Schwerpunktverlagerung bei „Mütter und ihre Kinder“ - Karlheinz ...
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körner post<br />
Interview<br />
juni 2007<br />
„Lernen erfolgt zwischen den Menschen“<br />
Gr<strong>und</strong>schulrektorin Ruth Weber<br />
Ruth Weber leitet als Rektorin die Peter-Petersen-<br />
Gr<strong>und</strong>schule, die durch <strong>ihre</strong>n reformpädagogischen<br />
Ansatz, den sogenannten Jena-Plan des Pädagogen<br />
Peter Petersen, auch international Aufmerksamkeit<br />
erlangt hat. Ende des Sommers geht Frau Weber in<br />
den Ruhestand.<br />
Worin unterscheidet sich die Peter-Petersen-Gr<strong>und</strong>schule<br />
von anderen Gr<strong>und</strong>schulen?<br />
Alle Schüler befinden in altersgemischten<br />
Stammgruppen als Ausgangsbasis für <strong>ihre</strong><br />
Ar<strong>bei</strong>t. Im unteren Bereich sind die Stammgruppen<br />
über die Jahrgangsstufen eins, zwei<br />
<strong>und</strong> drei gemischt, im oberen Bereich über<br />
die Jahrgangsstufen vier, fünf <strong>und</strong> sechs.<br />
Peter Petersen hat die drei Jahrgänge als die<br />
optimale Form der Zusammensetzung einer<br />
ar<strong>bei</strong>tenden Gruppe definiert. Er hat das in<br />
den zwanziger Jahren von seinen Studenten<br />
in Jena systematisch protokollieren lassen.<br />
Er hat verschiedene Gruppierungen ausprobiert<br />
<strong>und</strong> ist dann <strong>bei</strong> der Dreier-Gruppe<br />
geblieben.<br />
Welche Merkmale zeichnen den Jena-<br />
Plan noch aus?<br />
Wir berücksichtigen die vier Gr<strong>und</strong>formen<br />
des Lernens, wie sie Petersen formuliert hat,<br />
nämlich Ar<strong>bei</strong>t, Gespräch, Spiel <strong>und</strong> Feier.<br />
Die werden in einem wöchentlichen Rythmus<br />
realisiert. Die Ar<strong>bei</strong>t braucht die Kennt-<br />
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nis der unterschiedlichen Techniken<br />
der Gruppenar<strong>bei</strong>t, der Partnerar<strong>bei</strong>t,<br />
der Einzelar<strong>bei</strong>t. Dort muß auch die<br />
Fähigkeit vorhanden sein, selbständig<br />
mit den zur Verfügung gestellten Materialien<br />
umzugehen, um entsprechend<br />
dem Niveau <strong>und</strong> individuellen Bedarf<br />
Wissen erwerben zu können.<br />
Das Gespräch ist ganz wichtig, gerade<br />
in der heutigen Zeit, um Erfahrungen<br />
auszutauschen, um Konflikte zu klären,<br />
um eigene Gefühle zu benennen. Für<br />
uns hat auch das Erlernen der Sprache<br />
seinen Anteil, gerade in einer Ecke,<br />
in der ein Teil der Kinder nicht gut<br />
Deutsch spricht. Diese Kinder haben<br />
eine viel größere Chance von anderen<br />
zu lernen, weil sie als Erstklässler in<br />
eine Gruppe von Kindern kommen,<br />
die schon seit ein, zwei Jahren in der<br />
Schule sind.<br />
Das Spiel gehört dazu, weil unsere<br />
Schüler den ganzen Vormittag <strong>bei</strong> uns<br />
sind. Die Erst- <strong>und</strong> Zweitklässler, die<br />
weniger St<strong>und</strong>en haben, gehen dann<br />
zwischendurch mit Erzieherinnen raus <strong>und</strong><br />
erhalten dadurch noch einen Freiraum.<br />
Ganz wichtig <strong>und</strong> sehr motivierend ist die<br />
vierte Gr<strong>und</strong>form des Lernens, die Feier.<br />
Da wird gemeinsam gesungen, Theater<br />
gespielt, <strong>und</strong> das ist für mich sehr rührend,<br />
auch gemeinsam geflötet. Da flöten dann<br />
150 Kinder <strong>und</strong> das erzeugt eine Stimmung,<br />
die es den Kindern ermöglicht, sich mit der<br />
Schule zu identifizieren, sich zuhause zu<br />
fühlen.<br />
Erfordert das Programm nicht eine größere<br />
Flexibilität von den Lehrern als dies<br />
<strong>bei</strong>m herkömmlichen Unterricht der Fall<br />
ist?<br />
Lehrer müssen wahrnehmen, dass Lernen<br />
nicht nur dann erfolgt, wenn Sie sagen, in<br />
welche Richtung es geht <strong>und</strong> wenn sie alles<br />
geplant haben. Lernen erfolgt auch zwischen<br />
den Menschen, erfolgt auch aus den<br />
Materialien. Lehrer müssen sich als jemanden<br />
sehen, der die Lehrangebote präsentiert,<br />
individuelle Hilfestellung gibt, aber nicht als<br />
jemand, der für alles verantwortlich ist. Es ist<br />
ja nicht nur eine Anforderung, sondern auch<br />
eine Entlastung für die Lehrer, wenn sie sich<br />
klar machen, dass größere Kinder kleineren<br />
w<strong>und</strong>erbar etwas erklären können; vielleicht<br />
besser als der Lehrer.<br />
Wie sehr hat die Schule mit diesem Lernkonzept<br />
Erfolg?<br />
Foto: C. Mattern<br />
Wir müssen etwas auseinander halten. Wir<br />
legen den größten Aufmerksamkeitsgrad auf<br />
die sozialen Kompetenzen, auf das soziale<br />
Miteinander. Es wird auch von allen, die zu<br />
Besuch kommen, bestätigt, dass wir hier eine<br />
aufgeschlossene, zugewandte Atmosphäre<br />
haben, dass es sehr viel Hilfsbereitschaft <strong>und</strong><br />
Offenheit gegenüber den Besuchern gibt.<br />
Außerdem sind die Unfallzahlen fast um die<br />
Hälfte gesunken, seit wir die gesamte Schule<br />
2006 auf die Altersmischung umgestellt<br />
haben. Unfälle passieren, wenn die Kinder<br />
draußen rumhüpfen, aber es gibt kaum<br />
Unfälle aufgr<strong>und</strong> von Schlägen oder Tritten.<br />
Für den Bildungsstadtrat in Neukölln scheinen<br />
soziale Kompetenzen allerdings keine<br />
Qualität zu sein. Ich denke, dass der Stadtrat<br />
hier ein klassisches Bild von Unterricht<br />
hat: der Lehrer sitzt vorne <strong>und</strong> macht Druck,<br />
dann lernt man <strong>und</strong> hat sehr viel Rechtschreibung<br />
im Kopf. Bei den Tests, die jetzt laufen,<br />
haben wir nicht so gut abgeschnitten, da sind<br />
wir radikal ehrlich. Das hat der Statdtrat zum<br />
Anlaß genommen zu behaupten, <strong>bei</strong> uns<br />
lernten die Kinder nicht Lesen <strong>und</strong> nicht<br />
Schreiben. Das stimmt aber nicht, wir haben<br />
nur eine solche Form des Abtestens nicht.<br />
Die Art, wie wir damit umgehen, wurde in<br />
der Inspektion aber als optimal bezeichnet.<br />
Wie gehen Sie an der Schule mit Problemfällen<br />
um?<br />
Wir nehmen die problematischen Fälle ganz<br />
stark in die Pflicht, wir sind da verbissen hinterher.<br />
Das heißt, wir kümmern uns darum,<br />
wenn die Kinder nicht kommen, wenn sie<br />
kein gutes Essen bekommen, wenn sie in<br />
irgendeiner Form vernachlässigt wirken.<br />
Wenn es uns nicht alleine gelingt, ar<strong>bei</strong>ten<br />
wir mit den Sozialpädagogischen Diensten<br />
zusammen. In ganz schwierigen Fällen haben<br />
wir uns auch schon ans Gericht gewandt,<br />
um von daher für die Familien Auflagen zu<br />
bekommen. So etwas spricht sich herum <strong>und</strong><br />
Eltern, die sich dadurch gegängelt fühlen,<br />
kommen möglicherweise erst gar nicht zu<br />
uns. Es gibt etwa 16 Eltern, meist aus dem<br />
nichtdeutschen Bereich, die hier wohnen<br />
<strong>und</strong> nicht zu uns wollen, weil sie wissen, dass<br />
wir klare Ansprüche an sie stellen.<br />
Was schreckt diese Eltern konkret ab?<br />
Klassenreisen für Mädchen <strong>bei</strong>spielsweise.<br />
Wir diskutieren nicht, ob Mädchen auf<br />
Klassenreise fahren, auch wenn sie muslimischer<br />
Herkunft sind. Wir erleben schon,<br />
wenn wir sehr hartnäckig auf bestimmten<br />
Dingen beharren, dass die Kinder abgemel-<br />
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