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Wie eine Volkskrankheit

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F O R U M M E D I Z I N<br />

Beim Vorliegen <strong>eine</strong>r milden Form der akuten<br />

Divertikulitis ist <strong>eine</strong> kurzzeitige (2 – 3<br />

Tage) Nahrungskarenz indiziert. Erlaubt sind<br />

orale Flüssigkeitszufuhr und ballaststoff arme<br />

Ernährung, die als Trinknahrung angeboten<br />

werden sollte (Leifeld et al., 2008).<br />

Die in der Regel durchgeführte antibiotische<br />

Th erapie kann oral mit Ciprofl oxazin/Metronidazol<br />

oder Amoxicillin plus Betalactamase-<br />

Inhibitor erfolgen (Lode et al., 2006). Hjern<br />

fand allerdings Hinweise dafür, dass der milde<br />

akute Schub auch ohne Antibiotikatherapie<br />

behandelt werden kann (Hjern et al., 2007).<br />

In s<strong>eine</strong>m Kollektiv erlitten 193 antibiotikafrei<br />

therapierte Patienten nicht mehr Komplikationen<br />

als 118 antibiotisch behandelte. Bei diesem<br />

Vorgehen ist natürlich <strong>eine</strong> engmaschige<br />

klinische Kontrolle erforderlich. Beim schweren<br />

klinischen Erscheinungsbild <strong>eine</strong>s Divertikulitis-Schubes<br />

ohne Komplikation ist <strong>eine</strong><br />

stationäre Behandlung mit intravenöser Gabe<br />

von Antibiotika, Nahrungskarenz und parenteraler<br />

Ernährung angezeigt. Folgende Antibiotika<br />

werden eingesetzt: Aminopenicilline<br />

plus Betalactamase-Inhibitor, Cephalosprine<br />

der 2. und 3. Generation plus Metronidazol<br />

sowie Carbapeneme.<br />

Ob der Einsatz von Aminosalizylaten aufgrund<br />

des antiinfl ammtorischen Eff ekts auch<br />

bei der Sigmadivertikulitis sinnvoll ist, wurde<br />

in mehreren Arbeiten untersucht. Es ergeben<br />

sich Hinweise für <strong>eine</strong>n positiven Eff ekt auf<br />

den Verlauf der rezidivierenden Divertikulitis<br />

im Sinne <strong>eine</strong>r Beschwerdemilderung und Erhaltung<br />

der Remission (Di et al., 2005; Tursi<br />

2005; Tursi et al., 2007). Es handelt sich dabei<br />

allerdings um <strong>eine</strong> „off label“-Th erapie.<br />

Für die analgetische Th erapie sollten nicht-steroidale<br />

Antiphlogistika und Opiate vermieden<br />

werden, da mehrfach <strong>eine</strong> erhöhte Perforationsrate<br />

bei deren Anwendung gezeigt werden<br />

konnte (Leifeld et al., 2008). Die Schmerzbehandlung<br />

kann mit Paracetamol und Spasmolytika<br />

meist erfolgreich durchgeführt werden.<br />

Ziele operativer Th erapie der komplizierten<br />

Divertikulitis sind die vollständige Entfernung<br />

des entzündlichen Herdes sowie die<br />

Beseitigung möglicher Stenosen, Fisteln oder<br />

Blutungsquellen. Zur Vermeidung des Divertkulitisrezidives<br />

wird dem Ausmaß der Resektion<br />

nach aboral, also der Anastomosenhöhe<br />

entscheidende Bedeutung beigemessen. Im<br />

Bereich des rektosigmoidalen Übergangs befi<br />

ndet sich <strong>eine</strong> anatomisch und funktionell<br />

defi nierbare Hochdruckzone (Shafi k et al.,<br />

1999; Stoss, 1990). Dieser Bereich ist unterhalb<br />

des Promontoriums gelegen und erfüllt <strong>eine</strong><br />

Sphinkterfunktion (Stoss, 1990; Shafi k, 1996).<br />

Die Resektion dieses Bereichs und die Anlage<br />

der Anastomose im Bereich des oberen Rektums<br />

senkt nachweislich die Rezidivrate der<br />

Divertikulitis (Benn et al., 1986; Bergamaschi<br />

et al., 1998; Th aler et al., 2003). Es muss nicht<br />

die vollständige Entfernung aller Kolondivertikel<br />

angestrebt werden. Die Resektion bis in die<br />

entzündungsfreie Darmwand und<br />

die Erstellung der Anastomose im<br />

Bereich <strong>eine</strong>s divertikelfreien Kolonwandanteils<br />

sind ausreichend.<br />

Ein Divertikulitisrezidiv tritt nach<br />

Kolon-Resektion lediglich in 2 –<br />

7 % der Fälle bei Einhaltung der<br />

genannten Prämissen auf.<br />

Die Operation kann grundsätzlich<br />

einzeitig oder zweizeitig<br />

durchgeführt werden. Unter<br />

„zweizeitigem“ Vorgehen wird die<br />

Durchführung <strong>eine</strong>r Diskontinuitätsresektion<br />

mit Anlage <strong>eine</strong>s<br />

endständigen Kolostomas verstanden,<br />

welches in <strong>eine</strong>r zweiten Operation<br />

etwa 6 Monate nach dem<br />

Ersteingriff zumeist zurückverlagert<br />

werden kann. Beim einzeitigen<br />

Vorgehen erfolgen im Eingriff<br />

die Resektion des entzündlichen<br />

Darmes und die <strong>Wie</strong>derherstellung<br />

der Kontinuität durch <strong>eine</strong> Anastomose.<br />

Die Kolonresektion kann in off ener oder<br />

in minimal-invasiver (Laparoskopie) Technik<br />

erfolgen. Vorteile der laparoskopischen<br />

Operationstechnik sind das geringere Operationstrauma,<br />

geringerer Schmerzmittelverbrauch<br />

und schnellere Rekonvaleszenz.<br />

Das von Kehlet beschriebene und von<br />

Schwenk propagierte Konzept der „Fast<br />

Track“-Rehabilitation nach Kolonoperationen<br />

führt als interdisziplinäres und interprofessionelles<br />

perioperatives Behandlungsregime<br />

auch in Kombination mit dem<br />

laparoskopischen Verfahren zur Verbesserung<br />

der Behandlungsergebnisse (Schwenk<br />

et al., 2004; Kehlet, 2009).<br />

Therapie in verschiedenen<br />

Stadien<br />

Im Stadium IIa wird zunächst <strong>eine</strong> konservative<br />

Behandlung eingeleitet. Diese Th erapie<br />

kann in bis zu 80 % der Fälle erfolgreich<br />

sein (Kaiser et al., 2005; Ambrosetti et al.,<br />

1998). Problematisch ist die Vielfalt möglicher<br />

Befunde, da sich <strong>eine</strong> gedeckte Perforation<br />

nicht immer bei der Erstuntersuchung<br />

zeigt. Kl<strong>eine</strong>, bei der Erstuntersuchung noch<br />

nicht nachweisbare Abszesse können im<br />

Verlauf einschmelzen und so in ein Stadium<br />

IIb übergehen (Classen et al., 2001). Germer<br />

fand, dass sich der präoperative CT-Befund<br />

im Stadium IIa nur in 33 % der Fälle mit dem<br />

histologischen Befund deckt, in den übrigen<br />

Fällen lag ein Stadium IIb mit Abszedierung<br />

vor (Germer et al., 2007). Ist die Phlegmone<br />

ausgeprägt, wird häufi g Beschwerdefreiheit<br />

nicht erreicht. Eine elektive oder frühelektive<br />

Operation ist in diesen Fällen indiziert. Patienten<br />

mit gering ausgeprägter Phlegmone<br />

und zügiger Beschwerdefreiheit unter konservativer<br />

Behandlung bedürfen zunächst<br />

k<strong>eine</strong>r Operation.<br />

30 HAMBURGER ÄRZTEBLATT 01| 2010<br />

Abb. 3: In der CT deutliche, langstreckige Darmwandverdickung<br />

mit gedeckter Perforation und Abszess<br />

Im Stadium II b (Abb. 3) besteht <strong>eine</strong> eindeutige<br />

Operationsindikation, allerdings hängt<br />

der Operationszeitpunkt vom klinischen Bild<br />

ab. Ist <strong>eine</strong> Peritonitis lokalisiert und <strong>eine</strong> freie<br />

Perforation ausgeschlossen, so ist zunächst<br />

<strong>eine</strong> konservative Behandlung angezeigt. Kl<strong>eine</strong><br />

Abszesse (< 4 cm) werden erst konservativ<br />

behandelt, größere Abszesse sollten interventionell<br />

entlastet werden. Tritt innerhalb von<br />

zwei Tagen k<strong>eine</strong> Besserung des Beschwerdebildes<br />

ein, sollte operiert werden. Bessert<br />

sich das klinische Bild, wird ein frühelektiver<br />

Operationszeitpunkt innerhalb von 7 und 10<br />

Tagen angestrebt. Eine Studie von Ritz et al.<br />

zeigte bei Patienten im Stadium II a und II b,<br />

dass die Operation auch nach antibiotischer<br />

Vorbehandlung im entzündungsfreien Intervall<br />

4 – 6 Wochen nach stationärer Initialaufnahme<br />

laparoskopisch mit guten Ergebnissen<br />

durchgeführt werden kann (Ritz et al., 2008).<br />

Dieser Eingriff kann technisch sehr anspruchsvoll<br />

sein und sollte vom erfahrenen Operateur<br />

durchgeführt werden.<br />

Bei Vorliegen <strong>eine</strong>r diff usen, kotigen oder eitrigen<br />

Peritonitis (Stadium II c) besteht <strong>eine</strong> absolute<br />

Operationsindikation zur Fokussanierung.<br />

Häufi g wird in diesem Stadium <strong>eine</strong> Diskontinuitätsresektion<br />

durchgeführt, da <strong>eine</strong> Anastomoseninsuffi<br />

zienz nach primärer Anastomose<br />

im entzündeten Bauchraum befürchtet wird.<br />

Aber auch bei schwerer Vierquadrantenperitonitis<br />

oder Abszess im Bereich des Beckens<br />

kann <strong>eine</strong> primäre Kontinuitätswiederherstellung<br />

erreicht werden. Eigene Erfahrungen mit<br />

der Behandlung im Konzept der Etappenlavage<br />

zeigen, dass bei kontrollierter Anastomosenheilung<br />

die Stomaanlage vermieden werden<br />

kann. Das Konzept sieht die Anlage <strong>eine</strong>s<br />

temporären Bauchdeckenverschlusses vor, um<br />

täglich im Operationssaal Spülbehandlungen<br />

der Abdominalhöhle durchzuführen bis <strong>eine</strong><br />

Reinigung des Bauchraumes eingetreten ist.<br />

Während der Behandlung können täglich

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