Festival IN3 15. – 18. November 2012, tpc Studio 5 ... - Museum.de
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oben: Meterdicke Mauern im Turm<br />
So wuchs die gemauerte Befestigung Schritt für Schritt, wenn<br />
auch nur sehr langsam. Denn noch 1459 berichtete Arnold van<br />
Magelsem, <strong>de</strong>r Stadtsekretär, die Stadt Xanten sei eine Stadt<br />
»ohne Mauern (obemuerd) und hat an vielen En<strong>de</strong>n trockene<br />
Gräben, so dass man im Sommer wie im Winter an vielen Stellen<br />
durch <strong>de</strong>n Graben und durch <strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Wall stecken<strong>de</strong>n<br />
Palisa<strong>de</strong>nzaun (…) hindurch ein- und ausgehen kann, wie es oft<br />
geschieht und noch immer geschieht«. 5<br />
Lei<strong>de</strong>r existiert nur eine einzige historische Darstellung vom<br />
Aussehen <strong>de</strong>s Turms, ein Kupferstich von Paulus van Liedler<br />
nach einer Zeichnung von Jan <strong>de</strong> Beyer von 1746 6 . Die Fassa<strong>de</strong><br />
dürfte sich aber bis heute nur geringfügig verän<strong>de</strong>rt haben.<br />
Nicht mehr vorhan<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn nur noch aus Überlieferung<br />
bekannt, ist hingegen jene lateinische Inschrift am Meerturm,<br />
die <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r steinernen Befestigung hervorhob.<br />
Mauerreste <strong>de</strong>r Bischofsburg<br />
Nur wenige Jahrzehnte nach <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>s Stichs sollte<br />
<strong>de</strong>r Turm, so wollte es <strong>de</strong>r Magistrat <strong>de</strong>r Stadt, <strong>de</strong>m Schicksal<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren, bereits abgerissenen Türme folgen, da »<strong>de</strong>r alte<br />
Diebesturm am Meertor <strong>de</strong>rgestalt verfallen sei, dass sowohl<br />
die Torschreiberei als die nebenstehen<strong>de</strong>n Häuser wegen <strong>de</strong>s zu<br />
befürchten<strong>de</strong>n Einsturzes <strong>de</strong>s Daches in Gefahr stän<strong>de</strong>n, großen<br />
Scha<strong>de</strong>n zu erlei<strong>de</strong>n«. 7 Nur die untere Etage sollte weiterhin als<br />
Lager stehen bleiben und ein neues Dach erhalten. Vom Verkauf<br />
von 86.000 Mauersteinen erwartete man einen ansehnlichen<br />
Betrag für die gebeutelte Stadtkasse. In Folge mehrerer Kriege<br />
und Missernten war die Bevölkerung in knapp drei Jahrhun<strong>de</strong>rten<br />
um mehr als die Hälfte von 5000 auf etwa 2000 gesunken,<br />
mit <strong>de</strong>r Verlagerung <strong>de</strong>s Rheins nach Osten hin und somit weg<br />
von <strong>de</strong>r Stadt sank die wirtschaftliche Be<strong>de</strong>utung immer mehr.<br />
In dieser finanziellen Not gedachte <strong>de</strong>r Magistrat durch <strong>de</strong>n Verkauf<br />
<strong>de</strong>s Turms, zum späteren Leidwesen von Posthalter Fel<strong>de</strong>rhoff,<br />
einen Gewinn zu erzielen. Eine trügerische Hoffnung.<br />
Zweieinhalb Meter dicke Mauern aus Backstein haben also auch<br />
diesem Angriff erfolgreich getrotzt, so wie ihm auch die Jahre<br />
1641 und 1642 nichts hatten anhaben können, als in <strong>de</strong>n Wirren<br />
<strong>de</strong>s Dreißigjährigen Kriegs Wälle und Mauern abgetragen<br />
wur<strong>de</strong>n. 8 Hessenoberst Rabenhaupt ignorierte das Angebot <strong>de</strong>r<br />
Bürger, für 200 Reichstaler von seinem Vorhaben abzulassen,<br />
und ließ die Stadtmauern weitgehend schleifen. Dass zumin<strong>de</strong>st<br />
mit <strong>de</strong>n Toren ein Teil <strong>de</strong>r Verteidigungsanlage<br />
erhalten geblieben<br />
ist, ist nur <strong>de</strong>r Zahlung von 100<br />
Talern zu verdanken. 9<br />
Heute wird ein Teil <strong>de</strong>s Meerturms<br />
als Ausstellungsfläche genutzt.<br />
Über <strong>de</strong>n Wehrgang und das<br />
zerstörte und nach <strong>de</strong>m Zweiten<br />
Weltkrieg wie<strong>de</strong>r aufgebaute<br />
Mitteltor ist es mit <strong>de</strong>m Siegfriedmuseum<br />
verbun<strong>de</strong>n. Wer aus<br />
einem <strong>de</strong>r wenigen Fenster und<br />
Scharten schaut, <strong>de</strong>r schaut auf<br />
Geschichte. Zur einen Seite hin<br />
fällt <strong>de</strong>r Blick auf die mächtigen<br />
Türme <strong>de</strong>s Xantener Doms, zur<br />
an<strong>de</strong>ren auf das ehemalige Pesthäuschen<br />
an <strong>de</strong>r Poststraße.<br />
Zur wechselvollen Geschichte <strong>de</strong>s Uwe Strauch vor <strong>de</strong>m neuen<br />
Turms gehört seine Funktion als Domizil von <strong>Museum</strong>.<strong>de</strong><br />
Gefängnis bis in die Neuzeit hinein,<br />
als es ähnlich wie En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
<strong>18.</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rts beim Verkauf an Posthalter Fel<strong>de</strong>rhoff <strong>–</strong> jetzt<br />
aber nur vor<strong>de</strong>rgründig und als Rechtfertigung nach außen hin<br />
<strong>–</strong> erneut um die öffentlichen Finanzen, in Wahrheit aber um<br />
die Gleichschaltung auch <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung durch die<br />
Nationalsozialisten ging. Bis 1933 war das Zentrum mit Politiker<br />
Bürgermeister Wegenaer an <strong>de</strong>r Spitze die stärkste Fraktion.<br />
Doch am <strong>18.</strong> April 1933 wur<strong>de</strong> er gemeinsam mit <strong>de</strong>m Rendanten<br />
<strong>de</strong>r Sparkasse festgenommen und im Meerturm inhaftiert.<br />
Sie sollen angeblich durch falsche Kreditvergaben die Stadt an<br />
<strong>de</strong>n Rand <strong>de</strong>s Ruins gebracht haben. Der auf zwölf Jahre wie<strong>de</strong>rgewählte<br />
Bürgermeister, <strong>de</strong>r einst NS-Mitglie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />
öffentlichen Dienst entfernen ließ, wur<strong>de</strong> seines Amtes enthoben<br />
und in <strong>de</strong>n Ruhestand versetzt.<br />
Foto: Helge Boele<br />
Der unterirdische Wehrgang, heute zum Siegfried<strong>Museum</strong> gehörig<br />
Somit war <strong>de</strong>r Weg für die neuen braunen Machthaber frei.<br />
Zwölf Jahre lang übte <strong>de</strong>r nationalsozialistische Stadtverordnete<br />
und Gewerbeoberlehrer Karl Schöneborn das Amt <strong>de</strong>s Bürgermeisters<br />
aus. Bis zur Flucht im Februar 1945. Von <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>n<br />
aus drangen die Alliierten unaufhaltsam vor, so dass die<br />
nationalsozialistische Stadtverwaltung sich genötigt sah, einen<br />
eindringlichen Durchhalteappell an die Bevölkerung zu richten<br />
und sich dabei auch <strong>de</strong>r Historie <strong>de</strong>r Stadt bediente: »Wall und<br />
Mauer, Tore und Türme entstan<strong>de</strong>n (…) im 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt,<br />
um die Stadt wirksam gegen feindliche Einfälle schützen zu<br />
können. Nach über 700 Jahren wechselvollen Ringens um <strong>de</strong>n<br />
Bestand unserer Heimat und insbeson<strong>de</strong>re unserer Stadt, erleben<br />
wir heute ein ähnliches, durch mo<strong>de</strong>rne Waffen entsprechend<br />
schweres Schicksal.« 10<br />
In <strong>de</strong>n Februartagen <strong>de</strong>s Jahres 1945, nach<strong>de</strong>m die Alliierten<br />
bei ihrer Luftlandung einige Monate zuvor Nimwegen und<br />
Arnheim eingenommen hatten und ihre Verbän<strong>de</strong> vorrückten,<br />
erlebten die Einwohner mehrfach schwere Bombenangriffe,<br />
die die Stadt nach und nach in Schutt und Asche legten. Am<br />
En<strong>de</strong> sollte Xanten zu 86 Prozent zerstört sein. Ein Großteil<br />
<strong>de</strong>r Bevölkerung folgte <strong>de</strong>n Bediensteten <strong>de</strong>r Stadtverwaltung<br />
und flüchtete aus <strong>de</strong>r Stadt aufs Land. Der Verwaltungsbeamte<br />
Johannes Schuh notierte zum Beispiel für die Tage nach <strong>de</strong>m<br />
10. Februar 1945: »… immer wie<strong>de</strong>r Lebensmittelbeschaffung,<br />
Der Autor<br />
Nach <strong>de</strong>m Studium von Geschichte<br />
und Sozialwissenschaften begann Peter<br />
Kummer seine journalistische Laufbahn<br />
als Redakteur <strong>de</strong>r Rheinischen Post, ehe<br />
er in <strong>de</strong>n Landtag von Nordrhein-Westfalen<br />
wechselte. Anschließend folgten<br />
zwölf Jahre als Pressesprecher <strong>–</strong> zum<br />
Teil in leiten<strong>de</strong>r Funktion <strong>–</strong> für zwei <strong>de</strong>r<br />
größten <strong>de</strong>utschen Wohnungsunternehmen<br />
und zuletzt eine Tätigkeit im<br />
damaligen Bau- und Verkehrsministerium<br />
NRW.<br />
Endnoten<br />
1 Konrad Bork »Warum blieb das Meertor und<br />
Klever Tor in Xanten erhalten?«<br />
in Die Heimat <strong>–</strong> Zeitschrift für nie<strong>de</strong>rrheinische<br />
Heimatpflege 1938<br />
2 Wolfgang Richard Müller in:<br />
»Xanten ent<strong>de</strong>cken <strong>–</strong> Führer zu <strong>de</strong>n<br />
historischen Bauten«<br />
3 Konrad Bork a.a.O.<br />
4 Carl Wilkens: »Die Bischofsburg zu Xanten«<br />
5 Dieter Kastner: »Stadterhebung, Stadtwerdung<br />
und das Privileg für Xanten vom <strong>15.</strong> Juli 1228«<br />
in: Studien zur Geschichte <strong>de</strong>r Stadt Xanten<br />
1228 <strong>–</strong> 1978, Köln 1978<br />
Erteilung von Fliegerabreisebescheinigungen, Aufräumungsarbeiten,<br />
Straßenfreilegungen. Unzählige Wünsche <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />
wegen Evakuierung.« 11<br />
Wer in <strong>de</strong>r Innenstadt blieb, suchte in einem <strong>de</strong>r wenigen unbeschädigten<br />
Gebäu<strong>de</strong>n Sicherheit vor <strong>de</strong>n Bomben. Im Meerturm<br />
mit seinem nur etwa 18 Quadratmeter großen Raum in Parterre,<br />
ohne Fenster nach draußen, dafür aber durch die meterdicken<br />
Mauern beson<strong>de</strong>rs geschützt, hörten die Menschen das Heulen<br />
<strong>de</strong>r fallen<strong>de</strong>n Bomben, die zahllosen Einschläge und das Bersten<br />
<strong>de</strong>r umliegen<strong>de</strong>n Wohnhäuser rund um <strong>de</strong>n Marktplatz,<br />
auch die fast völlige Zerstörung <strong>de</strong>s Xantener Doms und die<br />
Einschläge in <strong>de</strong>n Bunker eine Gehminute entfernt am Marktplatz.<br />
Aber sie selbst überlebten vielleicht auch dank <strong>de</strong>r spätmittelalterlichen<br />
Bau- und Befestigungskunst. In seinen Notizen<br />
listete Bürgermeister Schöneborn die Schä<strong>de</strong>n <strong>de</strong>tailliert auf:<br />
ganze Straßenzüge zerstört, ebenso <strong>de</strong>r Marktplatz, <strong>de</strong>r ein Bild<br />
<strong>de</strong>s Grauens biete, das Klever Tor, »empfindlich beschädigt« 12 ,<br />
trotzte <strong>de</strong>n Angriffen. Ebenso <strong>de</strong>r Meerturm.<br />
Peter Kummer<br />
Turm mit Wehrgang; im Hintergrund Siegfried<strong>Museum</strong> und <strong>de</strong>r Dom<br />
6 Clive Bridger: »Das mittelalterliche Meertor<br />
in Xanten« in: Archäologie im Rheinland, 1987<br />
7 Ebd.<br />
8 Die Kunst<strong>de</strong>nkmäler <strong>de</strong>r Rheinprovinz, Bd. 1,<br />
Hrsg: Paul Clemen, Düsseldorf 1892<br />
9 Udo Mainzer: »Die Xantener Stadtbefestigung<br />
mit ihren Toren in Vergangenheit und Zukunft«<br />
in: Studien zur Geschichte <strong>de</strong>r Stadt Xanten<br />
1228 <strong>–</strong> 1978, Köln 1978<br />
10 Jürgen Rosen: »Augenzeugenberichte vom<br />
Untergang Xantens 1945«<br />
in: Studien zur Geschichte <strong>de</strong>r Stadt Xanten<br />
1228 <strong>–</strong> 1978, Köln 1978<br />
11 Ebd.<br />
12 Ebd.<br />
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