Dubios und teuer: Schnelle Schlankmacher zum ... - Corinna Voss
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<strong>Dubios</strong> <strong>und</strong> <strong>teuer</strong>: <strong>Schnelle</strong> <strong>Schlankmacher</strong> <strong>zum</strong><br />
Schlucken<br />
Immer neue Diätpillen überschwemmen den Markt. Zehn Kilo weniger in nur drei<br />
Wochen, Sie werden wieder schlank – garantiert, Abnehmen <strong>und</strong> weiter essen wie<br />
gewohnt - mit verführerischen Slogans lockt die Werbung die vom Kampf gegen die<br />
Pf<strong>und</strong>e frustrierten K<strong>und</strong>en. Dabei lässt der Traum vieler Übergewichtiger, mühelos<br />
schlank zu werden, die Hersteller mühelos reich werden. Doch welche dieser oft als<br />
W<strong>und</strong>ermittel gepriesenen Tabletten, Pulver <strong>und</strong> Säfte sind ihr Geld wirklich wert?<br />
Eine Reportage von CORINNA VOSS<br />
Beim Blick in den Spiegel könnte Sandra K. regelmäßig heulen. „Meine Oberschenkel<br />
sind viel zu dick, durch die Fettpolster an den Hüften sehe ich in den meisten<br />
angesagten Klamotten, vor allem in den coolen Hüfthosen, total unmöglich aus.<br />
Überhaupt ist meine ganzer Körper einfach nur wabbelig“, klagt die 26-jährige Kölnerin<br />
regelmäßig allen, die es hören oder auch nicht hören wollen, ihr Leid. Unzählige Diäten<br />
hat die angehende Juristin schon ausprobiert, von Kohlsuppen-Wochen, über eine<br />
Grapefruit-Kur, bis hin <strong>zum</strong> strikten Fasten. Geholfen hat es alles nicht, nach<br />
anfänglichen Erfolgen waren die verhassten 70 Kilo schnell wieder da, bei einer Größe<br />
von 162 cm sind das mindestens 8 Kilo Übergewicht. Wie kann das sein? „Tja, ich bin<br />
halt ein Genussmensch. Ich liebe Rotwein <strong>und</strong> koche für mein Leben gern – auch mal<br />
für mich allein“, gibt Sandra zu. „Und nach der Uni bin ich oft so kaputt, dass ich mich<br />
<strong>zum</strong> Sport nur selten aufraffen kann. Ich gehe dann lieber mit Fre<strong>und</strong>en essen oder<br />
sitze gemütlich zu Hause.“<br />
Bei Menschen, die wie Sandra ein paar Kilo zu viel auf den Rippen haben, stoßen die<br />
vielversprechenden Werbeslogans der Anbieter von Diätpillen auf offene Ohren. Zügig<br />
abnehmen, ohne die Ernährung umzustellen <strong>und</strong> zu hungern <strong>und</strong> ohne sich täglich auf<br />
dem Laufband zu quälen, das klingt auch einfach zu verlockend. Und so kommt es, dass<br />
auch gestandene Realisten an die magische Wirkung der kleinen Pillen, die das<br />
ungeliebte Fett angeblich nur so wegbrennen, glauben <strong>und</strong> den Herstellern von<br />
Appetitzüglern, Abführmitteln, <strong>und</strong> Entwässerungspillen Millionengewinne bescheren.<br />
Dabei fällt es schwer, den Überblick über die verschiedenen Angebote zu behalten,
denn der wachsende Markt gleicht mittlerweile einem <strong>und</strong>urchsichtigen Dschungel. Da<br />
gibt es :<br />
� Appetitzügler, die im Sättigungszentrum des Gehirns die Wiederaufnahme der<br />
Botenstoffe Serotonin <strong>und</strong> Noradrenalin hemmen<br />
� Präparate, die die Bildung der für die Fettverdauung zuständigen Enzyme hemmen<br />
� homöopathische Mittel aus Heilpflanzen, wie Birke, Madar (Calotropis Gigantea)<br />
oder Aloe Vera, die den Hunger bremsen sollen<br />
� Quellstoffe, die im Magen aufgehen <strong>und</strong> somit ein Sättigungsgefühl vermitteln (um<br />
nur einige zu nennen)<br />
Sandra hat sich im Februar 2003 für die Anti-Fett-Pille „Strobby“ mit dem Wirkstoff<br />
Chitosan (Extrakt aus Krabbenschalen) entschieden, um im Sommer mit einer Bikinifigur<br />
à la Heidi Klum zu glänzen. Die Tabletten lösen sich nach der Einnahme auf <strong>und</strong> bilden<br />
im Verlauf des Darms eine gelartige Masse, welche ein Vielfaches des ursprünglichen<br />
Tablettenvolumens ausmacht <strong>und</strong> während der Verdauung seine Wirkung entfalten soll.<br />
Die Strobby-Moleküle vermischen sich mit der Nahrung <strong>und</strong> binden dabei das Fett.<br />
Genau 29 Euro kosten die 60 Kapseln, zwei bis drei Mal pro Tag musste die Studentin<br />
eine Pille schlucken. Nach 20 Tagen enthüllte die Waage erbarmungslos die<br />
frustrierende Wahrheit: Statt der erhofften 4 bis 5 Kilo waren es insgesamt nur 500<br />
Gramm weniger. Für Sandra ein „totaler <strong>und</strong> total teurer Reinfall“.<br />
Dass die Diätpillen in erster Linie den Herstellern <strong>und</strong> nicht den K<strong>und</strong>en helfen, bestätigt<br />
auch Stiftung Warentest, die vor einiger Zeit die Effektivität von insgesamt 40<br />
Schlankheitsmitteln prüfte. Unter dem Titel „Pillen gegen Polster“ wurden in der<br />
Ausgabe 2/2001 die Resultate veröffentlicht, <strong>und</strong> die Experten zogen ein<br />
erschreckendes Fazit: Nur neun der 40 getesteten Mittel seien mit Einschränkungen<br />
geeignet, 28 seien nicht geeignet <strong>und</strong> bei drei Präparaten sei der Beweis der<br />
Wirksamkeit gar nicht erbracht worden.<br />
Die Verbraucherzentrale NRW steht dem Einsatz von Schlankheitsmitteln ebenfalls<br />
skeptisch gegenüber. Viele <strong>Schlankmacher</strong> enthielten lediglich quellfähige Ballaststoffe,<br />
die in Kombination mit erhöhter Flüssigkeitszufuhr ein Sättigungsgefühl auslösen,<br />
enthüllten die Verbraucherschützer die simple Wahrheit hinter den wohl formulierten <strong>und</strong><br />
geschickt plazierten Werbeanzeigen. Und sie gingen noch weiter: „Die in<br />
Fruchtextrakten enthaltenen Enzyme, die als fettschmelzend beschrieben werden,
führen vielmehr zu einer Gewichtszunahme, da sie im Körper für eine bessere<br />
Eiweißverdauung sorgen.“<br />
„Es ist ein Witz“, erklärt ein niedergelassener Arzt aus Köln-Rodenkirchen. „Die K<strong>und</strong>en<br />
zahlen teures Geld für Kapsel mit Ballaststoffen, die genauso gut in Schwarzbrot <strong>und</strong><br />
Kartoffeln enthalten sind – für einen Bruchteil des Geldes <strong>und</strong> dazu noch auf natürlicher<br />
Basis. Da die Hersteller aber mit immer neuen Probanden aufwarten, bei denen die<br />
Mittel angeblich fantastisch gewirkt haben, klingen ihre Versprechungen ziemlich<br />
glaubhaft. Tolle Vorher-Nachher-Fotos <strong>und</strong> Aussagen sogenannter Experten<br />
unterstützen die Werbung – Papier ist halt geduldig.“ Außerdem enthielten die Mittel<br />
durchaus alle auf der Verpackung angegebenen Inhaltsstoffe, so der<br />
Allgemeinmediziner weiter. Nur würden diese in der Regel nicht beim Abnehmen helfen.<br />
Die meisten Werbeaussagen seien wissenschaftlich nicht belegbar. Und für Dr. Gregor<br />
Huesmann, selbst Apotheker, steht auch nicht erst seit Veröffentlichung der Studien<br />
fest: „Für mich ist das Geschäft mit den Diätpillen Volksverdummung <strong>und</strong> Abzocke.<br />
Denn in aller Regel enthalten diese Mittel Inhaltsstoffe, die Centbeträge darstellen.“<br />
Um den K<strong>und</strong>en dennoch den Eindruck von Seriosität zu vermitteln, werden die meisten<br />
der Fettweg-Präparate sowohl über das Internet als auch über Apotheken vertrieben,<br />
was vielen Inhabern gar nicht gut gefällt. Auf Anfrage rieten vier von fünf befragten<br />
Apothekern aus dem Kölner Süden von den Mitteln für teures Geld ab. „Da die<br />
Präparate trotz aller Warnungen gekauft werden, können wir es uns aber kaum leisten,<br />
sie aus dem Sortiment zu nehmen“, lautete der Tenor. Die Pharmazeuten gaben<br />
allerdings an, dass einige der sogenannten Formula-Diäten (mit Wasser oder Milch<br />
angerührte Pulver, die eine Mahlzeit ersetzen) für eine rasche <strong>und</strong> kurzfristige<br />
Gewichtsreduktion bedingt geeignet seien.<br />
Diese Einschränkung bestätigen auch die Autoren <strong>und</strong> Experten der Service-Sendung<br />
„Visite“ (NDR) vom 07.01.2003. Nur wenn aus bestimmten Gründen „Gewicht schneller<br />
abgebaut werden muss, helfen Formula-Diäten, eingebettet in ein umfassendes<br />
Therapiekonzept mit reichlich Bewegung.“ Im Normalfall sei jedoch hauptsächlich die<br />
innere Bereitschaft, seinen Lebensstil komplett umzustellen, bei der Behandlung von<br />
Übergewicht erfolgreich. Ausgewogene, fettarme Ernährung <strong>und</strong> Sport würden das Fett<br />
dauerhaft einschmelzen – auch wenn die Pf<strong>und</strong>e bei dieser Art des Abnehmens etwas<br />
langsamer purzeln.<br />
Überhaupt ist Sport das Schlüsselwort. Wer wirklich Gewicht verlieren will, müsse seine<br />
Ernährung umstellen <strong>und</strong> sich bewegen, desillusioniert auch Dr. Elisabeth Luttermann-<br />
Semmer, Leiterin des Referats Ernährungsberatung der Deutschen Gesellschaft für
Ernährung, übergewichtige Sportmuffel. „Die Kombination aus Diät, Bewegung <strong>und</strong><br />
Verhaltensmodifikation ist langfristig die erfolgreichste Strategie (...).“<br />
Diese Erkenntnis ist die wohl bitterste aller Pillen für gutgläubige K<strong>und</strong>en. Und so hat<br />
sich auch Sandra schweren Herzens in einem Fitnessstudio angemeldet <strong>und</strong> ihre<br />
Ernährung auf eine 1000 Kalorien Kost umgestellt. Zu ihrem großen Glück schmelzen<br />
die Pf<strong>und</strong>e zusehends, <strong>und</strong> Muskelmasse ersetzt nach <strong>und</strong> nach die Fettpolster. Von<br />
<strong>Schlankmacher</strong>n <strong>zum</strong> Schlucken hat sie die Nase voll, <strong>und</strong> das völlig zu Recht. Denn die<br />
clever umworbenen Präparate tragen weniger zur Gewichtsreduktion als zur<br />
Geldvermehrung der Hersteller bei, die K<strong>und</strong>en sind in den meisten Fällen zwar um eine<br />
Erfahrung reicher, aber um nicht wenige Euro ärmer. Und nur wer bereit ist, seinen<br />
Lebensstil langfristig umzustellen, wird sein Wunschgewicht erreichen <strong>und</strong> dieses auch<br />
halten können.<br />
Erstellt im Dezember 2003 im Rahmen der Ausbildung zur Online-<br />
Redakteurin