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Wie man als Produktionsbetrieb erfolgreich bleibt

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Für einen <strong>Produktionsbetrieb</strong><br />

ist es in der heutigen<br />

Zeit nicht einfach, sich<br />

zu behaupten. Marianne und<br />

Hans Marti in Kehrsatz<br />

schaffen dies durch eine<br />

<strong>erfolgreich</strong>e Nischenproduktion,<br />

angepasst an die<br />

jeweilige Jahreszeit.<br />

Text: Ruth Bossardt, Fachjournalistin<br />

und Gärtnerin, Adliswil<br />

Bilder: Gärtnerei Marti, Kehrsatz<br />

Hans und Marianne Marti ergänzen<br />

sich im Betrieb bestens, sie ist Floristin,<br />

er Gärtner.<br />

Eine Fülle von Zierfrüchten, insbesondere speziel<br />

Herbst. Sie werden im eigenen Betrieb produziert<br />

nach dem Beet- und Balkonpflanzenverkauf.<br />

<strong>Wie</strong> <strong>man</strong> <strong>als</strong> <strong>Produktionsbetrieb</strong><br />

<strong>erfolgreich</strong> <strong>bleibt</strong><br />

Mit ihrem Marktstand setzen Hans und<br />

Marianne Marti auf dem Bärenplatz in<br />

Bern Akzente. Im Frühling verkaufen sie<br />

Balkon- und Gartenpflanzen, die <strong>man</strong><br />

nicht überall findet. Im Herbst folgt der<br />

zweite, ebenso wichtige Höhepunkt im<br />

Verkauf mit dem aussergewöhnlichen<br />

«Gürkli»-Sortiment. Bei den Marktgängern<br />

sind die vielen verschiedenen Ziergurken<br />

und andere Zierfrüchte ein absoluter<br />

Renner. Im Advent schliesslich<br />

trumpft Floristin Marianne Marti nochm<strong>als</strong><br />

auf mit ihren Adventsdekorationen.<br />

Hans Marti erklärt: «Ich kultiviere, was<br />

ich besser kann <strong>als</strong> andere und was ich<br />

nicht zukaufen kann.» Marti hat in sei-<br />

nem langen Gärtnerleben immer wieder<br />

etwas Neues entwickelt und verkauft. Er<br />

betont, dass es für diesen Beruf mit seinen<br />

langen Arbeitszeiten Passion und<br />

Engagement braucht. Und er meint:<br />

«Eine gute Nase zu haben für kommende<br />

Trends ist nur möglich, wenn<br />

<strong>man</strong> sich neben der Arbeit genügend<br />

Zeit nimmt für Reisen, Kultur und zum<br />

Lesen von Fachzeitschriften.»<br />

Ein Betrieb orientiert sich neu<br />

Katastrophen und Krisen haben nicht<br />

nur negative Seiten. 1999 kam es im<br />

Belpmoos zu einer Überschwemmung.<br />

Die Gärtnerei Marti stand zwei Meter<br />

unter Wasser und war nur noch mit dem<br />

Die Gärtnerei Marti liegt im Belpmoos. Sie umfasst 2500m 2 unter Glas und Folie sowie 2500m 2 im Freiland.<br />

dergartenbau Ausgabe 21/2010


len Gurkenfrüchtchen setzt einen Höhepunkt im<br />

und belegen die Gewächshäuser im Sommer,<br />

Boot erreichbar. Der Schaden war riesig.<br />

Doch erwies sich das Unheil <strong>als</strong> Schritt<br />

hin zu einer Neuorientierung. Der Verkauf<br />

am Ort wurde aufgegeben. In der<br />

Verkaufshalle wird heute ebenfalls produziert<br />

– die Überschwemmungsgefahr<br />

ist mittlerweile gebannt.<br />

Auch der Preiszerfall am Markt tat seine<br />

Wirkung. Von der einstigen Schnittchrysanthemen-Produktion<br />

sieht <strong>man</strong> mittlerweile<br />

nichts mehr. Der Anbau von Begonien<br />

wurde verkleinert. «Heute kaufen<br />

die Leute kaum mehr 30 Begonien für<br />

die Grabbepflanzung», erzählt Marti. Für<br />

die Blumenbörse Bern werden jedoch<br />

weiterhin jedes Jahr rund 40 000 Begonien<br />

produziert. Marti kann sich dabei<br />

aber keinerlei Kulturfehler mehr erlauben,<br />

alles muss schnell gehen, die Kulturzeit<br />

beträgt nur noch fünf Wochen.<br />

Marti hat zudem fixe Anbauverträge für<br />

Friedhöfe und private Friedhofkundschaft.<br />

Marti betont, dass er immer wieder aufs<br />

Neue Entscheidungen getroffen habe,<br />

sich fragte, ob im Betrieb Änderungen<br />

anstehen oder Prioritäten neu gesetzt<br />

werden müssten. Mit der Blumenbörse<br />

ist genau abgemacht, was Marti produziert,<br />

beispielsweise weisse Callas.<br />

Callas <strong>als</strong> Schnittblumen<br />

«Wir sind in der Region Bern der letzte<br />

Betrieb, der noch Callas produziert. Dies<br />

ist übrigens die einzige Kultur in unserer<br />

Gärtnerei, die seit 1947 überlebt hat.»<br />

Und Marti ergänzt, dass sie von einer<br />

dergartenbau Ausgabe 21/2010<br />

Callas werden im Betrieb Marti seit<br />

1947 produziert – es ist die einzige<br />

Kultur, die so lange Bestand hatte.<br />

Bakterienkrankheit befallen ist, die durch<br />

niederländische Pflanzen eingeschleppt<br />

wurde, <strong>als</strong> er mit farbigen Callas experimentierte.<br />

«Die Callas müssen nun eben<br />

schneller wachsen <strong>als</strong> die Bakterien»,<br />

meint er und betont, dass beim Rückschnitt<br />

und bei der Ernte strikte Hygiene<br />

erforderlich sei: «Die Callas werden bei<br />

der Ernte nicht geschnitten, sondern gezupft.<br />

Das verhindert eine Ausbreitung<br />

der Bakterienkrankheit.»<br />

Callas verlangen einiges an Pflanzenschutz<br />

und Pflege, sie benötigen zudem<br />

reichlich Dünger. «Wenn mit der Kultur<br />

alles stimmt, können wir im November<br />

zu ernten beginnen. Die Haupternte ist<br />

jeweils von Ende Februar bis Anfang<br />

Mai», so Marti. Im Sortiment hat der Produzent<br />

verschiedene kleinblumige und<br />

grossblumige Sorten. Für Marti ist es<br />

vorteilhaft, dass der Transport der Blumen<br />

schwierig ist und ihre Qualität bei<br />

langen Distanzen leidet. Deshalb ist Importware<br />

oft qualitativ minderwertig und<br />

erst noch teurer. Marti liefert bis zu 1000<br />

Stück pro Wochen an die Blumenbörse<br />

Bern und auch etwas an die Blumenbörse<br />

Heimberg.<br />

Im Juli werden die Wurzelstöcke ins<br />

Freiland gepflanzt. Vor dem Frost holt<br />

<strong>man</strong> sie wieder ins temperierte Haus.<br />

Weitere Schnittblumen kultiviert Marti<br />

fast keine mehr, ausser Panicum virgatum,<br />

ein Gras, das er im Freiland anbaut.<br />

Doch auch hier stagniert inzwischen der<br />

Absatz.<br />

BETriEBSPorTräT<br />

Die Tische am Marktstand sind nach<br />

Farben geordnet, das inspieriert die<br />

Kunden zu monochromen Pflanzungen.<br />

Abgehärtet Pflanzen dank heller und<br />

kühler Produktion<br />

Bei Martis wird noch ein grosser Anteil<br />

der Pflanzen selber produziert. Der Zukauf<br />

variiert je nach Saison. Im März<br />

stammt beim Angebot auf dem Markt<br />

80 % aus Eigenproduktion, im April sind<br />

es noch 40 %. Aber bereits im Mai steigt<br />

der Anteil wieder auf 95 %. Kultiviert<br />

wird heller und kühler <strong>als</strong> üblich. Die<br />

Pflanzen kommen so gut abgehärtet auf<br />

den Markt.<br />

60 % des Umsatzes werden über den<br />

Marktstand erwirtschaftet. Im März betreiben<br />

die Martis den Stand an zwei<br />

Tagen pro Woche, in der Hauptsaison von<br />

April bis Juni an drei Tagen. Im Juli wird<br />

eine dreiwöchige Pause eingelegt. Der<br />

Oktober ist punkto Umsatz der zweitbeste<br />

Monat: Es dominiert der Verkauf<br />

von Ziergurken.<br />

Marktstand mit farblich monochromen<br />

Tischen<br />

Marianne Marti betont, dass der Kunde<br />

bei ihnen König sei. Bei der Bedienung<br />

sind Freundlichkeit und eine gute Beratung<br />

oberstes Gebot. Dies hebt den<br />

Marktstand ab vom Grossverteiler. «Der<br />

Kunde soll sich beschenkt fühlen, auch<br />

wenn er zahlt.» So wird einer Kundin auf<br />

Wunsch auch eine einzelne Mohnpflanze<br />

in Cellophan <strong>als</strong> Geschenk eingepackt.<br />

Häufig sind zudem Geschenkartikel im<br />

Angebot: im Sommer Schnittblumen-Arrangements,<br />

im Herbst beispielsweise<br />

mit Früchten dekoriert Agaven- oder Ka-<br />

2


BETriEBSPorTräT<br />

lanchoeblätter, auch Glasfüllungen mit<br />

Zierfrüchten gibt es. Auffällig am Marktstand<br />

der Martis ist das nach Farben<br />

gruppierte Angebot. Es wirkt angenehm<br />

fürs Auge und inspiriert die Kundschaft<br />

auch mal zum Einkauf eines monochromen<br />

Sortiments für den Garten oder<br />

Balkon. «Die Leute kommen auf den<br />

Markt, weil es hier schön ist, wegen der<br />

Ambiance, das kann ein Grossverteiler<br />

nicht bieten», erklärt Marti. Das Ehepaar<br />

setzt am Stand auf Ausgefallenes – die<br />

Leute sollen stehen bleiben.<br />

Hier gurkt es die Kundschaft an – aber<br />

mit Begeisterung<br />

In den 1980er-Jahren waren Zierkürbisse<br />

Trumpf, bis Ende der 90er-Jahre<br />

an jeder Strassenecke solche angeboten<br />

wurden. Unterdessen hat Marti diese<br />

Kultur weiterentwickelt, und zwar zur<br />

absoluten Hochblüte. Er weiss: «Wenn<br />

eine Kultur zu viele Nachahmer findet,<br />

wird sie zum Flop.» Allerdings braucht<br />

es bezüglich <strong>erfolgreich</strong>er Produktion<br />

einiges an Insiderwissen. Marti hat überdies<br />

auch eigene Sorten gezüchtet.<br />

«Eher zufällig bin ich auf die ersten Cucumis<br />

gestossen, die Faszination war sofort<br />

da.» Der Einstieg war nicht einfach,<br />

Samenlieferanten konnten nicht helfen.<br />

So vermehrte er von Anfang an selber.<br />

Daraus ist eine echte Leidenschaft geworden.<br />

Auch die Kundinnen waren sofort<br />

begeistert, sein Sortiment am Berner<br />

Markt im Herbst ist einzigartig. Marti<br />

ist zum absoluten Spezialisten bezüglich<br />

Cucurbitaceae geworden. Als gelerntem<br />

Gemüsegärtner (nebst Zierpflanzen) fiel<br />

ihm der Einstieg in die Produktion nicht<br />

besonders schwer, er hat aber seither<br />

ständig dazugelernt.<br />

in Sachen Ziergurkenproduktion hat<br />

Hans Marti ein immenses Wissen.<br />

3<br />

Bei ihm finden sich Sternkürbisse (Cucumis<br />

hirsutus), fast tennisballgross und<br />

mit goldenen Streifen, neben Zipfelmützen<br />

(Kedrostis leloya), die bei Überreife<br />

durch Aufspringen der Früchte ihre inneren<br />

Qualitäten hervorstreichen. Von<br />

Cucumis myriocarpus, den kleinen gestreiften<br />

Kugelgurken, hat er eine eigene<br />

Selektion mit schöneren Streifen <strong>als</strong> bei<br />

den herkömmlichen Sorten.<br />

Die Martis kennen sich auch aus in den<br />

kulinarischen Qualitäten ihrer Gurkensammlung.<br />

Sie wissen, dass die Blätter<br />

und gekochten Früchte von Momordica<br />

bei Diabetes ein geeignetes Gemüse<br />

sind. Die «Gurke des armen Mannes»<br />

(Cucumis anguria) wird in der Karibik<br />

Mashishi genannt und ist ein Bitter gemüse.<br />

Auf einer Reise nach Costa Rica<br />

hat das Ehepaar bei den Chayote erfahren,<br />

dass <strong>man</strong> auch den Wurzelstock<br />

essen kann und dass die Triebspitzen<br />

wie Spargeln verwendbar sind.<br />

Die Martis wissen aber ebenfalls um die<br />

Giftigkeit gewisser Gurkengewächse. So<br />

ist zum Beispiel die einheimische Zaunrübe<br />

(Bryonia cretica ssp. dioica) giftig<br />

und wird deshalb nicht verkauft. Marti<br />

hat Gurkengewächse aus allen Kontinenten<br />

in seiner Sammlung, ausser von<br />

der Antarktis. Neben Gurkengewächsen<br />

führt die Gärtnerei auch andere Zierfrüchte<br />

im Angebot; Okra oder Ladies<br />

Fingers, wie sie ebenfalls genannt werden,<br />

gehören dazu. Marti hat hier eine<br />

rote und eine grüne Selektion.<br />

Gewächshausnutzung im Sommer<br />

Die Gurkengewächse wachsen fast ausnahmslos<br />

unter Glas, sie sind sehr wärmebedürftig.<br />

Der Grossteil der Gewächs-<br />

hausfläche wird im Sommer von diesen<br />

Fruchtkulturen belegt. Alle werden aus<br />

Samen gezogen und im März bis Mai<br />

ausgesät sowie im Mai gepflanzt. Marti,<br />

der bezüglich Kulturtechnik über ein immenses<br />

Wissen verfügt, bestäubt einige<br />

Sorten gar von Hand. Bezüglich Krankheiten<br />

und Schädlinge nennt er Mehltau,<br />

Weisse Fliegen und Spinnmilben <strong>als</strong><br />

mögliche Bedrohungen. Der Grossteil<br />

der Früchte ist übrigens problemlos<br />

mehrere Monate bis Jahre haltbar. Den<br />

guten Preis, den er dafür erzielt, lohnt<br />

auch die relativ aufwändige Arbeit.<br />

Suche nach einem Nachfolger<br />

Ende 2013 oder Ende 2014 möchten Martis<br />

definitiv aufhören. Sie blicken mit ihrer<br />

40-jährigen Tätigkeit auf ein reiches Gärtnerleben<br />

zurück und sind zufrieden. Hans<br />

Marti meint rückblickend: «Der Konkurrenzdruck<br />

ist immer härter geworden. In<br />

den 70er-Jahren war alles verkaufbar.<br />

Heutzutage aber kann nur noch liefern,<br />

wer eine gute Qualität bietet. Wenn zwei<br />

Kulturen mal nicht klappen, rentiert es<br />

bereits nicht mehr – das Produzieren ist<br />

zu einer Gratwanderung geworden.»<br />

Bereits jetzt achten die Martis darauf,<br />

dass sie neben dem Betrieb Zeit für einen<br />

Ausgleich finden. Beide tanzen gerne, sie<br />

starteten damit im Alter von über 50 Jahren.<br />

Inzwischen frönen sie dieser Leidenschaft<br />

wöchentlich. Hans Marti spielt in<br />

der Kirche Orgel, seine Frau hat ein Flair<br />

für Bücher und kocht leidenschaftlich.<br />

Beide betonen, dass sie gerne leben und<br />

lachen. Die Martis werden wegziehen und<br />

das Feld einem Nachfolger übergeben, so<br />

sich einer findet, der sich mit ebenso viel<br />

Innovation und Durchhaltevermögen in<br />

der Produktion zu behaupten vermag.<br />

Zum Betrieb<br />

1980 übernahmen Hans und Marianne Marti den elterlichen Betrieb, der 1947<br />

von Hans Martis Eltern gegründet worden war. Seit 1961 liegt die Gärtnerei im<br />

Belpmoos. Kultiviert wird in Gewächshäusern und Tunnels (2500m 2 ) und im<br />

Freiland (2500m 2 ). Die 40-jährige Kastenanlage wird nur mehr extensiv genutzt.<br />

Sie belegt zusammen mit der Schattenhalle 750m 2 .<br />

Hauptkulturen sind spezielle Balkon- und Gartenpflanzen, von Frühlingsflirt bis<br />

Herbstzauber, ebenso Raritäten wie vierblättriger Schoko-Klee, Weisse Callas,<br />

Ziergräser und rund 50 Sorten Zierfrüchte, vorwiegend aus der Familie der Cucurbitaceae.<br />

Hans Marti ist gelernter Gärtner, Marianne Marti Floristin. Zusätzlich arbeiten<br />

zwei bis drei Lernende in der Gärtnerei sowie ein Gärtner (Teilzeit) und ein Hilfsgärtner.<br />

In der Saison werden zusätzlich zwei qualifizierte Aushilfen für zwei<br />

Tage pro Woche beschäftigt, vor allem für den Verkauf auf dem Markt. R.B.<br />

dergartenbau Ausgabe 21/2010

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