Foto: Jörg Knappe - EKIMG
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Zug der Erinnerung 10. bis 12. März 2011 in Mönchengladbach<br />
Vergeben – aber niemals vergessen!<br />
Sie gehörten zu uns. Sie waren unsere<br />
Nachbarn, die friedlich mit uns zusammenlebten,<br />
unsere Kollegen und Kolleginnen<br />
am Arbeitsplatz, unsere Freunde, die<br />
mit uns feierten und trauerten. Ihre Kinder<br />
wuchsen mit unseren Kindern auf, spielten<br />
mit ihnen und besuchten mit ihnen die<br />
gleichen Schulen.<br />
1933, zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen<br />
Machtergreifung, lebten etwa 1.200<br />
jüdische Mitbürger im Gebiet der heutigen<br />
Stadt Mönchengladbach. In den Folgejahren<br />
emigrierten 65 Prozent von ihnen<br />
ins Ausland. Doch auch viele geflüchtete<br />
jüdische Emigranten wurden während des<br />
Krieges Opfer des Naziterrors.<br />
Denjenigen, die in der Stadt geblieben waren,<br />
nahm man zuerst ihre Arbeitsplätze,<br />
dann ihre bürgerlichen Rechte, ihre Sy na-<br />
bahnhof an die Menschen, die in die<br />
Vernichtungslager deportiert wurden und<br />
dort meist einen grausamen Tod fanden.<br />
Der „Zug der Erinnerung“ hält in vielen<br />
deutschen Städten und widmet sich besonders<br />
dem Schicksal der deportierten<br />
Kinder und Jugendlichen.<br />
In unserer Stadt waren es 481 jüdische<br />
Mitbürger, die ihren Leidensweg in die<br />
Vernichtungslager am Mönchengladbacher<br />
Güterbahnhof antraten. Mindestens<br />
49 Kinder und Jugendliche im Alter von ein<br />
bis 19 Jahren gehörten zu ihnen.<br />
Bereits 1939 hatte man die meisten Juden<br />
aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben<br />
und in sogenannten „Juden häusern“<br />
zusammengepfercht. Im Gebiet unserer<br />
Evangelischen Gemeinde M. Gladbach<br />
waren jüdische Mitbürger vor allem in den<br />
Bilder der Ausstellung, wie sie 2008 in Berlin am Ostbahnhof gezeigt wurde. <strong>Foto</strong>s: Achim Bodewig<br />
gogen, ihre Geschäfte, ihre Häuser und<br />
Wohnungen weg. Ihre Ersparnisse und<br />
sonstigen Habseligkeiten wurden ihnen<br />
genommen. Aus Vereinen, Sportvereinen<br />
und von öffentlichen Veranstaltungen<br />
wurden sie ausgeschlossen. Ihre Kinder<br />
durften keine öffentlichen Schulen mehr<br />
besuchen. Der Besitz von Radiogeräten<br />
und Telefonen war ihnen untersagt. Zuletzt<br />
wurden sie auf Anordnung eines verbrecherischen<br />
Staatsapparates in Todeslager<br />
deportiert, wo ihnen sogar Wasser und<br />
Brot verweigert wurden. Nach heutigem<br />
Wissen wurden 764 Juden aus dem derzeitigen<br />
Mönchengladbacher Stadt gebiet<br />
Opfer des Holocaust.<br />
Vom 10. bis 12. März erinnert eine Dampflokomotive<br />
mit mehreren Ausstellungswaggons<br />
am Mönchengladbacher Haupt-<br />
Häusern Kabelstraße 93 und 93b, Gasthausstraße<br />
8, Weiherstraße 27, Knopsstraße<br />
31, Aachener Straße 45 und Hindenburgstraße<br />
360 unter gebracht. Von diesen<br />
letzten Adres sen wurden sie ab Dezember<br />
1941 in die Vernichtungslager verschleppt.<br />
Einige der ermordeten Kinder und Jugendlichen<br />
wollen wir beim Namen nennen und<br />
ihrer grau samen Schicksale gedenken:<br />
Der Sonderzug nach Riga am 11. Dezember<br />
1941 deportierte den neunjährigen<br />
Gert Alexander und das Kleinkind Denny<br />
Grünewald, das erst ein Jahr und elf Monate<br />
alt war, in den Tod.<br />
Auf der Weiherstraße 27 hatten zuletzt<br />
der dreizehnjährige Herbert Frenkel, der<br />
vierzehnjährige Günther Frenkel und der<br />
siebzehnjährige Kurt Frenkel gewohnt,<br />
die ihre Verschleppung am 22. April 1942<br />
in das Lager Izbica bei Lublin nicht überlebten.<br />
Zum gleichen Todeszug gehörten<br />
die zehnjährige Karla Heymann und die<br />
fünfzehnjährige Ilse Heymann, die zuletzt<br />
auf der Gasthausstraße 8 untergebracht<br />
waren.<br />
Auch für den fünfjährigen Joachim Levi,<br />
die zwei Jahre alte Rahel Meyer und die<br />
vierjährige Lieselotte Meyer, die alle zuletzt<br />
auf der Aachener Straße 45 gewohnt hatten,<br />
führte der Zug in den Tod.<br />
Zweieinhalb Jahre alt war Deny Wolff, zuletzt<br />
Hindenburgstraße 360. Ebenso gehörten<br />
die vierzehnjährige Ruth Zander<br />
und der siebzehnjährige Herbert Zander,<br />
die zuletzt auf der Knopsstraße 31 untergebracht<br />
waren, zu den Todesopfern. Von<br />
der Familie Zander überlebte nur Hilde<br />
Zander (geb. 1923), die uns in ihrem Buche<br />
„Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre<br />
im Ghetto“ und bei Besuchen in unserer<br />
Stadt Augenzeugenberichte von der damaligen<br />
Schreckenszeit gegeben hat.<br />
Einige Mitbürger in den Städten Mönchengladbach<br />
und Rheydt hatten den Mut,<br />
unter Einsatz ihres eigenen Lebens, verfolgte<br />
jüdische Mitbürger bis zum Kriegsende<br />
zu verstecken. Von den Deportierten<br />
haben nur wenige die staatlich organisierten<br />
Massenmorde überlebt.<br />
Im Jahre 1989 lud die Stadt Mönchengladbach<br />
Überlebende des Holocaust und ihre<br />
Verwandten ein, um Verständigung, Versöhnung<br />
und Vergebung zu ermög lichen.<br />
Bei einer damaligen Ausstellung im Haus<br />
Zoar schrieb Moshe Stern aus Israel am<br />
26. September 1989 in das Gästebuch die<br />
Worte: „Erzählen, was war und sorgen,<br />
daß es sich nicht wiederholt.“ Eine nicht<br />
unterschriebene Eintragung in das Gästebuch<br />
am gleichen Tage, vermutlich von<br />
John und Faye Weil aus den USA, lautet:<br />
„Vergeben – aber niemals vergessen!“<br />
Lothar Beckers<br />
Stationen des Zuges in der Region<br />
Mönchengladbach: 10. bis 12. März<br />
Viersen: 13. bis 15. März<br />
Grevenbroich: 16. und 17. März<br />
Neuss : 18. und 19. März<br />
Krefeld: 20. bis 22. März<br />
Heinsberg: 23. und 24. März<br />
Geilenkirchen: 25. und 26. März<br />
Herzogenrath: 27. bis 29. März<br />
Stolberg: 30. und 31. März<br />
Düren: 1. und 2. April<br />
Aachen: 3. bis 6. April<br />
Schleiden: 7. April<br />
Hellenthal: 8. April<br />
Öffnungszeiten: 8.30 bis 19.30 Uhr<br />
Eintritt: frei<br />
www.zug-der-erinnerung.eu