Weihnachtsgespenstergeschichte - Lucy Pebbles
Weihnachtsgespenstergeschichte - Lucy Pebbles
Weihnachtsgespenstergeschichte - Lucy Pebbles
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Starring:<br />
als Scrooge als Marley & die Gespenster<br />
…und als Special Guest:<br />
Elvira, die Weihnachtsgans
<strong>Weihnachtsgespenstergeschichte</strong><br />
Das Theaterstück<br />
„Marley ist tot!“ begann Muffin ernst.<br />
„Aber, bin ich denn nicht Marley?“ unterbrach<br />
Arnold ihn protestierend.<br />
„Ja, ja“, versetzte Muffin, verärgert über die<br />
Störung, „aber Marley ist trotzdem tot, tot wie<br />
ein Schnitzel!“<br />
Irritiert glotze Arnold seinen vierbeinigen<br />
Gefährten an, schließlich sollte er doch in dem<br />
Theaterstück Marleys Rolle spielen, wie konnte<br />
er dann schon tot sein, bevor es überhaupt<br />
angefangen hatte?<br />
„Scrooge“, fuhr Muffin derweil ernst zu erklären<br />
fort, „ist ein armer einsamer Wuffi, der an nix<br />
anderes, als seine Habgier denkt und sehr<br />
gemein zu allen ist.“ – „Und Marley?“ fragte<br />
Arnold vorsichtig.<br />
„Marley ist ein Geschäftspartner vom alten<br />
Scrooge, er hat aber irgendwann zu<br />
Weihnachten den Knochen abgegeben und<br />
darum gehört Scrooge jetzt die reiche<br />
Hundefutter-Firma alleine.“ – „Das ist aber eine<br />
traurige Sache“, sagte Arnold betrübt.<br />
„Das ist eine fröhliche Sache“, versetzte Muffin<br />
kühl, „weil Scrooge jetzt der Chef vom toten
Marley ist!“ – „Dann ist Scrooge auch tot?“<br />
unterbrach Arnold ihn verwirrt.<br />
„Nein!“ fuhr Muffin ihn an. „Scrooge ist<br />
natürlich nicht tot, er wird aber vom toten<br />
Marley besucht.“ Jetzt verstand Arnold gar<br />
nichts mehr. „Und dreimal darfst du raten, wer<br />
den gemeinen Scrooge in unserem Stück spielt“,<br />
fügte Muffin triumphierend hinzu.<br />
„Elvira?“ antwortete Arnold zaghaft.<br />
„Nein, nicht Elvira sondern ich!!!“ schnauzte<br />
Muffin. „Schließlich bin ich der Rudelboss!“ –<br />
„Fröhliche Weihnachten, Onkel Scrooge!“<br />
quäkte auf einmal eine lustige Stimme, die<br />
gerade zur Tür herein kam. Es war Elvira, die<br />
Weihnachtsgans, das Hauptmenü des<br />
diesjährigen Weihnachtsfests, die in dem Stück<br />
die Rolle von Scrooges Neffen übernehmen<br />
sollte.<br />
„Was hab’ ich dir getan, du Störenfried?“<br />
knurrte Scrooge sie an. „Kannst du nicht<br />
woanders fröhlich sein?“ – „Aber Weihnachten<br />
ist doch ein tolles Fest“, mischte Arnold sich<br />
jetzt in die Proben ein. Muffin drückte ihm ein<br />
Pfötchen auf die Schnauze: „Du redest erst,<br />
wenn du deinen Auftritt hast. Hast du das<br />
verstanden, du Neufundländer-Kleinhirn.“ –<br />
„’Tschuldigung“, erwiderte Arnold<br />
eingeschüchtert. „Is’ nur so langweilig, wenn<br />
man tot ist.“ – „Daran wirst du dich noch<br />
gewöhnen“, erklärte Muffin brummig.
„Darf ich jetzt weitermachen?“ fragte Elvira<br />
unterdessen ungeduldig.<br />
„Meinetwegen“, erwiderte Muffin genervt.<br />
„ Also ich bin eigentlich gekommen, um dich zu<br />
unserem alljährlichen Familien-Napfen<br />
einzuladen, Onkel Scrooge, schließlich ist doch<br />
Weihnachten.“ Scrooge verdrehte die Augen.<br />
„Warum lässt du mich dann nicht in Frieden, wo<br />
doch Weihnachten ist?“ entgegnete er dabei<br />
übellaunig.<br />
„Aber ich“, rief Arnold jetzt aufgeregt. „Ich<br />
könnte doch mitkommen zum<br />
Weihnachtsfamilien-Napfen.“ – „Klappe<br />
Arnold…ähm…Marley, du bist immer noch tot<br />
und gestorben, und wenn du die Probe noch<br />
einmal unterbrichst, mache ich DICH zum<br />
Weihnachtsbraten.“ Arnold schwieg. Eigentlich<br />
war er ein ordentlicher Neufundländer und viel<br />
größer und stärker, als die jämmerliche<br />
Promenadenmischung, doch das wollte er dem<br />
Muffin nicht in die Schnauze wuffeln, dafür war<br />
er einfach zu gutmütig – und zu feige.<br />
„Gut, Gans“, raunzte Muffin derweil die<br />
fröhliche Weihnachtsgans an. „Dann proben wir<br />
jetzt die Stelle, wo du dich als seriöser Hund<br />
verkleidest und an meiner Tür um eine Spende<br />
für die armen heimatlosen Großstadtwauzis<br />
bettelst. Und während Elvira ihr viel zu großes<br />
Hundekostüm überzog, machte Muffin-Scrooge<br />
es sich in seiner imaginären, armseligen Hütte
equem, in der er alleine mit seinen kostbaren<br />
Knochenschätzen und einigen Eiszapfen ums<br />
eiskalte Schnäuzchen lebte - Scrooge war<br />
nämlich ein stinkgeiziger Hund.<br />
Elvira klopfte.<br />
„Wer stört?“ brummte Scrooge von drinnen.<br />
„Ich wollte um eine milde Gabe für die<br />
hungernden Straßenwuffis bitten“, flötete<br />
Elvira.<br />
„Was soll der Humbug“, erwiderte Scrooge,<br />
„bin ich etwa eine Weihnachtsgans, die man<br />
ausnehmen kann?“ Muffin-Scrooge prustete laut<br />
los über seinen makabren Scherz, dann fuhr er<br />
todernst mit seiner Rolle fort: „Haben wir keine<br />
Hundefänger, die das Pack ins Heim bringen?<br />
Wofür zahle ich denn meine Hundesteuer?“<br />
Etwas beleidigt ging Elvira zur Tür. „Du bist ein<br />
herzloses Monster“, sagte sie dann, indem sie<br />
sich noch einmal zu Scrooge umdrehte,<br />
daraufhin knallte sie die eingebildete Tür mit<br />
voller Wucht hinter sich zu.<br />
„Pah“, sagte Scrooge unbeeindruckt zu sich<br />
selbst, „so eine alberne Gans. Als ob ich nix<br />
besseres mit meinem Futter zu tun hätte, als es<br />
den albernen Straßenkötern zu schenken.“<br />
Missmutig setzte Scrooge sich wieder hinter<br />
seinen gedachten Schreibtisch, doch gerade als<br />
er mit dem Knochenzählen fortfahren wollte,<br />
trat auf einmal der tote Marley in die Hütte und<br />
wuffelte mit furchterregender Stimme… –
„Der tote Marley!!!“ fuhr Muffin Arnold an.<br />
„Du bist der tote Marley!!!“ – „Ach, so“,<br />
erwiderte Arnold etwas überrumpelt, „ich<br />
dachte gar nicht, dass ich noch mitspiele.“<br />
Muffin knurrte ihn bedrohlich an, bis Arnold-<br />
Marley sich plötzlich wieder (halbwegs) an<br />
seinen Text erinnerte: „Hyho, Master Scrooge.<br />
Was suchen sie in meiner bescheidenen Hütte?“<br />
– „Was heißt ‚Hyho’, du bist doch nicht der<br />
Weihnachtswuffi“, knurrte Muffin ihn an,<br />
„außerdem ist das hier nicht deine, sondern<br />
meine Hütte!“ – „’Tschuldigung“, erwiderte<br />
Arnold verlegen. „Ich wollte nur nett sein.“ –<br />
„Du bist aber nicht nett, Marley, weil du ein<br />
toter Geist bist, der dem alten Scrooge ganz<br />
mächtig die Meinung wuffeln soll.“ – „Gut, du<br />
alter Knochen“, ereiferte sich Arnold-Marley<br />
jetzt. „Dann hör’ mir mal gut zu: wenn du weiter<br />
so unfreundlich und gemein zu mir und Elvira<br />
bist, machen wir nicht mehr mit in deiner<br />
albernen Weihnachtsgeschichte, hast du das<br />
verstanden, du…du…Doofschaf?“<br />
Elvira kicherte hinter der (improvisierten)<br />
Kulisse, und Muffin wich vorsichtshalber ein<br />
halbes Pfötchen zurück, als Arnold ihn so<br />
anfuhr, schließlich war der ‚Kleine’ ein<br />
ausgewachsener Neufundländer und mindestens<br />
zweimal so groß und schwer wie er, der ja<br />
eigentlich nur ein alberner Kuschelwuffi war…
Doch fangen wir von vorne an:<br />
Es war einen Tag vor Heiligabend, als Muffin<br />
die großartige Idee hatte, gemeinsam mit Arnold<br />
ein Theaterstück einzuüben, dass sie den<br />
Großen am Weihnachtsabend vorführen<br />
wollten. „Weihnachten“, hatte Muffin Arnold<br />
erklärt, „ist nämlich nicht nur dazu da, um sich<br />
die Geschenke abzuholen, sondern auch, um…“<br />
– „…um sich hemmungslos vollzufressen“,<br />
unterbrach Arnold seinen großen Bruder.<br />
„Du bist ein Spatzenhirn!“ erwiderte Muffin.<br />
„Das heilige Weihnachtsfest ist für die Großen<br />
ein andächtiger Ruheknochen inmitten des<br />
stürmischen Lebensnapfes“, begann er<br />
daraufhin schwülstig, „es ist das Fest<br />
emotionaler Gefühle und eine Zeit, die man<br />
lustig im Kreise seines Rudels verbringt und…“<br />
– „…und futtert, bis man umfällt“, vollendete<br />
Arnold fröhlich seinen Satz.<br />
Arnold war ein riesiger schwarzer<br />
Neufundländerhund, der zwar gutmütig, aber<br />
leider auch ein wenig beschränkt war, fand<br />
Muffin. ‚Aber’, dachte er immer, ‚der ist ja noch<br />
klein, vielleicht kommt er ja noch zu ein<br />
bisschen Verstand, schließlich hat er einen<br />
hervorragenden Meister.’ Damit meinte Muffin<br />
natürlich sich selbst, er war nämlich alles andere<br />
als schüchtern, wenn es um seine<br />
außergewöhnlichen Fähigkeiten als Rudelchef<br />
ging. Insgeheim glaubte er auch, dass man wohl
seinen und Arnolds Körper vertauscht haben<br />
musste, weil er eigentlich der gefährliche,<br />
bärenstarke Hundetyp war und Arnold eher der<br />
kuschelige kleine Schmuser im Wuschelpelz -<br />
aber das ist eine andere Geschichte.<br />
Die Weihnachtsgans Elvira hatten Muffin und<br />
Arnold eher aus Verlegenheit für ihr Stück<br />
gecastet, da sie dringend noch jemanden für die<br />
Rolle von Scrooges Neffen und seinen<br />
Angestellten brauchten. Sie wussten zwar, dass<br />
Elvira bei einer eventuellen Wiederholung des<br />
Stücks ausfallen würde, da sie auf dem<br />
Weihnachtstisch für das leibliche Wohl des<br />
Rudels sorgen müsste, aber das war ihnen egal.<br />
Marley<br />
„Können wir jetzt endlich weitermachen?“<br />
grunzte Muffin, nachdem Arnold sich wieder<br />
beruhigt hatte. Und während Elvira wieder auf<br />
der Probenbühne erschien, erklärte Muffin ihr:<br />
„Du bist jetzt Bob Cratchit, mein armseliger<br />
Angestellter, der die ganze Zeit herumjammert,<br />
dass ich ihn schlecht behandle und dass er sich<br />
zu Weihnachten nicht mal ’nen gebratenen<br />
Weihnachtsvogel für sein jämmerliches<br />
Familien-Rudel und seine Welpengören leisten<br />
kann.“ Elvira nickte missmutig und nachdem sie<br />
ihre Rolle mit Bravour gemeistert hatte, wandte
Muffin sich an Arnold: „Für die Marley- Szene<br />
und die drei Gespensterauftritte musst du dich<br />
als schrecklicher Geist verkleiden und schlimme<br />
Grimassen machen, hast du verstanden?“<br />
Konzentriert versuchte Arnold jetzt schlimme<br />
Grimassen zu schneiden, doch irgendwie wirkte<br />
er gar nicht Furcht einflößend.<br />
„Macht nix“, sagte Muffin mit einer lässigen<br />
Pfötchenbewegung. „Ich hätte eh keine Angst<br />
vor dir, mit oder ohne Grimassen. Aber damit<br />
die Großen erkennen, dass du tatsächlich ein<br />
gräßfürchterliches Gespenst bist, musst du dir<br />
ein schauriges Geisterkostüm anziehen.“<br />
Fragend blickte der Neufundländer ihn an, dann<br />
lief er plötzlich flink die Treppe rauf in Mamas<br />
und Papas Schlafzimmer und kam schließlich<br />
mit einem weißen Bettlaken über dem Kopf<br />
wieder zurück ins Probenzimmer.<br />
„Was ist das?“ erkundigte sich Muffin unwirsch.<br />
„Ein Gespenst!“ versetzte Arnold kichernd.<br />
„Ich glaube“, entgegnete Muffin dann, „wir<br />
lassen das mit dem kostümieren, wir hängen dir<br />
einfach ein Pappschild um den Hals, wo wir<br />
‚schlimmer Weihnachtsgeist’ draufschreiben.“<br />
Arnold nickte etwas enttäuscht und zog sich<br />
dann ungeschickt das Laken vom Kopf, das jetzt<br />
natürlich nicht mehr weiß, sondern<br />
neufundländersabberfarben war.<br />
„Gut Marley“, begann Muffin daraufhin ernst,<br />
„ich bin jetzt wieder Scrooge, wir haben
Heiligabend und ich sitze einsam in meiner<br />
Hütte und, und…zähle meine Näpfe und<br />
Knochen. Du musst jetzt unauffällig mein<br />
Zimmer betreten und wie ein Geist heulen.“<br />
Unsanft stieß Arnold die imaginäre Türe auf, die<br />
in Muffin-Scrooges imaginäres Zimmer führte,<br />
und dieser war echt erstaunt, wie man beim<br />
Öffnen einer eingebildeten Türe soviel Lärm<br />
machen konnte.<br />
„Ich bin das Marley-Gespenst, Scrooge“, sagte<br />
Arnold-Marley dabei halbwegs furchterregend,<br />
„und ich bin gekommen, bin gekommen,<br />
um…Ich hab’ so doll Hunger, können wir nicht<br />
eine Kleinigkeit futtern, bevor wir<br />
weiterproben?“<br />
Ärgerlich warf Muffin-Scrooge ihm eine<br />
Walnuss an den Kopf. „Da friss’ die, die ist<br />
nämlich genau so hohl wie du!“ – „Danke,<br />
Muffin“, erwiderte Arnold freudig, „Mama wird<br />
sicher nicht böse, wenn wir unauffällig, was von<br />
ihrem Weihnachtsteller naschen.“ Mit diesen<br />
Worten nahm Arnold den Teller und schüttete<br />
sich den kompletten Inhalt in den Hals.<br />
„Bööörps!“ sagte er schließlich, daraufhin betrat<br />
er wieder Scrooges imaginäres Zimmer.<br />
„Ich bin hier“, begann er schmatzend, indem er<br />
sich den Puderzucker aus dem Fell schüttelte<br />
„weil ich ein fürchterliches Gespenst bin und<br />
dem armen alten Scrooge sagen muss, dass…“ –<br />
„Schon gut, schon gut“, unterbrach Muffin ihn.
„Trag’ mal nicht so dick auf.“ – „Aber warum<br />
können die drei Gespenster nicht alle auf einmal<br />
auf die Bühne kommen?“ erkundigte sich<br />
Arnold treudoof.<br />
„Weil DU die drei Gespenster bist!“ fuhr Muffin<br />
ihn an.<br />
Mit großen fragenden Augen glotze Arnold<br />
Muffin an. „Die Gespenster müssen<br />
nacheinander zu Scrooge kommen, weil du dich<br />
ja nicht vierteilen kannst, verstanden?“ – „Ich<br />
glaub’ schon“, log Arnold und fuhr dann mit<br />
seiner Rolle als Marleys Geist fort. „Von den<br />
drei Geistern hab’ ich dir ja schon erzählt,<br />
Scrooge, aber jetzt rate, wer ich bin?“ – „Bist du<br />
vielleicht mein verstorbener Geschäftspartner?“<br />
erkundigte sich Scrooge.<br />
„Woher weißt du das?“ versetzte Marley etwas<br />
enttäuscht.<br />
„Weil du doch hier bist, um mir eine Botschaft<br />
zu überbringen“, half Scrooge ihm.<br />
„Ach ja, die Botschaft“, erwiderte Marley und<br />
schlug sich mit der Pfote vor den Kopf. „Die<br />
Botschaft ist, dass da noch drei andere<br />
Neufundländer-Gespenster kommen, die dir die<br />
Hölle heiß machen wollen.“ – „Nun“, erklärte<br />
Muffin schließlich zufrieden, „das war gar nicht<br />
so schlecht, ich denke wir sind für unsere<br />
Aufführung morgen Abend bereit.“
Heiligabend<br />
Aufgeregt lief Muffin ins festlich geschmückte<br />
Wohnzimmer, in dessen Mitte der riesige<br />
Tannenbaum stand. Im ganzen Haus roch es<br />
nach selbstgebackenen Keksen, Lebkuchen und<br />
Marzipan und Muffin war richtig in<br />
Weihnachtsstimmung, als Arnold begeistert an<br />
ihm vorbei lief. „Wie kommt denn der Baum<br />
hierher?“ rief er überrascht, bevor er ohne lange<br />
zu fackeln sein Beinchen hob und gegen den<br />
schön geschmückten Tannenbaum pullerte.<br />
„Du Ferkel!“ brüllte Mama ihn an. „Du kannst<br />
doch nicht einfach ins Wohnzimmer machen,<br />
du Sauneufundländer.“ Beschämt glotzte Arnold<br />
auf seine dicken Pfoten, woher sollte er denn<br />
wissen, dass der Baum sich bloß verirrt hatte.<br />
Glücklicherweise war Mama an Weihnachten<br />
nicht nachtragend und so steckte sie ihm und<br />
Muffin kurze Zeit später alle möglichen frisch<br />
gebackenen Leckereien ins Schnäuzchen. „Aber<br />
nix dem Papa sagen“, erklärte sie dabei und<br />
zwinkerte den beiden Wuffis zu.<br />
Die Zeit bis zum Abend verging wie zäher<br />
Kaugummi und Muffin wurde bald richtig<br />
nervös, weil er nicht wusste, ob der große<br />
schwarze Kasperkopf seine Rolle auch ernst<br />
genug nehmen würde. „Du weißt was auf dem<br />
Spiel steht?“ sagte er daher bedrohlich zu
Arnold, der gerade lustig mit einer<br />
Weihnachtsbaumkugel spielte.<br />
„Nö?“ erwiderte Arnold vorsichtig, während er<br />
sich einen von den selbstgebackenen<br />
Lebkuchenhunden in die Schnauze steckte, mit<br />
denen Mama den Baum geschmückt hatte.<br />
„Wenn du’s vermasselst“, brummte Muffin,<br />
„gibt’s keine Geschenke und dann werde ich<br />
dich mit meinen eigenen Pfoten im<br />
Weihnachtspudding ertränken und dich<br />
anschließend mit dem Tannenbaum pfählen.“<br />
Arnold schluckte. Muffins Drohung klang ganz<br />
schön ernst.<br />
„Ich werde dich nicht enttäuschen, großer<br />
weiser Muffin“, erklärte der Neufundländer<br />
dann demütig und während er seine Pfötchen<br />
kreuzte, fügte er ernst hinzu, „ganz großes<br />
Neufi-Ehrenwort.“ – ‚Gut’, dachte Muffin<br />
zuversichtlich. ‚Ich denke der Kerl hat’s<br />
verstanden.’<br />
Und nachdem sie sich noch eine Weile in ihre<br />
Körbchen zurückgezogen hatten, um Kraft für<br />
ihre Weihnachtsvorstellung zu tanken, kam Papa<br />
auf einmal mit der Leine in der Hand. „Na<br />
kommt, ihr faulen Bären, wir müssen doch noch<br />
unseren Weihnachtsspaziergang machen,<br />
bevor’s losgeht.“<br />
Eigentlich passte Muffin der abendliche Ausflug<br />
jetzt gar nicht in den Kram, schließlich mussten<br />
sie doch noch ein bisschen an ihrer Rolle feilen,
aber wenn Papa noch mal so dringend raus<br />
musste, konnte man ihn ja nicht alleine gehen<br />
lassen…<br />
Natürlich war der entspannende Spaziergang mit<br />
Arnold (wie immer) alles andere, als<br />
entspannend, da dieser ständig ausbüchste, um<br />
den Weihnachtshund zu suchen, von dem<br />
Mama ihnen am Abend zuvor erzählt hatte, und<br />
so wären sie beinahe zu spät zum Heiligen<br />
Abend gekommen.<br />
„Wo wart ihr solange?“ wollte Mama wissen, als<br />
sie ihnen aufgeregt die Tür öffnete.<br />
„Ach“, erwiderte Papa ärgerlich, „der Kleine<br />
hatte wieder mal nur Blödsinn im Kopf. Aber<br />
was macht das Weihnachtsessen?“ – „Das ist<br />
gleich fertig“, erklärte Mama fröhlich. „Ich muss<br />
nur noch den Pudding kochen. Aber“, fügte sie<br />
dann mit einem Blick auf Muffin und Arnold<br />
hinzu, „unsre beiden Jungs haben vor der<br />
Bescherung noch eine Überraschung für uns.“<br />
Ärgerlich stampfte Arnold mit dem Pfötchen<br />
auf, er hätte jetzt lieber lecker genapft und hatte<br />
sich schon für seinen Neufundländerfuttertanz<br />
fertig gemacht, als Muffin ihn streng bei Seite<br />
zog und ihn noch einmal an die Wichtigkeit des<br />
Theaterstücks erinnerte.<br />
Widerwillig half Arnold seinem Bruder jetzt<br />
dabei einige Sachen bei Seite zu räumen und<br />
gemeinsam mit Elvira die kleine improvisierte<br />
Bühne im Weihnachtszimmer aufzubauen. „Seid
ihr bereit?“ fragte Muffin dann und begann<br />
daraufhin mit der Weihnachtsgans die erste<br />
Szene.<br />
Als Muffin und Arnold schließlich an die Stelle<br />
gekommen waren, wo der Marley-Geist Scrooge<br />
wieder alleine gelassen hatte, atmete Muffin<br />
erleichtert auf. „Ich glaube“, sagte er dabei<br />
kichernd zu Arnold, „den Großen gefällt unser<br />
Stück, schließlich haben sie uns noch nicht mit<br />
Obst und Gemüse beworfen.“<br />
Das war Arnolds Stichwort, und anstatt wie<br />
geplant mit seiner Rolle fort zu fahren, setzte er<br />
sich vor den großen Tannenbaum und begann<br />
einiges albernes Zeug zu brabbeln. „Was ist los<br />
mit dir?“ raunzte Muffin ihn an. „Ich will das<br />
Obst und das Gemüse“, erwiderte Arnold mit<br />
knurrendem Magen. Und nachdem Muffin dem<br />
streikenden Neufundländer eine gewaltige<br />
Kopfnuss gegeben hatte, konnte das Spiel<br />
endlich weitergehen:<br />
Das erste der drei Gespenster<br />
„Ich bin der Geist ohne Namen und ich bin<br />
gekommen, um dich zu warnen“, begann der<br />
Arnold-Geist hochtrabend, indem er albern um<br />
Muffin-Scrooge herumhüpfte. Muffin verdrehte<br />
die Augen.
„Du bist der Geist der vergangenen Weihnacht,<br />
nicht wahr?“ versuchte er dann Arnolds<br />
verpatzten Einsatz zu retten. „Aber wovor willst<br />
du mich denn warnen, du bist doch bloß ein<br />
albernes Gespenst meiner Phantasie?“ fragte<br />
Scrooge schließlich und blickte den Geist<br />
herausfordernd an.<br />
„Ich will dich warnen“, fuhr das Gespenst<br />
ungerührt fort, „vor dem Sensenhund.“ – „Vor<br />
dem Sensenhund?“ – „Jawohl, vor dem<br />
Sensenhund“, erwiderte der Geist patzig. „Wenn<br />
du nämlich weiter so boshaftig bist, wird der<br />
kommen und dich in Ketten legen.“ – „Aber<br />
warum?“ erkundigte sich Muffin-Scrooge mit<br />
gespieltem Entsetzen.<br />
„Weil“, begann der Arnold-Geist gebieterisch,<br />
„du ein gemeiner, alter Zauselpelz bist.“ Muffin<br />
schluckte. ‚Das meint der Zwerg doch<br />
hoffentlich nicht ernst’, dachte er, ‚ansonsten<br />
muss ich ihm wohl mal ordentlich den<br />
Neufundländer-Hosenboden verkloppen – von<br />
wegen alter Zauselpelz.’<br />
„Ich finde nicht, dass ich ein boshaftiger, alter<br />
Zauselpelz bin“, verteidigte sich Muffin-Scrooge<br />
ärgerlich. „Aber sage mir lieber, woher du das<br />
mit dem Sensenhund weißt.“ – „Frag’ nicht so<br />
doof“, erwiderte der Geist, „ich bin ein<br />
Gespenst und Gespenster wissen alles.<br />
Außerdem hast du doch den Text geschrieben,<br />
da wirst du doch hoffentlich selber wissen, wie
das mit dem Sensenhund und den Ketten war.“<br />
– „Das ist bestimmt“, versuchte Muffin die<br />
Szene zu retten, „damit unfolgsame Hunde im<br />
Jenseits keinen Schaden anrichten. Darum legt<br />
der Sensenhund sie in Ketten, nicht wahr,<br />
Geist?“ Arnold nickte gleichgültig.<br />
„Und weil du das Gespenst der vergangenen<br />
Weihnacht bist“, fuhr Muffin fort, „willst du<br />
mich jetzt sicher in meine Vergangenheit führen,<br />
stimmt’s?“ Arnold nickte erneut gelangweilt.<br />
„Allerdings“, begann der Arnold-Geist dann<br />
kichernd, indem er Muffin-Scrooge prüfend<br />
vom Kopf zum Schwanz und wieder zurück<br />
musterte, „glaube ich, dass das eine sehr, sehr<br />
lange Reise werden wird, alte Grauschnauze.“<br />
Muffin knurrte ihn bedrohlich an, erinnerte sich<br />
aber bald wieder an sein Publikum und erklärte<br />
philosophisch: „Eine Reise in die Vergangenheit<br />
eines erfahrenen Hundes ist immer eine weite<br />
Reise, weil der Geist eines reifen Hundes<br />
einfach sehr, sehr groß ist.“ – „Meinetwegen“,<br />
erwiderte der Arnold-Geist unbeeindruckt,<br />
„dann lass’ uns mal losdüsen, bevor wir noch zu<br />
spät kommen.“<br />
Ein fröhlicher Applaus füllte das<br />
Weihnachtszimmer. „Bravo!“ rief Mama<br />
anerkennend.<br />
„Gut gemacht!“ lobte auch Papa seine beiden<br />
Jungs und die Weihnachtsgans. Daraufhin<br />
verschwanden Muffin, Arnold und Elvira in die
Garderobe und kamen schließlich lustig<br />
verkleidet wieder auf die Bühne ins<br />
Weihnachtszimmer.<br />
Doch irgendwas stimmte nicht. Eigentlich hatte<br />
Muffin angeordnet, dass Arnold das Schild um<br />
den Hals tragen sollte, stattdessen hatte er jetzt<br />
eine rote Clowns-Nase an und ein alberndes<br />
Rentier-Geweih aus Filz auf dem Kopf. Doch<br />
für Fragen blieb keine Zeit, also schluckte<br />
Muffin seinen Ärger runter und fuhr fort: „Und<br />
was machen wir jetzt hier in meiner<br />
Vergangenheit?“ fragte er den Arnold-Geist.<br />
„Gucken, was für ein Punk du warst, als du<br />
noch ein kleiner Wuffi warst“, antwortete das<br />
Gespenst grinsend. Daraufhin nahm der<br />
Arnold-Geist eine Weihnachtskugel vom Baum<br />
und tat so, als sähe er etwas darin.<br />
„Es ist so, wie ich dachte“, sagte er dann<br />
prophetisch, „du warst tatsächlich ein ganz<br />
stinklangweiliger, todeinsamer Freak, und darum<br />
bist du heute so grantelig und immer mies<br />
gelaunt.“ – „Bist du ein alberner<br />
Seelenklempner, oder was?“ fuhr Muffin-<br />
Scrooge den Geist an. „Ich war vielleicht nicht<br />
so, wie alle anderen Wauzis…trotzdem war ich<br />
nicht stinklangweilig und todeinsam.“<br />
Doch als auch er jetzt in die prophetische<br />
Weihnachtskugel blickte, sah er, dass er<br />
tatsächlich eine ganz schön öde Stinkepfote war.<br />
„Ich habe halt lieber ein gutes Buch gelesen, als
mit den anderen Hunden Verkloppen zu<br />
spielen“, verteidigte sich Muffin-Scrooge.<br />
„Und was war mit Bella, der hübschen<br />
Dalmatinerin auf die du so scharf warst?“ fragte<br />
Arnold-Geist, während er neugierig in die<br />
prophetische Weihnachtsbaumkugel glotzte.<br />
„Da war nix“, grunzte Muffin-Scrooge, nahm<br />
ihm die Kugel ab und ließ sie unauffällig unter<br />
seinem Bauch verschwinden. „Und jetzt bring’<br />
mich wieder nach Hause, Geist, ich bin nämlich<br />
hundemüde.“<br />
Das zweite der drei Gespenster<br />
Nachdem Muffin und Arnold auch den zweiten<br />
Akt ihres Schauspiels erfolgreich über die Bühne<br />
gebracht hatten, stauchte Muffin seinen<br />
Schauspielkollegen in der Garderobe erstmal<br />
ordentlich zusammen.<br />
„Du hast den ganze Text vermasselt“ fuhr er<br />
den armen Arnold dabei an. „Wie stehe ich denn<br />
jetzt da, nachher glauben Mama und Papa noch,<br />
dass ich als Welpe wirklich so ein armer Wicht<br />
war. Und was hast du da überhaupt an?“ –<br />
„Erkennst du mich denn nicht?“ fragte Arnold<br />
erstaunt. „Ich bin ein lustiges Weihnachts-<br />
Rentier, weil wir doch eine<br />
Weihnachtsgeschichte aufführen, dachte ich…“<br />
– „Du bist ’ne Weihnachtswitzfigur!“ knurrte<br />
Muffin ihn an. „Unsere Weihnachtsgeschichte
ist nicht lustig, sondern todernst, kapierst du<br />
das?“ Arnold nickte zaghaft.<br />
„Aber was ist ernst an einem griesgrämlichen<br />
Grauwuffi, der mit einem Gespenst spricht?“ –<br />
„Es ist nicht bloß ein Gespenst“, erwiderte<br />
Muffin streng, „sondern der Geist der<br />
Weihnacht.“ – „Na und?“ entgegnete Arnold<br />
flapsig.<br />
„Vom Geisterhund der Weihnacht könntest du<br />
dir ruhig eine Scheibe abschneiden“, begann<br />
Muffin dann vorwurfsvoll. „Das ist nämlich ein<br />
ganz vorbildlicher Wauwau, der eine große<br />
Botschaft für Kleinhirne, wie dich hat.“<br />
Treudoof starrte Arnold Muffin an.<br />
„Und was ist die Botschaft?“ fragte er dann<br />
zaghaft.<br />
„Dass du immer nett und freundlich zu den<br />
Großen und Kleinen sein sollst.“ – „Aber das<br />
bin ich doch“, warf Arnold protestierend ein.<br />
„Du bist doch immer der, der im Park<br />
herumpöbelt.“ – „Das mache ich nur“, erklärte<br />
Muffin ruhig, „damit dir niemand an die Wäsche<br />
geht, schließlich bist du noch ein kleiner,<br />
unerfahrener Wicht, der leicht mal eins auf die<br />
Schnauze bekommen kann.“<br />
Prüfend schaute Arnold an sich herunter, so<br />
klein war er eigentlich gar nicht, nein, im Park<br />
war er mit Abstand der größte Hund und wenn<br />
Muffin wieder seine fünf Minuten bekam und<br />
provozierend durch die Gegend lief, dann war er
derjenige der immer darauf aufpasste, dass den<br />
alten Knochen niemand verhaute. Aber egal.<br />
„Will mich nicht streiten“, lenkte Arnold<br />
schließlich ein, „du wirst schon Recht haben.“ –<br />
„Ich habe immer Recht“, erwiderte Muffin mit<br />
einem souveränen Lächeln.<br />
Als sie wieder ins Weihnachtszimmer kamen,<br />
warteten die Großen bereits gespannt darauf,<br />
wie das Stück wohl weitergehen würde und der<br />
Arnold-Geist, der jetzt doch das weiße Laken an<br />
und das ‚schlimmer-Weihnachtsgeist’-Schild um<br />
den Hals hatte, begann theatralisch:<br />
„Ich bin der Geist der heutigen Weihnacht und<br />
ich bin gekommen um dich zu warnen.“ Stolz<br />
machte Muffin ihm ein Zeichen für seinen<br />
gelungenen Auftritt, bis der Arnold-Geist<br />
hinzufügte: „Ich hab’ zwar wie mein Vorgänger<br />
auch keinen Namen, aber das macht nix.“<br />
Muffin ballte das Pfötchen, gerade hatte er<br />
gedacht, dass Arnold verstanden hätte, worum<br />
es geht und dann der Patzer.<br />
„Du willst mich sicher herumführen und mir<br />
zeigen, welche Fehler ich heute alle mache?“<br />
erklärte Muffin-Scrooge dann hochtrabend. Und<br />
während Elvira wieder als Bob Cratchit<br />
verkleidet auf die Bühne kam, hob Arnold<br />
wichtig sein Bettlaken und machte Scrooge ein<br />
Zeichen darunter zu kommen. Muffin holte<br />
noch einmal tief Luft, bevor er zu dem
muffeligen Neufundländer unter das Laken<br />
krabbelte.<br />
„Ich zeige dir jetzt“, begann der Arnold-Geist<br />
dann ernst, „was du für ein Stinkstiefel bist.“<br />
Und indem er auf die verkleidete<br />
Weihnachtsgans deutete, fügte er hinzu: „Sieh’<br />
gut hin!“<br />
Elvira begann jetzt aufgeregt damit<br />
pantomimisch eine feierliche Gesellschaft<br />
darzustellen, wobei sie in die unterschiedlichen<br />
Rollen der Feiernden schlüpfte, während<br />
Scrooge und der Geist sie unter dem Bettlaken<br />
neugierig beobachteten.<br />
„Wäre es nicht wunderschön, wenn wir einen<br />
leckeren Weihnachtshundebraten hätten?“ fragte<br />
Elvira-Cratchit in die Runde, wobei sie Arnold<br />
und Muffin gehässig zuzwinkerte.<br />
„Du hast Recht, Liebling“, erwiderte Elvira-<br />
Cratchits Frau. „Aber der gierige Scrooge ist so<br />
ein Geizhals, dass wir uns nicht mal die<br />
Operation für unseren kranken Jungen leisten<br />
können.“ – „Ja“, erwiderte Elvira-Cratchit,<br />
indem sie auf die andere Seite der Festtafel<br />
sprang, „wahrscheinlich wird der Kleine deshalb<br />
am Ende sogar sterben müssen…“<br />
Muffin-Scrooge steckte seinen Kopf unter dem<br />
Laken hervor und schaute betroffen ins<br />
Publikum.<br />
„Das ist ja schrecklich“, begann er dann<br />
vollkommen übertrieben, „der arme Junge soll
sterben, nur weil ich so ein Geizhals bin?“<br />
Arnold-Geist nickte. Dann buffte er ihn mit<br />
einer seiner Pranken und sagte fröhlich: „Mach’<br />
dir nix draus, solange wir noch genug Knochen<br />
und Hundekekse im Haus haben…“ – „Du<br />
meinst sicher“, fuhr Muffin-Scrooge ihm ins<br />
Wort, „dass wir den Cratchits etwas von unseren<br />
Futtervorräten abgeben sollen, damit sie sich die<br />
Operation leisten können.“ – „Nein“, versetzte<br />
Arnold-Geist trotzig, „ich meine, dass wir uns<br />
freuen sollen, dass wir genug zu futtern haben.“<br />
Unauffällig boxte Muffin-Scrooge Arnold in die<br />
Seite. „Ein guter Witz war das, Geist“, sagte er<br />
dann mit einem gekünstelten Lachen. „Doch<br />
jetzt lass’ uns mal schauen, was unser Neffe so<br />
macht.“<br />
Elvira, die sich unterdessen wieder das<br />
Scrooges-Neffe-Kostüm angezogen hatte, setzte<br />
sich wieder an die Tafel, während Muffin und<br />
Arnold wieder unter dem Bettlaken<br />
verschwanden.<br />
„Mann, haben wir hier heute einen Spass“, sagte<br />
Elvira-Neffe dabei und erhob einen Becher<br />
Punsch. „Der knurrige alte Onkel Scrooge sitzt<br />
jetzt gerade sicher wieder alleine mit einer<br />
Eiszapfennase an seinem Schreibtisch und<br />
macht dummes Zeug. Der Langweiler weiß gar<br />
nicht, was er verpasst und wie viel Spass wir hier<br />
haben.“ Mit diesen Worten purzelte Elvira<br />
betrunken vom Stuhl. „’Tschuldigung“, sagte sie
kichernd zum Publikum, während sie sich<br />
wieder aufrappelte.<br />
„Siehst du das?“ sagte Arnold-Geist<br />
vorwurfsvoll zu Muffin-Scrooge. „Da hätten wir<br />
jetzt auch sitzen und saufen können, aber nein,<br />
du musst ja lieber mit windigen<br />
Weihnachtsgeistern um die Häuser ziehen.“ –<br />
„Aber“, warf Muffin-Scrooge ein, der es<br />
aufgegeben hatte Arnold-Geist an seinen Text<br />
zu erinnern, „du bist doch auch einer von diesen<br />
windigen Weihnachtsgeistern, ohne dich wäre<br />
ich jetzt gar nicht hier.“ – „Stimmt“, bemerkte<br />
Arnold-Geist nachdenklich, „trotzdem wär’s<br />
schön sich jetzt randvoll zu futtern und bis<br />
obenhin voll laufen zu lassen.“<br />
Jetzt kam Elvira-Neffe und ihre Festtafel wieder<br />
ins Spiel. „Zur Feier des Tages wäre es doch<br />
schön, wenn wir ein paar lustige Hundespiele<br />
spielen könnten. Was haltet ihr davon ein<br />
bisschen Such-den-Ball oder Fang-den-Stock zu<br />
spielen?“ Begeistert nickte Elvira für jeden der<br />
imaginären Anwesenden an der Futtertafel, und<br />
während die ausgelassene Hunde-Gesellschaft<br />
die halbe Hütte des Neffen in Schutt und Asche<br />
legten, sagte Muffin-Scrooge schwermütig:<br />
„Ach, was gäbe ich dafür auch einmal so<br />
glücklich herumzutoben.“<br />
Mit diesen Worten fiel der Vorhang und die<br />
Großen applaudierten begeistert.
Als Muffin, Arnold und Elvira schließlich alleine<br />
in der Garderobe waren, sagte Arnold auf<br />
einmal leise zu der Weihnachtsgans: „Doof, dass<br />
du uns morgen verlassen musst, dann können<br />
wir gar keine Zugabe geben.“ Elvira schwieg<br />
betrübt.<br />
„Sei nicht so sentimental“, sagte Muffin, „wenn<br />
die Gans uns nicht verlassen würde, gäb’s<br />
keinen Weihnachtsbraten.“ – „Du bist wirklich<br />
genauso herzlos wie dieser Scrooge“, erwiderte<br />
Arnold vorwurfsvoll.<br />
„Ha!“ versetzte Muffin. „Wenn’s morgen Abend<br />
nix zu futtern gäbe, würdest du ganz schön doof<br />
aus dem Pelz gucken.“ – „Wenn Elvira dann<br />
noch bei uns wäre, wär’s mir egal!“ – „Das soll<br />
ich dir glauben, du Fresswurst?“ fuhr Muffin ihn<br />
an.<br />
„Das kannst du mir glauben, ich bin zwar ein<br />
bisschen hungriger, als andere Hunde, dafür bin<br />
ich aber nicht so ein Kotzbrocken wie du!“<br />
erklärte Arnold und legte schützend einen Arm<br />
um Elvira.<br />
„Wenn das so ist“, begann Muffin jetzt ernst,<br />
„dann werde ich noch heute Abend bei den<br />
Großen um Gnade für die Gans betteln, dann<br />
darfst du am Weihnachtsabend mit leerem<br />
Bauch ins Körbchen hopsen.“
Das letzte Gespenst<br />
Als Muffin, Arnold und die Weihnachtsgans<br />
wieder ins Weihnachtszimmer kamen, erwartete<br />
ihr Publikum sie bereits ungeduldig, und<br />
nachdem Muffin das Licht ein bisschen<br />
heruntergedreht hatte, trat Arnold-Geist in<br />
einem pechschwarzen Umhang auf die Bühne.<br />
„Ich bin das Gespenst der zukünftigen<br />
Weihnacht“, sagte er geheimnisvoll.<br />
Muffin-Scrooge nickte ihm zufrieden zu, bevor<br />
er erwiderte: „Dann wirst du mir jetzt sicher die<br />
Zukunft zeigen?“ – „So ist es“, versetzte<br />
Arnold-Geist und hob dabei eine Pfote in die<br />
Luft, die er sich zuvor gelb angemalt hatte,<br />
damit man sie in dem halbdunklen Raum auch<br />
gut sehen konnte.<br />
„Da drüben werden wir anfangen“, damit<br />
deutete er auf eines der Fenster. „Siehst du den<br />
Schatten hinter der Scheibe?“ Muffin-Scrooge<br />
nickte.<br />
„Das ist der Nebel der Zukunft, du musst nur<br />
lange genug hineinschauen, um die künftigen<br />
Ereignisse darin zu erkennen.“<br />
Natürlich sah Muffin-Scrooge weder den Nebel<br />
noch die Zukunft, darum erwiderte er kleinlaut:<br />
„Ich sehe tatsächlich etwas, und zwar eine fette<br />
Weihnachtsgans, deren knusprige Flügel morgen<br />
Abend sicher in unseren Näpfen liegen.“ – „Ach<br />
so“, fuhr Elvira ihn jetzt an. „Willst du wissen,
was ich sehe?“ Und ohne eine Antwort<br />
abzuwarten fuhr sie fort: „Ich sehe eine alberne,<br />
verfressene Promenadenmischung, die gleich<br />
von einer Weihnachtsgans verhauen wird.“<br />
Damit ging Elvira wütend auf den armen<br />
Muffin-Scrooge los und pickte und kitzelte ihn<br />
solange, bis er um Gnade winselte.<br />
Zufrieden zog Elvira sich zurück.<br />
Die Großen fielen beinahe vom Stuhl vor<br />
Lachen, da sie dachten, die Gans-Attacke wäre<br />
Teil der Show.<br />
„Ich glaube“, sagte Papa dann leise zu Mama,<br />
„es wird mir schwer fallen Elvira morgen…du<br />
weißt schon.“ Doch bevor Mama etwas<br />
erwidern konnte, baute sich Arnold-Geist groß<br />
auf der Bühne auf, zeigte mit seiner gelben<br />
Gespensterpfote wieder auf das Zukunftsfenster<br />
und erklärte: „Siehst du, Scrooge, die Geier<br />
kreisen schon um deine toten Knochen und<br />
überlegen, wer das beste Stück von dir futtern<br />
darf.“<br />
Muffin-Scrooge schauderte ein wenig. „Was,<br />
wenn er wirklich so ein Kotzbrocken war, wie<br />
Elvira und Arnold behauptet hatten? Vielleicht<br />
würden die Geier ihn dann wirklich bald<br />
holen…Weiter kam Muffin mit seinen<br />
Gedanken nicht, da Elvira gerade draußen vor<br />
dem Fenster auftauchte. Dabei hatte sie Muffins<br />
Lieblingspyjama an (den, mit den kunterbunten
Hundepfötchen) und trug seinen Futternapf<br />
verkehrt herum auf dem Kopf.<br />
„Ich habe gehört der alte Kotzbrocken ist tot“,<br />
sagte sie dann mit gruseliger Stimme. „Dann<br />
braucht er das ja nicht mehr“, und während sie<br />
mit ihrem Schnabel große Löcher in den Pyjama<br />
pickte, nahm sie den Napf vom Kopf und<br />
trampelte wild darauf herum.<br />
„Jetzt reicht’s!!!“ rief Muffin zornesrot.<br />
Daraufhin lief er kopflos auf das Fenster zu<br />
hinter dem Elvira ihren lustigen Zerstörungstanz<br />
aufführte. „Na warte!“ rief Muffin noch, bevor<br />
er wie ein Volltrottel vor die geschlossene<br />
Fensterscheibe donnerte.<br />
„Wo bin ich?“ fragte er, als er eine Weile später<br />
in seinem Hundekörbchen wieder zu<br />
Bewusstsein kam.<br />
„Es ist alles gut“, hörte er Mama sagen, die ihn<br />
liebevoll an seinem schmerzenden Kopf kraulte,<br />
um den er einen dicken Verband hatte.<br />
„Du hattest nur einen kleinen Unfall“, erklärte<br />
sie ihm ruhig, „aber das wird schon wieder, mein<br />
Kleiner.“<br />
Erschöpft fiel Muffin in sein Kissen zurück – er<br />
erinnerte sich tatsächlich an gar nichts mehr.<br />
„Wer ist denn der große dicke Kerl da“,<br />
erkundigte er sich dann verwirrt, als Arnold sich<br />
neugierig über ihn beugte.<br />
„Aber das ist doch dein kleiner Bruder Arnold“,<br />
erwiderte Mama, erkennst du ihn denn nicht?“
Dunkel tauchten jetzt einige Bilder in seinem<br />
Kopf auf. Dabei sah er ein kleines schwarzes<br />
Welpenknäuel, das sich auf seiner Kuscheldecke<br />
breit machte und fröhlich in der Gegend<br />
herumrülpste. Das nächste war ein großes,<br />
tapsiges Ungetüm, das alles über den Haufen<br />
lief, dass sich ihm in den Weg stellte. Unsicher<br />
musterte er seinen kleinen Bruder, der ihn<br />
schließlich von oben bis unten wild abschleckte<br />
und voll sabberte.<br />
„’Tschuldigung, dass ich so gemein zu dir war“,<br />
sagte auf einmal ein schüchternes Stimmchen,<br />
das aus Arnolds Bauch zu kommen schien. „Ich<br />
wollte nicht, dass du dir den Kopf verbeulst.“<br />
Irritiert versuchte Muffin zu erkennen, wo genau<br />
die Stimme herkam, doch unter dem<br />
pechschwarzen Ungetüm mit der gelben Pfote<br />
konnte man überhaupt nichts erkennen.<br />
„Du willst jetzt sicher, dass ich in den Kochtopf<br />
komme“, fuhr die Stimme derweil bedrückt fort.<br />
„Wird wohl das Beste so sein, schließlich bringe<br />
ich nur Unglück.“ Damit krabbelte Elvira unter<br />
Arnolds Bauch hervor und trabte mit<br />
hängendem Kopf und Flügeln zur Küchentür.<br />
„Moment!“ rief Muffin ihr hinterher. „Warum<br />
denn so eilig? Es ist doch nicht deine Schuld,<br />
dass ich ’nen dicken Kopf habe.“ – „Genau“,<br />
mischte Arnold sich jetzt ein. „Elvira konnte ja<br />
schließlich nicht wissen, dass du gleich<br />
hundswild gegen die Fensterscheibe rennst, nur
weil sie deinen Napf und deinen<br />
Lieblingspyjama kaputt macht.“ Muffin<br />
schluckte.<br />
„Das hast du getan?“ fragte er dann leise und die<br />
Weihnachtsgans nickte mit hängendem Kopf.<br />
„Aber das ist doch kein Grund, dich zu<br />
verspeisen“, sagte Muffin jetzt gerührt.<br />
„Die Großen haben es aber beschlossen“,<br />
erklärte Arnold. „Elvira ist halt ’ne<br />
Weihnachtsgans.“ – „Nur über meine tote<br />
Leiche!“ rief Muffin erregt. „Ich werde sofort zu<br />
Mama und Papa laufen und ihnen sagen, dass sie<br />
Elvira nicht umbringen dürfen.“ Mit diesen<br />
Worten sprang er aus seinem Körbchen und lief<br />
hinunter ins Weihnachtszimmer.<br />
„Ihr dürft Elvira nichts tun“, rief er aufgeregt.<br />
„Wer sagt denn, dass wir Elvira was tun<br />
wollen?“ erkundigte sich Mama und kraulte ihm<br />
dabei besänftigend über den Kopf.<br />
„Arnold sagt, ihr wollt sie in den Kochtopf<br />
werfen.“ – „Also, wenn dann gehört sie in den<br />
Ofen“, entgegnete Papa, „aber nach eurer<br />
lustigen Aufführung haben wir entschieden sie<br />
am Leben zu lassen.“ – „Wirklich?“ fragten<br />
Arnold und Elvira jetzt, wie aus einem Mund,<br />
als sie in den Raum kamen.<br />
„Versprochen“, erwiderte Mama.<br />
„Aber nur“, fügte Papa hinzu, „wenn ihr in<br />
Zukunft immer artig bei Wind und Wetter mit
ihr rausgeht, sie ist nämlich jetzt euer Vogel,<br />
dass das klar ist.“<br />
Muffin und Arnold nickten erleichtert und auch<br />
von Elviras gefiederten Schultern fiel ein riesiger<br />
Felsbrocken.<br />
„Aber was ist jetzt mit eurem Theaterstück?“<br />
erkundigte sich Mama schließlich. „Ihr habt uns<br />
das Ende doch noch gar nicht vorgespielt.“<br />
Mama hatte Recht, allerdings litt Muffin immer<br />
noch unter leichtem Gedächtnisverlust, darum<br />
entschieden sie das Stück morgen Abend noch<br />
einmal aufzuführen.<br />
Während all der Aufregung hatten die Wauzis<br />
fast die Bescherung vergessen.<br />
„Ich schlage vor“, sagte Mama schließlich, „ihr<br />
macht gemeinsam mit Elvira noch eine kleine<br />
Nachtwanderung, damit wir eure Geschenke<br />
unter den Baum legen können.“<br />
Arnold machte einen Freudensprung und wäre<br />
dabei um ein Haar im Weihnachtsbaum<br />
gelandet, der mittlerweile schon ganz schön<br />
mitgenommen aussah.<br />
Und nachdem die drei sich auf den Weg durch<br />
die frostigkalte Nacht gemacht hatten, atmeten<br />
die Großen erleichtert auf. „Ich würde<br />
vorschlagen wir beseitigen erstmal das Chaos,<br />
das unsere Jungs angerichtet haben“, sagte<br />
Mama schließlich seufzend und nachdem sie den<br />
Tannenbaum neu geschmückt, die Naschereien<br />
in die Näpfe gefüllt und die Geschenke unter
den Baum gelegt hatte, konnte die Bescherung<br />
endlich beginnen.<br />
Das Essen war natürlich in der Zwischenzeit<br />
kalt geworden, aber das würde sowieso keinem<br />
der gierigen Futtervernichter auffallen.<br />
Allerdings hatte man für Elvira jetzt auch einen<br />
Napf hingestellt und während Mama noch ihr<br />
neues Gänsekörbchen neben den beiden<br />
Hundebettchen im Schlafzimmer einrichtete,<br />
versuchte Papa die drei Nachtwanderer Heim zu<br />
rufen.<br />
„Gibt’s jetzt die Geschenke?“ fragte Muffin<br />
aufgeregt.<br />
„Gibt’s jetzt was zu futtern?“ rief Arnold, indem<br />
er seinen lustigen Futtertanz aufführte.<br />
„Ruhig, ruhig“, versuchte Papa die Meute zu<br />
zügeln, „schaut einfach mal ins<br />
Weihnachtszimmer, vielleicht hat der<br />
Weihnachtswuffi ja an beides gedacht.<br />
Und tatsächlich, als die drei ins Wohnzimmer<br />
kamen, waren da nicht nur jede Menge lustige<br />
Pakete, sondern auch eine lange Futtertafel mit<br />
den herrlichsten Wauzileckereien. Gierig stürzte<br />
Arnold sich auf seinen Napf, während Muffin<br />
sich direkt über die Geschenke hermachte.<br />
Nur Elvira stand noch schüchtern in der Tür.<br />
Sie war so beeindruckt von dem festlich<br />
beleuchteten Tannenbaum, dem Knistern des<br />
Kaminfeuers, dem Weihnachtsduft und den
hübsch verpackten Geschenken, dass sie sich<br />
kaum traute einzutreten.<br />
„Komm ruhig herein Elvira“, sagte Mama<br />
schließlich freundlich. „Auch für dich hat der<br />
Weihnachtshund…äh…die Weihnachtsgans<br />
etwas unter den Baum gelegt.“<br />
Zaghaft watschelte Elvira zum Tannenbaum, wo<br />
Papa ihr ein kleines Paket überreichte.<br />
„Ist das für mich?“ fragte Elvira unsicher.<br />
„Ja, ja“, erwiderten die Großen, „mach es nur<br />
auf.“<br />
Und nachdem sie mit ihrem Schnabel vorsichtig<br />
das Papier entfernt hatte, begann sie fröhlich zu<br />
quieken. In dem Päckchen war nämlich eine<br />
hübsche rosa Schleife, die Elvira sich gleich stolz<br />
um den Hals binden ließ.<br />
Derweil war Muffin von seinem Geschenk<br />
weniger angetan. „O, ein Hundemantel“, sagte<br />
er etwas enttäuscht, nachdem er das Paket<br />
zerfetzt hatte.<br />
„Es ist derselbe, den Mama auch hat“, erklärte<br />
Papa. „So was hast du dir doch schon immer<br />
gewünscht.“<br />
Eigentlich lief Muffin am liebsten nackt durch<br />
die Gegend, schließlich war so ein Hundemantel<br />
eine wirklich peinliche Sache, für die man leicht<br />
mal eins auf die Schnauze bekommen konnte,<br />
und die Tatsache, dass er von nun an mit Mama<br />
im Partnerlook durch den Park spazieren sollte,<br />
machte ihm beinahe ein wenig Angst.
„Ich hab doch gesagt, dass er sich freut“, sagte<br />
Mama stattdessen, doch Papa schien die Sache<br />
etwas anders zu sehen. Aus diesem Grund<br />
flüsterte er Muffin jetzt unauffällig zu: „Wenn<br />
nur wir Männer unterwegs sind, musst du das<br />
alberne Ding natürlich nicht tragen.“ Dankbar<br />
schleckte Muffin ihm über die Hand, bevor er<br />
das teure Mäntelchen unauffällig in der<br />
hintersten Ecke unter dem Weihnachtsbaum<br />
verschwinden ließ.<br />
Arnold hatte derweil mehr Spass mit seinen<br />
Geschenken. „Ein Fußball!“ rief er aufgeregt<br />
und begann wild hinter dem Leder herzujagen,<br />
wobei ungefähr zehn Christbaumkugeln, eine<br />
Puddingschüssel und zwei Sektgläser samt<br />
Flasche zu Bruch gingen. Zudem war es Arnold<br />
noch gelungen mit nur einem einzigen<br />
Nasenschuss Mamas gesamte Engelarmee<br />
auszulöschen. Muffin und Papa grinsten,<br />
während Mama dem wild gewordenen<br />
Neufundländer ganz kräftig die Hundeleviten<br />
las, bis…<br />
…ein gezielter Schuss zwischen die Augen sie<br />
endlich zum Schweigen brachte.<br />
Als Muffin, Arnold und die Weihnachtsgans<br />
später erschöpft in ihre Hundebettchen fielen,<br />
waren sie immer noch so aufgeregt, dass sie<br />
kaum einschlafen konnten.<br />
„Weiß nicht jemand ’ne gruselige Böse-Nacht-<br />
Geschichte?“ fragte Muffin irgendwann.
Und während er und Arnold genüsslich an<br />
ihrem Weihnachtsknochen kauten, rückte Elvira<br />
ihre rosa Schleife zurecht und begann mit<br />
finsterer Stimme eine schauerliche Geschichte<br />
zu erzählen:<br />
Die Legende vom kopflosen Hund<br />
„Es war einmal“, begann die Weihnachtsgans<br />
geheimnisvoll, „auf einem schauerlichen<br />
Kirchhof, auf dem eine große, alte Eiche stand.<br />
Da kam eines Tages ein sturzbetrunkener Hund<br />
namens Jack vorbei und pullerte wild gegen den<br />
Baum, wovon der Höllenhund erwachte, der<br />
zwischen den Blättern der Eiche schlief.<br />
‚Morgen Nacht werde ich dich zu mir holen’,<br />
sagte er mit schauriger Stimme, aber Jack lallte<br />
nur unbeeindruckt: ‚hlniffemuggg grümmmhgr.’<br />
Der Höllenhund hatte natürlich kein Wort<br />
verstanden, darum sagte er noch einmal:<br />
‚Morgen Nacht werde ich dich zu mir holen.’ –<br />
‚hlniffemuggg grümmmhgr’, erwiderte Jack<br />
erneut.<br />
Das war zuviel. Ärgerlich holte der Höllenhund<br />
seine Sense hervor und schlug Jack mit nur<br />
einem Schlag den Kopf ab und sagte dabei: ‚Ich<br />
hab’s mir überlegt, ich werde dich doch schon<br />
heute Nacht zu mir holen, du besoffener Köter.’
Doch Jack war nicht tot, der Höllenhund hatte<br />
nämlich den gekreuzten Knochen übersehen,<br />
den er an einer Kette um seinen Hals getragen<br />
hatte. Es ist nämlich so, dass der Höllenhund<br />
beim Anblick des gekreuzten Knochens die<br />
Macht über sein Opfer verliert, darum musste er<br />
sich jetzt theatralisch in stinkenden Nebel<br />
auflösen.<br />
An dieser Stelle könnte die Geschichte zu Ende<br />
sein, wenn, ja wenn, Jack noch seinen Kopf auf<br />
seinen Schultern gehabt hätte, doch<br />
dummerweise war dieser die steile Strasse hinab,<br />
direkt vor das Wirtshaus gerollt, in dem Jack am<br />
Abend gezecht hatte.<br />
Seitdem sah man Jack nicht mehr in einem<br />
Stück. Aber“, fuhr Elvira mit gruseliger Stimme<br />
fort, „es wird behauptet, dass man seinen<br />
kopflosen Körper in hellen Vollmondnächten<br />
blind über den Kirchhof laufen sehen kann, wo<br />
er wohl seinen Kopf sucht.“<br />
Stolz beendete Elvira ihre gruselige<br />
Schauergeschichte und hoffte, dass sich die<br />
Wauzis nicht allzu sehr geängstigt hatten. Doch<br />
statt Muffins und Arnolds tosendem Applaus,<br />
hörte sie nur noch ein grunzendes Schnarchen<br />
aus den Hundebettchen.
Weihnachtsmorgen<br />
Als die ersten winterlichen Sonnenstrahlen die<br />
Wuffis am nächsten Morgen sanft an ihren<br />
Schnüffelnasen kitzelten, erwachten Muffin und<br />
Arnold frisch ausgeschlafen und gut gelaunt.<br />
Nur Elvira hatte eine fürchterliche Nacht hinter<br />
sich, da sie nach ihrer Schauergeschichte von der<br />
schlimmen Höllengans geträumt hatte.<br />
„Gibt’s heute auch Geschenke?“ erkundigte sich<br />
Arnold derweil erwartungsfroh.<br />
„Natürlich nicht“, erklärte Muffin barsch, „sei<br />
froh, dass der Weihnachtswuffi überhaupt zu dir<br />
gekommen ist, wo du doch so ein undankbarer<br />
Gierschlund bist.“<br />
Beleidigt knurrte Arnold ihn an. „Dann<br />
brauchen wir ja das dumme Theaterstück auch<br />
nicht mehr weiterspielen.“ – „Erinnerst du dich<br />
nicht mehr, was ich über den stürmischen<br />
Lebensnapf und den andächtigen Ruheknochen<br />
sagte, hä?“ fragte Muffin ihn provozierend.<br />
„Ja, ja“, erwiderte Arnold gelangweilt, „dass es<br />
nicht bloß ums Mampfen und vollaufen lassen<br />
geht und so.“ – „Genau das!“ versetzte Muffin<br />
genugtuend. ‚Meine Erziehung scheint langsam<br />
Früchte zu tragen’, dachte er dabei stolz.<br />
„Arnold!!!“ brüllte Mama plötzlich zornig aus<br />
der Küche. „Hast du etwa den<br />
Weihnachtskuchen gefressen?“ Mit gespielter<br />
Empörung schüttelte Arnold den Kopf:
„Börps!“ entfuhr es ihm dabei und als nächstes<br />
spuckte er unfreiwillig den ganzen leckeren<br />
Weihnachtsschokoladenkuchen mitten ins<br />
Wohnzimmer.<br />
Mama raufte sich die Haare. „Hätten wir uns<br />
nicht einfach ein Meerschweinchen anschaffen<br />
können?“ sagte sie dabei verzweifelt zu sich<br />
selbst.<br />
Im nächsten Augenblick kam Elvira total<br />
zerzaust und schlaftrunken ins Wohnzimmer,<br />
und nachdem Mama der Weihnachtsgans ihr<br />
ganzes Leid geklagt hatte, verschwand diese kurz<br />
in der Küche und kam anschließend mit einer<br />
viel zu großen Schürze um den Hals, einer<br />
Kochmütze auf dem Kopf und einem<br />
Nudelholz in den Flossen wieder ins<br />
Weihnachtszimmer.<br />
„Das ist lieb von dir“, sagte Mama gerührt,<br />
„aber das letzte Mal, als ich Arnold mit dem<br />
Nudelholz verhauen habe, ist das Ding glatt<br />
kaputtgegangen.“ – „Ich wollte ja auch nur in<br />
der Küche helfen“, versetzte Elvira derweil<br />
zaghaft.<br />
„Ach so“, erwiderte Mama, „dann kannst du<br />
gleich mal die Zutaten für den neuen Teig aus<br />
dem Kühlschrank holen.“ – „Darf ich Elvira<br />
dabei helfen?“ rief Arnold jetzt aufgeregt, bevor<br />
Mama ihm einen Eimer und einen Putzlappen<br />
an den Kopf warf.
„Du darfst die Schweinerei wegmachen, die du<br />
im Wohnzimmer veranstaltet hast“, sagte sie<br />
dabei barsch und ging in die Küche.<br />
Eine halbe Minute später tauchte Arnold<br />
fröhlich in der Küche auf: „Die Schweinerei ist<br />
weg. Börps!“ sagte er dabei, indem er ihr den<br />
unbenutzten Eimer und den Putzlappen artig<br />
zurückgab.<br />
Skeptisch ging Mama hinüber ins Wohnzimmer,<br />
und tatsächlich von dem Malheur war wirklich<br />
nichts mehr zu sehen – außer, einem großen<br />
Sabberfleck.<br />
„Du Sauwauwau!“ brüllte Mama jetzt. „Hast du<br />
es etwa gefressen?“<br />
Unschuldig pfeifend wollte Arnold sich gerade<br />
aus der Küche stehlen, als Muffin ihm mit<br />
verschränkten Pfoten den Weg versperrte.<br />
„Du bist ein Freak!“ fuhr er Arnold an.<br />
„Entweder du lernst auf mein Kommando zu<br />
hören oder…“ Muffin machte sich so groß wie<br />
er konnte, doch Arnold war immer noch<br />
beinahe doppelt so groß wie er. „…oder ich<br />
sag’s Papa“, vollendete er vorsichtig seinen Satz.<br />
Arnold grunzte. „Du hättest es auch getan“,<br />
sagte er dann trotzig.<br />
„Was hätte ich auch getan?“ – „Na, den Kuchen<br />
gefuttert.“<br />
Eigentlich hatte Arnold Recht, doch da Muffin<br />
ja der große Vorbild-Hund war, konnte er das<br />
unmöglich zugeben.
„Ich hätte den blöden Kuchen weder einmal<br />
noch nocheinmal gefuttert“, log Muffin, der sich<br />
jetzt heimlich darüber ärgerte, dass er immer so<br />
folgsam war und ihm so die besten Leckerbissen<br />
und Späße durch die Lappen gingen.<br />
„Mama sagt“, begann Elvira jetzt, die die ganze<br />
Zeit fleißig hinter dem Herd herumgewerkelt<br />
hatte, „wenn ihr eure doofe<br />
<strong>Weihnachtsgespenstergeschichte</strong> zu Ende<br />
spielen wollt, sollt ihr das gleich tun, weil sie<br />
heute Abend gemütlich mit Papa zusammen sein<br />
will.“ – „Was heißt das“, fuhr Muffin die Gans<br />
verwirrt an, „wollen die sich etwa ohne uns ’nen<br />
schönen Weihnachtsabend machen?“ –<br />
„Also…ähm“, stotterte Elvira zaghaft, „gegen<br />
meine Anwesenheit haben sie nichts.“ – „Ha“,<br />
rief Muffin spöttisch, „wahrscheinlich, weil sie<br />
dich jetzt doch verspeisen wollen, da kannst du’s<br />
dir ja gleich im Ofen bequem machen.“ –<br />
„Pfui“, versetzte die Weihnachtsgans empört.<br />
„Vielleicht wollen die aber auch nur keine<br />
sabbernden, rülpsenden Stinkeköter unter ihrem<br />
gemütlichen Tannenbaum haben.“ – „So ein<br />
Wurstquark!“ ereiferte sich Arnold. „Ich kenne<br />
niemanden, der sich keinen sabbernden,<br />
rülpsenden Stinkeköter unterm Tannenbaum<br />
wünscht.“ – „Das ist“, erwiderte Elvira ruhig,<br />
„weil du keine zivilisierten Bekanntschaften<br />
hast.“ – „Ich habe sehr wohl sehr viele<br />
zwielichtige Bekanntschaften“, erwiderte Arnold
hitzig. „Aber die dumme Gans glaubt ja, nur<br />
weil die Großen sie nicht geröstet haben, wäre<br />
sie was ganz besonderes.“ – „Das bin ich auch“,<br />
sagte Elvira gekränkt. „Aber du scheinst zu<br />
glauben, nur weil sie dich unter ’ner einsamen<br />
Brücke gefunden haben, haben sie dich lieber,<br />
als uns.“ Arnold schwieg betroffen.<br />
Dann drehte er sich in Muffins Richtung und<br />
fragte leise: „Haben Mama und Papa mich<br />
wirklich unter der Brücke gefunden?“ – „Keine<br />
Ahnung“, erwiderte Muffin achselzuckend, „ich<br />
weiß nur, dass du irgendwann im Auto saßt und<br />
ganz schön jämmerlich aussahst.“<br />
Eine dicke Träne kullerte über Arnolds<br />
Sabberschnauze. War er wirklich bloß ein armer<br />
Neufundländer-Findling? Dabei hatte er sich<br />
doch immer soviel auf seinen ordentlichen<br />
Stammbaum und seine adeligen Vorfahren<br />
eingebildet.<br />
„Kopf hoch, mein Freund“, versuchte Muffin<br />
ihn zu trösten. „Wir sitzen doch alle im selben<br />
Napf, schließlich bin ich auch nur so ’ne<br />
dahergelaufene Promenadenmischung.“ Doch<br />
Arnold ließ sich nicht aufheitern.<br />
Das Stück wird fortgesetzt<br />
Als die beiden Wauzis und die Weihnachtsgans<br />
sich auf den letzten Akt ihres Stückes
vorbereiteten, trabte Arnold irgendwann<br />
unauffällig (wie ein 70kg schwerer<br />
Neufundländer so ist) ins Weihnachtszimmer,<br />
wo Mama und Papa gemütlich ihren<br />
frischgebackenen Weihnachtskuchen<br />
verspeisten.<br />
„Was ist los?“ fragte Mama fröhlich. „Darfst du<br />
nicht mehr mitspielen, weil du die Requisiten<br />
gefressen hast?“ Papa lachte, doch Arnold war<br />
gar nicht nach dummen Witzen zu Mute.<br />
„Habt ihr mich gefunden?“ fragte er schließlich<br />
direkt.<br />
„Was meinst du damit?“ wollte Mama wissen.<br />
„Ich meine, ob ich ein verwaister<br />
Neufundländer-Findling bin?“<br />
Mama und Papa brachen in schallendes<br />
Gelächter aus.<br />
„Ich wünschte wir hätten dich gefunden“,<br />
erklärte Papa schließlich, indem er dem großen,<br />
schwarzen Riesenbaby liebevoll über den Kopf<br />
streichelte, „du hast uns nämlich ein Vermögen<br />
gekostet.“ – „Ehrlich?“ fragte Arnold zaghaft.<br />
„Ehrlich!“ versetzt Mama.<br />
„Dann war ich teurer als Muffin oder Elvira?“ –<br />
„Du warst so teuer, wie drei Muffins und zehn<br />
Elviras zusammen. Das heißt aber nicht“, fügte<br />
Papa ernst hinzu, „dass sie uns weniger wert<br />
sind.“<br />
Fröhlich pfeifend schlurfte Arnold zurück zu<br />
seinen Schauspiel-Kollegen - doch er sagte
nichts. „Also meinetwegen kann’s losgehen“,<br />
erklärte er schließlich selbstbewusst, „ich weiß<br />
meinen Text.“ Natürlich war das gelogen, aber<br />
das war Arnold in diesem Moment egal. Er hatte<br />
seinen Triumph und nur das zählte.<br />
„Ich bin das Gespenst der zukünftigen<br />
Weihnacht“, begann Arnold dann, nachdem er<br />
sich wieder unter seinem schwarzen Umhang<br />
versteckt und seine Pfote lustig angemalt hatte,<br />
„und ich bin hier, um mit meiner prophetischen<br />
Weihnachtskugel der Gans die Zukunft<br />
weiszusagen.“ Fragend blickten Elvira und<br />
Muffin sich an, als Arnold jetzt eine goldene<br />
Christbaumkugel hervorholte und theatralisch<br />
zu quatschen begann: „Ich sehe ein großes<br />
Haus, indem viele einsame Weihnachtsgänse<br />
sitzen. Über der Tür hängt ein Schild, auf dem<br />
in großen Buchstaben steht:<br />
‚Weihnachtsgansasyl.’ Aber“, fuhr Arnold fort,<br />
indem er immer noch wie hypnotisiert auf die<br />
Christbaumkugel starrte, „da ist eine Gans, die<br />
sieht ganz mickrig aus. Aber das ist ja Elvira“,<br />
fügte er mit gespieltem Erstaunen hinzu. Und<br />
während Arnold weiter in die Kugel glotzte,<br />
begann er mit verstellter für die ausgesetzte<br />
Gans zu reden: „Ach, wäre ich doch nicht so<br />
gemein zu meinen Wauzis gewesen, dann hätte<br />
ich jetzt sicher noch ein gemütliches<br />
Gänsekörbchen und zwei dufte große Freunde,<br />
aber ich hab’s halt vermasselt.“ Muffin grinste
von einem Ohr bis zum anderen und die<br />
Großen waren jetzt doch ein wenig irritiert. Nur<br />
Elvira funkelte Arnold gefährlich an, bevor sie<br />
sich die prophetische Kugel schnappte,<br />
hineinsah und schließlich mit Arnolds verstellter<br />
Stimme erklärte: „Ach, wäre ich doch nicht so<br />
ein saublöder Findelhund hätte ich sicher ganz<br />
viele echte Freunde, aber so muss ich halt<br />
immer erst meine Pfötchen sprechen lassen,<br />
damit die anderen mich mögen.“ Muffin und die<br />
Großen schmunzelten, da sie immer noch<br />
glaubten die kleine Persiflage gehörte mit zum<br />
Stück, bis Arnold plötzlich auf Elvira losging,<br />
ihr die Kugel wegschnappte und mit eigener,<br />
verstellter Stimme sagte: „Ich bin ein ganz<br />
kostbarer Rassewuffi und ich gebe mich nur mit<br />
Entenpack ab, weil, weil…“ Doch ihm fiel<br />
nichts ein. Auf einmal tat ihm Elvira irgendwie<br />
leid, weil er sie so gemein beschimpft hatte,<br />
darum sprang er jetzt mit einem Satz vor sie und<br />
busselte die arme Weihnachtsgans, bis sie<br />
ohnmächtig hintenüber kippte.<br />
„Neufundländer-Launen halt“, sagte Muffin<br />
entschuldigend, als er die fragenden Gesichter<br />
der Großen sah. Und da er die Hoffnung<br />
mittlerweile aufgegeben hatte, dass sie ihr Stück<br />
vor Silvester zu Ende bekommen würden,<br />
schnappte er sich jetzt die Weihnachtskugel und<br />
begann – natürlich mit verstellten Stimmen –
seine <strong>Weihnachtsgespenstergeschichte</strong> alleine zu<br />
Ende zu spielen:<br />
„Bist du das Gespenst, das mir die Zukunft<br />
zeigen will?“ fragte Muffin-Srooge.<br />
Der Muffin-Geist nickte stumm.<br />
„Du bist ganz schön unhöflich“, erwiderte<br />
Muffin-Scrooge, „deine Vorgänger-Gespenster<br />
sahen nicht nur freundlicher aus, sie waren auch<br />
wesentlich gesprächiger.“<br />
Gerade als Arnold ihn unterbrechen wollte, um<br />
zu erklären, dass das natürlich nur daran gelegen<br />
hatte, weil er die beiden ersten Geister gespielt<br />
hatte, schleuderte Muffin ihm seine<br />
prophetische Christbaumkugel genau zwischen<br />
die Zähne, so dass der arme Arnold nur noch<br />
albern „hmpf“ sagen konnte. Derweil fuhr<br />
Muffin-Scrooge ernst fort: „Gut Gespenst, ich<br />
weiß wie wichtig die Sache für dich ist, also lass<br />
sie uns schnell hinter uns bringen. Schließlich<br />
haben deine Gespensterbrüder mir ja bereits<br />
gezeigt, was für eine Stinkepfote ich immer war<br />
und ich habe mir vorgenommen, von nun an<br />
netter zu sein.“<br />
Doch der Muffin-Geist sagte wieder nichts.<br />
„So kommen wir nicht weiter“, beschwerte<br />
Muffin-Scrooge sich, „du musst schon auch<br />
sagen, was du willst und was ich tun soll.“<br />
Muffin-Geist schwieg.<br />
„Hundearsch und Zwirn!!!“ fluchte Muffin-<br />
Scrooge verärgert. „Ich quatsch’ mir hier die
Schnauze wund und du stehst nur gelangweilt da<br />
und sagst nix. Es ist nämlich normalerweise<br />
nicht meine Art so viel dummes Zeug mit einem<br />
unsichtbaren, stummen Geist zu labern, aber das<br />
Stück muss schließlich weitergehen und wenn<br />
du nicht sprechen möchtest, dann muss ich den<br />
ganzen Text aufsagen und dabei will ich doch<br />
nur…“ – „Gib mir endlich die verdammte<br />
Kugel“, fuhr der stumme Muffin-Geist ihn<br />
plötzlich an.<br />
„Oh“, erwiderte Muffin-Scrooge kurz, „die<br />
Weissageweihnachtskugel. Die hätte ich fast<br />
vergessen.“ Daraufhin ging er zu Arnold rüber<br />
und boxte ihm die Weihnachtskugel mit einem<br />
gekonnten Pfötchen-Punch aus dem Maul. Und<br />
gerade als Arnold ärgerlich loslegen wollte, hielt<br />
Elvira ihm eine Flosse vors Maul. „Hmpf“, das<br />
war das einzige, was er noch protestierend von<br />
sich geben konnte.<br />
Unterdessen war es Muffin-Scrooge gelungen<br />
Muffin-Geist (also sich selbst) die Weissage-<br />
Kugel ins Pfötchen zu drücken und während der<br />
Muffin-Geist jetzt bedeutend auf die Kugel<br />
deutete, erklärte Muffin-Scrooge dem Publikum,<br />
was es darin zu sehen gab:<br />
„Ich sehe“, begann er feierlich, „ganz viele<br />
traurige Hunde, die ganz betrübt um ein frisches<br />
Grab stehen. Das ist sicher mein Grab, oder<br />
Geist?“
Irritiert schüttelte der Muffin-Geist jetzt die<br />
Weissagekugel, dann ließ er Muffin-Scrooge<br />
noch einmal einen Blick hineinwerfen.<br />
„Ich sehe“, begann Muffin-Scrooge erneut,<br />
„eine Horde wilder Straßenköter, die auch um<br />
ein Grab stehen und alberne Witze über den<br />
Toten machen. Hey, einer von denen hat ja<br />
meinen Lieblingspyjama an.“<br />
Muffin-Geist nickte bedeutend.<br />
„Ist das etwa mein Grab?“ erkundigte sich<br />
Muffin-Scrooge dann vorsichtig.<br />
Muffin-Geist nickte erneut.<br />
„Aber warum haben die denn alle meine Sachen<br />
an und tragen meine Halsbänder und fressen<br />
meine ersparten Knochen?“<br />
Das waren zu viele Fragen auf einmal für den<br />
Muffin-Geist, darum nickte er nur verwirrt und<br />
schüttelte anschließend den Kopf.<br />
„Die haben sicher nur gewartet bis ich Tod bin,<br />
um mich dann zu berauben, nicht wahr?“ fragte<br />
Muffin-Scrooge betrübt.<br />
Diesmal war die Frage leichter, darum nickte der<br />
Muffin-Geist jetzt wieder energisch.<br />
„Aber was habe ich denen denn getan?“ wollte<br />
Muffin-Scrooge wissen. Daraufhin zog er sich<br />
einen großen Schlapphut an und begann mit<br />
gemeiner verstellter Stimme: „Der alte Scrooge<br />
ist selbst Schuld daran, dass keiner um ihn<br />
trauert. Wäre er nicht so eine habgierige<br />
Motzpfote gewesen, hätte er auch nicht
hundeseelenallein in seinem Körbchen den<br />
Knochen abgeben müssen, aber weil er ja<br />
niemals nicht irgendwelche Freunde hatte…“ –<br />
„Aber der Marley“, unterbrach Muffin-Scrooge<br />
sich selbst, „der Marley war doch mein bester<br />
guter Freund.“<br />
Der Muffin-Geist bekam einen Lachanfall.<br />
„Aber was soll denn jetzt aus mir werden?“<br />
fragte Muffin-Scrooge mit verzweifelter Stimme.<br />
„Ich will mir nicht von allen Hunden verlassen<br />
die Knochen von unten ansehen müssen.“<br />
Muffin-Scrooge begann jetzt bitterlich zu<br />
weinen und indem er sich verzweifelt an eines<br />
von Muffin-Geists(!) Beinen klammerte, jaulte er<br />
wie ein Schlosshund.<br />
Plötzlich gab es einen riesengroßen Knall.<br />
Arnold hatte sich nämlich von Elvira befreit und<br />
lief nun aufgeregt zu Muffin-Geist, um ihm<br />
einen ordentlichen Schwinger zu verpassen.<br />
„Du gemeines Gespenst, du kannst den armen<br />
Muffin doch nicht so leiden lassen!“<br />
Und während Muffin-Geist in einer<br />
improvisierten Rauchfahne ‚verschwand’, rieb<br />
Muffin-Scrooge sich die schmerzende<br />
Schnauzennase.<br />
„Wo ist der Geist denn hin?“ fragte Muffin-<br />
Scrooge schließlich mit gespielter Überraschung.<br />
„Keine Sorge, Muffin, der wird dir jetzt nichts<br />
mehr tun“, erwiderte Arnold.
„Ich glaube“, mischte Elvira sich jetzt ein, „er ist<br />
durchs Schlüsselloch geflohen.“ – „Pooh“, sagte<br />
Muffin-Scrooge, indem er sich erleichtert<br />
umschaute, „dann bin ich gar nicht Tod,<br />
sondern daheim zu Hause in<br />
Johanneskirchdorf.“<br />
Mit einem tosenden Applaus belohnten die<br />
Großen Muffins schauspielerische<br />
Glanzleistung, doch das Stück war noch nicht zu<br />
Ende.<br />
Für die großartige Schlussszene ließ Muffin aber<br />
auch Elvira und Arnold wieder mitspielen, nicht<br />
zuletzt weil so eine Ein-Hund-Show ganz schön<br />
anstrengend und kompliziert war.<br />
Das Happy-End<br />
„Welchen Tag haben wir heute, Junge?“ rief<br />
Muffin-Scrooge Arnold zu, der als pfeifender<br />
Junghund verkleidet an ihm vorbeischlurfte.<br />
„Heute ist Weihnachten, Sir“, erwiderte der<br />
Kleine gut gelaunt.<br />
„Wirklich?“ rief Scrooge erstaunt. „Dann lauf<br />
mal hinüber in den Laden auf der Ecke und<br />
kauf’ den größten Truthahn, den du kriegen<br />
kannst.“ Damit drückte Scrooge ihm großzügig<br />
ein paar Knochen in die Pfote und erklärte ihm,<br />
dass er den Vogel zu Bob Cratchit bringen<br />
sollte.
„Der wird Augen machen“, sagte Scrooge<br />
kichernd, während er sich eilig auf den Weg zu<br />
seinem Neffen machte.<br />
Natürlich war Scrooge absolut erleichtert, dass<br />
er dem furchterregenden Gestern-, Heute und<br />
Morgengespenst noch einmal von der Schippe<br />
gesprungen war, darum tanzte er jetzt wíld<br />
durch die Strassen, bis er vor dem Haus seines<br />
Neffen ankam.<br />
„Ich bin’s Onkel Scrooge. Darf ich mit euch<br />
Weihnachten feiern?“ rief er laut, als er mit den<br />
Pfoten an die Tür klopfte.<br />
„Onkel Scrooge?“ fragte Elvira-Neffe erstaunt.<br />
„Genau der!“ erwiderte Scrooge. „Und ich habe<br />
euch Geschenke mitgebracht.“<br />
Freundlich, aber misstrauisch ließ man Scrooge<br />
ins Haus und nachdem sie gemeinsam fürstlich<br />
gefuttert und die Geschenke aufgerissen hatte,<br />
spielten sie noch jede Menge lustige Spiele, so<br />
wie das Gespenst es ihm in seinem Traum<br />
gezeigt hatte.<br />
Am nächsten Tag wartete Scrooge ungeduldig<br />
darauf, dass sein Angestellter Bob Cratchit, alias<br />
Elvira, endlich zur Arbeit kam.<br />
„Du bist eine halbe Stunde zu spät“, begrüßte er<br />
Bob streng.<br />
„Ähm…ich musste noch…ich war…Ach,<br />
gestern Abend war doch Weihnachten, da war<br />
ich halt ein bisschen lustig - darum bin ich zu<br />
spät. Du kannst mir die verlorene Zeit aber
gerne von den Knochen abziehen.“ Scrooge<br />
lachte. „Reingelegt!“ rief er dann. „Und soll ich<br />
dir was sagen? Ich werde deine Knochen sogar<br />
erhöhen.“ – „Wirklich?“ fragte Cratchit<br />
ungläubig.<br />
„Wirklich!“ bekräftigte Scrooge. „Und die<br />
Operation für deinen Jungen werde ich auch<br />
zahlen.“ Cratchit konnte kaum glauben, was er<br />
hörte, und nachdem er sich überschwänglich<br />
bedankt und Scrooge unaufhörlich die<br />
verschwitzte Pfote geschüttelt hatte, schickte<br />
dieser ihn wieder nach Hause, um weiter lustig<br />
zu sein und Weihnachten mit seiner Familie zu<br />
feiern.<br />
„Der alte Scrooge“, sagte Arnold, der zum<br />
Schluss ganz alleine auf der Wohnzimmerbühne<br />
stand, „ist am Ende wirklich ein ganz, ganz<br />
anderer Wuffi geworden, nett und freundlich,<br />
und er hatte seitdem auch nie wieder<br />
Verabredungen mit fürchterlichen<br />
Weihnachtsgespenstern.“ Mit diesen Worten<br />
endete Muffins, Arnolds und Elviras<br />
<strong>Weihnachtsgespenstergeschichte</strong> und nachdem<br />
die Großen ihnen kräftig applaudiert hatten,<br />
nahm Mama Papa bei Seite und flüsterte ihm<br />
etwas zu.<br />
„Wir haben gedacht“, erklärte Papa schließlich<br />
den beiden Wuffis und der Weihnachtsgans,<br />
„dass ihr euch sicher noch über ein weiteres
Geschenk freuen würdet, als Lohn für eure<br />
Arbeit sozusagen.“<br />
Arnold machte einen Freudensprung: „Jetzt<br />
gibt’s sicher was zu futtern“, rief er dabei<br />
fröhlich.<br />
„Quatsch“, entgegnete Muffin, „die haben<br />
sicher noch tolles Hundespielzeug für uns.“ –<br />
„Blödsinn“, mischte Elvira sich ein, „wir<br />
machen sicher einen großen Abenteuerausflug.“<br />
Wie sich herausstellte, lag Elvira mit ihrer<br />
Vermutung am nächsten dran.<br />
„Wir werden“, begann Papa feierlich, „heute<br />
Abend ins Theater gehen, da können wir dann<br />
alle gemeinsam das Stück ansehen.“<br />
Muffin und Arnold fiel die Kinnlade runter.<br />
„Ins Theater?“ fragte Muffin dann entsetzt.<br />
Papa und Mama nickten eifrig.<br />
„Eine tolle Idee“, sagte Elvira derweil, ich war<br />
noch nie im Theater und ein bisschen Kultur<br />
kann ja nie schaden. Das wird sicher lustig.“<br />
„Gibt’s da was zu futtern?“ erkundigte sich<br />
Arnold, indem er sich erwartungsfroh über die<br />
Lefzen schleckte.<br />
„Natürlich gibt’s da nix zu futtern“, erklärte<br />
Muffin ihm, indem er ihn unsanft in den Magen<br />
boxte.<br />
„Aber was sollen wir denn dann da?“ fragte<br />
Arnold unsicher.
„Wir werden uns einfach nur das Stück<br />
anschauen“, erwiderte Mama, „aber diesmal mit<br />
richtigen Schauspielern.“<br />
Gekränkt glotzte Muffin Mama an. „Richtige<br />
Schauspieler?“ fragte er schließlich unwirsch.<br />
„Und was waren wir dann? Blöde<br />
Pausenclowns?“ Die Großen lachten.<br />
„Natürlich seid ihr keine Pausenclowns“,<br />
erklärte Papa dann schlichtend. „Aber wir<br />
dachten ihr würdet gerne mal ein echtes<br />
Schauspiel sehen.“<br />
Muffin kochte. Da hatten sie sich soviel Mühe<br />
gegeben und statt ’ner richtig tollen<br />
Hundebelohnung mussten sie sich jetzt anhören,<br />
dass sie talentlose Komiker in einem albernen<br />
Stück gewesen waren.<br />
„Aber das war doch nur Spaß, Muffin“, sagte<br />
Mama schließlich mit einem breiten Grinsen,<br />
„oder glaubst du man hätte uns tatsächlich mit<br />
zwei Sabberkötern und einer Weihnachtsgans<br />
ins Theater reingelassen?“<br />
Die Anwesenden amüsierten sich königlich über<br />
diesen Scherz – alle, bis auf Muffin.<br />
„In Wirklichkeit“, sagte Mama jetzt ernst,<br />
„wollten wir euch ’nen gemütlichen Abend<br />
spendieren, nachdem wir alle zusammen in den<br />
Bergen waren und den Weihnachtswuffi gesucht<br />
haben.“ Arnold johlte vor Freude und musste<br />
automatisch sofort seinen Futtertanz aufführen.<br />
Auch Elvira schien die Idee zu gefallen,
schließlich war sie noch nie in den Bergen<br />
gewesen.<br />
Und Muffin?<br />
Ja, Muffin war von nun an wieder mit der Welt<br />
versöhnt, schließlich ging doch nix über nen<br />
abenteuerlichen Bergausflug und einen Überfall<br />
auf den Weihnachtswuffi. Und ein<br />
anschließendes Fress- und Saufgelage vor dem<br />
Fernseher - so stellte Muffin sich das<br />
Wauziparadies vor.