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Wie eine Volkskrankheit

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Abb. 4: Nachweis <strong>eine</strong>r Sigma-Blasenfi stel mit Pneumaturie<br />

in der koronaren CT-Rekonstruktion<br />

die intraabdominellen Verhältnisse überprüft<br />

werden. Eventuell sich anbahnende Komplikationen,<br />

wie Nahtinsuffi zienzen, können sofort<br />

behandelt werden (Teichmann et al., 2008).<br />

In zahlreichen Arbeiten ist belegt, dass die<br />

Ergebnisse der Operation mit primärer Anastomosenanlage<br />

denen der Hartmann´schen<br />

Diskontinuitäts-Operation zumindest gleichwertig<br />

sind. Eine Metaanalyse bestätigt sogar<br />

leichte Vorteile für die primäre Anastomose im<br />

Stadium Hinchey III und IV (eitrige oder kotige<br />

Peritonitis) bezüglich Letalität und Morbidität<br />

(Constantinides et al., 2006).<br />

Im Stadium III kommt es bei rezidivierenden<br />

Schüben nicht nur zu chronischen Schmerzzuständen,<br />

sondern auch zu Darmwandverdickungen<br />

mit der Folge von Stenosebildung und<br />

Ileus. Fistelbildung in Nachbarorgane [Blase,<br />

Vagina, Dünndarm (Abb. 4)] kommen in bis<br />

zu 10 % der Fälle vor. Diese Komplikationen<br />

stellen eindeutige Operationsindikationen dar.<br />

Die von europäischen und amerikanischen<br />

Fachgesellschaft en unterstützte Empfehlung<br />

zur Operationsindikation bei unkomplizierter,<br />

rezidivierender Sigmadivertikulitis hielt<br />

lange Zeit die prophylaktische Operation nach<br />

dem zweiten Schub <strong>eine</strong>r Divertikulitis für angezeigt<br />

(Th e American Society of Colon and<br />

Rectal Surgeons, 2000; Kohler et al., 1999). Die<br />

Empfehlung ging auf alte Daten von Parks aus<br />

den 70er Jahren zurück, die implizierten, dass<br />

mit zunehmender Zahl der Schübe die Wahrscheinlichkeit<br />

für das Ansprechen auf <strong>eine</strong><br />

konservative Th erapie abnehme und das Komplikationsrisiko<br />

steige (Parks, 1969). Diese<br />

Daten sind durch zahlreiche Studien widerlegt<br />

(Janes et al., 2005; Chapman et al., 2006) und<br />

haben zunehmend die Empfehlung der „Operation<br />

nach dem zweiten Schub“ aufgeweicht.<br />

In <strong>eine</strong>r Untersuchung von Chapman et al. aus<br />

der Mayo-Klinik trat bei 53 % von 387 operierten<br />

Patienten die Komplikation bereits beim<br />

ersten Schub auf, bei weiteren 35 % im zweiten<br />

Schub. Nur 12 % der Patienten mit<br />

mehr als zwei Schüben erlitten<br />

<strong>eine</strong> Komplikation (Chapman et<br />

al., 2005). Auch scheint das Auftreten<br />

<strong>eine</strong>r Komplikation nach<br />

mehr als zwei Schüben nicht zum<br />

ungünstigeren Verlauf zu prädisponieren<br />

(Chapman et al., 2006).<br />

Eine 2008 publizierte Metaanalyse<br />

von Collins kommt zum Schluss,<br />

dass die milde rezidivierende Divertikulitis<br />

nur ein geringes Risiko<br />

für die Entwicklung von Komplikationen<br />

birgt und bestätigt, dass<br />

<strong>eine</strong> „prophylaktische“ Resektion<br />

das Risiko für <strong>eine</strong>n Notfalleingriff<br />

nicht erhöht (Collins et al., 2008).<br />

Die Leitlinien der amerikanischen<br />

Gesellschaft der kolorektalen Chirurgen<br />

(ASCRS) sind 2006 an die<br />

neue Datenlage angepasst worden<br />

und empfehlen <strong>eine</strong> individuelle<br />

Entscheidung über die Kolonresektion im Stadium<br />

III (Raff erty et al., 2006). Berücksichtigt<br />

werden sollten:<br />

Alter,<br />

Allgemeinzustand,<br />

Frequenz der Schübe,<br />

Intensität der Schübe,<br />

Persistenz der Beschwerden zwischen den<br />

Schüben.<br />

Die Datenlage bezüglich der Operationsergebnisse<br />

nach elektiver Sigmaresektion im<br />

Stadium III ist unbefriedigend. Beschwerdefreiheit<br />

kann in bis zu 95 % erreicht werden,<br />

jedoch wird bei 5 % bis 25 % der Patienten <strong>eine</strong><br />

Beschwerdepersistenz gefunden, deren determinierende<br />

Faktoren noch nicht eindeutig<br />

identifi ziert sind (Parks et al., 1970; Egger et<br />

al., 2008; Moreaux et al., 1990). Moreaux fand<br />

in s<strong>eine</strong>r Untersuchung <strong>eine</strong> Abhängigkeit der<br />

Beschwerdepersistenz vom Ausmaß der präoperativen<br />

Schmerzen und der Krankheitsdauer.<br />

Die Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom<br />

scheint <strong>eine</strong> Rolle zu spielen.<br />

Vorgehen bei Blutung<br />

Bei Divertikulose tritt bei 3 – 15 % der Divertikelträger<br />

im Laufe ihres Lebens <strong>eine</strong> Divertikelblutung<br />

auf (Judd, 1969; McGuire, Jr. et al.,<br />

1972; Young-Fadok et al., 2000). Die Blutung<br />

sistiert in bis zu 90% der Fälle spontan. Eine Literaturübersicht<br />

von Katsoulis zeigt, dass in ca.<br />

18 % der Fälle <strong>eine</strong> chirurgische Intervention<br />

notwendig wird (Katsoulis, 2001a). Bei akuter<br />

Divertikelblutung ist die wichtigste Maßnahme<br />

die Durchführung <strong>eine</strong>r Koloskopie, die<br />

sowohl diagnostische als auch therapeutische<br />

Möglichkeiten bietet. Rezidivblutungen treten<br />

in bis zu 38 % auf (Katsoulis, 2001b), klare<br />

Empfehlungen zur Operationsindikation bestehen<br />

aufgrund der schlechten Evidenzlage<br />

nicht. Im eigenen Vorgehen wird <strong>eine</strong> Operation<br />

beim Blutungsrezidiv individuell gestellt.<br />

01| 2010 HAMBURGER ÄRZTEBLATT<br />

Hierbei ist auch <strong>eine</strong> notwendige Antikoagulationsbehandlung<br />

zu berücksichtigen.<br />

Eigene Ergebnisse<br />

In der Asklepios Klinik Wandsbek wurden von<br />

5/2007 bis 11/2009 insgesamt 397 Patienten<br />

wegen <strong>eine</strong>r Divertikulitis hospitalisiert. Der<br />

Anteil der Frauen lag bei 51,9 %, das Durchschnittsalter<br />

betrug 63,2 Jahre. Die Patienten<br />

wurden nach dem beschriebenen Algorithmus<br />

behandelt. Einem resezierenden Eingriff<br />

mussten sich 132 Patienten unterziehen, hiervon<br />

wurde 74mal laparoskopisch operiert. Die<br />

Verweildauer der Patienten, die nach <strong>eine</strong>m<br />

Fast-Track-Konzept rehabilitiert wurden, lag<br />

im Median bei 6 Tagen. Drei Patienten erlitten<br />

<strong>eine</strong> Anastomoseninsuffi zienz (4,1 %), zweimal<br />

wurde laparoskopisch ein temporäres Ileostoma<br />

vorgeschaltet, einmal erfolgte <strong>eine</strong> Diskontinuitätsresektion.<br />

Kein Patient verstarb.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die<br />

Divertikulose <strong>eine</strong> mit zunehmendem Alter<br />

in bis zu 60 % der Bevölkerung vorkommende<br />

Erkrankung ist, die in 70 % der Fälle<br />

asymptomatisch verläuft . Nur etwa 30 % der<br />

Divertikelträger erleiden im Verlauf des Lebens<br />

Beschwerden. Ballaststoff - und faserreiche<br />

Ernährung mindern die Entstehung<br />

<strong>eine</strong>r Divertikulose. Etwa 75 % der symptomatischen<br />

Divertikulitiden können konservativ<br />

behandelt werden. Die Behandlung<br />

besteht in der Applikation von Antibiotika,<br />

Analgetika und je nach Schweregrad der<br />

Verordnung von Nahrungskarenz. Es gibt<br />

Hinweise, dass Aminosalicylate im akuten<br />

Schub und in der Remissionserhaltung <strong>eine</strong><br />

Bedeutung haben. Eine antibiotikafreie Behandlung<br />

ist wahrscheinlich bei <strong>eine</strong>r milden<br />

Verlaufsform möglich. Für die Th erapiewahl<br />

hat sich die Klassifi kation nach Hansen und<br />

Stock bewährt. Klinischer Befund und Computertomographie<br />

werden zur Bestimmung<br />

der Krankheitsaktivität kombiniert. Eine<br />

Operationsindikation besteht bei Vorliegen<br />

von Abszessen, gedeckter Perforation oder<br />

Peritonitis bei freier Perforation. Auch bei<br />

immunsupprimierten Patienten sollte <strong>eine</strong><br />

Operation nach dem ersten Schub <strong>eine</strong>r Divertikulitis<br />

durchgeführt werden. Im Stadium<br />

III kann es zur Entstehung von Fisteln<br />

oder Stenosen kommen, die <strong>eine</strong> Operationsindikation<br />

darstellen. Abhängig von Beschwerdegrad<br />

und Frequenz rezidivierender<br />

Entzündungsschübe (Stadium III) kann<br />

<strong>eine</strong> Resektion angezeigt sein. Eine elektive<br />

Darmresektion wird überwiegend laparoskopisch<br />

durchgeführt, die laparoskopische<br />

Operationstechnik kann auch in komplizierten<br />

Stadien zur Anwendung kommen.<br />

Literatur beim Verfasser.<br />

Dr. Th omas Mansfeld, Abt. für Viszeralmedizin,<br />

Allgemein- u. Viszeralchirurgie, Gastroenterologie<br />

u. Endoskopie, AK Wandsbek, Tel.:<br />

18 18 83 – 12 64; t.mansfeld@asklepios.com.<br />

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