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Programm - Domorgel Mainz, Domorganist Daniel Beckmann

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InternatIonaler<br />

orGelSoMMer 2012<br />

ProGraMM | JulI – SePteMber Schutzgebühr 1 €


Informationen zur orgelmusik im Dom<br />

Auf den Internetseiten www.domorgelmainz.de<br />

können Sie sich umfassend über<br />

die Orgelmusik innerhalb und außerhalb<br />

der Liturgie, anstehende Konzerttermine<br />

sowie Geschichte und Besonderheiten der<br />

großen <strong>Mainz</strong>er <strong>Domorgel</strong>anlage informieren.<br />

Wenn Sie darüber hinaus Interesse an<br />

regelmäßigen Informationen in Form eines<br />

Newsletters haben, teilen Sie uns bitte Ihren<br />

Namen und Ihre E-Mail Adresse per Post, Fax<br />

oder E-Mail (Betreff: Adressverteiler) mit. So<br />

werden Sie umgehend in die neue Datenbank<br />

aufgenommen.<br />

Kontakt:<br />

Bischöfliches Domkapitel <strong>Mainz</strong><br />

<strong>Domorganist</strong> <strong>Daniel</strong> <strong>Beckmann</strong><br />

Postfach 1560<br />

55005 <strong>Mainz</strong><br />

Telefon: 06131/253 474<br />

Fax: 06131/253 529<br />

E-Mail: domorganist@bistum-mainz.de<br />

Internet: www.domorgel-mainz.de<br />

Karten und weitere Informationen erhalten Sie in den<br />

Vorverkaufsstellen:<br />

– Infoladen des Bistums, Heiliggrabgasse 8, Telefon: 06131/253 888<br />

– Markt 10 – Dominformation, Telefon: 06131/253 412<br />

und an der Abendkasse<br />

Eintritt: 8 €/6 € (Schüler/Studenten), 4 € (Mitglieder des Fördervereins)<br />

Abo: 42 €/21 € (Mitglieder des Fördervereins)<br />

Abendkasse und Einlass ab 18.00 Uhr, Beginn 18.30 Uhr<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Bischöfliches Domkapitel<br />

Postfach 1560<br />

55005 <strong>Mainz</strong><br />

Gestaltung: Petra Louis/Werbewerkstatt Korinski, <strong>Mainz</strong><br />

Fotos: Markus Kohz (Dom, Orgel und <strong>Daniel</strong> <strong>Beckmann</strong>)<br />

Druck: Grafisches Zentrum <strong>Mainz</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

❚ Grußwort von <strong>Domorganist</strong> <strong>Daniel</strong> beckmann 5<br />

❚ Samstag, 21.7.2012 6<br />

<strong>Domorganist</strong> <strong>Daniel</strong> beckmann, <strong>Mainz</strong><br />

❚ Samstag, 28.7.2012 12<br />

Prof. ulrich Walther, Graz (a)<br />

❚ Samstag, 4.8.2012 18<br />

<strong>Domorganist</strong> Michael Harris, edinburgh (uK)<br />

❚ Samstag, 11.8.2012 22<br />

<strong>Domorganist</strong> ludwig ruckdeschel, Passau<br />

❚ Samstag, 18.8.2012 26<br />

Prof. Dr. naji Hakim, Paris (F)<br />

❚ Samstag, 25.8.2012 30<br />

Prof. tomasz adam nowak, Detmold<br />

❚ Samstag, 1.9.2012 34<br />

Prof. Gerhard Gnann, <strong>Mainz</strong><br />

❚ Samstag, 8.9.2012 40<br />

<strong>Domorganist</strong> <strong>Daniel</strong> beckmann, <strong>Mainz</strong><br />

❚ Dispositionen der <strong>Mainz</strong>er <strong>Domorgel</strong>n 46<br />

❚ Informationen zum „Verein der Freunde und Förderer 50<br />

der Musica Sacra am Hohen Dom zu <strong>Mainz</strong> e. V.“<br />

einführungstexte: Prof. Dr. Paul thissen, Paderborn


Grußwort<br />

Liebe Freunde der Musica Sacra am <strong>Mainz</strong>er<br />

Dom, sehr geehrte Damen und Herren,<br />

nachdem im vergangenen Jahr erstmalig<br />

ein Internationaler Orgelsommer am Dom<br />

St. Martin durchgeführt wurde, stimmt es<br />

mich froh und dankbar, dass das Bischöfliche<br />

Domkapitel auch in diesem Jahr eine<br />

erneute Durchführung dieses Festivals ermöglicht.<br />

Mein Dank gilt auch Ihnen als Publikum,<br />

das durch reges Interesse und hohe<br />

Besucherzahlen dafür sorgt, dass der Internationale<br />

Orgelsommer auf dem besten<br />

Wege ist, zur Institution werden zu dürfen.<br />

Auch in diesem Jahr konnten wieder Künstler<br />

von internationalem Renommee gewonnen<br />

werden. In einer ausgewogenen<br />

Mischung von <strong>Domorganist</strong>en, Hochschulprofessoren<br />

und Konzertorganisten aus<br />

Deutschland, Österreich, Frankreich und<br />

Schottland erwartet Sie ein abwechslungsreiches<br />

<strong>Programm</strong>, das neben Werken des<br />

14. bis 21. Jahrhunderts auch zahlreiche Improvisationen<br />

und Eigenkompositionen der<br />

Interpreten erwarten lässt.<br />

Die <strong>Mainz</strong>er <strong>Domorgel</strong> gehört zu den kompliziertesten<br />

Orgelanlagen Europas und ist<br />

in ihrer konzeptionellen Anlage sicherlich<br />

einzigartig. Ihre 7986 Pfeifen verteilen sich<br />

auf sieben unterschiedliche Standorte der<br />

monumentalen, doppelchörigen Basilika.<br />

Der sechsmanualige Spieltisch bietet dem<br />

Organisten die Möglichkeit, wie ein Dirigent<br />

eines großen Sinfonieorchesters mit den<br />

Klangfarben der 114 verschiedenen Register<br />

interpretierend-gestalterisch zu agieren. Da<br />

sich die <strong>Domorgel</strong> klanglich wie technisch<br />

heute auf einem nahezu unveränderten<br />

Nachkriegsstand der 1960er Jahre befindet,<br />

ist ein überzeugendes Spiel nach künstlerischen<br />

Qualitätskriterien eine große Herausforderung,<br />

der sich die Interpreten in ihrem<br />

Konzert stellen. Umso mehr freut es mich,<br />

dass nun dank eines jüngsten Beschlusses<br />

des Bischöflichen Domkapitels zeitnah ein<br />

Wettbewerb zur grundlegenden Neuordnung<br />

der <strong>Domorgel</strong>situation durchgeführt<br />

werden darf. Weitergehende Informationen<br />

hierzu können Sie dem 32-seitigen Booklet<br />

der neuen CD sowie der Ausgabe 2/2012<br />

des „organ_Journal für die Orgel“ aus dem<br />

Hause Schott entnehmen, die beide an der<br />

Abendkasse zum Kauf angeboten werden.<br />

Wenn das Vaticanum II der Orgel expressis<br />

verbis die Fähigkeit zuspricht, die „Herzen<br />

mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben“,<br />

dann ist sie Sinnbild des Göttlichen<br />

und Brücke zur Transzendenz. Verbunden<br />

mit dem Wunsch, dass dies auch in diesem<br />

Internationalen Orgelsommer gelingen darf,<br />

grüße ich Sie herzlich!<br />

Ihr<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Beckmann</strong><br />

<strong>Domorganist</strong><br />

5


6<br />

Samstag, 21.7.2012, 18.30 uhr | <strong>Daniel</strong> beckmann, <strong>Mainz</strong><br />

Konzert mit Vorstellung der neuen CD | <strong>Programm</strong><br />

F. Liszt Präludium und Fuge über<br />

(1811–1886) den Namen B-A-C-H<br />

F. Mendelssohn<br />

Bartholdy Sonate für Orgel A-Dur, Op. 65 Nr. 3<br />

(1809–1847) I. Con moto maestoso<br />

II. Andante tranquillo<br />

W. A. Mozart Allegro und Andante (Fantasie)<br />

(1756–1791) in f für eine Orgelwalze, KV 608<br />

Curriculum Vitae auf Seite 41<br />

F. Mendelssohn<br />

Bartholdy Sonate für Orgel f-Moll, Op. 65 Nr. 1<br />

I. Allegro moderato e serioso<br />

II. Adagio<br />

III. Andante. Recitativo<br />

IV. Allegro vivace assai<br />

F. Liszt Variationen über den Basso Continuo<br />

der Kantate<br />

„Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“<br />

von J. S. Bach<br />

InternatIonaler orGelSoMMer 2012<br />

Die aktuelle CD<br />

zu Gunsten der <strong>Domorgel</strong>:<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Beckmann</strong><br />

spielt Liszt,<br />

Mozart,<br />

Mendelssohn<br />

Erhältlich für 15,- Euro an der Abendkasse,<br />

in der Dominformation, (Markt 10,<br />

55116 <strong>Mainz</strong>, Telefon: 06131/253-412) oder im<br />

Infoladen des Bistums (Heiliggrabgasse 8,<br />

55116 <strong>Mainz</strong>, Telefon: 06131/253-888)


Zum <strong>Programm</strong><br />

Heinrich Reimann, der Organist der<br />

Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und<br />

Lehrer Karl Straubes, zählt die beiden auf<br />

Bach bezogenen Orgelwerke zu Liszts bedeutenden<br />

Kompositionen. „Jedermann<br />

weiß“, so schreibt Reimann, wie sturmbewegt<br />

Liszts Leben war. In dem wilden<br />

Meere, auf dem sein Lebensschiff trieb,<br />

bilden jene beiden Orgelkompositionen<br />

[...] ein kleines Eiland von wundervoller<br />

ernster, fast düsterer Schönheit.“ Reimann<br />

spricht Liszt das Verdienst der Erneuerung<br />

der Orgelmusik zu: „Auf Bach‘scher Grundlage<br />

[...] ist ein neuer Stile geschaffen;<br />

es sind Werke, die, auf der Höhe der Zeit<br />

stehend, die Orgelmusik aus der niederen,<br />

dumpfen Atmospäre, in die sie wie in<br />

einen Kerker gebannt war, in die hohen<br />

ästhetischen Regionen des Lichts und der<br />

reinen Kunst gehoben haben.“<br />

Franz Liszts Präludium und Fuge über den<br />

Namen B-A-C-H entstand als Auftragswerk<br />

anlässlich der Wiedereinweihung der<br />

Ladegast-Orgel im Merseburger Dom<br />

im Jahr 1855. Liszt konnte das Werk<br />

allerdings nicht rechtzeitig vollenden;<br />

als Ersatz wurde seine „Ad nos“-Fantasie<br />

gespielt. Die Uraufführung der B-A-C-H-<br />

Komposition erfolgte am 13. Mai 1856<br />

durch Alexander Winterberger, dem die<br />

Komposition auch gewidmet ist. Das Werk<br />

gehört zu den sog. anagrammatischen<br />

Kompositionen. Bach selbst war wohl der<br />

Erste, der die aus seinem Namen sich ergebende<br />

Viertonfolge, zwei im Sekundabstand<br />

sequenzierte Halbtöne, bewusst<br />

als musikalisches Motiv benutzte. Liszts<br />

Huldigung erschöpft sich keinesfalls nur<br />

in der immer wieder in klavieristische<br />

Virtuosität mündende Verarbeitung des<br />

Namensmotivs, sondern schlägt sich zudem<br />

nieder in zahlreichen Annäherungen<br />

an Bach‘sche Kompositionskonzepte,<br />

ohne dass es dabei zu exakten Zitaten<br />

kommt.<br />

Es ist common sense, dass nach dem Tod<br />

Bachs erst wieder César Franck und Max<br />

Reger überragende Orgelwerke geschrieben<br />

haben. Zu den Ausnahmen werden<br />

mitunter die sechs Orgelsonaten Felix<br />

Mendelssohn Bartholdys gerechnet,<br />

die er 1845 aus einzelnen Orgelstücken<br />

zusammenstellte. Gattungshistorisch<br />

stehen die Werke eher mehrsätzigen, aber<br />

nicht zyklischen Instrumentalwerken wie<br />

z. B. Bachs Triosonaten nahe als der klassischen<br />

Sonate. Am 15. September 1845<br />

wurden die Sonaten, die Mendelssohn<br />

als „a kind of Organ-school“ verstand,<br />

zeitgleich in Leipzig, London, Paris und<br />

Mailand veröffentlicht.<br />

Der erste Satz von op. 65/3 ist als Choralfuge<br />

über „Aus tiefer Not“ mit zwei korrespondierenden<br />

Rahmenteilen gearbeitet.<br />

Während die Rahmenteile wahrscheinlich<br />

auf eine Einzugsmusik zurückgehen, die<br />

Mendelssohn 1829 für die Hochzeit seiner<br />

Schwester Fanny geschrieben hatte,<br />

zitiert das erste Fugenthema ein Rezitativ<br />

aus dem Lobgesang op. 52 (1840). Für<br />

die Entwicklung der Choralbearbeitung<br />

im 19. Jahrhundert ist es typisch, dass<br />

der Weg von der Melodie weg hin zum<br />

Gehalt führt, die Musik also nicht mit der<br />

melodischen Substanz arbeitet, sondern<br />

die textliche Aussage meditiert. So erklärt<br />

sich nicht nur der auf den ersten Blick wie<br />

ein bloßer Appendix wirkende Schlusssatz<br />

der 6. Sonate, sondern auch der<br />

zweite und letzte Satz, ein lyrisch-heiteres<br />

Andante, der 3. Sonate, der in Bezug gesetzt<br />

werden könnte zu der Aussage des<br />

dem Lied zugrunde liegenden Psalms: „Er<br />

ist allein der guter Hirt, der Israel erlösen<br />

wird.“<br />

Allegro und Andante (Fantasie) in f für eine<br />

Orgelwalze KV 608 entstand in Wolfgang<br />

Amadeus Mozarts Todesjahr und darf als<br />

die gewichtigste seiner Kompositionen<br />

für eine selbst spielende Flötenuhr –<br />

Mozart nannte sie „Orgelwerk“ oder<br />

„Orgelwalze“ – gesehen werden. Die<br />

Großform des Stückes ist ebenso wie die<br />

Form der beiden Rahmenteile dreiteilig:<br />

Der ernst-pathetische erste Teil ist durch<br />

punktierte Rhythmik bestimmt; es folgt<br />

eine Fuge, die in die Wiederholung des<br />

Anfangs mündet. Der liedhafte Mittelteil,<br />

ein Variationensatz, steht in der parallelen<br />

Dur-Tonart As-Dur. Der Schlussteil wiederholt<br />

den Anfang in As-Dur, zudem wird<br />

die Fuge mit einem motorischen Kontrasubjekt<br />

präsentiert.<br />

Mendelssohn Bartholdys op. 65/1<br />

kommt, wiewohl der dritte Satz ein Rezitativ<br />

ist, dem Sonatenzyklus am nächsten,<br />

zumal der Kopfsatz als Sonatenhauptsatzform<br />

zu verstehen ist: Es gibt ein Hauptthema,<br />

dem eine zehntaktige Einleitung<br />

vorangestellt ist, und ein Seitenthema,<br />

das auf den Anfang des Chorals „Was mein<br />

Gott will“ zurückgreift. Mit diesem sehr<br />

originellen Einfall, der vorbildhaft wurde<br />

für viele nachfolgende Komponisten, hat<br />

Mendelssohn der „weltlichen“ Gattung<br />

„Sonate“ eine orgelgemäße religiöse Dimension<br />

verliehen. Der zweite Satz ist ein<br />

lyrisch-betrachtendes „Lied ohne Worte“.<br />

Das durch stets alternierende Klangebenen<br />

charakterisierte Andante Recitativo<br />

leitet über zu dem aufgrund der gebrochenen<br />

Akkorde ausgesprochen pianistisch<br />

empfundenen Schlusssatz, der erst<br />

ab. T. 68 thematische Struktur gewinnt.<br />

Franz Liszts Weinen, Klagen, Sorgen,<br />

Zagen geht zurück auf eine Klavierkomposition<br />

(„Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“.<br />

Präludium nach J. S. Bach) über den chromatischen<br />

Quartfall des Chorsatzes aus<br />

der entsprechenden Kantate J. S. Bachs,<br />

die Liszt im Dezember 1859 nach dem Tod<br />

seines Sohnes <strong>Daniel</strong> komponiert hatte.<br />

Als 1862 dann auch die Tochter Blandine<br />

8 9


verstarb, verarbeitete Liszt dasselbe<br />

Motiv, nun aber erheblich ausgeweitet<br />

und ergänzt um den Schlusschor der<br />

Kantate. Der Titel lautet nun Variationen<br />

über das Motiv von Bach – Basso continuo<br />

des ersten Satzes der Kantate „Weinen,<br />

Klagen, Sorgen, Zagen“ und des „Crucifixus“<br />

aus der h-moll-Messe und trägt<br />

damit der Tatsache Rechnung, dass Bach<br />

das Kantatenmotiv, ein chromatischer<br />

Quartgang, der als passus duriusculus, als<br />

„harter Durchgang“ figürlichen Charakter<br />

hat und dem Assoziationsfeld „Trauer“<br />

zugeordnet ist, auch im „Crucifixus“ der<br />

h-Moll-Messe verwendet. 1863 entstand<br />

die Orgel-Fassung.<br />

Liszt nannte die Variationen, wohl in<br />

Anspielung an Mendelssohns Variations<br />

sérieuses, „plus que sérieuses“. Besonders<br />

auffällig ist der Schluss, da dem harmonisch<br />

komplexen Variationenteil ein simpel<br />

harmonisierter Choral folgt: Mit einem<br />

einstimmigen Rezitativ vollzieht Liszt den<br />

Übergang vom unaufgelösten Abschluss<br />

des Variationsteils zum Schlusschoral „Was<br />

Gott tut, das ist wohlgetan“. Motiviert ist<br />

das Zitat des Chorals offenbar durch den<br />

Wunsch einer – bei Liszt relativ häufig<br />

zu findenden – religiösen Überhöhung.<br />

Während die Chromatik dem Affekt des<br />

Leidens korrespondiert, verweist der Choral<br />

auf die Erlösung durch das Vertrauen<br />

auf Gottes gerechten Willen.<br />

Paul Thissen<br />

10 11


Samstag, 28.7.2012, 18.30 uhr | ulrich Walther, Graz (a)<br />

Konzert zum todestag bachs: „bach in bearbeitungen“ | <strong>Programm</strong><br />

J. S. Bach Praeludium et Fuga in C, BWV 870<br />

(1685–1750) (Transkription: M. Reger)<br />

Choral „Vor deinen Thron tret ich hiermit“, BWV 668<br />

Praeludium et Fuga in d, BWV 1001 / 539<br />

(Fassung: U. Walther)<br />

Choral „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, BWV 647<br />

Passacaglia et Fuga in c, BWV 582<br />

(Fassung nach F. Liszt und J. G. Töpfer)<br />

Choral „Vater unser im Himmelreich“, BWV 682<br />

Fantasia et Fuga in a, BWV 904<br />

(Transkription: M. Reger)<br />

InternatIonaler orGelSoMMer 2012<br />

Curriculum Vitae<br />

Ulrich Walther (Graz) wurde 1980 in Hagen<br />

geboren. Er erhielt seinen ersten Klavierunterricht<br />

im Alter von 6 Jahren bei Prof.<br />

Fritz Emonts in Hagen, später bei Thomas<br />

Günther (Folkwanghochschule Essen). Erster<br />

Orgelunterricht mit 13 bei Matthias Ank,<br />

später bei Manfred Kamp und Andreas Meisner<br />

(Altenberger Dom). An der Stuttgarter<br />

Musikhochschule studierte er Kirchenmusik,<br />

Orgel, Musikerziehung und Schulmusik bei<br />

Ludger Lohmann, Dieter Kurz, Hans-Martin<br />

Corrinth, Willibald Bezler und Jürgen Essl.<br />

Nebenbei Teilnahme an zahlreichen Meisterkursen,<br />

u. a. bei Lorenzo Ghielmi, <strong>Daniel</strong><br />

Roth, Hans-Ola Ericcson, David Sanger,<br />

Heinz Wunderlich, Gerhard Weinberger und<br />

Jon Laukvik.<br />

Bei mehreren internationalen Wettbewerben<br />

ging er als Preisträger hervor: 2005 1. Preis<br />

in Korschenbroich/Westfalen, 2006 2. Preis<br />

und Sonderpreis für die beste Interpretation<br />

des zeitgenössischen Auftragswerkes von<br />

Thomas <strong>Daniel</strong> Schlee beim Wettbewerb<br />

„Bach und die Moderne“ in Graz, 2. Preis<br />

beim Helmut Bornefeld-Wettbewerb in Heidenheim.<br />

2007 1. Preis und Publikumspreis<br />

in St. Albans. 2008 Auszeichnung mit einem<br />

Stipendium des Deutschen Musikrates und<br />

Aufnahme in die Bundesauswahl „Konzerte<br />

junger Künstler“, 1. Preis und Messiaenpreis<br />

beim Bach-Liszt-Wettbewerb in Erfurt-Weimar-Merseburg.<br />

2007/2008 unterrichtete er Schulpraktisches<br />

Klavierspiel an der Musikhochschule Stuttgart.<br />

Von 2008 bis 2010 unterrichtete er im<br />

Rahmen einer Gastprofessur künstlerisches<br />

Orgelspiel, Improvisation und Generalbaß<br />

an der Kunstuniversität (KUG) Graz/Österreich.<br />

Im Oktober 2010 wurde er als Professor<br />

an die Grazer KUG berufen.<br />

Seine Konzerttätigkeit führte ihn zu bedeutenden<br />

Orgeln und Festivals (u. a. Nürnberger<br />

Orgelwoche ION, Thüringer Bachwo-<br />

www.ulrichwalther.com<br />

chen, Bodensee Musikfestival, Oberstdorfer<br />

Kunstsommer, Organ Festival Oviedo, Orgelfestival<br />

Bergamo, St. Albans, Los Angeles<br />

St. James' Episcopal Church, Wormser Dom,<br />

Chartres Cathedral, Stadthalle Wuppertal,<br />

Edinbourgh St. Giles, Birmingham Townhall,<br />

St. Bavo Haarlem, Moskau Kathedrale,<br />

St. Petersburg Capella, Schloss Frederiksborg,<br />

Trinitatiskirke Kopenhagen), wobei<br />

teilweise Rundfunkmitschnitte entstanden.<br />

2010 erschien seine erste CD-Aufnahme mit<br />

Orgeltranskriptionen Max Regers an der Bremer<br />

<strong>Domorgel</strong>. Momentan arbeitet er u. a.<br />

an einer Aufnahme sämtlicher Transkriptionen<br />

Max Regers für Orgel.<br />

12 13


Zum <strong>Programm</strong><br />

Insbesondere Bachs Klavierwerk, vor<br />

allem das Wohltemperierte Klavier ist<br />

über die Jahrhunderte hindurch für alle<br />

bedeutenden Komponisten Basis der<br />

Aneignung kontrapunktischer Kompositionstechniken<br />

gewesen. Kaum ein<br />

Komponist jedoch hat Bach so sehr als<br />

Vorbild gesehen wie Max Reger. Häufig<br />

wurden Bach´sche Werke bearbeitet<br />

oder arrangiert (Mozart hat z. B. Fugen<br />

aus dem Wohltemperierten Klavier für<br />

Streichquartett bearbeitet).<br />

Den Rahmen des heutigen Konzerts bilden<br />

Bearbeitungen Max Regers, der, was<br />

durchaus bemerkenswert ist, während<br />

seines ganzen Lebens Bach´sche Werke<br />

bearbeitet hat. Man sah hierfür nicht<br />

zuletzt eine in Regers Psyche gründende<br />

Motivation, war Johann Sebastian<br />

Bach für ihn, den vom Vater Verachteten,<br />

doch „Anfang und Ende aller Musik“, sein<br />

musikalischer „Allvater“, den er auch als<br />

„Musikgottvater“ anbetete, aber auch die<br />

„Possesivität“ von Regers Wesen dient als<br />

Erklärung. „Reger“, so heißt es, „kann der<br />

Tradition nur begegnen, indem er sich ihrer<br />

bemächtigt, indem er sie sich zu eigen<br />

macht, sie bearbeitet‘“. Sehr aufschlussreich<br />

ist in diesem Zusammenhang eine<br />

Bemerkung von August Schmidt-Lindner,<br />

der mit Reger bei der Herausgabe der<br />

Klavierwerke Bachs zusammengearbeitet<br />

hat: „Den Gedanken, dass das Werk,<br />

welches er unter seinen Händen habe,<br />

in diesem Augenblick sein Eigentum sei,<br />

konnte er in höchst dramatischer Weise<br />

äußern, wollte ihn ein besorgter Akademiker<br />

zur Rechenschaft ziehen“. Von<br />

besonderer Bedeutung war für ihn das<br />

Wohltemperierte Klavier. In einem Brief, in<br />

dem er seinem Wunsch Ausdruck verleiht,<br />

als Universitätsmusikdirektor in Leipzig<br />

auch Vorlesungen zur Musik zu halten,<br />

skizziert er eine musikgeschichtliche Vorlesungsreihe:<br />

„Ich würde zuerst anfangen<br />

mit Kontrapunkt und Fuge unter spezieller<br />

Berücksichtigung des ,Wohltemperierten<br />

Klaviers‘ von J. S. Bach.“ So nimmt<br />

es nicht Wunder, dass Reger eine Reihe<br />

von Präludien und Fugen aus dem WT<br />

für Orgel bearbeitet hat. Im Gegensatz<br />

zur Bearbeitung der Zweistimmigen<br />

Inventionen für Orgel, denen Reger eine<br />

dritte Stimme, eine Pedalstimme hinzufügt<br />

und so eine „Schule des Triospiels“<br />

realisiert, lassen sowohl die Bearbeitung<br />

von Präludium und Fuge in C BWV 870<br />

aus dem Zweiten Teil des WT als auch<br />

die von Fantasia et Fuga in a BWV 904<br />

den Notentext unangetastet, weshalb<br />

man korrekterweise von Transkriptionen<br />

sprechen muss. Entscheidend ist jedoch,<br />

dass durch die Hinzufügung von differenzierter<br />

dynamischer Gestaltung und<br />

eindeutig fixierter Artikulation aus den<br />

Bach´schen Kompositionen Werke entstehen,<br />

deren klangliches Erscheinungsbild<br />

ganz dem durch das Orchester geprägten<br />

ästhetischen Ideal des späten 19. Jahrhunderts<br />

entspricht.<br />

Gleiches gilt für die Bearbeitung der<br />

Passacaglia et Fuga in c BWV 582 in der<br />

Bearbeitung von Liszt und Töpfer, der als<br />

Organist , Komponist und Orgelbaufachmann<br />

Franz Liszt eng verbunden war.<br />

Während es heute auf der Grundlage<br />

einer einzigen, seit 1929 verschollenen<br />

Abschrift eines unbekannten Kopisten,<br />

in der die Angabe „pro Organo pleno“<br />

enthalten war, üblich geworden ist, die<br />

Komposition mit einer nahezu durchgehenden<br />

Registrierung zu spielen, haben<br />

die Herausgeber eine Fülle von Manualwechseln<br />

und Registrierangaben hinzugefügt,<br />

also gleichsam „orchestriert“. Der<br />

Begriff „Passacaglia“ ist offenbar abzuleiten<br />

aus dem spanischen Ausdruck „pasar<br />

una calle“ („durch die Straße gehen“),<br />

woraus man schließen kann, dass die<br />

entsprechende, ursprünglich wohl über<br />

einem Bassmodell improvisierte Musik im<br />

Gehen auf der Straße ausgeführt wurde.<br />

In die Kunstmusik überführt, werden Variationen<br />

über einem ostinaten, also gleich<br />

bleibenden Bassmodell als Chaconne<br />

oder eben als Passacaglia bezeichnet.<br />

Obgleich man wohl nie eindeutig wird<br />

klären können, ob es sich um ein bewusstes<br />

Zitat handelt, ist es bemerkenswert,<br />

dass die ersten vier Takte des achttaktigen<br />

Ostinatothemas aus Johann Sebastian<br />

Bachs Passacaglia c-Moll diastematisch,<br />

also im Hinblick auf den Tonhöhenverlauf,<br />

exakt übereinstimmen mit dem „Christe“-<br />

Thema aus der Messe du deuzième ton<br />

aus dem Livre d´orgue (1688) von André<br />

Raison. Nach der einstimmigen Präsentation<br />

des Themas folgen 20 Variationen<br />

und schließlich eine umfangreiche<br />

fugierte Fassung. Wiewohl Bach die<br />

Passacaglia spätestens mit 27 Jahren<br />

komponiert haben muss – das Werk ist im<br />

sog. Andreas-Bach-Buch enthalten, das<br />

zwischen 1710 und 1712, möglicherweise<br />

auch früher, entstanden ist – und mit<br />

Figuren bzw. Motiven arbeitet, die er unverkennbar<br />

aus Ostinatokompositionen<br />

z. B. von Buxtehude oder Pachelbel<br />

kannte, stellt das Werk einen ersten Höhepunkt<br />

der Gattungsgeschichte dar, geht<br />

es doch hinsichtlich Kompositionstechnik,<br />

Anspruch und Umfang weit über ihre<br />

Vorbilder hinaus. Dass erst wieder Rheinberger<br />

(Schlusssatz der 8. Orgelsonate)<br />

und Brahms (Finalsatz der 4. Symphonie)<br />

sich für diese Form entschieden, die Reger<br />

dann endgültig favorisierte, zeigt einmal<br />

mehr, dass Bachs Passacaglia ein exemplum<br />

classicum der Gattung darstellt.<br />

Einer der Überlieferungen nach (Forkel)<br />

hat Bach den Choral Vor deinen Thron tret<br />

ich hiermit aufgrund seiner Erblindung<br />

dem Schwiegersohn Johann Christoph<br />

Altnickol „aus dem Stegegreif in die Feder<br />

14 15


dictiret“. Christoph Wolff hat jedoch<br />

gezeigt, dass es sich in Wirklichkeit um<br />

die Erweiterung des Orgelbüchleins-<br />

Choral Wenn wir in höchsten Nöten sein<br />

BWV 641 handelt. Das Stück stellt eine<br />

Synthese des norddeutschen (Monodie)<br />

und mitteldeutschen (Vorimitation, hier<br />

jedoch in Spiegelungsform) Choralbearbeitungstyps<br />

dar.<br />

Wer nur den lieben Gott lässt walten gehört<br />

zu den Schübler-Chorälen, benannt nach<br />

Georg Schübler, der sie etwa 1748/49<br />

verlegte. Fünf der sechs Stücke sind nachweislich<br />

Übertragungen von Arien und<br />

Duetten aus Kirchenkantaten. BWV 647<br />

geht – als nahezu notengetreue Übertragung<br />

– auf den vierten Satz der gleichnamigen<br />

Kantate BWV 93 zurück.<br />

Die Choralbearbeitung Vater unser im<br />

Himmelreich BWV 682 ist im Dritten Theil<br />

der Clavierübung enthalten. Das Stück<br />

bestätigt einmal mehr Arnfried Edlers<br />

These, die Gattung „Choralbearbeitung“<br />

erreiche hier „einen Grad von Artifizialität,<br />

der sie zur reinen Idee transfomiert“. Bach<br />

stellt sich bei dieser Komposition die Aufgabe,<br />

„in einen streng konstruierten Triosatz<br />

den planen Cantus firmus in der Form<br />

eines lückenlos durchgeführten Kanons<br />

einzufügen“ (Martin Geck). Das Ergebnis<br />

ist ein geradezu aberwitziges Stück. Weil<br />

die kanonischen Stimmen des Cantus<br />

firmus auf zwei verschiedene Manuale<br />

verteilt sind, heben sie sich klanglich<br />

von den übrigen, schwer deutbaren, von<br />

lombardischen Rhythmen durchsetzten<br />

Stimmen nicht ab.<br />

Paul Thissen<br />

16 17


Samstag, 4.8.2012, 18.30 uhr | Michael Harris, edinburgh (uK) Curriculum Vitae<br />

<strong>Programm</strong><br />

G. Weitz Fanfare and Gothic March<br />

(1883–1970)<br />

G. F. Händel Organ Concerto in F, Op. 4 Nr. 5<br />

(1685–1759) I. Larghetto<br />

II. Allegro<br />

III. Alla siciliano<br />

IV. Presto<br />

W. T. Best Sonata in G major, Op. 38<br />

(1826–1897) I. Largo-Allegro con brio<br />

II. Adagio<br />

III. Intermezzo – Allegretto con moto<br />

IV. Fuga – Moderato<br />

F. Jackson Toccata, Chorale and Fugue<br />

(* 1917)<br />

A. Hollins A Song of Sunshine<br />

(1865–1942)<br />

H. Willan Introduction, Passacaglia and Fugue<br />

(1880–1968)<br />

InternatIonaler orGelSoMMer 2012<br />

Michael Harris ist seit November 1996<br />

Organist und Master of the Music an der St.<br />

Giles’ Kathedrale in Edinburgh und lehrt als<br />

Dozent an der Edinburgh Napier Universität.<br />

Zuvor war er als Sub Organist an der Pfarrkirche<br />

in Leeds und als Assistant Organist an<br />

der Kathedrale zu Canterbury tätig.<br />

Sein musikalisches Aufgabengebiet umfasst<br />

neben der regulären Chorarbeit außerdem<br />

Rundfunk-, Fernseh- und CD-Aufnahmen sowie<br />

Konzerte im In- und Ausland. Rund um<br />

die berühmte Rieger Orgel (1992 erbaut) in<br />

St. Giles’ organisiert Michael Harris seit 1996<br />

diverse Konzertreihen, die das musikalische<br />

Leben der Stadt Edinburgh prägen und bereichern.<br />

Unter seiner Ägide unternahm der<br />

Kathedralchor Reisen in die USA, nach Griechenland<br />

und Südfrankreich. Im Sommer<br />

2009 machte der Chor eine Tournee nach<br />

Canada mit Konzerten und Gottesdiensten<br />

in Ontario.<br />

Zu seinen Soloeinspielungen zählen u. a.<br />

eine soeben eingespielte Aufnahme mit<br />

Werken von William Wolstenholme. Unter<br />

seiner Leitung hat der Kathedralchor eine<br />

Reihe von CD-Einspielungen unternommen.<br />

Erwähnt seien hier „An Edinburgh Celebration“,<br />

die die erste Chorreise in die Vereinigten<br />

Staaten dokumentiert, und die 2009 erschienene<br />

CD „Hail gladdening light“.<br />

Konzertreisen führten ihn nach Deutschland,<br />

Belgien, Italien, Norwegen, Polen, die<br />

Vereinigten Staaten, Australien und Neuseeland.<br />

In Großbritannien selbst hat er an<br />

vielen etablierten Konzertstätten gespielt.<br />

Von 1998 bis 2010 war er musikalischer Direktor<br />

des Scottish Chamber Choir. Er leitet<br />

nun das neu von ihm gegründete junge<br />

Vokalsensemble Cantica Alba.<br />

Darüber hinaus ist er im Bereich der Weiterbildung<br />

für Orgel und Chorleitung tätig.<br />

www.stgilescathedral.org.uk<br />

Er hat eine Reihe von Orgelstudienfahrten<br />

nach Thüringen und Sachsen geleitet.<br />

Zu seinem Aufgabenbereich an der Universität<br />

gehören die Supervision der künstlerischen<br />

Abschlussklasse sowie die Leitung des<br />

Kammerchores.<br />

18 19


Zum <strong>Programm</strong><br />

Guy Weitz wurde in Belgien geboren, studierte<br />

bei Alexandre Guilmant und Charles-<br />

Marie Widor Orgel sowie Komposition bei<br />

Vincent d‘Indy. Im Ersten Weltkrieg emigrierte<br />

Weitz nach England. Hier festigte sich<br />

sein Ruf als Orgelvirtuose. 1917 wurde er<br />

Organist der Farm Street Church, Mayfair.<br />

Dieses Amt hatte er 50 Jahre inne. Wie viele<br />

französische Orgelkomponisten zeigte<br />

auch Guy Weitz eine ausgesprochene Vorliebe<br />

für den Gregorianischen Choral. Fanfare<br />

and Gothic March basieren zwar nicht auf<br />

gregorianischen Melodien, wollen aber zumindest<br />

das Zeitalter ihrer Entstehung assoziieren.<br />

Der Musikschriftsteller Charles Burney, seit<br />

1745 Bratscher in Händels Orchester beteiligt,<br />

schrieb 1785: Während der „Aufführungen<br />

seiner Oratorien machte Händel zuerst<br />

dem Publikum das Vergnügen, Orgelkoncerte<br />

zu spielen, eine Musikgattung, die<br />

ganz von seiner Erfindung ist“. Tatsächlich<br />

fungierte diese von Georg Friedrich Händel<br />

offenbar im Konkurrenzkampf mit der<br />

italienischen Oper in London geschaffene<br />

Konzertgattung als eine Art Zwischenaktmusik,<br />

die ganz dem sog. galanten Geist<br />

der italienischen Musik verpflichtet ist. Ein<br />

Großteil des Solomaterials wurde von Händel<br />

sicherlich improvisiert, da die gedruckten<br />

Werke häufig mit der Anweisung „ad libitum“<br />

versehen und die Autographen eher<br />

skizzenhaft sind.<br />

Nachdem er W. T Best 1877 in der St.<br />

Andrew‘s Hall in Glasgow spielen gehört<br />

hatte, meinte der berühmte Dirigent Hans<br />

von Bülow, wenn er nicht zu alt wäre, würde<br />

er unbedingt noch das Orgelspielen erlernen<br />

wollen. Tatsächlich darf Best, der ab<br />

1855 als Organist der St. Georg‘s Hall in Liverpool<br />

wirkte, als einer der bedeutendsten<br />

Orgelvirtuosen seiner Zeit gelten. Er betätigte<br />

sich zudem als Herausgeber von Orgelwerken<br />

von Krebs, Scarlatti u. a., aber<br />

auch von Bossi, Dubois und Rheinberger,<br />

arrangierte Orchesterwerke z. B. von Beethoven,<br />

Berlioz, Schumann und Weber für<br />

die Orgel und komponierte schließlich auch<br />

selbst eine Reihe von Orgelwerken. Die Sonate<br />

G-Dur op. 38 ist weniger eine Sonate<br />

im Sinne des durch Adolf Bernhard Marx<br />

kodifizierten klassischen Typs denn ein Art<br />

Suite, wie man sie u. a. auch von Rheinberger<br />

oder Reger (2. Sonate für Orgel) kennt.<br />

Dem ersten Satz ist eine Langsame Einleitung<br />

vorangestellt, die, was durchaus ungewöhnlich<br />

ist, in der Mitte und am Ende<br />

des Satzes wiederholt wird. Der zweite Satz<br />

wurde möglicherweise durch entsprechende<br />

Sätze aus Mendelssohns Orgelsonaten<br />

inspiriert. Der letzte Satz ist als Fuge gearbeitet.<br />

Francis Jackson wirkte von 1946 bis 1982<br />

als „Master of the Music“ am Münster von<br />

York. Seine im heutigen Konzert zu hörende<br />

Komposition ist Healey Willan gewidmet.<br />

Die zyklische Reihung von Toccata, Chorale<br />

and Fugue erinnert an Werktitel wie Prélude,<br />

Choral et Fugue für Klavier von César Franck<br />

oder Prélude, Adagio et Choral varié für Orgel<br />

von Maurice Duruflé. Was Jacksons Komposition,<br />

die einmal mehr seine Vorliebe<br />

für kirchentonale Strukturen zeigt, mit diesen<br />

Vorgängerwerken verbindet, ist die Verknüpfung<br />

der einzelnen Sätze durch motivisch-thematische<br />

Verwandtschaft, mithin<br />

ein gewisser symphonischer Anspruch.<br />

Alfred Hollins machte sowohl als Organist<br />

wie als Pianist Karriere. Die Überzahl seiner<br />

Kompositionen lassen den Konzertorganisten<br />

ahnen. Umfangreichere und mitunter<br />

effektvolle Charakterstücke, wozu auch A<br />

Song of sunshine gehört, bilden hierbei den<br />

Schwerpunkt.<br />

Healey Willan wurde in dem Londoner<br />

Vorort Ballham geboren, verbrachte den<br />

Großteil seines langen Lebens allerdings<br />

in Toronto, wo er zu einer zentralen Figur<br />

des kanadischen Musiklebens avancierte.<br />

Er wirkte am Konservatorium als Lehrer für<br />

Musiktheorie, Universitätsorganist sowie als<br />

Organist und Chorleiter an St. Paul und ab<br />

1921 an St. Maria Magdalena. Willan komponierte<br />

eine Reihe von Motetten und Messen,<br />

die zu seinen besten Werken zählen,<br />

aber auch zwei Symphonien, zwei Opern,<br />

ein Klavierkonzert, Kammermusik, Lieder<br />

usw. Introduction, Passacaglia and Fugue<br />

(1916) gelten als sein Meisterwerk für Orgel,<br />

das im Todesjahr Max Regers entstand<br />

und unübersehbar durch dessen Orgelwerk<br />

– sein op. 127 trägt den gleichen Titel<br />

wie Willans Komposition – beeinflusst ist.<br />

Nachdem Willan in einem Konzert Regers<br />

Introduktion und Passacaglia d-Moll gehört<br />

hatte, meinte ein Freund, „nur ein philosophischer<br />

deutscher Geist“ könne eine „wirklich<br />

gute Passacaglia“ schreiben.“ Willan<br />

schickte später seinem Freund das Thema<br />

der Orgel-Passacaglia mit der Bemerkung:<br />

„An die Ursache von der Wirkung!“ Die Introduction<br />

hebt mit einer Reihung funktionsfreier<br />

terzverwandter Akkorde an. Ganz<br />

an Reger erinnernd ist der von kurzen Imitationen<br />

durchsetzte Wechsel von akkordischer<br />

Setzweise und arabeskenhaft-virtuosem<br />

Figurenwerk. T. 40ff. antizipieren, vor<br />

der Wiederholung der einleitenden Akkorde,<br />

den Anfang des achttaktigen Passacaglien-Themas,<br />

dessen Exposition achtzehn Variationen<br />

folgen, die ganz unterschiedliche<br />

Charaktere repräsentieren (Scherzo, eine<br />

Art „Lied ohne Worte“ bis hin zum Trauermarsch).<br />

Der Schluss der Passacaglia bietet<br />

das Thema im Stil eines Bach-Chorals. Die<br />

abschließende Fuge greift die Quintsprung-<br />

Motivik des Passacaglien-Themas auf. Eine<br />

Coda, der triumphale Schluss des Werks, ist<br />

als Engführung des Fugenthemas gearbeitet:<br />

Es erklingt im Pedal und kanonisch in<br />

der Oberstimme der bis zu neunstimmigen<br />

Akkorde im Manual.<br />

Paul Thissen<br />

20 21


Samstag, 11.8.2012, 18.30 uhr | ludwig ruckdeschel, Passau<br />

<strong>Programm</strong><br />

J. S. Bach Toccata, Adagio et Fuga in C, BWV 564<br />

(1685–1750)<br />

F. Mendelssohn<br />

Bartholdy Sonate für Orgel B-Dur, Op. 65 Nr. 4<br />

(1809–1847) I. Allegro con brio<br />

II. Andante religioso<br />

III. Allegretto<br />

IV. Allegro maestoso e vivace<br />

M. Reger Toccata und Fuge a-Moll, Op. 80 Nr. 11,12<br />

(1873–1916)<br />

O. Messiaen Le Banquet céleste<br />

(1908–1992)<br />

L. Ruckdeschel American Suite (2011)<br />

(* 1968) I. Paean<br />

II. Dialog for Tuba and Trumpet<br />

III. Meditation<br />

IV. Toccata<br />

InternatIonaler orGelSoMMer 2012<br />

Curriculum Vitae<br />

Ludwig Ruckdeschel wurde bereits im<br />

Elternhaus musikalisch grundlegend gefördert,<br />

ab 10 Jahren erhielt er Klavier-, ab 14<br />

Jahren Orgelunterricht. Ab 1982 war er bereits<br />

als Organist in seiner Heimatgemeinde<br />

in München tätig. Studium an der Staatlichen<br />

Hochschule für Musik und Theater von<br />

1987–1994/95 und an der Ludwig-Maximilian-Universität,<br />

München 1994/95. Er erwarb<br />

Diplome in Kirchenmusik (A), Konzertfach<br />

Orgel, Instrumental-Pädagogik mit Hauptfächern<br />

Klavier und Orgel sowie Meisterklasse<br />

im Konzertfach Orgel.<br />

1996 wurde er als Stiftsorganist nach<br />

Altötting berufen. Nach 7 Jahren musikalischer<br />

Tätigkeit im bedeutendsten Marienwallfahrtsort<br />

Deutschlands und weiteren<br />

Aufgaben als Orgelreferent des Bistums<br />

Passau und Regionalkantor des Dekanats<br />

Simbach/ Inn (ab 2000/2001) wurde er 2003<br />

als <strong>Domorganist</strong> an den Hohen Dom St.<br />

Stephan nach Passau berufen. Seitdem ist<br />

er auch amtlicher Orgelsachverständiger im<br />

Bistum Passau. Am Passauer St. Stephansdom<br />

leitet er die Orgelkonzertreihen an der<br />

weltbekannten <strong>Domorgel</strong> und die jährlich<br />

stattfindenden Orgelmeisterkurse.<br />

Seit 1985 ist der Preisträger verschiedener<br />

Orgelwettbewerbe (1987 „Jugend musiziert“,<br />

1993 1. Preis und Sonderpreis Landau/<br />

Isar, 1995 Kloster Saarn und Sindelfingen)<br />

in ca. 1000 Orgelkonzerten in bedeutenden<br />

Orten national und international aufgetreten<br />

(z. B. Dome in München, Passau,<br />

Bamberg, Eichstätt, Würzburg, Regensburg,<br />

Hamburg, Trier, Osnabrück, Münster, <strong>Mainz</strong>,<br />

Fulda, Erfurt, Paderborn, Salzburg, Wien,<br />

Innsbruck), Konzerte in Frankreich, Belgien,<br />

Schweiz, Italien, Slowakei, Tschechien,<br />

Slowenien, Usbekistan, Finnland, England,<br />

mehrfach USA.<br />

Auch als Instrumentallehrer ist er sehr gefragt;<br />

von 2003–2008 war er Lehrbeauftrag-<br />

www.ludwig-ruckdeschel.de<br />

ter für künstlerisches Orgelspiel und Improvisation<br />

an der Hochschule für Kirchenmusik<br />

und Musikpädagogik Regensburg.<br />

Zahlreiche Aufnahmen für CD, Radio, TV,<br />

DVD sowie Live-Mitschnitte seiner Konzerte<br />

für verschiedene Rundfunkanstalten belegen<br />

sein künstlerisches Wirken.<br />

22 23


Zum <strong>Programm</strong><br />

Johann Sebastian Bachs BWV 564,<br />

Toccata, Adagio et Fuga in C, ist, wie der<br />

Bach-Biograph Philipp Spitta formuliert<br />

hat, „nach dem Muster der italiänischen<br />

Concerte aus drei selbständigen Sätzen“<br />

geformt. Die Toccata beginnt, ganz in<br />

norddeutscher Manier, mit virtuosen<br />

Figurenwerk, dem sich ein umfangreiches<br />

Pedalsolo anschließt. Der dann folgende<br />

mehrstimmige Abschnitt kann im Sinne<br />

des italienischen Konzerts als Ritornellform<br />

verstanden werden. Vorbilder für<br />

das Adagio bieten die Concerti Albinonis<br />

und Torellis. Das Satzende erinnert an<br />

durezze e ligature-Toccaten Frescobaldis:<br />

Es dominieren Akkorde mit expressiven<br />

Vorhaltsbildungen. Eine motorische Fuge<br />

bildet den Abschluss.<br />

Felix Mendelssohn Bartholdys Sonate<br />

B-Dur op. 65/4 kommt der sonatenüblichen<br />

zyklischen Satzordnung nahe, ohne<br />

dass die Satzgestaltung an herkömmliche<br />

Vorbilder erinnert. Der erste Satz lässt<br />

zwei Themen alternieren: Das erste<br />

prägen aus der mitteldeutsche Toccata<br />

(Pachelbel) bekannte Sechzehntelketten,<br />

das zweite eine marschartige Rhythmik.<br />

Das „Andante religioso“ ist ein Charakterstück,<br />

dessen Überschrift beim Rezipienten<br />

gleichsam eine Andachtsstimmung<br />

erzeugen soll. Der Perpetuum mobile-<br />

Charakter des dritten Satzes erinnert<br />

an Klavierstücke, die ununterbrochene<br />

Bewegungsabläufe zum Inhalt haben<br />

und z. B. „Spinnerliedchen“ überschrieben<br />

sind. Der Finalsatz ist eine Fuge mit einer<br />

akkordisch gehaltenen Einleitung, die am<br />

Schluss wiederholt wird.<br />

Olivier Messiaens Orgelwerk wird<br />

umrahmt von Kompositionen, die das<br />

Sakrament der Eucharistie bedenken –<br />

es darf als sicher gelten, dass Messiaen<br />

nicht unbeeinflusst blieb vom eucharistischen<br />

Denken Teilhard de Chardins: 1928<br />

entstand – als umgearbeiteter Teil aus<br />

dem Orchesterwerk Le banquet eucharistique<br />

(„Das eucharistische Gastmahl“) ,<br />

das Messiaen als 19jähriger geschrieben<br />

hatte – Le Banquet céleste („Das himmlische<br />

Gastmahl“) – die 1997 von Yvonne<br />

Messiaen, der Witwe des Komponisten,<br />

aufgefundene und von Olivier Latry 2001<br />

publizierte Offrande au Saint Sacrement<br />

dürfte in zeitlicher Nähe zum Banquet<br />

céleste entstanden sein, zeigt aber einen<br />

deutlich geringer ausgeprägten Personalstil<br />

–, und 1984 wurde sein 18 Sätze<br />

umfassendes opus magnum für die Orgel,<br />

das ganz dem eucharistischen Denken<br />

des Thomas von Aquin verpflichtete Livre<br />

du Saint Sacrement („Buch vom Allerheiligsten<br />

Sakrament“) vollendet. Le Banquet<br />

céleste ist das erste veröffentliche Orgelwerk<br />

Messiaens (die 1927 komponierte<br />

Esquisse modale wurde nicht publiziert;<br />

das Manuskript ist wahrscheinlich verschollen;<br />

auch ein 1997 aufgefundenes<br />

Prélude wurde postum veröffentlicht).<br />

Umso erstaunlicher ist es, dass die aus der<br />

Verwendung der sog. „modes à transpositions<br />

limités“ („Modi mit begrenzter<br />

Transpositionsmöglichkeit“) resultierende<br />

Charakteristik der Messiaen´schen Harmonik<br />

in diesem Werk bereits voll entwickelt<br />

ist. Begrenzt transponierbar sind die<br />

Modi, da sie in mehrere Tongruppen mit<br />

jeweils gleicher Intervallfolge gegliedert<br />

sind. So bestehen die am häufigsten<br />

verwendeten Modi 2 und 3 – Modus 1 ist<br />

die Ganztonleiter – aus alternierenden<br />

Halb und Ganztonschritten bzw. aus<br />

der regelmäßigen Folge von Ganzton<br />

und zwei Halbtönen und sind drei bzw.<br />

viermal transponierbar; eine weitere<br />

Transposition ergäbe das Tonmaterial der<br />

Ausgangsformation, die Messiaen als „erste<br />

Transposition“ bezeichnet. Das Stück ist<br />

„extrêmement lent“, also extrem langsam<br />

zu spielen. Im Zusammengehen mit den<br />

langen Notenwerten soll das langsame<br />

Tempo einem Grundanliegen Messiaens<br />

entgegen kommen, nämlich der Aufhebung<br />

der Empfindung eines regelmäßigen<br />

Pulsschlags.<br />

Wie bereits in den Zwölf Stücken für die<br />

Orgel op. 59, die den Reigen der „Stücke“-<br />

Sammlungen Max Regers eröffnen,<br />

arbeitet Reger auch in op. 80 mit einem<br />

bipolaren Gattungstyp, den J. S. Bach<br />

mit seinen Präludien bzw. Toccaten und<br />

Fugen etabliert hatte – hier ist es eine<br />

virtuose Toccata, die mit einem an die barocke<br />

norddeutsche Orgelmusik erinnernden<br />

Pedalsolo eingeleitet wird, dem sich<br />

in Akkordballungen mündendes filigranes<br />

Laufwerk anschließt (Nr. 11), und eine motorische<br />

Fuge, die sich durch wohltuende<br />

Übersichtlichkeit und formale Knappheit<br />

auszeichnet (Nr. 12).<br />

Paul Thissen<br />

American Suite<br />

Das Stück wurde im Frühjahr 2011 für<br />

zwei Konzertreisen in die USA komponiert.<br />

Typische Klangfarben angloamerikanischer<br />

Orgeln sowie farbige<br />

Harmonik, kombiniert mit einprägsamen<br />

Melodien prägen diese Suite. Sie ist auch<br />

zu liturgischer Verwendung geeignet und<br />

geschrieben:<br />

❚ Paean (Lobgesang): festlich-schreitender<br />

Charakter, zum Einzug<br />

❚ Dialog for Tuba and Trumpet: angelehnt<br />

an englische Tuba-Tunes, Wechsel zwischen<br />

Tuba, Horizontaltrompeten und<br />

Streichern (mit Solo-Horn), zur Gabenbereitung<br />

❚ Meditation: Streicher- und Flöten-<br />

Klänge, Melodie mit 4´ im Pedal, zur<br />

Kommunion<br />

❚ Toccata: rauschendes Finale in Pleno-<br />

Registrierung, freudig-virtuos, zum<br />

Auszug<br />

Ludwig Ruckdeschel<br />

24 25


Samstag, 18.8.2012, 18.30 uhr | naji Hakim, Paris (F)<br />

<strong>Programm</strong><br />

N. Hakim Theotokos (gr. Gottesmutter)<br />

(* 1955) I. Ouverture: Regina coeli (Gregorian)<br />

II. Méditation: Ave regina caelorum (Gregorian)<br />

III. Danse: Ilaiki louardu ya Maryam (Maronite/<br />

Arabo-Andalusian) – Je sais Vierge Marie (French)<br />

IV. Incantation: Middle Ages (Syro-Maronite)<br />

V. Prière: Salatouki maana (Maronite)<br />

VI. Déclamation: Ya Maryamu sultanat aljibali<br />

oualbihar (Maronite Fr. Boulos Al-Achkar)<br />

VII. Finale: Maria zu lieben (Paderborn Gesangbuch<br />

1765) – Ave Maria (Lourdes) – Ya Maryamu lbikru fukti<br />

(Maronite) – Angelus (Britton) – Regina coeli (Basque)<br />

J. S. Bach Passacaglia et Fuga in c, BWV 582<br />

(1685–1750)<br />

C. Franck Prière<br />

(1822–1890)<br />

N. Hakim To Call My True Love To My Dance<br />

Zehn Variationen über das dänische Lied<br />

„Vil du danse med mig?”<br />

(Wirst Du mit mir tanzen?)<br />

I. Theme<br />

II. Cantabile<br />

III. Valse<br />

IV. Deciso<br />

V. Arabesque<br />

VI. Burletta<br />

VII. Tango<br />

VIII. Scherzando<br />

IX. Berceuse<br />

X. Finale<br />

N. Hakim Improvisation<br />

InternatIonaler orGelSoMMer 2012<br />

Curriculum Vitae<br />

Naji Subhy Paul Irénée Hakim wurde am<br />

31. Oktober 1955 in Beirut (Libanon) geboren.<br />

Er absolvierte umfangreiche Studien<br />

bei J. Langlais und am Pariser Conservatoire<br />

National Supérieur de Musique in den<br />

Klassen von R. Boutry, J. C. Henry, M. Bitsch,<br />

R. Falcinelli, J. Castérède und Serge Nigg, wo<br />

er sieben erste Preise erzielte. Neben einem<br />

Lehrdiplom für Orgel des Trinity College<br />

of Music in London kann er auf neun erste<br />

Preise bei internationalen Orgel- und Kompositionswettbewerben<br />

zurückblicken. 1991<br />

verlieh ihm die Académie des Beaux-Arts<br />

den Preis André Caplet. Nachdem er von<br />

1985 bis 1993 das Amt des Titularorganisten<br />

der Basilika Sacré-Coeur de Montmartre<br />

innehatte, wurde er Nachfolger Olivier Messiaens<br />

an der Église de la Trinité. Weiterhin<br />

ist er tätig als Professor für musikalische<br />

Analyse am Conservatoire National de Région<br />

in Boulogne-Billancourt und als Gastprofessor<br />

an der Royal Academy of Music<br />

in London. Als Ingenieur ist er Absolvent<br />

der École Nationale Supérieure de Télécommunications<br />

in Paris. Er ist Mitglied der<br />

Consociatio Internationalis Musicae Sacrae<br />

in Rom und Ehrendoktor der Saint-Esprit-<br />

Universität in Kaslik, Libanon. Im Jahr 2007<br />

wurde Naji Hakim von Papst Benedikt XVI.<br />

für sein herausragendes Engagement und<br />

seine Arbeit zu Gunsten der Kirche und<br />

des Heiligen Vaters das Ehrenzeichen „Pro<br />

Ecclesia et Pontifice“ verliehen. Sein Katalog<br />

umfasst Instrumentalwerke (Orgel, Flöte,<br />

Oboe, Fagott, Horn, Trompete, Harfe, Gitarre,<br />

Violine, Klavier), symphonische Musik (Les<br />

Noces de l‘Agneau, Hymne de l‘Univers, Ouverture<br />

Libanaise, Påskeblomst, Augsburger<br />

Symphonie, fire Orgelkonzerte, Violinkonzert)<br />

und Vokalmusik (Oratorium Saul de<br />

Tarse, Kantate Phèdre, Magnificat und drei<br />

Messen).<br />

www.najihakim.com<br />

Mit freundlicher Unterstützung der Pro Musica<br />

Viva Maria Strecker-Daelen Stiftung<br />

26 27


Zum <strong>Programm</strong><br />

Im Rahmen des Konzils von Ephesos (431)<br />

erhielt die Mutter Jesu den Beinamen<br />

„Gottesgebärerin“. (Theotokos). Das Werk<br />

Naji Hakims, eine marianische Suite, entstand<br />

im Jahr 2010 als Auftragskomposition<br />

der „Freunde der Musik am Münster“<br />

in Ingolstadt und basiert auf Gesängen<br />

verschiedener Herkunft. Die „Ouverture“<br />

ist eine Toccata über die Marianische Antiphon<br />

für die Osterzeit „Regina caeli“: Nach<br />

drei Skalenanläufen und einem wie ein<br />

Doppelpunkt wirkenden Akkord setzt die<br />

eigentliche Toccata ein und präsentiert die<br />

melodische Vorlage als jeweils zweiten Ton<br />

einer raschen Triolenbewegung. Die „Méditation“<br />

verarbeitet die der österlichen Bußzeit<br />

zugeordnete marianische Antiphon<br />

„Ave regina caelorum“, deren melodisches<br />

Material als jeweils letzter Ton einer durchgehenden<br />

Achtelbewegung erklingt. Der<br />

dritte Satz („Danse“) hat eine schlichte liedhafte<br />

Struktur. Das aus Frankreich stammende<br />

melodische Material liegt in den<br />

Rahmenteilen, begleitet von sog. Alberti-<br />

Bässen, in der Oberstimme und im Mittelteil<br />

in der Unterstimme. Der vierte Satz ist<br />

„Incantation“ überschrieben, was „Anrufung“<br />

bedeutet, und besteht aus litaneiartig<br />

wiederholten Formeln. Möglicherweise<br />

sind für Hakim hier die Litanies aus der<br />

Feder seines Landmanns Jehan Alain vorbildhaft<br />

gewesen. Dem „Prière“, wiederum<br />

ein Satz mit führender Oberstimme, eignet<br />

ein ausgesprochen jazzoider Charakter.<br />

Im sechsten Satz („Déclamation“) wechseln<br />

marschartige Rhtyhmik und rasches<br />

Figurenwerk ab, wobei es kaum möglich<br />

ist, zwischen Titel und musikalischer Faktur<br />

einen unmittelbaren Zusammenhang<br />

zu konstruieren. Der Finalsatz ist gleichsam<br />

ein Potpourri verschiedener Melodien;<br />

den höchsten Wiedererkennungswert hat<br />

sicherlich das in ein interessantes harmonisches<br />

Gewand gekleidete Paderborner Lied<br />

„Maria zu lieben“.<br />

Der Begriff „Passacaglia“ ist offenbar abzuleiten<br />

aus dem spanischen Ausdruck „pasar<br />

una calle“ („durch die Straße gehen“),<br />

woraus man schließen kann, dass die entsprechende,<br />

ursprünglich wohl über einem<br />

Bassmodell improvisierte Musik im Gehen<br />

auf der Straße ausgeführt wurde. In die<br />

Kunstmusik überführt, werden Variationen<br />

über einem ostinaten, also gleichbleibenden<br />

Bassmodell als Chaconne oder eben<br />

als Passacaglia bezeichnet. Obgleich man<br />

wohl nie eindeutig wird klären können, ob<br />

es sich um ein bewusstes Zitat handelt, ist<br />

es bemerkenswert, dass die ersten vier Takte<br />

des achttaktigen Ostinatothemas aus Johann<br />

Sebastian Bachs Passacaglia c-Moll<br />

diastematisch, also im Hinblick auf den<br />

Tonhöhenverlauf, exakt übereinstimmen<br />

mit dem „Christe“-Thema aus der Messe du<br />

deuzième ton aus dem Livre d´orgue (1688)<br />

von André Raison. Nach der einstimmigen<br />

Präsentation des Themas folgen 20 Variationen<br />

und schließlich eine umfangreiche<br />

fugierte Fassung. Wiewohl Bach die Passacaglia<br />

spätestens mit 27 Jahren komponiert<br />

haben muss – das Werk ist im sog. Andreas-<br />

Bach-Buch enthalten, das zwischen 1710<br />

und 1712, möglicherweise auch früher, entstanden<br />

ist – und mit Figuren bzw. Motiven<br />

arbeitet, die er unverkennbar aus Ostinatokompositionen<br />

z. B. von Buxtehude oder<br />

Pachelbel kannte, stellt das Werk einen<br />

ersten Höhepunkt der Gattungsgeschichte<br />

dar, geht sie doch hinsichtlich Kompositionstechnik,<br />

Anspruch und Umfang weit<br />

über ihre Vorbilder hinaus. Dass erst wieder<br />

Rheinberger (Schlusssatz der 8. Orgelsonate)<br />

und Brahms (Finalsatz der 4. Symphonie)<br />

sich für diese Form entschieden, die<br />

Reger dann endgültig favorisierte, zeigt<br />

einmal mehr, dass Bachs Passacaglia ein exemplum<br />

classicum der Gattung darstellt.<br />

Die Wirren der Revolution hatten im Frankreich<br />

des 19. Jahrhunderts zu einem nahezu<br />

völligen Niedergang der Kirchenmusik<br />

im Allgemeinen und der Orgelmusik im Besonderen<br />

geführt. Alexandre Boëly gehört<br />

in diesem Kontext wohl zu den berühmten<br />

Ausnahmen, die die Regel bestätigen.<br />

Nach ersten Bemühungen von Alexandre<br />

Choron und Jean-François Fétis konnte<br />

César Franck, im Zusammengehen mit<br />

den durch Aristide Cavaillé-Coll erreichten<br />

orgelbaulichen Fortschritten, der Orgelmusik<br />

zu einer Blüte verhelfen, die bis in die<br />

Jetztzeit reicht. Die Prière op. 20 (ca. 1860)<br />

gehört zu den Six pièces, die Franck, nachdem<br />

er 1864 an Ste. Coltilde, wo er als Titularorganist<br />

wirkte, die Uraufführung gespielt<br />

hatte, 1868 publizierte. Das „Gebet“<br />

ist gleichsam ein religiöses Charakterstück.<br />

Aus dem schwermütigen sechzehntaktigen<br />

Thema in cis-Moll, wie so oft bei Franck gespielt<br />

mit den durch die Oboe eingefärbten<br />

Grundstimmen der Orgel, entwickelt sich<br />

mit Hilfe von thematischen Motiven eine<br />

Symphonischen Dichtung en miniature.<br />

Nach der Wendung des Themas nach Dur<br />

gegen Ende der Komposition schließt das<br />

Werk, eher resignativ, still in cis-Moll.<br />

Naji Hakims To Call my true love to my dance<br />

wurde 2007 als Auftrag von Faythe Freese<br />

komponiert. Es handelt sich um zehn Variationen<br />

über das dänische Lied „Willst du<br />

mit mir tanzen“. Einige Variationen arbeiten<br />

mit Tanzryhthmen. Tänze, Tanzmelodien<br />

oder Tanzrhythmen auf der Orgel mögen<br />

aufgrund ihrer säkularen Provenienz<br />

auf den ersten Blick überraschen, besitzen<br />

aber eine lange Tradition. Schon die früheste<br />

Quelle für Orgelmusik, das sog. Robertsbridge-Fragment<br />

beinhaltet mit den „Estampien“<br />

Musik, die im Kontext von Tanz zu<br />

sehen ist, und in der sog. Barockmusik ist<br />

es durchaus Usus, Choralmelodien mit gängigen<br />

Tanztypen zu kombinieren (berühmt<br />

sind Buxtehudes Choral-Giguen).<br />

Paul Thissen<br />

28 29


Samstag, 25.8.2012, 18.30 uhr | tomasz adam nowak, Detmold<br />

Improvisationskonzert | <strong>Programm</strong><br />

Die Improvisationsthemen können vom Publikum<br />

schriftlich vor und während des Konzertes gestellt<br />

werden.<br />

Variationen im Stil des norddeutschen Barocks<br />

I. Primus versus, pro organo pleno<br />

II. Secundus versus, Choral im Tenor<br />

III. Tertius versus, a 3 voci<br />

IV. Quartus versus, „auf 2 Clavir“<br />

V. Ultimus versus a 6 voci<br />

Drei Flötenuhrstücke im Stil der Wiener Klassik<br />

Fantasie und Fuge im romantischen Stil<br />

Symphonische Suite in 4 Sätzen<br />

Präludium – Aria – Scherzo – Toccata<br />

InternatIonaler orGelSoMMer 2012<br />

Curriculum Vitae<br />

Tomasz Adam Nowak, geboren in Warschau,<br />

studierte zunächst an der Frédéric-<br />

Chopin-Hochschule seiner Heimatstadt,<br />

danach in München, Paris und Amsterdam.<br />

Er ist Preisträger zahlreicher internationaler<br />

Orgelwettbewerbe, u. a. Sieger im Haarlemer<br />

Improvisationswettbewerb.<br />

Konzerte, Rundfunk- und Tonträgeraufnahmen<br />

führen ihn nach Europa und Übersee.<br />

Schwerpunkte seiner künstlerischen Arbeit<br />

sind das Orgelwerk J. S. Bachs (das er mehrmals<br />

komplett aufgeführt und aufgenommen<br />

hat), die Werke Max Regers, die Musik<br />

des 20. und 21. Jahrhunderts sowie die<br />

Kunst der Improvisation.<br />

Nowak ist Professor für Künstlerisches<br />

Orgelspiel und Improvisation an der Hochschule<br />

für Musik Detmold und Organist<br />

der Stadt- und Marktkirche St. Lamberti in<br />

Münster. Die Leitung von Meisterkursen in<br />

Europa und den USA, die Tätigkeit als Juror<br />

bei internationalen Wettbewerben und die<br />

Zusammenarbeit mit verschiedenen Sinfonieorchestern<br />

im In- und Ausland sowie die<br />

Künstlerische Leitung des Internationalen<br />

Orgelfestivals Westfalen-Lippe runden sein<br />

Wirken ab.<br />

30 31<br />

www.st-lamberti.de


Zum <strong>Programm</strong><br />

Im allgemeinen Sprachgebrauch verweist<br />

der Begriff „Improvisation“ auf eine Handlung,<br />

die in wesentlichen Aspekten als<br />

unvorhersehbar erscheint. Der Terminus<br />

„Improvisation“, der sich nur allmählich<br />

gegen andere Begriffe wie Fantasieren oder<br />

Präludieren durchsetzen konnte, wurde offenbar<br />

erstmals von Jean-Jacques Rousseau<br />

in seinem Dictionnaire de musique (Paris<br />

1768) auf die Tonkunst angewendet. In der<br />

Musik bedeutet Improvisieren das Erfinden<br />

und die gleichzeitige Realsierung von<br />

Musik, d. h. der Improvisator greift nicht auf<br />

einen auswendig gelernten Text oder eine<br />

schriftliche Vorlage zurück. Das Fehlen einer<br />

schriftlichen Fixierung hat naturgemäß<br />

zur Folge, dass trotz bestimmter Vorgaben<br />

(Themen und Gattungs- bzw. Formtypen)<br />

eine stets gleich bleibende Reproduktion<br />

des Improvisierten kaum möglich und auch<br />

nicht gewollt ist. Der Improvisator kann sich<br />

an existierenden historischen Stilen orientieren,<br />

also z. B. harmonische, motivische und<br />

formale Charakteristika eines Präludiums<br />

von Bach imitieren oder aber den 2. Modus<br />

von Olivier Messiaen zur harmonischen<br />

Grundlage einer Improvisation machen –<br />

in diesem Fall spricht man von einer Stilkopie<br />

–, verschiedene Stilelemente zusammenführen<br />

oder aber sogar versuchen, eine<br />

eigene musikalische Sprache zu finden.<br />

Die nachfolgenden Bemerkungen können<br />

und wollen nicht mehr, als den groben<br />

Rahmen andeuten, innerhalb dessen sich<br />

die Improvisationen wahrscheinlich (es gab<br />

keine Absprache mit dem Improvisator)<br />

bewegen werden.<br />

Die Modelle für die Versus-Stücke finden<br />

sich in der Tabulatura nova (1624) von<br />

Samuel Scheidt. Im Gegensatz zu Variationen<br />

sind Versetten in liturgische Funktionen<br />

eingebunden, d. h. der Organist spielt die<br />

Choralbearbeitung, den Versus, alternierend<br />

mit Chor oder Gemeinde.<br />

Vorbild für die Flötenuhrstücke können die<br />

entsprechenden Werke W. A. Mozarts sein.<br />

Die Gattungsbezeichnung Fantasie und<br />

Fuge geht auf J. S. Bach zurück. Im Verlauf<br />

des 19. Jahrhunderts jedoch gewinnen, vor<br />

allem durch Franz Liszt und sein Umfeld,<br />

auch die Opernfantasie und die Klaviersonate<br />

Einfluss auf die Konzeption dieses<br />

Gattungstyps.<br />

Im Titel Symphonische Suite werden zwei<br />

Gattungstraditionen zusammengeführt. Die<br />

Suite ist eine Folge von nicht in unmittelbarem<br />

Zusammenhang stehen Stücken. Die<br />

Kategorie des „Symphonischen“ – Inbegriff<br />

der nach-Beethovenschen symphonischen<br />

Tradition – bedeutet letztlich eine Nobilitierung<br />

und kann auf eine satzübergreifende<br />

thematische Abhandlung oder aber, ganz<br />

allgemein, auf die große Geste und komplexe<br />

Anlage verweisen.<br />

Paul Thissen<br />

32 33


Samstag, 1.9.2012, 18.30 uhr | Gerhard Gnann, <strong>Mainz</strong><br />

Werke des 14. bis 20. Jahrhunderts | <strong>Programm</strong><br />

Robertsbridge-<br />

Fragment Estampie<br />

(um 1325)<br />

H. Kotter O clemens, o pia<br />

(ca. 1480–1541) Harmonia in sol<br />

Kochersperger Spanieler<br />

J. S. Bach O Jesu wie ist dein Gestalt, BWV 1094<br />

(1685–1750)<br />

R. Schumann Skizze für den Pedalfügel, Op. 58 Nr. 1<br />

(1810–1856) Nicht schnell und sehr markiert<br />

J. S. Bach Valet will ich dir geben, BWV 736<br />

J. H. Chr. Rinck Sechs Variationen über ein Thema<br />

(1770–1846) von Corelli, Op. 56<br />

J. S. Bach Partita: Wenn wir in höchsten Nöten,<br />

Anhang 78<br />

M. E. Bossi Ländliche Szene, Op. 132 Nr. 3<br />

(1861–1925)<br />

J. S. Bach Toccata et Fuga in d, BWV 565<br />

R. Schumann Skizze für den Pedalfügel, Op. 58 Nr. 4<br />

Allegretto<br />

J. S. Bach Wie schön leuchtet der Morgenstern,<br />

BWV 739<br />

O. Messiaen Dieu parmi nous<br />

(1908–1992)<br />

InternatIonaler orGelSoMMer 2012<br />

Curriculum Vitae<br />

Gerhard Gnann studierte Orgel, Cembalo<br />

und Kirchenmusik in Freiburg, Amsterdam<br />

und Basel. Zu seinen Lehrern zählten Ludwig<br />

Doerr, Ton Koopman, Ewald Kooiman<br />

und Guy Bovet. Er war mehrfach Preisträger<br />

bei internationalen Wettbewerben,<br />

u. a. 1988 in Brügge, 1992 beim Schweizer<br />

Orgelwettbewerb und 1993 gewann er den<br />

Großen Preis „Dom zu Speyer“. Von 1994–<br />

1997 war er Bezirkskantor der Erzdiözese<br />

in Freiburg mit Dienstsitz in Münstertal. In<br />

dieser Eigenschaft begründete er die Reihe<br />

„Konzerte in St. Trudpert“. 1997 wurde<br />

Gerhard Gnann als Professor für künstlerisches<br />

Orgelspiel an die Hochschule für<br />

Musik der Johannes Gutenberg-Universität<br />

<strong>Mainz</strong> berufen. Er ist dort zugleich Leiter der<br />

Abteilung Kirchenmusik/Orgel. 2003 wurde<br />

er mit dem Preis der Johannes Gutenberg-<br />

Universität für exzellente Leistungen in der<br />

Lehre ausgezeichnet. Als ausübender Künstler<br />

sowie als Pädagoge ist Gerhard Gnann im<br />

In- und Ausland gefragt. Als Gastdozent von<br />

Meisterkursen ist er regelmäßig in Italien,<br />

Polen, Norwegen, Dänemark, Frankreich<br />

und Österreich zu Gast. Des weiteren hat er<br />

mit CD-Aufnahmen bei Labels wie audite,<br />

hänssler Classic, organum u. a. auf sich aufmerksam<br />

gemacht. Die von Ewald Kooiman<br />

begonnene Bach-Gesamteinspielung auf<br />

Silbermann-Orgeln beim Label Aeolus findet<br />

derzeit u. a. mit ihm seine Fortsetzung<br />

und erscheint 2012.<br />

www.musik.uni-mainz.de<br />

34 35


Zum <strong>Programm</strong><br />

Die British Library, London, bewahrt unter<br />

der Nummer Add. ms. 28550 ein umfangreiches<br />

Manuskript aus dem frühen 14.<br />

Jahrhundert auf, das im Kontext der Abtei<br />

Robertsbridge steht. Der sog. Robertsbridge-Codex<br />

enthält die früheste schriftliche<br />

Fixierung von Musik, die einem<br />

bestimmten Instrument zugewiesen ist<br />

(das sog. Robertsbridge-Fragment), und<br />

zwar Motettenintavolierungen (Intavolierung<br />

bezeichnet die Praxis, mehrstimmige<br />

Vokalkompositionen in eine Tabulatur,<br />

also in eine für das solistische Instrumentalspiel<br />

geeignete Aufzeichnungsform<br />

zu übertragen) sowie ein unvollständiges<br />

und zwei vollständige instrumentale<br />

Tanzstücke, sog. Estampien, die wie eine<br />

Sequenz geformt sind, also aus der Folge<br />

zweier zu einem Doppelversikel zusammengeschlossenen<br />

Zeilen bestehen.<br />

Hans Kotter gehört neben Leonhard<br />

Kleber und Fridolin Sicher zu den<br />

„Paulominen“ genannten Schülern des<br />

hoch angesehenen Paul Hofhaimer, die<br />

zusammen mit dem Konstanzer Organisten<br />

Hans Buchner das Profil der zeitgenössischen<br />

Musik für Tasteninstrumente<br />

entscheidend geprägt haben. Kotters<br />

heute Abend zu hörenden Komposition<br />

repräsentieren, von der Intabulatur abgesehen,<br />

die für die Orgelmusik der ersten<br />

Hälfte des 16. Jahrhunderts typischen<br />

Gattungen: O clemens, o pia stellt die Bearbeitung<br />

eines gregorianischen Cantus<br />

firmus dar, Harmonia ist ein vom humanistischen<br />

Geist der Renaissance geborener<br />

Titel für das traditionelle „Präludium“,<br />

und der Kochersperger Spanieler verweist<br />

auf eine weit verbreitete zeitgenössische<br />

Tanzmelodie.<br />

Die Choralbearbeitung BWV 1094<br />

stammt aus der von Johann Gottfried<br />

Neumeister nach 1790 angelegten Sammlung,<br />

die 82 Kompositionen überliefert,<br />

darunter 38 unter dem Namen<br />

J. S. Bach.<br />

Die im heutigen Konzert aus der Feder<br />

Robert Schumanns stammenden Kompositionen<br />

repräsentieren eine Zeit, in der<br />

die Orgel ein ausgesprochenes Schattendasein<br />

führte. Auch Schumanns op. 58<br />

ist nicht für die Orgel gedacht, sondern<br />

für den Pedalflügel, den der Komponist<br />

keinesfalls nur als Orgelersatz, sondern als<br />

eigenständiges Instrument gesehen hat.<br />

Im Gegensatz zu den polyphonen Studien<br />

für Pedalflügel op. 56 sind die ebenfalls<br />

1845 entstandenen Skizzen für Pedalflügel<br />

op. 58 durch klangliche Kompaktheit charakterisiert.<br />

Die aufgrund der durchgängigen<br />

Bewegung äußerlich sehr einheitlich<br />

erscheinende Choralbearbeitung BVW<br />

736 stammt aus der Leipziger Zeit, in der<br />

Bach an seinem Orgelwerk überwiegend<br />

nur noch redaktionell arbeitete.<br />

Christian Heinrich Rinck wurde vor allen<br />

durch Johann Christian Kittel ausgebildet,<br />

war also ein Enkelschüler Johann Sebastian<br />

Bachs. Seit 1805 wirkte er als Stadtkantor<br />

und -organist in Darmstadt. In einer<br />

Zeit, die durch den völligen Niedergang<br />

von Orgelkomposition und Orgelspiel gekennzeichnet<br />

war, erwarb er sich besondere<br />

Verdienste mit seinen Lehrwerken für<br />

das Orgelspiel. Die Praktische Orgelschule<br />

(1819–21) wurde 1828 durch Alexandre<br />

Choron sogar ins Französische übersetzt.<br />

Die zahlreichen Orgelwerke, vornehmlich<br />

gottesdienstliche Gebrauchsmusik, veröffentlichte<br />

Rinck meist in Sammlungen.<br />

Die Sechs Variationen über ein Thema von<br />

Corelli op. 56 verbinden verschiedenen<br />

Stilsphären. So ist die zweite Variation<br />

kontrapunktisch und imitatorisch gearbeitet,<br />

die vierte Variation ist eher rhythmisch<br />

geprägt, die fünfte Variation hat Kantilenencharakter,<br />

und die sechste Variation<br />

gleicht einer Improvisation.<br />

Die „Partita“ ist eine Variationsreihe über<br />

eine Choralmelodie. Die Autorschaft<br />

Bachs von BWV Anh. 78 gilt als unsicher.<br />

Unter den italienischen Komponisten ist<br />

es Marco Enrico Bossi, der nach Girolamo<br />

Frescobaldi die wohl gehaltvollsten<br />

Werke für Orgel komponiert hat. Bossi<br />

war zunächst <strong>Domorganist</strong> in Como und<br />

schließlich Direktor des Konservatoriums<br />

in Bologna sowie des Liceo musicale<br />

Santa Cecilia in Rom. Als Konzertorganist<br />

genoss er internationales Ansehen. Die<br />

„Ländliche Szene“ entstammt den Cinque<br />

Pezzi aus dem Jahr 1910. Es handelt sich<br />

um Stücke, die dem in der Klaviermusik<br />

des 19. Jahrhunderts beheimateten<br />

Charakterstück nahe stehen. Das sog.<br />

„Charakterstück“ ist meist eine kürzere<br />

Komposition, häufig mit poetischen oder<br />

bildhaften Überschriften, die den Affektgehalt<br />

andeuten, also die Interpretation<br />

des Hörers lenken wollen. Die im heutigen<br />

Konzert erklingende Komposition<br />

ist dreiteilig: Ein rondoartiger Mittelteil<br />

wird eingerahmt von einem „Allegretto<br />

pastorale“, in dem, der Überschrift entsprechend,<br />

der Oboenklang dominiert.<br />

Auffällig ist die anfängliche Pentatonik,<br />

die eine impressionistisch anmutende<br />

Atmosphäre entstehen lässt.<br />

Wiewohl Johann Sebastian Bachs Toccata<br />

und Fuge d BWV 565 sicherlich das bekannteste<br />

Orgelwerk überhaupt darstellt,<br />

wirft es Fragen hinsichtlich Überlieferung<br />

und Autorschaft auf, die nicht eindeutig<br />

zu beantworten sind. Möglicherweise<br />

geht die Komposition zurück auf eine verschollenen<br />

Urform für ein besaitetes Tasteninstrument.<br />

Die Begriffe „Toccata“ und<br />

„ Praeludium“ werden im nord- und mitteldeutschen<br />

Raum nahezu synonym verwendet<br />

und bezeichnen ein Stück im sog.<br />

„stylus phantasticus“, d. h. ein Stück, das<br />

durch den Wechsel von frei-improvistaorischen<br />

und gebunden-kontrapunktischen<br />

36 37


Abschnitten besteht. Bach hat hieraus die<br />

bipolare Form von Toccata bzw. Praeludium<br />

und Fuge entwickelt. BWV 565 steht<br />

ganz offenbar am Anfang dieser Entwicklung,<br />

da der improvisatorische Gestus der<br />

Toccata nach der Fuge wieder aufgegriffen<br />

wird.<br />

Bachs Choralbearbeitung BWV 739 ist in<br />

einem der frühesten erhaltenen Autographen<br />

des Komponisten überliefert. Freies<br />

Passagenspiel und häufige Manualwechsel<br />

verleihen dem Werk eine Ähnlichkeit<br />

mit der norddeutschen Choralfantasie.<br />

Die Bedeutung Olivier Messiaens für<br />

die Orgelmusik muss mit der J. S. Bachs<br />

oder Max Regers verglichen werden,<br />

hat er doch die Orgel, die in der Musik<br />

des 20. Jahrhunderts zunächst nur eine<br />

untergeordnete Rolle spielt, mit seinen<br />

Kompositionen wieder in den Blickpunkt<br />

des Interesses rücken können. Nach zwei<br />

kürzeren Kompositionen thematisierte<br />

Messiaen mit zyklischen Werken, die<br />

seinen Weltruhm als Komponist begründeten,<br />

wichtige Stationen der Heilsgeschichte:<br />

Am Anfang steht mit La Nativité<br />

du Seigneur. Neuf Méditations pour orgue<br />

(1935) die Geburt Jesu. Der abschließende<br />

Satz trägt die Überschrift Dieu parmi nous<br />

(„Gott unter uns“). Zu Beginn werden drei<br />

Themen exponiert: Das erste verweist<br />

bildhaft darstellend auf das Herabsteigen<br />

des Wortes, das zweite, mit der Voix<br />

céleste gespielte Thema symbolisiert die<br />

Liebe der ganzen Kirche zu Christus, und<br />

das dritte, ein „Alleluja im Vogelstil“, stellt<br />

das Magnificat Mariens dar. Es folgen<br />

eine Durchführung der Themen eins und<br />

drei, dann eine längere Abhandlung von<br />

Thema zwei. Den Abschluss bildet eine<br />

brillante Toccata: Über Staccato-Akkorden<br />

erklingt im Pedal das erste Thema.<br />

Paul Thissen<br />

38 39


Samstag, 8.9.2012, 18.30 uhr | <strong>Daniel</strong> beckmann, <strong>Mainz</strong><br />

Werke größten Stils | <strong>Programm</strong><br />

M. Reger Fantasie über den Choral<br />

(1873–1916) „Halleluja! Gott zu loben, bleibe meine Seelenfreud“,<br />

Op. 52 Nr. 3<br />

J. S. Bach Fantasia et Fuga in g, BWV 542<br />

(1685–1750)<br />

M. Reger Aus „Zwölf Stücke für die Orgel“ Op. 59:<br />

IX. Benedictus<br />

M. Duruflé Suite Op. 5<br />

(1902–1986) I. Prélude<br />

II. Sicilienne<br />

III. Toccata<br />

InternatIonaler orGelSoMMer 2012<br />

Curriculum Vitae<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Beckmann</strong> wurde 2010 durch Karl<br />

Kardinal Lehmann 29‐jährig zum <strong>Domorganist</strong>en<br />

an den Hohen Dom St. Martin zu<br />

<strong>Mainz</strong> berufen, wo er seither die Hauptverantwortung<br />

für die liturgische und außerliturgische<br />

Orgelmusik trägt. So initiierte er<br />

die monatlichen Orgelmatineen und den<br />

Internationalen Orgelsommer.<br />

Darüber hinaus ist er regelmäßig auch als<br />

Gast in führenden Orgelmusikzentren des<br />

In- und Auslandes zu hören und wurde<br />

vielfach mit renommierten Preisen bedacht,<br />

von denen der erste Preis des Internationalen<br />

Orgelwettbewerbs von Saint‐Maurice<br />

(Schweiz/2009), ein Stipendium des<br />

Deutschen Musikwettbewerbs (Berlin/2005),<br />

die Mitgliedschaft der „50. Bundesauswahl<br />

Junger Künstler“ des Deutschen Musikrats<br />

und der Kulturpreis seiner Heimat (Kreis<br />

Olpe/2011) genannt sein mögen. Zahlreiche<br />

TV‐, CD‐ und Rundfunkproduktionen<br />

runden die Tätigkeit ab.<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Beckmann</strong> studierte bereits zu Schulzeiten<br />

als Jungstudent an der Hochschule<br />

für Musik in Detmold, wo er nach dem<br />

Abitur alle Prüfungen in den Fächern Orgelliteraturspiel<br />

und ‐improvisation im Rahmen<br />

der Studiengänge Kirchenmusik (A‐Examen)<br />

und Orgel (künstlerische Reifeprüfung &<br />

Konzertexamen) mit Auszeichnung ablegte.<br />

Zu seinen Lehrern zählen Gerhard Weinberger<br />

(Orgelliteraturspiel), als dessen Assistent<br />

er von 2004 bis 2007 an der Musikhochschule<br />

lehrte, und Tomasz Adam Nowak<br />

(Orgelimprovisation). Zahlreiche Meisterkurse<br />

ergänzen diese Ausbildung. Von 2006 bis<br />

2010 wirkte er als Dekanatskirchenmusiker<br />

in Paderborn und hatte einen Lehrauftrag<br />

für künstlerisches Orgelspiel an der dortigen<br />

Universität inne.<br />

www.domorgel-mainz.de<br />

40 41


Zum <strong>Programm</strong><br />

Nicht selten begegnete man der Tatsache,<br />

dass der Katholik Max Reger – er bezeichnete<br />

sich selbst einmal als „katholisch bis<br />

in die Fingerspitzen“ – in seinen Orgelfantasien<br />

auf evangelische Kirchenlieder<br />

rekurrierte, mit Verwunderung. Reger<br />

selbst reagierte darauf in einem Brief an<br />

Anton Gloetzner vom 13.10.1899 mit den<br />

Worten: „Wegen meiner Choralfantasien<br />

bin ich schon von manchen Organisten<br />

für Protestant gehalten worden. Ist ja<br />

egal; mir ist die Hauptsache, dass man<br />

mich für einen guten Musiker hält.“<br />

Wichtiger ist jedoch, dass Reger das Kirchenlied<br />

nicht mehr als funktionales Choralvorspiel<br />

konzipierte oder aber, wie z. B.<br />

Mendelssohn im ersten Satz der Sonate<br />

op. 65/1, als sematisierendes Element in<br />

eine Orgelsonate integrierte, sondern aus<br />

ihm eine eigene große Form autonomer<br />

Musik entwickelte, die durchaus gleichberechtigt<br />

neben die bis dahin von ihm<br />

komponierte Klavier-und Kammermusik<br />

trat, und zwar unter konsequenter Beibehaltung<br />

einer avancierten Satztechnik.<br />

In nur zwei Jahren, zwischen 1898 und<br />

1900 nämlich, komponierte Reger die<br />

Reihe von sieben Choralfantasien. Bereits<br />

die zuerst entstandene Choralfantasie<br />

Freu dich sehr, o meines Seele op. 27<br />

zeigt eine Konzeption, die Reger in allen<br />

nachfolgend entstandenen Choralfantasien<br />

zumindest in Grundzügen beibehält,<br />

auch in op. 52/3, nämlich die strophische<br />

Anlage mit Binnengliederungen (diese<br />

allerdings fehlen in op. 52/3); ab op. 30<br />

kommen Einleitungen und ab op. 40 in<br />

eine Choralapotheose mündende Steigerungsfugen<br />

hinzu. Diese Anlage geht<br />

zurück auf Heinrich Reimanns Choralfantasie<br />

über Wie schön leucht’ uns der Morgenstern.<br />

In einem Brief vom 1. November<br />

1898 brachte Reger Reimann gegenüber<br />

seine Anerkennung zum Ausdruck: „Ihre<br />

Choralphantasie für Orgel ,Wie schön<br />

leucht’ uns der Morgenstern!’ habe ich<br />

mir angeschafft, u. verehre ich das Werk<br />

als ein Wunder- u. Meisterwerk dieser Art!<br />

Gerade in der Benutzung u. Verarbeitung<br />

des alten Kirchenliedes liegt auch das Heil<br />

für unseren Orgelstyl!“<br />

Was Reger hier ganz offensichtlich zum<br />

Ausdruck bringen will, ist seine Anerkennung<br />

für die über einen bloßen<br />

kirchenmusikalisch-funktionalen Kontext<br />

hinausweisende Handhabung der<br />

Choralmelodie. Gleichzeitig setzen seine<br />

Choralfantasien im Hinblick auf den<br />

kompositorischen und spieltechnischen<br />

Anspruch einen Maßstab, der offensichtlich<br />

an die repräsentativen Orgelwerke<br />

Liszts anknüpft und einmal mehr die auch<br />

in anderen Gattungskontexten von Reger<br />

immer wieder erwähnte Vorstellung des<br />

„großen Stils“ zu realisieren sucht.<br />

Die Fantasie für Orgel über den Choral<br />

„Hallelujah! Gott zu loben“ op. 52. Nr. 3 ist<br />

dem Seminaroberlehrer Friedrich Schnackenberg<br />

gewidmet, der einige positive<br />

Besprechungen von Regers Werken in der<br />

„Neuen Zeitschrift für Musik“ veröffentlich<br />

hatte. Reger zählte op. 52 Nr. 3 zu seinen<br />

„lichtvolleren“ Werken und tatsächlich<br />

scheint die für die Symphonik des 19.<br />

Jahrhunderts so zentrale Idee des „Per<br />

aspera ad astra“ bzw. „Durch Nacht zum<br />

Licht“ sich nicht nur in jeder der Choralfantsaien<br />

zu manifestieren, sondern auch<br />

der Realisation des Zyklus op. 52 zugrunde<br />

zu liegen (op. 52/1 trägt den Titel „Alle<br />

Menschen müssen sterben“ und 0p. 52/2<br />

„Wachet auf, ruft uns die Stimme“).<br />

Wenn Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542<br />

in Konzerten durchweg auch als bipolares<br />

Paar präsentiert werden, so ist in ihrem<br />

Fall eine vom Komponisten intendierte<br />

Zusammengehörigkeit so schlecht<br />

dokumentiert wie in keinem andern Satzpaar<br />

Johann Sebastian Bachs. Die Fuge<br />

ist möglicherweise im Zusammenhang<br />

mit Bachs Bewerbung um die Organistenstelle<br />

an der Hamburger Jacobikirche<br />

1720 entstanden. Eine Art Instrumentalrezitativ<br />

wie am Ende der Chromatischen<br />

Fantasie d-Moll BWV 903/1 bildet den<br />

äußeren Rahmen sowie die Mitte der Fantasie.<br />

Hinzu kommen imitatorische Abschnitte<br />

und chromatische Modulationen.<br />

Die im Sommer 1901 komponierten Zwölf<br />

Stücke für die Orgel op. 59 verdanken ihre<br />

Entstehung einer Anregung Henri Hinrichsens,<br />

der zusammen mit seinem Onkel<br />

Dr. Max Abraham dem Verlag C. F. Peters<br />

vorstand; sie eröffnen den Reigen der<br />

„Stücke“- Sammlungen Regers, die einerseits<br />

geringere technische Anforderungen<br />

stellen wollen und andererseits in die<br />

gottesdienstliche Praxis integrierbar sein<br />

sollen. Die Sammlung beinhaltet auch<br />

Sätze, die dem in der Klaviermusik des 19.<br />

Jahrhunderts beheimateten Charakterstück<br />

nahe stehen. Das sog. „Charakterstück“<br />

ist meist eine kürzere Komposition,<br />

häufig mit poetischen oder bildhaften<br />

Überschriften, die den Affektgehalt andeuten,<br />

also die Interpretation des Hörers<br />

lenken wollen. Eine Besonderheit von op.<br />

59 stellen die auf das Ordinarium missae<br />

verweisenden Nummern 7. („Kyrie“), 8<br />

(„Gloria in excelsis Deo“) und 9 („Benedictus,<br />

qui venit in nomine Domine“) dar.<br />

Auch das im heutigen Konzert erklingende<br />

„Benedictus“ ist als ein den Gehalt der<br />

Vorlage meditierendes Charakterstück<br />

verstehbar.<br />

Die 1933 komponierte Suite op. 5 widmete<br />

Maurice Duruflé, den man gerne als<br />

den „Ravel der Orgelmusik“ bezeichnet,<br />

seinem Kompositionslehrer Paul Dukas.<br />

Im Gegensatz zum Scherzo op. 2 ist Duruflé<br />

mit dem düsteren, melancholischen<br />

42 43


– das Hauptthema ist „tristamente“<br />

überschrieben – ersten Satz sehr nahe<br />

an der Klangwelt Louis Viernes, nicht<br />

zuletzt auch wegen der Chromatik, die für<br />

Duruflés musikalische Sprache an und für<br />

sich eher ungewöhnlich ist. Dass die Suite<br />

entstanden ist im Umfeld des Vorhabens,<br />

eine Orgelsuite über die Melodien der<br />

Missa pro defunctis zu schreiben, lässt das<br />

Hauptthema ahnen, dass eine unüberhörbare<br />

Ähnlichkeit mit dem „Pie Jesu“ aus<br />

dem Requiem Duruflés hat. Mit der Sicilienne<br />

bewegt sich Duruflé wieder ganz in<br />

der Klangwelt Debussys und Ravels. Dass<br />

Duruflé ein äußerst selbstkritischer Komponist<br />

war, ist bekannt. Nicht umsonst hat<br />

er lediglich 14 Werke geschrieben und<br />

nur 13 veröffentlicht – mancher seiner<br />

Kollegen hätte vielleicht diesem Beispiel<br />

folgen sollen. Die Toccata mochte der<br />

Komponist überhaupt nicht. In einem<br />

Interview meinte er: „Das erste Thema ist<br />

nicht gut. Und weil das Thema nicht gut<br />

ist, kann auch die ganze Komposition, die<br />

darauf aufbaut, sich nicht entwickeln.“<br />

Und auf den Einwand seiner Gattin „Auch<br />

wenn du das Thema nicht magst, ich mag<br />

das Drumherum, sozusagen die Sauce“<br />

antwortete Duruflé: „Ja, die Sauce ist da,<br />

aber nicht das Beefsteak. Das Beefsteak ist<br />

wichtig, nicht die Sauce.“<br />

Trotz aller Selbstzweifel des Komponisten<br />

avancierte die in der Tradition Widors,<br />

Viernes und Duprés stehende Toccata zu<br />

einem der beliebtesten Vituosenstücke.<br />

Paul Thissen<br />

44 45


Dispositionen der <strong>Mainz</strong>er <strong>Domorgel</strong>n<br />

Querhaus (Klais 1928/29 & Kemper 1965)<br />

I. Manual C–a 3<br />

(„Empore I“)<br />

Südchorette<br />

Quintade 16'<br />

Prinzipal 8'<br />

Gedacktflöte 8'<br />

Gemshorn (C-H neu) 8'<br />

Oktave 4'<br />

Querflöte (C-H neu) 4'<br />

Quintadena 4'<br />

Nasat 22/3' Oktave 2'<br />

Waldflöte 2'<br />

Mixtur VI 11/3' Zimbel III<br />

1/2'<br />

Oboe 8'<br />

Helltrompete<br />

Tremulant<br />

4'<br />

Pedal C–f 1<br />

Südchorette<br />

Subbass 16‘<br />

Flötbass 8‘<br />

Choralbass 4‘<br />

Trompete 8‘<br />

II. Manual C–a 3<br />

(„Empore II")<br />

Nordwand, schwellbar<br />

Gedackt 16‘<br />

Prinzipal 8‘<br />

Hohlflöte 8‘<br />

Quintade 8‘<br />

Salizional 8‘<br />

Oktave 4‘<br />

Rohrflöte 4‘<br />

Blockflöte 2‘<br />

Terzflöte (ab c0 ) 13/5‘ None<br />

8/9‘<br />

Oktävlein<br />

1/2‘<br />

Rauschpfeife II 22/3‘ Mixtur V 1‘<br />

Rankett 16‘<br />

Trompete ged. 8‘<br />

Geigenregal<br />

Tremulant<br />

4‘<br />

Pedal C–f 1<br />

Nordwand<br />

Prinzipal 16‘<br />

Gedackt (Transmiss. II) 16‘<br />

Oktavbass 8‘<br />

Quintade (Transmiss. II) 8‘<br />

Pedaloktave 4‘<br />

Nachthorn 2‘<br />

Rauschpfeife IV<br />

(aus Klais-Cornett IV - V)<br />

Posaune 16‘<br />

Trompete 4‘<br />

Westchor (Klais 1928/29)<br />

III. Manual C–a 3<br />

(„West I")<br />

Chorgestühl<br />

Prinzipal 16‘<br />

Prinzipal 8‘<br />

Offenflöte 8‘<br />

Schweizerpfeife 8‘<br />

Nachthorngedackt 8‘<br />

Oktav 4‘<br />

Nachthorn 4‘<br />

Quinte<br />

2 2/3‘<br />

Oktave 2‘<br />

Mixtur IV-VI<br />

Zymbel VI 1’<br />

Bombarde 16‘<br />

Trompete 8‘<br />

Tremulant<br />

IV. Manual schw. C–a 3<br />

(„West II“)<br />

Chorgestühl, schwellbar<br />

Spitzflöte 8‘<br />

Lieblich Gedackt 8‘<br />

Unda maris 8‘<br />

Prinzipal 4‘<br />

Blockflöte 4‘<br />

Nachthorn 2‘<br />

Nasat 1 1/3‘<br />

Sifflöte 1’<br />

Sesquialter II 2 2/3‘<br />

Scharff IV<br />

Krummhorn 8‘<br />

Clairon 4‘<br />

Tremulant<br />

Wächterhäuschen<br />

nicht schwellbar<br />

Kardinalstrompete 8'<br />

Pedal C–f 1<br />

Chorgestühl<br />

Untersatz 32‘<br />

Prinzipalbaß 16‘<br />

Subbaß 16‘<br />

Oktavbaß 8‘<br />

Flötbaß 8‘<br />

Pedaloktav 4‘<br />

Rauschpfeife IV 4‘<br />

Posaune 16‘<br />

Schalmey 4‘<br />

Cornett 2‘<br />

Legende:<br />

Klais (1928/29): schwarz<br />

Kemper (1962–65): grau<br />

Killinger/Breitmann (2003): rot<br />

46 47


ostchor (Kemper 1962)<br />

V. Manual C–a 3 („Ost I")<br />

Kaiserlogen<br />

Pommer 16‘<br />

Prinzipal 8‘<br />

Holzflöte 8‘<br />

Spitzgambe 8‘<br />

Oktave 4‘<br />

Quintade 4‘<br />

Gedackt 4‘<br />

Quinte 2 2/3‘<br />

Rauschpfeife III<br />

Scharff IV<br />

Mixtur VIII<br />

Spanische Fanfare (horizontal) 16‘<br />

Spanische Trompete (horizontal) 8‘<br />

Tremulant<br />

VI. Manual C–a 3 („Ost II")<br />

Kaiserlogen, schwellbar<br />

Spitzgedackt 8‘<br />

Quintade 8‘<br />

Lochflöte 4‘<br />

Strichflöte 4‘<br />

Prinzipal 2‘<br />

Waldflöte 2‘<br />

Nonensesquialter III<br />

Zwergzymbel V<br />

Spanische Trompete (horizontal) 8‘<br />

Spanische Fanfare (horizontal) 4‘<br />

Nicht schwellbar:<br />

Salizet 8‘<br />

Tremulant<br />

Pedal C–f 1<br />

Kaiserlogen<br />

Pommer 16‘<br />

Subbass 16‘<br />

Oktavbass 8‘<br />

Gedecktbass 8‘<br />

Choralbass 4‘<br />

Quintade 2‘<br />

Rauschpfeife V<br />

Spanische Posaune (horizontal) 16‘<br />

Spanische Trompete (horizontal) 8‘<br />

Spanische Trompete (horizontal) 4‘<br />

Generalspieltisch (Kemper 1965)<br />

Koppeln<br />

Emp.II/Emp.I (II/I)<br />

West I/Emp. I (III/I)<br />

West II/Emp. I (IV/I)<br />

Ost I/Emp. I (V/I)<br />

Ost II/Emp. I (VI/I)<br />

West I/Emp. II (III/II)<br />

West II/Emp. II (IV/II)<br />

Ost I/Emp. II (V/II)<br />

Ost II/Emp. II (VI/II)<br />

West II/West I (IV/III)<br />

Ost II/Ost I (VI/V)<br />

Emp.I/Ped (I/P)<br />

Emp. II/Ped (II/P)<br />

West I/Ped (III/P)<br />

West II/Ped (IV/P)<br />

Ost I/Ped (V/P)<br />

Ost II/Ped (VI/P)<br />

Spielhilfen<br />

Handregister<br />

4 freie Kombinationen<br />

Handregister zu Kombination<br />

2 freie Pedalkombinationen (A+B)<br />

Zungen ab<br />

Manual 16’ ab<br />

32’ ab<br />

Empore II ab<br />

Einzelabsteller<br />

Tutti West<br />

Tutti Ost<br />

Tutti Empore<br />

General Tutti<br />

3 Schwelltritte für Manuale II, IV, VI<br />

Crescendowalze<br />

Walze ab<br />

Walze West ab<br />

Walze Ost ab<br />

Koppeln in Walze ab<br />

Zwei weitere<br />

Kemper-Spieltische<br />

1. im Westchorgestühl<br />

für West I, West II,<br />

Empore II, Ped. West und<br />

Nordwand<br />

2. im Ostchor für Ost I,<br />

Ost II, Ped Ost<br />

48 49


liebe Konzertbesucherin, lieber Konzertbesucher, beitrittserklärung<br />

herzlichen Dank für Ihren Besuch dieses Domkonzertes, mit dem Sie<br />

auch ein aktives Zeichen für die Arbeit der Musica Sacra setzen!<br />

Der „Verein der Freunde und Förderer der Musica Sacra am Hohen<br />

Dom zu <strong>Mainz</strong> e.V.“ hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />

❚ die Chöre und die Ensembles bei der Erfüllung ihrer kirchenmusikalischen<br />

Aufgaben zu unterstützen und für ihr Wirken in der<br />

Bevölkerung Interesse zu wecken;<br />

❚ die gesangliche und musikalische Ausbildung der Jugendlichen<br />

der verschiedenen Chorgruppen,<br />

❚ die Orgelmusik am Dom sowie<br />

❚ Domkapellmeister und <strong>Domorganist</strong> in ihren Anliegen für die<br />

Musica Sacra am <strong>Mainz</strong>er Dom ideell und materiell zu fördern.<br />

Der Verein ist selbstlos tätig und verfolgt ausschließlich und unmittelbar<br />

gemeinnützige und kirchliche Zwecke. Die Beiträge sind<br />

daher steuerbegünstigt. Mitglieder werden regelmäßig über die<br />

Aktivitäten der Musica Sacra informiert und erhalten bei Domkonzerten<br />

einen Preisnachlass bis zu 50 % auf den Eintrittspreis. Einmal<br />

im Jahr genießen sie zum Abschluss der Mitgliederversammlung ein<br />

Exklusivkonzert im <strong>Mainz</strong>er Dom, das ihnen ein besonderes Konzert-<br />

und Klangerlebnis an unterschiedlichen Orten der Kathedrale bietet.<br />

Helfen Sie mit und genießen Sie die Vorteile einer Mitgliedschaft!<br />

Wir würden uns freuen, Sie in unseren Reihen begrüßen zu dürfen.<br />

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.<br />

Der Vorstand<br />

1. Vorsitzender: Joachim Schneider, Rechtsanwalt<br />

2. Vorsitzender: Hans Günter Mann, Vorstandsvorsitzender der<br />

Sparkasse <strong>Mainz</strong><br />

Schatzmeister: Ludwig Stauder, Bankkaufmann<br />

Schriftführer: Dr. rer. nat. Markus Krieg,<br />

Deutsche Börse Systems AG<br />

Beisitzer: <strong>Daniel</strong> <strong>Beckmann</strong>, <strong>Domorganist</strong><br />

Karsten Storck, Domkapellmeister<br />

Ehrenvorsitzender: Dr. h. c. Johannes Gerster<br />

Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zum<br />

Verein der Freunde und Förderer der MuSICa SaCra aM HoHen DoM Zu MaInZ e. V.<br />

Name: Vorname:<br />

Geburtsdatum: Beruf: Telefon:<br />

Anschrift:<br />

Mein Jahresbeitrag in Höhe von (mind. 60 €) soll von meinem Konto<br />

Konto-Nr.: bei der: BLZ:<br />

abgebucht werden.<br />

Datum: Unterschrift:<br />

Bitte senden an:<br />

<strong>Domorganist</strong> <strong>Daniel</strong> <strong>Beckmann</strong><br />

Grebenstraße 9, 55116 <strong>Mainz</strong><br />

Telefon: 06131/253 474, Fax: 06131/253 529<br />

E-Mail: domorganist@bistum-mainz.de<br />

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