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Inhaltsverzeichnis - Berliner Volkstanzkreises

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<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 2


Vorwort<br />

Die folgende Arbeit ist ein Versuch einen Überblick über die Volkstanzlandschaft in Berlin nach dem<br />

2.Weltkrieg bis in die heutige Zeit (1945-2010) zu schaffen. Das wird nicht ganz einfach, denn durch die<br />

Besatzung Deutschlands und Berlins durch die 4 Siegermächte Frankreich, Großbritannien, USA und<br />

Sowjetunion zeichnete sich schon gleich nach dem Ende des Krieges am 8. Mai 1945 eine unterschiedliche<br />

gesellschaftspolitische Entwicklung ab. Während Frankreich und Großbritannien sich an die Weltmacht<br />

USA hielten und sich der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zuwendeten, vertrat die Sowjetunion den<br />

sozialistischen Grundgedanken.<br />

In beiden Gesellschaftsordnungen wurde Volkstanz gepflegt und entwickelt. Es entstanden viele Gruppen.<br />

Vor dem Krieg gab es aber auch schon viele Gruppen, die danach weitergeführt wurden. Oft wird zu diesem<br />

Thema: „Volkstanz in Ost und West“ sehr schwarz-weiß gesprochen. Dem ist aber nicht ausschließlich so.<br />

Es gab durchaus auch „Grautöne“. Zu diesem Thema gibt es nicht allzu viel Büchermaterial und wenn, wird<br />

es immer sehr einseitig behandelt, auch das Internet ist ziemlich rar an Informationen darüber. Deshalb habe<br />

ich die wertvollsten Informationen in sehr interessanten Gesprächen mit Tänzern und Tänzerinnen aus den<br />

verschiedensten Volkstanzgruppen Berlins zusammengetragen. Es war für mich sehr schön, mitzuerleben,<br />

mit welcher Freude sie über ihre Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit berichteten. Gerade die 50er Jahre<br />

wurden sehr intensiv erlebt, da es in dieser Zeit sehr viele Volkstanzaktivitäten gab. Man konnte jeden Tag in<br />

der Woche in eine andere Gruppe tanzen gehen und jedes Wochenende gab es mehrere<br />

Volkstanzveranstaltungen. Wenn ich am Übungsabend den einen oder anderen auf mein Thema ansprach<br />

und ihn bat mir von früher zu erzählen, wurden es meist sehr lange Gespräche. Schön war, wenn einer anfing<br />

von seiner Volkstanzgruppe von damals zu erzählen und andere bekamen dies mit. Da setzte man sich dazu,<br />

hörte interessiert zu oder stellte fest, dass man ja damals in der gleichen Gruppe war. Dann ging die<br />

Recherche los. „Mit wem hast Du denn damals getanzt?“, „In welchen Jahren warst Du denn da?“…und man<br />

bemerkte, dass man schon früher oft miteinander zu tun hatte und sich jetzt, älter geworden, nur nicht<br />

wiedererkannt hatte. Dann wurden die Gespräche recht lustig und in der nächsten Probe wurden dann alte<br />

Fotos mitgebracht und angeschaut. Viele hatten aus beruflichen Gründen oder weil sie eine Familie<br />

gegründet hatten mit dem Tanzen aufgehört. Oder manche Gruppen lösten sich auch in den 60er Jahren aus<br />

Mangel an Interessierten auf, sodass man sich eine neue Tanzgruppe suchen musste. Man lernte neue Tänzer<br />

kennen oder traf auch manche von damals wieder und manchmal bemerkte man eben erst jetzt, dass man<br />

sich eigentlich schon kannte.<br />

Alle, mit denen ich gesprochen habe, zeigten großes Interesse an meinem gewählten Thema, weil es hier um<br />

sehr bewegte Jahrzehnte geht, die es unbedingt gilt in Wort und Bild für die nächsten Generationen<br />

festzuhalten. Oft hörte ich den Satz. „Wenn Du mit deiner Arbeit fertig bist, möchte ich sie unbedingt lesen.“<br />

Ich habe so viele Informationen, wie möglich zusammengetragen. Es gab aber damals zeitweise sehr viele<br />

Tanzgruppen, so dass es mir natürlich nicht möglich war über alle zu schreiben, aber ich hoffe, dass es mir<br />

mit den zusammengetragenen Erinnerungen der Volkstänzer gelungen ist einen repräsentativen Querschnitt<br />

durch die letzten 6 Jahrzehnte Volkstanzgeschichte in Berlin zu geben. Über manche Gruppen konnte ich<br />

nicht sehr viele Informationen bekommen, über andere mehr. Von einigen Gruppen weiß ich nur, wann sie<br />

ungefähr bestanden und wer sie damals leitete, über andere Gruppen habe ich mehr Informationen von den<br />

entsprechenden Gesprächspartnern bekommen. Somit ergibt sich also, dass über einige Gruppen<br />

ausführlicher und über andere Gruppen weniger berichtet wird.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 3


Nachkriegsjahre<br />

1945 lag Deutschland in Schutt und Asche. Viele Menschen hatten ihr gesamtes Hab und Gut verloren,<br />

andere trauerten um ihre im Krieg gefallenen Angehörigen. Die gesamte Wirtschaft war am Boden. Nach<br />

und nach versuchte man zum normalen Leben zurückzukehren, was nur unter erschwerten Bedingungen<br />

möglich war. Die Trümmer mussten beseitigt werden, neuer Wohnraum geschaffen werden. Arbeitsplätze<br />

waren knapp, Lebensmittel gab es nur auf Zuteilung und nicht genug, die Dinge und Gewohnheiten des<br />

alltäglichen Lebens waren auf dem Tiefpunkt angelangt. Die Menschen wussten nicht, wie es weitergehen<br />

sollte.<br />

Nachdem die schlimmste Nachkriegszeit überstanden war, suchten die Menschen wieder die Gemeinschaft.<br />

In allen Teilen Berlins und im Umland entstehen in Turnvereinen und Jugendorganisationen<br />

Volkstanzgruppen. Getanzt werden zu dieser Zeit in Berlin zum größten Teil Jugendtänze. Es wurde an die<br />

Arbeit vor 1933 angeknüpft, denn nur wenige Tanzgruppen konnten während des Naziregimes frei arbeiten,<br />

da die Nationalsozialisten die Volkstänzer vereinnahmt hatten. Deshalb wurden die Tänzer nach 1945<br />

teilweise total abgelehnt und belächelt. Das gab sich aber bald wieder. Ältere Volkstänzer riefen auf, wieder<br />

regelmäßig miteinander zu tanzen.<br />

Durch die Wandervogelbewegung, die Naturfreunde, die Falken oder aber auch durch andere<br />

Jugendorganisationen, wie z.B. Jugendausschüsse der Bezirksverwaltungen, die spätere FDJ, und die<br />

Naturfreunde rief man die Jugend auf, sich kulturell zu betätigen und ihnen damit eine sinnvolle<br />

Freizeitbeschäftigung und Ablenkung von den Nachwirkungen des Krieges zu bieten.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 4


In den Jugendgruppen traf man sich regelmäßig. Es wurde gemeinsam gesungen, über Gott und die Welt<br />

geredet, kleine Theatergruppen und Volkstanzgruppen gegründet. Jede Gruppe hatte ihren Schwerpunkt, so<br />

lag dieser z.B. in einem Bezirk beim Theaterspiel, oder in einem anderen Bezirk beim Volkstanz. So z.B. im<br />

Prenzlauer Berg im Bezirk 61. Hier wurde 1946 der „Großberliner Volkstanzkreis“ von Erich Krause<br />

gegründet. Erich Krause war schon vor dem Krieg ein sehr aktiver Volkstänzer, der schon damals<br />

Tanzgruppen leitete.<br />

Nach dem Krieg gab er dann seine Volkstanzerfahrung an die Kinder und Jugendlichen weiter. Es wurde<br />

regelmäßig geprobt. Außerdem konnte man im Jugendheim auch anderen Interessen nachgehen, wie lesen,<br />

Schach spielen, Radio hören oder Tischtennis spielen. Die Woche im Bezirk 61 wurde wie folgt gestaltet:<br />

Jeden Montag 19-21 Uhr Volkstanz-Lehrgang<br />

Jeden Dienstag 19-21 Uhr Basteln<br />

Jeden Mittwoch 18-20 Uhr Laienspiel und Sprechchor<br />

Jeden Donnerstag 19-21 Uhr Heimabend für alle<br />

Jeden Freitag 19-21 Uhr abwechselnd Literatur- und Schulungsabend<br />

Jeden Sonnabend 17 Uhr Musik-Übungsabend<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 5


Eine Kindergruppe für die 10-14-jährigen wurde auch aufgebaut. Der Heimabend sollte möglichst von allen<br />

Jugendlichen besucht werden, um das Band einer engen Kameradschaft zu schaffen. Die Jugendgruppen der<br />

Stadtbezirke wurden dann ab 1946 zu FDJ-Jugendgruppen.<br />

Die Arbeit der Bezirksgruppen wurde in<br />

der Öffentlichkeit präsent gemacht. So<br />

fanden, z.B. Auftritte der Tanzgruppen<br />

auf der Straße statt.<br />

Foto:<br />

Tanz auf der Straße etwa 1948<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 6


Am 12. April 1947 fand das 1.Volkstanzfest des Großberliner <strong>Volkstanzkreises</strong> des Jugendausschusses 61,<br />

Prenzlauer Berg unter der Leitung von Erich Krause in Birkenwerder bei Berlin statt.<br />

Programm des 1. Tanzfestes<br />

Fast jeder <strong>Berliner</strong> Sportverein hatte nach dem Krieg eine Volkstanzgruppe. Gegen Ende der 40er Jahre gab<br />

es in jedem Stadtbezirk eine oder mehrere Tanzgruppen. Diese wurden dann von dem jeweiligen Bezirksamt<br />

gefördert. Somit waren kostenlose Übungsräume und die Bezahlung der Volkstanzleiter und Musiker<br />

gesichert.<br />

Gerade die Jugend hatte viel Spaß am Tanzen. Die meisten Tänzer und Tänzerinnen waren zwischen 18 und<br />

20 Jahre alt. Die Jungen tanzten in kurzen Hosen und die Mädchen trugen Rock und Mieder. Die Tanzarbeit<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 7


war damals noch sehr von der Gymnastik beeinflusst, man tanzte also mit hohen Sprüngen. Deshalb hatten<br />

die Volkstänzer damals ihren Ruf als „Hüpferlinge“ weg. Die Tanzleiter richteten ihr Tanzrepertoire nach<br />

den noch vorhandenen Materialbeständen. Um dem jugendlichen Übermut Genüge zu tun, standen oft und<br />

gerne die in den 1920er Jahren geschaffenen Jugendtänze auf dem Programm der abendlichen<br />

Übungsstunden. Beliebte Tänze waren damals Krüzkönig, Dölziger Mühle, Märkische Viertour, Wilde<br />

Hummel, Bruder Lustig, aber auch Volkstänze wie Scheeßeler Windmüller, Settquadrille und Jägerneuner -<br />

übrigens alles Tänze, die sich zum Teil heute noch größter Beliebtheit erfreuen, nur das die Tänzer nun<br />

inzwischen schon oft 65 Jahre und älter sind. Die von Walter Bröscky in den 30-iger Jahren geschaffenen<br />

Gemeinschaftstänze sollten eine Verbindung zwischen Volkstanz und Gesellschaftstanz bilden. Sie wurden<br />

eher von den älteren Volkstänzern bevorzugt und bei festlichen Zusammenkünften getanzt. In den ersten<br />

Jahren des Wiederaufbaus wurden die Tanzabende nur mit Livemusik begleitet. Viele ältere Tanzleiter<br />

waren es gewohnt selbst Musik zu spielen. Die Noten und Instrumente konnten teils unter schwierigen<br />

Umständen wieder beschafft werden und so funktionierte das Tanzen recht gut nach lebendiger Musik.<br />

In der sowjetischen Besatzungszone, also im Ostteil Berlins liefen die ersten sowjetischen Propagandafilme,<br />

die die antifaschistische Umerziehung unterstützen sollten. Eine große Bereicherung erhielt die „Kultur auf<br />

Trümmern“ durch die aus dem Exil zurückkehrenden Künstler der verschiedensten Kunstgattungen, die nun<br />

ihren Beitrag zum Aufbau des befreiten Deutschland leisten wollten. Unter den sowjetischen<br />

Kulturoffizieren befanden sich viele Künstler, die sich durch unmittelbare praktische Hilfe, wie z.B. durch<br />

die Versorgung mit Lebensmittelpaketen, für die Künstler einsetzten. Der Wiederaufnahme und Entwicklung<br />

der künstlerischen Selbstbetätigung der Werktätigen galt eine fürsorgliche Beachtung.<br />

Am 3.7.1945 wurde dann der „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ gegründet. Dieser<br />

zählte schon 2 Jahre nach seiner Gründung 93000 Mitglieder.<br />

Auf der 1. Zentralen Kulturtagung der KPD im Februar 1946 referierte Wilhelm Pieck (1949-1960 erster<br />

und einziger Präsident der DDR) zum Thema: Die Erneuerung der deutschen Kultur. Er sagte: „Wir werden<br />

uns mit allen Kräften dafür einsetzen, dass die bisherige Fernhaltung der breiten Massen unseres Volkes von<br />

der kulturellen Betätigung und vom Genuss der durch das kulturschöpferische Wirken erzeugten Werte<br />

beseitigt wird.“ Mit der Losung „DIE KUNST DEM VOLKE“ wird schon hier die Grundrichtung der<br />

späteren SED-Kulturpolitik manifestiert. Hauptanliegen dieser Konferenz war die Frage: Was muss getan<br />

werden, um den Menschen in ihrer Freizeit ein Mehr an kultureller Bildung zu verschaffen?<br />

Bei einem Gastspiel des sowjetischen Alexandrov- Ensembles der Roten Armee im Juli 1946 in Berlin hatten<br />

viele Zuschauer zum ersten Mal die Gelegenheit Volkstanzkunst in vollendeter künstlerischer Meisterschaft<br />

zu erleben. Aufgeführt wurden thematische Tanzgestaltungen mit folkloristischen Mitteln. Durch die<br />

zahlreichen Gastspiele sowjetischer Ensembles wurde die Gründung vieler Tanzgruppen angeregt. In den<br />

Betrieben entstanden Volkskunstkollektive.<br />

Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) spielte eine große Rolle bei der Entstehung neuer<br />

Volkskunstgruppen. Er übernahm die finanzielle Unterstützung und kümmerte sich um die geistigkulturellen<br />

Bedürfnisse der Werktätigen. Durch die Verbesserung der Lebensbedingungen stieg die Zahl der<br />

neugegründeten Gruppen und Zirkel an. Somit wurde es nötig eine zentrale Stelle für deren politische und<br />

künstlerische Betreuung ins Leben zu rufen. Das war die Deutsche Volksbühne, die im Mai 1947 ihre Arbeit<br />

aufnahm.<br />

Bedeutungsvoller Höhepunkt für die Laientänzer nach dem Krieg war die 1. Zentrale Leistungsschau der<br />

Volkskunstkollektive der sowjetischen Besatzungszone (Ost-Berlin) vom 1.-8. August 1947. Obwohl<br />

hinsichtlich der Arbeits- und Lebensbedingungen, sowie der Versorgung der Bevölkerung vieles im Argen<br />

lag, wurde diese Leistungsschau veranstaltet. Hier hatten die besten, aus Wettbewerben hervorgegangenen,<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 8


Tanzgruppen die Möglichkeit zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch. Vordergründig sah es so aus, als ob<br />

die Gruppen an ihren künstlerischen Leistungen gemessen wurden, was sicher auch ein wichtiger Punkt war,<br />

aber für die Ausrichter dieser Veranstaltungen gab es auch den Aspekt der gesellschaftlichen Führung der<br />

Gruppen. Somit wurde also auch das Vermögen der Trägereinrichtungen gemessen, wie sie ihre Gruppen<br />

sowohl materiell, als auch ideologisch unterstützten.<br />

Das Jahr 1948 war dann geprägt durch zahlreiche Gastspiele sowjetischer Gesangs- und Tanzensembles in<br />

der sowjetischen Besatzungszone. Diese hinterließen nicht nur beim Publikum großen Eindruck, sondern<br />

gaben auch den vielen Laientänzern unzählige Anregungen im Umgang mit dem Volkstanz und Grund zum<br />

Nacheifern. Aber um solche bewunderungswürdigen künstlerischen Leistungen zu erbringen bedarf es<br />

Unterstützung in finanzieller und materieller Art. Das bedeutete also, dass man die staatliche Einflussnahme<br />

in Kauf nahm. Somit wurden kulturelle Höhepunkte, wie z.B. zentrale Kulturgruppenwettbewerbe,<br />

Volkskunsttage und zentrale Leistungsschauen vom Staat verordnet. Während der Volkskunsttage in Berlin<br />

1948 schlossen sich die dort versammelten Gruppen zum Bund der Volksbühnen zusammen. Man wollte<br />

damit die Einheit der Volkskunst im Osten waren und der westlichen Kultur geistige Überlegenheit<br />

beweisen.<br />

Im Januar 1949 wurde die „Verordnung zur Überführung von Volkskunstgruppen und volksbildenden<br />

Vereinen in die bestehenden demokratischen Massenorganisationen (z.B. FDGB, FDJ u.a.) verabschiedet.<br />

Damit sollte nun die Neuauflage bürgerlicher Volkskunstvereine und rein privates Engagement unterbunden<br />

werden. Für die aktiven Volkskünstler war das ganze politische und auch diktatorische Ausmaß anfänglich<br />

nicht absehbar. Für sie war wichtig, ihr Hobby unentgeltlich ausüben zu können, teilweise auch unter<br />

fachkundiger Anleitung.<br />

Im Mai 1949 wurde, als Ergebnis der 1. Parteikonferenz der SED im Januar 1949, die Zentralstelle für<br />

Volkskunst beim Bund deutscher Volksbühnen gegründet, der Grundstein für das ab 1952 tätige Zentralhaus<br />

in Leipzig.<br />

Im Westteil der Stadt (englische, französische und amerikanische Besatzungszone) sah man die ganze Sache<br />

nicht so politisch. Die Jugend sollte Spaß am Tanzen und der Gemeinschaft haben und neue Lebensfreude<br />

nach den harten Zeiten des Krieges finden. Das traditionelle Volkstanzerbe sollte gepflegt und erhalten<br />

werden. Jeder Jugend- und Sportverein hatte seine Tanzgruppe.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 9


Ich unterhielt mich mit Gisela Baudach. Sie erzählte, dass sie damals in Haselhorst (Bezirk Spandau)<br />

wohnte. Sie war damals, 1949, 13 Jahre alt und wollte unbedingt in eine Tanzgruppe gehen. Die Auswahl<br />

war groß. Sie konnte wählen, zwischen den Tanzgruppen von der Kirche, den Pfadfindern, den<br />

Naturfreunden oder auch den Falken, der Jugendorganisation der SPD. Sie entschied sich für die Falken. Die<br />

Tanzleiterin war eine junge Frau, die vor dem Krieg schon in einer Volkstanzgruppe getanzt hatte. Sie gab<br />

nun ihre Erfahrungen an die tanzende Jugend weiter. Getanzt wurde im Jugendheim Haselhorst.<br />

Bei den Falken gab es Kinder-, Jugend- und Erwachsenengruppen. Man teilte sie ein in die Nestfalken, das<br />

waren die kleineren Kinder, die Jungfalken das waren Kinder bis 12 Jahre, die Wanderfalken für die älteren<br />

Kinder ab ca. 13 Jahre und die Sturmfalken für die jungen Erwachsenen.<br />

Gisela erinnerte sich an Tänze, die sie in der Gruppe tanzte. Dazu gehörten Tänze, wie z.B. „Gah von mi, ga<br />

von mi, i mag di net sehn“, „Bin die kleine Nimburgerin“, „Du und ich wir beide, so prominieren wir“, „Es<br />

geht nichts über die Gemütlichkeit“, „Wenn hier ein Pott mit Bohnen steht“, „Hier ist grün und dort ist grün<br />

wohl unter meinen Füßen“, „Ei ja so singen wir, ei ja so singen wir“.<br />

Auch Tänze wie Stoppgalopp, Klapptanz, Spinnradl, Schaumburger<br />

oder Menuettwalzer wurden getanzt. Als Tanzkleidung trugen die<br />

Mädchen blaue Röcke und weiße Blusen.<br />

Im Jahre 1957 löste sich der Kreis auf.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 10


In Hohen- Neuendorf bei Berlin baute Eberhard Jähnert 1947 wieder eine Volkstanzgruppe auf. Sie hatte<br />

schon von 1925 bis zum Krieg als Untergruppe des dort ansässigen Turnvereines bestanden. Nachdem die<br />

erste schlimme Nachkriegszeit überwunden war, suchten die Menschen wieder die Gemeinschaft. Somit<br />

wurde der kleine Tanzkreis immer größer und 1949 wurde dann mit einem Anfängerkreis eine zweite<br />

Gruppe aufgebaut. Dabei wurde Eberhard Jähnert von seinem damals sechzehnjährigen Sohn Volkhard<br />

unterstützt, der dabei schon die ersten Erfahrungen für seine spätere Tanzarbeit sammelte.<br />

1.Mai 1949 In Briese beim Tanzfest<br />

Auftritt Bürgerpark Pankow,19.7.53<br />

Mitgliedskarte von Volkhard<br />

Jähnert vom Volkstanzkreis<br />

Hohen Neuendorf<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 11


Außerdem leitete Eberhard Jähnert noch die BVG-Tanzgruppe in Berlin-Weißensee. Die Tänzer und<br />

Tänzerinnen hatten eine eigene Tanztracht. Um welche es sich dabei handelte, weiß ich leider nicht.<br />

Am 12. November 1949 kam es zur Gründung der Gesamtberliner Arbeitsgemeinschaft der Leiter der<br />

Volkstanzgruppen. In Berlin und im Umland existierten bereits über 30 Volkstanzgruppen mit insgesamt<br />

1500 Tänzern. Deshalb sah man es für notwendig, sich regelmäßig zu treffen und Anregungen zur<br />

praktischen Arbeit auszutauschen und eine einheitliche Linie im Volkstanz in Berlin zu finden. In der<br />

Arbeitsgemeinschaft trafen sich acht Vertreter aus dem Westen und neun aus dem Osten Berlins. Zu den<br />

Teilnehmern der ersten Zusammenkunft gehörten unter anderem Sepp Böhmert, Arthur Bolle, Eberhard und<br />

Volkhard Jähnert, Erich Krause, Alfred Kummer, Herbert Oettke und Fredi Zip. Es entstand eine<br />

Arbeitsgemeinschaft, die sich einmal im Monat jeweils abwechselnd in Ost- und Westberlin traf. Die<br />

jüngeren Tanzleiter erhielten hier Arbeitsmaterial und Anregungen von den erfahrenen älteren Leitern.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 12


Hier der Bericht vom ersten Zusammentreffen. Geschrieben von Alfred (Atze) Kummer:<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 13


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 14


Am 11.Oktober 1949 traf sich Herbert Kluge mit einigen Freunden, um den Volkstanzkreis Tempelhof zu<br />

gründen. Deutsche Tänze sollten gepflegt und verbreitet werden und man wollte gemeinsam singen und<br />

wandern. Leider fand sich lange kein geeigneter Raum, das Bezirksamt Tempelhof half bei der Suche, so<br />

dass sich die Gruppe im Herbst 1950 gründete. Die Tanzgruppe existiert heute noch. Dazu später mehr.<br />

Im Mai und Oktober 1949 wurden die beiden deutschen Staaten Bundesrepublik Deutschland und die<br />

Deutsche Demokratische Republik gegründet.<br />

Die 50iger Jahre<br />

Die 50iger Jahre waren wohl der Höhepunkt in der Volkstanzarbeit in Berlin. Überall gab es Tanzgruppen<br />

und wer besonders tanzwütig war, tanzte bis zu sechs Mal in der Woche in verschiedenen Gruppen. So tanzte<br />

man z.B. in der Volkshochschule Neukölln unter der Leitung von Charlotte und Walter Huhn, Steglitzer<br />

Tanzkreis von den Naturfreunden, später Beschwingter Kreis Steglitz unter Leitung von Irmchen Lemm und<br />

heute von Horst Teschendorf, Volkstanzkreis der Naturfreunde in Wedding unter Leitung von Arthur Bolle,<br />

Volkstanzkreis Reinickendorf unter Leitung Volkhard Jähnert, Volkstanzkreis Hohen Neuendorf mit<br />

Eberhard Jähnert, Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis, Ltg. Erich Krause, Volkstanzkreis Tempelhof, Ltg. Herbert<br />

Kluge (Ltg. Änderte sich im Laufe der Jahre öfter, dazu später mehr)Naturfreundekreis Neukölln, Ltg.<br />

Oderstr. Werner Kumkar (Mohrchen), ab 1961 Anni Hermann und in den vielen Betriebstanzgruppen. Dies<br />

ist nur ein kleiner genannter Teil von Volkstanzgruppen. Es gab weitaus mehr, aber hier alle Gruppen<br />

aufzuführen wäre ein eigenes Buch wert.<br />

Fast jeden Monat gab es in einem Stadtteil von Berlin ein Volkstanzfest, oder auch mehrere. Manchmal<br />

überschnitten sich sogar die Termine und man hatte die Qual der Wahl sich für eines zu entscheiden. Die<br />

wohl bekanntesten Tanzfeste waren die in Britz, unter der Leitung von Charlotte und Walter Huhn und die<br />

Tanzfeste des Groß-<strong>Berliner</strong><br />

<strong>Volkstanzkreises</strong> in Weißensee,<br />

später auch in anderen<br />

Bezirken, wie Treptow und<br />

Prenzlauer Berg bei Erich<br />

Krause. Die Tanzfeste des<br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Volkstanzkreises</strong> (das<br />

„Groß“ ließ man irgendwann<br />

weg)<br />

werden heute noch 2x jährlich<br />

veranstaltet. Beide Feste fanden<br />

turnusmäßig statt und zählten<br />

jeweils bis zu 200 bis 400<br />

Tänzern.<br />

Hier ein Foto vom Tanzfest 1953 im EAW Treptow<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 15


In Neukölln wechselten sich die Volkstanzgruppen der drei Jugendheime Oderstrasse, Lessinghöhe und<br />

Hannemannstrasse monatlich mit der Ausrichtung der Tanzfeste in der Fritz- Karsen-Schule in der Onkel-<br />

Bräsig-Straße ab. Diese Tanzfeste gab es auch viele Jahre. Hier das Tanzprogramm vom 31.1.1960.<br />

Im Jugendheim Mitte am Askanierring in Spandau fanden ebenfalls regelmäßig Tanzfeste statt. In den<br />

Köpfen der vielen Volkstänzer existierte die politische Trennung Deutschlands nicht wirklich, man tanzte in<br />

Ost- und in Westberlin. Für die Tanzleiter sah es da schon etwas anders aus. Aufgrund der politisch<br />

zugespitzten Lage in Berlin wurde es nicht gern gesehen, wenn sie an öffentlichen Veranstaltungen im<br />

jeweils anderen Teil der Stadt teilnahmen.<br />

Leider erzwang diese Situation bald auch eine Trennung der Arbeitsgemeinschaft der Tanzleiter. So gab es<br />

also nach 1952 eine Arbeitsgemeinschaft in Ost- und in Westberlin. 1. Vorsitzender im Westteil der Stadt<br />

wurde Walter Huhn, später war es Arthur Bolle. Eberhard Jähnert war der 2.Vorsitzende der<br />

Arbeitsgemeinschaft für Tanzleiter in Ostberlin und Volkhard Jähnert war der 2. Vorsitzende der<br />

Arbeitsgemeinschaft in Westberlin. Da Vater und Sohn sich regelmäßig privat trafen und sich über die<br />

Tanzentwicklung austauschten, ging die Volkstanzarbeit in beiden Teilen der Stadt fast gleiche Wege. Dies<br />

endete leider 1961 mit dem Mauerbau.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 16


Blick in den Ostteil Berlins:<br />

Im Ostteil der Stadt wurden schon zu Anfang der 50er Jahre zwei unterschiedliche Auffassungen von der<br />

Pflege und Entwicklung des deutschen Volkstanzes sichtbar. Waren da auf der einen Seite die<br />

Betriebstanzgruppen, deren Tanzleiter an den originalen überlieferten Tänzen und den Jugendtänzen<br />

festhielten, gab es da auf der anderen Seite die Tanzgruppen, die den Volkskunstkollektiven der<br />

Massenorganisationen angehörten, die sich verpflichtet fühlten, die Vorgaben der sozialistischen<br />

Kulturarbeit besonders ernst zu nehmen. Eigentlich hatten alle Laientanzgruppen im Ostteil der Stadt die<br />

Aufgabe, das Leben der Werktätigen in ihren Betrieben und der Gesellschaft der DDR in ihren<br />

Choreographien widerzuspiegeln.<br />

Der Beginn der 50er Jahre war für die Entwicklung des Laienbühnentanzes in der DDR von großer<br />

Bedeutung. Durch den Anschluss der Gruppen an die Betriebe oder gesellschaftlich-politischen<br />

Organisationen wurde die Laienkunst für den Staat kontrollierbarer. Anfang der 50er Jahre überschlugen sich<br />

die kulturellen Ereignisse und Volkskunst wurde unter Wahrung und Pflege der traditionellen<br />

Überlieferungen ein fester Bestandteil im Kulturleben des Arbeiter- und Bauernstaates DDR. Im Mai 1950<br />

gab es das Deutschlandtreffen der Jugend in Berlin. Viele Tänzer beteiligten sich an dem im Rahmen des<br />

Deutschlandtreffens stattfindenden Wettbewerb der Landeskulturgruppen der FDJ unter dem Motto: „Bereit<br />

zur Arbeit und Verteidigung“ und kämpften um den „Preis des Weltbundes der demokratischen Jugend“.<br />

Aufgeführt wurden Bühnenprogramme mit Namen, wie „Tanzlied vom Bauer, Bergmann und Arbeiter“,<br />

„Schwedische Volkstänze“ oder aber auch ein Schlusschor mit dem Namen „Ans Werk“. Die Aufführungen<br />

hatten teils sehr politische und sozialistische Inhalte, aber es wurden auch überlieferte Tänze gezeigt,<br />

entweder im Original oder als Suiten zusammengestellt, um sie bühnentauglicher und interessanter fürs<br />

Publikum darzustellen. Die Vorführungen der Tanzensembles aus den sozialistische „Bruderländern“ waren<br />

immer sehr überwältigend. Besonderen Eindruck hinterließ das „Moissejew-Ensemble“ aus der ehemaligen<br />

UdSSR. Das künstlerische Können der Tänzer mag wohl auch mit ausschlaggebend gewesen sein, das sich<br />

am 15. Juli 1950 das erste staatlich geleitete Tanz- und Gesangsensemble der DDR, das Erich-Weinert-<br />

Ensemble der kasernierten Volkspolizei (später der Nationalen Volksarmee)gründete.<br />

Im August 1950 beschloss der FDGB ein Arbeitsprogramm zur Entfaltung der kulturellen Massenarbeit.<br />

Für die Laientänzer hieß das:<br />

-mehr qualitative Anleitung der Gruppen durch Unterstützung durch Berufskünstler<br />

-Durchführung von regelmäßigen Schulungen<br />

-die besten Gruppen sollen zu Mustergruppen entwickelt werden<br />

Im September 1950 tagte die Zentralleitung der Deutschen Volksbühne (DBV) in Berlin. Festgelegt wurde<br />

hier Folgendes:<br />

- Förderung des Laienschaffens in 30 ausgewählten Schwerpunktbetrieben<br />

- Entwicklung der Volksmusik und einer fortschrittlichen Tanzkultur<br />

- Herausgabe von Repertoirematerialien für Tanzgruppen<br />

- Umwandlung des dramatischen Balletts der DBV unter der Leitung von Jean Weidt in ein<br />

Tanzensemble zur Unterstützung der Volkstanzgruppen<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 17


Im Mai 1951 treffen sich viele Tänzer in Vorbereitung auf die III. Weltfestspiele im August zum<br />

Kulturwettbewerb in Berlin.<br />

Im August 1951 finden in Berlin die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten statt. Jugendliche aus 104<br />

Ländern waren zu Besuch und hinterließen mit ihren Nationalprogrammen bei den Deutschen bleibende<br />

Eindrücke. Die DDR präsentierte sich mit einem Vereinigten Tanzensemble, dass von Aenne Goldschmidt<br />

trainiert wurde. Es belegte im internationalen Wettbewerb den 3. Platz. Es wurden neue<br />

Volkstanzschöpfungen, wie „Das Lied vom glücklichen jungen Kapitän“ oder „Zimmermannstanz“ gezeigt.<br />

Hier ein Ausschnitt aus der damaligen Nationalzeitung:<br />

Besonders erfreulich hat sich auch die Entwicklung des Volkstanzes vollzogen. Diese erneuerten Volkstänze<br />

sind eine Zierde des Programms. Sie lösten die lebhafteste Begeisterung aus. Aenne Goldschmidt ist es<br />

gelungen, verschollene Überlieferungen wieder lebendig werden zu lassen.“<br />

Das Jahr 1951 wurde in der Erinnerung zu DEM Tanzjahr. Es verschaffte der Laienkunstbewegung einen<br />

enormen Aufschwung durch Wettbewerbe der Volkskunst, die als Erfahrungsaustausch, Leistungsvergleich<br />

und zu selbstkritischer Überprüfung dann in den Jahren1952/53 und 1954 veranstaltet wurden.<br />

Am 1. Januar 1952 gründete sich das staatliche Volkskunstensemble (später Tanzensemble der DDR) unter<br />

der Leitung von Aenne Goldschmidt.<br />

Am 25. Januar 1952 wurde das Zentralhaus für Laienkunst in Leipzig eröffnet. Es gab die kulturpolitischen<br />

und fachlich-methodischen Richtlinien und Aufgaben, Erkenntnisse und Orientierungen vor, die in dann in<br />

den Bezirks- und Kreiskabinetten für Kulturarbeit umgesetzt wurden. Als unentbehrliches Hilfsmittel erwies<br />

sich die Herausgabe der Zeitschrift „Volkskunst“, die im Mai 1952 das erste Mal erschien. Das Zentralhaus<br />

war ein Zentrum für alle Probleme, Feste, Konferenzen und Kunstdiskussionen, die sich mit dem Thema<br />

Tanz befassten. Erich Janietz war der erste Sektorenleiter für Tanz im Zentralhaus für Laienkunst.<br />

Die Mitarbeiter des Zentralhauses hat hatten schon Ostern1952 ihre erste große Aufgabe zu bewältigen, denn<br />

sie organisierten die II. Deutsche Fachtagung für Volks- und Laienkunst.<br />

Im Juli 1952 führten sie die 1.Deutschen Festspiele der Volkskunst durch. Es nahmen 5506 Gruppen teil,<br />

darunter sehr viele Laientanzkollektive.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 18


Beitrag aus der Zeitung Volkstanz vom Juni 1952:<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 19


Diese Festspiele wurden zu einem kulturpolitischen Massenereignis. Die Staatsoberhäupter der DDR<br />

stifteten als Würdigung der Kunst und der Künstler aus dem werktätigen Volke Siegerpreise, die verliehen<br />

wurden.<br />

Hier die Tanzprogramme einiger <strong>Berliner</strong> Ensembles bei den Festspielen:<br />

Die Laientanzgruppe des Akkumulatorenfabrik Berlin- Oberschöneweide überraschte die Gäste mit dem<br />

zeitgenössischen Tanzbild „Die Trümmerfrau“. Hier wurde der Gedanke des Aufbaus der Hauptstadt Berlin<br />

tänzerisch zum Ausdruck gebracht. Das Zentralhaus der Jungen Pioniere Berlin bot ein Programm zum<br />

Erleben der Kinder in der jungen Deutschen Demokratischen Republik. Die Tanzgruppe der Humboldt-<br />

Universität Berlin riss das Publikum mit einem großen Folkloreprogramm zu Begeisterungsstürmen hin. Die<br />

Pressemitteilungen zu den Festspielen lasen sich alle durchweg positiv.<br />

Unter den Augen der Fachleute fielen die Bewertungen der in den Festspielen gezeigten Tanzprogramme<br />

etwas anders aus.<br />

So schrieb Aenne Goldschmidt in der Zeitung Volkskunst 3,4 1952 in ihrem Beitrag „Ein neues herrliches<br />

Ziel vor Augen“:<br />

„Das lieblose Heruntertanzen von Volkstanzformen ohne innere Beziehung zum Tanz und zu den<br />

Mittanzenden ist bis auf wenige Ausnahmen verschwunden. Um wie vieles sind die Tänze lebendiger<br />

geworden… Die Gruppen vermochten, Lebensfreude auszudrücken und auf die Zuschauer zu übertragen…<br />

Was aber hat fast allen Tanzgruppen gefehlt? Mir scheint, dass es die eigene schöpferische Initiative ist.<br />

Dieser Mangel lässt sich sowohl bei der Auswahl als auch bei der Gestaltung der Tänze erkennen. Die<br />

Laientanzgruppen haben offensichtlich zu wenig Mut zum Neuen, noch nicht Erprobten… Auf besonders<br />

große Schwierigkeiten scheinen die Tanzgruppen bei der Bearbeitung und Weiterentwicklung der Volkstänze<br />

zu stoßen… Es kann gar nicht oft genug wiederholt werden, dass die Bearbeitung und Weiterentwicklung<br />

eines Volkstanzes niemals im Variieren der Formen bestehen darf, sondern einzig und allein im<br />

Herauskristallisieren, im Verstärken und Unterstützen des Inhalts und des Charakter des Tanzes.“<br />

Die Ansprüche an die Tanzgruppenleiter wurden immer höher. Grund dafür war die wachsende<br />

gesellschaftliche Rolle der Volkskunstgruppen. Deshalb startete das Zentralhaus für Laienkunst im<br />

Dezember 1952 seinen ersten zentralen Lehrgang für Leiter von Bühnentanzgruppen in Bad Schandau. Die<br />

ersten Lehrer wurden Fachleute, wie Rosemarie Lettow-Schulz, Brigitte Ret, Erich Janitz, Paul Nedo oder<br />

Dieter Heinze. Im Sommer des Folgejahres fand schon der zweite zentrale Lehrgang statt. Schwerpunkte<br />

dieser Veranstaltung waren:<br />

Behandlung der obligatorischen kulturpolitischen Grundsatzthemen<br />

tanzmethodische und praktische Aneignung und Vermittlung von Tänzen<br />

In der ganzen DDR bildete man nun immer mehr Tanzleiter aus, um die Qualität in den vielen bestehenden<br />

Betriebstanzgruppen auf höchstes Niveau zu bringen. Damals gingen Mitarbeiter des Hauses für Kulturarbeit<br />

in die bestehenden Gruppen und suchten nach talentierten Tänzern, die für die Ausbildung zum Tanzleiter<br />

geeignet waren. Auf die gleiche Art und Weise wählte man auch die Mitglieder für die staatlichen<br />

Tanzensembles aus, die dann zu Berufstänzern ausgebildet wurden.<br />

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Mein Vater, Horst Feurich, tanzte damals in der Tanzgruppe der Volksbühne bei Alfred (Atze) Kummer.<br />

1953 wurde er dann auf die oben genannte Weise zur Ausbildung an der Fachschule für künstlerischen Tanz<br />

in Berlin vorgeschlagen, um sich zum Tanzleiter ausbilden zu lassen. Die Ausbildung dauerte 2 Jahre. Der<br />

Unterricht fand einmal wöchentlich am Abend statt.<br />

Inhalte der Ausbildung zum Tanzleiter waren:<br />

-tänzerische Gymnastik<br />

-klassische Exercise<br />

-Schritt- und Sprungtechnik<br />

-Theorie (Tanzgeschichte, lesen von Tanzbeschreibungen, Unterrichtsmethoden, Schritte und<br />

Fassungen…)<br />

-Choreographie<br />

-Erlernen von Volkstänzen aus verschiedenen Regionen und Erklärung ihrer Spezifika<br />

Offizielles Studienmaterial für die künstlerischen Lehranstalten der Deutschen Demokratischen Republik<br />

war das Buch „Aus der Entwicklung des deutschen Volkstanzes“ von Herbert Oetke. Herausgegeben vom<br />

Ministerium für Kultur, Hauptabteilung künstlerische Lehranstalten. Dieses stellt einen Auszug aus dem von<br />

Herbert Oetke erstellten „Handbuch des deutschen Volkstanzes“ dar.<br />

Zur Abschlussprüfung musste man einen vorgegebenen Tanz, der aus einer Auswahlliste verschiedener<br />

Tänze herausgesucht wurde, erklären und einstudieren. Eine mündliche Prüfung zur Theorie folgte.<br />

Nach Abschluss dieser Ausbildung durfte man dann eigene Gruppen leiten.<br />

Je nach Ausbildung und Qualität der Gruppenleitung wurde man dann eingestuft und dementsprechend für<br />

den Probenabend bezahlt.<br />

Dafür gab es eine festgelegte Liste:<br />

Stufe 1: pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten 5,00 Mark<br />

Stufe 2: pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten 7,50 Mark<br />

Stufe 3: pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten 10,00 Mark<br />

Stufe 4: pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten 12,50 Mark<br />

Stufe 5 war die Sonderklasse für Ballettmeister und Berufstänzer:<br />

da gab es pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten: 15,00 Mark<br />

Viele Tanzleiter hatten mehrere Gruppen in der Woche zu betreuen, da lohnte sich der Zugewinn zum<br />

monatlichen Gehalt schon. Alle ausgebildeten Tanzleiter wurden nach der Ausbildung regelmäßig zu<br />

weiteren Lehrgängen geschickt, um die Tanzqualität zu erhöhen und ständig auf dem neuesten Stand zu sein.<br />

Anhand dieser Förderungen und Unterstützungen wird deutlich, wie wichtig der DDR, neben den politischen<br />

Hintergründen, aber auch der Erhalt der Volkskunst und des Volkstanzes als Brauchtum und Kulturgut war.<br />

Das könnte doch für unsere heutigen Kulturbeauftragten vielleicht eine kleine Orientierungshilfe sein, oder?<br />

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Dreigespann, Windmüller und Wolgaster.<br />

Varsovienne und eine Niedersächsische Suite<br />

wurden als Bühnenbearbeitungen von meinem<br />

Vater entwickelt und aufgeführt. Musikalisch<br />

begleitete Ute Kremke (Tochter von Willy<br />

Kremke- Leiter des <strong>Berliner</strong><br />

Volkstanzorchesters) die Übungsabende und<br />

Auftritte auf dem Akkordeon. Ein weiterer<br />

Musiker war Klaus Bach. Er spielte<br />

Akkordeon und Klavier ging aber später zu<br />

Willy Hinzert in die Gruppe. Bei Auftritten<br />

trugen die Mädchen rote und schwarze Röcke,<br />

schwarze Mieder und rote und schwarze<br />

Tücher. Die Gruppe bestand aus ca. 12<br />

Mitgliedern. Die Gruppe trat auf bei Freilicht-<br />

Veranstaltungen, Betriebsveranstaltungen,<br />

zum 1. Mai, auf <strong>Berliner</strong> Volkstanzfesten im<br />

gesamten Berlin und wirkte mit bei<br />

Erntefesten im Oderbruch. 1955 nahmen die<br />

Tänzer am Volkstanzfest in Rudolstadt teil.<br />

Leider löste sich die Tanzgruppe der Deutsche<br />

Notenbank 1959 durch berufliche und<br />

familiäre Veränderungen der Mitglieder auf.<br />

Foto oben: Rudolstadt 1955<br />

Foto rechts: Auftritt 1958<br />

Mein Vater übernahm nach der Ausbildung mehrere<br />

Tanzgruppen. Die Leiter wechselten manchmal, weil sie<br />

zumeist sehr jung waren und aus beruflichen Gründen oder<br />

wegen Familiengründung die Arbeit in den Tanzgruppen<br />

nicht weiterführen konnten.<br />

Meine Mutter, Edith Feurich, arbeitete damals in der<br />

Deutschen Notenbank. 1952 gründeten die Jugendlichen<br />

des Betriebs eine Volkstanzgruppe. Die Gruppe hatte<br />

zunächst keinen Leiter. Man holte sich Unterstützung von<br />

aktiven Volkstänzern aus anderen Gruppen. So bekam die<br />

Gruppe tänzerische und musikalische Hilfe von Karl-Heinz<br />

Rezany und Jörg und Ingelore Falk aus der Tanzgruppe der<br />

Volksbühne Berlin. Die Leitung der Gruppe durch eine<br />

ausgebildete Tänzerin für Ausdrucks- und Bühnentanz<br />

wurde von der Gruppe abgelehnt. 1957 übernahm dann<br />

mein Vater die Gruppe. Zum Repertoire der Tanzgruppe<br />

gehörten: Kleiner Ländler, Spinnradl, Stoppgalopp,<br />

Schwedisch-Schottisch, Schwedisch-Quadrille,<br />

Siebenschritt, Kruiz König, Freidige, Tamseler<br />

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Von 1960-1964 leitete mein Vater die Tanzgruppe der Kalk und Zementwerke in Rüdersdorf und von 1959-<br />

1967 die Tanzgruppe des Ensembles des <strong>Berliner</strong> Glühlampenwerkes. Das Repertoire war immer ähnlich. Es<br />

wurden die überlieferten Tänze und Jugendtänze getanzt und zu Auftritten für die Bühne bearbeitete<br />

Volkstanzsuiten. Wünschenswert von „oberster Stelle“ war, dass jede Tanzgruppe eine Bühnenbearbeitung<br />

zu einem politischen Thema im Repertoire hat, welche mit folkloristischen Elementen gestaltet sein sollte.<br />

Viele Tänzer wollten das nicht. Sie tanzten lieber die richtigen Volkstänze. Viele Gruppen blieben deshalb<br />

auch bei ihrem traditionellen Volkstanzprogramm. Es gab aber eben auch viele Gruppen, die sich an diese<br />

Vorgaben hielten. Das machte im Prinzip jeder so, wie er wollte, oder wie der jeweilige Betrieb es<br />

vorschrieb.<br />

Die Tanzkleidung bestand meistens bei den Mädchen aus Miederkleidern mit Schürze, Tuch und weißer<br />

Bluse und die Jungen trugen schwarze Hosen, weiße Hemden und bunte Westen. Einige Tanzensembles<br />

hatten Originaltrachten aus den verschiedenen Regionen Deutschlands.<br />

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Von 1955-1961 leitete mein Vater die Volkstanzgruppe des Ensembles vom Industriebau Berlin. Mit dieser<br />

Gruppe nahm er auch an Leistungsschauen und Kreisausscheidungen teil. Die Auftritte fanden immer mit<br />

dem gesamten Ensemble statt, also auch mit Chor und Orchester, welches die Tänzer begleitete.<br />

Das Repertoire der Gruppe liest sich, wie folgt:<br />

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Diese Kopie ist eine Anlage zu einem Fragebogen, den die Tanzgruppenleiter bei den Kulturbeauftragten<br />

abgeben mussten. Hier wird deutlich, wie man die Forderung nach neuzeitlichen staatskonformen Themen<br />

auch „umschiffen“ konnte. Man schrieb dann einfach „in Arbeit“ und meistens fragte auch niemand nach,<br />

wann man mit der Einstudierung fertig wird.<br />

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Foto. Niedersächsische Suite, Teil aus Windmüller 1957<br />

in niedersächsischer Tracht<br />

Zum wöchentlichen Übungsprogramm<br />

gehörte nicht nur die Einstudierung der<br />

Tänze, sondern auch die Vermittlung über<br />

die Herkunft der Tänze. Außerdem gehörte<br />

eine Erwärmung, Körperschule mit Arm-<br />

und Kopfführung, Schritttechnik, Fassungen<br />

und Schrittverbindungen zum regelmäßigen<br />

Trainingsprogramm.<br />

Die Tanzkleidung der Gruppe war sehr<br />

vielseitig. Es gab eine niedersächsische<br />

Tracht, weshalb die niedersächsische Suite<br />

entstand. Außerdem hatten die Mädchen<br />

„wandlungsfähige Kleider“.<br />

Es wurden weiße Blusen getragen und dazu ein schwarzes Miederkleid, auf das man Miederteile und<br />

verschiedene Bordüren aufknöpfen konnte. Dazu trug man dann entsprechend Tuch und Schürze. Im Fundus<br />

befanden sich auch noch hessische und bayrische Kopfbedeckungen, so konnte man sich zu jedem Tanz<br />

passend kleiden. Finanziert haben die Kleidungen und Requisiten immer die Betriebe.<br />

Die Gruppe belegte bei den Wettkämpfen immer fordere Plätze Mit der Niedersächsischen Suite gewann die<br />

Gruppe, gemeinsam mit der Gruppe von Willy Hinzert, die sich eher dem politischen Folkloreballett<br />

widmete, den 1. Platz im Kreisausscheid. Sehr zur Überraschung aller. Dennoch konnte man an diesem<br />

Beispiel sehen, dass beide Auffassungen von Volkstanz, durchaus eine reelle Chance hatten.<br />

Foto oben: Hahn im Korbe 1960<br />

Foto rechts: Schustertanz 1960<br />

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Einschätzung zum<br />

Kreisausscheid 1957<br />

Foto: Hessische Suite<br />

Foto: Hessische Suite<br />

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Im Januar 1954 wurde das Ministerium für Kultur gegründet, dem das Zentralhaus für Laienkunst nun<br />

unmittelbar unterstellt war.<br />

Das Zentralhaus feierte sein zweijähriges Bestehen mit einer Konferenz, die auch eine Fachtagung<br />

beinhaltete.<br />

Zusammenfassend zog die Fachabteilung Tanz folgendes Fazit:<br />

„Die Hauptaufgabe der Volkskunstgruppen ist die Erziehung der Werktätigen. Sie richtet sich nach zwei<br />

Seiten, nach innen an die Mitglieder der Gruppen, nach außen an die Zuschauer. Die Mitglieder der<br />

Volkstanzgruppen sollen zu aufrechten und aktiven Patrioten erzogen werden, die mit Bewusstsein in der<br />

Gruppe wie an ihrer Arbeitsstelle fleißig, zuverlässig, schöpferisch, vorbildlich ihre Aufgabe erfüllen. Das<br />

ist die erste Aufgabe. Sie ist erstrangig. Die zweite Aufgabe ist durch eine künstlerische Leistung eine starke<br />

Wirkung auf die Zuschauer auszuüben. Die Darbietungen müssen also durch die gute künstlerische<br />

Gestaltung mobilisierenden Charakter haben…<br />

Man kann von drei oder vier Schritten in der künstlerischen Arbeit der Volkstanzgruppen sprechen.<br />

Der Erste: die Aneignung des überlieferten Volkstanzes und seine lebendige Gestaltung.<br />

Der Zweite: die künstlerische Bearbeitung des Volkstanzes für die Bühne.<br />

Der Dritte: die Weiterentwicklung des überlieferten Volkstanzes, die Gestaltung von Suiten und<br />

Szenarien.<br />

Der Vierte: die Gestaltung neuer Tänze auf der Grundlage der Elemente des Volkstanzes.<br />

Quelle: Erich Janietz in „Mitteilungen des Zentralhauses für Laienkunst“ März 1954<br />

Im Jahre 1952 gründete sich im Kulturring der <strong>Berliner</strong> Jugend beim Senator für Jugend und Sport in West-<br />

Berlin die „Arbeitsgemeinschaft <strong>Berliner</strong> Tanzkreise“. Hier setzten die Tanzleiter ihre 1949 begonnene<br />

Arbeit fort. Die 1.Vorsitzende war Walter Huhn, 2.Vorsitzender Horst Schernus. Weitere Mitglieder und<br />

später auch Vorsitzende waren u.a. Arthur Bolle, Hans-Joachim André und Volkhard Jähnert. Zu dieser Zeit<br />

gab es in West-Berlin 32 Volkstanzgruppen mit ca. 1500 Tänzern.<br />

Als Reaktion darauf gründete sich Ende<br />

1954 oder Anfang 1955 (genau habe ich das<br />

leider nicht herausbekommen) in Ost-Berlin<br />

die „Arbeitsgemeinschaft für Volkstanz im<br />

Zentralhaus für Laienkunst“ dessen<br />

1.Vorsitzender Willy Hinzert wurde. Diese<br />

Arbeitsgemeinschaft arbeitete im Rahmen<br />

der neu gegründeten Volkskunstkabinette.<br />

Diese Volkskunstkabinette entstanden in<br />

allen Bezirken der DDR und sollten eine<br />

einheitliche Arbeit in der gesamten<br />

Volkskunst ermöglichen.<br />

Sie wurden in verschiedene<br />

Arbeitsgemeinschaften unterteilt, z.B AG<br />

<strong>Berliner</strong> Chöre, <strong>Berliner</strong> AG Bildnerisches<br />

Volksschaffen und die Arbeitsgemeinschaft<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgruppen.<br />

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Artikel aus der Zeitschrift <strong>Berliner</strong> Haus der Volkskunst März 1959: Bericht von der<br />

AG <strong>Berliner</strong> Tanzgruppen.<br />

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Die Arbeitsgemeinschaft <strong>Berliner</strong><br />

Volkstanzgruppen organisierte das<br />

1.Gesamtberliner Volkstanzfest, dass am<br />

15.Mai 1955 in der Deutschen Sporthalle in der<br />

Stalinallee in Ost-Berlin stattfand. Die Leitung<br />

hatten Eberhard Jähnert und Erich Krause und<br />

musikalisch wurde das Fest von dem <strong>Berliner</strong><br />

Volkstanzorchester Willy Kremke gestaltet.<br />

Dieses Tanzfest wurde ein voller Erfolg.<br />

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Zeitungsartikel aus „Volkstanz“ Januar 1956: Mehr Pflege dem geselligen Tanz<br />

Hier eine kleine Auswahl von Tanzgruppen in Ost-Berlin, von denen ich durch Gespräche weiß, dass es sie<br />

gab. Teilweise konnten mir auch noch die Namen von den Leitern genannt werden.<br />

-<strong>Berliner</strong> Glühlampenwerk, Deutsche Notenbank, <strong>Berliner</strong> Glühlampenwerk, Kalk- und Zementwerke<br />

Rüdersdorf Horst Feurich<br />

-Kodak Filmfabrik Köpenick Marthel Henschke<br />

-DIA Elektrotechnik Willy Hinzert (Bühnentanz)<br />

-Hermann- Duncker- Ensemble des FDGB Willy Hinzert<br />

-Ernst-Hermann-Meyer-Ensemble Brigitte Micke, später Willy Hinzert<br />

-VEB Elektrokohle<br />

-Ministerium der Finanzen<br />

-Hochschule für Planökonomie (HOPLA)<br />

-Haus der Kinder, später Theater der Freundschaft hatte Kindertanzgruppe und Chor<br />

-die Tanzgruppe der Volksbühne von Atze Kummer wurde an den „Bauernverlag“ und die „Nileswerke“<br />

angeschlossen<br />

-Interflug Waltraut Stark<br />

-Tanzgruppe der Charité Erich Krause<br />

-Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis Erich Krause<br />

-Tanzgruppe der BVG Eberhard Jähnert<br />

Dann gab es noch die staatlichen Tanzensembles, die aus Berufstänzern und –musikern bestanden, so z.B.<br />

Erich Weinert Ensemble, Staatliches Volkskunstensemble, Staatliches Dorfensemble… diese Ensembles gab<br />

es in der ganzen DDR.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 39


Im Frühjahr 2010 traf ich mich mit Herrn Roger Reinsch. Er tanzte früher im Ernst-Hermann-Meyer-<br />

Ensemble der Humboldt Universität. Er verwaltet mit noch einer früheren Tänzerin die Chronik des<br />

Ensembles und organisiert regelmäßig einmal im Jahr ein Ensembletreffen. Am 24.April 2010 durfte ich an<br />

dem Treffen teilnehmen und hatten somit die Gelegenheit mich mit alten Ensemblemitgliedern zu<br />

unterhalten. Das Ensemble wurde 1951 gegründet. Die Tanzgruppe wurde anfangs von Brigitte Micke<br />

geleitet. Getanzt wurden Tänze wie Kreuzpolka, Tampet, Bauernhochtied und andere Überlieferte Tänze.<br />

Später übernahm Willy Hinzert die Gruppe. Es gab eine Wende in der Arbeit und im Repertoire der Gruppe.<br />

Einige Tänzer verließen die Gruppe. Die traditionellen Volkstänze traten in den Hintergrund. Willy Hinzert<br />

choreographierte selbst viele Folkloreballette zu Themen aus der sozialistischen Arbeitswelt und zu<br />

weltpolitischen Themen. Ballette vom Choreographen Jean Weidt wurden ebenfalls einstudiert. Außerdem<br />

wurden aber auch deutsche und internationale Tänze getanzt.<br />

Geprobt wurde immer Dienstag und Freitag. Das Training bestand aus 1 Stunde klassisches Ballett und 1<br />

Stunde Schrittfolgentraining. Als Trainerin arbeitete Brigitte Ret mit den Tänzern. Jan Spitzer war der<br />

Pianist bei den Proben. Die Gruppe nahm an nationalen Ausscheiden und bei Arbeiterfestspielen teil.<br />

Außerdem trat man auch im Ausland auf. Die Gruppe arbeitete bis 1990. Die Mitglieder wechselten öfter, da<br />

die meisten Studenten nach Beendigung des Studiums die Stadt verließen.<br />

Von den im April befragten ehemaligen Tänzern tanzt heute niemand mehr. Es war für alle eine schöne Zeit.<br />

Aber alle sagten, dass das Training sehr anstrengend war, zumal die Meisten später einem Beruf nachgingen<br />

und Familie hatten. Mit Volkstanz hatte das Ganze nichts mehr zu tun, eher mit klassischem Balletttraining.<br />

Nun wieder ein Sprung zurück ins Jahr 1950 in den westlichen Teil Berlins:<br />

Volkhard Jähnert war damals achtzehnjähriger Schüler an der Georg- Herwegh- Oberschule in Berlin-<br />

Hermsdorf. Am schwarzen Brett der Schule lud er seine Mitschüler zum ersten Volkstanznachmittag am<br />

26.10.1950 in die Aula ein.<br />

Zur 60 Jahrfeier seines <strong>Volkstanzkreises</strong> Reinickendorf am 10.10.2010 erinnerte er sich in seiner<br />

Jubiläumsrede noch einmal genau daran, wie verwundert er damals war, als ihm an besagtem Oktobertag<br />

1950 sehr viele Mitschüler im Schulflur begegneten, die alle in Richtung Aula marschierten. Sie folgten alle<br />

seiner Einladung zum Tanzen. Damit hatte er gar nicht gerechnet. Wenn ein paar Wenige gekommen wären,<br />

wäre er schon zufrieden gewesen, aber dass so viele Schüler mit ihm tanzen wollten überraschte ihn schon<br />

sehr freudig. Das war die Gründung des <strong>Volkstanzkreises</strong> Reinickendorf.<br />

Diese Schultanzgruppe bildete lange Zeit die Kernzelle des Tanzkreises. Aufgrund des großen Zulaufes<br />

entstand am 31.1.1951 eine zweite Gruppe,<br />

die im Kantinensaal des Bezirksamtes in<br />

der Flottenstraße probte. Diese wuchs<br />

schnell. So zählte man bereits 1952 zu den<br />

Übungsabenden 100-120 Kinder und über<br />

80 Jugendliche. Im gleichen Jahr feierte der<br />

Volkstanzkreis Reinickendorf in der<br />

Flottenstraße sein erstes Volkstanzfest.<br />

1951/52 entstand die erste gruppeneigene<br />

Tanztracht. Die Mädchen trugen weiße<br />

Röcke und Blusen, dazu blaue Mieder. Die<br />

Jungen trugen schwarze kurze Hosen,<br />

weiße Hemden und blaue Westen.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 40


1954 ließ die<br />

Jugendförderung Berlin-<br />

Reinickendorf eine neue<br />

Tracht für die Gruppe<br />

anfertigen. Die Mädchen<br />

trugen nun braun-gelbe<br />

Kleider und die Jungen<br />

braune kurze Hosen und<br />

gelbe Hemden.<br />

Ende der 50er Jahre<br />

entschied man sich dann<br />

für eine stilechtere Tracht.<br />

Berlin hatte keine eigene<br />

Tracht, deshalb musste<br />

man im näheren Umland<br />

nach einer geeigneten<br />

Tracht Ausschau halten. Nach etlichen Recherchen und wälzen von Fachliteratur stieß man auf eine Tracht<br />

aus der südlichen Mark Brandenburg, die allen gefiel. Die Mädchen trugen nun Miederröcke mit bestickter<br />

Borte, weiße Blusen und schwarze Kappen, die<br />

man vorne band. Die Jungen bekamen weiße<br />

Cordhosen, weiße Hemden und blaue Westen.<br />

Später wurden noch dunkelblaue Tuchjacken<br />

und Schnallenschuhe ergänzt. Das Bezirksamt<br />

gab diesmal nichts dazu, die Gruppe musste<br />

ihre Kleidung selber nähen und bezahlen.<br />

Fotos: 1958 Tanzdarbietung in neuer märkischer Tracht,<br />

anlässlich der U- Bahneinweihung in Berlin-Tegel.<br />

Später wurden die Kappen noch einmal geändert<br />

und die bunten Röcke wurden schwarz, mit<br />

bestickter Borte. Dies war wohl die endgültige<br />

Kleidung, die heute noch getragen wird.<br />

Als 1954 das Bezirksamt in den Neubau des<br />

Rathauses nach Wittenau umzog, richtete man in<br />

den alten Räumlichkeiten ein Flüchtlingslager<br />

ein. Das hatte zur Folge, dass sich der<br />

Volkstanzkreis eine neue Unterkunft für seine<br />

Übungsabende suchen musste.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 41


Foto: Die heutige Reinickendorfer Tracht (hier ohne Kappe)<br />

Auftritt in Oranienburg, 2009<br />

Zweieinhalb Jahre wechselte man halbjährlich die Übungsorte. Leider<br />

schieden dadurch viele Kinder und Jugendliche aus der Gruppe aus. Im<br />

Herbst 1957 fand man dann endlich wieder einen festen Ort zum<br />

Tanzen, und zwar in der Turnhalle in der Lindauer Allee in<br />

Reinickendorf. Nachdem die Gymnastikhalle in der Aroser Allee fertig<br />

gestellt war erhielt der Volkstanzkreis damit endlich ein festes Domizil.<br />

Die Gruppe nahm an Tanzfesten in ganz Berlin teil und unternahm Gruppenfahrten in die Mark<br />

Brandenburg. Leider endeten diese grenzenlosen Gruppenhöhepunkte Pfingsten 1952. West-Berlin wurde<br />

durch die ideologische und politische Teilung Deutschlands und Berlins zur Insel. Fahrten und Tanzfeste<br />

fanden von nun an nur noch in Berlin statt. Musikalisch wurde die Gruppe im Laufe der Jahre von mehreren<br />

Musikern begleitet, so z.B. von Martin Ströfer, der heute in ganz Deutschland sehr aktiv ist. Er begleitet in<br />

vielen Tanzgruppen rund um Hamburg die Tanzabende und ist<br />

mit seinen Musikanten das Highlight auf jedem Tanzfest. Des<br />

weiteren spielten in Reinickendorf Lothar Staege, Lothar<br />

Heininger, Rosemarie und Wolfgang Rath (sie schrieben die<br />

Musik für die Jubiläumspolka zum 40jährigen Bestehen des<br />

Volkstanzkreis Reinickendorf), Willy Rehfeld, Richard und<br />

Gertrud Ulrich spielten auf den Tanzfesten. Michael Geuer<br />

spielte Akkordeon und leitet mehrere Jahre die Kindergruppen.<br />

Ab Mitte der 70er Jahre konnte man sich dann keinen<br />

Livemusiker für die Proben mehr leisten. Es wurde auf<br />

„Konservenmusik“ umgestellt.<br />

Nachdem ein Teil der Gruppe im Juni 1955 am Treffen der rheinischen Tanzkreise auf Schloss Burg<br />

teilnahm und begeistert von diesem Gruppenerlebnis wiederkam, hatte man die Idee solch ein Treffen auch<br />

in Berlin durchzuführen. Unter großen Anstrengungen schaffte es Volkhard mit seiner Gruppe Finanzen,<br />

Veranstaltungsräume und Unterkünfte für die Gastgruppen zu organisieren und so war es dann Ostern 1956<br />

endlich soweit:<br />

Das erste Treffen der Volkstanzgruppen in Berlin konnte stattfinden. Es kamen 37 mit insgesamt 600<br />

Teilnehmern. Das große Volkstanzfest, der Höhepunkt des Festes fand in der Schöneberger Sporthalle statt.<br />

Dieses Treffen wurde von den vielen Gruppen mit großer Begeisterung angenommen und so ergab es sich,<br />

dass es nun regelmäßig (mit kleinen Ausnahmen) alle zwei Jahre in Berlin stattfindet. Es entstanden feste<br />

Kontakte zu anderen Gruppen im In-und Ausland. Somit wurde die Gruppenarbeit interessanter und man<br />

unternahm Reisen zu den verschiedensten Gruppen in Deutschland, den Niederlanden, in Norwegen und in<br />

Schweden und Dänemark. Es fanden wechselseitig Lehrgänge statt und alle Tänzer lernten die typischen<br />

Tänze der anderen Gruppen und Landschaften. Das ist bis heute noch so, allerdings nicht mehr in den<br />

Ausmaßen wie damals.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 42


Das zweite Tanzfest dieser Art in Berlin<br />

fand im April 1958 statt. Diesmal kamen<br />

57 Gruppen und man zählte 1500<br />

Teilnehmer. Das war für die<br />

Organisatoren des Festes kaum zu<br />

bewältigen. Die große internationale<br />

Tanzveranstaltung fand diesmal in der<br />

Deutschlandhalle statt. Die Senatorin für<br />

Jugend und Sport Frau Ella Kay begrüßte<br />

die Gäste aus dem In- und Ausland.<br />

Foto. Ella Kay<br />

Das danach folgende Tanzfest fand erst 4 Jahre später, 1962, statt. Von da an wurde es eine bis heute<br />

gepflegte und liebgewonnene Tradition.<br />

Der Höhepunkt der <strong>Berliner</strong> Volkstanzarbeit war das 5. Volkstanztreffen 1964 in Berlin mit 65 Gastgruppen<br />

und 1530 Teilnehmern in der Deutschlandhalle. Bis 1984 fanden die Tanzfeste nun jährlich statt. Danach<br />

einigte man sich auf einen Zweijahresrhythmus, der bis auf wenige Ausnahmen immer noch eingehalten<br />

wird.<br />

Bis zum Jahre 2000 organisierte Volkhard Jähnert anfangs zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft <strong>Berliner</strong><br />

Tanzkreise, später mit der LAG Tanz Berlin e. V. die Tanzfeste. Dann übergab er die Organisation und<br />

Leitung an Anni Herrmann. Seit 2008 nahm sich die Folkloretanzgruppe Köpenick e.V. dieser aufwendigen<br />

Aufgabe an, um die liebgewordene Tradition der Herbsttanzfeste nicht einschlafen zu lassen.<br />

Das Programm des 1.Tanzfestes<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 43


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 44


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 45


Am 27.5.1951 feierte die <strong>Berliner</strong> Tanzgemeinschaft unter Leitung von Walter Bröscky ihr 30 jähriges<br />

Bestehen. Im Kasino wurde mit vielen Gästen und Ehrengästen gefeiert.<br />

Zeitungsausschnitt aus „Die Tanzgemeinschaft“<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 46


Walter Bröscky war ein brillanter Tanzleiter und Tanzforscher. Er leitete außerdem den Arbeitskreis für<br />

Gemeinschaftstanz der Naturfreunde in Wilmersdorf.<br />

Sein aus der Tanzgemeinschaft hervorgegangener Beschwingter Kreis besteht noch heute. Rosl Teschendorf<br />

erinnerte sich, dass ihre Eltern, beide begeisterte Tänzer, Jahre nach dem Krieg, zum Beschwingten Kreis<br />

gingen. Sie durfte mitkommen und kam so dann selbst zum Tanzen. Walter Bröscky war damals der<br />

Tanzleiter und Klaus Wagner der technische Leiter. Es wurde dort angeknüpft, wo vor dem Kries aufgehört<br />

wurde. Man tanzte also die Jugendtänze aus den zwanziger Jahren. Die älteren Mittänzer, die nicht mehr so<br />

gut hüpfen und springen konnten, wurden dadurch schnell zu Außenseitern. Deshalb versuchte sich Walter<br />

Bröscky an neuen, besinnlichen Tänzen und Tanzspielen. Ein Tanzspiel „Die Großstadtkinder“ wurde 1953<br />

in Neustadt/Holstein während der Europäischen Volkstanzwoche aufgeführt.<br />

Seine Tänze, die er auch in Zusammenarbeit mit Thilo Cornelissen geschrieben hat sind in dem Buch<br />

„Beschwingter Kreis“ zusammengefasst. Er nannte seine Tänze Gemeinschaftstänze, weil sie von Jedem<br />

getanzt und mitgesungen werden konnten. Es wurden regelmäßig gesellige Abende veranstaltet. Diese waren<br />

immer sehr feierlich mit abgedunkeltem Licht und Kerzenschein. Die Tanzkleidung der Gruppe war eher<br />

festlich. Die Herren trugen dunkle Anzüge und die Damen ¾ -lange pastellfarbene Kleider. Der Kreis<br />

bestand anfangs überwiegend aus Tänzern über 30 Jahre. Später wurde ein noch ein Jugendkreis gegründet<br />

und viel später kam ein Kinderkreis dazu. Einige Jahre später waren es dann schon mehrere Kinder- und<br />

Jugendkreise. Gretel Paetz leitet etwa 1958 in der Waldschule Berlin-Charlottenburg einen Kindertanzkreis.<br />

In Steglitz wurde dann noch ein Jugendkreis von Harry Pelz und ein Kinder- und Jugendkreis von Aenne<br />

Homann geleitet. Ob es in den Folgejahren mal eine Tanzpause gab oder nicht weiß ich nicht. Ich habe auch<br />

niemanden gefunden. der mir diese Frage beantworten konnte.<br />

Heute tanzt die Gruppe unter Anleitung von Horst Teschendorf<br />

immer noch. Sie tritt regelmäßig bei Veranstaltungen auf und ist<br />

auf Tanzfesten immer präsent. Zu Irmchen Lemm, (heute 97<br />

Jahre alt) besteht regelmäßiger Kontakt.<br />

Jedenfalls gründete sich der Kreis im September 1977<br />

noch einmal neu. Irmgard Lemm übernahm damals die<br />

Leitung der Gruppe. Bei der Gründung dieses Kreises<br />

waren Walter und Gerda Bröscky dabei. Es wurden<br />

Volkstänze getanzt. Außerdem wandte man sich den<br />

Höfischen Tänzen zu. Dazu wurde bei Auftritten auch<br />

passende Kleidung getragen. Aufgrund ihres Alters (1913<br />

geboren) übergab Irmgard Lemm dann im Alter von weit<br />

über 80 Jahren die Gruppe an Rosl und Horst<br />

Teschendorf ab.<br />

Fotos: 25 Jahre Beschwingter Kreis 14.9.2002<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 47


Für die Künstler im Osten gab es Ende der 50er Jahre gravierende Einschnitte für ihre zukünftige<br />

Arbeit:<br />

Johannes R. Becher, der Gründer des Kulturbundes 1946 und der Akademie der Künste 1950 wurde 1954<br />

zum ersten Kulturminister der DDR. Er wurde von den Parteifunktionären allerdings als viel zu lasch in<br />

seiner Arbeitsweise eingeschätzt. Vermittlungsversuche zwischen den Funktionären und den Künstlern<br />

endeten oft uneffektiv. Letztendlich scheiterte er an den ständigen aussichtslosen Auseinandersetzungen.<br />

1958 übernahm Alexander Abusch, strenger Verfechter der SED- Kulturpolitik.<br />

Somit endete die Zeit, in der sich die Künstler frei und zu Tabuthemen äußern konnten. Es folgten<br />

Konferenzen, die die Künstler der DDR zu einem strengeren Kurs verpflichteten.<br />

Der 4.April 1959 ergab für die Künstler in der DDR eine Wende in ihrer Arbeit.<br />

An diesem Tag fand im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld eine Zusammenkunft von Künstlern,<br />

Arbeitern, Wissenschaftlern und Staatsfunktionären statt. Dieses Treffen ging später als 1.Bitterfelder<br />

Konferenz in die Geschichte ein. Alle Künstler bekamen die Weisung stärker in die sozialistische<br />

Produktion zu gehen, um den neuen Charakter der Arbeit besser kennenzulernen und zu erleben. Dadurch<br />

sollte eine überzeugendere künstlerische Darstellung des arbeitenden Menschen geschaffen werden. Kunst<br />

und Volk, Künstler und Arbeiterklasse sollten enger zusammenrücken, um sich auf diese Weise aktiver an<br />

der Bildung des Volkes beteiligen zu können.<br />

Die 60er Jahre<br />

Ihren Höhepunkt hatte die Volkstanzarbeit in Berlin wohl in den 40er, mehr noch aber in den 50er Jahren. In<br />

den 60er und 70er Jahren gingen die Aktivitäten deutlich zurück.<br />

Gemeinsame Aktivitäten von Ost und West gab es durch den Bau der <strong>Berliner</strong> Mauer am 13.8.1961 nicht<br />

mehr. Private Besuche zu Tanzfesten gab es zwar, aber keine gemeinsamen Gruppenaktivitäten mehr. Im<br />

Ostteil der Stadt lösten sich die ersten Betriebstanzgruppen wieder auf. Die Tänzer wurden älter und<br />

gründeten Familien oder waren beruflich mehr eingespannt, somit war die Zeit für ausgiebiges Training nicht<br />

mehr vorhanden, für Manche wurde aber auch der politische Druck einfach zu groß.<br />

Im Westteil der Stadt sah es ähnlich aus. Gruppen, die in den 50er Jahren mit vielen Mitgliedern und<br />

Aktivitäten rechnen konnten, verloren nach und nach ihre Tänzer. Die Musiker, die bis dahin noch aus Spaß<br />

an der Freude, oder nur gegen ein sehr geringes Entgelt die Gruppen begleiteten, wollten nun eine Menge<br />

Geld für ihre musikalische Begleitung haben. Das konnten sich viele Gruppen nicht mehr leisten. Ohne<br />

Musik konnte man nun aber auch nicht mehr tanzen. Nach und nach mussten erst Tonträger, wie Tonband<br />

oder Schallplatte bespielt werden. Das kostete viel Zeit und auch Geld. Familie und Beruf waren auch einige<br />

Gründe dafür, dass sich die Gruppen verkleinerten oder auflösten, aber auch die sich immer weiter<br />

entwickelnde Kultur und Medienindustrie trug dazu bei. Die Interessen der Menschen lagen nun woanders.<br />

Tanzschulen, in denen man die neuesten Tänze wie ChaCha, Rhumba, Tango und viele neue Modetänze<br />

lernen konnte hatten Hochkonjunktur. Abends ging man nicht mehr zum Volkstanzabend, sondern vergnügte<br />

sich auf den Tanzabenden mit neuer moderner Musik. Musik aus den USA und anderen Ländern schwappte<br />

zu uns über. Auch die Sportvereine hielten eine Vielzahl verschiedener Trainingsmöglichkeiten bereit.<br />

Gerade in einer Großstadt wie Berlin waren die Freizeitmöglichkeiten plötzlich sehr groß und vielfältiger als<br />

zuvor.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 48


Im Ostteil war das „Musikerproblem“ nicht so groß, da die ganzen Betriebsgruppen vom Betrieb selber<br />

unterstützt wurden. Somit hatte jeder sein Auskommen. Arbeiterfestspiele, Leistungsschauen,<br />

Kreissauscheide, Weltfestspiele, Jugendfestivals und, und, und standen weiter auf dem Plan.<br />

Im April 1964 setzten sich erneut Staats- und Kulturfunktionäre, Künstler und Wissenschaftler der DDR an<br />

einen Tisch und zwar zur 2.Bitterfelder Konferenz. Noch einmal wurde über die künstlerische Entwicklung<br />

in der DDR diskutiert. Als Folge der ersten Konferenz stellte man fest, dass die Forderungen, die an die<br />

Kunst gestellt wurde eher kontraproduktiv waren. Die seitdem entstandenen Werke in allen Bereichen hatten<br />

weder Biss noch Brisanz. Niemand interessierte sich für diese Art von Kunst. Als Folge dessen setzten sich<br />

viele Künstler noch vor Mauerbau in den Westen ab, um sich dort wieder frei entfalten zu können.<br />

Das Ergebnis der 2. Bitterfelder Konferenz stellte die Lehren des Marxismus-Leninismus in den<br />

Vordergrund. Die Künstler sollten sich mit der sozialistischen Lehre befassen, um vorausschauend denken zu<br />

lernen. Der zweite Schwerpunkt forderte die weitere Herausbildung der sozialistischen Nationalkultur.<br />

Das Laienschaffen brachte folkloristische Choreographien, wie „Rheinischer Maklott“, Grüttmarkerjung“<br />

und „Schwedisch-Schottisch“ hervor, aber eben auch die politisch geprägten Gestaltungen, wie z.B. „Ein<br />

Erntetag in Thüringen“, „Das Öl bekommt uns gut“ oder „Tanz der Erntehelfer“. Das Staatliche<br />

Volkskunstensemble bestand nun schon 10 Jahre. Ohne die Choreografinnen Aenne Goldschmidt und Thea<br />

Mass hätte die Folkloreaneignung in der DDR nicht den wissenschaftlich und künstlerisch fundierten Weg<br />

genommen.<br />

Im Sinne der sich bildenden sozialistischen Nationalkultur entstanden Werke, wie die Ballettkantate „Das<br />

Lied vom kleinen Trompeter“ ein neunteiliges, dramatisches Stück und „Der letzte Schuss“, nach einer<br />

bewegenden sowjetischen Erzählung. Beides wurde von Willy Hinzert choreographiert. Weitere Themen, die<br />

von verschiedenen Choreographen verarbeitet wurden waren: „Bataillon Ulrike“, ein Stoff aus der<br />

Völkerschlacht von 1813, „Sadako“, ein Thema um den Atombombenabwurf durch die USA auf Japan.<br />

Kindergruppen tanzten Tanzspiele, wie „Wir ziehen aufs Feld oder „Besuch im Zoo“. Diese Neugestaltungen<br />

wurden von vielen Laienensembles auf Arbeiterfestspielen und anderen Wettbewerben gezeigt. Dennoch<br />

ließen sich aber auch einige Tanzgruppen nicht vom althergebrachten Repertoire abbringen und tanzten<br />

weiter überlieferte Volkstänze, Jugendtänze und gesellige Tänze. Man konnte also auch Suiten in denen<br />

Volkstänze verarbeitet wurden sehen. diese waren durchaus im Sinne der Pflege unseres Kulturgutes auch<br />

willkommen.<br />

1966 wurde in Westberlin vom Senator für Jugend und Sport, nach dem Vorbild anderer Bundesländer die<br />

„Landesarbeitsgemeinschaft Tanz Berlin“ ins Leben gerufen.<br />

Die „Arbeitsgemeinschaft <strong>Berliner</strong> Tanzkreise“ in der alle Westberliner Volkstanzgruppen vertreten waren,<br />

wurde nun eine Untergruppe der LAG Tanz Berlin.<br />

Die 70er Jahre<br />

Die Volkstanzarbeit ging weiter zurück, da die meisten kleineren, aber auch einige der großen Gruppen<br />

aufgaben. Doch die Gruppen, die weiterarbeiteten waren umso aktiver. In den 70er Jahren fanden nur noch<br />

selten bezirkliche Tanzfeste statt. Die Höhepunkte des Jahres waren die Herbsttreffen im Kasino am<br />

Funkturm. Die bestehenden Volkstanzgruppen veranstalteten auch weiterhin Lehrgänge und Tanzfeste,<br />

entweder auf bezirklicher Basis oder in Zusammenarbeit mit der LAG Tanz Berlin. Weiterhin wurden<br />

Treffen mit anderen Gruppen im In- und Ausland organisiert, um alte Kontakte zu pflegen, oder aber auch<br />

neue zu knüpfen.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 49


Tanzfreundin Gisela Baudach erzählte mir in einem Gespräch am Rande des Tanzabends, dass sie 1970 zum<br />

Volkstanzkreis der Naturfreunde, Leitung Arthur Bolle, im Wedding kam. Die Probenabende fanden in den<br />

Jugendheimen Edinburger Straße und Nauener Platz statt. Später tanzte man dann im Jugendheim<br />

Bredowstraße im Tiergarten. Die Gruppe trat in mehreren Bezirken Berlins auf, nahm an Festen und<br />

internationalen Tanztreffen teil. Die meisten Tänzer tanzten schon von Anfang an in der Gruppe, kannten<br />

sich schon aus Wandervogelzeiten. Es wurde auch gesungen und die Geselligkeit kam auch nicht zu kurz.<br />

Bis Januar 1994 tanzte die Gruppe noch regelmäßig, dann löste sie sich aufgrund des hohen Alters der<br />

meisten Tänzer auf. Nachwuchs gab es leider nicht.<br />

Hier ein paar Fotos aus dem Gruppenleben der Arthur Bolle Gruppe, die mir Gisela zur Verfügung stellte.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 50


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 51


In Ostberlin schlossen sich 1973 die bestehenden Tanzensembles der Pioniere und der FDJ aus den Bezirken<br />

Rostock, Magdeburg, Frankfurt/Oder, Schwerin, Halle, Neubrandenburg und Berlin zum Zentralen<br />

Pioniertanzensemble und Zentralen Tanzensemble der FDJ zusammen. Willy Hinzert leitete dieses<br />

Ensemble als künstlerischer Leiter und Choreograph von Anfang an bis zum Ende 1989 sehr erfolgreich.<br />

Willy Hinzert wurde von den Kindern und Jugendlichen wegen seiner fröhlichen und netten Art sehr<br />

verehrt. Er schaffte es, sie für seine Sache zu begeistern. Er studierte mit ihnen sogenannte Tanzbilder ein,<br />

die in den großen Stadien zu Weltfestspielen, Jugendfestivals, Pioniertreffen Kinder- und<br />

Jugendspartakiade, Parteitagen, usw. aufgeführt wurden. An einem Auftritt nahmen bis zu 750 Kindern und<br />

Jugendliche teil. Man traf sich vorher in Probenlagern zu Einstudieren. Viele interessante Informationen<br />

zum Zentralen Tanzensemble der Pioniere und der FDJ finden sich auf der Internetseite www.zpte.de und<br />

www.zte.de . Diese Seite wird von ehemaligen Mitgliedern des Ensembles geführt. Es werden heute noch<br />

Treffen organisiert, um sich an alte Zeiten zu erinnern.<br />

Probenlager zum Jugendfestival 1979 vorn im Bild Willy Hinzert<br />

1.Nationales Jugendfestival<br />

vom 1.-3.Juni 1979 in Berlin<br />

Auftritt des Zentralen Tanzensembles der FDJ im Stadion der Weltjugend unter dem Motto:<br />

Ein bunter Blumenstrauß für unsere Republik<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 52


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 53


Anfang der 70er gab es im Denken der sozialistischen Kultur noch einmal eine Überarbeitung. So konnte<br />

man im Bericht des Zentralkomitees zum VIII. Parteitag der SED lesen: „Die entwickelte sozialistische<br />

Gesellschaft gewinnt ein neues Verhältnis zum humanistischen Erbe, dessen Pflege und Aneignung für<br />

immer mehr Werktätige zum echten Bedürfnis ihrer Persönlichkeitsbildung wird.“ Zum sozialistischen<br />

Menschenbild sollte eben ein sozialistisches Nationalbewusstsein gehören, in das die Pflege des Erbes<br />

allgemein und speziell des deutschen Volkstanzes gut zu integrieren waren. Die deutsche Folklore wurde von<br />

nun an wieder mit allen Kräften gefördert. Die Diskussion über unser kulturelles Erbe bezog sich nicht nur<br />

auf den Volkstanz, sondern auch auf musikalische Überlieferungen und auf die deutschen Klassiker der<br />

Literatur.<br />

Die nun neu entstehenden Choreographien sind nun künstlerisch bearbeitete Folklore in Form von<br />

Bühnentanz. Es wurden Elemente aus dem überlieferten Volkstanz dabei verwendet. Die Stücke haben nun<br />

Namen, wie „Ländlicher Walzer“ von Aenne Goldschmidt, „Die letzte Garbe“ von Thea Mass,<br />

„Ernteheimweg“ von Rosemarie Ehm- Schulz usw.<br />

Aufgrund des neuen Umgangs mit dem kulturellen Tanzerbe, entwickelte sich Mitte der 70er Jahre die<br />

Folkszene. Öffentliche Tanzveranstaltungen für jedermann, wie sie Erich Krause mit seinem <strong>Berliner</strong><br />

Volkstanzensemble im Kulturhaus Prater in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg regelmäßig veranstaltete<br />

sollte es viel mehr geben. Erich Krause hatte sich im Laufe der Jahre an die Bedürfnisse der Tänzer<br />

angepasst. Was anfangs reine Volkstanzfeste waren, wurden in den letzten Jahren gesellige Tanzfeste. Der<br />

Volkstanz nahm nur noch einen Teil des Abends ein, ansonsten wurden neue gesellige Tänze, wie Shoo Fly,<br />

Mexikanischer Walzer u.a. getanzt und es wurde auch Gesellschaftstanz angeboten.<br />

Nach und nach gab es spezielle Folkmusikgruppen. Folktanzveranstaltungen wurden immer mehr<br />

veranstaltet. Die sogenannte Folkszene hatte sehr viele jugendliche Anhänger. Die Tänze waren leicht zu<br />

tanzen und der gemeinschaftliche Aspekt stand dabei im Vordergrund. Sie beinhalteten einfache Elemente<br />

aus dem Volkstanz. Der Unterschied bestand aber darin, dass man sich die Reihenfolge der Figuren selbst<br />

neu zusammenstellte und dann zu unterschiedlichen Musiken tanzte. Das machte sicher Spaß und brachte<br />

Stimmung und es fühlten sich viele Jugendliche davon angezogen. Der eine oder andere kam dann über diese<br />

Schiene zum „richtigen“ Volkstanz. Um Nachwuchs für den deutschen Volkstanz zu „ködern“ war das<br />

vielleicht gar keine schlechte Idee.<br />

Auch wenn immer mehr Gruppen aufgaben, kamen ab und zu auch welche dazu:<br />

So gründete Anni Hermann im Herbst 1978 in Westberlin den Märkischen Volkstanzkreis. Getanzt wurde<br />

anfangs in den Räumen der Ölberggemeinde in Berlin-Kreuzberg, später zog man ein paar Ecken weiter in<br />

die Emmausgemeinde Kreuzberg, wo der Tanzkreis heute noch probt.<br />

Getanzt wurden und werden deutsche Volks- und Jugendtänze, skandinavische Tänze, Kontratänze und<br />

internationale Tänze. In der Tanzgruppe tanzen ca. 16 Tänzer. Es wurden Kontakte zu anderen Gruppen in<br />

der Nordheide und auch in Schweden geknüpft.<br />

Einmal die Woche trifft man sich zum gemeinsamen tanzen, erzählen und singen.<br />

Gemeinsam fuhr man zu Tanzfesten in Salzgitter und Karlsruhe, wo die Gruppe auch am Stadtumzug und<br />

Aufführungen teilnahmen. Beim großen Herbsttanzfest in Berlin ist die Gruppe auch immer vertreten.<br />

Besonderen Spaß brachte immer die gemeinsame Teilnahme an den vielen Lehrgängen in ganz Deutschland.<br />

Zu den regelmäßigen Aufgaben gehörten damals auch die alljährlichen Auftritte beim Erntedankfest im<br />

Johannisstift, die auch gemeinsam mit schwedischen Gruppen gestaltet wurden. Die schwedischen Tänzer<br />

waren dann immer in den Familien der Tanzgruppenmitglieder untergebracht.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 54


Schöne Erinnerungen brachte auch die Teilnahme in<br />

Dalarna (Schweden) zum Rättviksdansen, den Tanztagen,<br />

an denen auch ausländische Volkstanzgruppen<br />

teilnahmen.<br />

Ausschnitt aus einer schwedischen Zeitung<br />

Zu den Auftritten trugen die Mädchen weiße Blusen und bunte Miederkleider, deren Borte mit Blumen<br />

bestickt war, dazu wurden farbige Schürzen gebunden.<br />

Die Herren hatten weiße und schwarze Kniebundhosen<br />

und blaue Westen.<br />

Fotos vom Auftritt in Ribbeck.<br />

Treffen mit anderen Gruppen sind wichtig und<br />

machen Spaß.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 55


Neben den regelmäßigen Proben trifft man sich<br />

auch mal zum Feiern.<br />

Der Märkische Volkstanzkreis tanzt noch immer<br />

regelmäßig jeden Dienstag. Die Mitgliederzahl ist<br />

in etwa gleich geblieben. Auftritte werden nicht<br />

mehr getanzt, aber an Tanzfesten wird weiterhin<br />

teilgenommen. Das gemeinsame Tanzen und auch<br />

Singen, das Treffen nach den Proben im Lokal<br />

gegenüber oder auch die gemütlichen<br />

Beisammensein halten die Gruppe nach wie vor<br />

zusammen.<br />

Die 80er Jahre<br />

In Westberlin gründete Klaus Paege am 17.10.1980 den „Tanzkreis für deutsche Folklore“. Die Gruppe<br />

beschäftigte sich ausschließlich mit deutschem Volkstanz. Die Gruppe baute langjährige Kontakte zu<br />

anderen Gruppen auf. Man traf sich auf gemeinsamen Tanzfesten und es entstanden enge Freundschaften.<br />

Auftritte bei den Bezirksämtern, in Krankenhäusern, Seniorenheimen, Laubenkolonien usw. wurden vielfach<br />

von ihrer kleinen Musikgruppe unterstützt.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 56


Es wurde auf Tanzfesten im gesamten<br />

Bundesgebiet getanzt. Ein Höhepunkt stellte<br />

sicher die Teilnahme an der 20. Europeade in<br />

Wien vom 5.-7.8.1983 dar.<br />

Die Tracht, die getragen wurde stammt aus der<br />

Gegend um Luckenwalde im Land<br />

Brandenburg und wurde nach alten Unterlagen,<br />

die nur noch im Museum vorhanden waren,<br />

nachgefertigt.<br />

Später übernahm Carsten Böttcher die<br />

Tanzgruppe. Geprobt wurde im Saal im Haus<br />

der Familie, Mehringdamm, nahe der U-Bahn<br />

am Platz der Luftbrücke. Besuch im Prater beim Tanzfest 9.2.90<br />

Etwa 1992 löste sich der Kreis wieder auf.<br />

Im April 1982 wurde die Volkstanzgruppe Wittenau von Ursel und Rolf Vanselow, gegründet.<br />

8 Gründungsmitglieder hatten sich das Ziel gesetzt, der Freizeitbeschäftigung Tanz nachzugehen und dabei<br />

aber auch deutschen Volkstanz zu pflegen und erhalten.<br />

Die Gruppe tanzt auf den unterschiedlichsten Veranstaltungen in Berlin und im Bundesgebiet. Im Frühjahr<br />

wurde immer ein kleines Volkstanztreffen mit einer auswärtigen und einer <strong>Berliner</strong> Tanzgruppe<br />

durchgeführt. Durch diese Begegnungen knüpfte man viele Kontakte und holte sich Anregung für die weiter<br />

Tanzarbeit. Das Alter der Tänzer liegt mittlerweile bei 60-80 Jahren. Die Gruppe tanzt immer noch<br />

regelmäßig jeden Montag im Senftenberger Ring in Reinickendorf. Die Leitung haben schon seit einigen<br />

Jahren Margot und Helmut Fiedler. Die Gruppe ist regelmäßig bei Tanzfesten anzutreffen.<br />

Die Tanztracht, die bis heute getragen wird, stammt aus den Jahren um 1850. Die Tracht der Männer wurde<br />

in Liebenwalde getragen und die der Frauen in Ribbeck, beides Orte in der nördlichen bzw. westlichen Mark<br />

Brandenburg. Bei der Herstellung der Tracht bekam die Gruppe Unterstützung von der Deutschen Oper<br />

Berlin.<br />

1987 wurde Berlin 750 Jahre alt. Anlässlich dieses Jubiläums<br />

fand in Ostberlin ein groß organisierter Festumzug statt.<br />

Sämtliche Tanzensembles, Volkskunstkollektive und<br />

Tanzgruppen und Musikgruppen, aber auch Handwerker und<br />

Sportler waren daran beteiligt. Wir Tänzerinnen von der<br />

Jugendgruppe des <strong>Berliner</strong> Volkstanzensembles mit Karin Krause<br />

waren auch dabei. Ich erinnere mich noch gut an die Proben.<br />

Mehrere Monate vorher trafen wir uns an verschiedenen Orten<br />

mit den Musikern, um unsere Choreographie für den Umzug<br />

einzustudieren. Am Tage selber bekamen wir dann so eine Art mittelalterliche<br />

Kleidung. Dann bekam jede Gruppe ihre Stellnummer und dann ging es los.<br />

Letztendlich waren wir bei dem riesigen Aufgebot nur eine von vielen, aber Spaß<br />

gemacht hat es trotzdem. Es war schon etwas besonderes, an einem so großen Event<br />

teilzunehmen.<br />

Den nächsten großen Höhepunkt hatte ich mit den Mädels vom <strong>Berliner</strong><br />

Volkstanzensemble 1989. Im Mai fand das große Pfingsttreffen der Jugend in Berlin<br />

statt. Wir wirkten damals in der großen Stadionrevue „Show mal her“ im Stadion<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 57


der Weltjugend mit. Das war sehr aufregend. Viele Proben vorher und interessante Begegnungen mit den<br />

damaligen Ostpromis gab es. So traf ich bei einer Besprechung im Vorfeld die Sängerin Tamara Danz und<br />

bei der Revue selber erinnere ich mich noch gut, wie ich neben dem sogenannten „Winnetou des Ostens“,<br />

Gojko Mitic stand und darum sicher von vielen beneidet wurde.<br />

Diese Revue war für viele aktive jugendliche Tänzer die letzte große Aktivität im Volkskunstschaffen der<br />

DDR. Niemand ahnte zu dem Zeitpunkt, dass sich am 9.November des Jahres die vielgehasste Mauer öffnen<br />

würde.<br />

Die 90er Jahre bis heute<br />

Der 9.November 1989 war nicht nur die Wiedervereinigung zweier deutscher Staaten zu Einem, sondern<br />

auch eine Wiedervereinigung von zwei in vielen Dingen sehr unterschiedlich gewordenen<br />

Volkstanzgemeinden. In vierzig Jahren BRD und DDR und 28 Jahren absoluter Mauertrennung entwickelte<br />

sich die Volkstanzarbeit teilweise sehr verschieden. Im Westen tanzte man eher nach alt gewohnter Manier,<br />

also mit geselligen Probenabenden, Auftritten, Tanzfesten und Gruppenfahrten, in denen es galt die<br />

Gemeinschaft in der Gruppe und mit anderen Gruppen zu fördern. Im Ostteil entwickelte sich daraus in<br />

vielen Gruppen ein regelmäßiges, leistungsorientiertes Training mit Trainingslagern am Wochenende oder in<br />

den Ferien für die Kinder und Jugendlichen. Es gab ganz „normale“ Auftritte auf Betriebsveranstaltungen,<br />

Altersheimen und dergleichen, aber man arbeitete auch hart an bühnenwirksamen Programmen, die dann zu<br />

Wettbewerben, Festspielen und Leitungsschauen zur Aufführung kamen. Aber auch diese andere<br />

Arbeitsweise förderte den Zusammenhalt und die Gemeinschaft in den Volkstanzgruppen. Schließlich war es<br />

ja auch ein schönes Gefühl, für die gemeinsame harte Arbeit mit guten Platzierungen belohnt zu werden.<br />

Mit der Wende lösten sich auch die letzten noch bestehenden Betriebstanzgruppen und Ensembles auf. Die<br />

Menschen waren jetzt mit anderen Dingen beschäftigt. Außerdem fehlte jetzt auch die finanzielle Förderung<br />

der Gruppen durch die Betriebe. Es gab also keine Möglichkeit mehr, Probenräume zu finden, die nichts oder<br />

nur sehr wenig Miete kosteten und somit erledigte es sich für viele mit dem Tanzen.<br />

Die betriebsunabhängig existierenden Volkstanzgruppen tanzten aber weiter. Das waren in Ostberlin leider<br />

nicht so viele. Da gab es eine Volkstanzgruppe in Leegebruch bei Berlin, die heute als Karnevalsverein<br />

arbeitet und der <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis in Berlin-Prenzlauer Berg.<br />

In Westberlin gab es noch 7 Volkstanzgruppen, die deutschen Volks- und Jugendtanz pflegten und nun als<br />

Einzelmitglieder der LAG Tanz Berlin e.V. angehörten.<br />

Im April 1991 gründete die Musikschule Berlin- Köpenick eine Jugendtanzgruppe unter der künstlerischen<br />

Leitung von Waltraut Stark, die jahrelang das Tanzensemble der Interflug in Ostberlin leitete. 1993 kam<br />

dann noch eine Erwachsenentanzgruppe dazu. Die Gruppe beschäftigt sich viel mit deutscher Folklore, die<br />

von Waltraut Stark choreographisch für die Bühne bearbeitet wird. Aber auch ausländische Folklore gehört<br />

zum Repertoire. Die Gruppe hatte Kontakte zu ausländischen Tanzgruppen.<br />

Vor einigen Jahren endete die Zusammenarbeit mit der Musikschule. Seitdem trägt sich die<br />

Tanzgruppe als eingetragener Verein<br />

Die Folkloretanzgruppe Köpenick e.V. nimmt seit Jahren regelmäßig an viele Veranstaltungen in und um<br />

Berlin teil. Bei Bundesvolkstanztreffen und vielen anderen Tanzfesten sind sie immer vertreten. 3-tägige<br />

Trainingsfahrten gehören zur alljährlichen Tradition. Das Alter der Tänzer liegt bei 15 bis über 60 Jahre.<br />

Die Tanztracht der Gruppe kommt aus dem Fläming aus der Region Jüterbog.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 58


Einige Mitglieder der Gruppe leiten Kindertanzgruppen in den umliegenden Grundschulen, um den<br />

Nachwuchs für die Zukunft zu sichern. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, weil viele Kinder spätestens<br />

zum Wechsel in die Oberschule nicht weiter tanzen. Aber es ist gut, die Hoffnung nicht aufzugeben. Zu den<br />

anderen <strong>Berliner</strong> Volkstanzgruppen bestehen gute Kontakte.<br />

Generell entstand nun nach Maueröffnung wieder eine ähnliche Situation wie in den 50er Jahren. Man<br />

konnte sich endlich wieder grenzenlos besuchen. So gab es einen regelrechten Tanztourismus. Die Tanzfeste<br />

wurden wieder gesamtberliner Tanzfeste.<br />

Neben der großen Wiedersehensfreude machten sich aber die Jahre der Trennung doch bemerkbar.<br />

Behauptete doch jeder von sich, dass seine Lehrmethode und Probengestaltung die bessere wäre.<br />

Diskussionen entstanden und man versuchte sich zu einigen. Für die weitere Entwicklung des Volkstanzes<br />

konnte dies aber nur gut sein, denn von jedem ein bisschen zu einem Ganzen zusammengeführt, konnte die<br />

Tanzqualität und die Gemeinsamkeit in den Gruppen nur fördern. Das war und ist auch für die heutige Arbeit<br />

in den Gruppen von großer Wichtigkeit, um Nachwuchs zu finden und zu integrieren. Dazu gehört gerade<br />

auch in der Arbeit mit Jugendlichen die Förderung der Gemeinschaft, aber auch durch die regelmäßige<br />

Trainingsarbeit mit Erfahrung aus den beiden ehemaligen<br />

Systemen Ost und West eine kontinuierliche Erhaltung unseres<br />

kulturellen Erbes, dem Volkstanz.<br />

Inzwischen ist es so, dass viele Tänzer in mehreren<br />

verschiedenen Volkstanzgruppen regelmäßig wöchentlich<br />

tanzen. Ob man damals in Ost oder West tanzte ist heute nicht<br />

von Wichtigkeit. Man kann also sagen, dass die<br />

Wiedervereinigung der großen Volkstanzgemeinde sehr schnell<br />

verlief.<br />

Gedanklich war man ja nie wirklich getrennt.<br />

Gerade die älteren Tänzer erinnerten sich noch<br />

gerne an gemeinsam getanzte Vormauerzeiten.<br />

Die Tänzer aus dem Westteil Berlins nutzten<br />

damals auch öfter<br />

die Gelegenheit von Besuchen, um an den<br />

Tanzfesten im <strong>Berliner</strong> Prater mit Erich Krause, nach seinem Tod mit Karin Krause, teilzunehmen.<br />

Umgekehrt war es für die arbeitende Bevölkerung ja leider nicht möglich, aber die Altersrentner im Ostteil<br />

hielten auch die bestehenden Kontakte im Westen aufrecht.<br />

Foto oben links: Begegnung des <strong>Berliner</strong> <strong>Volkstanzkreises</strong><br />

mit dem Tanzkreis Adelheid in Tegel, 1.7.1997<br />

Foto oben: Gruppentreffen der ehemaligen Hohen<br />

Neuendorfer Tänzer von Eberhard Jähnert 2.10.2010<br />

Foto links: Gemeinsames Tanzen bei der jährlichen<br />

Veranstaltung des <strong>Berliner</strong> Turnerbundes November 2009<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 59


Leider wird der Altersdurchschnitt der Tänzer immer höher. Nachwuchs zu finden ist heutzutage schwieriger<br />

als je zuvor. Deshalb ist es denke ich wichtig, Volkstanz wieder öffentlicher zu machen. Das setzt natürlich<br />

auch zunehmendes Interesse der zuständigen Kulturverantwortlichen in den Bezirken und den Ländern<br />

voraus. Es muss uns, den noch verbleibenden Tänzern, irgendwie gelingen, medienwirksamer zu werden.<br />

Dazu brauchen wir dringend Nachwuchs, müssen durch Auftritte präsent sein und den deutschen Volkstanz<br />

stets weiterentwickeln, um ihn auch für jüngere Generationen interessant zu machen. Dennoch wird es<br />

immer schwieriger werden, Volkstanz wieder gesellschaftsfähig zu machen, weil das gesamte<br />

Freizeitangebot zu vielfältig geworden ist. Die zuständigen Kulturämter sehen es auch nicht weiter für<br />

notwendig den Volkstanz als Kulturerbe weiter zu fördern. Nach deren Auffassungen gäbe es<br />

förderungswürdigere Kulturgüter. Das damit ein Teil unserer deutschen Geschichte geleugnet wird, ist ihnen<br />

wahrscheinlich nicht bewusst. Wir reden hier von der deutschen Geschichte, die bereits im 10.Jahrhundert<br />

mit der Gründung des deutschen Reiches begann und nicht von ein paar Jahren zwischen 1939 und 1945, die<br />

scheinbar für die politisch Verantwortlichen im Vordergrund stehen. Ein weiteres Problem ist das<br />

zunehmende Desinteresse der heute heranwachsenden Generation an unserer deutschen Geschichte und den<br />

damit erlangten Traditionen. Damit wird dieses Thema zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.<br />

Dass Volkstanz auch heute noch Spaß macht, merkt man daran, dass viele Tänzer schon ihr ganzes Leben<br />

tanzen. So sind z.B. bei uns im <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis mehrere Tänzer, die gemeinsam mit Erich Krause im<br />

Frühjahr 1946 mit dem Tanzen angefangen haben. Sie sind heute alle im Alter von 77- 82 Jahren und immer<br />

noch fleißig dabei. Das beweist, wie zuträglich das Tanzen der Gesundheit ist. Alle langjährigen<br />

Volkstänzer, die ich kenne sind körperlich noch sehr fit, haben eine hohe Auffassungsgabe, wenn neue<br />

Tänze erklärt werden und wirken einfach jünger, als sie sind. Tanzen bringt soziale Integration und Spaß und<br />

hält länger jung.<br />

Am 22.1.2011 waren wir zu einem Lehrgang für deutsche Volkstänze. Erstaunlicherweise war die<br />

Zielgruppe, die die Tänze lernen wollte, die Tanzgruppe Faux Pas, die sich sonst nur mit Tänzen aus dem<br />

Balkan und Umgebung beschäftigt. Die jungen Leute zeigten ernsthaftes Interesse an unseren deutschen<br />

Volkstänzen und waren mit Begeisterung dabei, einige Tänze zu erlernen. Es war schön zu sehen, wie<br />

schnell sie die für sie ungewöhnlichen Schritte lernten. Wir zeigten und übten den Freidigen, Krüz König,<br />

Holsteiner Dreitour und die Lange Reihe. Außerdem lernten sie Walzer tanzen. Diese gemeinsamen<br />

Tanzstunden haben allen sehr viel Spaß gemacht und es kam der Wunsch auf, noch mehr über den deutschen<br />

Volkstanz zu lernen. Es entstand die Idee, solche Lehrgänge öfter zu veranstalten und zwar dann aber als<br />

gegenseitiges Lernen, dass heißt wir bringen den ausländischen Tänzern unsere deutschen Tänze bei und wir<br />

lernen dafür Balkantänze zu tanzen. Ich finde es schon erstaunlich, dass gerade ausländische Tänzer<br />

Interesse an unserem deutschen Tanzerbe zeigen. Anscheinend hat die Pflege und Erhaltung von Traditionen<br />

in anderen Ländern einen viel größeren Stellenwert als bei uns in Deutschland. Auf diesen Weg müssen wir<br />

unsere Jugend in den nächsten Jahren auch bringen, damit nicht alle unsere Traditionen verloren gehen.<br />

Abschließend noch ein sehr passendes Zitat von Rosemarie Ehm- Schulz:<br />

"Im Volkstanz ist das zu finden, was den anderen Tanzarten fehlt. Diesen Tanz schöpft das Leben<br />

selbst. Auf den Volkstanz wirken keine Kritik, keine Direktoren und sogar kein Publikum. Er bleibt<br />

wie er ist... Das Volk tanzt für sich selbst und stellt sich selbst dar. Das ist Wahrheit, die von<br />

niemandem verfälscht wurde."<br />

Wenn wir diese Worte beherzigen, haben wir vielleicht die Chance unsere Volkstanzgeschichte noch lange<br />

weiterschreiben zu können. Das wünsche ich uns und den nachfolgenden Generationen sehr.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 60


Zum Schluss noch 3 kurze Chroniken von ausgewählten Volkstanzgruppen, die die gesamten Jahre von<br />

nach dem Krieg bis heute (2011) durchgetanzt haben:<br />

Im Oktober 1950 gründeten sich gleich zwei Volkstanzgruppen, die von der Jugendförderung des Senats von<br />

Westberlin betreut wurden. Das ist zum einen der VOLKSTANZKREIS REINICKENDORF und zum<br />

anderen der VOLKSTANZKREIS TEMPELHOF.<br />

Der Volkstanzkreis Tempelhof<br />

Als sich Herbert Kluge am 11.Oktober 1949 mit einer Gruppe von Freunden traf, tat er dies mit der Absicht<br />

eine Volkstanzgruppe zu gründen. Er wollte deutsche Tänze pflegen und zusätzlich sollte gesungen und<br />

gewandert werden. Da es zu dieser Zeit wenige Räume gab, die für solch eine Gruppe geeignet waren,<br />

wechselte man häufig die Räumlichkeiten. Erst im Herbst 1950 gelang es mit Hilfe des Bezirksamtes<br />

Tempelhof eine geeignete Sporthalle (jetzige Hugo- Gaudig- Schule) für die Probenabende zu finden. Nun<br />

fing man an Werbung für eine Kindergruppe zu machen. Mit einem hübsch gemalten Plakat am schwarzen<br />

Brett in Alt-Tempelhof warb man auf Anhieb 7 Kinder aus einer Klasse und deren Geschwister. Die spätere<br />

Leiterin Barbara Lentz- Feuge gehörte auch dazu. Somit war der Volkstanzkreis Tempelhof geboren. Schon<br />

3 Monate später trat man das erste Mal vor den Amerikanern auf. Das wurde ein Riesenerfolg. Als<br />

Belohnung gab es für alle Kinder Süßigkeiten. Das war für alle eine Ansporn, weiter zu machen. Musikalisch<br />

wurde die Tanzgruppe von dem allseits beliebten Walter Lassahn auf dem Akkordeon begleitet.<br />

Das Jugendamt Tempelhof unterstützte von Anfang an die Arbeit der Gruppe. Die Gruppen wurden immer<br />

größer und neben Familie und Beruf schaffte es Herbert Kluge nicht mehr diese ehrenamtliche Aufgabe<br />

weiterzuführen, deshalb übergab er den Tanzkreis an Dieter Matthies. Die Kindergruppe leitete die noch sehr<br />

junge Barbara Lentz unterstützt von Walter Lassahn. Dieter Matthies leitete mit sehr viel Schwung die<br />

Gruppe, doch leider zwangen ihn sein Studium und seine berufliche Laufbahn dazu, die Gruppe wieder<br />

abzugeben. Hans Joachim Andrè (vielen bekannt als Henne) führte die Arbeit von Dieter Matthies weiter.<br />

Die Tanzgruppe tanzte immer häufiger auch mit anderen <strong>Berliner</strong> Volkstanzgruppen zusammen und knüpfte<br />

Kontakte zu Gruppen in Westdeutschland. Nach Hans Joachim Andrè übernahm Günter Dahlmann die<br />

„Großen“ und brachte gleich noch mehr Tänzer aus Steglitz mit. Lothar Heininger begleitet inzwischen mit<br />

seinem Akkordeon die Tanzgruppe und er tat es über viele Jahre. Bei jedem Leitungswechsel gab es neue<br />

Tänze. Damit erweitere sich das Repertoire ständig.<br />

Seit September 1957 ist das Jugendfreizeitheim Hessenring die Übungsstätte für den Tanzkreis. Alle<br />

Heimleiter hatten einen sehr guten Kontakt zu den Tänzern.<br />

1965 übernahm dann Barbara Lentz- Feuge, von allen Babs genannt, beide Gruppen. Sie besuchte<br />

regelmäßig internationale Fortbildungsseminare und brachte so ihre eigene Note in die Gruppe. Der<br />

Volkstanzkreis Tempelhof wurde nun umbenannt in Tempelhofer Tanzkreis.<br />

Der Tempelhofer Tanzkreis nahm an vielen Tanzfesten teil und unternahm viele schöne Ausflüge und<br />

Reisen, so z.B. 1958 nach Belgien zu einem Tanzfest, 1967 zu einem Gruppentreffen nach Lille in<br />

Frankreich, 1973 nach Malmö/Schweden, 1975 nach London und 1980 bekam die Gruppe eine Einladung<br />

vom Senat zu einer Jugendbegegnung nach Ägypten.<br />

Später verzichtet man Auslandsreisen und fuhr nach Grömitz, Kiel oder Noer.<br />

Die Gruppe trifft sich bis heute regelmäßig jeden Mittwoch. In der Gruppe tanzen Kinder, Jugendliche und<br />

Erwachsene, Singles und Ehepaare. Viele Ehepaare gingen aus dem Tanzkreis hervor. Man lernte sich<br />

damals beim Tanzen kennen und lieben und heiratete dann.<br />

1989 übernahm Andrea Stahl die Jugendgruppe. Aus gesundheitlichen Gründen und wegen ihres Umzugs<br />

aus Berlin übergab Barbara Lentz-Feuge 1991 dann die Gesamtleitung der Gruppe an Andrea und Michael<br />

Stahl, die die Gruppe heute noch mit viel Spaß leiten. Beide haben schon bei Barbara Lentz-Feuge in der<br />

Kindertanzgruppe getanzt.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 61


Seit 1990 wird die Tanzgruppe nicht mehr vom Bezirksamt Tempelhof unterstützt. Seitdem finden die<br />

wöchentlichen Proben jeden Mittwoch im Saal des Jugend-Kulturzentrums Wutzkyallee in Rudow statt. Der<br />

Tanzkreis Tempelhof heißt seitdem <strong>Berliner</strong> Tanzkreis Bunte Mischung.<br />

Der Volkstanzkreis Reinickendorf<br />

Am 26.10.1950 lud der 18-jährige Schüler Volkhard Jähnert seine Mitschüler vom Georg Herwegh<br />

Gymnasium zu einem Tanznachmittag in der Schule ein. Daraus entwickelte sich dann der heute noch<br />

bestehende Volkstanzkreis Reinickendorf. Über die Entwicklung der ersten Jahre und über die Entstehung<br />

der Tanztracht habe ich ja bereits schon im 50er Jahre Teil der Arbeit berichtet. Nach der Wende zu Beginn<br />

der 90er Jahre bekam die Tanzgruppe wieder etwas Zuwachs. Tänzer, die vor Mauerbau Kontakte zur<br />

Gruppe hatten, konnten nun wieder regelmäßig zu den Probenabenden kommen. Überhaupt mischten sich<br />

alle nun im vereinten Berlin bestehenden Gruppen wieder. Somit konnten Verbindungen und Freundschaften<br />

von früher wieder aufgefrischt und vertieft werden.<br />

Die Reinickendorfer Gruppe unternahm seit ihrem Bestehen vielen Reisen ins In- und Ausland. Zu den<br />

besonderen Erlebnissen zählen für<br />

die Tänzer sicher die Treffen mit<br />

Volkstanzgruppen in Schweden,<br />

Norwegen, Dänemark und Holland.<br />

Es entstanden viele enge<br />

freundschaftliche Beziehungen.<br />

Außerdem gab und gibt es viele<br />

Tanzbegegnungen im gesamten<br />

Bundesgebiet. Ein weiterer<br />

Höhepunkt war sicher auch am<br />

2.9.1983 der Auftritt bei den<br />

Fernsehaufnahmen für die „IFA<br />

Folkloreshow“. Für die Mitglieder<br />

der Gruppe sind das gemeinsame<br />

Erleben und die Gemeinschaft sehr<br />

wichtig.<br />

Foto: Auftritt zum Erntedankfest Lübars 2001<br />

So finden jedes Jahr einwöchige Wanderfahrten und auch Tagesausflüge in und um Berlin statt. Ein<br />

geselliger Abend, bei dem ausgiebig getanzt wird und eine festliche Weihnachtsfeier runden das<br />

Jahresprogramm des Tanzkreises ab. Die Vielfalt der unterschiedlichen Veranstaltungen hat die Gruppe zu<br />

einer festen Gemeinschaft zusammengeschweißt. Einige Mitglieder der Gruppe waren schon in der Kinder<br />

und Jugendgruppe tänzerisch tätig. Für die Kinder und Jugendlichen waren die Tanzjahre bei Volkhard<br />

immer eine sehr erlebnisreiche Zeit. Es gab jedes Jahr Ferienfahrten und Treffen mit anderen Tanzgruppen in<br />

Deutschland, aber auch in Schweden. Außerdem fanden regelmäßig. Kindertanzfeste in Tegel statt. Auch<br />

Kinderfasching wurde immer gefeiert. Leider gibt es auch hier wieder das verbreitete Nachwuchsproblem.<br />

Vor einigen Jahren wurde leider aus Mangel an Interessenten die Kinder- und Jugendgruppe aufgelöst. Der<br />

Volkstanzkreis Reinickendorf wird seit seiner Gründung immer noch vom Bezirksamt unterstützt.<br />

Heute tritt der Volkstanzkreis nicht mehr so oft auf wie früher, aber trotzdem ist er noch regelmäßig bei<br />

Veranstaltungen im Britzer Garten oder auch bei Tanzfesten oder Veranstaltungen in Berlin und<br />

Brandenburg zu sehen.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 62


Volkhard Jähnert wurde für seine<br />

jahrzehntelange aufopferungsvolle<br />

Tätigkeit für den Volkstanz mehrmals<br />

geehrt. So wurde ihm z.B. 1975<br />

anlässlich des 25jährigen<br />

Gruppenjubiläums die Humboldt-<br />

Medaille für seinen besonderen<br />

persönlichen Einsatz in der Jugendarbeit<br />

verliehen. 1981 wurde ihm vom<br />

Bundespräsidenten die<br />

Verdienstmedaille verliehen. Im<br />

Oktober 2010 feierte der Volkstanzkreis<br />

Reinickendorf sein 60jähriges Jubiläum.<br />

Zeitungsausschnitt:<br />

Nordberliner 14.10.2010<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 63


Der <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis<br />

Nach dem Krieg waren sich Eberhard Jähnert und Erich Krause einig. Man müsste unbedingt wieder viele<br />

neue Volkstanzgruppen gründen. So kam es, dass Erich Krause im November 1945 zu einem bunten Abend<br />

für die Jugend aufrief. (Kopie des Aufrufes am Anfang dieser schriftlichen Arbeit) Viele waren gekommen<br />

und so gründete sich daraufhin im Frühjahr 1946 der Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis. Anfangs gehörte die<br />

Gruppe zum Bezirk 61 in Prenzlauer Berg in Berlin. Ab 1951 war dann die <strong>Berliner</strong> Volksbühne der Träger.<br />

Erich begeisterte sehr viele Kinder und Jugendliche. Ab Mitte der 60er Jahre wurde aus dem Groß-<strong>Berliner</strong><br />

Volkstanzkreis das Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzensemble. Zu dieser Zeit bekam die Tanzgruppe neue<br />

Auftrittskleidung. Man konnte von einer anderen Gruppe blaue<br />

Miederkleider übernehmen. Diese wurden mit weißen Blusen und<br />

weißen Schürzen ergänzt. Zusätzlich ließ man von einer privaten<br />

Schneiderin noch rote und goldene Miederkleider nähen. Die<br />

verschiedenfarbigen Kleider kennzeichneten die verschiedenen<br />

Altersgruppen der Tänzer.<br />

Der rote Vortanzkreis waren die<br />

Kinder im Alter von 10-12 Jahren<br />

Der blaue Vortanzkreis waren die<br />

12-14 Jährigen.<br />

Ab 14 Jahren gehörte man zum goldenen Vortanzkreis. Die meisten<br />

Jugendlichen schieden dann mit ca. 18-20 Jahren aus beruflichen oder<br />

familiären Gründen aus der<br />

Gruppe aus. Die jungen<br />

Erwachsenen, die gerne<br />

weitertanzen wollten, trafen sich anfangs noch am Montagabend in den<br />

Räumen des VEB Schuhreparatur Prenzlauer Berg. Irgendwann gab es<br />

diese Gruppe aber nicht mehr. Es gab sehr<br />

viele Kindergruppen. In ca. 6 Schulen,<br />

verteilt auf die Bezirke Pankow, Prenzlauer<br />

Berg und Friedrichshain, gab Anfänger- und Fortgeschrittenenkreise. Erich<br />

Krause leitete die Proben und spielte dabei auf seinem Akkordeon. Später<br />

übernahm Erich zusätzlich die Betriebstanzgruppe der Charité. Dort lernte er<br />

Otto Reisewitz kennen, der die Gruppe auf dem Akkordeon begleitete.<br />

Später unterstütze Herr Reisewitz Jahrzehnte lang bis ins hohe Alter die vielen<br />

Gruppen des Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzensembles auf dem Akkordeon oder am<br />

Klavier.<br />

Foto: Herr Reisewitz<br />

Das Ensemble nahm an sehr vielen Volkskunstwettbewerben und<br />

Einstufungen teil. Außerdem war die Gruppe bei Auftritten zum 1.Mai,<br />

bei Wahlen, beim jährlichen Presse- und Blumenfest, in Altersheimen,<br />

bei Betriebs- und Parteiversammlungen, Veranstaltungen der<br />

Volkssolidarität und auf den vielen Tanzfesten zu sehen.<br />

Viele Jahre wurde auch jährlich Gruppenfahrten in den Ferien<br />

durchgeführt. Beim Tanzfest in Rudolstadt war die Gruppe auch<br />

vertreten. Die Jugendgruppe war auch bei Großveranstaltungen, wie<br />

Jugendfestivals oder beim Festumzug zur 750 Jahrfeier vertreten.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 64


Für die Auftritte wurde man damals von der Schule oder Ausbildung freigestellt. Nur deshalb konnte man<br />

bei so vielen Veranstaltungen präsent sein. Das gehörte alles mit zum Gesamtkonzept der kulturellen<br />

Förderung der DDR.<br />

Erich Krause musste regelmäßig an den Versammlungen des Kulturamtes vom Bezirksamt teilnehmen.<br />

Immer wieder wollte man bestimmen, dass er politische Themen in Tänzen und Choreographien verarbeiten<br />

sollte. Das Kulturamt war der Meinung. dass Volkstanz museal sei. Doch Erich Krause ließ sich nicht von<br />

seinem Denken abbringen. Er entschied sich gegen das Kulturamt und vertrat weiterhin all die Jahrzehnte<br />

den traditionellen Volkstanz.<br />

1947 fand das 1.Volkstanzfest des damals noch Groß-<strong>Berliner</strong><br />

<strong>Volkstanzkreises</strong> statt. Es folgten viele weitere. In den 50er Jahren<br />

waren die Tanzfeste ein beliebter Treffpunkt in ganz Berlin und<br />

Umgebung. Sie fanden im EAW Treptow, in der Eberswalder Str.<br />

beim Postamt und im Haus der DSF (Deutsch Sowjetische<br />

Freundschaft)<br />

In den 60er Jahren fanden die Tanzfeste oft im Haus der DSF statt.<br />

Begleitet wurden die Tanzfeste immer vom Volkstanzorchester<br />

Willy Kremke. Die zweite Frau von Willy Kremke, Dorothea,<br />

tanzte noch bis ins hohe Alter begeistert im Tanzkreis.<br />

1958 Tanzfest im Haus der DSF<br />

Ab etwa 1970 gehörte die Gruppe zum Kreiskulturhaus Prater im Prenzlauer Berg. Von nun an fanden auch<br />

die Tanzfeste und die Proben der Jugendgruppe im Prater statt. Zu den Tanzfesten spielte nun nicht mehr<br />

Willy Kremke, sondern Otto Reisewitz mit seiner Kapelle Harmonia. In den 80er Jahren wurden die<br />

Tanzfeste von Kapelle Hinze begleitet. Zu jedem Tanzfest durften alle Vortanzgruppen in einem Auftritt zu<br />

Beginn des Festes ihr Können unter Beweis<br />

stellen. In gleicher Regelmäßigkeit wie die<br />

Tanzfeste für Erwachsene fanden auch<br />

Kindertanzfeste statt, an denen alle bestehenden<br />

Kindergruppen des <strong>Berliner</strong> Volkstanzensembles<br />

teilnahmen. Damit waren die Kindertanzfeste<br />

immer sehr gut besucht. In der Wendezeit<br />

erübrigte sich die Trägerschaft des Praters.<br />

Deshalb zogen die Tanzfeste in den 90er Jahren<br />

ins SEZ (Sport- und Erholungszentrum) an der<br />

Landsberger Allee. Von nun an trug sich der<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis (nun nicht mehr<br />

Volkstanzensemble) selbst.<br />

Foto: Volkstanzorchester Willy Kremke,<br />

stehend Erich Krause mit Tochter Anita<br />

Nach dem Verkauf des SEZ zogen die Tanzfeste 2003 ins Kulturhaus Peter Edel in Weißensee und seit 2008<br />

finden die Tanzfeste in der Tanzschule am Bürgerpark statt. Im März findet übrigens das 157.Tanzfest,<br />

gleichzeitig das 65jährige Bestehen des <strong>Berliner</strong> <strong>Volkstanzkreises</strong> statt. In den 70er Jahren wurde das<br />

Konzept des ausschließlichen Volkstanzfestes geändert. Da das Interesse am Volkstanz zurück ging, musste<br />

man versuchen die Tanzfeste für das allgemeine Publikum attraktiver zu machen. Die Volkstanzfeste wurden<br />

zu geselligen Tanzfesten. Das Konzept ging auf. Es fanden wieder mehr Menschen zum Tanz. Auf den<br />

Tanzfesten wurde nun auch Gesellschaftstanzmusik gespielt. Gemeinsam wurden gesellige Tänze wie<br />

Mexikanische Walzer, Jägermarsch, Jiffy Mixer … getanzt. Dann wurde wieder zur Polka- und Walzerrunde<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 65


eingeladen. Zwischendurch wurde dann ein Volkstanzblock mit drei Tänzen eingefügt. Diese Mischung<br />

machten die Feste allgemein beliebt. Die heutigen Tanzfeste sind nun wieder ausschließlich Volkstanzfeste.<br />

Sie sind immer gut besucht und es herrscht eine fröhliche Stimmung zwischen jung und alt.<br />

Als Erich Krause 1977 verstarb, entschied sich seine Frau Karin das Lebenswerk ihres Mannes<br />

weiterzuführen.<br />

Anfang der 80er Jahre kam von den damaligen<br />

Volkstänzern der Wunsch auf, eine Seniorengruppe zu<br />

gründen. Die Kinder waren inzwischen groß und man<br />

hatte wieder Zeit und Lust zum Tanzen. Karin erklärte<br />

sich bereit, so eine Gruppe, noch neben den Kinder-<br />

und Jugendgruppen, zu leiten. 1984 war es dann<br />

soweit und der Seniorentanzkreis des <strong>Berliner</strong><br />

<strong>Volkstanzkreises</strong> war „geboren“. Musikalisch wurden<br />

die Probenabende bis Anfang der 90er Jahre<br />

traditionsgemäß von Herrn Reisewitz begleitet, der<br />

sich dann, inzwischen über 80jährig, zur Ruhe setzte.<br />

Seitdem werden von der Gruppe Tonträger genutzt.<br />

Da ab 1990 keine kostenlosen Übungsräume mehr zur Verfügung standen, lösten sich die Kindergruppen<br />

allmählich auf. Wir acht Tänzerinnen der Jugendgruppe waren nun alle in der Ausbildung oder gründeten<br />

Familien. Nun gab es nur noch den Seniorentanzkreis.<br />

Karin übernahm Anfang der 90er Jahre eine Gruppe bewegungsgestörter Kinder, mit denen sie einige Zeit<br />

tanzte.<br />

Die Seniorengruppe bildet nun den Kern des <strong>Volkstanzkreises</strong>. 1999 gab Karin dann die Gruppe aus<br />

gesundheitlichen Gründen ab. Mein Vater Horst Feurich übernahm nun die künstlerische Leitung. Wir<br />

tanzen jeden Montag ca. 3 Stunden. Die Gruppe hat im Moment ca.35 aktive Tänzer. Ab und zu kommen<br />

Gäste dazu. Unser Altersdurchschnitt liegt inzwischen bei ca.75 Jahren, was aber auf die Tanzfreude und<br />

Aktivität der Tänzer keine Auswirkung hat. Wir führen immer noch regelmäßig unsere Tanzfeste durch.<br />

Jährlich treten wir mehrmals auf, unter anderem im Britzer Garten, beim Turnerbund und in Altersheimen<br />

oder bei Veranstaltungen der Volkssolidarität. Auch beim großen Herbsttanzfest sind wir immer vertreten.<br />

Zu den Auftritten tragen die Damen grüne Röcke und weiße Blusen, dazu eine weiße Schürze und ein buntes<br />

Schultertuch. Die Herren tragen schwarze Hosen, weißes Hemd und dazu eine grün- oder hell gestreifte<br />

Weste. Unsere Kleidung ist keine Tracht, sondern nur eine Tanzkleidung. Ein sehr interessanter Höhepunkt<br />

im Gruppenleben waren die mehrmaligen Teilnahmen an den Educationprojekten der <strong>Berliner</strong> Philharmonie<br />

unter Leitung von Sir Simon Rattle in denen mehrere Generationen gemeinsam auftraten. Das war für alle<br />

eine sehr interessante Erfahrung.<br />

Einmal im Jahr führen wir eine einwöchige<br />

Trainingsfahrt durch. Wandern, singen und<br />

Geselligkeit kommen dabei auch nicht zu kurz.<br />

Leider haben auch wir Nachwuchssorgen. Wir<br />

hoffen aber sehr, dass sich das irgendwann<br />

einmal ändert, damit der <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis<br />

noch viele Jahre besteht.<br />

Im März 2011 wird sich mein Vater aus der<br />

Leitung zurückziehen. Oliver und ich werden<br />

dann die Gruppe weiterleiten.<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 66


Auf den nächsten Seiten habe ich einige Relikte aus der „guten alten Zeit“ zusammengestellt, von denen ich<br />

glaube, dass sie von Interesse sein könnten.<br />

Zeitungsausschnitt dem Nacht-Express 31.12.1951<br />

Windmüller, Auftritt ca. 1953 Rudolstadt, Juli 1969<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 67


Tanzfest in Rudolstadt, Juli 1969<br />

Foto rechts: Auftritt auf der Praterbühne<br />

ca. 1974<br />

Foto oben: „Verkaufte Braut“- getanzt vom<br />

Goldenen Vortanzkreis<br />

Foto rechts: „Tschechische Polka“-<br />

Abschlusstanz von allen drei Vortanzkreisen<br />

Internationales Volkstanzfest in Rudolstadt,<br />

Juli 1969<br />

September 1987<br />

100. Tanzfest im Prater<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 68


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<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 75


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 76


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 77


Probe in der Turnhalle der 1.Oberschule Prenzlauer Berg, Heinrich-Roller-Strasse, Tanzleiter Erich Krause<br />

spielt selbst auf dem Akkordeon<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 78


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 79


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 80


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 81


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 82


Neues Deutschland, 16.8.1988<br />

Neue Zeit, 26.3.1988<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 83


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 84


<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 85


Quellennachweis:<br />

Literatur:<br />

1. Elvira Heising/Sigrid Römer „Der Tanz im ››künstlerischen Volksschaffen‹‹ der DDR“<br />

Amateurbühnentanz- Volkstanz zum Mitmachen,<br />

DBT e.V. Remscheid, 1.Auflage 1994<br />

2. Volker Klotzsche „Tanzen seit 1945“<br />

Personen, die den Laientanz maßgeblich beeinflusst haben<br />

DBT e.V. Remscheid 1988<br />

3. Zeitschrift „Volkstanz“ Juni 1952, Januar 1956<br />

Internetquellen:<br />

www.zte.de<br />

www.zpte.de<br />

www.folkloretanzgruppe-koepenick.de<br />

www.tanzensemble-rosenbluete.de<br />

Den größten Teil der hier verwendeten Informationen habe ich in Gesprächen mit Zeitzeugen aus den<br />

verschiedensten Tanzgruppen erhalten. Alle von mir befragten Personen stellten mir freundlicherweise Fotos<br />

und Dokumente zur Verwendung für diese schriftliche Arbeit zur Verfügung. Dafür bin ich allen sehr<br />

dankbar. Trotz der Vielzahl der Informationen, ist diese Arbeit nur ein kleiner Überblick über die <strong>Berliner</strong><br />

Volkstanzgeschichte. Es gibt noch viel mehr Tanzfreunde, die mir Rede und Antwort gestanden hätten und<br />

die Kontakte zu anderen Zeitzeugen herstellen könnten, aber um umfangreichere Informationen<br />

zusammenzutragen war die Zeit einfach zu kurz. So war ich gezwungen, eine Auswahl von Fakten zu<br />

treffen, um damit einen abwechslungsreichen Querschnitt über die Geschichte zu geben.<br />

Hier die Namen der von mir befragten Personen in alphabetischer Reihenfolge:<br />

Gisela Baudach<br />

Edith und Horst Feurich, meine Eltern<br />

Margot und Helmut Fiedler<br />

Anni Herrmann<br />

Volkhard Jähnert<br />

Annegret John<br />

Karin Krause, bei ihr habe ich meine ersten Tanzschritte gelernt<br />

Anita Ladewig, Tochter von Erich und Karin Krause<br />

Elke Lindemann<br />

Helga Preuss<br />

Roger Reinsch<br />

Ingeborg und Wolfgang Schöbel<br />

Andrea und Michael Stahl<br />

Martin Ströfer<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 86


<strong>Inhaltsverzeichnis</strong><br />

Vorwort Seite 3<br />

Nachkriegsjahre Seite 4<br />

Die 50er Jahre Seite 15<br />

Die 60er Jahre Seite 48<br />

Die 70er Jahre Seite 49<br />

Die 80er Jahre Seite 56<br />

Die 90er Jahre bis heute Seite 58<br />

Der Volkstanzkreis Tempelhof Seite 61<br />

Der Volkstanzkreis Reinickendorf Seite 62<br />

Der <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis Seite 64<br />

Quellennachweis Seite 86<br />

<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 87

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