Nach Strich und Faden - die Linie in der Kunst ... - Annette Jahnhorst
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„<strong>Nach</strong> <strong>Strich</strong> <strong>und</strong> <strong>Faden</strong> -<br />
<strong>die</strong> <strong>L<strong>in</strong>ie</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>der</strong> Gegenwart“<br />
von <strong>Annette</strong> <strong>Jahnhorst</strong><br />
Die freihändig gezogene <strong>L<strong>in</strong>ie</strong> ist immer e<strong>in</strong> Wagnis <strong>und</strong> erfor<strong>der</strong>t Konzentration.<br />
Selbst <strong>die</strong> am L<strong>in</strong>eal gezogene <strong>L<strong>in</strong>ie</strong> kann nur durch Manipulation gleichbleibend <strong>in</strong><br />
ihrer Stärke, <strong>der</strong> Abnutzung des Stiftes entgegenwirkend, gesetzt werden. Auf <strong>die</strong>sen<br />
fe<strong>in</strong>en Schwankungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>L<strong>in</strong>ie</strong> liegt <strong>die</strong> erste Konzentration des Ausstellungskonzeptes.<br />
Die Sehgewohnheit des Betrachters, geprägt durch <strong>die</strong> Hypervisualisierung<br />
unseres Alltags, soll auf e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>element gelenkt werden. Die re<strong>in</strong>e <strong>L<strong>in</strong>ie</strong>nzeichnung<br />
ist „<strong>die</strong> ursprünglichste <strong>der</strong> menschlichen Ausdrucksformen“ (Michael Semff).<br />
Die Spannbreite liegt zwischen e<strong>in</strong>er freien Zeichnung, e<strong>in</strong>em auf <strong>die</strong> Bezeichnung<br />
e<strong>in</strong>es Gegenstandes verzichtenden <strong>Strich</strong>, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er kalligrafisch ausholenden Geste.<br />
Mittel zur Zeichnung können dabei Bleistift, Farbstift, Fe<strong>der</strong>, P<strong>in</strong>sel <strong>und</strong> jedes an<strong>der</strong>e<br />
Werkzeug o<strong>der</strong> Material se<strong>in</strong>, mit dem Spuren im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Zeichnung auf e<strong>in</strong>en<br />
Bildträger aufgetragen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Raum e<strong>in</strong>getragen werden.<br />
Das Konzept fokussiert sich auf <strong>die</strong> energetische Wirkung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zell<strong>in</strong>ie im Raum.<br />
E<strong>in</strong>e <strong>L<strong>in</strong>ie</strong>, selbst wenn sie als Weg von A nach B gedacht wird, beschreibt immer e<strong>in</strong>en<br />
Raum. E<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e, waagrecht gezogene <strong>L<strong>in</strong>ie</strong> wird sofort als Bezeichnung des Horizonts<br />
gesehen, unabhängig davon, auf welcher Position sie sich auf e<strong>in</strong>er Fläche bef<strong>in</strong>det.<br />
E<strong>in</strong>e vertikale <strong>L<strong>in</strong>ie</strong> wird als Verb<strong>in</strong>dung zwischen e<strong>in</strong>em Oben <strong>und</strong> Unten o<strong>der</strong> von Rechts<br />
nach L<strong>in</strong>ks gedacht, auch <strong>die</strong>s s<strong>in</strong>d räumliche Begriffe, zielen <strong>in</strong>s Dreidimensionale <strong>und</strong><br />
nicht auf e<strong>in</strong>e Fläche. Der Umschlag von <strong>der</strong> gezeichneten <strong>L<strong>in</strong>ie</strong>, dem <strong>Strich</strong>, h<strong>in</strong> zu<br />
e<strong>in</strong>er raumdef<strong>in</strong>ierenden Intervention <strong>in</strong> Anwendung traditioneller Bildhauertechniken<br />
<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> per Installation mit Klebeband, <strong>Faden</strong> o<strong>der</strong> Licht/Laser-E<strong>in</strong>satz, ist hier logische<br />
Konsequenz.<br />
Vom Wort ausgehend ist <strong>die</strong> <strong>L<strong>in</strong>ie</strong> für mich zunächst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Konstrukt. Sie ist zielgerichtet<br />
<strong>und</strong> mathematisch klar def<strong>in</strong>iert, sie ist e<strong>in</strong>e als kürzeste Verb<strong>in</strong>dung gedachte<br />
Bewegung „von A nach B“. In ihrem Namen schw<strong>in</strong>gen Zielgerichtetheit <strong>und</strong> Abgrenzung<br />
mit. In ihrer Neutralität ist sie Gr<strong>und</strong>element <strong>der</strong> Schrift <strong>und</strong> mannigfacher Ikonografie.