Von Kollegen für Kollegen: Leitsymptom Juckreiz - IDEXX ...
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Diagnostic<br />
Update<br />
<strong>Von</strong> <strong>Kollegen</strong> <strong>für</strong> <strong>Kollegen</strong>: <strong>Leitsymptom</strong> <strong>Juckreiz</strong><br />
Falldarstellung<br />
Im Juni 2008 wurde die Mischlingshündin „Meggy“ zum ersten<br />
Mal in der Kleintierpraxis am Hellweg vorgestellt. Meggy wurde<br />
2001 geboren, war also zum Zeitpunkt der Erstvorstellung 7 Jahre<br />
alt. Sie ist weiblich-kastriert und wog 30 kg.<br />
Vorbericht<br />
Meggys Besitzer berichteten über rezidivierendes Erbrechen<br />
und Durchfall. Das Hauptproblem und der Grund der Vorstellung<br />
jedoch war ein rezidivierender, generalisierter <strong>Juckreiz</strong>. Der <strong>Juckreiz</strong><br />
äußerte sich unter anderem durch massives Bebeißen der<br />
Pfoten. Im Frühjahr 2008 kam es zu einer Verschlechterung der<br />
Symptome. Beim vorbehandelnden Haustierarzt wurde bereits<br />
ein Allergietest durchgeführt, der ein positives Ergebnis brachte.<br />
Das Ergebnis dieses Tests liegt leider nicht vor. Zum Zeitpunkt der<br />
Vorstellung erhielt Meggy einmal täglich 2,5 mg Prednisolon.<br />
Klinische Untersuchung<br />
Die Hündin ist bei der Erstvorstellung leicht adipös. Ihr Fell ist<br />
schütter, z. T. schuppig und welpenfellartig. Axillar und inguinal<br />
besteht eine Pyodermie mit Hyperpigmentation, sekundären<br />
Collarettes und mittelgradigem <strong>Juckreiz</strong>. Außerdem hat Meggy<br />
eine Pododermatitis und eine Otitis mit stark zugeschwollenen<br />
Gehörgängen.<br />
Diagnostik<br />
Nach der initialen Untersuchung wurde ein Ohrtupfer entnommen<br />
und zytologisch untersucht. Es konnten massiv Kokken und Hefepilze<br />
nachgewiesen werden. Vor der weiterführenden Diagnostik<br />
wurde zunächst das Kortison ausgeschlichen. Aufgrund der Ergebnisse<br />
der klinischen Untersuchung wurden die Schilddrüsenwerte<br />
(Schilddrüsenprofil I: Gesamtthyroxin (TT 4 ), Freies Thyroxin<br />
(FT 4 ) und Canines TSH) bestimmt.<br />
Tabelle1<br />
Fallbericht<br />
Tierärztin Birgit Fernholz,<br />
Kleintierpraxis am Hellweg,<br />
Bochum<br />
Untersuchung Ergebnis Normwert Maßeinheit<br />
Gesamtthyroxin 1,4 1,5 – 4,5 µg/dl<br />
Freies Thyroxin 0,6 0,6 – 3,7 ng/dl<br />
Canines TSH 0,09 < 0,5 ng/ml<br />
Diagnose<br />
Otitis, Verdacht auf eine milde Hypothyreose, Allergie<br />
Therapie<br />
Parallel zur Labordiagnostik wurde die Fütterung umgestellt.<br />
Meggy bekam zunächst Sensititvity Control ® von Royal Canin.<br />
Später wurde sie auf Grund ihrer Adipositas auf Hypoallergenic<br />
moderate energy ® (Royal Canin) umgestellt.<br />
Die Otitis wurde lokal mit einem Kombinationspräparat mit Clotrimazol,<br />
Dexamethason und Marbofloxacin (Aurizon ® , Firma Vetoquinol)<br />
behandelt. Die Besitzer badeten die Pfoten in Betaisodona<br />
Lösung (Vet-Sept ® Lösung, Firma Albrecht). Um ein Belecken der<br />
Pfoten zu verhindern, musste Meggy Socken tragen.<br />
Gegen den <strong>Juckreiz</strong> wurde lokal ein Hydrokortisonspray (Cortavance<br />
Spray ® , Firma Virbac) aufgetragen. Meggy wurde mit<br />
einem antibakteriellen und einem Shampoo gegen Schuppen<br />
(Dermazyme Anti-Bac ® und Anti-Seb ® , Firma CEVA) gebadet.<br />
Systemisch wurde eine Antibiotikatherapie mit Cefalexin (Chassot<br />
Cefaseptin forte ® , Firma Vetoquinol) in der Dosierung 900 mg bid<br />
verabreicht.<br />
Obwohl das TT 4 und das FT 4 nur leicht erniedrigt waren und das<br />
TSH im Normbereich lag, wurde eine Thyroxinsubstitution<br />
(Forthyron ® , Firma Albrecht) mit 300 µg bid eingeleitet.<br />
Laborwertkontrolle<br />
Der Gesamtthyroxinwert wurde 2 Wochen nach Therapiebeginn<br />
4 – 6 h nach der Tablettengabe kontrolliert und lag im Normbereich<br />
(TT 4 : 2,9 µg/dl).<br />
Verlauf<br />
Vier Monate nach der Erstvorstellung ist Meggy deutlich munterer.<br />
Sie hat 1 kg abgenommen. Ihr Fell wächst nach und sie hat keine<br />
Verdauungsstörungen mehr. Meggy knabbert jedoch weiterhin an<br />
ihren Pfoten. Die Ohren werden als Langzeittherapie alle 3 Tage<br />
mit MalAcetic-Otic ® (Essigsäure und Borsäure, Firma Albrecht)<br />
behandelt.<br />
Im November 2008 zeigt sie erneut hochgradiges Bebeißen der<br />
Pfoten, woraufhin ein Allergietest durchgeführt wird. Aufgrund des<br />
positiven Ergebnisses im ALLERCEPT ® Screeningtest wird eine<br />
Einzelallergenbestimmung nachgefordert.<br />
Tabelle 2<br />
Untersuchung Ergebnis<br />
ALLERCEPT ® Screening Test (ELISA)<br />
Milben/Flohspeichel positiv<br />
Gräser, Kräuter, Bäume positiv<br />
Bäume positiv<br />
Juli 2010
Diagnostic<br />
Update<br />
<strong>IDEXX</strong> Vet•Med•Labor<br />
Fallbericht<br />
Meggys starker <strong>Juckreiz</strong> wird vorübergehend mit Prednisolon in<br />
der Dosierung von 5 mg sid und später 2,5 mg sid therapiert.<br />
Entsprechend der Einzelallergenaustestung wird im Dezember<br />
2008 eine Hyposensibilisierung eingeleitet.<br />
Im Frühjahr und Sommer 2009 sind Meggys Symptome milderer<br />
als in den Vorjahren. Die Gabe von Prednisolon ist nicht nötig.<br />
Meggys Hauptproblem - das massive Pfotenbeißen - kann mit<br />
lokaler Therapie und Sockenschutz auf ein erträgliches Maß<br />
reduziert werden. Die Otitis muss immer wieder lokal therapiert<br />
werden, heilt dann aber ab.<br />
Im Februar 2010 wird Meggy erneut vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt<br />
hat sie geringfügig zugenommen (28,4 kg) und ist etwas<br />
lustloser. Das Gesamtthyroxin wird kontrolliert (TT 4 : 2,9 µg/dl) und<br />
die Forthyron Dosierung auf Grund der klinischen Symptomatik<br />
auf 400 µg bid erhöht.<br />
Im Mai 2010 kommt Meggy zur Kontrolle in unsere Praxis. Sie hat<br />
wieder abgenommen und wiegt 27 kg. Ihr Fell ist voll und glänzend,<br />
die Ohren sind unauffällig. Weiterhin beißt sich Meggy gelegentlich<br />
in die Pfoten. Es liegt jedoch keine Pododermatitis vor.<br />
Nach einem Wiesenspaziergang zeigt Meggy inguinal eine leichte<br />
Kontaktallergie und Pyodermie, die auf topische Therapie mit<br />
einem antibakteriellen Shampoo (Dermazyme Anti-Bac ® , Firma<br />
CEVA) und Antibiose Cefalexin (Chassot Cefaseptin forte ® , Firma<br />
Vetoquinol) über 7 Tage gut anspricht.<br />
Der <strong>Juckreiz</strong> ist laut Meggys Besitzer deutlich weniger als in den<br />
beiden Jahren zuvor.<br />
Zusammenfassung<br />
Meggy ist ein typischer Fall aus der tierärztlichen Praxis. Eine<br />
eindeutige Diagnosestellung ist bei Hautpatienten häufig dadurch<br />
erschwert, dass mehrere Ursachen zusammen kommen.<br />
Schilddrüsenunterfunktion – was bedeuten die einzelnen Laborparameter?<br />
Die Bestimmung von Gesamtthyroxin dient als Screeningparameter<br />
<strong>für</strong> eine Hypothyreose. Das körpereigene TT 4 wird ausschließlich<br />
in der Schilddrüse gebildet und dient damit als guter<br />
Parameter, um bei Hunden eine Hypothyreose auszuschließen,<br />
da nur sehr wenige Hunde mit Hypothyreose einen TT 4 Wert im<br />
Referenzbereich aufweisen. Aufgrund des fehlenden Feedbacks<br />
von Thyroxin wird bei Hunden mit primärer Hypothyreose ein<br />
erhöhtes cTSH erwartet. Dies ist je nach Studie jedoch bei<br />
20 – 40 % der Hunde nicht der Fall.<br />
Bei Meggy waren die Schilddrüsenhormone Gesamtthyroxin und<br />
freies T 4 marginal erniedrigt. Das canine TSH lag bei Meggy im<br />
Normbereich. Somit ist bei Meggy eine milde Hypothyreose denkbar.<br />
Das gute Ansprechen auf die Thyroxinsubstitution kann nicht<br />
eindeutig als beweisend gewertet werden, da häufig auch bei<br />
euthyreoten Hunden durch die stoffwechselsteigernde Wirkung<br />
Vet Med Labor GmbH<br />
Division of <strong>IDEXX</strong> Laboratories<br />
Mörikestr. 28/3<br />
D– 71636 Ludwigsburg<br />
www.idexx.de<br />
des Thyroxins eine Verbesserung des Allgemeinbefindens erreicht<br />
wird. Dennoch scheint die längerfristige Thyroxinsubstitution bei<br />
Meggy positiv auf das Gesamterscheinungsbild zu wirken.<br />
Atopische Dermatitis<br />
Die atopische Dermatitis ist eine Faktorenerkrankung. Faktoren,<br />
die den Ausbruch einer klinisch manifesten Atopie begünstigen<br />
sind:<br />
1. Aeroallergene (z. B. Hausstaubmilben, Blütenpollen)<br />
2. Nahrungsmittelallergene<br />
3. Aggravierende Faktoren:<br />
Bakterien, Malassezien (Überbesiedlung bzw. Infektion), Defekte<br />
in der Hornschicht der Epidermis (z. B. durch trockene Haut),<br />
psychogene Faktoren (Stress, Ängstlichkeit, Langeweile), Schwitzen,<br />
Feuchtigkeit auf der Haut, Wärmebelastung<br />
Die Hyposensibilisierung wird in der Humanmedizin bereits seit<br />
1911 und in der Veterinärmedizin seit über 30 Jahren angewendet.<br />
Bei der Hyposensibilisierung werden dem Patienten in<br />
bestimmten Intervallen aufsteigende Konzentrationen der im Test<br />
ermittelten Allergene injiziert. Der genaue Wirkungsmechanismus<br />
ist nicht bekannt. Diskutiert werden die Produktion von neutralisierenden<br />
IgG, Zunahme von IgA auf den Schleimhäuten, vermehrte<br />
Stimulation von Th1-Lymphozyten sowie eine Abnahme der Anzahl<br />
von gewebsständigen Mastzellen. Eine Hyposensibilisierung<br />
sollte so allergenspezifisch wie möglich durchgeführt werden.<br />
Da<strong>für</strong> ist eine Einzelallergenaustestung mittels Serum- oder<br />
Intrakutantest notwendig. Die Erfolgsquote einer Hyposensibilisierungstherapie<br />
liegt beim Hund bei 50 – 80 %.<br />
Bei einem positiven Ansprechen auf die Immuntherapie sollte<br />
diese lebenslang fortgesetzt werden, da es bei vielen Hunden<br />
nach Absetzen der Lösung zu einem Rezidiv kommt. Bei einem<br />
gewissen Prozentsatz der Tiere ist zumindest saisonal zusätzlich<br />
zur Immuntherapie eine symptomatische Begleittherapie angezeigt.<br />
In solchen Fällen können die oben genannten Präparate<br />
Anwendung finden. Bei den meisten Patienten, die einer ergänzenden<br />
Therapie bedürfen, kann der begleitende Einsatz von<br />
Glukokortikoiden vermieden werden.<br />
Eine allergische Genese der Hauterkrankung kann sowohl wegen<br />
der positiven Allergietests als auch auf Grund des guten Ansprechens<br />
auf die Hyposensibilisierung – wie auch zuvor auf die<br />
Kortisontherapie – als erwiesen angenommen werden.<br />
Meggys Otitis kann durch die Hypothyreose oder durch die atopische<br />
Dermatitis bedingt sein. Bei rezidivierenden Otitiden ist eine<br />
Keimbestimmung mit Antibiogramm sinnvoll. Außerdem scheint<br />
bei Meggy eine Futtermittelunverträglichkeit vorzuliegen. Meggy<br />
spricht sehr gut auf die Fütterung einer hypoallergenen Diät an.<br />
Die initial bestehende Magen-Darm-Symptomatik konnte alleine<br />
durch die Futterumstellung eliminiert werden.<br />
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