sie den intensivsten Kontakt mit<br />
ihm. Und selbstverständlich ist unsere Geschäftsstelle auch die erste<br />
Adresse für unsere Mitglieder, wenn es darum geht, Wünsche und<br />
Anregungen vorzutragen oder Informationen über den Weltverband<br />
einzuholen.<br />
Mit gewisser Sorge ist aber festzustellen, dass das Interesse an der<br />
aktiven Mitarbeit im Verband nicht in gleichem Masse steigt, wie die<br />
Mitgliederzahl. Es ist daher eine vorrangige Aufgabe des Vorstandes,<br />
für eine intensive Einbindung der Mitglieder, bevorzugt der jungen<br />
neuen Mitglieder, zu sorgen, um sie dauerhaft zu aktiven Mitgliedern<br />
zu machen. Ferner müssen wir auf die Qualifikation der Neumitglieder<br />
achten. So erfreulich das breite Interesse an einer Mitgliedschaft ist, so<br />
wichtig ist das Festhalten an der professionellen Bindung an die Museumsarbeit.<br />
<strong>ICOM</strong> ist ein Berufs- und nicht ein Interessensverband. Wer<br />
allein den durch den Mitgliedsausweis gewährten Vorteil des freien<br />
Museumseintritts sucht, hat in diesem Berufsverband nichts verloren.<br />
Vor diesem Hintergrund streben wir eine Steigerung der Mitgliederzahlen<br />
mit Augenmaß an, um der Stimme des Verbandes als Vereinigung<br />
von Museumsprofis auch in Zukunft Gewicht zu verleihen.<br />
Haushalt<br />
Im Gesamthaushalt des Jahres 2010 in Höhe von 481.000 Euro (Soll)<br />
ist auf der Einnahmenseite ein Betrag von 294.500 Euro enthalten,<br />
der aufgrund der Gebührenfestlegung des Weltverbandes nach Paris<br />
weitergereicht wird. Weitere Einnahmen entstehen durch die Zuwendung<br />
des Bundes in Höhe von 92.000 Euro, durch einen Aufschlag<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auf den Mitgliedsbeitrag sowie durch<br />
Tagungsgebühren und durch Verkaufserlöse. Die Ausgaben für Personal<br />
in der Geschäftsstelle, für Honorare für freie Mitarbeit, für Geschäfts-<br />
bedarf, Reisekosten des Vorstands und der Geschäftsstelle, Website<br />
und für die Herausgabe der <strong>Mitteilungen</strong> sind im Vergleich zum Vorjahr<br />
nahezu unverändert, ebenso die projektbezogenen Ausgaben<br />
wie Reisekostenbeihilfen für deutsche Mitglieder in internationalen<br />
Komitees, für die Durchführung der Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
für Kooperationsprogramme und für Publikationen.<br />
<strong>ICOM</strong> plant für <strong>2011</strong> und 2012 eine weitere Anhebung der Mitgliedsbeiträge<br />
für individuelle Mitglieder, die sich an der finanziellen<br />
Leistungsfähigkeit der Staaten, gemessen am Bruttoinlandsprodukt,<br />
orientiert und für <strong>Deutschland</strong> jeweils 4 Euro pro Jahr betragen wird.<br />
Ebenso wird der Beitrag für institutionelle Mitglieder, gestaffelt nach<br />
der Höhe des Gesamtbudgets der Institutionen, angehoben. Leider<br />
haben wir wegen der teilweise recht drastischen Erhöhung der Gebühren<br />
einige institutionelle Mitglieder verloren, ich danke allen im<br />
Verband gebliebenen Museen für ihre Loyalität und ihr Verständnis.<br />
<strong>ICOM</strong> verspricht mit den erhöhten Einnahmen eine Stärkung der<br />
Projektmittel für internationale Komitees um 33 %, Reisekostenzuschüsse<br />
um 12 % und Sonderprojekte um 43 %, zumeist für die Dritte<br />
Welt, sowie eine Verbesserung des Mitgliederservice durch eine<br />
neue Datenbank und einen neuen Internetauftritt.<br />
Pressearbeit<br />
Im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit veröffentlichte <strong>ICOM</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> Stellungnahmen zum Fall eines illegal gehandelten<br />
Goldgefäßes aus dem Irak (vgl. <strong>Mitteilungen</strong> 2010, S. 10–13), verbunden<br />
mit einem Schreiben an den Präsidenten des zuständigen Finanzgerichts<br />
in München, ferner eine Pressemitteilung zum Fall einer Anfrage<br />
des Fernsehsenders Pro7 für eine Sendung „Stehle(!) ein Bild“ in<br />
dem Format Mutprobe an das Spielzeugmuseum Nürnberg. Diese Pressemitteilung<br />
löste eine Resonanz in der FAZ vom 1. September 2009<br />
aus. In einem Rundfunkinterview des NDR vom 10. Dezember 2009<br />
wurde zu den ins Auge gefassten Verkäufen aus der Sammlung der<br />
Kunsthalle Hamburg Stellung genommen. In einer Pressemitteilung<br />
vom 5. Oktober protestierte <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gegen die geplante<br />
Schließung des Altonaer Museums, die Museumswelt Hamburg vom<br />
De zember 2010 (Beilage zum Hamburger Abendblatt, 7. November 2010)<br />
druckte ein Interview mit dem Präsidenten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />
Jahrestagung<br />
Das Thema der Tagung „Die Ethik des Sammelns“ ist auf eine erfreuliche<br />
Resonanz gestoßen, was sicher als Hinweis darauf gedeutet<br />
werden kann, welche Bedeutung die Kernaufgaben des Museums<br />
in der täglichen Arbeit unserer Mitglieder haben und welchen Rang<br />
ethische Positionen als Orientierung in einem sich auf vielen Ebenen<br />
rasant verändernden Museumswesen darstellen. Die Teilnahme von<br />
Staatsminister Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien, zur Eröffnung werten wir als Zeichen der<br />
Anerkennung der Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> als dem mitgliederstärksten<br />
Museumsverband in <strong>Deutschland</strong> und danken für die<br />
durch den Bund gewährte finanzielle Unterstützung.<br />
Sonstige Aktivitäten<br />
Mitarbeiter der Geschäftsstelle und Mitglieder des Vorstandes waren<br />
im November 2009 mit einem Stand auf der Museumsmesse Exponatec<br />
Cologne in Köln präsent.<br />
Präsident, Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführung vertraten<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> mit Redebeiträgen bei der Tagung von NATHIST<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 27
RÜCKBLICK<br />
am 26. bis 29. Oktober 2009 in Stralsund, beim Meeting von ICAMT<br />
vom 5. bis 7. November in Berlin, beim Treffen von The Best in Heritage<br />
am 17. November 2009 in Köln, bei der Tagung von SIBMAS am<br />
26. Juli 2010 in München und, ebenfalls in München, bei der Tagung<br />
von COSTUME am 7. September 2010.<br />
Der Präsident von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> ist ex officio Mitglied im Fachbeirat<br />
der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg<br />
und seit April 2009 auch stellvertretender Vorsitzender des Gremiums,<br />
das zwei Mal im Jahr zusammentritt. Ferner nimmt <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
regelmäßig an den Sitzungen des Deutschen Kulturrates/Deutschen<br />
Kunstrates und der Deutschen UNESCO-Kommission teil. Der<br />
Vorstand trat zu vier Sitzungen zusammen, darüber hinaus bildete sich<br />
eine Arbeitsgruppe zum Thema „Freiwilligenengagement im Museum“<br />
gemeinsam mit dem „Netzwerk Bürgerschaftliches Engagement<br />
im Museum“ (netbem.eu), um eine Stellungnahme zum Europäischen<br />
Jahr der Freiwilligentätigkeit <strong>2011</strong> vorzubereiten. Die Geschäftsstelle<br />
unterstützte das Generalsekretariat in Paris bei der Übersetzung und<br />
Redaktion der „Roten Liste der gefährdeten Kulturgüter aus Mittelamerika<br />
und Mexiko“.<br />
Neben diesen Sonderaktivitäten ist die (täglich besetzte) Geschäftsstelle<br />
kontinuierlich mit Neuaufnahmen von Mitgliedern, Mitgliederanfragen,<br />
Versand von Informationen, Pflege und Aktualisierung<br />
der Homepage beschäftigt.<br />
Unter dem Motto „Museums for Social Harmony – Museen für<br />
ein gesellschaftliches Miteinander“ begingen die Museen rund um<br />
den 18. Mai 2010 weltweit den 33. Internationalen Museumstag. In<br />
<strong>Deutschland</strong>, Österreich und der Schweiz fand das Ereignis am<br />
Sonntag, dem 16. Mai 2010, statt. Der Internationale Museumstag<br />
stand in <strong>Deutschland</strong> unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des<br />
Bundesrates, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen,<br />
Bürgermeister Jens Böhrnsen. Anlässlich des Ereignisses fand am<br />
Sonntag, dem 16. Mai 2010, im Bremer Focke-Museum eine bundesweite<br />
Auftaktveranstaltung statt. Am Museumstag beteiligten sich<br />
1.739 Museen aus dem ganzen Bundesgebiet. Dieser Erfolg ist der<br />
Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museumsbund und den Museumsämtern<br />
und -verbänden der Länder zu verdanken, die für eine<br />
intensive Kommunikation des Internationalen Museumstages gesorgt<br />
haben.<br />
Umfrage >><br />
In unserem Newsletter 03/2009 baten wir unsere Mitglieder darum,<br />
einen Fragebogen zu den Erwartungen an den Verband und an die<br />
Arbeit des Vorstandes von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auszufüllen. Erarbeitung<br />
und Auswertung der Umfrage erfolgte durch unser Vorstandsmitglied<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith als Fachfrau für die Evaluation von<br />
Kultureinrichtungen, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei.<br />
Mit einem Rücklauf von 212 Fragebögen, das entspricht knapp 10 %<br />
der per Newsletter erreichten Mitglieder, können folgende Aussagen<br />
gemacht werden.<br />
Kennzeichnend für die Umfrage ist die überwiegend weibliche Beteiligung<br />
(75 %) von Mit gliedern unter 35 Jahren, das heißt, der Nachwuchs<br />
in unserem Verband ist überwiegend weiblich, während unter<br />
den Mitgliedern über 65 Jahren die Männer deutlich in der Mehrheit<br />
sind. Fast die Hälfte der Mitglieder hat in den letzten vier Jahren an einer<br />
der Tagungen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> teilgenommen, doch blieben<br />
immerhin 55 % in dieser Hinsicht inaktiv. Auch die Beteiligung an den<br />
internationalen Komitees, die in besonderer Weise die Chance der<br />
weltweiten Vernetzung und des internationalen Meinungs- und Erfah-<br />
28 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Publikationen<br />
Anfang Mai wurden die Mittelungen 2010 in verbesserter Aufmachung<br />
auf den Weg gebracht. Beiträge für künftige Ausgaben der jährlich<br />
erscheinenden Schrift, die ein Mitteilungsorgan von Mitgliedern für<br />
Mitglieder sein will, sind immer herzlich willkommen.<br />
Eine Reihe von Veröffentlichungen konnte im Berichtszeitraum<br />
herausgebracht werden. Der Tagungsband Wissenschaftskommunikation<br />
– Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum dokumentiert<br />
die dritte Tagung der Wissenschaftsmuseen im deutsch-französischen<br />
Dialog in Berlin vom 14. bis 16. Oktober 2007.<br />
In Partnerschaft mit <strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz wurde<br />
die Definition des CIDOC Conceptual Refernce Model (CRM, Version<br />
5.0.1.) in gedruckter Form als Band 1 der neu begründeten Schriftenreihe<br />
„Beiträge zur Museologie“ vorgelegt. Damit ist ein lange gehegter<br />
Wunsch von CIDOC realisiert worden, wonach neben der existierenden<br />
Internetversion des CRM auch eine Printversion dieses<br />
Nachschlagewerkes die Arbeit am Schreibtisch und am Computer<br />
erleichtern soll.<br />
Ebenfalls erschienen ist der Tagungsband Museen und Denkmäler.<br />
Historisches Erbe und Kulturtourismus (Internationales Bodensee-Symposium,<br />
Lindau 18. bis 20. Juni 2009) als Band 2 der Schriftenreihe.<br />
Die deutsche Übersetzung des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums<br />
gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Österreich und <strong>ICOM</strong> Schweiz wurde in einer<br />
Auflage von 15.000 Exemplaren gedruckt und allen deutschen <strong>ICOM</strong>-<br />
Mitgliedern sowie allen deutschen Museen und Kultusministerien<br />
kostenlos zugesandt.<br />
Im August 2009 wurde der vom Deutschen Museumsbund erarbeitete<br />
Leitfaden für das wissenschaftliche Volontariat am Museum<br />
gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> herausgegeben. Dem DMB ist<br />
für das Angebot zur Kooperation herzlich zu danken.<br />
Der Rückblick legt eine beachtliche Bilanz offen. Dies zu erreichen<br />
war nur möglich durch die Mitwirkung zahlreicher engagierter Mitglieder<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, durch die lebhafte und kompetente<br />
Beteiligung aller Mitglieder des Vorstandes und in besonderer Weise<br />
durch das große Engagement der Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle<br />
unter der umsichtigen Leitung von Johanna Westphal.<br />
Dr. Klaus Weschenfelder<br />
Präsident <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
rungsaustauschs bie tet, liegt bei 36 %, wobei nach eigener Angabe nur<br />
10 % aktiv teilnehmen.<br />
Wertvolle Anregungen brachten die Vorschläge für Tagungsthemen<br />
und für die Arbeit des Vorstandes. Es zeigt sich, dass vor allem<br />
praxisbezogene Themen gewünscht sind, wobei eine besondere Nachfrage<br />
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus kleineren Museen<br />
kommt. Dem Vorstand zur besonderen Beachtung empfohlen wurde<br />
die verstärkte Aufmerksamkeit für den Nachwuchs an Museen und<br />
die Betonung der internationalen Perspektive als eine Besonderheit<br />
der Arbeit in einem Weltverband.<br />
Der Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> hat die Umfrageergebnisse<br />
sorgfältig erörtert und entsprechende Vorhaben daraus abgeleitet. So<br />
soll die nächste Jahrestagung in Budapest, gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Ungarn,<br />
dem Museums-Nachwuchs gewidmet sein. In Angriff genommen<br />
wurde die Erstellung eines Leitfadens zur präventiven Konservierung<br />
gemeinsam mit <strong>ICOM</strong> Österreich, <strong>ICOM</strong> Schweiz und dem<br />
<strong>ICOM</strong> Conservation Committee. Ferner wurde aus der Mitte des Vorstandes<br />
eine Strategie-Arbeitsgruppe gebildet, die sich der weiteren<br />
Entwicklung annehmen soll.
RÜCKBLICK<br />
PROTOKOLL DER MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2010 VON <strong>ICOM</strong> DEUTSCHLAND<br />
24. September 2010<br />
Grassi Museum Leipzig<br />
Beginn der Mitgliederversammlung: 17:00 Uhr<br />
Anwesende Mitglieder: 84<br />
Der Vorstand ist vollständig anwesend.<br />
1. Billigung der Tagesordnung<br />
Die vorliegende und den Mitgliedern rechtzeitig übermittelte Tagesordnung<br />
wird gebilligt. Unter Punkt 7 der Tagesordnung (Verschiedenes)<br />
wird ein aktueller Bericht über die angekündigte Schließung<br />
des Altonaer Museums in Hamburg durch Dr. Vanessa Hirsch<br />
angemeldet.<br />
2. Benennung der Protokollführung<br />
Als Protokollführer wird das Vorstandsmitglied Dr. Christoph Lind<br />
benannt.<br />
3. Tätigkeitsbericht des Präsidenten und Vorstellung des Haushalts<br />
Der Präsident, Dr. Klaus Weschenfelder, gibt einen Überblick über die<br />
Aktivitäten von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für den Zeitraum seit der letzten<br />
Mitgliederversammlung in Lindau im Juni 2009. Zuvor wird in einer<br />
Schweigeminute der Mitglieder gedacht, die im Berichtszeitraum<br />
verstorben sind. In alphabetischer Reihenfolge:<br />
Dr. Eva Brües<br />
Prof. Dr. Günter Busch<br />
Dr. Hermann Eiselen Senator e.h.e.h.<br />
Barbara Götze<br />
Dr. Gisela Holan<br />
Prof. Dr. Gerhard Kaufmann<br />
Dr. Karl-Heinz Lampe<br />
Thomas Lautz<br />
Dipl. Rest. Katja Lewerentz<br />
Prof. Dr. Ingrid Loschek<br />
Prof. Dr. Claus Zoege von Manteuffel<br />
Fritz Artur Rieber<br />
Prof. Dr. Werner Schmalenbach<br />
Prof. Dr. Eduard Trier<br />
Der Präsident stellt die Zahlen der Mitgliederentwicklung vor: Aktuell<br />
sind in <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> insgesamt 4210 Mitglieder organisiert.<br />
Von 2005 bis heute ist ein Zuwachs von ca. 1500 Mitgliedern zu<br />
verzeichnen. Die positive Mitgliederentwicklung ist ein Beleg für die<br />
erfolgreiche Arbeit von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>. Diese beeindruckende<br />
Zahl zeichnet <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> als das mitgliederstärkste Nationalkomitee<br />
weltweit aus. Die steigenden Mitgliederzahlen bringen<br />
einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich, insbesondere bei der<br />
Kontrolle der Anforderungen bei Neuaufnahmen gemäß den Statuten.<br />
Der Präsident stellt den Haushaltsplan von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für<br />
das Jahr 2010 vor. Die Mitgliedsbeiträge machen den größten Teil<br />
der Einnahmen aus; etwa zwei Drittel der Gesamtausgaben sind die<br />
vom Weltverband festgesetzten Beiträge, die das Nationalkomitee<br />
an die Zentrale in Paris abführt.<br />
Der Präsident dankt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der<br />
Geschäftsstelle für ihre engagierte und erfolgreiche Arbeit einschließlich<br />
der Organisation der Tagung in Leipzig.<br />
4. Aussprache zum Bericht<br />
Vorstand und Mitgliederversammlung schließen sich dem Dank des<br />
Präsidenten an die Geschäftsstelle für die erfolgreiche Arbeit an. Der<br />
ausgeglichene Haushalt findet Befürwortung.<br />
5. Genehmigung des Jahresberichts und Entlastung des Vorstands<br />
Der Jahresbericht wird genehmigt. Auf Antrag von Prof. Dr. Eszter<br />
Fontana wird der Vorstand ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der<br />
Vorstandsmitglieder entlastet.<br />
6. Wahlen zum Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> für den Zeitraum<br />
<strong>2011</strong> bis 2013<br />
Es wird mit Zustimmung der Mitgliederversammlung Dr. Werner Hilgers<br />
als Wahlleiter bestimmt. Dieser erklärt das Wahlprozedere. Als<br />
Wahlbeobachterin wird mit Zustimmung der Mitgliederversammlung<br />
Martina Krug benannt. Informationen zu den Kandidaten für<br />
die Vorstandswahlen waren zusammen mit den Tagungsunterlagen<br />
an die Mitglieder verteilt worden; die Kandidaten erhalten Gelegenheit,<br />
sich persönlich den Mitgliedern vorzustellen. Im Anschluss wird<br />
die Wahl durchgeführt.<br />
7. Verschiedenes<br />
Dr. Vanessa Hirsch referiert die aktuelle Lage des von der Schließung<br />
bedrohten Altonaer Museums. Eine offizielle Erklärung des Präsidenten<br />
wird vorbereitet.<br />
8. Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorstandswahlen<br />
Der Wahlleiter gibt das Ergebnis der Wahlen unter Angabe der jeweiligen<br />
Stimmenanzahl bekannt. Als Präsident kandidierte Dr. Klaus<br />
Weschenfelder, der für eine weitere Amtsperiode gewählt wird. Die<br />
neu gewählten Mitglieder des Vorstands sind in alphabetischer Reihenfolge:<br />
Dr. Matthias Henkel, Prof. Dr. Lothar Jordan, Dr. Franziska<br />
Nentwig, Dr. Gabriele Pieke, Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch und<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith.<br />
Alle Kandidaten nehmen die Wahl an.<br />
Der Präsident schließt die Mitgliederversammlung um 19:00 Uhr.<br />
Mannheim, den 15. Februar <strong>2011</strong><br />
gez. Dr. Christoph Lind, Protokollführer<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 29
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
28. Januar <strong>2011</strong>: Ein kultur -<br />
histo ri sches Desaster nimmt seinen Lauf<br />
<strong>ICOM</strong> und CIPEG reagierten mit Sofortmaßnahmen auf die Bedrohung von Kulturgütern<br />
in Ägypten. Eine Task Force dokumentierte kurz nach Ausbruch der Unruhen<br />
den Verlust und die Schäden an Kulturschätzen und bestärkte die politischen Akteure<br />
vor Ort darin, das unschätzbare Kulturerbe vor weiterer Beschädigung zu schützen.<br />
Christine Fößmeier<br />
Während nur wenige Meter weiter Tausende friedlich für die<br />
Demokratie in Ägypten demonstrierten, drangen am Abend<br />
des 28. Januar <strong>2011</strong> einige Personen in das Ägypti sche Museum<br />
in Kairo, die weltweit bedeutendste Sammlung ägyptischer<br />
Altertümer, ein und beschädigten und ent wendeten<br />
zahlreiche Ausstellungsobjekte. Derweil berichteten Museen<br />
wie das von Port Said oder Qantara gar von bewaffneten<br />
Banden, die unzählige antike Stücke stah len. Durch<br />
das Internet verbreiteten sich diese Nachrichten rasend<br />
schnell über die ganze Welt.<br />
Bereits am 29. Januar wurde klar, dass <strong>ICOM</strong> dort rasch<br />
tätig werden und in Zusammenarbeit mit ägyptischen Kollegen<br />
auf den Schutz des Kulturgutes drängen sollte. Schon<br />
am Wochenende wurde eine Task Force des Internationalen<br />
Komitees für Ägyptologie (CIPEG) ins Leben gerufen.<br />
Innerhalb von <strong>ICOM</strong> vermag CIPEG als Fachkomitee für<br />
Eines der unzähligen Beispiele von<br />
Raubgrabungen in Ägypten: Die ses Grab<br />
aus dem 6.–5. Jahrhundert v. Chr. in Abusir<br />
wurde stark beschädigt, Grabbeigaben<br />
gestohlen, die Mumie zerfetzt und die<br />
menschlichen Überreste dabei um das Grab<br />
verteilt.<br />
30 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
ägyptische und sudanarchäologische Sammlungen Geschehnisse<br />
wie diese am besten einzuschätzen und arbeitet hier<br />
zusammen mit der <strong>ICOM</strong> Disaster Relief Task Force (<strong>ICOM</strong><br />
DRTF). Die DRTF versteht sich als Einsatztruppe, sollten<br />
Kulturstätten durch Katastrophen betroffen sein.<br />
Neben offiziellen Stellungnahmen und der späteren Verbreitung<br />
von Zwischenberichten durch <strong>ICOM</strong> DRTF galt<br />
es für die CIPEG Task Force, landesumspannende Informationen<br />
zu sammeln und auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen.<br />
Dazu gehören die Berichte von Vandalismus, Bedrohung<br />
der Kulturstätten verschiedener Religionen, illegalen<br />
Landnahmen, Einbrüchen in Lagerräume und Raubgrabungen.<br />
Die offiziellen Informationsquellen waren aufgrund<br />
von Zuständigkeitsproblemen bei der Umwandlung der verantwortlichen<br />
Organe des Supreme Council of Antiquities<br />
in das Ministry of Antiquities und dem wenig später erfolg-<br />
Foto: Archives of the Czech Institute of Egyptology
Foto aus Urheberrechtsgründen in der<br />
Online-Fassung entfernt.<br />
ten Rücktritt des Antikendienstministers Dr. Zahi Hawass<br />
sowie dem Ausfall großer Teile der Polizei kurz vor und<br />
nach dem Zusammenbuch des Mubarak-Regimes nicht<br />
voll funktionstüchtig. Gleichzeitig taten sich durch das Internet,<br />
v. a. Facebook, neue, allerdings nicht immer verifizierbare<br />
Nachrichtenquellen auf.<br />
Wichtig war es, sich einen Überblick u. a. über den Einbruch<br />
im Ägyptischen Museum zu verschaffen. Ein ursprüng<br />
lich beim TV-Sender Al Jazeera ausgestrahltes Handy-<br />
Video, das kurz nach dem Einbruch im Kairoer Mu seum<br />
entstanden war, wurde für die Schadenssichtung entscheidend<br />
und mit Fotos, Internet-Posts und TV-Berichten verglichen.<br />
Eine Datenbank wurde eingerichtet, die eine große<br />
Anzahl der seit Anfang Februar gesammelten Meldungen<br />
über Museen, Magazine oder archäologische Stätten auflistet.<br />
Eine erste Mission von Blue Shield überprüfte daraufhin<br />
vom 12. bis 16. Februar die Zustände in Memphis,<br />
Dahschur und Sakkara.<br />
Solche Sofortmaßnahmen sollten <strong>ICOM</strong> zur besseren Einschätzung<br />
der Lage und raschem Reagieren befähigen, sobald<br />
von offizieller Seite um Beistand gebeten werden würde.<br />
Auch musste die internationale Museumsgemeinschaft<br />
auf die Lage in Ägypten aufmerksam gemacht werden. Das<br />
Interesse richtet sich nun zudem auf die entwendeten Objekte,<br />
die in den weltweiten Handel geraten können. Registrierte<br />
und offiziell als gestohlen gelistete Stücke sind<br />
Ähnlich wie im Sommer 2008 ballen sich auch <strong>2011</strong> die<br />
Einsätze für die <strong>ICOM</strong> Disaster Relief Task Force (DRTF).<br />
In Tunesien gab es keine Schäden für Museen – im Gegenteil:<br />
Die Inspek tionen der Villen der früheren Machthaber<br />
brachte manches Museumsgut wieder zurück.<br />
In Christchurch (Neuseeland) hat das Erdbeben auch<br />
Museen schwer getroffen. Aus Sicherheitsgründen dauerte<br />
es sehr lange, bis die Museen zur Schadensanalyse und Bergung<br />
betreten wer den durften.<br />
Für Libyen musste zuerst ein Museumsverzeichnis erstellt<br />
werden. Die Koordinaten wurden vor den ersten<br />
Luftangriffen an die betreffenden Ver teidigungsministerien<br />
übermittelt.<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Erste fundiertere Schadenseinschätzungen<br />
nach dem Einbruch in das Ägyptische<br />
Museum in Kairo waren erst in der zweiten<br />
Februar-Woche möglich, so z. B. durch eine<br />
Pressekonferenz am 10. Februar <strong>2011</strong> mit<br />
Dr. Zahi Hawass.<br />
natürlich leichter zu entdecken als solche, die aus Raubgrabungen<br />
stammen und unauffällig selbst in den legalen<br />
Kunstmarkt eingeschleust werden können.<br />
Internationale Unterstützung wurde Ende März auch von<br />
der UNESCO in Abstimmung mit <strong>ICOM</strong> angeboten. Vom<br />
22. bis 24. März reiste eine aus westlichen wie ägyptischen<br />
Fachleuten bestehende Delegation nach Kairo, um den Direktor<br />
des Ägyptischen Museums und weitere Offizielle<br />
zu treffen, überstaatliche Beziehungen zu bekräftigen und<br />
Bewältigungsstrategien vorzuschlagen.<br />
Die unsichere Situation für historisches Kulturgut hat<br />
<strong>2011</strong> die Öffentlichkeit zu sensibilisieren vermocht. Ägypten-Fans,<br />
Ägyptologen und Museologen aus aller Welt vereinten<br />
sich für die auch von CIPEG und dem Internationalen<br />
Ägyptologenverband unterstützte private Unterschriften-<br />
Aktion „Petition Egypt’s Transitional Authority to Provide<br />
Adequate Monument and Site Security“.<br />
Christine Fößmeier beschäftigt sich mit Ägypten- und Orientrezeption,<br />
wozu sie auch Seminare und Vorträge u. a. in <strong>Deutschland</strong> und<br />
den USA gehalten hat. Sie ist ein Mitglied von CIPEG;<br />
chrisfoessmeier@aol.com.<br />
Weitere Informationen:<br />
CIPEG: http://cipeg.icom.museum<br />
Blue Shield: www.blueshield-international.org<br />
In Japan gibt es in der Region NordHonshu etwa vierhundert<br />
Museen. Die Erdbebenschäden scheinen sich in<br />
Grenzen zu halten, vor allem dank vorbildlicher VorsorgeArbeit<br />
des ja pa ni schen Museumsverbandes, der 2008<br />
ein RisikoHandbuch herausgegeben hat. Rund 25 Museen<br />
liegen direkt an der vom Tsunami verwüsteten Küste; schätzungsweise<br />
fünf bis zehn wurden erheblich geschädigt. In<br />
der Umgebung des beschädigten Atom kraftwerks sind zwei<br />
Museen (25 km) bzw. fünf Museen (45 km) von nuklearer<br />
Strahlung bedroht, siehe auch Spendenaufruf S. 58.<br />
Dr. Thomas Schuler ist Präsident der <strong>ICOM</strong> Disaster Relief Task Force;<br />
th.schuler@t-online.de.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 31
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Deutsche Mitglieder<br />
in offiziellen Positionen bei <strong>ICOM</strong><br />
Bei den Wahlen im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 2010 sind mehr deutsche Mitglieder als jemals zuvor in Führungspositionen<br />
der internationalen Komitees und in Gremien von <strong>ICOM</strong> berufen worden. Allen Kolleginnen und<br />
Kollegen, die sich zur Verfügung gestellt haben, gilt besonderer Dank. Sollten wir jemanden in der nachfolgenden Liste<br />
nicht berücksichtigt haben, bitten wir um Nachsicht und kurze Mitteilung an die Geschäftsstelle von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />
icom@icom-deutschland.de. Weitere Informationen zur Arbeit der internationalen Komitees finden Sie unter<br />
www.icom.museum.<br />
<strong>ICOM</strong><br />
Hans-Martin Hinz, hinz@dhm.de<br />
Präsident des Weltverbands<br />
Internationale Komitees<br />
CAMOC – Museums of Cities<br />
Susanne Anna, susanne.anna@duesseldorf.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
CIDOC – Documentation<br />
Regine Stein, r.stein@fotomarburg.de<br />
Generalsekretärin<br />
Martina Krug, martina.krug@t-online.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
CIDOC Working Groups<br />
Data Harvesting and Interchange<br />
Regine Stein, r.stein@fotomarburg.de<br />
Digital Preservation<br />
Stefan RohdeEnslin,<br />
s.rohde-enslin@smb.spk-berlin.de<br />
Information Centres<br />
Monika HagedornSaupe,<br />
m.hagedorn@smb.spk-berlin.de<br />
Transdisciplinary Approaches in Documentation<br />
Siegfried Krause, s.krause@gnm.de<br />
Günther Görz, goerz@informatik.uni-erlangen.de<br />
Georg Hohmann, g.hohmann@gnm.de<br />
CIMAM – Modern Art<br />
Robert Fleck, fleck@kah-bonn.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
CIMCIM – Musical Instruments<br />
Christiane Rieche, treasurer@cimcim.icom.museum<br />
Schatzmeisterin<br />
Martin Elste, elste@sim.spk-berlin.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
32 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Klaus Weschenfelder, praesident@icom-deutschland.de<br />
Präsident des Deutschen Nationalkomitees<br />
CIPEG – Egyptology<br />
Gabriele Pieke, gabriele.pieke@topoi.org<br />
Generalsekretärin<br />
Christian Loeben, christian.loeben@hannover-stadt.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
COMCOL – Collecting<br />
Léontine Meijervan Mensch, leontine.meijer@ahk.nl<br />
Präsidentin<br />
Elisabeth Tietmeyer, e.tietmeyer@smb.spk-berlin.de<br />
Vizepräsidentin<br />
COSTUME – Costume<br />
Brigitte HerrbachSchmidt,<br />
b.herrbach-schmidt@landesmuseum.de<br />
Schatzmeisterin<br />
DEMHIST – Historic House Museums<br />
Hartmut Dorgerloh, generaldirektion@spsg.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
GLASS – Glass<br />
Karin Rühl, Karin.ruehl@glassmuseum-frauenau.de<br />
Schatzmeisterin<br />
Susanne Netzer, kgm@smb.spk-berlin.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
ICDAD – Decorative Arts & Design<br />
Petra Krutisch, p.krutisch@gnm.de<br />
Schatzmeisterin<br />
Wolfgang Schepers,<br />
wolfgang.schepers@hannover-stadt.de<br />
Vorstandsmitglied
ICEE – Exhibition Exchange<br />
Christoph Lind, christoph.lind@mannheim.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
KarlHeinz Ziessow, ziessow@ballodora.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
ICLM – Literary Museums<br />
Lothar Jordan, iclm.jordan@gmx.de<br />
Präsident<br />
Bernhard Lauer, grimm-museum@t-online.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
ICME – Ethnography<br />
Anette Rein, ar_welten@yahoo.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
IC MEMO – Memorial Museums<br />
Jan Erik Schulte, jan.schulte@mailbox.tu-dresden.de<br />
Vizepräsident<br />
Christiane Hoss, icmemo@netcologne.de<br />
Generalsekretärin und Schatzmeisterin<br />
Norbert Haase, norbert.haase@online.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
Markus Ohlhauser, markusohlhauser@web.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
ICMS – Security<br />
Michael John, michael.john@skd.smwk.sachsen.de<br />
Schatzmeister<br />
ICOFOM Subcommittees<br />
SIB&SAP<br />
Hildegard K. Vieregg, vieregg.hildegard@onlinemv.de<br />
<strong>ICOM</strong>AM – Arms and Military History<br />
Alfred Geibig, a.geibig@kunstsammlungen-coburg.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
<strong>ICOM</strong>-CC Working Groups<br />
Glass and Ceramics<br />
Gerhard Eggert,<br />
coordinatorwgglassceramics@googlemail.com<br />
Leather and Related Materials<br />
Jutta Göpfrich, j.goepfrich@ledermuseum.de<br />
Paintings<br />
Gunnar Heydenreich, gunnar.heydenreich@fh-koeln.de<br />
Scientific Research<br />
Christoph Herm, herm@serv1.hfbk-dresden.de<br />
Textiles<br />
Christine MüllerRadloff,<br />
christine.mueller-radloff@skd.museum<br />
ICR – Regional Museums<br />
Otto Lohr, otto.lohr@blfd.bayern.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
Helmut Sydow, helmutsydow@gmx.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
UMAC – University Museums & Collections<br />
Cornelia Weber, weber@mathematik.hu-berlin.de<br />
Vorsitzende der Arbeitsgruppe Directories<br />
Working Groups and Task Forces<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
DRTF – Disaster Relief for Museums Task Force<br />
Thomas Schuler, th.schuler@t-online.de<br />
Vorsitzender<br />
Michael John, michael.john@skd.smwk.sachsen.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
Affiliated International Organisations<br />
AEOM – Association of European Open-Air Museums<br />
Jan Carstensen, jan.carstensen@lwl.org<br />
Vize-Präsident<br />
Monika Kania Schütz,<br />
monika.kania-schuetz@glentleiten.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
AIMA – International Association of Agricultural<br />
Museums<br />
Peter Lummel, lummel@domaene-dahlem.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
EXARC – International Organisation of Archaeological<br />
Open Air Museums and Experimental Archaeology<br />
Martin Schmidt,<br />
martin.schmidt@nlm-h.niedersachsen.de<br />
Vizepräsident<br />
Ulrike Braun, azh@archaeo-centrum.de<br />
Schatzmeisterin<br />
HO!I – Hands On! International Association of Children’s<br />
Museums<br />
Petra Zwaka, museum@ba-temp.verwalt-berlin.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
IAMH – International Association of Museums of History<br />
Rosmarie Beierde Haan, beier@dhm.de<br />
Schatzmeisterin<br />
IATM – International Association of Transports and<br />
Communication Museums<br />
Michael Dünnebier,<br />
michael.duennebier@verkehrsmuseum-dresden.de<br />
Präsident<br />
Jürgen Franzke, juergen.franzke@bahn.de<br />
Vorstandsmitglied<br />
ICMM – International Congress of Maritime Museums<br />
Lars U. Scholl, scholl@dsm.museum<br />
Vorstandsmitglied<br />
SIBMAS – International Association of Libraries and<br />
Museums of the Performing Arts<br />
Winrich Meiszies, winrich.meiszies@duesseldorf.de<br />
Präsident<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 33
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Die internationalen Komitees<br />
stellen sich vor<br />
Die inhaltliche Arbeit von <strong>ICOM</strong> findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Sie widmen<br />
sich den speziellen Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps oder einer speziellen<br />
museumsverwandten Disziplin. Derzeit gibt es 31 internationale Komitees, die durch einen Präsidenten, einen<br />
Sekretär und einen Vorstand vertreten sind. Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung deutscher<br />
<strong>ICOM</strong>-Mitglieder in den internationalen Komitees. Auch <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> begrüßt Ihr Engagement sehr.<br />
Damit die Professionalität von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> gerade in internationalen Fragen gesichert ist, sollte jedes<br />
Mitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> auch Mitglied eines internationalen Komitees sein. Voraussetzung für die Aufnahme<br />
in ein internationales Komitee ist eine individuelle oder institutionelle Mitgliedschaft bei <strong>ICOM</strong>. Weitere<br />
Informationen zum Beitritt zu einem der internationalen Komitees finden Sie unter www.icom.museum oder<br />
www.icom-deutschland.de.<br />
34 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Foto: Hannelore Kunz-Ott
International Committee for the Collections and Activities<br />
of Museums of Cities – CAMOC<br />
Im Jahr 1993 hielt, wie Ian Jones im<br />
Beitrag „Cities and Museums about<br />
Them“ des Sammelbandes City Museums<br />
and City Development (2008)<br />
be richtet, das Museum of London ein<br />
Symposium zum Thema Stadtmuseen<br />
ab. Es handelte sich dabei vermutlich<br />
um die erste internationale Tagung für<br />
diese Museumsgattung. Eine Gruppe<br />
von Stadtmuseen schloss sich danach<br />
zur „International Association of City<br />
Museums“ zusammen. In diesem Kontext<br />
fanden Tagungen 1995 in Barcelona,<br />
2000 in Luxembourg und 2005<br />
in Amsterdam statt. Das Journal Museum<br />
International der U N ESCO<br />
wid mete sich 1995 in einer Ausgabe<br />
dem Thema Stadtmuseen. Zwei der<br />
Artikel lieferten bedeutende Denkanstöße<br />
für die Diskussion über die Zukunft<br />
der Stadtmuseen: „Discovering<br />
the City“ von Nicho la Johnson und<br />
„Museums about Cities“ von Max<br />
Hebditch.<br />
Im Mai 2004 schrieb Ian Jones an<br />
Eloisa Zell von <strong>ICOM</strong> und schlug ihr<br />
vor, ein Internationales Komitee für<br />
Stadtmuseen zu gründen. Sie erwähnte<br />
Galina Vedernikowa vom Moskauer<br />
Stadtmuseum, die diese Idee bereits<br />
vorgetragen hatte; 2001 hatte Vedernikowa<br />
eine Arbeitsgruppe von Museumskollegen<br />
aus Stadtmuseen um<br />
sich versammelt, die weitere Museumsdirektoren<br />
eingeladen hatte.<br />
Die offizielle Gründung von CA MOC<br />
wurde an den <strong>ICOM</strong> auf der Tagung<br />
in Seoul im Oktober 2004 herangetragen.<br />
Das neue Komitee CAMOC<br />
– International Committee for the<br />
Collections and Activities of Museums<br />
of Cities – traf dann erstmals offiziell<br />
im April 2005 in Moskau zusammen.<br />
Heute hat CAMOC 149 Mitglieder<br />
(inklusive außerordentlichen Mitglieder).<br />
Diese setzen sich folgendermaßen<br />
zusammen: 59 Mitglieder aus Europa,<br />
39 Mitglieder aus der Russischen Förderation,<br />
16 Mitglieder aus Nordamerika,<br />
12 Mitglieder aus Südamerika,<br />
5 Mitglieder aus Australien, 1 Mitglied<br />
aus Neuseeland u. a. Dem aktuellen<br />
Vorstand ge hören an: Suay Aksoy (Präsidentin,<br />
Türkei), Maria Marlen Mouliou<br />
(Generalsekretärin, Griechenland),<br />
Susanne Anna (Mitglied, Deutsch land),<br />
Catherine C. Cole (Mitglied, Kanada),<br />
Maria Ignez Franco (Vizepräsidentin,<br />
Brasilien), Zhang Lan (Vizepräsident,<br />
China), Hugh Maguire (Mitglied, Irland),<br />
Gulchachak Nazipova (Mitglied,<br />
Russische Förderation), C. L. Roberts<br />
(Mitglied, USA), Eric Sandweiss (Mitglied,<br />
USA), Efstratios Stratigis (Mitglied,<br />
Griechenland), Isabelle Vinson<br />
(Mitglied, Frankreich). Außerordentliche<br />
Vorstandsmitglieder sind: Galina<br />
Verdernikowa (Vizepräsidentin, Russische<br />
Förderation), Jack Lohmann<br />
(Mitglied, England), Michal Niezabitowsk<br />
(Mitglied, Polen).<br />
CAMOC’s Aufgabe lautet: „CAMOC<br />
is about cities and the people in them.<br />
It is a forum for all who are interested<br />
and involved in cities, where they can<br />
share knowledge and experience, exchange<br />
ideas and explore partnerships<br />
across national boundaries.”<br />
Suay Aksoy formuliert im Annual<br />
Report 2010 die aktuellen Ziele von<br />
CAMOC wie folgt: Das Komitee be-<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
greift sich als think tank von <strong>ICOM</strong><br />
für Städte und Stadtmuseen. Hierfür<br />
soll seine Arbeit projektorientiert und<br />
partizipativ ausgerichtet sein und die<br />
internationale Zusammenarbeit zwischen<br />
Museen, ihren Komitees und<br />
Kulturorganisa tio nen befördern. So<br />
findet beispielsweise die Jahrestagung<br />
im November <strong>2011</strong> in Berlin gemeinsam<br />
mit dem International Committee<br />
for Collecting (COMCOL) statt.<br />
Eine ent spre chende Vernetzung in<br />
Form einer Datenbank der Stadt museen<br />
ist in Planung.<br />
CAMOC sieht sich bei der Kooperation<br />
mit Zivilgesellschaft und Behörden<br />
in der Pflicht. Das Komitee<br />
gewährt Unterstützung in der Zusammenarbeit<br />
bei der Lösung von Problemen<br />
der Umweltzerstörung, des Terrorismus<br />
u. ä. in Städten. Hier kann von<br />
Kolleginnen und Kollegen der Stadtmuseen<br />
gelernt werden, die bereits in<br />
urbane Katastrophen involviert waren.<br />
CAMOC arbeitet an der Errichtung<br />
eines neuen Museumstyps: Das Stadtmuseum,<br />
das sich mit Vergangenheit,<br />
Gegenwart und Zukunft von Städten<br />
beschäftigt und zur Plattform für Bürgerinnen<br />
und Bürger wird, um die eigene<br />
Stadt und Stadtgesellschaft zu<br />
gestalten. CAMOC fördert die Entstehung<br />
neuer Stadtmuseen.<br />
Weitere Informationen:<br />
Dr. Susanne Anna,<br />
Vorstandsmitglied von CAMOC;<br />
susanne.anna@duesseldorf.de<br />
Konferenzberichte und Materialien:<br />
www.camoc.icom.museum<br />
In den USA leben 87 Prozent und in Lateinamerika rund 78 Prozent der Bevölkerung in Städten, die Zahl der Städte insgesamt und auch die der<br />
Megastädte (Sao Paulo, 11 Millionen Einwohner) wächst. CAMOC wendet sich den damit verbunden Chancen und Risiken zu mit dem Ziel, das<br />
sich verändernde Leben in Städten weltweit zu dokumentieren und lebenswert zu gestalten.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 35<br />
Foto: fotolia, T. Allendorf
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
International Committee for Collecting – COMCOL<br />
Über das International Committee for<br />
Collecting (COMCOL) zu schreiben,<br />
bedeutet für mich, zunächst die Vorge<br />
schichte des Komitees zu schildern.<br />
Alles nahm seinen An fang mit der<br />
Gründung des Netzwerks „Samdok“<br />
der kulturhistorischen Museen in<br />
Schweden im Jahr 1977. Ein Hauptanliegen<br />
war, Objekte gegenwärtiger Kultur<br />
unter dem Slogan „heute für morgen“<br />
zu sammeln. Heute ist „Sam dok“<br />
vor allem eine Plattform, die der fachlichen<br />
Weiterbildung und dem Erfahrungsaustausch<br />
dient, auf der die<br />
Themen „Gegenwartskultur und Gesellschaft“<br />
diskutiert und die Bewahrung<br />
von Kulturerbe als Ergebnis des<br />
Sammelns erörtert werden. Der internationale<br />
Erfahrungsaustausch führte<br />
zu der Erkenntnis, dass bei <strong>ICOM</strong> ein<br />
Bedarf nach einem internationalen Komitee<br />
für das Sammeln von materieller<br />
und immaterieller Kultur besteht.<br />
Hierunter wird der aktive Prozess des<br />
Sammelns, d. h. die Weiterentwicklung<br />
der vorhandenen Sammlungen bzw.<br />
das Anlegen von neuen Sammlungen,<br />
verstanden. In der großen Bandbreite<br />
der internationalen (museographi schen)<br />
Komitees existierte ein solches Komitee<br />
noch nicht. Im Dezember 2009<br />
stimmte der Exekutivrat von <strong>ICOM</strong><br />
dem Vorschlag der Gründung des neuen<br />
Komitees zu; im März 2010 bestätigte<br />
der Generaldirektor die Entscheidung<br />
offiziell.<br />
Die Aufgabe von COMCOL besteht<br />
darin, Diskussionen zu vertiefen und<br />
Wissen über die Praxis, Theorie und<br />
Ethik des Sammelns sowie über Sammlungen<br />
(sowohl materiell als auch immateriell)<br />
auszutauschen. Wir wollen<br />
eine Platt form für den fachlichen Meinungs-<br />
und Erfahrungsaustausch im<br />
Bereich Sammeln (im weitesten Sinne)<br />
bieten. Der Auftrag beinhaltet: Reflexion<br />
über Strategien des Sammelns und<br />
Entsammelns sowie Diskussion über<br />
das Sammeln der Gegenwart, die Rückgabe<br />
von Kulturgut und ethisch respekt<br />
volle Methoden, welche die Rolle<br />
von Sammlungen heute und in der<br />
Zukunft beeinflussen. Dies gilt für alle<br />
Museumsarten aus allen Teilen der<br />
Welt.<br />
Drei grundlegende Konzepte wurden<br />
als Parameter für die Arbeit von<br />
COMCOL festgelegt:<br />
· Sammeln als kulturelle Leistung,<br />
36 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Gründungsversammlung von COMCOL auf der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Schanghai,<br />
7. bis 12. November 2010<br />
· Sammeln als Instrument zur Weiterentwicklung<br />
von Samm lungen,<br />
· Sammlungen als Mittel, um die gesellschaftlichen<br />
Zielsetzungen eines<br />
Museums besser umsetzen zu können.<br />
Diese Parameter betonen die dynamische<br />
Natur von Samm lungen und<br />
des Sammelns als Prozess. COMCOL<br />
ist nicht das Internationale Komitee<br />
für Sammlungen, es ist ein Komitee,<br />
das sich mit Sammeln oder, präziser,<br />
dem Weiterentwickeln von Sammlungen<br />
befasst.<br />
Die Idee einer „geteilten Verantwortung“<br />
ist für COMCOL eines der wesentlichen<br />
Konzepte der heutigen Professionalität<br />
in der Museumsarbeit:<br />
Dies gilt für die Beziehung zwischen<br />
Organisationen und Interessengruppen<br />
in Netzwerken sowie zwischen<br />
Museen und ihren source communities.<br />
Dies impliziert natürlich eine Diskussion<br />
über die Rolle und die Verantwortung<br />
von Museumsfachleuten.<br />
In diesem Zusammenhang – und um<br />
der Vorgeschichte von COMCOL bei<br />
„Samdok“ Tribut zu zollen – wurde<br />
als The ma unserer ersten Jahrestagung<br />
„Partizipative Strategien zur Dokumentation<br />
der Gegenwart“ ausgewählt,<br />
die vom 31. Oktober bis 3. November<br />
<strong>2011</strong> in den Museen Dahlem der Staatlichen<br />
Museen zu Berlin stattfinden<br />
wird. COMCOL wird diese in enger<br />
Zusammenarbeit mit CAMOC und<br />
<strong>ICOM</strong> Europe organisieren. Sie sind<br />
alle herzlich willkommen!<br />
Weitere Informationen:<br />
Léontine Meijer-van Mensch,<br />
Präsidentin von COMCOL;<br />
leontine.meijer@ahk.nl<br />
www.comcol-icom.org
CIDOC-Arbeitsgruppe: Transdisciplinary Approaches in Documentation<br />
Die Arbeitsgruppe „Transdisciplinary<br />
Approaches in Documentation“<br />
(TraiD) wurde im Jahr 2008 auf dem<br />
CIDOC-Treffen in Athen ins Leben<br />
gerufen. Ausgangspunkt der Gründung<br />
war die in verschiedenen theoretischen<br />
und praktischen Arbeiten gewonnene<br />
Einsicht, dass das CIDOC<br />
Conceptual Reference Modell (CIDOC<br />
CRM) über die ursprünglich geplante<br />
semantische Angleichung von Da tenstrukturen,<br />
die zu allererst in einem<br />
technischen Sinn begriffen wurde, hinaus<br />
auch als eine gemeinsame Sprache<br />
zur Angleichung wissenschaftlicher<br />
Konzepte zwischen un terschiedlichen<br />
wissenschaftlichen Disziplinen verstanden<br />
werden kann. Es lassen sich<br />
auf überraschend einfache Wei se dokumentarische<br />
Grundkonzepte zwischen<br />
naturkundlichen und kulturhistorischen<br />
Objekten, z. B. hin sicht lich<br />
der Klassifikation oder der Aufsammlung<br />
von Tieren bzw. der Erstellung<br />
von Objekten, abbilden, die durch die<br />
spezialisierten Sprachen in den verschiedenen<br />
Disziplinen verdeckt werden.<br />
In der Schlussfolgerung des Gesagten<br />
liegt damit bereits in der musealen<br />
Dokumentation ein enormes<br />
wissenschaft liches Potential, das bisher<br />
auf Grund des allgemeinen Verständnisses<br />
der Dokumentation nicht<br />
nutzbar ist. Seit mehr als hundert Jahren<br />
hat sich der Hintergrund der<br />
Dokumen tation in den wissenschaftlichen<br />
Disziplinen nicht wesentlich verändert.<br />
Die konzeptionellen Ziele des<br />
Strukturierens von Information in modernen<br />
Datenbanken basieren daher<br />
immer noch auf den nahezu gleichen<br />
Konzepten, wie sie in Karteikartenkatalogen<br />
von jeher Anwendung fanden.<br />
Dies negligiert die Tatsache, dass das<br />
digitale Medium wesentlich mehr als<br />
papierbasierte Ordnungssysteme zu<br />
leisten im Stande ist. Diese traditionelle<br />
analoge Praxis der Dokumentation<br />
identifizierte vor allem einfache<br />
Entitäten als Ord nungs ele men te bzw.<br />
Feldnamen in Datenbanken wie „Maler“,<br />
„Sammler“ oder „Autor“.<br />
Modernere Auffassungen der Dokumentation<br />
legen den Fokus aber stärker<br />
auf Prozesse und Ereignisse über<br />
die angesprochenen Entitäten des<br />
„Was, Wer, Wo, Wann“ bzw. „Objekt/<br />
Konzept, Person, Ort, Zeit“, die aktiv<br />
aufeinander bezogen werden können.<br />
Und erst mit dieser Fokussierung auf<br />
Ereignisse in der wissenschaftli chen<br />
Dokumentation lässt sich eine volle<br />
wissenschaftliche Erschließungstiefe<br />
erreichen, die weit über die einfache<br />
Verwaltungsinformation, wie sie in<br />
heutigen Systemen gehalten wird, hinausgeht.<br />
In diesem Sinne ist die Dokumentation<br />
von Prozessen und Ereignissen<br />
eine Grundvoraussetzung<br />
einer transdisziplinären Informationsvernetzung,<br />
wie sie für zukünftige Wissensnetzwerke<br />
oder andere Wissens darstellungsfor<br />
men im Internet benötigt<br />
wird.<br />
Die CIDOC-Arbeitsgruppe „Transdisciplinary<br />
Approaches in Documentation“<br />
bildet ein Forum zur Diskussion<br />
der digitalen Dokumentation<br />
als ein methodisches Ele ment der Forschung.<br />
Aktuelle Fragen sind: Welches<br />
sind die spezifischen Konzepte, wie sie<br />
in Wissenschaftssprachen vorkommen?<br />
Wie können diese spezifischen Konzepte<br />
universell verständlich gemacht<br />
werden? Gibt es Unterschiede in der<br />
methodologischen Struktur archäologischer<br />
und biologischer Klassifikation<br />
(Typologie)? Wie lässt sich disziplinbezogenes<br />
Wissen domänenneutral<br />
darstellen?<br />
Ein erstes Projekt in dieser Richtung,<br />
das mit Unterstützung der Deutschen<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Möglicher Datenfluss zwischen unterschiedlichen Arten CRM kompatibler Systeme und Daten<br />
struk turen<br />
Forschungsgemeinschaft gestartet<br />
wurde, bildet das sogenannte Wiss-<br />
KI-Projekt. WissKI steht darin als<br />
Akronym für Wissenschaftliche Kommu<br />
ni ka tions infra struk tur.<br />
Weitere Informationen:<br />
Dr. Siegfried Krause, Chair;<br />
s.krause@gnm.de<br />
Prof. Dr. Günther Görz, Co-Chair;<br />
goerz@informatik.uni-erlangen.de<br />
WissKi-Projekt: http://wiss-ki.eu<br />
Literatur:<br />
Krause, Siegfried; Karl-Heinz Lampe: Challenges<br />
in museum documen tation for transdisciplinary<br />
information integration. From field<br />
names to events. In: CIDOC Newsletter<br />
01/2009. S. 17–19, http://cidoc.icom.museum/newsletter_01_2009.pdf<br />
(zugegriffen<br />
31.01.<strong>2011</strong>).<br />
Krause, Siegfried; Georg Hohmann, Karl-Heinz<br />
Lampe, Bernhard Schie mann: Wissen vernetzt.<br />
Vom Wandel der Dokumentation in<br />
Museen der Natur- und Kulturgeschichte. In:<br />
Schwerpunkt: Kulturerbe und KI. Bremen:<br />
BöttcherIT-Verlag, 2009, S. 5–11.<br />
Krause, Siegfried; Karl-Heinz Lampe, Martin<br />
Doerr: Definition des CIDOC Conceptual<br />
Re ference Model. Version 5.0.1, autorisiert<br />
durch die CIDOC CRM Special Interest Group<br />
(SIG). Berlin: <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, 2010.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 37
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Tagungsberichte<br />
AV<strong>ICOM</strong> – International Committee for Audiovisual<br />
and Image and Sound New Technologies<br />
Technologies Serving Museum<br />
Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />
in Schanghai, China<br />
Andrea Prehn<br />
Das internationale Komitee International Committee for<br />
Audiovisual and Image and Sound New Technologies<br />
(AV<strong>ICOM</strong>) wurde 1991 mit dem Ziel gegründet, Museen<br />
beim Einsatz von Neuen Medien durch Information, Beratung<br />
und Vernetzung zu unterstützen. Die Konferenz von<br />
AV<strong>ICOM</strong> in Schanghai fand unter dem Motto „Medien<br />
im Dienste des Museums“ statt. Marie-Françoise Delval,<br />
Präsidentin von AV<strong>ICOM</strong> von 2004 bis 2010, betonte in<br />
ihrer Eröffnungsrede, dass es hierbei um den „Dienst“ der<br />
Medien in allen Museumsbereichen geht: zur Erhaltung der<br />
Museumsobjekte, zur Erleichterung der allgemeinen, täglichen<br />
Arbeit wie auch für Informations- und Vermittlungsangebote.<br />
Dabei ginge es nicht darum, die Möglichkeiten<br />
der Neuen Medien zu verherrlichen, sondern realistisch<br />
Kritisches und Grenzen zu diskutieren und einen Fokus auf<br />
inhaltliche und technische Qualität zu setzen.<br />
Nach eigenen Angaben hat AV<strong>ICOM</strong> inzwischen rund<br />
fünfhundert Mitglieder aus fünfzig Ländern. Ein solch<br />
buntes Bild zeichnete sich bei der Versammlung in Schanghai<br />
nicht ab. An dem Treffen nahmen ca. siebzig Personen<br />
teil, davon kamen ca. sechzig aus China. Das rege Interesse<br />
der chinesischen Kollegen an dieser Arbeitsgruppe zeigt,<br />
dass mit dem Einsatz moderner Medien und Technologien<br />
große Hoffnungen verbunden werden. Allerdings fehlte<br />
durch die eher nationale Zusammensetzung der Teilnehmer<br />
der internationale Austausch. Nur drei der dreizehn<br />
Beiträge kamen von fran zösischen und kanadischen Kollegen.<br />
Alle übrigen Referenten stammten aus China. Hu<br />
Jiang vom Shanghai Museum stellte in einer Eingangsrede<br />
ausführlich Animationen vor, die im chinesischen Expo-<br />
Pavillon die Darstellung wichtiger Aspekte zur Landes-<br />
und Kulturgeschichte unterstützten. Diese Präsentation<br />
zeigte nebenbei auch, dass Neue Medien nicht nur eingesetzt<br />
werden können, um zu informieren und zu vermitteln,<br />
sondern auch um zu beeindrucken. Leider war dieser<br />
Vortrag einer der wenigen Präsentationen von chinesischer<br />
Seite, der uns mit visuellen und animierten Beispielen<br />
Mul ti mediaanwendungen „vor Augen“ führte. Zudem<br />
blieb die Botschaft der meisten chinesischen Referenten<br />
identisch und ließ sich auf folgende Kernaussagen reduzieren:<br />
Neue Medien sind für Museen in allen Bereichen absolut<br />
wichtig, sowohl für die Digitalisierung der Objekte<br />
wie auch für die Vermittlung. Sehr lange ist diese Bedeutung<br />
in China nicht erkannt worden. Die Zusammenarbeit<br />
der Museen untereinander ist für die Entwicklung und<br />
Standards absolut wichtig und sollte vorangetrieben werden.<br />
Das klang vertraut, wirkte aber auch wie eine Aneinanderreihung<br />
von Allgemeinplätzen. Dass chinesische Mu-<br />
38 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Preisverleihung des Fiamp 2010: Die meisten Preise gingen an chinesische<br />
Medienproduzenten.<br />
seen in Hinblick auf Medienanwendungen durch aus mehr<br />
zu bieten haben, zudem informative, spielerische und unterhaltsame,<br />
davon konnte sich die Autorin vor der Generalkonferenz<br />
bei einer von <strong>ICOM</strong> Europe veranstalteten<br />
Konferenz-Tour mit vielen Museumsbesuchen überzeugen<br />
(s. S. 18).<br />
Die europäischen Referenten waren dagegen freizügiger<br />
mit Anwendungsbeispielen. Die Beiträge stammten von<br />
Jean-Michael Humbert (Abteilung für Kulturerbe- und<br />
Denk malpflege des französischen Kulturministeriums) und<br />
Ghislaine Azemard (Universität Paris). Beide Referenten<br />
stellten mobile Informationssysteme vor. Die tragbaren Minicomputer<br />
– beides unterschiedliche Modelle für verschiedene<br />
Anwendungen – boten Blicke in Vergangenheit und<br />
Zu kunft. Mit ihnen ausgestattet, erschließen sich z. B.<br />
durch die virtuelle Rekonstruktion von nicht mehr vorhandenen<br />
Gebäuden, durch die Zoomfunktionen auf unerreichbare<br />
Deckenmalereien oder Kirchturmspitzen etc. Landschaften<br />
und Stadträume neu.<br />
Die Konferenz wurde außerdem flankiert von dem regelmäßig<br />
von AV<strong>ICOM</strong> ausgerichteten Wettbewerb „Festival<br />
International de l’Audiovisuel et du Multimédia sur le<br />
Patrimoine“ (Fiamp). Fiamp ist eine jährlich stattfindende<br />
Preisverleihung, die gute Medienproduktionen für und von<br />
Museen auszeichnet. Diese Ehrung soll die Museen ermuntern,<br />
sich ein Beispiel zu nehmen und mehr auf die Qualität<br />
ihrer Produktionen zu achten. Gewinner des Fiamp<br />
2010 in Schanghai in allen Kategorien war ein Film über<br />
den I.M.-Pei-Neubau des Suzhou Museums (China). Weitere<br />
Ehrungen gingen an Produktionen mit den Kategorien<br />
Film, Kurzfilm, Homepages, Internetseiten zu Einzelthemen<br />
und Multimediastationen in Museen, wobei die meisten<br />
prämierten Produktionen aus China und Frankreich<br />
stammten.<br />
Auch bei AV<strong>ICOM</strong> wurde mit der Generalkonferenz in<br />
Schanghai turnusgemäß der Vorstand durch Wahlen neu<br />
zusammengesetzt. Neue Präsidentin ist Manon Blanchette<br />
von der Generalverwaltung der Museen Montreals aus Kanada.<br />
Andrea Prehn arbeitet im Referat Kulturstatistik und Besucherforschung<br />
des Instituts für Museumsforschung in Berlin;<br />
a.prehn@smb.spk-berlin.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
www.unesco.org/webworld/avicom/
CECA – Committee of Education and Cultural Action<br />
Museums for Social Harmony<br />
Jahrestagung vom 8. bis 12. November 2010<br />
in Schanghai, China<br />
Hannelore Dudek<br />
Alle drei Jahre findet die Jahrestagung des internationalen<br />
Komitees CECA innerhalb der Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong><br />
statt. In Schanghai sollen es etwa 220 CECA-Teilnehmer<br />
aus zwanzig Nationen (davon 85 Nichtchinesen) gewesen<br />
sein. Teilnehmerlisten gab es leider nicht, so dass eine gezielte<br />
Kontaktaufnahme schwierig war, da im Programmheft<br />
oft nur Namen, selten Museum, Stadt oder Land oder<br />
Kontaktadressen vermerkt waren. Aus <strong>Deutschland</strong> kamen<br />
– so wenig wie selten zuvor – vier Teilnehmerinnen nach<br />
Schanghai.<br />
Während der Tagung herrschte bei CECA, wie gewohnt,<br />
eine sehr angenehme Atmosphäre. Natürlich waren die Kaffeepausen<br />
der ergiebigste Ort, um Gespräche mit bekannten<br />
Kollegen zu führen oder neue Kontakte zu schließen.<br />
Die Eröffnungsreden am Montag, 8. November, boten<br />
zu nächst eine Übersicht über vielfältige Aspekte der Museen<br />
und der Museumsarbeit in China. Entstehung der Museen<br />
nach 1911, Gliederung der Museen, Fortbildung für<br />
das Personal oder auch die Grundsätze der sozialen Erziehung<br />
wurden erörtert. Wang Fang, die stellvertretende Direktorin<br />
des Museums der westlichen Han-Dynastie, Guangzhou,<br />
stellte zum Beispiel fest, dass es wenig neue Ideen<br />
zur pädagogischen Arbeit in den Museen gäbe, so dass es<br />
notwendig sei, neue Präsentationsformen zu erproben. Dabei<br />
sei es wichtig, Pädagogen von Anfang an in die Arbeit<br />
einzubinden. Ausführungen dieser Art erfreuten natürlich<br />
die CECA-Mitglieder. Doch die Vorstellung eines Spaßraumes<br />
im Museum mit der Möglichkeit der Verkleidung<br />
für Kinder oder auch die Einbeziehung von Cartoons in die<br />
pädagogische Arbeit stieß nicht auf einhellige Zustimmung<br />
der Teilnehmer und führte zur Frage, ob Workshops oder<br />
Cartoons ein guter Weg pädagogischer Arbeit seien.<br />
Daniel Castro Benitez aus Kolumbien setzte sich vor allem<br />
mit der Frage auseinander, ob soziale Harmonie in disharmonischen<br />
Gesellschaften überhaupt möglich sei. Für<br />
ihn war – auch im Museum – der soziale Akt bedeutender<br />
als das Objekt.<br />
Am zweiten Tag ging es immer wieder um die Frage, wie<br />
erzieherisch, harmonisch oder sozial die Projekte der Museen<br />
von den Besuchern angesehen oder empfunden wurden.<br />
Von Richard Lachapelle, Universität Montreal, Canada,<br />
gab es interessante Beispiele zur Frage „Is public art<br />
educational?“. So berichtete er, dass auf einem New Yorker<br />
Platz eine Skulptur von Serra entfernt werden musste,<br />
da sich die Bürger durch diese gestört fühlten, während<br />
eine ebenfalls große Skulptur von Anish Kapoor von Chicagos<br />
Bewohnern so angenommen wurde, dass diese sich<br />
völlig frei auf dem Platz bewegten und dazu auch die Skulptur<br />
durchquerten.<br />
Wie bei jedem CECA-Treffen stand bei allen Beiträgen<br />
the development of museum education and cultural action<br />
im Vordergrund. Dafür hat CECA ein überaus erfolgreiches<br />
Informationsmodell entwickelt, nämlich den market<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Öffentliche Kunstwerke erfüllen nicht immer die Erwartungen des<br />
Publikums, wie Richard Lachapelle an Beispielen erläuterte. „Cloud<br />
Gate“ (Foto) wurde von der Chicagoer Bevölkerung überwiegend<br />
positiv aufgenommen, während „Tilted Arc“ in New York aufgrund<br />
von Anwohnerprotesten entfernt werden musste.<br />
of ideas. In Kurzbeiträgen werden die unterschiedlichsten<br />
Projekte aus aller Welt in Text, Bild und Ton vorgestellt.<br />
Auch in Schanghai war das Interesse des Auditoriums an<br />
diesem Programmteil groß. Da gab es Berichte aus Belgien,<br />
Brasilien, <strong>Deutschland</strong>, Korea, Russland, Schweden oder<br />
auch den USA. So stellte Anna Van Weag aus Brüssel ein<br />
kommunales Fotoausstellungsprojekt unter dem Titel<br />
„Home & Away“ vor, an dem 59 Menschen – fern der<br />
Heimat oder gar gänzlich ohne ein Zuhause – beteiligt<br />
waren. Sie hatten Objekte mitgebracht, die ihnen das Gefühl<br />
einer Privatsphäre vermitteln konnten, um sich damit<br />
fotografieren zu lassen.<br />
Stéphanie Wintzerith wiederum stellte eine Initiative aus<br />
<strong>Deutschland</strong> vor, in der es um die Frage ging, ob Museen<br />
ein Instrument der Integration werden können. Fragen<br />
wur den gestellt, ob Sprachkurse im Museum eine Möglichkeit<br />
zur Integration bilden können oder ob das überhaupt<br />
zu den Aufgaben der Museen gehöre. Einen gänzlich anderen<br />
Bezug zum Kongressthema bot der Beitrag von Myoung<br />
Suk Oh aus Korea. In einem Kinderbilderbuch ging es darum,<br />
dass eine Großmutter vom Tiger gefressen werden<br />
sollte. Doch gemeinsam mit den Kindern wurde im Museum<br />
erarbeitet, wie das denn verhindert werden könnte.<br />
Und nicht vergessen werden soll es auch, dass CECA ab<br />
2010 neue Vorstandsmitglieder hat, zur neuen Präsidentin<br />
wurde Emma Nardi (Italien) gewählt. Vom 16. bis 21. September<br />
<strong>2011</strong> wollen sich die CECA-Mitglieder in Zagreb,<br />
Kroatien, zum Thema „Old Questions – New Answers“<br />
treffen.<br />
Dr. Hannelore Dudek ist in den Bereichen Museumspädagogik und<br />
Projektmanagement tätig; hanna.dudek@t-online.de.<br />
Weitere Informationen<br />
http://ceca.icom.museum<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 39
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CIDOC – International Committee of Documentation<br />
Museums in Intercultural Dialogue –<br />
New Practices in Knowledge Sharing<br />
and Information Integration<br />
Jahrestagung vom 8. bis 10. November <strong>2011</strong><br />
in Schanghai, China<br />
Axel Ermert, Monika Hagedorn-Saupe, Martina Krug, Karin Kühling<br />
Die CIDOC-Jahrestagung 2010 im Rahmen der <strong>ICOM</strong>-<br />
Generalkonferenz in Schanghai hat wieder ein vielfältiges<br />
Spektrum verschiedener Arbeitsschwerpunkte vorgestellt.<br />
Einführend für das Gastgeberland stellte You Qingqioa<br />
vom Palastmuseum Peking zunächst die Praxis der Dokumentation<br />
in den chinesischen Museen vor. Im Zusammenhang<br />
damit stellte später Zhu Kongqiang, Direktor der<br />
Provinz Schanghai, die zentrale Datenbank für Kulturerbe<br />
in China vor.<br />
Im Anschluss verwies Nicholas Crofts aus Lausanne auf<br />
den Einfluss, den intangible heritage, wie z. B. mündliche<br />
Überlieferungen, für Museen heute weltweit hat und stellte<br />
die Frage, wie die Museen diese nicht-physischen Objek te<br />
künftig intensiver und systematisch dokumentieren können.<br />
Lev Noll vom Puschkinmuseum in Moskau stellte das im<br />
Aufbau befindliche neue Internetportal seines Hauses vor,<br />
das u. a. die verschiedenen Abteilungen zur britischen und<br />
russischen Druckgraphik präsentiert und das für sechs<br />
Sprachen ausgebaut werden soll.<br />
Monika Hagedorn-Saupe informierte über die Online-<br />
Zugänglichkeit von kulturellem Erbe, die über die EU-Projekte<br />
Europeana und Athena sowie zugehörige nationale<br />
Aktivitäten als europaweites Angebot geleistet werden (s.<br />
S. 58).<br />
Günther Goerz (Unversität Erlangen-Nürnberg) berichtete<br />
von der semantischen Annotierung mittelalterlicher Kartografie<br />
am Beispiel des Behaim-Globus von 1492. Dieses<br />
früheste erhaltene Stück aus dem Germanischen Nationalmuseum<br />
zeigt verschiedene, teilweise übereinander gelagerte<br />
Informationsschichten mit Ortsangaben, Illustrationen, Legenden,<br />
die über das CIDOC-CRM-Ontology-Model als<br />
ganzes und in ihrem Zusammenhang erschlossen werden<br />
sollen.<br />
Katri Hirvonen-Nurmi aus Espoo stellte das ethnografische<br />
Helinä-Rautavaara-Museum vor, das eine umfangreiche<br />
Sammlung afro-brasilianischen Kulturgutes besitzt.<br />
Durch die Digitalisierung und Verbreitung über die Museums-Webseite<br />
ist es möglich, weltweit und auch direkt<br />
aus Brasilien Informationen zu den historischen Fotografien<br />
zur Tanz-Kampf-Kunst Capoeira zu erhalten, zu sammeln<br />
und zu bearbeiten.<br />
Hans Rengman aus Schweden berichtete von seinem erfolgreichen<br />
Versuch, verschiedene Museumsobjekt-Datensätze<br />
nach SAMOREG – einem schon seit dreißig Jahren<br />
bestehenden schwedischen De-facto-Datenstandard für Museen<br />
– mit dem neuen Austauschformat LIDO zu mappen.<br />
Karin Kühling vom Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig<br />
zeigte über Briefe von Napoleon und andere autografische<br />
Quellen auf, welche Vorteile für Forschung und Wissenschaft<br />
die digitale Präsentation der Sammlung im Internet<br />
40 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Das Helinä-Rautavaara-Museum macht Objekte seiner Sammlung<br />
wie dieses historische Foto über seine Internetplattform zugänglich<br />
und bietet den Nutzern somit einen interkulturellen Dialog an.<br />
bietet. Der Dialog mit den Nutzern über die Objekte führte<br />
zu einem Wissenszuwachs für das Museum.<br />
Der französische Kollege Vincent Ribauld stellte ein Seminar<br />
vor, das er an seiner Hochschule für Studenten im<br />
naturwissenschaftlichen und technischen Grundstudium<br />
abgehalten hat und für das mit Hilfe des CIDOC-CRM<br />
lernunterstützende Wikis erstellt wurden, die auch die direkte<br />
Kommunikation der Studenten untereinander und<br />
des Hochschullehrers mit ihnen ermöglichen.<br />
Auch diesmal nahm die Arbeit der Arbeitsgruppen einen<br />
wichtigen Raum ein. In Schanghai tagten die Arbeitsgruppen<br />
CRM-SIG, Documentation Standards, Lightweight<br />
Information Documenting Objects (LIDO), Transdisciplinary<br />
Methods and Data sowie Archeaology.<br />
Auf der jährlichen Mitgliederversammlung wurde der<br />
Dreijahresbericht über die gesamte Tätigkeit des Vorstands<br />
während der abgeschlossenen Periode vorgetragen. Den<br />
ausscheidenden Vorstandsmitgliedern Christian Emil Ore<br />
(Präsident), Monika Hagedorn-Saupe (Generalsekretärin),<br />
Maja Sojat-Bikac (Redakteurin), Richard Light (Schatzmeister),<br />
Axel Ermert und Faith Teh Eng Eng wurde gedankt<br />
und der neu gewählte Vorstand vorgestellt. Zu diesem<br />
gehören der Präsident Nicholas Crofts, der Vizpräsident<br />
Hans Rengmann, die Generalsekretärin Regine Stein, der<br />
Schatzmeister Stephen Stead und die Mitglieder Nancy<br />
Asseldonk, Marie-France Cardonna, Walter Koch und Martina<br />
Krug.<br />
Die nächste Jahrestagung findet vom 5. bis 9. September<br />
<strong>2011</strong> in Sibiu, Rumänien, statt. Für 2012 wurde als Tagungsort<br />
Helsinki gewählt.<br />
Eine ganztätige Exkursion führte die CIDOC-Mitglieder,<br />
eingeladen durch das chinesische nationale CIDOC-Komitee,<br />
in das Huzhou-Museum und in die historische Wasserstadt<br />
Nanxun.<br />
Martina Krug, Städtisches Museum Hann. Münden; museum@hann.<br />
muenden.de. Prof. Monika Hagedorn-Saupe, Institut für Museumsforschung,<br />
Berlin; m.hagedorn@smb.spk-berlin.de. Axel Ermert, Institut<br />
für Museumsforschung, Berlin; a.ermert@smb.spk-berlin.de. Karin Kühling,<br />
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig; karin.kuehling@leipzig.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Tagungsprogramm und Abstracts: http://cidoc.meta.se/2010
CIMAM – International Committee for Museums and<br />
Collections of Modern Art<br />
Common Ground for Museums<br />
in a Global Society<br />
Jahrestagung vom 8. bis 11. November 2010<br />
in Schanghai und Peking, China<br />
Angela Lammert<br />
Fungiert das Museum als Theater, wo das Schauspiel der<br />
Kunstgeschichte aufgeführt wird, oder ist es ein Ort für<br />
die „Wissensproduktion“, die mit der akademischen Diskussion<br />
verbunden ist? Gibt es überhaupt einen Unterschied?<br />
Das waren zwei Fragen, die auf der Jahrestagung gestellt<br />
worden sind. Angesichts der Globalisierung der zeitgenössischen<br />
Kunst, der rasanten Erweiterung des Kunstmarktes<br />
mit dem Boom neuer Biennalen von Schanghai bis Dubai<br />
und der Eventkultur in der Ausstellungspraxis muss die Rolle<br />
des Museums in der Gesellschaft neu befragt werden. Das<br />
bedeutet nicht nur den Umbruch der westlich-neuzeitlichen<br />
Kunstkonzeptionen, sondern auch die Notwendigkeit zu<br />
überdenken, ob es eine gemeinsame ethische Basis der unterschiedlichen<br />
Akteure in der internationalen Kunstwelt gibt.<br />
Dieses Diskussionsangebot des Vorbereitungsteams der<br />
Konferenz war ebenso klug gewählt wie die Veranstaltungsorte<br />
Schanghai und Peking. China ist in den letzten<br />
zehn Jahren zu einem festen Akteur auf dem Gebiet der<br />
Ge genwartskunst geworden und kann in seinem Spagat<br />
zwischen prosperierendem Wirtschafts- und Kunstmarkt<br />
auf der einen Seite und einer widersprüchlichen politischen<br />
Verfasstheit auf der anderen Seite ebenso wie in seinem<br />
bizarren Nebeneinander der Extreme als eine ideale Wahl<br />
für diese Diskussion gelten. Gleichzeitig ist China auch<br />
exem plarisch für die Schnelllebigkeit von Trends auf dem<br />
Kunstmarkt. Nicht nur die internationalen Kooperationen<br />
der neu entstandenen Museen, sondern auch die Symbiose<br />
von chinesischen und westlichen Galerien in den neu entstandenen<br />
Galeriezentren – 798 Art Zone und Caochangdi<br />
Art District in Peking und ShangART und ShangART<br />
H-Space in Schanghai – sind besonders herausragende<br />
Bei spiele einer rapiden Veränderung und Neu verteilung<br />
von Entscheidungsstrategien und -struktu ren innerhalb<br />
des globalen Kunstmarktes. Kann man von gemeinsamen<br />
Wer te vorstellungen und -strukturen reden, obwohl die regionalen<br />
und politischen Unterschiede anders gelagerte<br />
Möglichkeiten und Schwierigkeiten produzieren? Wenn es<br />
vergleichbare Wertevorstellungen gibt, welche könnten<br />
das sein oder wie wären diese zu formulieren? Wel che neu<br />
und gemeinsam zu entwickelnden Formen der Zusammenarbeit<br />
können auf dieser Grundlage gefunden werden?<br />
Um sich all diesen Fragen zu nähern, ist Information und<br />
Kenntnis über die unterschiedlichen Bedingungen notwendig.<br />
Dafür war in der Konferenz eine klare Struktur<br />
vorgegeben. Am ersten Tag ging es um die Rolle der Intellektuellen<br />
bei der Entwicklung einer counter hegemony,<br />
um unterschiedliche Formen des Museums als dispositif<br />
in Ost und West, um dialogische Praktiken in der postkolonialen<br />
Welt und um chinesische Museen innerhalb des<br />
eigenen Kontextes. Die Frage stellt sich, ob der Begriff der<br />
Vormachtstellung, auch wenn er politically correct als<br />
counter hegemony beschrieben wird, nicht doch eine Hierarchisierung<br />
der teilnehmenden Länder und Institutionen<br />
widerspiegelt.<br />
Am zweiten Tag wurden Fallstudien aus Taiwan, Polen<br />
und den Philippinen ebenso wie ein Künstlerstatement diskutiert.<br />
Dem schlossen sich Workshops an – eine gute Idee,<br />
das Gespräch zu intensivieren. Das Verhältnis von lokalen<br />
Museumsmodellen und internationalen Normen bzw. von<br />
Publikum, Öffentlichkeit und populärer Kultur spielten<br />
da bei ebenso eine Rolle wie praktische Fragen nach dem<br />
Museumsmanagement, dem Diskurs zwischen Nationalen<br />
und Internationalen wie die grundsätzliche Reflexion über<br />
die Definition der Institution Museum. Bei den Vorträgen<br />
waren theoretische Positionen wie die von Susan Buck-<br />
Morss (New York), die den Begriff der Globalisierung nach<br />
dem Ende des Ost-West-Konflikts zwischen kommunis tischem<br />
Erbe und gegenwärtigen Transformationen diskutierte<br />
neben solche aus der Ausstellungspraxis gestellt, wie<br />
die von Jarosla Suchan (Muzeum Sztuki Lodz/Polen), der<br />
von der These des „Museums als Happening“, als Ort der<br />
Erfahrung ausging.<br />
Neben dem Vortragsprogramm wurden Besuche in den<br />
unterschiedlichen Kunstzentren organisiert. Am frühen<br />
Nach mittag fand die Wahl des CIMAM-Komitees statt. Als<br />
Präsident des CIMAM löste Zdenka Badovinc, Direktorin<br />
der Moderna Galerija in Ljubljana, den Direktor des<br />
Museo Nacional Centre de Arte Reina Sofia in Madrid,<br />
Manuel J. Borja-Villel, ab.<br />
In Peking konnten die Erfahrungen erweitert und vertieft<br />
werden. Der Gang durch die Galerienviertel in beiden<br />
Städten eröffnete einen aufschlussreichen Einblick in die<br />
widersprüchliche Spannung zwischen der sich langsam institutionalisierenden<br />
Aufbruchsstimmung einer neu entstehenden<br />
chinesischen Galerieszene und der „ausländischen<br />
Gier neuer Kunst aus China“, die sich auch in der Präsenz<br />
amerikanischer und europäischer Galeristen zeigt. Die Argumentationslinien<br />
der einzelnen Akteure sagen viel über<br />
die Brisanz des Konferenzthemas aus.<br />
Dr. Angela Lammert leitet an der Akademie der Künste interdisziplinäre<br />
Sonderprojekte der Sektion Bildende Kunst. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten<br />
zählen Ausstellungen, Lehrtätigkeit und eine Gastprofessur<br />
zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts; lammert@adk.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Ein ehemaliges Fabrikgelände im Norden Pekings wandelte sich<br />
zur „Kunstfabrik 798“.<br />
Videodokumentation der CIMAM-Jahrestagung im Shanghai Grand<br />
Theatre: www.cimam.org/meeting/meeting2.php<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 41
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
CIPEG – International Committee for Egyptology<br />
University Museums and Collections<br />
as Recorders of Cultural and Natural<br />
Communities<br />
Erste gemeinsame Tagung von UMAC und CIPEG<br />
und Jahrestagung vom 7. bis 12. November 2010<br />
in Schanghai, China<br />
Gabriele Pieke<br />
Anlässlich der 22. Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong>, die unter<br />
dem Thema „Museums for Social Harmony“ stand, traf<br />
sich auch eine kleine Delegation von CIPEG-Mitgliedern<br />
in Schanghai. Eine inoffizielle Jahrestagung hatte bereits<br />
sehr erfolgreich vom 19. bis 23. August in Montepulciano,<br />
Italien, unter dem Motto „News from Egyptian Collections<br />
and new Egyptian Collections“ stattgefunden. Da es<br />
in China keinerlei nennenswerte altägyptische Sammlungen<br />
gibt, hätten sicherlich nur wenige CIPEG-Mitglieder<br />
den Weg nach Schanghai gefunden und es erschien angeraten,<br />
ein zweites Treffen zu veranstalten. Die Tagung im<br />
Rahmen der Generalkonferenz von <strong>ICOM</strong> war als joint<br />
meeting mit UMAC, dem Internationalen Komitee für Universitätsmuseen<br />
und -sammlungen, angelegt, wobei ein<br />
Groß teil der Organisation dankenswerterweise von UMAC<br />
übernommen wurde. Insgesamt fanden sich an drei Tagen<br />
72 Teilnehmer aus 24 Ländern im Internationalen Konferenzzentrum<br />
auf dem Expo-Gelände zusammen. Das Thema<br />
„University Museums and Collections as Recorders of<br />
Cultural and Natural Communities“ war dabei auch für<br />
die Teilnehmer von CIPEG von Relevanz, da zahlreiche<br />
ägyp tische Sammlungen in einem universitären Kontext<br />
stehen. Demzufolge konnte diese Kooperation mit wechselseitigen<br />
Vorträgen von Teilnehmern aus beiden Komitees<br />
als extrem bereichernd gelten.<br />
Nach den einführenden Worten der beiden Vorsitzenden<br />
Cornelia Weber, UMAC, und Claire Derriks, CIPEG, sowie<br />
Wu Hong-zhou, dem Präsidenten des Chinese University<br />
Museums Committee (CUMC) wurden vor allem die<br />
Thesen und Erkenntnisse der chinesischen Kollegen mit<br />
großer Spannung erwartet, die bis dato in internationalen<br />
Fachkreisen wenig präsent und demzufolge nahezu unbekannt<br />
waren. Aber auch die Vorträge von Museumskollegen<br />
aus Singapur, Australien oder den Philippinen zu Themen<br />
wie „Reflections on Modern Museology and the Uni ver sity<br />
Museums“, „Access to Collections: Creating a Better Future<br />
Through Social Harmony“ und „Making Relevant University<br />
Museums: Collections and Contemporary Cura torial<br />
Practice in Southeast Asia“ waren von großem Inter esse für<br />
die eigene Arbeit in ägyptischen und sudanarchäo logischen<br />
Sammlungen und zeigten zum Teil ähnliche Alltagsprobleme<br />
und konzeptionelle Fragestellungen, wie sie derzeit<br />
auch in unserem Komitee diskutiert werden. Mit großem<br />
Interesse wurde zudem auch der von UMAC angebotene<br />
Nachmittags-Workshop zu „Strategic Planning“ wahrgenommen.<br />
Ein besonderer Höhepunkt der Tagung war der<br />
Besuch im Museum für Traditionelle Chinesische Medizin<br />
an der Universität von Schanghai, das neben einer Führung<br />
42 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Die Teilnehmer der gemeinsamen Tagung von UMAC und CIPEC besuchten<br />
das Museum für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) der<br />
Shanghai TCM University.<br />
durch die Dauerausstellung sowie dem zugehörigen Garten<br />
mit Heilpflanzen auch ein gemeinsames Abendessen mit den<br />
chinesischen Museumskollegen beinhaltete und Gelegenheit<br />
zum informellen Austausch bot.<br />
Neben der ausgesprochen befruchtenden gemeinsamen<br />
Tagung mit UMAC waren für CIPEG, einem der eher kleinen<br />
internationalen Komitees, zudem die Wahlen für das<br />
Executive Council von Bedeutung. Erfreulicherweise wurden<br />
mit Regine Schulz und Ossama Abdel Meguid zwei<br />
langjährige Entscheidungsträger von CIPEG in dieses wichtige<br />
Gremium von <strong>ICOM</strong> gewählt. Zudem wurde die von<br />
unserem Komitee eingebrachte Resolution zur Stärkung einer<br />
kunsthistorischen und archäologischen Lehre an Universitäten<br />
von der Generalversammlung angenommen.<br />
Die se schien CIPEG aufgrund einer allzu häufig fehlenden<br />
objektkundlichen Grundausbildung von Bedeutung, die in<br />
vielen Fächern ein zunehmendes Problem darstellt, da es<br />
den Sammlungen mittlerweile an qualifiziert ausgebildetem<br />
Museumsnachwuchs ermangelt.<br />
Ingesamt bot die Tagung in Kooperation mit dem Fachkomitee<br />
der Universitätsmuseen wie aber auch die Generalkonferenz<br />
die Möglichkeit, den fachlichen Austausch auf<br />
internationaler Ebene zu vertiefen und über Ausstellungskonzepte,<br />
Präsentationsformen und auch moderne Vermittlungsansätze<br />
für wissenschaftliche Forschungsinhalte ins<br />
Gespräch zu kommen.<br />
Dr. Gabriele Pieke ist seit 2007 Generalsekretärin von CIPEG und derzeit<br />
als Kuratorin der Staatlichen Museen zu Berlin für ein Sonderausstellungsprojekt<br />
des Excellence Clusters „TOPOI – The Formation and<br />
Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations” verantwortlich;<br />
gabriele.pieke@topoi.org.<br />
Weitere Informationen:<br />
http://cipeg.icom.museum<br />
Jahrestagung <strong>2011</strong>: 1. bis 4. September <strong>2011</strong> in Poznan, Polen, unter<br />
dem Titel: „The Ethics of Collecting“
COSTUME – International Committee for Museums<br />
and Collections of Costume<br />
Chinese Costume:<br />
Material, Technology and Fashion<br />
Jahrestagung vom 7. bis 12. November 2010<br />
in Schanghai, China<br />
Karin Thönnissen, Brigitte Herrbach-Schmidt<br />
Die erste Sitzung des <strong>ICOM</strong>-Costume-Komitee fand gleich<br />
nach der Eröffnung der Generalversammlung auf dem Expo-Gelände<br />
statt, wo wir vom Textilkomitee der Chinesischen<br />
Museumsgesellschaft begrüßt wurden. Noch gibt<br />
es keine chinesischen Mitglieder unseres Komitees, daher<br />
hatte die chinesische Regierung Frau Yang Yuan vom Chinese<br />
Museum of Women and Children als Ansprechpartnerin<br />
bestimmt.<br />
Die Jahresversammlung begann mit dem Trienniumsbericht<br />
der Präsidentin. Die Wahl hatte im Vorfeld schriftlich<br />
stattgefunden, dabei wurden Präsidentin (Johansen,<br />
Dänemark), Generalsekretärin (Berger, USA) und Schatzmeisterin<br />
(Herrbach-Schmidt, <strong>Deutschland</strong>) bestätigt. Das<br />
bedeutet einen großen Vertrauensbeweis, aber auch: Das<br />
Bemühen um Nachwuchs muss intensiviert werden. Das<br />
<strong>ICOM</strong>-Costume-Komitee hat zurzeit 259 Mitglieder aus<br />
zwanzig Ländern. Katia Johansen hob hervor, dass bisher<br />
die Vorträge der Tagungen publiziert werden konnten, auch<br />
die der Tagung in München im September 2010. Das wichtige<br />
Ziel in den nächsten Jahren sei die Vermittlung des<br />
„Kostümwissens“ auf allen Ebenen. Es folgten Vorträge<br />
chinesischer Kollegen, am eindrücklichsten der von Zhao<br />
Feng (Leiter des China National Silk Museum) über Ausgrabungen<br />
in Dunhuang, Yingpan, Turfan, Alar und Munchaktepa.<br />
Er schlug vor, textiles from the silk road gemeinsam<br />
mit den Kollegen aus Europa, Zentralasien und Nordwest-<br />
China zu erforschen. Mit der chinesischen Modefirma „Exception“<br />
wurde faszinierendes zeitgenössisches Modedesign<br />
vorgestellt.<br />
Am Abend und am folgenden Tag waren beide Costume-Gruppen<br />
Gäste der Metersbonwe-Gesellschaft, einer<br />
bis her nur auf dem chinesischen Binnenmarkt tätigen Firma<br />
für Sportbekleidung. Ihr Gründer hat in wenigen Jahren<br />
eine Sammlung historischer chinesischer Kostüme zusammengetragen,<br />
die im eigenen Museumsgebäude auf dem<br />
Firmengelände gezeigt wird. Ein Teil der vierzig angemeldeten<br />
chinesischen Kollegen hatten zwar nicht kommen<br />
können, aber mit den fünfzehn <strong>ICOM</strong>-Mitgliedern war der<br />
Seminarraum gut gefüllt bei den Vorträgen zu „Chinese<br />
Costume – Material, Technology and Fashion“. Obwohl<br />
die Zeit leider zu knapp war, um alle geplanten Vorträge<br />
zu hören, erhielten wir dennoch einen guten Einblick in<br />
die aktuelle Forschung, u. a. durch die Beiträge „Drachengewänder<br />
der Yongzheng Zeit“ und „Gu-Stickerei der Ming<br />
Dynasty“. Interessant waren gerade für die amerikani schen<br />
Kolleginnen die Vorträge zu schamanischer Kleidung (z. T.<br />
mit Originalen), die deutliche Parallelen zu nordamerikanischer<br />
indianischer Symbolik aufweist. Unsere „westlichen“<br />
Vorträge konzentrierten sich darauf, chinesische<br />
Stücke in den jeweiligen Museen vorzustellen.<br />
Kurzfristig konnte ein Besuch des Shanghai Museum of<br />
Textiles and Costume arrangiert werden. Jillian Li empfing<br />
uns sehr herzlich und führte kompetent durch ihr Museum,<br />
in dem neben Hofgewändern und Kleidung ethnischer<br />
Minderheiten auch Alltagkleidung gesammelt und ausgestellt<br />
wird. Der Nachmittag galt dem Shanghai Museum,<br />
dessen Textilabteilung vor allem Kostüme ethnischer Minderheiten<br />
präsentiert, die überwiegend erst in jüngerer Zeit<br />
zusammengetragen wurde.<br />
Den Donnerstag verbrachten wir im China National Silk<br />
Museum in Hangzhou, das seit einigen Jahren von der Provinz<br />
und der Seidenindustrie getragen wird. Die fünftausendjährige<br />
Geschichte der Seidenproduktion, die Entwicklung<br />
vom Ei zum Seidenfaden und die unterschiedlichen<br />
Gewebe (Bindungsarten) sind didaktisch vorbildlich dargestellt.<br />
Die Kostümsammlung und die Exponate aus der<br />
Zeit der Liao-Dynastie beeindruckten gleichermaßen. Die<br />
für uns aus den Depots geholten Stücke ließen den Wunsch<br />
wachsen, noch einmal wiederzukommen. Die Forschung<br />
am Museum erlaubte die Rekonstruktion von verschiedenen<br />
Webstühlen, wir sahen gleichsam die Geschichte der<br />
Webstühle und erlebten bei den Zugwebstühlen den Zugjungen<br />
oben im Stuhl. Die Färberei hat ein eigenes Gebäude<br />
und für die Restauratorenausbildung wird in Kürze ein<br />
weiteres errichtet werden. Eine kurze Fahrt zum berühmten<br />
West Lake beschloss Tag und Tagung. Fortsetzung folgt<br />
– vom 25. bis 30. September <strong>2011</strong> im Ethnographischen<br />
Museum in Belgrad, unter dem Titel „In Between – Cultures<br />
of dress between the East and the West“.<br />
Dr. Karin Thönnissen ist als Kuratorin am Städtischen Museum Wesel<br />
tätig. Sie konzentriert sich auf die Textil- und Modegeschichte;<br />
kthoennissen@web.de.<br />
Dr. Brigitte Herrbach-Schmidt, Konservatorin am Badischen Landesmuseum,<br />
arbeitet vor allem in den Bereichen Skulptur und Textil. Sie<br />
ist Schatzmeisterin des <strong>ICOM</strong>-Costume-Komitee;<br />
b.herrbach-schmidt@landesmuseum.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Im Nationalen chinesischen Seidenmuseum wird die Behandlung<br />
von Seidenraupenkokons demonstriert.<br />
www.costume-committee.org<br />
Jahrestagung <strong>2011</strong>: www.etnografskimuzej.rs/icom01e.htm<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 43
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
GLASS – International Committee for Museums and<br />
Collections of Glass<br />
From Silk Road to Container Ship:<br />
Artefacts, Environment and Cultural<br />
Transfer<br />
Gemeinsame Tagung von DEMHIST, GLASS, ICDAD und<br />
ICFA in Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> China<br />
am 9. November 2010 in Schanghai, China<br />
Clementine Schack von Wittenau<br />
Erfüllt von den Eindrücken, die wir während der Pre-Conference-Tour<br />
unter anderem nach Yinxu, Luoyang und<br />
Xi’an, den drei Hauptstädten des alten China, und Peking<br />
als Höhepunkt empfangen hatten, kamen wir am 6. November<br />
abends in Schanghai an. Auf dem festlichen Empfang<br />
am nächsten Tag mit etwa 3600 Tagungsteilnehmern<br />
stellte sich heraus, dass von den <strong>ICOM</strong>-Mitgliedern des<br />
Glass-Komitees nur fünf angereist waren: Paloma Pastor<br />
(Präsidentin), Simona Violeta Gheorghe aus Bukarest, Milan<br />
Hlaveš aus Prag (beide Vorstandsmitglieder) sowie<br />
Vesna Delic Gozze aus Dubrovnik und die Autorin dieses<br />
Berichts.<br />
Am frühen Montagnachmittag, dem 8. November, fand<br />
die erste Sitzung des Glass-Komitees statt. Wir lernten vor<br />
allem Professor Zhuang Xiaowei, den Leiter des Glasstudios<br />
an der Universität von Schanghai und Direktor des<br />
gerade neu errichteten Shanghai Museum of Glass kennen,<br />
auf den ich besonders gespannt war, da wir bereits per E-<br />
Mail korrespondiert hatten. Paloma Pastor berichtete vor<br />
allem vom Fortgang der Planungen der Jahrestagung <strong>2011</strong>,<br />
die entgegen der ursprünglichen Absicht nicht in den USA,<br />
sondern in Barcelona, Peralada und Almería abgehalten<br />
werden solle. Der Grund für die Änderung sei, dass in den<br />
USA 2012 das 50-jährige Jubiläum der amerikanischen Studioglasbewegung<br />
mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert<br />
würde, in die sich unsere Jahrestagung mit Besuchen von<br />
Corning und Toledo, Ohio, einbinden ließen.<br />
Die gemeinsame Tagung von DEMHIST, GLASS, ICDAD<br />
und ICFA am 9. November stand unter dem übergreifenden<br />
Thema „From Silk Road to Container Ship: Artefacts,<br />
Environment and Cultural Transfer“ und war zusammen<br />
mit <strong>ICOM</strong> China gewissenhaft vorbereitet. So lagen die<br />
einzelnen Vorträge jedem Zuhörer in gedruckter Broschürenform<br />
auf Chinesisch und Englisch vor. Ich war besonders<br />
neugierig auf den Beitrag von Zhuang Xiaowei, der<br />
uns auf die Besichtigung des Glasmuseums in statu nascendi<br />
einstimmte. In seiner Rede (die erheblich von dem Manuskript<br />
der Broschüre abwich) hob er gleich zu Anfang hervor,<br />
dass sie nicht ein museum of seeing history einrichteten,<br />
vielmehr spiegelte dieses nur einen Teil der Geschichte des<br />
Glases wider. Sie versuchten, darin eine neue Haltung einzunehmen,<br />
„a multi-cultural attitude“. … „There will be<br />
no end of criss-cross relations between nations.“<br />
Einen weiteren Beitrag zum Thema Glas steuerte Paloma<br />
Pastor unter dem Titel „A Preliminary Approach to the<br />
Study of Chinoiserie Glass in Europe in the 16th and 19th<br />
Centuries“ bei. Sie führte darin unter anderem aus, dass Ar-<br />
44 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Glasmuseum in Schanghai<br />
chivalien im Vatikan zufolge in der Qing-Dynastie enge Beziehungen<br />
zwischen dem kaiserlichen Hof und Venedig bestanden<br />
hätten, was in westlichen Fachkreisen nicht allgemein<br />
bekannt sein dürfte. So sei der Kangxi-Kaiser (1654–1722)<br />
von dem venezianischen cristallo derart fasziniert gewesen,<br />
dass er 1680 anordnete, in der Verbotenen Stadt eine Kaiserliche<br />
Glasfabrik zu betreiben. Milan Hlaveš arbeitete<br />
in seinem Koreferat die Einflüsse der Chinoiserie auf die<br />
böhmische Glasproduktion im 18. und 19. Jahrhundert<br />
noch weiter aus.<br />
Am Nachmittag des 10. November stand nun endlich der<br />
Besuch des Shanghai Museum of Glass an, das im April<br />
oder Mai eröffnet werden soll und damit das einzige Museum<br />
dieser Art in ganz China sein wird. Es liegt vor den<br />
Toren der Zwanzig-Millionen-Stadt inmitten einer Industriegegend,<br />
die sich in ein paar Jahren in eine grüne Oase<br />
verwandeln soll. Das Museum zieht in eine aufgelassene<br />
Glasfabrik ein und wird über ca. 3750 qm Ausstellungsfläche<br />
verfügen. In den ehemaligen Werkhallen wird die Geschichte<br />
des Glases und dessen Technologie in China und<br />
der westlichen Welt dargestellt, außerdem wird es Künstlerateliers,<br />
Vorführwerkstätten, glastechnische Versuchslabors,<br />
eine Bibliothek, einen Museumsshop, Restau rant<br />
und Café geben. Zur Hauptattraktion wird der „Kaleidoskop-Eingang“<br />
werden, eine Art Audiovision zum Thema<br />
„Glas und das Leben der Menschen“.<br />
Dr. Clementine Schack von Wittenau leitete von 1990 bis 2009 die<br />
Abteilung Kunsthandwerk und Glas in den Kunstsammlungen der<br />
Veste Coburg. Seit September 2009 ist sie im Ruhestand;<br />
cschackvw@gmail.com.<br />
Weitere Informationen:<br />
Die Jahrestagung <strong>2011</strong> findet vom 30. Mai bis 4. Juni <strong>2011</strong> unter dem<br />
Titel „Glass Collections of Spain“ in Barcelona und La Granja statt.<br />
Programm: http://network.icom.museum/glass.html.
ICDAD – International Committee of Decorative Arts<br />
and Design<br />
From Silk Road to Container Ship:<br />
Artefacts, Environment and Cultural<br />
Transfer<br />
Gemeinsame Tagung von DEMHIST, GLASS, ICDAD und<br />
ICFA in Zusammenarbeit mit <strong>ICOM</strong> China<br />
am 9. November 2010 in Schanghai, China<br />
Wolfgang Schepers<br />
Nach der sehr theatralischen Eröffnungszeremonie am<br />
7. November mit Ballett, Trommel-Wirbel, Reden und anschließendem<br />
Gala-Diner folgten am nächsten Tag das Plenum<br />
und am Nachmittag die separaten Veranstaltungen<br />
der einzelnen internationalen Komitees.<br />
Für ICDAD hatten sich nach meinen Unterlagen 54 chine<br />
sische Kollegen aus den großen Städten angemeldet,<br />
wäh rend man die Kollegen aus oversea an zwei Händen<br />
abzäh len konnte. Als Vertreter des Präsidenten von ICDAD<br />
hat te ich zu begrüßen, zu danken und im Wesentlichen auf<br />
dem Podium zu repräsentieren. Der Hauptakteur war Zhao<br />
Chungui, der einen simultan ins Englische übersetzten<br />
Vortrag zu Gestaltungsfragen von Ausstellungen und Museen<br />
hielt. Beim Blick in das Auditorium hatte man den Eindruck,<br />
dass viele seiner Studenten oder ehemaligen Schüler<br />
anwesend waren – die man jedoch am nächsten Tag bei<br />
unserer gemeinsamen Tagung dann nicht mehr traf. Der<br />
sehr lange Vortrag zeigte, dass man inzwischen einen internationalen<br />
Standard in Bezug auf die Vermittlung durch<br />
didaktische Mittel wie Szenographien, Einsatz von Schrift<br />
und Bild sowie neuer Medien in den Museen weltweit gefunden<br />
hat.<br />
Unsere eigentliche Veranstaltung aber war die gemeinsame<br />
Tagung der vier internationalen Komitees, die – soweit<br />
ich mich erinnere – erstmalig gemeinsam tagten. Eigentlich<br />
aus der „Not“ geboren – denn separate Veran stal tungen<br />
der einzelnen Komitees wären wegen der zu erwartenden<br />
geringen Teilnehmerzahl wenig sinnvoll gewesen –,<br />
erwies sich die gemeinsame Veranstaltung als ausgesprochen<br />
fruchtbar. ICDAD hatte zuvor im September 2010<br />
eine eigene Tagung in den Niederlanden durchgeführt.<br />
Unsere gemeinsame Tagung spannte den Bogen vom chinesischen<br />
Export-Porzellan über die Chinoiserie-Mode in<br />
Glas und Porzellan, die Skulpturen am Hafen von Schanghai<br />
zwischen 1860 und 1945 sowie das im Aufbau befindliche<br />
Glas-Museum in Schanghai bis hin zum Baba Hause<br />
in Singapur und „Emperor Bao Dai’s Residence at Dalat in<br />
Vietnam“.<br />
Wenig bekannt zu sein scheint mir, dass – im Gegensatz<br />
zum allseits bekannten Einfluss der Chinoiserie-Mode<br />
im 18. Jahrhundert – schon lange Zeit davor genau<br />
das Umgekehrte passierte, dass nämlich vom 7. bis zum<br />
14. Jahrhundert christliche Einflüsse in China festzustellen<br />
sind. Rui Oliviera Lopes vom Research Centre of Sciences<br />
of Art and Heritage – Francisca de Holanda, Faculty<br />
of Fine Arts, University of Lisbon, konnte dies u. a. durch<br />
chinesische Darstellungen in der Tradition des Bildtypus<br />
Maria mit dem Kinde eindrucksvoll auch bildlich belegen.<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Zweifellos besonders provokant waren Johannes Wieningers<br />
(Leiter Asien-Sammlung am Österreichischen Museum<br />
für angewandte Kunst/Gegenwartskunst, MAK)<br />
Thesen zu einem „Ideal Museum: World Culture or Boundaryless<br />
World Culture“. Er forderte, die Zeugnisse der<br />
materiellen Kultur sowohl außereuropäischer als auch<br />
europäischer Länder gleichwertig nebeneinander zu stellen<br />
und somit ein Museum der Weltkulturen zu schaffen.<br />
Dazu müssten die europäischen Museen nur ihre Magazine<br />
öffnen und bis her nur selten oder gar nicht gezeigte<br />
Artefakte zu ei nem Museum mit den außereuropäischen<br />
Objekten zusam menführen. Meiner Meinung nach wird damit<br />
aber einer Relativierung das Wort geredet, die die jeweiligen<br />
gesellschaftlichen, historischen und kulturgeschichtlichen<br />
Deter minanten nicht ausreichend berücksichtigt.<br />
Weitere Fragen schließen sich an:<br />
Wie kann die Repräsentativität einer derartigen Auswahl<br />
gewährleistet werden? Wer trifft die Auswahl der relevanten<br />
Exponate? Inwieweit sind Drittländer an einer<br />
solchen Auswahl von Ausstellungsstücken beteiligt? Wie<br />
kann man vermeiden, dass in einer solchen Auswahl nicht<br />
doch der eurozentrische Blick maßgebend wird usw.? Schade,<br />
dass man darüber in Schanghai nicht ausreichend intensiv<br />
diskutiert hat.<br />
Hervorheben möchte ich des Weiteren den einzigen chinesischen<br />
Beitrag, dargeboten von Zhuang Xiaowei, dem<br />
Direktor des Shanghai Museum of Glass, der eingangs<br />
feststellte, in Europa käme auf 200.000 Einwohner ein<br />
Mu seum. Daraus abgeleitet habe dass Shanghai Municipal<br />
Government 2005 beschlossen, in dieser Stadt mit rund<br />
zwanzig Millionen Einwohnern hundert(!) öffentliche Museen<br />
zu gründen bzw. zu bauen. Sein Glas-Museum sei<br />
eines davon. Im Laufe des Vortrages wurde klar, dass man<br />
in diesem Falle einen Glaskünstler mit dem Aufbau des<br />
Museums beauftragt hatte. Nicht der ausgebildete (Kunst-)<br />
Historiker, sondern der praktizierende „Glaskünstler“ entscheidet<br />
also darüber, was in ein solches Museum aufgenommen<br />
wird und was nicht – ein Ansatz, der hierzulande un üblich,<br />
aber dennoch nicht weniger überlegenswert erscheint.<br />
Am folgenden Tag standen gemeinsame Besuche mehrerer<br />
Museen in Schanghai auf dem Plan, woran sich der Berichterstatter<br />
aufgrund beruflicher Verpflichtungen in der<br />
Heimat leider nicht mehr beteiligen konnte. Gleichwohl<br />
reis ten wir mit vielen Denkanstößen und wertvollen internationalen<br />
Kontakten wieder ab, u. a. mit der Option, die<br />
ICDAD-Jahrestagung <strong>2011</strong> in Moskau abzuhalten, und<br />
der Überlegung, auch in Zukunft gemeinsame Tagungen,<br />
insbesondere mit den internationalen Komitees GLASS und<br />
DEMHIST, zu veranstalten.<br />
Dr. Wolfgang Schepers leitet das Museum August Kestner in Hannover.<br />
Er ist Mitglied des ICDAD-Vorstandes;<br />
wolfgang.schepers@hannover-stadt.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Programm und Abstracts: www.icom-icdad.com<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 45
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICEE – International Committee for Exhibition and<br />
Exchange<br />
Museums for Social Harmony<br />
Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />
in Schanghai, China<br />
Karl-Heinz Ziessow<br />
Der zum Abschluss der <strong>ICOM</strong>-Weltkonferenz am sechsten<br />
Konferenztag an alle Teilnehmer überreichte Bildband war<br />
nur die symbolische Krönung eines in allem perfekt organisierten<br />
globalen Events: Hier fand sich schon gedruckt<br />
und abgebildet, was eben noch Wirklichkeit gewesen schien<br />
– ein Austausch von Experten, in dem es eine Woche lang<br />
um das Museum in allen seinen Schattierungen und in allen<br />
seinen Aspekten gegangen war. Der Konferenztitel Museums<br />
for Social Harmony lenkte den Blick aller Komitees<br />
vor allem auch auf die Rolle von Museen als Orten der Auseinandersetzung<br />
und des Dialogs in und zwischen den Gesellschaften,<br />
deren kulturelles Erbe sie zur Anschauung<br />
bringen und zur Diskussion stellen.<br />
Einer bereits in Seoul 2003 begründeten Tradition folgend,<br />
nutzte ICEE auch die Konferenz in Schanghai zur<br />
Begegnung und zum intensiven Austausch mit einem anderen<br />
der internationalen Komitees, in diesem Jahr mit ICME,<br />
dem Komitee für ethnographische Museen und Sammlungen.<br />
Annette Rein aus Frankfurt hob in ihrem einführenden<br />
Statement zur gemeinsamen Sitzung unter dem Titel<br />
„Defining Categories of Artifacts“ vor allem hervor, dass<br />
sich mit dem Austausch von Objek ten nicht nur Artefakte<br />
in unterschiedlichen kulturellen Zu sammenhängen begegnen,<br />
sondern vor allem der Austausch zwischen Wissenssystemen<br />
und Verständnisweisen organi siert wird. Ausdrucksvoll<br />
und bildreich wie stets unterstrich Amareswar Galla<br />
diese Erfahrung aus seiner eigenen biografischen Perspektive<br />
am Beispiel der Krishna-Figuren, hinter denen er als<br />
Kind spielte, und denen er später im Metropolitan Museum<br />
in New York als Objekt der Bewunderung und im British<br />
Museum als Arbeitsobjekt wiederbegegnete – Sinnbilder<br />
jenes Gestaltwandels, den auch der Austausch von Artefakten<br />
und Ausstellungen fortwährend initiiert und reflektiert,<br />
vor allem wenn er in internationalen Kontexten operiert.<br />
Die zweite Sektion des Konferenztages beschäftigte sich<br />
unter der Leitung von Anne Cathérine Hauglustaine mit<br />
der Bedeutungsproduktion in Ausstellungen („Meaning as<br />
a Function of Display“). Während Marie-Paule Jungblut<br />
vom Historischen Museum der Stadt Luxemburg darstellte,<br />
wie eine Ausstellung zu „Mord und Totschlag“ dort an die<br />
Grenzen auch der eigenen moralischen Vorstellungen der<br />
Besucher ging, führte Philippe Guillet vom Naturhistorischen<br />
Museum Orléans jene Wandlungen vor Augen, denen<br />
die Interpretation und Präsentation natürlicher Artefakte<br />
durch globale ökologische Fragestellungen unterliegt.<br />
Der seit einigen Jahren von Carina Jaatinen aus dem finnischen<br />
Espoo organisierte und moderierte „Marketplace<br />
of Exhibitions and Ideas“, sicherlich eine Besonderheit<br />
dieses auf Austausch fokussierten Komitees, fand auch in<br />
Schanghai einen fast kaum noch zu bewältigenden Zuspruch,<br />
nicht zuletzt auch von chinesischen Kollegen, die<br />
46 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
diese Plattform mit ihren häufig sehr kompakten fünfminütigen<br />
Beiträgen nutzten, um neben den in den <strong>ICOM</strong>-Exkursionen<br />
vorrangig besuchten Großstadtmuseen auch die<br />
reichen Schätze der chinesischen Provinzialmuseen und ihre<br />
Angebote, u. a. in Hubei, Guangzhou, Gansu und Liaoning,<br />
zum Ausstellungsaustausch vorzustellen. Bei den übrigen<br />
Präsentationen konnten u. a. Khairuddin Hori und<br />
Géraldine Hebras vom Kunstmuseum Singapur mit einer<br />
Präsentation zu zwei Jahrzehnten zeitgenössischer Kunst<br />
in Südostasien und Patrick Sears vom neu entstandenen<br />
Rubin Museum of Art in New York mit buddhistischen<br />
Kunstwerken aus der Mongolei beeindrucken, während<br />
Linda Lloyd Jones vom Victoria and Albert Museum nicht<br />
zuletzt mit Bildern einer Wanderausstellung zu 350 Jahren<br />
Unterwäsche die Aufmerksamkeit zu fesseln verstand.<br />
Die Fachexkursion am zweiten Konferenztag führte das<br />
Komitee unter der ortskundigen Führung des ICEE-Vorstandsmitglieds<br />
Xiuqin Zhou vom Museum für Archäologie<br />
und Anthropologie der Universität von Pennsylvania zu<br />
drei herausragenden und sehr unterschiedlichen Museen der<br />
Stadt. Am Anfang stand der Besuch im Museum für tradi<br />
tio nelle chinesische Medizin. Die auf dem Gelände der<br />
gleichnamigen Hochschule gelegene, 1938 als erstes chinesisches<br />
Spezialmuseum eingerichtete Einrichtung zeigt Artefakte<br />
aus 4000 Jahren chinesischer Medizingeschichte,<br />
darunter als eines der ältesten Exponate eine Akupunkturnadel<br />
aus der Jungsteinzeit. Die nächste Station der Museumsexkursion<br />
führte in das Haus von Song Ch’ing-ling,<br />
der jungen Frau des 1921 gestorbenen Staatsgründers Sun<br />
Yat-sen, deren weitreichendes Wirken zur Zeit Mao Zedongs<br />
hier eine eher huldigende als kritische Würdigung erfährt.<br />
Am Ende des Exkursionstags schloss sich mit dem<br />
seit 1996 in einem Neubau am Platz des Volkes untergebrachten<br />
Shanghai Museum eine in zehn Galerien gegliederte<br />
überwältigende Präsentation der chinesischen Kunst<br />
und Kultur an.<br />
Am Abschluss der fachlichen Diskussionen standen wie<br />
üblich die Vorstandswahlen, aus denen Anne Cathérine<br />
Hauglustaine aus dem Wissenschaftsmuseum Straßburg<br />
als neue ICEE-Präsidentin hervorging, unterstützt von Nicolas<br />
Gauvin vom Kanadischen Zivilisationsmuseum Gatineau<br />
als Generalsekretär, der bereits in der vergangenen<br />
Amtsperiode diese Position versehen hat.<br />
Dr. Karl-Heinz Ziessow, Oberkustos, ist im Museumsdorf Cloppenburg<br />
in den Bereichen Sonderausstellungen, Sammlungsverwaltung,<br />
Internatio nale Kooperation tätig. Von 2001 bis 2007 war er Vorstandsmitglied<br />
von ICEE; ziessow@museumsdorf.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Programm: www.icee.icom.museum
ICLM – International Committee for Literary Museums<br />
Übersetzungen in Literaturmuseen<br />
Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />
in Schanghai, China<br />
Lothar Jordan<br />
Die Jahrestagung des Internationalen Komitees der Literatur-<br />
und Komponistenmuseen (ICLM) fand im Rahmen<br />
der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz in Schanghai statt. Schwerpunkte<br />
der Tagung waren das Thema „Translations in Literary<br />
and Composer Museums“ und die Begegnung mit<br />
den chinesischen Kolleginnen und Kollegen, die Ende 2009<br />
ein nationales chinesisches Komitee der Literaturmuseen<br />
(CCLM) gegründet haben. Professor Fu Guangming (Nationalmuseum<br />
der modernen chinesischen Literatur, Peking)<br />
entfaltete eindrucksvoll das Panorama der chinesischen Literaturmuseen.<br />
Die Vorträge wurden ergänzt durch Besuche<br />
von Literaturmuseen und literarischen Gedächtnisorten<br />
in Schanghai, insbesondere zum Dichter Lu Xun, aber<br />
auch des Literaturmuseums für die Schriftstellerin Bing<br />
Xin. Das Besuchsprogramm der chinesischen Kollegen war<br />
vielfältig, anregend und gastfreundlich. Die kanonische<br />
Rol le, die der Schriftsteller Lu Xun (1881–1936) für die<br />
Entwicklung der chinesischen Literatur im 20. Jahrhundert<br />
und als linksgerichteter Dichter für die Verbindung von<br />
Literatur und Politik im modernen China bis heute spielt,<br />
wurde deutlich.<br />
ICLM hatte als inhaltlichen Schwerpunkt der Jahrestagung<br />
das Thema „Übersetzungen“ gewählt. Übersetzun gen<br />
sind für den internationalen Austausch von zentraler Bedeutung.<br />
Sie spielen für Literaturmuseen, deren Gegenstände<br />
auf Sprache basieren, eine besonders wichtige Rolle.<br />
So berichtete Galina Alexeeva über Seminare, welche die<br />
Leo-Tolstoi-Museumsdomäne Jasnaja Poljana mit Übersetzerinnen<br />
und Übersetzern des Werkes von Leo Tolstoi<br />
durchgeführt hat. Der Berichterstatter versuchte, die vielfältigen<br />
Rollen, die Übersetzungen in Literaturmuseen spielen,<br />
zu differenzieren. Dazu gehören neben literarischen<br />
Übersetzungen auch Übersetzungen, die sich an Besucher<br />
richten, etwa für den mehrsprachigen Audio-Guide oder<br />
für leicht verständliche Informationen an der Kasse. Die<br />
anschließende Diskussion und Auswertung ergab, dass<br />
dieses Thema im ICLM weiterbearbeitet werden sollte und<br />
über den Kreis der Literaturmuseen hinaus im <strong>ICOM</strong> Bedeutung<br />
haben könnte.<br />
Auf der ICLM-Mitgliederversammlung am 10. November<br />
konnte das Komitee auf eine erfolgreiche Arbeit im letzten<br />
Jahr zurückblicken. Dazu gehörte besonders der Einsatz<br />
für die Stärkung des Internationalen Museumstages <strong>2011</strong>,<br />
dessen Motto „Museum and Memory – Museen, unser Gedächtnis“<br />
ICLM vorgeschlagen hatte. In einem internationalen<br />
Workshop, den das Komitee im September 2010 in<br />
Kooperation mit der Association des Musées de la Grande<br />
Région (AMGR) in Berlin veranstaltet hatte, war es gelungen,<br />
für <strong>ICOM</strong> neben dem UNESCO-Programm „Memory<br />
of the World“ auch die Weltverbände der Archive (ICA),<br />
der Audiovisuellen Archive (CCAAA), der Bibliotheken<br />
(IFLA) und der Denkmalpflege (<strong>ICOM</strong>OS) als Partner des<br />
Internationalen Museumstages <strong>2011</strong> zu gewinnen.<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Am 10. November 2010 fanden Wahlen zum ICLM-<br />
Vorstand für den Zeitraum von <strong>2011</strong> bis 2013 statt. Der<br />
Berichterstatter wurde als Präsident wiedergewählt. Vizepräsidentin<br />
wurde Fredrikke Hegnar von Ubisch (Norwegen),<br />
Generalsekretärin Galina Alexeeva (Russland). Aus<br />
<strong>Deutschland</strong> wurde Bernhard Lauer (Brüder-Grimm-Museum,<br />
Kassel) neu in den Vorstand gewählt.<br />
Die Teilnehmerzahl war deutlich geringer als bei den letzten<br />
Jahrestagungen, die in Europa stattgefunden hatten.<br />
Dafür waren vor allem finanzielle Gründe ausschlaggebend:<br />
Die Konferenz war nicht nur wegen der Reisekosten,<br />
sondern auch aufgrund der weiteren Kosten recht teuer.<br />
Die Sicherheitsmaßnahmen waren exorbitant, gelegentlich<br />
kam es zu Beeinträchtigungen der Teilnahme. Das World<br />
Expo Center war eine in jeder Hinsicht exklusive Tagungsstätte.<br />
Unmittelbar im Anschluss an die Mitgliederversammlung<br />
fand eine gemeinsame Sitzung der anwesenden ICLM-<br />
Mitglieder mit CCLM statt. Die Diskussion mit den chinesischen<br />
Kolleginnen und Kollegen war offen. Es bestand<br />
beiderseits Interesse an weiteren Begegnungen und Kooperationen.<br />
Professor Dr. Lothar Jordan ist Präsident von ICLM und Mitglied des<br />
Vorstandes von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>; iclm.jordan@gmx.de.<br />
Das Museum als außerschulischer Lernort: Eine Schülergruppe besucht<br />
das Lu-Xun-Museum in Schanghai. Lu Xun gilt in China als der<br />
Begründer der modernen chinesischen Literatur und wird von der<br />
Politik als Kulturheiliger verehrt.<br />
Foto: ICLM<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 47
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICMS – International Committee on Museum Security<br />
Security of the Public and the Cultural<br />
Relics When Moving<br />
Jahrestagung vom 8. bis 10. Oktober 2010<br />
in Schanghai und Hangzhou, China<br />
Hans-Jürgen Harras<br />
29 ICMS-Mitglieder und 93 Kollegen chinesischer Institutionen<br />
nahmen an der Jahrestagung teil, die während der<br />
<strong>ICOM</strong> Generalkonferenz 2010 in Schanghai stattfand. Die<br />
Vorbereitung der Tagung ist den chinesischen Kollegen außerordentlich<br />
gut gelungen, z. B. lagen den Teilnehmern al le<br />
Redebeiträge vorab in Form eines Tagungsbandes auf Chinesisch<br />
und Englisch vor. Dies erleichterte die Verständigung<br />
enorm. Da die chinesischen Kontaktpartner, die mit<br />
der Durchführung der ICMS-Jahrestagung 2010 betraut<br />
wa ren, bereits an den ICMS-Tagungen 2008 und 2009 teilgenommen<br />
hatten, konnten sie nun von den zahlreich gesammelten<br />
Erfahrungen profitierten.<br />
Im Fokus der Vorträge stand die Sicherheitssituation in<br />
den chinesischen Museen. Hierzu gab es eine Reihe von<br />
Prä sentationen, die eine gegenüber den europäischen und<br />
amerikanischen Museen abweichende Herangehensweise<br />
in China zeigten. Die chinesischen Kollegen formulierten<br />
für ihre Sicherheitsmaßnahmen eine Reihe von Prinzipien,<br />
die dem Motto folgen „Visitors first, security foremost“.<br />
Dabei geht es besonders darum, Besucher, die in großer<br />
Zahl die Museen aufsuchen, so bequem wie möglich durch<br />
oft ausgedehnte Gebäude und Anlagen zu führen. Hervorzuheben<br />
ist, dass auf chinesischer Seite sehr offen darüber<br />
diskutiert wurde, an welchen Stellen es in den verschiedenen<br />
Museen weiterhin Probleme und unbeantwortete Fragen<br />
gibt. Es wurden somit nicht nur realisierte Lösungen<br />
für Sicherheitsprobleme präsentiert, sondern auch – nach<br />
anfänglichem Zögern – ungelöste Probleme sowie Erfahrun<br />
gen aus dem nicht-asiatischen Raum, die Vorteile, Nachteile<br />
und die unterschiedlichen kulturbedingten Reflexionen<br />
von Sicherheitsmaßnahmen und auch Probleme der<br />
Ef fektivität und Wirtschaftlichkeit offensiv diskutiert.<br />
Am 9. und 10. Oktober fand die Jahrestagung außerhalb<br />
Schanghais, in Hangzhou, in der Provinz Zhejiang statt.<br />
Dort besichtigten wir unter anderem die sicherheitstechni<br />
schen Ausrüstungen des Zhejiang Museum of Natural<br />
History und des Zhejiang Provincial Museum. Auf ICMS-<br />
Seite gab es ein reges Interesse. Die Diskussion ergab, dass<br />
bei der anlagentechnischen Ausrüstung der Museen vieles<br />
übereinstimmt, organisatorische Abläufe aber zum Teil unterschiedlich<br />
geregelt sind, was anderen Hierarchiestrukturen<br />
und einer anderen Personalausstattung geschuldet ist.<br />
Auch das Problem geringer Vergütung bei Sicherheitsdienstleistung<br />
und der Unterbewertung der Relevanz von Ausbildung<br />
in China trat in der Diskussion offen zu Tage. Uns<br />
fiel zum Beispiel positiv auf, dass sich die Mitarbeiter der<br />
Sicherheitsbereiche, sowohl in internen Bereichen wie auch<br />
in den Ausstellungsräumen, äußerst diszipliniert verhiel ten.<br />
Der Jahresbericht des ICMS wurde vom aus dieser Funktion<br />
ausscheidenden Vorsitzenden Hans-Jürgen Harras vorgestellt:<br />
Die Arbeit des ICMS konnte auch im vergangenen<br />
48 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Fachgespräch in der Sicherheitszentrale des Zhejiang Provincial<br />
Mu seum, v.l.n.r: Chen Wei, Michael Hansen, Michael John, Hanna<br />
Pennock sowie drei Sicherheitsmitarbeiter des Museums<br />
Jahr kontinuierlich weitergeführt werden. Die Arbeitsgruppe<br />
zur Erstellung eines Handbook for Museums Emergency<br />
Situations stellte in Aussicht, das Handbuch zum Ende<br />
des Jahres als online verfügbare Publikation in Englisch,<br />
Französisch und Spanisch fertig zu stellen. Ebenso gab es<br />
Weiterentwicklungen für das OnlineVocabulary of Museum<br />
Security Terms. Weitere Fachbegriffe wurden hinzugefügt<br />
und Finnisch als neue Sprache ergänzt. ICMS bemühte<br />
sich erfolgreich um Spenden und Sponsorenmittel<br />
und erreichte dadurch eine ausgewogene finanzielle Basis,<br />
die für die Projektarbeit sehr förderlich ist. ICMS konnte<br />
für 2010 wiederum ein Stipendium für Südafrika vergeben.<br />
Im Rahmen der Wahlen zum Vorstand für das nächste<br />
Triennium wurden Willem Hekman aus den Niederlanden<br />
zum neuen Vorsitzenden und Irina Kuznetsova aus Russland<br />
zum Sekretär gewählt. Aus den Reihen der deutschen<br />
Mitglieder wurden Michael John und weitere Kollegen zu<br />
Vorstandsmitgliedern gewählt. Um im Hinblick auf die<br />
Beteiligungsmöglichkeiten eine Balance zwischen den verschiedenen<br />
Kontinenten herzustellen, wurde Tian Kai aus<br />
dem Henan-Museum in China kooptiert, was die chinesische<br />
Seite außerordentlich begrüßte und mehrere Mitgliedsanträge<br />
zur Aufnahme in ICMS zur Folge hatte.<br />
Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Harras ist Leiter des Referates Sicherheit der<br />
Staatlichen Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und<br />
war bis 2010 Präsident des ICMS; h.j.harras@smb.spk-berlin.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Die Jahrestagung <strong>2011</strong> wird vom 2. bis 8. Oktober <strong>2011</strong> in Split, Kroatien,<br />
stattfinden, Tagungsprogramm unter www.icom-icms.org. Für<br />
die Teilnahme von Mitgliedern aus Entwicklungsländern stehen<br />
wieder zwei Stipendien bis je maximal 1.000 Euro zur Verfügung. Auf<br />
Grund negativer Erfahrungen aus vergangenen Jahren wurde für<br />
die Vergabe ein spezieller Antragsbogen entwickelt, der unter www.<br />
icom-icms.org verfügbar ist.
ICOFOM – International Committee for Museology<br />
A New Global Ethics on Deaccessioning<br />
and Return of Cultural Heritage<br />
33. Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />
in Schanghai, China<br />
Hildegard K. Vieregg<br />
Die 33. ICOFOM-Jahrestagung hatte zum Ziel, das Thema<br />
„A New Global Ethics on Deacessioning and Return<br />
of Cultural Heritage“ mit dem Thema „Museums for Social<br />
Harmony“der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz zu verbinden.<br />
Wie stark die kulturelle Vielfalt in ICOFOM ausgeprägt<br />
ist und demnach die Fragestellungen verankert sind, zeigte<br />
sich vor allem darin, dass das neben ICOFOM Lateinamerika<br />
(ICOFOM LAM) bestehende Sub-Komitee ICOFOM<br />
Siberia, East Asia and the Pacific (ICOFOM SIB&SAP)<br />
ge rade durch die Bezugnahme auf zahlreiche indigene Kulturen<br />
und ethische Fragen bei der Programmgestaltung<br />
ent scheidend mitwirkte. Insofern verhalfen die intensive Vor -<br />
be reitung der Tagung durch ICOFOM SIB&SAP (Präsidentin:<br />
Olga Truevtseva, Russland, Vizepräsidentin: Guoning<br />
Chen, Taiwan, und Hildegard K. Vieregg, <strong>Deutschland</strong>)<br />
der ICOFOM-Tagung 2010 zu einem interdisziplinären<br />
und interkulturellen Akzent im Hinblick auf Sibirien und<br />
Südostasien.<br />
Weltweit hatten Mitglieder von ICOFOM schon vor der<br />
Tagung in schriftlichen Beiträgen für die ICOFOM Study<br />
Series 39 unter dem Gesamtthema „Deaccession and Return<br />
of Cultural Heritage: A New Global Ethics“ ihre Positionen<br />
dargelegt. Wie seit vielen Jahren bildete auch dieser<br />
schon im voraus veröffentlichte Tagungsband eine wichtige<br />
Grundlage für die Veranstaltung.<br />
Schwerpunkte lagen auf den drei Themenbereichen: deaccession<br />
und restitution – ein und dasselbe Problem? Haben<br />
Museen das Recht zu deaccession? Und: Haben Museen<br />
die Pflicht zu restitution? Beson ders hervorheben<br />
möchte ich in diesem Zusammenhang das Impulsreferat von<br />
Bernice Murphy, Australien, zum Thema: „A New Global<br />
Ethics on Deaccessioning and Return of Cultural Heritage“.<br />
Murphy, die sich seit vielen Jahren mit ethischen Fragen<br />
der Museen beschäftigt, betonte insbesondere historische<br />
Bedingungen und den „Wettbewerb“ der Kultu ren, die Unterschiede<br />
zwischen den Auffassungen in „westlichen“ Kulturen<br />
und „asiatischen“ Gesellschaften sowie die Wahrung<br />
ethischer Grundsätze im Museumsmanagement.<br />
Die anschließende Diskussion kam zu dem Ergebnis, dass<br />
sich seit der Verabschiedung des <strong>ICOM</strong> Code of Ethics for<br />
Museums im Jahr 2004 neue Probleme zwischen Gesellschaften<br />
und Museen entwickelt haben. Deshalb solle der<br />
<strong>ICOM</strong> Code of Ethics for Museums weiterhin im Kontext<br />
der Weiterentwicklung der Museen ausgestaltet werden.<br />
Als Vorstandsmitglied von ICOFOM und als Vizepräsidentin<br />
des Sub-Komitees ICOFOM SIB verband ich auch<br />
in meinen eigenen Beiträgen, insbesondere zum Thema<br />
„Contemporary Approaches to Restitution in its Diverse<br />
Contexts“, das von ICOFOM erarbeitete Begriffsvokabular<br />
der Museologie mit Beispielen aus der Museumswelt<br />
und den Ethischen Richtlinien für Museen von <strong>ICOM</strong>.<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Unter den zahlreichen Teilnehmern und Diskutanten waren<br />
auch viele Gäste anderer Komitees, die konstruktive,<br />
weiterführende Impulse einbrachten. Als eine der internationalen<br />
Rapporteure folgte ich den Vorträgen, Statements<br />
und Diskussionen und konnte zum Resümee der Tagung<br />
beitragen.<br />
Außer den Veranstaltungen im Tagungszentrum führte<br />
uns eine eintägige Exkursion zum gleichen Thema ins Zijang<br />
Provincial Museum, das der chinesischen Kulturgeschichte<br />
und den Geisteswissenschaften gewidmet ist.<br />
Gerade durch die internationalen und interkulturellen Ansätze<br />
und Ansichten der europäischen und osteuropäischen,<br />
der lateinamerikanischen, südostasiatischen und insbesondere<br />
chinesischen Museumskollegen, ergaben sich vorzügliche<br />
Dialoge hinsichtlich der Bedeutung des kulturellen<br />
Erbes für die verschiedenen Nationen im Zusammenhang<br />
mit Fragen der Restitution.<br />
Während bei den ICOFOM-Wahlen Ann Davis aus Kanada<br />
als Präsidentin von ICOFOM hervorging, sind nunmehr<br />
neben einer Kollegin aus Sibirien erstmals auch zwei<br />
Kolleginnen aus Taiwan im Vorstand vertreten.<br />
Bei allem „Amtlichen“ möchte ich nicht vergessen, unseren<br />
chinesischen Kollegen aus Zeijang für die großartige<br />
Fahrt auf einem traditionellen chinesischen Boot über den<br />
West Lake, den Besuch im National Silk Museum und die<br />
Einladung zum Dinner zu danken.<br />
Prof. Dr. Hildegard K. Vieregg ist als Lehrbeauftragte an der Hochschule<br />
für Philosophie in München tätig, ihre Arbeitsschwerpunk te<br />
sind Museumsgeschichte und und Museologie. Sie ist Vizepräsidentin<br />
des Sub-Komitees ICOFOM SIB&SAP;<br />
vieregg.hildegard@onlinemv.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Tagungsband: Deaccession and Return of Cultural Heritage: A New<br />
Global Ethics. Hrsg. von ICOFOM. Paris 2010. ICOFOM Study Series –<br />
ISS 39. Download: www.icofom.com.ar/publications.htm<br />
Jahrestagung <strong>2011</strong>: 23. bis 26.10.<strong>2011</strong> in Taipei und Kaohsiung (Taiwan)<br />
Die Exkursion führte auch zum Nationalen chinesischen Seidenmuseum.<br />
Dort verfolgte Suzanne Nash (USA) mit Interesse den komplizierten<br />
Techniken der Seidenweberei.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 49
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
ICR – International Committee for Regional Museums<br />
Museums for Social Harmony<br />
Jahrestagung vom 7. bis 12. November 2010<br />
in Schang hai, China<br />
Otto Lohr<br />
Was können Regionalmuseen zur sozialen Harmonie beitragen?<br />
Diese Frage diskutierten die Teilnehmer des internationalen<br />
Komitees von ICR in Schanghai anlässlich der<br />
Jahrestagung 2010. Impulsreferate und Präsentationen be -<br />
leuchteten das Tagungsthema aus verschiedenen Blickwinkeln.<br />
Heimo Kaindl aus Österreich betonte, dass die Beteiligung<br />
der örtlichen Bevölkerung an den Museen als Orten<br />
regionaler oder lokaler Identität große Bedeutung besitze.<br />
An Beispielen zeigte er auf, wie Museen in religiösen und<br />
ethnischen Spannungsfeldern Beiträge zur sozialen Harmonie<br />
leisten. Chen Jianming erläuterte am Beispiel des Hu nan-<br />
Provinzmuseums den Beitrag der Regionalmuseen in China<br />
zur sozialen Harmonie. Regionalmuseen sind – anders<br />
als Kunstmuseen – stärker an den Bedürfnissen der Region<br />
orientiert. Sie fungieren auch dort als regionale Zentren von<br />
Wissen und Kultur. Ein weiterer Schritt in Richtung sozialer<br />
Harmonie ist die Politik des freien Eintritts und die kostenfreie<br />
Vermittlung, die den Museen einen enormen Besucherzuwachs<br />
gebracht hat. Jane Legget aus Neuseeland<br />
stellte ein interessantes Projekt in der kleinen Ortschaft Riverton<br />
auf der südlichen Insel vor. Der Ort ist seit über<br />
150 Jahren durch ein relativ friedliches Zusammenleben<br />
von Maori und europäischen Siedlern geprägt. Grund dafür<br />
waren die vielen Eheschließungen zwischen den ethnischen<br />
Gruppen. Im Jahr 1950 wurde das erste Museum im<br />
alten Gerichtsgebäude eingerichtet. Wie in vielen Museen<br />
gingen die Besucherzahlen in den letzten Jahren wegen der<br />
mangelnden Attraktivität des Museums deutlich zurück.<br />
Mit einem neuen Besucherzentrum sollte in dem kleinen<br />
Museum alles besser werden. Obwohl die Maoris von Anfang<br />
an in die Planungen eingebunden waren, kam es zu<br />
zahlreichen Kommunikationsproblemen. Professionelle Hilfe<br />
wurde durch das Nationalmuseum und durch Tou rismusini<br />
tiativen geleistet.<br />
Die Reihe der Präsentationen eröffnete Goranka Horjan<br />
aus Kroatien mit ihrem Beitrag dazu, was Regionalmuseen<br />
allgemein zur sozialen Harmonie leisten können: Sie bewahren<br />
die lokale Identität und das kulturelle Wissen als wertvollen<br />
Schatz und bieten großes Potential für regionale<br />
Entwicklung. Sie formen soziale Werte und fördern Toleranz.<br />
Sie verwies auf die immer wieder auftretende Diskrepanz<br />
zwischen Ökonomie und Kultur. Tourismus bringt<br />
zwar Profit, birgt aber auch Gefahren. Dennoch leisten die<br />
Regionalmuseen auch in einem Beitrag zur Bewahrung der<br />
Qualität von sites. Ein Kooperationsprojekt zwischen Slowenien<br />
und Ungarn stellte Metka Fujs aus Slowenien vor.<br />
Beteiligt waren drei Museen mit dem Ziel, wechselseitiges<br />
Lernen zu fördern. Im Rahmen des Projekts wird auch eine<br />
Datenbank des Kulturerbes der Minderheiten in der Region<br />
erarbeitet.<br />
Sheng Jianwu aus China berichtete von einem rollenden<br />
Museum, das in Lastwagen zu den Menschen kommt.<br />
50 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Chinesische Besucher des Hunan-Provinzmuseums in Changsha kleiden<br />
sich in Gewänder der westlichen Han-Dynastie (206 v. Chr.–8 n.<br />
Chr.) und machen sich auf diese besondere Weise mit der Geschichte<br />
der Provinz vertraut.<br />
Es wird zur Verbesserung des kulturellen Angebots in<br />
ländlichen Regionen eingesetzt, hauptsächlich für Soldaten<br />
und Minenarbeiter, aber auch für Schüler. Einen ähnlichen<br />
Ansatz, die Ausstellungen zu den Menschen zu<br />
bringen, zeigte Orit Shamir aus Israel auf. Dort werden<br />
ar chäologische Ausstellungen in Schulen, Hospitälern und<br />
auch Hotels eingerichtet. Der Verfasser stellte zwei Beispiele<br />
aus bayerischen Museen vor: zum einen die Angebote in<br />
jüdischen Museen für die Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen<br />
Sowjetunion, zum anderen ein grenzüberschreitendes<br />
Projekt aus dem bayerischen-tschechischen Grenzgebiet<br />
im Landkreis Cham, in dem durch Austausch von<br />
Fachwissen und Fachleuten Vorurteile im interkulturellen<br />
Dialog abgebaut werden sollen.<br />
Linda Mboya aus Kenia beeindruckte die Zuhörer mit<br />
dem Ausstellungsprojekt „Das brennende Kenia – niemals<br />
vergessen, niemals wieder“. Fotografien zeigen die schrecklichen<br />
Ereignisse des Jahres 2008. Museen in allen Teilen<br />
des Landes haben eine Rolle im nationalen Heilungsprozess<br />
übernommen. Mit besonders geschulten Experten konnte<br />
ein Vermittlungsprogramm gestartet werden, um die zum<br />
Teil heftigen Emotionen der Besucher beim Betrachten der<br />
Gräuelbilder zu begleiten. Sie unterstrich die Bedeutung von<br />
Kulturfestivals, die, z. B. mit Tänzen, dazu beitragen, die<br />
Bräuche und Sitten anderer Stämme zu verstehen.<br />
An der von Huang Lei vom Hunan-Provinzmuseum und<br />
seinem Team hervorragend organisierten Jahrestagung im<br />
Rahmen der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz 2010 nahmen Museumsfachleute<br />
aus siebzehn Ländern teil.<br />
Dr. Otto Lohr, Vorstandsmitglied von ICR, arbeitet in der Landesstelle<br />
für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, München, dort ist er verantwortlich<br />
für die kunst- und kulturhistorischen Museen in Mittelfranken<br />
und der Oberpfalz sowie für die jüdischen Museen;<br />
otto.lohr@blfd.bayern.de<br />
Weitere Informationen:<br />
www.icr-icom.org<br />
Die Jahrestagung <strong>2011</strong> wird vom 22. bis 28. August <strong>2011</strong> in Kristiansand,<br />
Norwegen, stattfinden; Tagungsthema: Changing Tastes – Local<br />
Gastronomy and Regional Museums.
ICTOP – International Committee for the Training of<br />
Personnel<br />
Different Approaches and<br />
New Challenges for the Training of<br />
Museum Professionals<br />
Jahrestagung vom 8. bis 10. November 2010<br />
in Schang hai, China<br />
Angelika Ruge<br />
Die Vorbereitungen und die Organisation der Jahrestagung<br />
von ICTOP während der Generalkonferenz in Schanghai<br />
waren aufwendiger und schwieriger als jede andere Tagung<br />
während meiner Präsidentschaft von 2004 bis 2010. Es war<br />
umso erfreulicher, dass ICTOP einige Mitglieder begrüßen<br />
konnte, die schon lange nicht mehr an einer Jahrestagung<br />
teilgenommen hatten. Hierzu trugen die großzügig Reisestipendien<br />
von <strong>ICOM</strong> bei.<br />
Hatten wir zu Beginn kurzfristige Absagen von zwei prominenten<br />
Vertretern aus Peking und Brasilia zu bedauern,<br />
so war der Vortrag von Jiansong LU von der Fudan-Univer-<br />
Fudan-Universität<br />
in Schanghai zum Thema „Medium and Long Term<br />
Development. Planning for Museums in China“ eine be- besondere<br />
Ehre für uns. Professor LU hat ein neues Planungskonzept<br />
für chinesische Museen vorgestellt. Im Prinzip geht<br />
es um eine Modernisierung des besucherfreundlichen Museums.<br />
Der Service soll ausgebaut, die Vermittlungsarbeit<br />
verstärkt und die Gebäude und damit auch die Ausstellungsflächen<br />
sollen erneuert und vergrößert werden. Wie auch aus<br />
Gesprächen zu erfahren war, hat Professor LU eine Gruppe<br />
von jüngeren Doktorandinnen um sich geschart, die<br />
sich mit den vielfältigen Aspekten einer zeitgemäßen Museumsorganisation<br />
im Sinne der Besucherorientierung beschäftigen.<br />
Diese haben häufig die Möglichkeit, durch Forschungsaufenthalte<br />
in den USA ihr Wissen zu ergänzen. So<br />
aufschlussreich der Beitrag war, so interessant ist die Tatsache,<br />
welche Schwierigkeiten die Übersetzung englischer<br />
Fachausdrücke in die chinesische Sprache bedeuten.<br />
Eine zweite Gastrednerin war Deirdre Prins-Solani, Direktorin<br />
des Center for Heritage Development in Africa in<br />
Mombasa, Kenia. Unter dem Titel „Conservation of Design“<br />
stellte sie ein Projekt vor, durch das traditionelles<br />
Design in Theorie und Praxis gefördert werden soll. Dies<br />
ist nicht unbedingt ein neuer Ansatz für die Museen in den<br />
Ländern der Dritten Welt, jedoch verspricht sich das Center<br />
for Heritage Development davon eine Belebung der Museen,<br />
die gleichzeitig durch die Herstellung traditioneller Produkte<br />
einen Beitrag zu ihrer Finanzierung leisten sollen.<br />
Am zweiten und dritten Sitzungstag wurden eine Vielfalt<br />
von neuen Projekten vorgestellt, die zeigen, wie auf dem<br />
Gebiet der Professionalisierung der Museumsarbeit durch<br />
Aus- und Weiterbildung, z. B. in Brasilien, große Anstrengungen<br />
unternommen werden. Es gibt heute in sechzehn<br />
Universitäten des Landes staatlich anerkannte Studiengänge<br />
für Museologen. Darin drückt sich der Wille der brasilianischen<br />
Regierung aus, der Museumsarbeit in politischer<br />
und sozialer Hinsicht einen hohen Stellenwert beizumessen.<br />
Ganz anders sieht dies in Ländern wie Uruguay, Georgien<br />
und der Ukraine aus. Von dort gab es Hilferufe zur Un-<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
terstützung der Aus- und Weiterbildung. Kolleginnen aus<br />
Lettland und Slowenien konnten mit ihren Erfahrungen<br />
nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft gleich konkrete<br />
Hilfe anbieten.<br />
Aus den USA und Kanada kamen Berichte aus unterschiedlichen<br />
Bereichen, die verdeutlichten, wie sehr die museum<br />
studies sich zu heritage studies erweitern. Hier liegt<br />
auch für die zukünftige Entwicklung von ICTOP eine interessante<br />
Herausforderung.<br />
Meinen Bericht über eine Arbeitstagung zu zum Thema<br />
E-Learning als Instrument für die Weiterbildung des Museumspersonals<br />
wurde durch den Vortrag von Michael Schumann,<br />
Berlin, „Augmenting Learning: E-Training Museum<br />
Staff in Online 3D Environments“, bestens ergänzt. Diesem<br />
lag ein Projekt in der Gemäldegalerie Dresden zugrunde.<br />
Wie so häufig auf diesen Jahrestagungen war die Zeit zu<br />
kurz, um sich ausführlicher mit diesen neuen Fragen zu beschäftigen.<br />
Ferner möchte ich zwei Treffen erwähnen: Zum zweiten<br />
Mal fanden Die Alma-S.-Wittlin-und-Stephen-E.-Weil-Memorial-Lectures<br />
statt, die gemeinsam von CECA, INTER-<br />
COM, ICEE und ICTOP ausgerichtet werden. Lynda Kelly,<br />
Australia, sprach über „The Museum Without Walls: How<br />
Web 2.0 Is Changing the Nature of Museum Work“ und<br />
David Fleming, England, über „Museums as Campaigners<br />
for Social Justice“.<br />
ICTOP hat einen field day mit der Unterstützung von<br />
Professor LU in das Postal Office Museum in Schanghai<br />
organisiert. Dieses Museum erzählt die Geschichte der Post<br />
in China. Die Geschichte des chinesischen Postwesens im<br />
20. Jahrhundert ist auch eine Vorgeschichte der Revolution<br />
von 1948. Nach seiner Darstellung waren die Postangestellten<br />
die besten Kuriere für die Verbreitung der revolutionären<br />
Ideen im Land. Wie in allen Museen bleibt die Zeit<br />
der Kulturrevolution dabei weitgehend ausgespart.<br />
ICTOP erhielt mit dem Treffen in Schanghai eine neue<br />
Präsidentin, Lynne Teather aus Toronto, Kanada, und einen<br />
neuen Vorstand. Als past president werde ich weiterhin<br />
die Arbeit dieses Komitees begleiten.<br />
Dr. Angelika Ruge war von 1993 bis 2007 als Professorin für Museumskunde<br />
an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin<br />
tätig und fungierte von 2004 bis 2010 als Präsidentin von ICTOP;<br />
angelika.ruge@online.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 51
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
MPR – International Committee for Marketing and<br />
Public Relations<br />
Kommunikation und neues Publikum<br />
Tagung vom 8. bis 10. November 2010 in Schanghai,<br />
China<br />
Wolfgang Stäbler<br />
Im Rahmen der 22. Generalversammlung von <strong>ICOM</strong> trafen<br />
sich zahlreiche MPR-Kollegen, um das Thema „Communication<br />
and New Audiences“ zu diskutieren. Erfreulicherweise<br />
war der Zuspruch so groß, dass wir am zweiten<br />
Tag ein größeres „Quartier“ suchen mussten.<br />
Yan Hongbin, Vorsitzender von MPR China, und Paal<br />
Mork, Präsident des MPR, begrüßten die Teilnehmer. Dabei<br />
erfuhren wir, dass es zurzeit in China 1.800 Museen<br />
gibt – Tendenz stark steigend – die jährlich etwa fünfzehn<br />
Millionen Besuche verzeichnen können. Mork berichtete aus<br />
seinem Tätigkeitsfeld in Norwegen, dass als zentrale Frage<br />
angesehen werde, wie man die Museen für alle Gruppen<br />
der Gesellschaft öffnen könne.<br />
Den Einstieg ins Vortragsprogramm übernahmen Vertreter<br />
des universitären Bereichs. Huang Kuang-nan, Präsident<br />
der Taiwan University of Arts, forderte, in den Museen<br />
die „Blue Ocean Strategy“ – ein Begriff aus der Wirtschaft<br />
zur Schaffung neuer Nachfrage und Märkte – einzuführen<br />
und interdisziplinäre Allianzen zu schmieden. Die Museen<br />
müssten kreativ arbeiten, Mittel einwerben und sie dann<br />
im Sinne dieser strategischen Vorgabe einsetzen. Besonders<br />
mit Besuchern der jungen Generation befasste sich Indrani<br />
Bhattacharya von der Universität Kalkutta. Sie betonte am<br />
indischen Beispiel, wie wichtig es sei, jungen, wissensdurstigen<br />
Besucherschichten die Möglichkeit zu eröffnen, die Kultur,<br />
an der sie teilhaben wollen, auch mitzubestimmen.<br />
Eine empirische Studie des Center for Corporate Communication<br />
und des Center for Museologie an der Universität<br />
Aarhus, Dänemark, stellte Anna Karina Kjeldsen vor. Dabei<br />
wurden die 220 dänischen Museen dazu befragt, ob<br />
sie strategisch kommunizieren. Die Auswertung der Antworten<br />
(Rücklauf 56 Prozent) ergab, dass für die Museen<br />
Kommunikation zumeist nach wie vor in Form einer Einbahnstraße<br />
– Ausgabe von Informationen, kaum der Wille<br />
zum Dialog – stattfindet. Interessanterweise geben sich<br />
Kunstmuseen kommunikationsfreudiger und stärker auf<br />
Wirkung bedacht als kulturgeschichtliche Museen.<br />
Eine niederländische Studie, die sich mit den Gründen<br />
für wiederholte Museumsbesuche befasst, stellte Jan Sas,<br />
Reinward-Institut Amsterdam vor. Dabei wurde deutlich,<br />
dass sich die Hauptgründe für die Besuchsentscheidung bei<br />
Einmal- und Mehrfachbesuchern nicht wesentlich unterscheiden.<br />
Sas arbeitete 14 P’s der Besuchermotivation heraus,<br />
von product bis progression, also dem Fortschritt bei<br />
Umgestaltungen. Über das branding des Technischen Museums<br />
in Stockholm, das nach einer Neugestaltung von<br />
2005 bis 2009 seine Besucherzahl auf 318.000 fast verdoppeln<br />
konnte, berichtete Ulrika Forsberg. Passend dazu<br />
stellte Anne-Marie Delga vom Palais de la decouverte un<br />
lieu universcience die Arbeit dieser französischen Institution<br />
mit ihren jährlich 3,5 Millionen Besuchern vor. Als<br />
ein Beispiel präsentierte sie eine interaktive Ausstellung,<br />
52 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
die Technik, Kunst und elektronische Musik zusammenführt<br />
und damit neue Besucherschichten anspricht.<br />
An einer vergleichenden Studie zwischen Museen in Ungarn,<br />
Tschechien, Polen und der Slowakei arbeitet Katarzyna<br />
Jagodzinska vom Internationalen Kulturzentrum<br />
Kra kau, Polen. Sie hat vor allem die Internet-Auftritte von<br />
Kunstmuseen und Aktivitäten in sozialen Netzwerken im<br />
Focus. Die Besucherorientierung der Museen stand bei<br />
den Ausführungen von Tsz Man, Macao, im Mittelpunkt<br />
der Aus führungen, während Damon Monzavi vom Edelsteinmuseum<br />
in Teheran Zukunftsvisionen entwarf, wie<br />
man über elektronische Bücher und Applikationen für das<br />
Mobiltelefon die Pendler der Stadt, die täglich stundenlang<br />
im Stau stehen, für die Museen interessieren könnte. Der<br />
Berichterstatter stellte hingegen eine ortsfeste Einrichtung,<br />
den Infopoint Museen & Schlösser in Bayern in München,<br />
als multifunktionalen Ort für Museen und ihre Besucher<br />
(Informationsquelle für Touristen und Einheimische, Kommunikations-<br />
und Werbeplattform für Museen, Veranstaltungsraum)<br />
vor. Eine Übersicht aller Vortragsthemen ist<br />
unter http://mpr.icom.museum abrufbar.<br />
Bei der Neuwahl des Vorstandes blieb das Amt des Präsidenten<br />
in skandinavischer Hand: Mit Marjo Riita Saloniemi<br />
folgt eine Finnin dem Norweger Paal Mork nach.<br />
Vizepräsidentin ist nun Romina Mancuso aus Italien. Die<br />
das Treffen abschließende Exkursion in die historische<br />
Stadt Zhouzhouang und die Yuyuan-Gärten in Schanghai<br />
bot die willkommene Gelegenheit, die Gespräche und Diskussionen<br />
fortzuführen. Ein Dank den Gastgebern von MPR<br />
China für die gute Organisation und die überaus herzliche<br />
Aufnahme!<br />
Dr. Wolfgang Stäbler verantwortet in der Landesstelle für die nichtstaatlichen<br />
Museen in Bayern den Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Tagungen,<br />
Fortbildungen, zeitgeschichtliche Museen und Vertriebenenmuseen;<br />
wolfgang.staebler@blfd.bayern.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
www.mpr.icom.museum<br />
Die MPR-Jahrestagung <strong>2011</strong> wird vom 17. bis 20. September <strong>2011</strong> in<br />
Brno, Tschechische Republik, zu dem Thema „Measuring (and Promoting)<br />
Museum Success“ statt.<br />
Mitglieder des Komitees MPR im Hof eines Palastes der Yuyuan-Gärten<br />
in Schanghai
NATHIST – International Committee for Museums and<br />
Collections of Natural History<br />
Biodiversity and Climate Change –<br />
A Multicultural Approach<br />
Jahrestagung vom 8. bis 11. November 2010<br />
in Schang hai, China<br />
Ulrike Stottrop<br />
Die <strong>ICOM</strong>-Tagung in Schanghai war in vielfacher Hinsicht<br />
beeindruckend: Zuallererst die Stadt selbst mit ihrer<br />
Museumslandschaft – eine Megacity mit Megamuseen, zu<br />
denen mit 15.000 Besuchern täglich auch das Science and<br />
Technology Museum zählt, in dem das NAT HIST-Treffen<br />
stattfand. Das über 60.000 qm große Haus mit mehr als<br />
300 Mitarbeitern ist eine Mischung aus Science Center europäischer<br />
Prägung und Naturkundemuseum mit offenen<br />
Dioramen, Aquarien, beweglichen Tiermodellen und modernen<br />
Medienstationen. Offenkundig war es der Anspruch,<br />
sich als Top-Einrichtung zu präsentieren: keine Station,<br />
die nicht funktionierte, kein Spotlight, das nicht brannte,<br />
eine neue Ausstellung, die über Nacht aufgebaut wurde,<br />
zahl reiche Reinigungskräfte, die das imposante Gebäude<br />
aus Glas und Marmor permanent in einem überaus ordentlichen<br />
Zustand hielten.<br />
Ein neues Naturkundemuseum ähnlicher Größe ist in<br />
Planung und soll in diesem Jahr eröffnen. Auf der <strong>ICOM</strong>-<br />
Tagung 2007 in Wien waren bereits erste Konzeptideen präsentiert<br />
worden, das Haus – so damals – sollte an den Lehren<br />
des Konfuzius ausgerichtet sein, dem es darum ging, mit<br />
der Natur zu harmonieren, und nicht, sie zu beherrschen.<br />
Welch ein Ansatz, die über Jahrhunderte verbreitete chinesische<br />
Naturphilosophie in einem modernen Naturkundemuseum<br />
zu berücksichtigen! In der Geschichte der Naturkundemuseen<br />
wäre dies ein Novum gewesen. Wäre – denn<br />
in dem von Wang Xiaoming, dem Direktor des Shanghai<br />
Science and Technology Museum, vorgestellten, gleichwohl<br />
vielversprechenden Konzept des neuen Naturkundemuseums<br />
war davon keine Rede mehr. Rund zweihundert internationale<br />
Museumsfachleute waren, so Wang Xiaoming,<br />
in den letzten Jahren konsultiert worden, 2009 ein ausgewählter<br />
Kreis führender Museumsdirektoren, was im Ergeb<br />
nis dazu geführt hat, dass sich das neue Haus thematisch<br />
an den großen amerikanischen und europäischen<br />
Na turkundemuseen orientieren wird und sich darüber hinaus<br />
der allerneuesten Präsentationstechnologie und -ästhetik<br />
bedienen wird (Vortrag Ji Yani, Shanghai Science and<br />
Technology Museum: The Enlightment from the Exhibitions<br />
of EXPO 2010). Inwiefern die von Jin Xingbao, Shanghai<br />
Science and Technology Museum, in ihrem Vortrag „Museum,<br />
a Civic Place for Self-Learning by Trustworthy<br />
Information“ formulierte Auffassung, dass natur wis senschaft<br />
liche Museen in ihren Ausstellungen und Vermittlungs<br />
programmen sammlungsbezogene Forschung kommunizieren<br />
müssen, im neuen Museum realisiert wird, bleibt<br />
abzuwarten. Überraschend für mich war die Tatsache, dass<br />
es im Science and Technology Museum keinen einzigen<br />
forschenden Naturwissenschaftler gibt und auch die Sammlung<br />
im Vergleich zu beispielsweise den großen deutschen<br />
INTERNATIONALE KOMITEES<br />
Zu den gigantischen Museumsbauten Chinas zählt auch das Science<br />
and Technology Center in Schanghai, in dem NATHIST seine Jahrestagung<br />
2010 abgehalten hat.<br />
naturwissenschaftlichen Forschungsmuseen nur sehr klein<br />
ist.<br />
Ein Schwerpunktthema des Treffens von NAT HIST war<br />
„Biodiversity and Climate Change – a Multicultural Approach“.<br />
Kurzfassungen aller Vorträge sind auf unserer<br />
Internetseite unter der Rubrik „annual meetings“ nachzulesen,<br />
da allein ein Überblick über die Vorträge den Rahmen<br />
dieses Berichts sprengen würde. Herausragend fand<br />
ich den Vortrag von Volker Moosbrugger, Generaldirektor<br />
der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt<br />
(Natural History Museums and the Rio 2012 Project),<br />
weil er es zum einen exzellent versteht, die globalen Umweltprobleme<br />
und die Notwendigkeit einer gemeinsamen<br />
Herangehensweise zu kommunizieren und zum anderen<br />
die Bedeutung und Ergebnisse der UN-Konferenz 1992 in<br />
Rio, des Johannisburg-Gipfels 2002 (World Summit on<br />
Sustainable Development), der COP 10 Konferenz 2010 in<br />
Nagoya, Japan (Convention on Biological Diversity) und<br />
der Konferenz in Rio de Janeiro 2012 zusammenfassend<br />
darzustellen.<br />
Gemeinsam mit Eric Dorfman, Neuseeland, in Schanghai<br />
neu gewählter Vizepräsident von NATHIST, leitete er den<br />
Workshop zum Thema Natural History Museums Initiative<br />
on Climate Change and Sustainable Development and<br />
Biodiversity, der die „Shanghai Declaration“ der Fachgruppe<br />
für die Rio-2012-Plattform zum Ergebnis hatte.<br />
Ich danke den chinesischen Kolleginnen und Kollegen<br />
für die Ausrichtung der Tagung und für die Gastfreundschaft<br />
und Freundlichkeit, mit der wir empfangen wurden.<br />
Ulrike Stottrop leitet in der Stiftung Ruhr Museum den Fachbereich<br />
Wissenschaft und Sammlungen, ferner die Abteilung Geologie/Naturwissenschaften<br />
und das Mineralien-Museum. Von 2004 bis 2010<br />
war sie Schatzmeisterin von NATHIST;<br />
ulrike.stottrop@ruhrmuseum.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Kurzfassungen der Vorträge: http://nathist.icom.museum<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 53
UMSCHAU<br />
Hamburg: Museen in Gefahr<br />
Der CDU-geführte Hamburger Senat wollte das Altonaer Museum schließen, der<br />
neugewählte Erste Bürgermeister, Olaf Scholz, sprach sich für die Erhaltung des Altonaer<br />
Museums aus. Auch Barabara Kisseler, die neue Kultursenatorin, „traut dem<br />
Haus eine Zukunft zu“.<br />
Vanessa Hirsch<br />
Als eines der ersten deutschen Bundesländer<br />
hat die Freie und Hansestadt<br />
Hamburg Ende 2010 bei ihren Kürzungsvorgaben<br />
zur Konsolidierung der<br />
öffentlichen Haushalte den Kulturbereich<br />
bewusst mit einbezogen. Im Zu ge<br />
eines verantwortlichen Wirtschaftens<br />
könne es nach Meinung des Senates<br />
keine Bestandsgarantie für die staat lichen<br />
Museen der Hansestadt mehr geben.<br />
Insbesondere die museale Dar stellung<br />
der Hamburger Geschichte müsse<br />
an den zehn Standorten der Stif tung<br />
His torische Museen Hamburg (SHMH)<br />
ohne teure Dopplungen geleistet werden.<br />
Die 2008 gegründete Stiftung<br />
54 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
um fasst mit dem Altonaer Mu seum,<br />
dem Helms-Museum, dem Museum<br />
der Arbeit und dem Museum für Hambur<br />
gi sche Geschichte vier vor mals<br />
selb stän dige Haupthäuser und deren<br />
Außenstellen Bergedorfer Schloss, Hafen<br />
museum, Jenisch Haus, Kramerwitwenwohnungen,<br />
Rieck Haus und<br />
Speicherstadtmuseum.<br />
Am 22. September 2010 verkündete<br />
der Hamburger Senat, das Altonaer<br />
Museum werde „als Teil der Zusammenführung<br />
der historischen Museen<br />
in <strong>2011</strong> geschlossen“. Außerdem sollten<br />
die Hamburger Öffentlichen Bücher<br />
hallen eine Etatkürzung von 1,5<br />
Foto Henning Homann<br />
Millionen Euro, und das Deutsche<br />
Schau spielhaus eine Reduzierung des<br />
Jahresetats von 1,2 Millionen Euro hinnehmen.<br />
Dies sei der Beitrag der Kultur<br />
zu einem Sparpaket, das der Hansestadt<br />
eine jährliche Ausgabenentlastung<br />
von 500 Millionen Euro bescheren<br />
solle.<br />
Das Altonaer Museum befasst sich<br />
als eines der größten deutschen Regionalmuseen<br />
entgegen der Behauptung<br />
des Hamburger Senats weniger mit<br />
Ham burgischer Stadtgeschichte als vielmehr<br />
mit der Kunst- und Kulturgeschichte<br />
Norddeutschlands. Die 2006<br />
eröffnete interaktive Kinderabteilung
des Museums wurde im September<br />
2010 für ihre herausragende Kinder-<br />
und Jugendarbeit ausgezeichnet. Darüber<br />
hinaus hat sich das Museum bereits<br />
seit 2005 auf den Weg zu einer<br />
konzeptuellen und baulichen Erneuerung<br />
gemacht. Im November 2009<br />
konnte der aufwendige Umbau des Eingangsbereiches<br />
abgeschlossen wer den,<br />
ein Projekt, das ein Jahr später als eines<br />
von fünf Hamburger Bauwerken des<br />
Jahres 2010 ausgezeichnet wurde. Vor<br />
diesem Hintergrund mussten die Schließungspläne<br />
auf die Öffentlichkeit geradezu<br />
absurd wirken.<br />
Während der folgenden Wochen rollte<br />
eine Welle des Kulturprotests durch<br />
die Hansestadt. Die betroffenen Kultureinrichtungen<br />
rüttelten die Öffentlichkeit<br />
mit einer Vielzahl gemeinsa mer<br />
Veranstaltungen auf, tausende von Bürgern<br />
gingen gegen das Kürzungspaket<br />
auf die Straße. Auch in den überregionalen<br />
Medien wurde die ange kün digte<br />
Museumsschließung breit beachtet.<br />
Fachverbände wie der International<br />
Council of Museums (<strong>ICOM</strong>) und der<br />
Deutsche Museumsbund (DMB) protestierten.<br />
Altkanzler Helmut Schmidt<br />
sprach sich für den Erhalt des Altonaer<br />
Museums aus. Es gründete sich eine<br />
Bürgerinitiative für den Erhalt des Altonaer<br />
Museums und in weniger als<br />
vier Wochen wurden über 50.000 Unterschriften<br />
für den Erhalt des Museums<br />
gesammelt – am 18. November<br />
2010 konnten dem Präsidenten der<br />
Foto Elke Schneider<br />
Bür gerschaft 80.000 Unterschriften<br />
übergeben werden. Der Erste Bürgermeister<br />
Christoph Ahlhaus (CDU)<br />
lud für den 27. Oktober 2010 Vertreter<br />
der von den Kürzungen betroffenen<br />
Kultureinrichtungen zu einem Kulturgipfel<br />
ein.<br />
Das Treffen endete mit dem Beschluss,<br />
die Schließung des Altonaer<br />
Museums vorerst auszusetzen. Bis<br />
April <strong>2011</strong> sollte die Vorsitzende der<br />
Stiftung Historische Museen Hamburg<br />
ein Konzept zur Neuorganisation der<br />
Gesamtstiftung erarbeiten. Das Altonaer<br />
Museum solle in reduzierter Form<br />
(es wurde z. B. die Vermietung von<br />
Aus stellungsflächen angeregt) am jetzigen<br />
Standort weiter betrieben werden.<br />
Die Erbringung des von der Stiftung<br />
Historische Museen Hamburg<br />
(SHMH) zu leistenden Sparbeitrags sei<br />
über einen Zeitraum von mehreren<br />
Jah ren zu strecken, bis die Zuwendung<br />
im Jahr 2014 dauerhaft um 3,5 Millionen<br />
Euro verringert sei. Konkret<br />
liegen die Kürzungen, ausgehend von<br />
der Zuwendungssumme der Stiftung<br />
Historische Museen Hamburg aus dem<br />
Jahr 2010 (11,5 Millionen Euro), bei<br />
0,5 Millionen Euro im Jahr <strong>2011</strong>, bei<br />
1,5 Millionen Euro im Jahr 2012, bei<br />
2,5 Millionen Euro im Jahr 2013 und<br />
schließlich bei 3,5 Millionen Euro im<br />
Jahr 2014. Das entspricht dem Jahresetat<br />
des Altonaer Museums (Stand<br />
2010). Konkret bedeutet dies, dass mit<br />
einem um dreißig Prozent verringer-<br />
UMSCHAU<br />
Mit Protestaktionen wie dem Solidaritätstag<br />
des Altonaer Museums am 3. Oktober 2010<br />
und der Demonstration der Bürgerinitiative<br />
für das Altonaer Museum am 23. Oktober<br />
2010 (Foto links) bekräftigten zahlreiche<br />
Unterstützer ihr Engagement für den Erhalt<br />
des Museums.<br />
ten Etat nicht alle der zehn Standorte<br />
weiter betrieben werden könnten. Die<br />
Entscheidung darüber, welche Standorte<br />
wann geschlossen werden müssen,<br />
sollte somit bei den Betroffenen<br />
selbst liegen: Ein bitterer Etappensieg.<br />
Seit dem Scheitern der Regierungskoalition<br />
aus CDU und Grünen im<br />
November <strong>2011</strong> stehen die Zeichen auf<br />
Neuausrichtung. Der Erste Bür germeis<br />
ter der Hansestadt, Olaf Scholz,<br />
jedenfalls hat eine Rücknahme der Kürzungsbeschlüsse<br />
in Aussicht gestellt<br />
und seine Kultursenatorin Barbara<br />
Kisseler hat den Wunsch, das Altonaer<br />
Museum zu erhalten, in mehreren<br />
Interviews bereits bekräftigt.<br />
Dr. Vanessa Hirsch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
des Altonaer Museums für Kunst<br />
und Kulturgeschichte;<br />
vanessa.hirsch@altonaermuseum.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
Altonaer Museum:<br />
www.altonaermuseum.de<br />
Bürgerinitiative „Altonaer Museum bleibt!“:<br />
www.altonaermuseumbleibt.de<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 55
UMSCHAU<br />
Leben im hohen Norden<br />
Der heutige Alltag der Zirkumpolar-Völker wird von dem Verlust der kulturellen Identität<br />
geprägt. Das Projekt „Cir cumpolar Civilization in the World Museums: Yesterday,<br />
Today, Tomorrow“ hat zum Ziel, Kulturobjekte in den Museen der Welt zu sichern, um<br />
das kulturelle Erbe für künftige Generationen „wiederbeleben“ und die spirituellen<br />
Traditionen in das moderne Leben der Zirkumpolar-Bevölkerung integrieren zu können.<br />
Siegmar Nahser<br />
Die Seitenteile der Rentiertrense aus<br />
Mammutknochen waren Ende des 19.<br />
Jahrhunderts in Nord-Jakutien im Gebrauch.<br />
The short-term goal of the international<br />
project is the consolidation of world community<br />
efforts for collecting, processing<br />
and preserving exhibits and collections on<br />
the cultural heritage of the Arctic peoples,<br />
which are stored in world museums.<br />
The long-term goal of the international<br />
project is the promotion of knowledge about<br />
the cultural diversity and an integral outlook<br />
on the cultural heritage of the circumpolar<br />
zone peoples, who have at present lost their<br />
own cultural originality and self-identification.<br />
This project is aimed at “reviving” this<br />
unique cultural heritage for the contemporary<br />
and future generations of the circumpolar<br />
world peoples. This will result in<br />
the integration of ancient knowledge and<br />
specimens of their spiritual culture in the<br />
modern life of these peoples.<br />
Aus der Projektbeschreibung „Circumpolar<br />
Civilization in the World Museums: Yesterday,<br />
Today, Tomorrow, 2009–1012“.<br />
56 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
Am Rande der 22. <strong>ICOM</strong>-Generalkon<br />
ferenz in Schanghai traten am 9.<br />
No vember 2010 zahlreiche Projektbeteiligte<br />
zu einem Arbeitstreffen zusammen.<br />
<strong>ICOM</strong> Russland und die<br />
UNESCO-Gruppe der Republik Sacha,<br />
auch Jakutien genannt, hatten zur zweiten<br />
Tagung des Komitees nach Konstituierung<br />
während der gleichnamigen<br />
Tagung in Jakutsk im August 2009<br />
eingeladen. Die UNESCO-Sektion<br />
Russland und <strong>ICOM</strong> Russland hatten<br />
sich seit 2005 um das Projekt vorbereitend<br />
gekümmert, um es in finanziel le<br />
und museologisch untermauerte, feste<br />
Bahnen zu lenken. Die erste Tagung in<br />
Jakutsk im August 2009 bot Gelegenheit,<br />
Aspekte weltweit verstreuter Museumssammlungen<br />
zur Kultur der Jakuten,<br />
Jukagiren und Samagiren zu<br />
diskutieren. <strong>ICOM</strong> Russland stellte<br />
dabei einen exzellenten, russisch- und<br />
englischsprachigen Auswahlkatalog<br />
vor (Circumpolar Civilization in the<br />
World Museums: Yesterday, Today,<br />
Tomorrow.). Zur Beförderung dieses,<br />
auf weitere Museen außerhalb Jakutiens<br />
ausgerichteten Projekts wurde in<br />
Jakutsk ein koordinierendes Komitee,<br />
das sogenannte International Committee<br />
on a volontary basis, gebildet,<br />
das sich am Rande der <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
in Schanghai zur zweiten<br />
Besprechung traf.<br />
Die Tagung in Schanghai festigte die<br />
Kooperation und Zuarbeit für weitere<br />
entsprechende Kataloge, fortführend<br />
mit einem aus deutschen Sammlungen.<br />
Es beteiligten sich bislang das Museum<br />
für Völkerkunde Leipzig (Marita<br />
Ando), das Lindenmuseum Stuttgart<br />
(Sonja Schierle) und das Ethnologische<br />
Museum der Staatlichen Museen zu<br />
Berlin (Siegmar Nahser). Die Publikation<br />
wird dreisprachig und ebenfalls<br />
als Auswahlkatalog angelegt sein. Die<br />
Finanzierung erfolgt zu etwa achtzig<br />
Prozent durch die UNESCO. Die Mi-<br />
tglieder der Arbeitsgruppe diskutierten<br />
erneut kontrovers das über die Kulturen<br />
der in Jakutien lebenden Ethnien<br />
hinausgehende Grundthema. Mitteleuropäische<br />
Teilnehmer (Leif Pareli,<br />
Siegmar Nahser) verlangten erneut eine<br />
Einbeziehung von Sammlungen aus<br />
Dänemark, besonders Grönlands, und<br />
aus den USA, insbesondere Alaskas.<br />
Die Initiatoren konnten ihr Bemühen<br />
nachweisen, weitere Sammlungsleiter<br />
und Kuratoren für dieses Projekt gewonnen<br />
zu haben. Zusagen zur weiteren<br />
Beteiligung lagen aus Frankreich<br />
(Guille Pacaud, Autun) und den USA<br />
(James Pepper Henry, Anchorage) vor.<br />
Die nächste Sitzung des Komitees<br />
wird für den Herbst <strong>2011</strong> im Nationalmuseum<br />
der Republik Tatarstan in<br />
Kasan ins Auge gefasst.<br />
Teilnehmer: Gulchachak R. Nazipova<br />
(Kasan, Republik Tatarstan), A.<br />
Borisovna (<strong>ICOM</strong> Russland), Elizabeta<br />
A. Sidorova, Ulyana A. Vinokurova,<br />
Agafija E. Zakharova, Yegor S.<br />
Shishigin (alle vier Jakutsk), Siegmar<br />
Nahser (Berlin), Feodosiya V. Gabysheva<br />
(Republik Sacha/Russische Föderation),<br />
Leif Pareli (<strong>ICOM</strong> Norwegen),<br />
Knut Wik (Advisory Committee<br />
von <strong>ICOM</strong>), Vladimir I. Tolstoi (<strong>ICOM</strong><br />
Rußland).<br />
Dr. Siegmar Nahser ist als Oberkustos am<br />
Eth nologischen Museum, Staatliche Museen<br />
zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, tätig. Er<br />
leitet die Sammlung Ost- und Nordasien;<br />
s.nahser@smb.spk-berlin.de.<br />
Weitere Informationen:<br />
http://arcticmuseum.com<br />
Literatur:<br />
Shishigin, Y. (Ed): Circumpolar Civilization in<br />
the World Museums: Yesterday, Today, Tomorrow.<br />
Museums of the Republic of Sakha<br />
(Yakutia) – Catalogue, Yakutsk 2009.
Museumsdepots und Depoteinrichtung<br />
Die Tagung fand am 4. und 5. März <strong>2011</strong> im ATRIUM,<br />
dem Zentrum Alter Kulturen, innerhalb des Archäologischen<br />
Museums Innsbruck, statt. Selbst die Organisatoren<br />
waren überrascht über die große Zahl von ca. 140 Teilnehmern,<br />
die mitunter von weit her angereist waren. Dies<br />
zeigte deutlich, dass Magazine und Depots, die in Museum<br />
eher ein Schattendasein fristen und im schlimmsten<br />
Fall als Entsorgungsraum dienen, im Blickpunkt des allgemeinen<br />
Interesses stehen. Die Problematik hinsichtlich einer<br />
adäquaten Aufbewahrung von Kunst- und Kulturgut<br />
wurde erstmals 1976 im Rahmen einer Tagung in Washington<br />
D.C., organisiert von der UNESCO, öffentlich diskutiert<br />
und ist heute aktueller denn je.<br />
Als herausragende Beiträge seien hier der Vortrag von<br />
Joachim Huber und Karl Reuter über den Bau und die<br />
Einrichtung des neuen Zentraldepots des Kunsthistorischen<br />
Museums in Wien genannt, so wie der Vortrag von Maruchi<br />
Yoshida und Lars Klemm, die sich mit der Projektentwicklung<br />
von Depotneubauten auseinander gesetzt haben.<br />
Beide Vorträge zeichneten sich dadurch aus, dass Depoträume<br />
nicht als repräsentative Bauten, sondern als funktio<br />
nelle Gebäude betrachtet wurden, deren Bau und Einrichtung<br />
einer guten Vorbereitung und Strukturierung<br />
bedürfen. Überdies zeigte sich im Fall des Zentraldepots<br />
des Kunsthistorischen Museums in Wien, dass das Hinzuziehen<br />
von externen Beratern sehr effizient war, da hier<br />
Expertenwissen einfließen konnte, dass im Museum nicht<br />
vorhanden war. Denn welcher Restaurator, Magaziner<br />
UMSCHAU<br />
Anfang März <strong>2011</strong> fand in Innsbruck ein Symposium zum Themenbereich „Erhalten<br />
und Bewahren von Sammlungsbeständen“ statt. Die Errichtung und das Manage ment<br />
von Depots zählen zu den zentralen Aufgaben eines Museums, stellen aber auch<br />
besondere Herausforderungen dar. Museumsexperten diskutierten über Lösungsmög<br />
lichkeiten konservatori scher, struktureller und finanzieller Depotprobleme.<br />
Helene Tello<br />
Bestände des Tiroler Landesmuseums wie diese Herbarien sind derzeit<br />
über neun Liegenschaften verteilt, die nur zum Teil den Ansprüchen<br />
an eine vertretbare Deponierung genügen. Mit dem geplanten<br />
Zentraldepot soll eine konservatorisch angemessene Lösung gefunden<br />
werden.<br />
Eines der Best-Practice-Beispiele: Das neue Depot des Alpenvereinsmuseums<br />
Innsbruck, das 2009 mit dem österreichischen Museumspreis<br />
ausgezeichnet wurde.<br />
oder Wissenschaftler beschäftigt sich qua seines Amtes<br />
beispielsweise mit dem Einsatz einer Bauteilaktivierung,<br />
die aber im angewandten Fall äußerst kosten- und energiesparend<br />
ist. Tagungen dieser Art sind im Zeitalter eines<br />
sich immer schneller drehenden Karussells von Veranstaltungen<br />
in den Museen von nicht zu unterschätzender Bedeutung.<br />
Sie machen deutlich, dass Kulturschaffende ein<br />
hohes Maß an Verantwortung für die Sicherheit und Zugänglichkeit<br />
der ihnen anvertrauten Kunst-und Kulturwerke<br />
zur Bewahrung unseres kulturellen Gedächtnisses<br />
haben.<br />
Die Organisation der Tagung war herausragend. Bei strahlendem<br />
Sonnenschein haben die österreichischen Kollegen<br />
nicht nur für einen reibungslosen Ablauf des Symposiums<br />
gesorgt, sondern ihre Gäste auch kulinarisch während der<br />
Tagung und der anschließenden Exkursion am folgenden<br />
Tag verwöhnt. Ihnen allen sie Dank, dass in diesem wunderbaren<br />
Rahmen nicht nur Kulturschaffende aus dem<br />
deutschsprachigen Raum, sondern auch aus England, unkompliziert<br />
miteinander ins Gespräch kommen konnten.<br />
Helene Tello ist als Restauratorin im Ethnologischen Museum, Staatliche<br />
Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, tätig. Sie betreut<br />
die Nord- und Südamerikanischen Sammlungen;<br />
h.tello@smb.spk-berlin.de<br />
Weitere Informationen:<br />
Programm und Abstracts:<br />
www.uibk.ac.at/archaeologie-museum/veranstaltungen<strong>2011</strong>.htm<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong> | 57
UMSCHAU<br />
Europäisches Jahr der Freiwilligentätigkeit <strong>2011</strong>: Freiwillig. Etwas bewegen!<br />
Kultur ist Ehrensache – aber nicht hauptsächlich ehrenamtlich!<br />
Das Jahr <strong>2011</strong> wurde zum Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit<br />
ausgerufen – gleichzeitig wurde von den Vereinten<br />
Nationen zum zehnten Mal das Internationale Jahr<br />
des Ehrenamtes ausgelobt.<br />
Die Europäische Union unterstützt die Stärkung der aktiven<br />
Bürgerschaft mit insgesamt acht Millionen Euro. Dies<br />
macht deutlich, dass dem Phänomen der Ehrenamtlichkeit<br />
– allein in Europa engagieren sich hundert Millionen Menschen<br />
ehrenamtlich – eine große, ja sogar wachsende Aufmerksamkeit<br />
geschenkt wird. Schließlich sind durch entsprechende<br />
Tätigkeiten nicht nur der wirtschaftliche, sondern<br />
auch soziale, politische und schließlich der kulturelle Sektor<br />
der europäischen Völkergemeinschaft berührt. Politisch<br />
intendiert wird damit eine Förderung von Demokratie, Bürgersinn<br />
und Bürgerbeteiligung und nicht die Streichung von<br />
Planstellen.<br />
„Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern<br />
was du für dein Land tun kannst.“ So formulierte es J. F.<br />
Kennedy in seiner Antrittsrede als Präsident der Vereinig ten<br />
Staaten von Amerika am 20. Januar 1961. Diese altru is tische<br />
Einstellung hat durchaus auch in der institutionel len<br />
Verfasstheit der Kulturlandschaft Europas ihre Tra dition:<br />
Museen wären nie in der uns heute geläufigen Flächendeckung<br />
begründet worden, hätte nicht oft ein privates Sammler-<br />
oder Expositionsinteresse zunächst den Anstoß dazu<br />
gegeben.<br />
In Zeiten sich verschlankender öffentlicher Kassen liegt<br />
es daher nahe, nach hilfreich-helfenden Händen zu suchen.<br />
Schließlich ist das Spektrum möglicher Unterstützungsleistungen<br />
ausgesprochen vielfältig: Zeit-, Sach-, Kontakt- oder<br />
Wissensleistungen sind hier beispielhaft erwähnte Formen<br />
Europeana legt Ausbauschritte fest<br />
Strategischer Plan publiziert<br />
Derzeit wird ein zentrales Zugangsportal<br />
zum digitalisierten kulturellen Erbe in Europa<br />
ausgebaut – politisch und finanziell<br />
durch viele nationale und europäische Partner<br />
unterstützt. Der Vorstand von Europeana<br />
umfasst Vertreter aus zahlreichen<br />
kulturellen Verbänden – die Museen werden<br />
u. a. durch <strong>ICOM</strong> Europe repräsentiert und durch Monika<br />
Hagedorn-Saupe vertreten (s. <strong>Mitteilungen</strong> 2010, S.<br />
32). Die Europeana umfasst nach einer ersten großen<br />
Auf bauphase, an der sich viele Partner beteiligt haben, mehr<br />
als fünfzehn Millionen Nachweise. Europeana hat nun ihren<br />
strategischen Plan <strong>2011</strong>–2015 publiziert, in dem die<br />
Ausbauschritte für die kommenden Jahre festgelegt sind.<br />
Weitere Informationen:<br />
Strategischer Plan: www.europeana.eu<br />
Monika Hagedorn-Saupe für <strong>ICOM</strong> Europe:<br />
m.hagedorn@smb.spk-berlin.de<br />
58 | <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – MITTEILUNGEN <strong>2011</strong><br />
ehrenamtlichen Engagements. Dabei bedeutet Teilnahme<br />
zweifellos auch Teilhabe, deren Gegenwert im „symbolischen<br />
Kapital“ der Ehre zu begleichen ist. Auch unser Staatsoberhaupt<br />
ehrt das Ehrenamt durch würdige Veranstaltungen<br />
mit hoher symbolischer Aufladung.<br />
Das Ehrenamt zu fördern hat eine gesamtgesellschaftliche<br />
Berechtigung und eine gesellschaftspolitische Perspektive.<br />
Gleichwohl muss diese Förderung mit einer Forderung<br />
verbunden sein: der Forderung an die Träger, dass es kein<br />
Entweder-Oder sondern nur ein Sowohl-als-Auch geben<br />
darf, wenn es um die Abwägung zwischen ehrenamtlich unterstützter<br />
und hauptamtlich betriebener Kulturarbeit geht.<br />
Gerade im Hinblick auf die aktuellen gesellschaftlichen<br />
Trends (lebenslanges Lernen, Fachkräftemangel, Freizeitgesellschaft,<br />
Überalterung, Integration) bietet die Mobilisierung<br />
ehrenamtlichen Engagements ein großes Potential:<br />
Die Erschließung neuer Sammlungsbereiche oder die Entwicklung<br />
alternativer Vermittlungskonzepte seien hier exemplarisch<br />
erwähnt. Im interkulturellen Bereich könnten<br />
gerade kommunale Museen zu Foren eines transkulturellen<br />
Diskurses entwickelt werden, bei dem alle Beteiligten<br />
durch Wissens- und Erfahrungsaustausch gewinnen. In jedem<br />
Fall würde ein Beziehungsgeflecht von gegenseitigen<br />
Verpflichtungen entstehen – Kontakte, die ein zusätzliches<br />
gesellschaftliches Bindemittel darstellen können.<br />
Matthias Henkel<br />
Mitglied im Vorstand von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Weitere Informationen:<br />
http://europa.eu/volunteering/de<br />
Kooperationsbündnis startet Spendenaufruf<br />
Aktion „Hilfe für Japan“<br />
Das schwere Erdbeben, der Tsunami und die Reaktorkatastrophe<br />
haben auch mehrere japanische Museen schwer<br />
getroffen.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> fördert die Aktion „Hilfe für Japan“,<br />
eine Initiative von MUSEUM AKTUELL, München, und<br />
„The Best in Heritage“, Zagreb.<br />
Auch Sie können helfen, den Wiederaufbau japanischer<br />
Mu seen zu unterstützen.<br />
Das Kooperationsbündnis für Japan, bestehend aus<br />
MUSEUM AKTUELL, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und „The Best in Heritage“<br />
Weitere Informationen:<br />
www.museum-aktuell.de
UMSCHAU<br />
Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Archäologisches Kulturgut, einschließlich des unter Wasser<br />
liegenden, ist die am stärksten gefährdete Kategorie der<br />
gefährdeten Kulturgüter Kolumbiens, vor allem in den abgelegenen<br />
Regionen. Heimliches Ausgraben und unerlaubte<br />
Ausfuhr sind die Antwort auf eine Nachfrage des internationalen<br />
Markts für Altertümer, der in letzter Zeit u. a.<br />
durch Internetverkäufe stark angestiegen ist.<br />
Der Internationale Museumsrat (<strong>ICOM</strong>) erarbeitet für<br />
die Krisen- und Konfliktregionen dieser Welt, die von Plünderungen<br />
und illegalem Handel mit Kulturgütern betroffen<br />
sind, sogenannte „Rote Listen“ des gefährdeten kulturellen<br />
Erbes und stellt diese Museen, Kunsthändlern, Sammlern<br />
sowie Zoll- und Polizeibeamten zur Verfügung mit<br />
dem Ziel, den Export oder Verkauf zu verhindern.<br />
Download:<br />
www.icom-deutschland.de/publikationen.php<br />
Broschüre zu bestellen bei:<br />
<strong>ICOM</strong> Secretariat, Maison de l‘UNESCO<br />
1, rue Miollis, F - 75732 Paris Cedex 15<br />
Tel.: +33 1 47340500, Fax: +33 1 43067862<br />
E-Mail: secretariat@icom.museum<br />
Rote Liste der gefährdeten Kulturgüter<br />
Kolumbiens<br />
herausgegeben von <strong>ICOM</strong>,<br />
Paris 2010, 8 Seiten<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur<br />
Museologie · Band 3<br />
Die Ethik des Sammelns<br />
Tagungsband zur Jahrestagung von<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> 2010, Berlin <strong>2011</strong>,<br />
180 Seiten, ISBN 978-3-00-034461-9,<br />
Preis: 15 Euro, zzgl. Versand<br />
(Für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und<br />
Tagungsteilnehmer: 10 Euro, zzgl. Versand)<br />
Wenn sich Museen im Spannungsfeld von Etatknappheit<br />
und ungesteuertem Objektzustrom bewegen, geraten die<br />
Grundsätze des Sammelns, einer musealen Kernaufgabe,<br />
zur Herausforderung. Wegen der großen Bedeutung der<br />
Sammlungstätigkeit für die Ausbildung von Geschichtsbewusstsein,<br />
Kultur- und Naturverständnis müssen Museen<br />
ihre grundsätzliche Haltung zum Sammeln ständig überprüfen.<br />
Der Tagungsband vereinigt fünfzehn Referate der<br />
fünf Themenrunden sowie einige Beiträge der „Open Box“,<br />
die auf der Jahrestagung 2010 vom 23. bis 25. September<br />
2010 im Grassi Museum in Leipzig gehalten worden sind.<br />
Unter dem Aspekt der musealen Verantwortung werden in<br />
den Beiträgen vielfältige Fragen der Erwerbspolitik und<br />
Sammlungsstrategien, Provenienzfragen, Fragen zum Umgang<br />
mit Privatsammlungen und neue Konzepte durchaus<br />
kontrovers diskutiert.<br />
Zu bestellen bei:<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, In der Halde 1, 14195 Berlin<br />
Tel.: +49 30 69504525, Fax: +49 30 69504526<br />
E-Mail: icom@icom-deutschland.de<br />
Bestellung | Hiermit bestelle ich folgende Publikationen von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> aus der Liste der lieferbaren Schriften:<br />
Stk. Das Museum und die Dritte Welt. Hrsg. Hermann Auer, 1981, 357 Seiten, ISBN 3-598-10346-8 5,00 €<br />
Stk. Chancen und Grenzen moderner Technologien im Museum. Hrsg. Hermann Auer, 1986, 241 Seiten, ISBN 3-598-10631-9 5,00 €<br />
Stk. Museologie – Neue Wege – Neue Ziele. Hrsg. Hermann Auer, 1989, 289 Seiten, ISBN 3-598-10809-5 5,00 €<br />
Stk. Museum und Denkmalpflege. Hrsg. Hermann Auer, 1992, 257 Seiten, ISBN 3-598-11107-X 12,00 €<br />
Stk. Reif für das Museum? Ausbildung – Fortbildung – Einbildung. Hrsg. Hans-Albert Treff, 1995,<br />
258 Seiten, ISBN 3-87023-050-9 10,00 €<br />
Stk. Museen unter Rentabilitätsdruck. Engpässe – Sackgassen – Auswege. Hrsg. Hans-Albert Treff, 1998,<br />
279 Seiten, ISBN 3-00-002395-X 20,00 €<br />
Stk. Das Museum als Global Village. Versuch einer Standortbestimmung am Beginn des 21. Jahrhunderts.<br />
Hrsg. Hans-Martin Hinz, 2001, 162 Seiten, ISBN 3-631-37692-8 15,00 €<br />
Stk. Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum. Hrsg. <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />
<strong>ICOM</strong> Frankreich und Deutsches Technikmuseum, 2009, 166 Seiten, ISBN 978-3-631-58095-0 15,00 €*<br />
bitte abtrennen<br />
Stk. Definition des CIDOC Conceptual Reference Model, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 1,<br />
hrsg. und übersetzt aus dem Engl. von K. -H. Lampe, S. Krause, M. Doerr, 2010, 208 Seiten, ISBN 978-3-00-030907-6 10,00 €<br />
Stk. Ethische Richtlinien für Museen von <strong>ICOM</strong>. Hrsg. <strong>ICOM</strong> Schweiz, <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>ICOM</strong> Österreich, 2010,<br />
32 Seiten, ISBN 978-3-9523484-5-1 4,00 €<br />
Stk. Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus. Tagungsband des Internationalen BodenseeSymposiums 2009.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 2, hrsg. von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, 2010, 176 Seiten, ISBN 978-3-00-028961-3<br />
15,00 €**<br />
Stk. Die Ethik des Sammelns. Tagungsband zur Jahrestagung von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> 2010.<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> – Beiträge zur Museologie, Bd. 3, hrsg. von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>2011</strong>, 180 Seiten, ISBN 978-3-00-034461-9<br />
15,00 €* (ab September <strong>2011</strong> lieferbar)<br />
* 10,00 € für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und für Tagungsteilnehmer ; **10,00 € für Mitglieder von <strong>ICOM</strong> und <strong>ICOM</strong>OS sowie für Tagungsteilnehmer<br />
Alle Preise verstehen sich zuzüglich Versandkosten. Eine Mehrwertsteuer wird nicht erhoben.
Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
14. Mai <strong>2011</strong><br />
Nacht der Museen<br />
http://nuitdesmusees.culture.fr<br />
15. Mai <strong>2011</strong><br />
Internationaler Museumstag<br />
Museum and Memory – Museen, unser Gedächtnis!<br />
www.museumstag.de<br />
http://icom.museum/imd.html<br />
21. Mai <strong>2011</strong><br />
„Kultur gut stärken“<br />
Bundesweiter Aktionstag für kulturelle Vielfalt und gegen<br />
Kulturabbau<br />
http://kulturstimmen.de/<br />
22. bis 25. September <strong>2011</strong>, Budapest<br />
Ungarisches Nationalmuseum<br />
Jahrestagung und Mitgliederversammlung<br />
von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Gemeinsame Tagung mit <strong>ICOM</strong> Ungarn<br />
Ways to the Museum – Ways through the Museum.<br />
Education and Career of Young Museum Professionals<br />
Konferenzsprache Englisch<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Bitte im ausreichend frankierten Umschlag einsenden.<br />
Oder Bestellung von Newsletter oder Publikationen an:<br />
icom@icom-deutschland.de bzw. per Fax an: +49 30 69504526<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
In der Halde 1<br />
14195 Berlin<br />
Bitte senden Sie mir die Publikationen und die Rechnung an folgende Adresse:<br />
Vorname<br />
Name<br />
Institution<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Datum<br />
E-Mail<br />
2. bis 5. Oktober <strong>2011</strong>, Bad Staffelstein<br />
Kloster Banz<br />
Jahrestagung von ICME<br />
Dissolving boundaries. Museological Approaches to<br />
National, Social and Cultural Issues<br />
www.icme.icom.museum<br />
24. bis 26. Oktober <strong>2011</strong>, Berlin<br />
Deutsches Historisches Museum<br />
Jahrestagung von ICEE<br />
Go International! The Challenge of Creating International<br />
Exhibitions<br />
www.icee.icom.museum<br />
31. Oktober bis 3. November <strong>2011</strong>, Berlin<br />
Museen Dahlem (Staatliche Museen zu Berlin)<br />
Jahrestagung von COMCOL, CAMOC, <strong>ICOM</strong> Europe<br />
Participative Strategies in Documenting the Present<br />
www.comcol-icom.org, www.camoc.icom.museum,<br />
www.icom-europe.org<br />
16. bis 18. November <strong>2011</strong>, Köln<br />
EXPONATEC COLOGNE<br />
Internationale Fachmesse für Museen, Konservierung und<br />
Kulturerbe<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> wird mit einem eigenen Stand<br />
auf der Messe vertreten sein. <strong>ICOM</strong>-Mitglieder haben<br />
freien Eintritt.<br />
www.exponatec.de<br />
Unterschrift<br />
bitte abtrennen<br />
hier falzen<br />
Ich bin Mitglied von <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong> und möchte den <strong>ICOM</strong>-Newsletter<br />
per E-Mail an folgende Adresse erhalten:
Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Mai 2012<br />
Internationaler Museumstag<br />
Museums in a Changing World.<br />
New Challenges – New Inspiration<br />
Das genaue Datum des Internationalen Museumstags<br />
für <strong>Deutschland</strong> und eine Übersetzung des<br />
Mottos ins Deutsche werden demnächst bekannt<br />
gegeben.<br />
www.museumstag.de<br />
http://icom.museum/imd.html<br />
vorauss. Juni 2013, Rio de Janeiro (Brasilien)<br />
23. <strong>ICOM</strong>-Generalkonferenz<br />
Das genaue Datum und das Motto stehen noch<br />
nicht fest.<br />
www.icom.museum<br />
Die aktuellen Termine der Tagungen der internationalen<br />
Komitees finden Sie unter:<br />
http://icom.museum/calendar.html<br />
Vorstand<br />
Präsident:<br />
Dr. Klaus Weschenfelder, praesident@icom-deutschland.de<br />
Vorstandsmitglieder:<br />
Dr. Matthias Henkel, matthias.henkel@stadt.nuernberg.de<br />
Prof. Dr. Lothar Jordan, iclm.jordan@gmx.de<br />
Dr. Franziska Nentwig, gendir@stadtmuseum.de<br />
Dr. Gabriele Pieke, gabriele.pieke@topoi.org<br />
Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch,<br />
beate.reifenscheid@ludwigmuseum.org<br />
Dr. Stéphanie Wintzerith, swi@wintzerith.de<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Dr. Klaus Weschenfelder<br />
Johanna Westphal M. A.<br />
Geschäftsstelle <strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />
Johanna Westphal M.A.<br />
Beate von Törne M.A.<br />
Juliana Ullmann M.A.<br />
In der Halde 1, 14195 Berlin<br />
Tel.: +49 30 69504525<br />
Fax: +49 30 69504526<br />
icom@icom-deutschland.de<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Redaktion: Anke Ziemer M.A., a.ziemer@t-online.de<br />
Gestaltung: Claudia Heckel, Berlin, www.besseresdesign.de<br />
Druck: Oktoberdruck, Berlin<br />
Copyrights liegen bei den Autoren und Fotografen.<br />
Inhaber von Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten,<br />
bitten wir um Kontaktaufnahme.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht<br />
unbedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber.
Aktuelle Informationen finden Sie unter<br />
www.icom-deutschland.de<br />
Informationen über den Weltverband, seine Komitees<br />
und Projekte können Sie aufrufen unter<br />
www.icom.museum<br />
<strong>ICOM</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
In der Halde 1 · 14195 Berlin<br />
TELEFON +49 30 69504525<br />
FAX +49 30 69504526<br />
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