Inhaltsverzeichnis - Berliner Volkstanzkreises
Inhaltsverzeichnis - Berliner Volkstanzkreises
Inhaltsverzeichnis - Berliner Volkstanzkreises
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 2
Vorwort<br />
Die folgende Arbeit ist ein Versuch einen Überblick über die Volkstanzlandschaft in Berlin nach dem<br />
2.Weltkrieg bis in die heutige Zeit (1945-2010) zu schaffen. Das wird nicht ganz einfach, denn durch die<br />
Besatzung Deutschlands und Berlins durch die 4 Siegermächte Frankreich, Großbritannien, USA und<br />
Sowjetunion zeichnete sich schon gleich nach dem Ende des Krieges am 8. Mai 1945 eine unterschiedliche<br />
gesellschaftspolitische Entwicklung ab. Während Frankreich und Großbritannien sich an die Weltmacht<br />
USA hielten und sich der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zuwendeten, vertrat die Sowjetunion den<br />
sozialistischen Grundgedanken.<br />
In beiden Gesellschaftsordnungen wurde Volkstanz gepflegt und entwickelt. Es entstanden viele Gruppen.<br />
Vor dem Krieg gab es aber auch schon viele Gruppen, die danach weitergeführt wurden. Oft wird zu diesem<br />
Thema: „Volkstanz in Ost und West“ sehr schwarz-weiß gesprochen. Dem ist aber nicht ausschließlich so.<br />
Es gab durchaus auch „Grautöne“. Zu diesem Thema gibt es nicht allzu viel Büchermaterial und wenn, wird<br />
es immer sehr einseitig behandelt, auch das Internet ist ziemlich rar an Informationen darüber. Deshalb habe<br />
ich die wertvollsten Informationen in sehr interessanten Gesprächen mit Tänzern und Tänzerinnen aus den<br />
verschiedensten Volkstanzgruppen Berlins zusammengetragen. Es war für mich sehr schön, mitzuerleben,<br />
mit welcher Freude sie über ihre Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit berichteten. Gerade die 50er Jahre<br />
wurden sehr intensiv erlebt, da es in dieser Zeit sehr viele Volkstanzaktivitäten gab. Man konnte jeden Tag in<br />
der Woche in eine andere Gruppe tanzen gehen und jedes Wochenende gab es mehrere<br />
Volkstanzveranstaltungen. Wenn ich am Übungsabend den einen oder anderen auf mein Thema ansprach<br />
und ihn bat mir von früher zu erzählen, wurden es meist sehr lange Gespräche. Schön war, wenn einer anfing<br />
von seiner Volkstanzgruppe von damals zu erzählen und andere bekamen dies mit. Da setzte man sich dazu,<br />
hörte interessiert zu oder stellte fest, dass man ja damals in der gleichen Gruppe war. Dann ging die<br />
Recherche los. „Mit wem hast Du denn damals getanzt?“, „In welchen Jahren warst Du denn da?“…und man<br />
bemerkte, dass man schon früher oft miteinander zu tun hatte und sich jetzt, älter geworden, nur nicht<br />
wiedererkannt hatte. Dann wurden die Gespräche recht lustig und in der nächsten Probe wurden dann alte<br />
Fotos mitgebracht und angeschaut. Viele hatten aus beruflichen Gründen oder weil sie eine Familie<br />
gegründet hatten mit dem Tanzen aufgehört. Oder manche Gruppen lösten sich auch in den 60er Jahren aus<br />
Mangel an Interessierten auf, sodass man sich eine neue Tanzgruppe suchen musste. Man lernte neue Tänzer<br />
kennen oder traf auch manche von damals wieder und manchmal bemerkte man eben erst jetzt, dass man<br />
sich eigentlich schon kannte.<br />
Alle, mit denen ich gesprochen habe, zeigten großes Interesse an meinem gewählten Thema, weil es hier um<br />
sehr bewegte Jahrzehnte geht, die es unbedingt gilt in Wort und Bild für die nächsten Generationen<br />
festzuhalten. Oft hörte ich den Satz. „Wenn Du mit deiner Arbeit fertig bist, möchte ich sie unbedingt lesen.“<br />
Ich habe so viele Informationen, wie möglich zusammengetragen. Es gab aber damals zeitweise sehr viele<br />
Tanzgruppen, so dass es mir natürlich nicht möglich war über alle zu schreiben, aber ich hoffe, dass es mir<br />
mit den zusammengetragenen Erinnerungen der Volkstänzer gelungen ist einen repräsentativen Querschnitt<br />
durch die letzten 6 Jahrzehnte Volkstanzgeschichte in Berlin zu geben. Über manche Gruppen konnte ich<br />
nicht sehr viele Informationen bekommen, über andere mehr. Von einigen Gruppen weiß ich nur, wann sie<br />
ungefähr bestanden und wer sie damals leitete, über andere Gruppen habe ich mehr Informationen von den<br />
entsprechenden Gesprächspartnern bekommen. Somit ergibt sich also, dass über einige Gruppen<br />
ausführlicher und über andere Gruppen weniger berichtet wird.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 3
Nachkriegsjahre<br />
1945 lag Deutschland in Schutt und Asche. Viele Menschen hatten ihr gesamtes Hab und Gut verloren,<br />
andere trauerten um ihre im Krieg gefallenen Angehörigen. Die gesamte Wirtschaft war am Boden. Nach<br />
und nach versuchte man zum normalen Leben zurückzukehren, was nur unter erschwerten Bedingungen<br />
möglich war. Die Trümmer mussten beseitigt werden, neuer Wohnraum geschaffen werden. Arbeitsplätze<br />
waren knapp, Lebensmittel gab es nur auf Zuteilung und nicht genug, die Dinge und Gewohnheiten des<br />
alltäglichen Lebens waren auf dem Tiefpunkt angelangt. Die Menschen wussten nicht, wie es weitergehen<br />
sollte.<br />
Nachdem die schlimmste Nachkriegszeit überstanden war, suchten die Menschen wieder die Gemeinschaft.<br />
In allen Teilen Berlins und im Umland entstehen in Turnvereinen und Jugendorganisationen<br />
Volkstanzgruppen. Getanzt werden zu dieser Zeit in Berlin zum größten Teil Jugendtänze. Es wurde an die<br />
Arbeit vor 1933 angeknüpft, denn nur wenige Tanzgruppen konnten während des Naziregimes frei arbeiten,<br />
da die Nationalsozialisten die Volkstänzer vereinnahmt hatten. Deshalb wurden die Tänzer nach 1945<br />
teilweise total abgelehnt und belächelt. Das gab sich aber bald wieder. Ältere Volkstänzer riefen auf, wieder<br />
regelmäßig miteinander zu tanzen.<br />
Durch die Wandervogelbewegung, die Naturfreunde, die Falken oder aber auch durch andere<br />
Jugendorganisationen, wie z.B. Jugendausschüsse der Bezirksverwaltungen, die spätere FDJ, und die<br />
Naturfreunde rief man die Jugend auf, sich kulturell zu betätigen und ihnen damit eine sinnvolle<br />
Freizeitbeschäftigung und Ablenkung von den Nachwirkungen des Krieges zu bieten.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 4
In den Jugendgruppen traf man sich regelmäßig. Es wurde gemeinsam gesungen, über Gott und die Welt<br />
geredet, kleine Theatergruppen und Volkstanzgruppen gegründet. Jede Gruppe hatte ihren Schwerpunkt, so<br />
lag dieser z.B. in einem Bezirk beim Theaterspiel, oder in einem anderen Bezirk beim Volkstanz. So z.B. im<br />
Prenzlauer Berg im Bezirk 61. Hier wurde 1946 der „Großberliner Volkstanzkreis“ von Erich Krause<br />
gegründet. Erich Krause war schon vor dem Krieg ein sehr aktiver Volkstänzer, der schon damals<br />
Tanzgruppen leitete.<br />
Nach dem Krieg gab er dann seine Volkstanzerfahrung an die Kinder und Jugendlichen weiter. Es wurde<br />
regelmäßig geprobt. Außerdem konnte man im Jugendheim auch anderen Interessen nachgehen, wie lesen,<br />
Schach spielen, Radio hören oder Tischtennis spielen. Die Woche im Bezirk 61 wurde wie folgt gestaltet:<br />
Jeden Montag 19-21 Uhr Volkstanz-Lehrgang<br />
Jeden Dienstag 19-21 Uhr Basteln<br />
Jeden Mittwoch 18-20 Uhr Laienspiel und Sprechchor<br />
Jeden Donnerstag 19-21 Uhr Heimabend für alle<br />
Jeden Freitag 19-21 Uhr abwechselnd Literatur- und Schulungsabend<br />
Jeden Sonnabend 17 Uhr Musik-Übungsabend<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 5
Eine Kindergruppe für die 10-14-jährigen wurde auch aufgebaut. Der Heimabend sollte möglichst von allen<br />
Jugendlichen besucht werden, um das Band einer engen Kameradschaft zu schaffen. Die Jugendgruppen der<br />
Stadtbezirke wurden dann ab 1946 zu FDJ-Jugendgruppen.<br />
Die Arbeit der Bezirksgruppen wurde in<br />
der Öffentlichkeit präsent gemacht. So<br />
fanden, z.B. Auftritte der Tanzgruppen<br />
auf der Straße statt.<br />
Foto:<br />
Tanz auf der Straße etwa 1948<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 6
Am 12. April 1947 fand das 1.Volkstanzfest des Großberliner <strong>Volkstanzkreises</strong> des Jugendausschusses 61,<br />
Prenzlauer Berg unter der Leitung von Erich Krause in Birkenwerder bei Berlin statt.<br />
Programm des 1. Tanzfestes<br />
Fast jeder <strong>Berliner</strong> Sportverein hatte nach dem Krieg eine Volkstanzgruppe. Gegen Ende der 40er Jahre gab<br />
es in jedem Stadtbezirk eine oder mehrere Tanzgruppen. Diese wurden dann von dem jeweiligen Bezirksamt<br />
gefördert. Somit waren kostenlose Übungsräume und die Bezahlung der Volkstanzleiter und Musiker<br />
gesichert.<br />
Gerade die Jugend hatte viel Spaß am Tanzen. Die meisten Tänzer und Tänzerinnen waren zwischen 18 und<br />
20 Jahre alt. Die Jungen tanzten in kurzen Hosen und die Mädchen trugen Rock und Mieder. Die Tanzarbeit<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 7
war damals noch sehr von der Gymnastik beeinflusst, man tanzte also mit hohen Sprüngen. Deshalb hatten<br />
die Volkstänzer damals ihren Ruf als „Hüpferlinge“ weg. Die Tanzleiter richteten ihr Tanzrepertoire nach<br />
den noch vorhandenen Materialbeständen. Um dem jugendlichen Übermut Genüge zu tun, standen oft und<br />
gerne die in den 1920er Jahren geschaffenen Jugendtänze auf dem Programm der abendlichen<br />
Übungsstunden. Beliebte Tänze waren damals Krüzkönig, Dölziger Mühle, Märkische Viertour, Wilde<br />
Hummel, Bruder Lustig, aber auch Volkstänze wie Scheeßeler Windmüller, Settquadrille und Jägerneuner -<br />
übrigens alles Tänze, die sich zum Teil heute noch größter Beliebtheit erfreuen, nur das die Tänzer nun<br />
inzwischen schon oft 65 Jahre und älter sind. Die von Walter Bröscky in den 30-iger Jahren geschaffenen<br />
Gemeinschaftstänze sollten eine Verbindung zwischen Volkstanz und Gesellschaftstanz bilden. Sie wurden<br />
eher von den älteren Volkstänzern bevorzugt und bei festlichen Zusammenkünften getanzt. In den ersten<br />
Jahren des Wiederaufbaus wurden die Tanzabende nur mit Livemusik begleitet. Viele ältere Tanzleiter<br />
waren es gewohnt selbst Musik zu spielen. Die Noten und Instrumente konnten teils unter schwierigen<br />
Umständen wieder beschafft werden und so funktionierte das Tanzen recht gut nach lebendiger Musik.<br />
In der sowjetischen Besatzungszone, also im Ostteil Berlins liefen die ersten sowjetischen Propagandafilme,<br />
die die antifaschistische Umerziehung unterstützen sollten. Eine große Bereicherung erhielt die „Kultur auf<br />
Trümmern“ durch die aus dem Exil zurückkehrenden Künstler der verschiedensten Kunstgattungen, die nun<br />
ihren Beitrag zum Aufbau des befreiten Deutschland leisten wollten. Unter den sowjetischen<br />
Kulturoffizieren befanden sich viele Künstler, die sich durch unmittelbare praktische Hilfe, wie z.B. durch<br />
die Versorgung mit Lebensmittelpaketen, für die Künstler einsetzten. Der Wiederaufnahme und Entwicklung<br />
der künstlerischen Selbstbetätigung der Werktätigen galt eine fürsorgliche Beachtung.<br />
Am 3.7.1945 wurde dann der „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ gegründet. Dieser<br />
zählte schon 2 Jahre nach seiner Gründung 93000 Mitglieder.<br />
Auf der 1. Zentralen Kulturtagung der KPD im Februar 1946 referierte Wilhelm Pieck (1949-1960 erster<br />
und einziger Präsident der DDR) zum Thema: Die Erneuerung der deutschen Kultur. Er sagte: „Wir werden<br />
uns mit allen Kräften dafür einsetzen, dass die bisherige Fernhaltung der breiten Massen unseres Volkes von<br />
der kulturellen Betätigung und vom Genuss der durch das kulturschöpferische Wirken erzeugten Werte<br />
beseitigt wird.“ Mit der Losung „DIE KUNST DEM VOLKE“ wird schon hier die Grundrichtung der<br />
späteren SED-Kulturpolitik manifestiert. Hauptanliegen dieser Konferenz war die Frage: Was muss getan<br />
werden, um den Menschen in ihrer Freizeit ein Mehr an kultureller Bildung zu verschaffen?<br />
Bei einem Gastspiel des sowjetischen Alexandrov- Ensembles der Roten Armee im Juli 1946 in Berlin hatten<br />
viele Zuschauer zum ersten Mal die Gelegenheit Volkstanzkunst in vollendeter künstlerischer Meisterschaft<br />
zu erleben. Aufgeführt wurden thematische Tanzgestaltungen mit folkloristischen Mitteln. Durch die<br />
zahlreichen Gastspiele sowjetischer Ensembles wurde die Gründung vieler Tanzgruppen angeregt. In den<br />
Betrieben entstanden Volkskunstkollektive.<br />
Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) spielte eine große Rolle bei der Entstehung neuer<br />
Volkskunstgruppen. Er übernahm die finanzielle Unterstützung und kümmerte sich um die geistigkulturellen<br />
Bedürfnisse der Werktätigen. Durch die Verbesserung der Lebensbedingungen stieg die Zahl der<br />
neugegründeten Gruppen und Zirkel an. Somit wurde es nötig eine zentrale Stelle für deren politische und<br />
künstlerische Betreuung ins Leben zu rufen. Das war die Deutsche Volksbühne, die im Mai 1947 ihre Arbeit<br />
aufnahm.<br />
Bedeutungsvoller Höhepunkt für die Laientänzer nach dem Krieg war die 1. Zentrale Leistungsschau der<br />
Volkskunstkollektive der sowjetischen Besatzungszone (Ost-Berlin) vom 1.-8. August 1947. Obwohl<br />
hinsichtlich der Arbeits- und Lebensbedingungen, sowie der Versorgung der Bevölkerung vieles im Argen<br />
lag, wurde diese Leistungsschau veranstaltet. Hier hatten die besten, aus Wettbewerben hervorgegangenen,<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 8
Tanzgruppen die Möglichkeit zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch. Vordergründig sah es so aus, als ob<br />
die Gruppen an ihren künstlerischen Leistungen gemessen wurden, was sicher auch ein wichtiger Punkt war,<br />
aber für die Ausrichter dieser Veranstaltungen gab es auch den Aspekt der gesellschaftlichen Führung der<br />
Gruppen. Somit wurde also auch das Vermögen der Trägereinrichtungen gemessen, wie sie ihre Gruppen<br />
sowohl materiell, als auch ideologisch unterstützten.<br />
Das Jahr 1948 war dann geprägt durch zahlreiche Gastspiele sowjetischer Gesangs- und Tanzensembles in<br />
der sowjetischen Besatzungszone. Diese hinterließen nicht nur beim Publikum großen Eindruck, sondern<br />
gaben auch den vielen Laientänzern unzählige Anregungen im Umgang mit dem Volkstanz und Grund zum<br />
Nacheifern. Aber um solche bewunderungswürdigen künstlerischen Leistungen zu erbringen bedarf es<br />
Unterstützung in finanzieller und materieller Art. Das bedeutete also, dass man die staatliche Einflussnahme<br />
in Kauf nahm. Somit wurden kulturelle Höhepunkte, wie z.B. zentrale Kulturgruppenwettbewerbe,<br />
Volkskunsttage und zentrale Leistungsschauen vom Staat verordnet. Während der Volkskunsttage in Berlin<br />
1948 schlossen sich die dort versammelten Gruppen zum Bund der Volksbühnen zusammen. Man wollte<br />
damit die Einheit der Volkskunst im Osten waren und der westlichen Kultur geistige Überlegenheit<br />
beweisen.<br />
Im Januar 1949 wurde die „Verordnung zur Überführung von Volkskunstgruppen und volksbildenden<br />
Vereinen in die bestehenden demokratischen Massenorganisationen (z.B. FDGB, FDJ u.a.) verabschiedet.<br />
Damit sollte nun die Neuauflage bürgerlicher Volkskunstvereine und rein privates Engagement unterbunden<br />
werden. Für die aktiven Volkskünstler war das ganze politische und auch diktatorische Ausmaß anfänglich<br />
nicht absehbar. Für sie war wichtig, ihr Hobby unentgeltlich ausüben zu können, teilweise auch unter<br />
fachkundiger Anleitung.<br />
Im Mai 1949 wurde, als Ergebnis der 1. Parteikonferenz der SED im Januar 1949, die Zentralstelle für<br />
Volkskunst beim Bund deutscher Volksbühnen gegründet, der Grundstein für das ab 1952 tätige Zentralhaus<br />
in Leipzig.<br />
Im Westteil der Stadt (englische, französische und amerikanische Besatzungszone) sah man die ganze Sache<br />
nicht so politisch. Die Jugend sollte Spaß am Tanzen und der Gemeinschaft haben und neue Lebensfreude<br />
nach den harten Zeiten des Krieges finden. Das traditionelle Volkstanzerbe sollte gepflegt und erhalten<br />
werden. Jeder Jugend- und Sportverein hatte seine Tanzgruppe.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 9
Ich unterhielt mich mit Gisela Baudach. Sie erzählte, dass sie damals in Haselhorst (Bezirk Spandau)<br />
wohnte. Sie war damals, 1949, 13 Jahre alt und wollte unbedingt in eine Tanzgruppe gehen. Die Auswahl<br />
war groß. Sie konnte wählen, zwischen den Tanzgruppen von der Kirche, den Pfadfindern, den<br />
Naturfreunden oder auch den Falken, der Jugendorganisation der SPD. Sie entschied sich für die Falken. Die<br />
Tanzleiterin war eine junge Frau, die vor dem Krieg schon in einer Volkstanzgruppe getanzt hatte. Sie gab<br />
nun ihre Erfahrungen an die tanzende Jugend weiter. Getanzt wurde im Jugendheim Haselhorst.<br />
Bei den Falken gab es Kinder-, Jugend- und Erwachsenengruppen. Man teilte sie ein in die Nestfalken, das<br />
waren die kleineren Kinder, die Jungfalken das waren Kinder bis 12 Jahre, die Wanderfalken für die älteren<br />
Kinder ab ca. 13 Jahre und die Sturmfalken für die jungen Erwachsenen.<br />
Gisela erinnerte sich an Tänze, die sie in der Gruppe tanzte. Dazu gehörten Tänze, wie z.B. „Gah von mi, ga<br />
von mi, i mag di net sehn“, „Bin die kleine Nimburgerin“, „Du und ich wir beide, so prominieren wir“, „Es<br />
geht nichts über die Gemütlichkeit“, „Wenn hier ein Pott mit Bohnen steht“, „Hier ist grün und dort ist grün<br />
wohl unter meinen Füßen“, „Ei ja so singen wir, ei ja so singen wir“.<br />
Auch Tänze wie Stoppgalopp, Klapptanz, Spinnradl, Schaumburger<br />
oder Menuettwalzer wurden getanzt. Als Tanzkleidung trugen die<br />
Mädchen blaue Röcke und weiße Blusen.<br />
Im Jahre 1957 löste sich der Kreis auf.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 10
In Hohen- Neuendorf bei Berlin baute Eberhard Jähnert 1947 wieder eine Volkstanzgruppe auf. Sie hatte<br />
schon von 1925 bis zum Krieg als Untergruppe des dort ansässigen Turnvereines bestanden. Nachdem die<br />
erste schlimme Nachkriegszeit überwunden war, suchten die Menschen wieder die Gemeinschaft. Somit<br />
wurde der kleine Tanzkreis immer größer und 1949 wurde dann mit einem Anfängerkreis eine zweite<br />
Gruppe aufgebaut. Dabei wurde Eberhard Jähnert von seinem damals sechzehnjährigen Sohn Volkhard<br />
unterstützt, der dabei schon die ersten Erfahrungen für seine spätere Tanzarbeit sammelte.<br />
1.Mai 1949 In Briese beim Tanzfest<br />
Auftritt Bürgerpark Pankow,19.7.53<br />
Mitgliedskarte von Volkhard<br />
Jähnert vom Volkstanzkreis<br />
Hohen Neuendorf<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 11
Außerdem leitete Eberhard Jähnert noch die BVG-Tanzgruppe in Berlin-Weißensee. Die Tänzer und<br />
Tänzerinnen hatten eine eigene Tanztracht. Um welche es sich dabei handelte, weiß ich leider nicht.<br />
Am 12. November 1949 kam es zur Gründung der Gesamtberliner Arbeitsgemeinschaft der Leiter der<br />
Volkstanzgruppen. In Berlin und im Umland existierten bereits über 30 Volkstanzgruppen mit insgesamt<br />
1500 Tänzern. Deshalb sah man es für notwendig, sich regelmäßig zu treffen und Anregungen zur<br />
praktischen Arbeit auszutauschen und eine einheitliche Linie im Volkstanz in Berlin zu finden. In der<br />
Arbeitsgemeinschaft trafen sich acht Vertreter aus dem Westen und neun aus dem Osten Berlins. Zu den<br />
Teilnehmern der ersten Zusammenkunft gehörten unter anderem Sepp Böhmert, Arthur Bolle, Eberhard und<br />
Volkhard Jähnert, Erich Krause, Alfred Kummer, Herbert Oettke und Fredi Zip. Es entstand eine<br />
Arbeitsgemeinschaft, die sich einmal im Monat jeweils abwechselnd in Ost- und Westberlin traf. Die<br />
jüngeren Tanzleiter erhielten hier Arbeitsmaterial und Anregungen von den erfahrenen älteren Leitern.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 12
Hier der Bericht vom ersten Zusammentreffen. Geschrieben von Alfred (Atze) Kummer:<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 13
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 14
Am 11.Oktober 1949 traf sich Herbert Kluge mit einigen Freunden, um den Volkstanzkreis Tempelhof zu<br />
gründen. Deutsche Tänze sollten gepflegt und verbreitet werden und man wollte gemeinsam singen und<br />
wandern. Leider fand sich lange kein geeigneter Raum, das Bezirksamt Tempelhof half bei der Suche, so<br />
dass sich die Gruppe im Herbst 1950 gründete. Die Tanzgruppe existiert heute noch. Dazu später mehr.<br />
Im Mai und Oktober 1949 wurden die beiden deutschen Staaten Bundesrepublik Deutschland und die<br />
Deutsche Demokratische Republik gegründet.<br />
Die 50iger Jahre<br />
Die 50iger Jahre waren wohl der Höhepunkt in der Volkstanzarbeit in Berlin. Überall gab es Tanzgruppen<br />
und wer besonders tanzwütig war, tanzte bis zu sechs Mal in der Woche in verschiedenen Gruppen. So tanzte<br />
man z.B. in der Volkshochschule Neukölln unter der Leitung von Charlotte und Walter Huhn, Steglitzer<br />
Tanzkreis von den Naturfreunden, später Beschwingter Kreis Steglitz unter Leitung von Irmchen Lemm und<br />
heute von Horst Teschendorf, Volkstanzkreis der Naturfreunde in Wedding unter Leitung von Arthur Bolle,<br />
Volkstanzkreis Reinickendorf unter Leitung Volkhard Jähnert, Volkstanzkreis Hohen Neuendorf mit<br />
Eberhard Jähnert, Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis, Ltg. Erich Krause, Volkstanzkreis Tempelhof, Ltg. Herbert<br />
Kluge (Ltg. Änderte sich im Laufe der Jahre öfter, dazu später mehr)Naturfreundekreis Neukölln, Ltg.<br />
Oderstr. Werner Kumkar (Mohrchen), ab 1961 Anni Hermann und in den vielen Betriebstanzgruppen. Dies<br />
ist nur ein kleiner genannter Teil von Volkstanzgruppen. Es gab weitaus mehr, aber hier alle Gruppen<br />
aufzuführen wäre ein eigenes Buch wert.<br />
Fast jeden Monat gab es in einem Stadtteil von Berlin ein Volkstanzfest, oder auch mehrere. Manchmal<br />
überschnitten sich sogar die Termine und man hatte die Qual der Wahl sich für eines zu entscheiden. Die<br />
wohl bekanntesten Tanzfeste waren die in Britz, unter der Leitung von Charlotte und Walter Huhn und die<br />
Tanzfeste des Groß-<strong>Berliner</strong><br />
<strong>Volkstanzkreises</strong> in Weißensee,<br />
später auch in anderen<br />
Bezirken, wie Treptow und<br />
Prenzlauer Berg bei Erich<br />
Krause. Die Tanzfeste des<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Volkstanzkreises</strong> (das<br />
„Groß“ ließ man irgendwann<br />
weg)<br />
werden heute noch 2x jährlich<br />
veranstaltet. Beide Feste fanden<br />
turnusmäßig statt und zählten<br />
jeweils bis zu 200 bis 400<br />
Tänzern.<br />
Hier ein Foto vom Tanzfest 1953 im EAW Treptow<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 15
In Neukölln wechselten sich die Volkstanzgruppen der drei Jugendheime Oderstrasse, Lessinghöhe und<br />
Hannemannstrasse monatlich mit der Ausrichtung der Tanzfeste in der Fritz- Karsen-Schule in der Onkel-<br />
Bräsig-Straße ab. Diese Tanzfeste gab es auch viele Jahre. Hier das Tanzprogramm vom 31.1.1960.<br />
Im Jugendheim Mitte am Askanierring in Spandau fanden ebenfalls regelmäßig Tanzfeste statt. In den<br />
Köpfen der vielen Volkstänzer existierte die politische Trennung Deutschlands nicht wirklich, man tanzte in<br />
Ost- und in Westberlin. Für die Tanzleiter sah es da schon etwas anders aus. Aufgrund der politisch<br />
zugespitzten Lage in Berlin wurde es nicht gern gesehen, wenn sie an öffentlichen Veranstaltungen im<br />
jeweils anderen Teil der Stadt teilnahmen.<br />
Leider erzwang diese Situation bald auch eine Trennung der Arbeitsgemeinschaft der Tanzleiter. So gab es<br />
also nach 1952 eine Arbeitsgemeinschaft in Ost- und in Westberlin. 1. Vorsitzender im Westteil der Stadt<br />
wurde Walter Huhn, später war es Arthur Bolle. Eberhard Jähnert war der 2.Vorsitzende der<br />
Arbeitsgemeinschaft für Tanzleiter in Ostberlin und Volkhard Jähnert war der 2. Vorsitzende der<br />
Arbeitsgemeinschaft in Westberlin. Da Vater und Sohn sich regelmäßig privat trafen und sich über die<br />
Tanzentwicklung austauschten, ging die Volkstanzarbeit in beiden Teilen der Stadt fast gleiche Wege. Dies<br />
endete leider 1961 mit dem Mauerbau.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 16
Blick in den Ostteil Berlins:<br />
Im Ostteil der Stadt wurden schon zu Anfang der 50er Jahre zwei unterschiedliche Auffassungen von der<br />
Pflege und Entwicklung des deutschen Volkstanzes sichtbar. Waren da auf der einen Seite die<br />
Betriebstanzgruppen, deren Tanzleiter an den originalen überlieferten Tänzen und den Jugendtänzen<br />
festhielten, gab es da auf der anderen Seite die Tanzgruppen, die den Volkskunstkollektiven der<br />
Massenorganisationen angehörten, die sich verpflichtet fühlten, die Vorgaben der sozialistischen<br />
Kulturarbeit besonders ernst zu nehmen. Eigentlich hatten alle Laientanzgruppen im Ostteil der Stadt die<br />
Aufgabe, das Leben der Werktätigen in ihren Betrieben und der Gesellschaft der DDR in ihren<br />
Choreographien widerzuspiegeln.<br />
Der Beginn der 50er Jahre war für die Entwicklung des Laienbühnentanzes in der DDR von großer<br />
Bedeutung. Durch den Anschluss der Gruppen an die Betriebe oder gesellschaftlich-politischen<br />
Organisationen wurde die Laienkunst für den Staat kontrollierbarer. Anfang der 50er Jahre überschlugen sich<br />
die kulturellen Ereignisse und Volkskunst wurde unter Wahrung und Pflege der traditionellen<br />
Überlieferungen ein fester Bestandteil im Kulturleben des Arbeiter- und Bauernstaates DDR. Im Mai 1950<br />
gab es das Deutschlandtreffen der Jugend in Berlin. Viele Tänzer beteiligten sich an dem im Rahmen des<br />
Deutschlandtreffens stattfindenden Wettbewerb der Landeskulturgruppen der FDJ unter dem Motto: „Bereit<br />
zur Arbeit und Verteidigung“ und kämpften um den „Preis des Weltbundes der demokratischen Jugend“.<br />
Aufgeführt wurden Bühnenprogramme mit Namen, wie „Tanzlied vom Bauer, Bergmann und Arbeiter“,<br />
„Schwedische Volkstänze“ oder aber auch ein Schlusschor mit dem Namen „Ans Werk“. Die Aufführungen<br />
hatten teils sehr politische und sozialistische Inhalte, aber es wurden auch überlieferte Tänze gezeigt,<br />
entweder im Original oder als Suiten zusammengestellt, um sie bühnentauglicher und interessanter fürs<br />
Publikum darzustellen. Die Vorführungen der Tanzensembles aus den sozialistische „Bruderländern“ waren<br />
immer sehr überwältigend. Besonderen Eindruck hinterließ das „Moissejew-Ensemble“ aus der ehemaligen<br />
UdSSR. Das künstlerische Können der Tänzer mag wohl auch mit ausschlaggebend gewesen sein, das sich<br />
am 15. Juli 1950 das erste staatlich geleitete Tanz- und Gesangsensemble der DDR, das Erich-Weinert-<br />
Ensemble der kasernierten Volkspolizei (später der Nationalen Volksarmee)gründete.<br />
Im August 1950 beschloss der FDGB ein Arbeitsprogramm zur Entfaltung der kulturellen Massenarbeit.<br />
Für die Laientänzer hieß das:<br />
-mehr qualitative Anleitung der Gruppen durch Unterstützung durch Berufskünstler<br />
-Durchführung von regelmäßigen Schulungen<br />
-die besten Gruppen sollen zu Mustergruppen entwickelt werden<br />
Im September 1950 tagte die Zentralleitung der Deutschen Volksbühne (DBV) in Berlin. Festgelegt wurde<br />
hier Folgendes:<br />
- Förderung des Laienschaffens in 30 ausgewählten Schwerpunktbetrieben<br />
- Entwicklung der Volksmusik und einer fortschrittlichen Tanzkultur<br />
- Herausgabe von Repertoirematerialien für Tanzgruppen<br />
- Umwandlung des dramatischen Balletts der DBV unter der Leitung von Jean Weidt in ein<br />
Tanzensemble zur Unterstützung der Volkstanzgruppen<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 17
Im Mai 1951 treffen sich viele Tänzer in Vorbereitung auf die III. Weltfestspiele im August zum<br />
Kulturwettbewerb in Berlin.<br />
Im August 1951 finden in Berlin die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten statt. Jugendliche aus 104<br />
Ländern waren zu Besuch und hinterließen mit ihren Nationalprogrammen bei den Deutschen bleibende<br />
Eindrücke. Die DDR präsentierte sich mit einem Vereinigten Tanzensemble, dass von Aenne Goldschmidt<br />
trainiert wurde. Es belegte im internationalen Wettbewerb den 3. Platz. Es wurden neue<br />
Volkstanzschöpfungen, wie „Das Lied vom glücklichen jungen Kapitän“ oder „Zimmermannstanz“ gezeigt.<br />
Hier ein Ausschnitt aus der damaligen Nationalzeitung:<br />
Besonders erfreulich hat sich auch die Entwicklung des Volkstanzes vollzogen. Diese erneuerten Volkstänze<br />
sind eine Zierde des Programms. Sie lösten die lebhafteste Begeisterung aus. Aenne Goldschmidt ist es<br />
gelungen, verschollene Überlieferungen wieder lebendig werden zu lassen.“<br />
Das Jahr 1951 wurde in der Erinnerung zu DEM Tanzjahr. Es verschaffte der Laienkunstbewegung einen<br />
enormen Aufschwung durch Wettbewerbe der Volkskunst, die als Erfahrungsaustausch, Leistungsvergleich<br />
und zu selbstkritischer Überprüfung dann in den Jahren1952/53 und 1954 veranstaltet wurden.<br />
Am 1. Januar 1952 gründete sich das staatliche Volkskunstensemble (später Tanzensemble der DDR) unter<br />
der Leitung von Aenne Goldschmidt.<br />
Am 25. Januar 1952 wurde das Zentralhaus für Laienkunst in Leipzig eröffnet. Es gab die kulturpolitischen<br />
und fachlich-methodischen Richtlinien und Aufgaben, Erkenntnisse und Orientierungen vor, die in dann in<br />
den Bezirks- und Kreiskabinetten für Kulturarbeit umgesetzt wurden. Als unentbehrliches Hilfsmittel erwies<br />
sich die Herausgabe der Zeitschrift „Volkskunst“, die im Mai 1952 das erste Mal erschien. Das Zentralhaus<br />
war ein Zentrum für alle Probleme, Feste, Konferenzen und Kunstdiskussionen, die sich mit dem Thema<br />
Tanz befassten. Erich Janietz war der erste Sektorenleiter für Tanz im Zentralhaus für Laienkunst.<br />
Die Mitarbeiter des Zentralhauses hat hatten schon Ostern1952 ihre erste große Aufgabe zu bewältigen, denn<br />
sie organisierten die II. Deutsche Fachtagung für Volks- und Laienkunst.<br />
Im Juli 1952 führten sie die 1.Deutschen Festspiele der Volkskunst durch. Es nahmen 5506 Gruppen teil,<br />
darunter sehr viele Laientanzkollektive.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 18
Beitrag aus der Zeitung Volkstanz vom Juni 1952:<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 19
Diese Festspiele wurden zu einem kulturpolitischen Massenereignis. Die Staatsoberhäupter der DDR<br />
stifteten als Würdigung der Kunst und der Künstler aus dem werktätigen Volke Siegerpreise, die verliehen<br />
wurden.<br />
Hier die Tanzprogramme einiger <strong>Berliner</strong> Ensembles bei den Festspielen:<br />
Die Laientanzgruppe des Akkumulatorenfabrik Berlin- Oberschöneweide überraschte die Gäste mit dem<br />
zeitgenössischen Tanzbild „Die Trümmerfrau“. Hier wurde der Gedanke des Aufbaus der Hauptstadt Berlin<br />
tänzerisch zum Ausdruck gebracht. Das Zentralhaus der Jungen Pioniere Berlin bot ein Programm zum<br />
Erleben der Kinder in der jungen Deutschen Demokratischen Republik. Die Tanzgruppe der Humboldt-<br />
Universität Berlin riss das Publikum mit einem großen Folkloreprogramm zu Begeisterungsstürmen hin. Die<br />
Pressemitteilungen zu den Festspielen lasen sich alle durchweg positiv.<br />
Unter den Augen der Fachleute fielen die Bewertungen der in den Festspielen gezeigten Tanzprogramme<br />
etwas anders aus.<br />
So schrieb Aenne Goldschmidt in der Zeitung Volkskunst 3,4 1952 in ihrem Beitrag „Ein neues herrliches<br />
Ziel vor Augen“:<br />
„Das lieblose Heruntertanzen von Volkstanzformen ohne innere Beziehung zum Tanz und zu den<br />
Mittanzenden ist bis auf wenige Ausnahmen verschwunden. Um wie vieles sind die Tänze lebendiger<br />
geworden… Die Gruppen vermochten, Lebensfreude auszudrücken und auf die Zuschauer zu übertragen…<br />
Was aber hat fast allen Tanzgruppen gefehlt? Mir scheint, dass es die eigene schöpferische Initiative ist.<br />
Dieser Mangel lässt sich sowohl bei der Auswahl als auch bei der Gestaltung der Tänze erkennen. Die<br />
Laientanzgruppen haben offensichtlich zu wenig Mut zum Neuen, noch nicht Erprobten… Auf besonders<br />
große Schwierigkeiten scheinen die Tanzgruppen bei der Bearbeitung und Weiterentwicklung der Volkstänze<br />
zu stoßen… Es kann gar nicht oft genug wiederholt werden, dass die Bearbeitung und Weiterentwicklung<br />
eines Volkstanzes niemals im Variieren der Formen bestehen darf, sondern einzig und allein im<br />
Herauskristallisieren, im Verstärken und Unterstützen des Inhalts und des Charakter des Tanzes.“<br />
Die Ansprüche an die Tanzgruppenleiter wurden immer höher. Grund dafür war die wachsende<br />
gesellschaftliche Rolle der Volkskunstgruppen. Deshalb startete das Zentralhaus für Laienkunst im<br />
Dezember 1952 seinen ersten zentralen Lehrgang für Leiter von Bühnentanzgruppen in Bad Schandau. Die<br />
ersten Lehrer wurden Fachleute, wie Rosemarie Lettow-Schulz, Brigitte Ret, Erich Janitz, Paul Nedo oder<br />
Dieter Heinze. Im Sommer des Folgejahres fand schon der zweite zentrale Lehrgang statt. Schwerpunkte<br />
dieser Veranstaltung waren:<br />
Behandlung der obligatorischen kulturpolitischen Grundsatzthemen<br />
tanzmethodische und praktische Aneignung und Vermittlung von Tänzen<br />
In der ganzen DDR bildete man nun immer mehr Tanzleiter aus, um die Qualität in den vielen bestehenden<br />
Betriebstanzgruppen auf höchstes Niveau zu bringen. Damals gingen Mitarbeiter des Hauses für Kulturarbeit<br />
in die bestehenden Gruppen und suchten nach talentierten Tänzern, die für die Ausbildung zum Tanzleiter<br />
geeignet waren. Auf die gleiche Art und Weise wählte man auch die Mitglieder für die staatlichen<br />
Tanzensembles aus, die dann zu Berufstänzern ausgebildet wurden.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 20
Mein Vater, Horst Feurich, tanzte damals in der Tanzgruppe der Volksbühne bei Alfred (Atze) Kummer.<br />
1953 wurde er dann auf die oben genannte Weise zur Ausbildung an der Fachschule für künstlerischen Tanz<br />
in Berlin vorgeschlagen, um sich zum Tanzleiter ausbilden zu lassen. Die Ausbildung dauerte 2 Jahre. Der<br />
Unterricht fand einmal wöchentlich am Abend statt.<br />
Inhalte der Ausbildung zum Tanzleiter waren:<br />
-tänzerische Gymnastik<br />
-klassische Exercise<br />
-Schritt- und Sprungtechnik<br />
-Theorie (Tanzgeschichte, lesen von Tanzbeschreibungen, Unterrichtsmethoden, Schritte und<br />
Fassungen…)<br />
-Choreographie<br />
-Erlernen von Volkstänzen aus verschiedenen Regionen und Erklärung ihrer Spezifika<br />
Offizielles Studienmaterial für die künstlerischen Lehranstalten der Deutschen Demokratischen Republik<br />
war das Buch „Aus der Entwicklung des deutschen Volkstanzes“ von Herbert Oetke. Herausgegeben vom<br />
Ministerium für Kultur, Hauptabteilung künstlerische Lehranstalten. Dieses stellt einen Auszug aus dem von<br />
Herbert Oetke erstellten „Handbuch des deutschen Volkstanzes“ dar.<br />
Zur Abschlussprüfung musste man einen vorgegebenen Tanz, der aus einer Auswahlliste verschiedener<br />
Tänze herausgesucht wurde, erklären und einstudieren. Eine mündliche Prüfung zur Theorie folgte.<br />
Nach Abschluss dieser Ausbildung durfte man dann eigene Gruppen leiten.<br />
Je nach Ausbildung und Qualität der Gruppenleitung wurde man dann eingestuft und dementsprechend für<br />
den Probenabend bezahlt.<br />
Dafür gab es eine festgelegte Liste:<br />
Stufe 1: pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten 5,00 Mark<br />
Stufe 2: pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten 7,50 Mark<br />
Stufe 3: pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten 10,00 Mark<br />
Stufe 4: pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten 12,50 Mark<br />
Stufe 5 war die Sonderklasse für Ballettmeister und Berufstänzer:<br />
da gab es pro Unterrichtsstunde a 45 Minuten: 15,00 Mark<br />
Viele Tanzleiter hatten mehrere Gruppen in der Woche zu betreuen, da lohnte sich der Zugewinn zum<br />
monatlichen Gehalt schon. Alle ausgebildeten Tanzleiter wurden nach der Ausbildung regelmäßig zu<br />
weiteren Lehrgängen geschickt, um die Tanzqualität zu erhöhen und ständig auf dem neuesten Stand zu sein.<br />
Anhand dieser Förderungen und Unterstützungen wird deutlich, wie wichtig der DDR, neben den politischen<br />
Hintergründen, aber auch der Erhalt der Volkskunst und des Volkstanzes als Brauchtum und Kulturgut war.<br />
Das könnte doch für unsere heutigen Kulturbeauftragten vielleicht eine kleine Orientierungshilfe sein, oder?<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 21
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 22
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 23
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 24
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 25
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 26
Dreigespann, Windmüller und Wolgaster.<br />
Varsovienne und eine Niedersächsische Suite<br />
wurden als Bühnenbearbeitungen von meinem<br />
Vater entwickelt und aufgeführt. Musikalisch<br />
begleitete Ute Kremke (Tochter von Willy<br />
Kremke- Leiter des <strong>Berliner</strong><br />
Volkstanzorchesters) die Übungsabende und<br />
Auftritte auf dem Akkordeon. Ein weiterer<br />
Musiker war Klaus Bach. Er spielte<br />
Akkordeon und Klavier ging aber später zu<br />
Willy Hinzert in die Gruppe. Bei Auftritten<br />
trugen die Mädchen rote und schwarze Röcke,<br />
schwarze Mieder und rote und schwarze<br />
Tücher. Die Gruppe bestand aus ca. 12<br />
Mitgliedern. Die Gruppe trat auf bei Freilicht-<br />
Veranstaltungen, Betriebsveranstaltungen,<br />
zum 1. Mai, auf <strong>Berliner</strong> Volkstanzfesten im<br />
gesamten Berlin und wirkte mit bei<br />
Erntefesten im Oderbruch. 1955 nahmen die<br />
Tänzer am Volkstanzfest in Rudolstadt teil.<br />
Leider löste sich die Tanzgruppe der Deutsche<br />
Notenbank 1959 durch berufliche und<br />
familiäre Veränderungen der Mitglieder auf.<br />
Foto oben: Rudolstadt 1955<br />
Foto rechts: Auftritt 1958<br />
Mein Vater übernahm nach der Ausbildung mehrere<br />
Tanzgruppen. Die Leiter wechselten manchmal, weil sie<br />
zumeist sehr jung waren und aus beruflichen Gründen oder<br />
wegen Familiengründung die Arbeit in den Tanzgruppen<br />
nicht weiterführen konnten.<br />
Meine Mutter, Edith Feurich, arbeitete damals in der<br />
Deutschen Notenbank. 1952 gründeten die Jugendlichen<br />
des Betriebs eine Volkstanzgruppe. Die Gruppe hatte<br />
zunächst keinen Leiter. Man holte sich Unterstützung von<br />
aktiven Volkstänzern aus anderen Gruppen. So bekam die<br />
Gruppe tänzerische und musikalische Hilfe von Karl-Heinz<br />
Rezany und Jörg und Ingelore Falk aus der Tanzgruppe der<br />
Volksbühne Berlin. Die Leitung der Gruppe durch eine<br />
ausgebildete Tänzerin für Ausdrucks- und Bühnentanz<br />
wurde von der Gruppe abgelehnt. 1957 übernahm dann<br />
mein Vater die Gruppe. Zum Repertoire der Tanzgruppe<br />
gehörten: Kleiner Ländler, Spinnradl, Stoppgalopp,<br />
Schwedisch-Schottisch, Schwedisch-Quadrille,<br />
Siebenschritt, Kruiz König, Freidige, Tamseler<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 27
Von 1960-1964 leitete mein Vater die Tanzgruppe der Kalk und Zementwerke in Rüdersdorf und von 1959-<br />
1967 die Tanzgruppe des Ensembles des <strong>Berliner</strong> Glühlampenwerkes. Das Repertoire war immer ähnlich. Es<br />
wurden die überlieferten Tänze und Jugendtänze getanzt und zu Auftritten für die Bühne bearbeitete<br />
Volkstanzsuiten. Wünschenswert von „oberster Stelle“ war, dass jede Tanzgruppe eine Bühnenbearbeitung<br />
zu einem politischen Thema im Repertoire hat, welche mit folkloristischen Elementen gestaltet sein sollte.<br />
Viele Tänzer wollten das nicht. Sie tanzten lieber die richtigen Volkstänze. Viele Gruppen blieben deshalb<br />
auch bei ihrem traditionellen Volkstanzprogramm. Es gab aber eben auch viele Gruppen, die sich an diese<br />
Vorgaben hielten. Das machte im Prinzip jeder so, wie er wollte, oder wie der jeweilige Betrieb es<br />
vorschrieb.<br />
Die Tanzkleidung bestand meistens bei den Mädchen aus Miederkleidern mit Schürze, Tuch und weißer<br />
Bluse und die Jungen trugen schwarze Hosen, weiße Hemden und bunte Westen. Einige Tanzensembles<br />
hatten Originaltrachten aus den verschiedenen Regionen Deutschlands.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 28
Von 1955-1961 leitete mein Vater die Volkstanzgruppe des Ensembles vom Industriebau Berlin. Mit dieser<br />
Gruppe nahm er auch an Leistungsschauen und Kreisausscheidungen teil. Die Auftritte fanden immer mit<br />
dem gesamten Ensemble statt, also auch mit Chor und Orchester, welches die Tänzer begleitete.<br />
Das Repertoire der Gruppe liest sich, wie folgt:<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 29
Diese Kopie ist eine Anlage zu einem Fragebogen, den die Tanzgruppenleiter bei den Kulturbeauftragten<br />
abgeben mussten. Hier wird deutlich, wie man die Forderung nach neuzeitlichen staatskonformen Themen<br />
auch „umschiffen“ konnte. Man schrieb dann einfach „in Arbeit“ und meistens fragte auch niemand nach,<br />
wann man mit der Einstudierung fertig wird.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 30
Foto. Niedersächsische Suite, Teil aus Windmüller 1957<br />
in niedersächsischer Tracht<br />
Zum wöchentlichen Übungsprogramm<br />
gehörte nicht nur die Einstudierung der<br />
Tänze, sondern auch die Vermittlung über<br />
die Herkunft der Tänze. Außerdem gehörte<br />
eine Erwärmung, Körperschule mit Arm-<br />
und Kopfführung, Schritttechnik, Fassungen<br />
und Schrittverbindungen zum regelmäßigen<br />
Trainingsprogramm.<br />
Die Tanzkleidung der Gruppe war sehr<br />
vielseitig. Es gab eine niedersächsische<br />
Tracht, weshalb die niedersächsische Suite<br />
entstand. Außerdem hatten die Mädchen<br />
„wandlungsfähige Kleider“.<br />
Es wurden weiße Blusen getragen und dazu ein schwarzes Miederkleid, auf das man Miederteile und<br />
verschiedene Bordüren aufknöpfen konnte. Dazu trug man dann entsprechend Tuch und Schürze. Im Fundus<br />
befanden sich auch noch hessische und bayrische Kopfbedeckungen, so konnte man sich zu jedem Tanz<br />
passend kleiden. Finanziert haben die Kleidungen und Requisiten immer die Betriebe.<br />
Die Gruppe belegte bei den Wettkämpfen immer fordere Plätze Mit der Niedersächsischen Suite gewann die<br />
Gruppe, gemeinsam mit der Gruppe von Willy Hinzert, die sich eher dem politischen Folkloreballett<br />
widmete, den 1. Platz im Kreisausscheid. Sehr zur Überraschung aller. Dennoch konnte man an diesem<br />
Beispiel sehen, dass beide Auffassungen von Volkstanz, durchaus eine reelle Chance hatten.<br />
Foto oben: Hahn im Korbe 1960<br />
Foto rechts: Schustertanz 1960<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 31
Einschätzung zum<br />
Kreisausscheid 1957<br />
Foto: Hessische Suite<br />
Foto: Hessische Suite<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 32
Im Januar 1954 wurde das Ministerium für Kultur gegründet, dem das Zentralhaus für Laienkunst nun<br />
unmittelbar unterstellt war.<br />
Das Zentralhaus feierte sein zweijähriges Bestehen mit einer Konferenz, die auch eine Fachtagung<br />
beinhaltete.<br />
Zusammenfassend zog die Fachabteilung Tanz folgendes Fazit:<br />
„Die Hauptaufgabe der Volkskunstgruppen ist die Erziehung der Werktätigen. Sie richtet sich nach zwei<br />
Seiten, nach innen an die Mitglieder der Gruppen, nach außen an die Zuschauer. Die Mitglieder der<br />
Volkstanzgruppen sollen zu aufrechten und aktiven Patrioten erzogen werden, die mit Bewusstsein in der<br />
Gruppe wie an ihrer Arbeitsstelle fleißig, zuverlässig, schöpferisch, vorbildlich ihre Aufgabe erfüllen. Das<br />
ist die erste Aufgabe. Sie ist erstrangig. Die zweite Aufgabe ist durch eine künstlerische Leistung eine starke<br />
Wirkung auf die Zuschauer auszuüben. Die Darbietungen müssen also durch die gute künstlerische<br />
Gestaltung mobilisierenden Charakter haben…<br />
Man kann von drei oder vier Schritten in der künstlerischen Arbeit der Volkstanzgruppen sprechen.<br />
Der Erste: die Aneignung des überlieferten Volkstanzes und seine lebendige Gestaltung.<br />
Der Zweite: die künstlerische Bearbeitung des Volkstanzes für die Bühne.<br />
Der Dritte: die Weiterentwicklung des überlieferten Volkstanzes, die Gestaltung von Suiten und<br />
Szenarien.<br />
Der Vierte: die Gestaltung neuer Tänze auf der Grundlage der Elemente des Volkstanzes.<br />
Quelle: Erich Janietz in „Mitteilungen des Zentralhauses für Laienkunst“ März 1954<br />
Im Jahre 1952 gründete sich im Kulturring der <strong>Berliner</strong> Jugend beim Senator für Jugend und Sport in West-<br />
Berlin die „Arbeitsgemeinschaft <strong>Berliner</strong> Tanzkreise“. Hier setzten die Tanzleiter ihre 1949 begonnene<br />
Arbeit fort. Die 1.Vorsitzende war Walter Huhn, 2.Vorsitzender Horst Schernus. Weitere Mitglieder und<br />
später auch Vorsitzende waren u.a. Arthur Bolle, Hans-Joachim André und Volkhard Jähnert. Zu dieser Zeit<br />
gab es in West-Berlin 32 Volkstanzgruppen mit ca. 1500 Tänzern.<br />
Als Reaktion darauf gründete sich Ende<br />
1954 oder Anfang 1955 (genau habe ich das<br />
leider nicht herausbekommen) in Ost-Berlin<br />
die „Arbeitsgemeinschaft für Volkstanz im<br />
Zentralhaus für Laienkunst“ dessen<br />
1.Vorsitzender Willy Hinzert wurde. Diese<br />
Arbeitsgemeinschaft arbeitete im Rahmen<br />
der neu gegründeten Volkskunstkabinette.<br />
Diese Volkskunstkabinette entstanden in<br />
allen Bezirken der DDR und sollten eine<br />
einheitliche Arbeit in der gesamten<br />
Volkskunst ermöglichen.<br />
Sie wurden in verschiedene<br />
Arbeitsgemeinschaften unterteilt, z.B AG<br />
<strong>Berliner</strong> Chöre, <strong>Berliner</strong> AG Bildnerisches<br />
Volksschaffen und die Arbeitsgemeinschaft<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgruppen.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 33
Artikel aus der Zeitschrift <strong>Berliner</strong> Haus der Volkskunst März 1959: Bericht von der<br />
AG <strong>Berliner</strong> Tanzgruppen.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 34
Die Arbeitsgemeinschaft <strong>Berliner</strong><br />
Volkstanzgruppen organisierte das<br />
1.Gesamtberliner Volkstanzfest, dass am<br />
15.Mai 1955 in der Deutschen Sporthalle in der<br />
Stalinallee in Ost-Berlin stattfand. Die Leitung<br />
hatten Eberhard Jähnert und Erich Krause und<br />
musikalisch wurde das Fest von dem <strong>Berliner</strong><br />
Volkstanzorchester Willy Kremke gestaltet.<br />
Dieses Tanzfest wurde ein voller Erfolg.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 35
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 36
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 37
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 38
Zeitungsartikel aus „Volkstanz“ Januar 1956: Mehr Pflege dem geselligen Tanz<br />
Hier eine kleine Auswahl von Tanzgruppen in Ost-Berlin, von denen ich durch Gespräche weiß, dass es sie<br />
gab. Teilweise konnten mir auch noch die Namen von den Leitern genannt werden.<br />
-<strong>Berliner</strong> Glühlampenwerk, Deutsche Notenbank, <strong>Berliner</strong> Glühlampenwerk, Kalk- und Zementwerke<br />
Rüdersdorf Horst Feurich<br />
-Kodak Filmfabrik Köpenick Marthel Henschke<br />
-DIA Elektrotechnik Willy Hinzert (Bühnentanz)<br />
-Hermann- Duncker- Ensemble des FDGB Willy Hinzert<br />
-Ernst-Hermann-Meyer-Ensemble Brigitte Micke, später Willy Hinzert<br />
-VEB Elektrokohle<br />
-Ministerium der Finanzen<br />
-Hochschule für Planökonomie (HOPLA)<br />
-Haus der Kinder, später Theater der Freundschaft hatte Kindertanzgruppe und Chor<br />
-die Tanzgruppe der Volksbühne von Atze Kummer wurde an den „Bauernverlag“ und die „Nileswerke“<br />
angeschlossen<br />
-Interflug Waltraut Stark<br />
-Tanzgruppe der Charité Erich Krause<br />
-Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis Erich Krause<br />
-Tanzgruppe der BVG Eberhard Jähnert<br />
Dann gab es noch die staatlichen Tanzensembles, die aus Berufstänzern und –musikern bestanden, so z.B.<br />
Erich Weinert Ensemble, Staatliches Volkskunstensemble, Staatliches Dorfensemble… diese Ensembles gab<br />
es in der ganzen DDR.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 39
Im Frühjahr 2010 traf ich mich mit Herrn Roger Reinsch. Er tanzte früher im Ernst-Hermann-Meyer-<br />
Ensemble der Humboldt Universität. Er verwaltet mit noch einer früheren Tänzerin die Chronik des<br />
Ensembles und organisiert regelmäßig einmal im Jahr ein Ensembletreffen. Am 24.April 2010 durfte ich an<br />
dem Treffen teilnehmen und hatten somit die Gelegenheit mich mit alten Ensemblemitgliedern zu<br />
unterhalten. Das Ensemble wurde 1951 gegründet. Die Tanzgruppe wurde anfangs von Brigitte Micke<br />
geleitet. Getanzt wurden Tänze wie Kreuzpolka, Tampet, Bauernhochtied und andere Überlieferte Tänze.<br />
Später übernahm Willy Hinzert die Gruppe. Es gab eine Wende in der Arbeit und im Repertoire der Gruppe.<br />
Einige Tänzer verließen die Gruppe. Die traditionellen Volkstänze traten in den Hintergrund. Willy Hinzert<br />
choreographierte selbst viele Folkloreballette zu Themen aus der sozialistischen Arbeitswelt und zu<br />
weltpolitischen Themen. Ballette vom Choreographen Jean Weidt wurden ebenfalls einstudiert. Außerdem<br />
wurden aber auch deutsche und internationale Tänze getanzt.<br />
Geprobt wurde immer Dienstag und Freitag. Das Training bestand aus 1 Stunde klassisches Ballett und 1<br />
Stunde Schrittfolgentraining. Als Trainerin arbeitete Brigitte Ret mit den Tänzern. Jan Spitzer war der<br />
Pianist bei den Proben. Die Gruppe nahm an nationalen Ausscheiden und bei Arbeiterfestspielen teil.<br />
Außerdem trat man auch im Ausland auf. Die Gruppe arbeitete bis 1990. Die Mitglieder wechselten öfter, da<br />
die meisten Studenten nach Beendigung des Studiums die Stadt verließen.<br />
Von den im April befragten ehemaligen Tänzern tanzt heute niemand mehr. Es war für alle eine schöne Zeit.<br />
Aber alle sagten, dass das Training sehr anstrengend war, zumal die Meisten später einem Beruf nachgingen<br />
und Familie hatten. Mit Volkstanz hatte das Ganze nichts mehr zu tun, eher mit klassischem Balletttraining.<br />
Nun wieder ein Sprung zurück ins Jahr 1950 in den westlichen Teil Berlins:<br />
Volkhard Jähnert war damals achtzehnjähriger Schüler an der Georg- Herwegh- Oberschule in Berlin-<br />
Hermsdorf. Am schwarzen Brett der Schule lud er seine Mitschüler zum ersten Volkstanznachmittag am<br />
26.10.1950 in die Aula ein.<br />
Zur 60 Jahrfeier seines <strong>Volkstanzkreises</strong> Reinickendorf am 10.10.2010 erinnerte er sich in seiner<br />
Jubiläumsrede noch einmal genau daran, wie verwundert er damals war, als ihm an besagtem Oktobertag<br />
1950 sehr viele Mitschüler im Schulflur begegneten, die alle in Richtung Aula marschierten. Sie folgten alle<br />
seiner Einladung zum Tanzen. Damit hatte er gar nicht gerechnet. Wenn ein paar Wenige gekommen wären,<br />
wäre er schon zufrieden gewesen, aber dass so viele Schüler mit ihm tanzen wollten überraschte ihn schon<br />
sehr freudig. Das war die Gründung des <strong>Volkstanzkreises</strong> Reinickendorf.<br />
Diese Schultanzgruppe bildete lange Zeit die Kernzelle des Tanzkreises. Aufgrund des großen Zulaufes<br />
entstand am 31.1.1951 eine zweite Gruppe,<br />
die im Kantinensaal des Bezirksamtes in<br />
der Flottenstraße probte. Diese wuchs<br />
schnell. So zählte man bereits 1952 zu den<br />
Übungsabenden 100-120 Kinder und über<br />
80 Jugendliche. Im gleichen Jahr feierte der<br />
Volkstanzkreis Reinickendorf in der<br />
Flottenstraße sein erstes Volkstanzfest.<br />
1951/52 entstand die erste gruppeneigene<br />
Tanztracht. Die Mädchen trugen weiße<br />
Röcke und Blusen, dazu blaue Mieder. Die<br />
Jungen trugen schwarze kurze Hosen,<br />
weiße Hemden und blaue Westen.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 40
1954 ließ die<br />
Jugendförderung Berlin-<br />
Reinickendorf eine neue<br />
Tracht für die Gruppe<br />
anfertigen. Die Mädchen<br />
trugen nun braun-gelbe<br />
Kleider und die Jungen<br />
braune kurze Hosen und<br />
gelbe Hemden.<br />
Ende der 50er Jahre<br />
entschied man sich dann<br />
für eine stilechtere Tracht.<br />
Berlin hatte keine eigene<br />
Tracht, deshalb musste<br />
man im näheren Umland<br />
nach einer geeigneten<br />
Tracht Ausschau halten. Nach etlichen Recherchen und wälzen von Fachliteratur stieß man auf eine Tracht<br />
aus der südlichen Mark Brandenburg, die allen gefiel. Die Mädchen trugen nun Miederröcke mit bestickter<br />
Borte, weiße Blusen und schwarze Kappen, die<br />
man vorne band. Die Jungen bekamen weiße<br />
Cordhosen, weiße Hemden und blaue Westen.<br />
Später wurden noch dunkelblaue Tuchjacken<br />
und Schnallenschuhe ergänzt. Das Bezirksamt<br />
gab diesmal nichts dazu, die Gruppe musste<br />
ihre Kleidung selber nähen und bezahlen.<br />
Fotos: 1958 Tanzdarbietung in neuer märkischer Tracht,<br />
anlässlich der U- Bahneinweihung in Berlin-Tegel.<br />
Später wurden die Kappen noch einmal geändert<br />
und die bunten Röcke wurden schwarz, mit<br />
bestickter Borte. Dies war wohl die endgültige<br />
Kleidung, die heute noch getragen wird.<br />
Als 1954 das Bezirksamt in den Neubau des<br />
Rathauses nach Wittenau umzog, richtete man in<br />
den alten Räumlichkeiten ein Flüchtlingslager<br />
ein. Das hatte zur Folge, dass sich der<br />
Volkstanzkreis eine neue Unterkunft für seine<br />
Übungsabende suchen musste.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 41
Foto: Die heutige Reinickendorfer Tracht (hier ohne Kappe)<br />
Auftritt in Oranienburg, 2009<br />
Zweieinhalb Jahre wechselte man halbjährlich die Übungsorte. Leider<br />
schieden dadurch viele Kinder und Jugendliche aus der Gruppe aus. Im<br />
Herbst 1957 fand man dann endlich wieder einen festen Ort zum<br />
Tanzen, und zwar in der Turnhalle in der Lindauer Allee in<br />
Reinickendorf. Nachdem die Gymnastikhalle in der Aroser Allee fertig<br />
gestellt war erhielt der Volkstanzkreis damit endlich ein festes Domizil.<br />
Die Gruppe nahm an Tanzfesten in ganz Berlin teil und unternahm Gruppenfahrten in die Mark<br />
Brandenburg. Leider endeten diese grenzenlosen Gruppenhöhepunkte Pfingsten 1952. West-Berlin wurde<br />
durch die ideologische und politische Teilung Deutschlands und Berlins zur Insel. Fahrten und Tanzfeste<br />
fanden von nun an nur noch in Berlin statt. Musikalisch wurde die Gruppe im Laufe der Jahre von mehreren<br />
Musikern begleitet, so z.B. von Martin Ströfer, der heute in ganz Deutschland sehr aktiv ist. Er begleitet in<br />
vielen Tanzgruppen rund um Hamburg die Tanzabende und ist<br />
mit seinen Musikanten das Highlight auf jedem Tanzfest. Des<br />
weiteren spielten in Reinickendorf Lothar Staege, Lothar<br />
Heininger, Rosemarie und Wolfgang Rath (sie schrieben die<br />
Musik für die Jubiläumspolka zum 40jährigen Bestehen des<br />
Volkstanzkreis Reinickendorf), Willy Rehfeld, Richard und<br />
Gertrud Ulrich spielten auf den Tanzfesten. Michael Geuer<br />
spielte Akkordeon und leitet mehrere Jahre die Kindergruppen.<br />
Ab Mitte der 70er Jahre konnte man sich dann keinen<br />
Livemusiker für die Proben mehr leisten. Es wurde auf<br />
„Konservenmusik“ umgestellt.<br />
Nachdem ein Teil der Gruppe im Juni 1955 am Treffen der rheinischen Tanzkreise auf Schloss Burg<br />
teilnahm und begeistert von diesem Gruppenerlebnis wiederkam, hatte man die Idee solch ein Treffen auch<br />
in Berlin durchzuführen. Unter großen Anstrengungen schaffte es Volkhard mit seiner Gruppe Finanzen,<br />
Veranstaltungsräume und Unterkünfte für die Gastgruppen zu organisieren und so war es dann Ostern 1956<br />
endlich soweit:<br />
Das erste Treffen der Volkstanzgruppen in Berlin konnte stattfinden. Es kamen 37 mit insgesamt 600<br />
Teilnehmern. Das große Volkstanzfest, der Höhepunkt des Festes fand in der Schöneberger Sporthalle statt.<br />
Dieses Treffen wurde von den vielen Gruppen mit großer Begeisterung angenommen und so ergab es sich,<br />
dass es nun regelmäßig (mit kleinen Ausnahmen) alle zwei Jahre in Berlin stattfindet. Es entstanden feste<br />
Kontakte zu anderen Gruppen im In-und Ausland. Somit wurde die Gruppenarbeit interessanter und man<br />
unternahm Reisen zu den verschiedensten Gruppen in Deutschland, den Niederlanden, in Norwegen und in<br />
Schweden und Dänemark. Es fanden wechselseitig Lehrgänge statt und alle Tänzer lernten die typischen<br />
Tänze der anderen Gruppen und Landschaften. Das ist bis heute noch so, allerdings nicht mehr in den<br />
Ausmaßen wie damals.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 42
Das zweite Tanzfest dieser Art in Berlin<br />
fand im April 1958 statt. Diesmal kamen<br />
57 Gruppen und man zählte 1500<br />
Teilnehmer. Das war für die<br />
Organisatoren des Festes kaum zu<br />
bewältigen. Die große internationale<br />
Tanzveranstaltung fand diesmal in der<br />
Deutschlandhalle statt. Die Senatorin für<br />
Jugend und Sport Frau Ella Kay begrüßte<br />
die Gäste aus dem In- und Ausland.<br />
Foto. Ella Kay<br />
Das danach folgende Tanzfest fand erst 4 Jahre später, 1962, statt. Von da an wurde es eine bis heute<br />
gepflegte und liebgewonnene Tradition.<br />
Der Höhepunkt der <strong>Berliner</strong> Volkstanzarbeit war das 5. Volkstanztreffen 1964 in Berlin mit 65 Gastgruppen<br />
und 1530 Teilnehmern in der Deutschlandhalle. Bis 1984 fanden die Tanzfeste nun jährlich statt. Danach<br />
einigte man sich auf einen Zweijahresrhythmus, der bis auf wenige Ausnahmen immer noch eingehalten<br />
wird.<br />
Bis zum Jahre 2000 organisierte Volkhard Jähnert anfangs zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft <strong>Berliner</strong><br />
Tanzkreise, später mit der LAG Tanz Berlin e. V. die Tanzfeste. Dann übergab er die Organisation und<br />
Leitung an Anni Herrmann. Seit 2008 nahm sich die Folkloretanzgruppe Köpenick e.V. dieser aufwendigen<br />
Aufgabe an, um die liebgewordene Tradition der Herbsttanzfeste nicht einschlafen zu lassen.<br />
Das Programm des 1.Tanzfestes<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 43
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 44
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 45
Am 27.5.1951 feierte die <strong>Berliner</strong> Tanzgemeinschaft unter Leitung von Walter Bröscky ihr 30 jähriges<br />
Bestehen. Im Kasino wurde mit vielen Gästen und Ehrengästen gefeiert.<br />
Zeitungsausschnitt aus „Die Tanzgemeinschaft“<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 46
Walter Bröscky war ein brillanter Tanzleiter und Tanzforscher. Er leitete außerdem den Arbeitskreis für<br />
Gemeinschaftstanz der Naturfreunde in Wilmersdorf.<br />
Sein aus der Tanzgemeinschaft hervorgegangener Beschwingter Kreis besteht noch heute. Rosl Teschendorf<br />
erinnerte sich, dass ihre Eltern, beide begeisterte Tänzer, Jahre nach dem Krieg, zum Beschwingten Kreis<br />
gingen. Sie durfte mitkommen und kam so dann selbst zum Tanzen. Walter Bröscky war damals der<br />
Tanzleiter und Klaus Wagner der technische Leiter. Es wurde dort angeknüpft, wo vor dem Kries aufgehört<br />
wurde. Man tanzte also die Jugendtänze aus den zwanziger Jahren. Die älteren Mittänzer, die nicht mehr so<br />
gut hüpfen und springen konnten, wurden dadurch schnell zu Außenseitern. Deshalb versuchte sich Walter<br />
Bröscky an neuen, besinnlichen Tänzen und Tanzspielen. Ein Tanzspiel „Die Großstadtkinder“ wurde 1953<br />
in Neustadt/Holstein während der Europäischen Volkstanzwoche aufgeführt.<br />
Seine Tänze, die er auch in Zusammenarbeit mit Thilo Cornelissen geschrieben hat sind in dem Buch<br />
„Beschwingter Kreis“ zusammengefasst. Er nannte seine Tänze Gemeinschaftstänze, weil sie von Jedem<br />
getanzt und mitgesungen werden konnten. Es wurden regelmäßig gesellige Abende veranstaltet. Diese waren<br />
immer sehr feierlich mit abgedunkeltem Licht und Kerzenschein. Die Tanzkleidung der Gruppe war eher<br />
festlich. Die Herren trugen dunkle Anzüge und die Damen ¾ -lange pastellfarbene Kleider. Der Kreis<br />
bestand anfangs überwiegend aus Tänzern über 30 Jahre. Später wurde ein noch ein Jugendkreis gegründet<br />
und viel später kam ein Kinderkreis dazu. Einige Jahre später waren es dann schon mehrere Kinder- und<br />
Jugendkreise. Gretel Paetz leitet etwa 1958 in der Waldschule Berlin-Charlottenburg einen Kindertanzkreis.<br />
In Steglitz wurde dann noch ein Jugendkreis von Harry Pelz und ein Kinder- und Jugendkreis von Aenne<br />
Homann geleitet. Ob es in den Folgejahren mal eine Tanzpause gab oder nicht weiß ich nicht. Ich habe auch<br />
niemanden gefunden. der mir diese Frage beantworten konnte.<br />
Heute tanzt die Gruppe unter Anleitung von Horst Teschendorf<br />
immer noch. Sie tritt regelmäßig bei Veranstaltungen auf und ist<br />
auf Tanzfesten immer präsent. Zu Irmchen Lemm, (heute 97<br />
Jahre alt) besteht regelmäßiger Kontakt.<br />
Jedenfalls gründete sich der Kreis im September 1977<br />
noch einmal neu. Irmgard Lemm übernahm damals die<br />
Leitung der Gruppe. Bei der Gründung dieses Kreises<br />
waren Walter und Gerda Bröscky dabei. Es wurden<br />
Volkstänze getanzt. Außerdem wandte man sich den<br />
Höfischen Tänzen zu. Dazu wurde bei Auftritten auch<br />
passende Kleidung getragen. Aufgrund ihres Alters (1913<br />
geboren) übergab Irmgard Lemm dann im Alter von weit<br />
über 80 Jahren die Gruppe an Rosl und Horst<br />
Teschendorf ab.<br />
Fotos: 25 Jahre Beschwingter Kreis 14.9.2002<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 47
Für die Künstler im Osten gab es Ende der 50er Jahre gravierende Einschnitte für ihre zukünftige<br />
Arbeit:<br />
Johannes R. Becher, der Gründer des Kulturbundes 1946 und der Akademie der Künste 1950 wurde 1954<br />
zum ersten Kulturminister der DDR. Er wurde von den Parteifunktionären allerdings als viel zu lasch in<br />
seiner Arbeitsweise eingeschätzt. Vermittlungsversuche zwischen den Funktionären und den Künstlern<br />
endeten oft uneffektiv. Letztendlich scheiterte er an den ständigen aussichtslosen Auseinandersetzungen.<br />
1958 übernahm Alexander Abusch, strenger Verfechter der SED- Kulturpolitik.<br />
Somit endete die Zeit, in der sich die Künstler frei und zu Tabuthemen äußern konnten. Es folgten<br />
Konferenzen, die die Künstler der DDR zu einem strengeren Kurs verpflichteten.<br />
Der 4.April 1959 ergab für die Künstler in der DDR eine Wende in ihrer Arbeit.<br />
An diesem Tag fand im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld eine Zusammenkunft von Künstlern,<br />
Arbeitern, Wissenschaftlern und Staatsfunktionären statt. Dieses Treffen ging später als 1.Bitterfelder<br />
Konferenz in die Geschichte ein. Alle Künstler bekamen die Weisung stärker in die sozialistische<br />
Produktion zu gehen, um den neuen Charakter der Arbeit besser kennenzulernen und zu erleben. Dadurch<br />
sollte eine überzeugendere künstlerische Darstellung des arbeitenden Menschen geschaffen werden. Kunst<br />
und Volk, Künstler und Arbeiterklasse sollten enger zusammenrücken, um sich auf diese Weise aktiver an<br />
der Bildung des Volkes beteiligen zu können.<br />
Die 60er Jahre<br />
Ihren Höhepunkt hatte die Volkstanzarbeit in Berlin wohl in den 40er, mehr noch aber in den 50er Jahren. In<br />
den 60er und 70er Jahren gingen die Aktivitäten deutlich zurück.<br />
Gemeinsame Aktivitäten von Ost und West gab es durch den Bau der <strong>Berliner</strong> Mauer am 13.8.1961 nicht<br />
mehr. Private Besuche zu Tanzfesten gab es zwar, aber keine gemeinsamen Gruppenaktivitäten mehr. Im<br />
Ostteil der Stadt lösten sich die ersten Betriebstanzgruppen wieder auf. Die Tänzer wurden älter und<br />
gründeten Familien oder waren beruflich mehr eingespannt, somit war die Zeit für ausgiebiges Training nicht<br />
mehr vorhanden, für Manche wurde aber auch der politische Druck einfach zu groß.<br />
Im Westteil der Stadt sah es ähnlich aus. Gruppen, die in den 50er Jahren mit vielen Mitgliedern und<br />
Aktivitäten rechnen konnten, verloren nach und nach ihre Tänzer. Die Musiker, die bis dahin noch aus Spaß<br />
an der Freude, oder nur gegen ein sehr geringes Entgelt die Gruppen begleiteten, wollten nun eine Menge<br />
Geld für ihre musikalische Begleitung haben. Das konnten sich viele Gruppen nicht mehr leisten. Ohne<br />
Musik konnte man nun aber auch nicht mehr tanzen. Nach und nach mussten erst Tonträger, wie Tonband<br />
oder Schallplatte bespielt werden. Das kostete viel Zeit und auch Geld. Familie und Beruf waren auch einige<br />
Gründe dafür, dass sich die Gruppen verkleinerten oder auflösten, aber auch die sich immer weiter<br />
entwickelnde Kultur und Medienindustrie trug dazu bei. Die Interessen der Menschen lagen nun woanders.<br />
Tanzschulen, in denen man die neuesten Tänze wie ChaCha, Rhumba, Tango und viele neue Modetänze<br />
lernen konnte hatten Hochkonjunktur. Abends ging man nicht mehr zum Volkstanzabend, sondern vergnügte<br />
sich auf den Tanzabenden mit neuer moderner Musik. Musik aus den USA und anderen Ländern schwappte<br />
zu uns über. Auch die Sportvereine hielten eine Vielzahl verschiedener Trainingsmöglichkeiten bereit.<br />
Gerade in einer Großstadt wie Berlin waren die Freizeitmöglichkeiten plötzlich sehr groß und vielfältiger als<br />
zuvor.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 48
Im Ostteil war das „Musikerproblem“ nicht so groß, da die ganzen Betriebsgruppen vom Betrieb selber<br />
unterstützt wurden. Somit hatte jeder sein Auskommen. Arbeiterfestspiele, Leistungsschauen,<br />
Kreissauscheide, Weltfestspiele, Jugendfestivals und, und, und standen weiter auf dem Plan.<br />
Im April 1964 setzten sich erneut Staats- und Kulturfunktionäre, Künstler und Wissenschaftler der DDR an<br />
einen Tisch und zwar zur 2.Bitterfelder Konferenz. Noch einmal wurde über die künstlerische Entwicklung<br />
in der DDR diskutiert. Als Folge der ersten Konferenz stellte man fest, dass die Forderungen, die an die<br />
Kunst gestellt wurde eher kontraproduktiv waren. Die seitdem entstandenen Werke in allen Bereichen hatten<br />
weder Biss noch Brisanz. Niemand interessierte sich für diese Art von Kunst. Als Folge dessen setzten sich<br />
viele Künstler noch vor Mauerbau in den Westen ab, um sich dort wieder frei entfalten zu können.<br />
Das Ergebnis der 2. Bitterfelder Konferenz stellte die Lehren des Marxismus-Leninismus in den<br />
Vordergrund. Die Künstler sollten sich mit der sozialistischen Lehre befassen, um vorausschauend denken zu<br />
lernen. Der zweite Schwerpunkt forderte die weitere Herausbildung der sozialistischen Nationalkultur.<br />
Das Laienschaffen brachte folkloristische Choreographien, wie „Rheinischer Maklott“, Grüttmarkerjung“<br />
und „Schwedisch-Schottisch“ hervor, aber eben auch die politisch geprägten Gestaltungen, wie z.B. „Ein<br />
Erntetag in Thüringen“, „Das Öl bekommt uns gut“ oder „Tanz der Erntehelfer“. Das Staatliche<br />
Volkskunstensemble bestand nun schon 10 Jahre. Ohne die Choreografinnen Aenne Goldschmidt und Thea<br />
Mass hätte die Folkloreaneignung in der DDR nicht den wissenschaftlich und künstlerisch fundierten Weg<br />
genommen.<br />
Im Sinne der sich bildenden sozialistischen Nationalkultur entstanden Werke, wie die Ballettkantate „Das<br />
Lied vom kleinen Trompeter“ ein neunteiliges, dramatisches Stück und „Der letzte Schuss“, nach einer<br />
bewegenden sowjetischen Erzählung. Beides wurde von Willy Hinzert choreographiert. Weitere Themen, die<br />
von verschiedenen Choreographen verarbeitet wurden waren: „Bataillon Ulrike“, ein Stoff aus der<br />
Völkerschlacht von 1813, „Sadako“, ein Thema um den Atombombenabwurf durch die USA auf Japan.<br />
Kindergruppen tanzten Tanzspiele, wie „Wir ziehen aufs Feld oder „Besuch im Zoo“. Diese Neugestaltungen<br />
wurden von vielen Laienensembles auf Arbeiterfestspielen und anderen Wettbewerben gezeigt. Dennoch<br />
ließen sich aber auch einige Tanzgruppen nicht vom althergebrachten Repertoire abbringen und tanzten<br />
weiter überlieferte Volkstänze, Jugendtänze und gesellige Tänze. Man konnte also auch Suiten in denen<br />
Volkstänze verarbeitet wurden sehen. diese waren durchaus im Sinne der Pflege unseres Kulturgutes auch<br />
willkommen.<br />
1966 wurde in Westberlin vom Senator für Jugend und Sport, nach dem Vorbild anderer Bundesländer die<br />
„Landesarbeitsgemeinschaft Tanz Berlin“ ins Leben gerufen.<br />
Die „Arbeitsgemeinschaft <strong>Berliner</strong> Tanzkreise“ in der alle Westberliner Volkstanzgruppen vertreten waren,<br />
wurde nun eine Untergruppe der LAG Tanz Berlin.<br />
Die 70er Jahre<br />
Die Volkstanzarbeit ging weiter zurück, da die meisten kleineren, aber auch einige der großen Gruppen<br />
aufgaben. Doch die Gruppen, die weiterarbeiteten waren umso aktiver. In den 70er Jahren fanden nur noch<br />
selten bezirkliche Tanzfeste statt. Die Höhepunkte des Jahres waren die Herbsttreffen im Kasino am<br />
Funkturm. Die bestehenden Volkstanzgruppen veranstalteten auch weiterhin Lehrgänge und Tanzfeste,<br />
entweder auf bezirklicher Basis oder in Zusammenarbeit mit der LAG Tanz Berlin. Weiterhin wurden<br />
Treffen mit anderen Gruppen im In- und Ausland organisiert, um alte Kontakte zu pflegen, oder aber auch<br />
neue zu knüpfen.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 49
Tanzfreundin Gisela Baudach erzählte mir in einem Gespräch am Rande des Tanzabends, dass sie 1970 zum<br />
Volkstanzkreis der Naturfreunde, Leitung Arthur Bolle, im Wedding kam. Die Probenabende fanden in den<br />
Jugendheimen Edinburger Straße und Nauener Platz statt. Später tanzte man dann im Jugendheim<br />
Bredowstraße im Tiergarten. Die Gruppe trat in mehreren Bezirken Berlins auf, nahm an Festen und<br />
internationalen Tanztreffen teil. Die meisten Tänzer tanzten schon von Anfang an in der Gruppe, kannten<br />
sich schon aus Wandervogelzeiten. Es wurde auch gesungen und die Geselligkeit kam auch nicht zu kurz.<br />
Bis Januar 1994 tanzte die Gruppe noch regelmäßig, dann löste sie sich aufgrund des hohen Alters der<br />
meisten Tänzer auf. Nachwuchs gab es leider nicht.<br />
Hier ein paar Fotos aus dem Gruppenleben der Arthur Bolle Gruppe, die mir Gisela zur Verfügung stellte.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 50
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 51
In Ostberlin schlossen sich 1973 die bestehenden Tanzensembles der Pioniere und der FDJ aus den Bezirken<br />
Rostock, Magdeburg, Frankfurt/Oder, Schwerin, Halle, Neubrandenburg und Berlin zum Zentralen<br />
Pioniertanzensemble und Zentralen Tanzensemble der FDJ zusammen. Willy Hinzert leitete dieses<br />
Ensemble als künstlerischer Leiter und Choreograph von Anfang an bis zum Ende 1989 sehr erfolgreich.<br />
Willy Hinzert wurde von den Kindern und Jugendlichen wegen seiner fröhlichen und netten Art sehr<br />
verehrt. Er schaffte es, sie für seine Sache zu begeistern. Er studierte mit ihnen sogenannte Tanzbilder ein,<br />
die in den großen Stadien zu Weltfestspielen, Jugendfestivals, Pioniertreffen Kinder- und<br />
Jugendspartakiade, Parteitagen, usw. aufgeführt wurden. An einem Auftritt nahmen bis zu 750 Kindern und<br />
Jugendliche teil. Man traf sich vorher in Probenlagern zu Einstudieren. Viele interessante Informationen<br />
zum Zentralen Tanzensemble der Pioniere und der FDJ finden sich auf der Internetseite www.zpte.de und<br />
www.zte.de . Diese Seite wird von ehemaligen Mitgliedern des Ensembles geführt. Es werden heute noch<br />
Treffen organisiert, um sich an alte Zeiten zu erinnern.<br />
Probenlager zum Jugendfestival 1979 vorn im Bild Willy Hinzert<br />
1.Nationales Jugendfestival<br />
vom 1.-3.Juni 1979 in Berlin<br />
Auftritt des Zentralen Tanzensembles der FDJ im Stadion der Weltjugend unter dem Motto:<br />
Ein bunter Blumenstrauß für unsere Republik<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 52
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 53
Anfang der 70er gab es im Denken der sozialistischen Kultur noch einmal eine Überarbeitung. So konnte<br />
man im Bericht des Zentralkomitees zum VIII. Parteitag der SED lesen: „Die entwickelte sozialistische<br />
Gesellschaft gewinnt ein neues Verhältnis zum humanistischen Erbe, dessen Pflege und Aneignung für<br />
immer mehr Werktätige zum echten Bedürfnis ihrer Persönlichkeitsbildung wird.“ Zum sozialistischen<br />
Menschenbild sollte eben ein sozialistisches Nationalbewusstsein gehören, in das die Pflege des Erbes<br />
allgemein und speziell des deutschen Volkstanzes gut zu integrieren waren. Die deutsche Folklore wurde von<br />
nun an wieder mit allen Kräften gefördert. Die Diskussion über unser kulturelles Erbe bezog sich nicht nur<br />
auf den Volkstanz, sondern auch auf musikalische Überlieferungen und auf die deutschen Klassiker der<br />
Literatur.<br />
Die nun neu entstehenden Choreographien sind nun künstlerisch bearbeitete Folklore in Form von<br />
Bühnentanz. Es wurden Elemente aus dem überlieferten Volkstanz dabei verwendet. Die Stücke haben nun<br />
Namen, wie „Ländlicher Walzer“ von Aenne Goldschmidt, „Die letzte Garbe“ von Thea Mass,<br />
„Ernteheimweg“ von Rosemarie Ehm- Schulz usw.<br />
Aufgrund des neuen Umgangs mit dem kulturellen Tanzerbe, entwickelte sich Mitte der 70er Jahre die<br />
Folkszene. Öffentliche Tanzveranstaltungen für jedermann, wie sie Erich Krause mit seinem <strong>Berliner</strong><br />
Volkstanzensemble im Kulturhaus Prater in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg regelmäßig veranstaltete<br />
sollte es viel mehr geben. Erich Krause hatte sich im Laufe der Jahre an die Bedürfnisse der Tänzer<br />
angepasst. Was anfangs reine Volkstanzfeste waren, wurden in den letzten Jahren gesellige Tanzfeste. Der<br />
Volkstanz nahm nur noch einen Teil des Abends ein, ansonsten wurden neue gesellige Tänze, wie Shoo Fly,<br />
Mexikanischer Walzer u.a. getanzt und es wurde auch Gesellschaftstanz angeboten.<br />
Nach und nach gab es spezielle Folkmusikgruppen. Folktanzveranstaltungen wurden immer mehr<br />
veranstaltet. Die sogenannte Folkszene hatte sehr viele jugendliche Anhänger. Die Tänze waren leicht zu<br />
tanzen und der gemeinschaftliche Aspekt stand dabei im Vordergrund. Sie beinhalteten einfache Elemente<br />
aus dem Volkstanz. Der Unterschied bestand aber darin, dass man sich die Reihenfolge der Figuren selbst<br />
neu zusammenstellte und dann zu unterschiedlichen Musiken tanzte. Das machte sicher Spaß und brachte<br />
Stimmung und es fühlten sich viele Jugendliche davon angezogen. Der eine oder andere kam dann über diese<br />
Schiene zum „richtigen“ Volkstanz. Um Nachwuchs für den deutschen Volkstanz zu „ködern“ war das<br />
vielleicht gar keine schlechte Idee.<br />
Auch wenn immer mehr Gruppen aufgaben, kamen ab und zu auch welche dazu:<br />
So gründete Anni Hermann im Herbst 1978 in Westberlin den Märkischen Volkstanzkreis. Getanzt wurde<br />
anfangs in den Räumen der Ölberggemeinde in Berlin-Kreuzberg, später zog man ein paar Ecken weiter in<br />
die Emmausgemeinde Kreuzberg, wo der Tanzkreis heute noch probt.<br />
Getanzt wurden und werden deutsche Volks- und Jugendtänze, skandinavische Tänze, Kontratänze und<br />
internationale Tänze. In der Tanzgruppe tanzen ca. 16 Tänzer. Es wurden Kontakte zu anderen Gruppen in<br />
der Nordheide und auch in Schweden geknüpft.<br />
Einmal die Woche trifft man sich zum gemeinsamen tanzen, erzählen und singen.<br />
Gemeinsam fuhr man zu Tanzfesten in Salzgitter und Karlsruhe, wo die Gruppe auch am Stadtumzug und<br />
Aufführungen teilnahmen. Beim großen Herbsttanzfest in Berlin ist die Gruppe auch immer vertreten.<br />
Besonderen Spaß brachte immer die gemeinsame Teilnahme an den vielen Lehrgängen in ganz Deutschland.<br />
Zu den regelmäßigen Aufgaben gehörten damals auch die alljährlichen Auftritte beim Erntedankfest im<br />
Johannisstift, die auch gemeinsam mit schwedischen Gruppen gestaltet wurden. Die schwedischen Tänzer<br />
waren dann immer in den Familien der Tanzgruppenmitglieder untergebracht.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 54
Schöne Erinnerungen brachte auch die Teilnahme in<br />
Dalarna (Schweden) zum Rättviksdansen, den Tanztagen,<br />
an denen auch ausländische Volkstanzgruppen<br />
teilnahmen.<br />
Ausschnitt aus einer schwedischen Zeitung<br />
Zu den Auftritten trugen die Mädchen weiße Blusen und bunte Miederkleider, deren Borte mit Blumen<br />
bestickt war, dazu wurden farbige Schürzen gebunden.<br />
Die Herren hatten weiße und schwarze Kniebundhosen<br />
und blaue Westen.<br />
Fotos vom Auftritt in Ribbeck.<br />
Treffen mit anderen Gruppen sind wichtig und<br />
machen Spaß.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 55
Neben den regelmäßigen Proben trifft man sich<br />
auch mal zum Feiern.<br />
Der Märkische Volkstanzkreis tanzt noch immer<br />
regelmäßig jeden Dienstag. Die Mitgliederzahl ist<br />
in etwa gleich geblieben. Auftritte werden nicht<br />
mehr getanzt, aber an Tanzfesten wird weiterhin<br />
teilgenommen. Das gemeinsame Tanzen und auch<br />
Singen, das Treffen nach den Proben im Lokal<br />
gegenüber oder auch die gemütlichen<br />
Beisammensein halten die Gruppe nach wie vor<br />
zusammen.<br />
Die 80er Jahre<br />
In Westberlin gründete Klaus Paege am 17.10.1980 den „Tanzkreis für deutsche Folklore“. Die Gruppe<br />
beschäftigte sich ausschließlich mit deutschem Volkstanz. Die Gruppe baute langjährige Kontakte zu<br />
anderen Gruppen auf. Man traf sich auf gemeinsamen Tanzfesten und es entstanden enge Freundschaften.<br />
Auftritte bei den Bezirksämtern, in Krankenhäusern, Seniorenheimen, Laubenkolonien usw. wurden vielfach<br />
von ihrer kleinen Musikgruppe unterstützt.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 56
Es wurde auf Tanzfesten im gesamten<br />
Bundesgebiet getanzt. Ein Höhepunkt stellte<br />
sicher die Teilnahme an der 20. Europeade in<br />
Wien vom 5.-7.8.1983 dar.<br />
Die Tracht, die getragen wurde stammt aus der<br />
Gegend um Luckenwalde im Land<br />
Brandenburg und wurde nach alten Unterlagen,<br />
die nur noch im Museum vorhanden waren,<br />
nachgefertigt.<br />
Später übernahm Carsten Böttcher die<br />
Tanzgruppe. Geprobt wurde im Saal im Haus<br />
der Familie, Mehringdamm, nahe der U-Bahn<br />
am Platz der Luftbrücke. Besuch im Prater beim Tanzfest 9.2.90<br />
Etwa 1992 löste sich der Kreis wieder auf.<br />
Im April 1982 wurde die Volkstanzgruppe Wittenau von Ursel und Rolf Vanselow, gegründet.<br />
8 Gründungsmitglieder hatten sich das Ziel gesetzt, der Freizeitbeschäftigung Tanz nachzugehen und dabei<br />
aber auch deutschen Volkstanz zu pflegen und erhalten.<br />
Die Gruppe tanzt auf den unterschiedlichsten Veranstaltungen in Berlin und im Bundesgebiet. Im Frühjahr<br />
wurde immer ein kleines Volkstanztreffen mit einer auswärtigen und einer <strong>Berliner</strong> Tanzgruppe<br />
durchgeführt. Durch diese Begegnungen knüpfte man viele Kontakte und holte sich Anregung für die weiter<br />
Tanzarbeit. Das Alter der Tänzer liegt mittlerweile bei 60-80 Jahren. Die Gruppe tanzt immer noch<br />
regelmäßig jeden Montag im Senftenberger Ring in Reinickendorf. Die Leitung haben schon seit einigen<br />
Jahren Margot und Helmut Fiedler. Die Gruppe ist regelmäßig bei Tanzfesten anzutreffen.<br />
Die Tanztracht, die bis heute getragen wird, stammt aus den Jahren um 1850. Die Tracht der Männer wurde<br />
in Liebenwalde getragen und die der Frauen in Ribbeck, beides Orte in der nördlichen bzw. westlichen Mark<br />
Brandenburg. Bei der Herstellung der Tracht bekam die Gruppe Unterstützung von der Deutschen Oper<br />
Berlin.<br />
1987 wurde Berlin 750 Jahre alt. Anlässlich dieses Jubiläums<br />
fand in Ostberlin ein groß organisierter Festumzug statt.<br />
Sämtliche Tanzensembles, Volkskunstkollektive und<br />
Tanzgruppen und Musikgruppen, aber auch Handwerker und<br />
Sportler waren daran beteiligt. Wir Tänzerinnen von der<br />
Jugendgruppe des <strong>Berliner</strong> Volkstanzensembles mit Karin Krause<br />
waren auch dabei. Ich erinnere mich noch gut an die Proben.<br />
Mehrere Monate vorher trafen wir uns an verschiedenen Orten<br />
mit den Musikern, um unsere Choreographie für den Umzug<br />
einzustudieren. Am Tage selber bekamen wir dann so eine Art mittelalterliche<br />
Kleidung. Dann bekam jede Gruppe ihre Stellnummer und dann ging es los.<br />
Letztendlich waren wir bei dem riesigen Aufgebot nur eine von vielen, aber Spaß<br />
gemacht hat es trotzdem. Es war schon etwas besonderes, an einem so großen Event<br />
teilzunehmen.<br />
Den nächsten großen Höhepunkt hatte ich mit den Mädels vom <strong>Berliner</strong><br />
Volkstanzensemble 1989. Im Mai fand das große Pfingsttreffen der Jugend in Berlin<br />
statt. Wir wirkten damals in der großen Stadionrevue „Show mal her“ im Stadion<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 57
der Weltjugend mit. Das war sehr aufregend. Viele Proben vorher und interessante Begegnungen mit den<br />
damaligen Ostpromis gab es. So traf ich bei einer Besprechung im Vorfeld die Sängerin Tamara Danz und<br />
bei der Revue selber erinnere ich mich noch gut, wie ich neben dem sogenannten „Winnetou des Ostens“,<br />
Gojko Mitic stand und darum sicher von vielen beneidet wurde.<br />
Diese Revue war für viele aktive jugendliche Tänzer die letzte große Aktivität im Volkskunstschaffen der<br />
DDR. Niemand ahnte zu dem Zeitpunkt, dass sich am 9.November des Jahres die vielgehasste Mauer öffnen<br />
würde.<br />
Die 90er Jahre bis heute<br />
Der 9.November 1989 war nicht nur die Wiedervereinigung zweier deutscher Staaten zu Einem, sondern<br />
auch eine Wiedervereinigung von zwei in vielen Dingen sehr unterschiedlich gewordenen<br />
Volkstanzgemeinden. In vierzig Jahren BRD und DDR und 28 Jahren absoluter Mauertrennung entwickelte<br />
sich die Volkstanzarbeit teilweise sehr verschieden. Im Westen tanzte man eher nach alt gewohnter Manier,<br />
also mit geselligen Probenabenden, Auftritten, Tanzfesten und Gruppenfahrten, in denen es galt die<br />
Gemeinschaft in der Gruppe und mit anderen Gruppen zu fördern. Im Ostteil entwickelte sich daraus in<br />
vielen Gruppen ein regelmäßiges, leistungsorientiertes Training mit Trainingslagern am Wochenende oder in<br />
den Ferien für die Kinder und Jugendlichen. Es gab ganz „normale“ Auftritte auf Betriebsveranstaltungen,<br />
Altersheimen und dergleichen, aber man arbeitete auch hart an bühnenwirksamen Programmen, die dann zu<br />
Wettbewerben, Festspielen und Leitungsschauen zur Aufführung kamen. Aber auch diese andere<br />
Arbeitsweise förderte den Zusammenhalt und die Gemeinschaft in den Volkstanzgruppen. Schließlich war es<br />
ja auch ein schönes Gefühl, für die gemeinsame harte Arbeit mit guten Platzierungen belohnt zu werden.<br />
Mit der Wende lösten sich auch die letzten noch bestehenden Betriebstanzgruppen und Ensembles auf. Die<br />
Menschen waren jetzt mit anderen Dingen beschäftigt. Außerdem fehlte jetzt auch die finanzielle Förderung<br />
der Gruppen durch die Betriebe. Es gab also keine Möglichkeit mehr, Probenräume zu finden, die nichts oder<br />
nur sehr wenig Miete kosteten und somit erledigte es sich für viele mit dem Tanzen.<br />
Die betriebsunabhängig existierenden Volkstanzgruppen tanzten aber weiter. Das waren in Ostberlin leider<br />
nicht so viele. Da gab es eine Volkstanzgruppe in Leegebruch bei Berlin, die heute als Karnevalsverein<br />
arbeitet und der <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis in Berlin-Prenzlauer Berg.<br />
In Westberlin gab es noch 7 Volkstanzgruppen, die deutschen Volks- und Jugendtanz pflegten und nun als<br />
Einzelmitglieder der LAG Tanz Berlin e.V. angehörten.<br />
Im April 1991 gründete die Musikschule Berlin- Köpenick eine Jugendtanzgruppe unter der künstlerischen<br />
Leitung von Waltraut Stark, die jahrelang das Tanzensemble der Interflug in Ostberlin leitete. 1993 kam<br />
dann noch eine Erwachsenentanzgruppe dazu. Die Gruppe beschäftigt sich viel mit deutscher Folklore, die<br />
von Waltraut Stark choreographisch für die Bühne bearbeitet wird. Aber auch ausländische Folklore gehört<br />
zum Repertoire. Die Gruppe hatte Kontakte zu ausländischen Tanzgruppen.<br />
Vor einigen Jahren endete die Zusammenarbeit mit der Musikschule. Seitdem trägt sich die<br />
Tanzgruppe als eingetragener Verein<br />
Die Folkloretanzgruppe Köpenick e.V. nimmt seit Jahren regelmäßig an viele Veranstaltungen in und um<br />
Berlin teil. Bei Bundesvolkstanztreffen und vielen anderen Tanzfesten sind sie immer vertreten. 3-tägige<br />
Trainingsfahrten gehören zur alljährlichen Tradition. Das Alter der Tänzer liegt bei 15 bis über 60 Jahre.<br />
Die Tanztracht der Gruppe kommt aus dem Fläming aus der Region Jüterbog.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 58
Einige Mitglieder der Gruppe leiten Kindertanzgruppen in den umliegenden Grundschulen, um den<br />
Nachwuchs für die Zukunft zu sichern. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, weil viele Kinder spätestens<br />
zum Wechsel in die Oberschule nicht weiter tanzen. Aber es ist gut, die Hoffnung nicht aufzugeben. Zu den<br />
anderen <strong>Berliner</strong> Volkstanzgruppen bestehen gute Kontakte.<br />
Generell entstand nun nach Maueröffnung wieder eine ähnliche Situation wie in den 50er Jahren. Man<br />
konnte sich endlich wieder grenzenlos besuchen. So gab es einen regelrechten Tanztourismus. Die Tanzfeste<br />
wurden wieder gesamtberliner Tanzfeste.<br />
Neben der großen Wiedersehensfreude machten sich aber die Jahre der Trennung doch bemerkbar.<br />
Behauptete doch jeder von sich, dass seine Lehrmethode und Probengestaltung die bessere wäre.<br />
Diskussionen entstanden und man versuchte sich zu einigen. Für die weitere Entwicklung des Volkstanzes<br />
konnte dies aber nur gut sein, denn von jedem ein bisschen zu einem Ganzen zusammengeführt, konnte die<br />
Tanzqualität und die Gemeinsamkeit in den Gruppen nur fördern. Das war und ist auch für die heutige Arbeit<br />
in den Gruppen von großer Wichtigkeit, um Nachwuchs zu finden und zu integrieren. Dazu gehört gerade<br />
auch in der Arbeit mit Jugendlichen die Förderung der Gemeinschaft, aber auch durch die regelmäßige<br />
Trainingsarbeit mit Erfahrung aus den beiden ehemaligen<br />
Systemen Ost und West eine kontinuierliche Erhaltung unseres<br />
kulturellen Erbes, dem Volkstanz.<br />
Inzwischen ist es so, dass viele Tänzer in mehreren<br />
verschiedenen Volkstanzgruppen regelmäßig wöchentlich<br />
tanzen. Ob man damals in Ost oder West tanzte ist heute nicht<br />
von Wichtigkeit. Man kann also sagen, dass die<br />
Wiedervereinigung der großen Volkstanzgemeinde sehr schnell<br />
verlief.<br />
Gedanklich war man ja nie wirklich getrennt.<br />
Gerade die älteren Tänzer erinnerten sich noch<br />
gerne an gemeinsam getanzte Vormauerzeiten.<br />
Die Tänzer aus dem Westteil Berlins nutzten<br />
damals auch öfter<br />
die Gelegenheit von Besuchen, um an den<br />
Tanzfesten im <strong>Berliner</strong> Prater mit Erich Krause, nach seinem Tod mit Karin Krause, teilzunehmen.<br />
Umgekehrt war es für die arbeitende Bevölkerung ja leider nicht möglich, aber die Altersrentner im Ostteil<br />
hielten auch die bestehenden Kontakte im Westen aufrecht.<br />
Foto oben links: Begegnung des <strong>Berliner</strong> <strong>Volkstanzkreises</strong><br />
mit dem Tanzkreis Adelheid in Tegel, 1.7.1997<br />
Foto oben: Gruppentreffen der ehemaligen Hohen<br />
Neuendorfer Tänzer von Eberhard Jähnert 2.10.2010<br />
Foto links: Gemeinsames Tanzen bei der jährlichen<br />
Veranstaltung des <strong>Berliner</strong> Turnerbundes November 2009<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 59
Leider wird der Altersdurchschnitt der Tänzer immer höher. Nachwuchs zu finden ist heutzutage schwieriger<br />
als je zuvor. Deshalb ist es denke ich wichtig, Volkstanz wieder öffentlicher zu machen. Das setzt natürlich<br />
auch zunehmendes Interesse der zuständigen Kulturverantwortlichen in den Bezirken und den Ländern<br />
voraus. Es muss uns, den noch verbleibenden Tänzern, irgendwie gelingen, medienwirksamer zu werden.<br />
Dazu brauchen wir dringend Nachwuchs, müssen durch Auftritte präsent sein und den deutschen Volkstanz<br />
stets weiterentwickeln, um ihn auch für jüngere Generationen interessant zu machen. Dennoch wird es<br />
immer schwieriger werden, Volkstanz wieder gesellschaftsfähig zu machen, weil das gesamte<br />
Freizeitangebot zu vielfältig geworden ist. Die zuständigen Kulturämter sehen es auch nicht weiter für<br />
notwendig den Volkstanz als Kulturerbe weiter zu fördern. Nach deren Auffassungen gäbe es<br />
förderungswürdigere Kulturgüter. Das damit ein Teil unserer deutschen Geschichte geleugnet wird, ist ihnen<br />
wahrscheinlich nicht bewusst. Wir reden hier von der deutschen Geschichte, die bereits im 10.Jahrhundert<br />
mit der Gründung des deutschen Reiches begann und nicht von ein paar Jahren zwischen 1939 und 1945, die<br />
scheinbar für die politisch Verantwortlichen im Vordergrund stehen. Ein weiteres Problem ist das<br />
zunehmende Desinteresse der heute heranwachsenden Generation an unserer deutschen Geschichte und den<br />
damit erlangten Traditionen. Damit wird dieses Thema zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.<br />
Dass Volkstanz auch heute noch Spaß macht, merkt man daran, dass viele Tänzer schon ihr ganzes Leben<br />
tanzen. So sind z.B. bei uns im <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis mehrere Tänzer, die gemeinsam mit Erich Krause im<br />
Frühjahr 1946 mit dem Tanzen angefangen haben. Sie sind heute alle im Alter von 77- 82 Jahren und immer<br />
noch fleißig dabei. Das beweist, wie zuträglich das Tanzen der Gesundheit ist. Alle langjährigen<br />
Volkstänzer, die ich kenne sind körperlich noch sehr fit, haben eine hohe Auffassungsgabe, wenn neue<br />
Tänze erklärt werden und wirken einfach jünger, als sie sind. Tanzen bringt soziale Integration und Spaß und<br />
hält länger jung.<br />
Am 22.1.2011 waren wir zu einem Lehrgang für deutsche Volkstänze. Erstaunlicherweise war die<br />
Zielgruppe, die die Tänze lernen wollte, die Tanzgruppe Faux Pas, die sich sonst nur mit Tänzen aus dem<br />
Balkan und Umgebung beschäftigt. Die jungen Leute zeigten ernsthaftes Interesse an unseren deutschen<br />
Volkstänzen und waren mit Begeisterung dabei, einige Tänze zu erlernen. Es war schön zu sehen, wie<br />
schnell sie die für sie ungewöhnlichen Schritte lernten. Wir zeigten und übten den Freidigen, Krüz König,<br />
Holsteiner Dreitour und die Lange Reihe. Außerdem lernten sie Walzer tanzen. Diese gemeinsamen<br />
Tanzstunden haben allen sehr viel Spaß gemacht und es kam der Wunsch auf, noch mehr über den deutschen<br />
Volkstanz zu lernen. Es entstand die Idee, solche Lehrgänge öfter zu veranstalten und zwar dann aber als<br />
gegenseitiges Lernen, dass heißt wir bringen den ausländischen Tänzern unsere deutschen Tänze bei und wir<br />
lernen dafür Balkantänze zu tanzen. Ich finde es schon erstaunlich, dass gerade ausländische Tänzer<br />
Interesse an unserem deutschen Tanzerbe zeigen. Anscheinend hat die Pflege und Erhaltung von Traditionen<br />
in anderen Ländern einen viel größeren Stellenwert als bei uns in Deutschland. Auf diesen Weg müssen wir<br />
unsere Jugend in den nächsten Jahren auch bringen, damit nicht alle unsere Traditionen verloren gehen.<br />
Abschließend noch ein sehr passendes Zitat von Rosemarie Ehm- Schulz:<br />
"Im Volkstanz ist das zu finden, was den anderen Tanzarten fehlt. Diesen Tanz schöpft das Leben<br />
selbst. Auf den Volkstanz wirken keine Kritik, keine Direktoren und sogar kein Publikum. Er bleibt<br />
wie er ist... Das Volk tanzt für sich selbst und stellt sich selbst dar. Das ist Wahrheit, die von<br />
niemandem verfälscht wurde."<br />
Wenn wir diese Worte beherzigen, haben wir vielleicht die Chance unsere Volkstanzgeschichte noch lange<br />
weiterschreiben zu können. Das wünsche ich uns und den nachfolgenden Generationen sehr.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 60
Zum Schluss noch 3 kurze Chroniken von ausgewählten Volkstanzgruppen, die die gesamten Jahre von<br />
nach dem Krieg bis heute (2011) durchgetanzt haben:<br />
Im Oktober 1950 gründeten sich gleich zwei Volkstanzgruppen, die von der Jugendförderung des Senats von<br />
Westberlin betreut wurden. Das ist zum einen der VOLKSTANZKREIS REINICKENDORF und zum<br />
anderen der VOLKSTANZKREIS TEMPELHOF.<br />
Der Volkstanzkreis Tempelhof<br />
Als sich Herbert Kluge am 11.Oktober 1949 mit einer Gruppe von Freunden traf, tat er dies mit der Absicht<br />
eine Volkstanzgruppe zu gründen. Er wollte deutsche Tänze pflegen und zusätzlich sollte gesungen und<br />
gewandert werden. Da es zu dieser Zeit wenige Räume gab, die für solch eine Gruppe geeignet waren,<br />
wechselte man häufig die Räumlichkeiten. Erst im Herbst 1950 gelang es mit Hilfe des Bezirksamtes<br />
Tempelhof eine geeignete Sporthalle (jetzige Hugo- Gaudig- Schule) für die Probenabende zu finden. Nun<br />
fing man an Werbung für eine Kindergruppe zu machen. Mit einem hübsch gemalten Plakat am schwarzen<br />
Brett in Alt-Tempelhof warb man auf Anhieb 7 Kinder aus einer Klasse und deren Geschwister. Die spätere<br />
Leiterin Barbara Lentz- Feuge gehörte auch dazu. Somit war der Volkstanzkreis Tempelhof geboren. Schon<br />
3 Monate später trat man das erste Mal vor den Amerikanern auf. Das wurde ein Riesenerfolg. Als<br />
Belohnung gab es für alle Kinder Süßigkeiten. Das war für alle eine Ansporn, weiter zu machen. Musikalisch<br />
wurde die Tanzgruppe von dem allseits beliebten Walter Lassahn auf dem Akkordeon begleitet.<br />
Das Jugendamt Tempelhof unterstützte von Anfang an die Arbeit der Gruppe. Die Gruppen wurden immer<br />
größer und neben Familie und Beruf schaffte es Herbert Kluge nicht mehr diese ehrenamtliche Aufgabe<br />
weiterzuführen, deshalb übergab er den Tanzkreis an Dieter Matthies. Die Kindergruppe leitete die noch sehr<br />
junge Barbara Lentz unterstützt von Walter Lassahn. Dieter Matthies leitete mit sehr viel Schwung die<br />
Gruppe, doch leider zwangen ihn sein Studium und seine berufliche Laufbahn dazu, die Gruppe wieder<br />
abzugeben. Hans Joachim Andrè (vielen bekannt als Henne) führte die Arbeit von Dieter Matthies weiter.<br />
Die Tanzgruppe tanzte immer häufiger auch mit anderen <strong>Berliner</strong> Volkstanzgruppen zusammen und knüpfte<br />
Kontakte zu Gruppen in Westdeutschland. Nach Hans Joachim Andrè übernahm Günter Dahlmann die<br />
„Großen“ und brachte gleich noch mehr Tänzer aus Steglitz mit. Lothar Heininger begleitet inzwischen mit<br />
seinem Akkordeon die Tanzgruppe und er tat es über viele Jahre. Bei jedem Leitungswechsel gab es neue<br />
Tänze. Damit erweitere sich das Repertoire ständig.<br />
Seit September 1957 ist das Jugendfreizeitheim Hessenring die Übungsstätte für den Tanzkreis. Alle<br />
Heimleiter hatten einen sehr guten Kontakt zu den Tänzern.<br />
1965 übernahm dann Barbara Lentz- Feuge, von allen Babs genannt, beide Gruppen. Sie besuchte<br />
regelmäßig internationale Fortbildungsseminare und brachte so ihre eigene Note in die Gruppe. Der<br />
Volkstanzkreis Tempelhof wurde nun umbenannt in Tempelhofer Tanzkreis.<br />
Der Tempelhofer Tanzkreis nahm an vielen Tanzfesten teil und unternahm viele schöne Ausflüge und<br />
Reisen, so z.B. 1958 nach Belgien zu einem Tanzfest, 1967 zu einem Gruppentreffen nach Lille in<br />
Frankreich, 1973 nach Malmö/Schweden, 1975 nach London und 1980 bekam die Gruppe eine Einladung<br />
vom Senat zu einer Jugendbegegnung nach Ägypten.<br />
Später verzichtet man Auslandsreisen und fuhr nach Grömitz, Kiel oder Noer.<br />
Die Gruppe trifft sich bis heute regelmäßig jeden Mittwoch. In der Gruppe tanzen Kinder, Jugendliche und<br />
Erwachsene, Singles und Ehepaare. Viele Ehepaare gingen aus dem Tanzkreis hervor. Man lernte sich<br />
damals beim Tanzen kennen und lieben und heiratete dann.<br />
1989 übernahm Andrea Stahl die Jugendgruppe. Aus gesundheitlichen Gründen und wegen ihres Umzugs<br />
aus Berlin übergab Barbara Lentz-Feuge 1991 dann die Gesamtleitung der Gruppe an Andrea und Michael<br />
Stahl, die die Gruppe heute noch mit viel Spaß leiten. Beide haben schon bei Barbara Lentz-Feuge in der<br />
Kindertanzgruppe getanzt.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 61
Seit 1990 wird die Tanzgruppe nicht mehr vom Bezirksamt Tempelhof unterstützt. Seitdem finden die<br />
wöchentlichen Proben jeden Mittwoch im Saal des Jugend-Kulturzentrums Wutzkyallee in Rudow statt. Der<br />
Tanzkreis Tempelhof heißt seitdem <strong>Berliner</strong> Tanzkreis Bunte Mischung.<br />
Der Volkstanzkreis Reinickendorf<br />
Am 26.10.1950 lud der 18-jährige Schüler Volkhard Jähnert seine Mitschüler vom Georg Herwegh<br />
Gymnasium zu einem Tanznachmittag in der Schule ein. Daraus entwickelte sich dann der heute noch<br />
bestehende Volkstanzkreis Reinickendorf. Über die Entwicklung der ersten Jahre und über die Entstehung<br />
der Tanztracht habe ich ja bereits schon im 50er Jahre Teil der Arbeit berichtet. Nach der Wende zu Beginn<br />
der 90er Jahre bekam die Tanzgruppe wieder etwas Zuwachs. Tänzer, die vor Mauerbau Kontakte zur<br />
Gruppe hatten, konnten nun wieder regelmäßig zu den Probenabenden kommen. Überhaupt mischten sich<br />
alle nun im vereinten Berlin bestehenden Gruppen wieder. Somit konnten Verbindungen und Freundschaften<br />
von früher wieder aufgefrischt und vertieft werden.<br />
Die Reinickendorfer Gruppe unternahm seit ihrem Bestehen vielen Reisen ins In- und Ausland. Zu den<br />
besonderen Erlebnissen zählen für<br />
die Tänzer sicher die Treffen mit<br />
Volkstanzgruppen in Schweden,<br />
Norwegen, Dänemark und Holland.<br />
Es entstanden viele enge<br />
freundschaftliche Beziehungen.<br />
Außerdem gab und gibt es viele<br />
Tanzbegegnungen im gesamten<br />
Bundesgebiet. Ein weiterer<br />
Höhepunkt war sicher auch am<br />
2.9.1983 der Auftritt bei den<br />
Fernsehaufnahmen für die „IFA<br />
Folkloreshow“. Für die Mitglieder<br />
der Gruppe sind das gemeinsame<br />
Erleben und die Gemeinschaft sehr<br />
wichtig.<br />
Foto: Auftritt zum Erntedankfest Lübars 2001<br />
So finden jedes Jahr einwöchige Wanderfahrten und auch Tagesausflüge in und um Berlin statt. Ein<br />
geselliger Abend, bei dem ausgiebig getanzt wird und eine festliche Weihnachtsfeier runden das<br />
Jahresprogramm des Tanzkreises ab. Die Vielfalt der unterschiedlichen Veranstaltungen hat die Gruppe zu<br />
einer festen Gemeinschaft zusammengeschweißt. Einige Mitglieder der Gruppe waren schon in der Kinder<br />
und Jugendgruppe tänzerisch tätig. Für die Kinder und Jugendlichen waren die Tanzjahre bei Volkhard<br />
immer eine sehr erlebnisreiche Zeit. Es gab jedes Jahr Ferienfahrten und Treffen mit anderen Tanzgruppen in<br />
Deutschland, aber auch in Schweden. Außerdem fanden regelmäßig. Kindertanzfeste in Tegel statt. Auch<br />
Kinderfasching wurde immer gefeiert. Leider gibt es auch hier wieder das verbreitete Nachwuchsproblem.<br />
Vor einigen Jahren wurde leider aus Mangel an Interessenten die Kinder- und Jugendgruppe aufgelöst. Der<br />
Volkstanzkreis Reinickendorf wird seit seiner Gründung immer noch vom Bezirksamt unterstützt.<br />
Heute tritt der Volkstanzkreis nicht mehr so oft auf wie früher, aber trotzdem ist er noch regelmäßig bei<br />
Veranstaltungen im Britzer Garten oder auch bei Tanzfesten oder Veranstaltungen in Berlin und<br />
Brandenburg zu sehen.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 62
Volkhard Jähnert wurde für seine<br />
jahrzehntelange aufopferungsvolle<br />
Tätigkeit für den Volkstanz mehrmals<br />
geehrt. So wurde ihm z.B. 1975<br />
anlässlich des 25jährigen<br />
Gruppenjubiläums die Humboldt-<br />
Medaille für seinen besonderen<br />
persönlichen Einsatz in der Jugendarbeit<br />
verliehen. 1981 wurde ihm vom<br />
Bundespräsidenten die<br />
Verdienstmedaille verliehen. Im<br />
Oktober 2010 feierte der Volkstanzkreis<br />
Reinickendorf sein 60jähriges Jubiläum.<br />
Zeitungsausschnitt:<br />
Nordberliner 14.10.2010<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 63
Der <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis<br />
Nach dem Krieg waren sich Eberhard Jähnert und Erich Krause einig. Man müsste unbedingt wieder viele<br />
neue Volkstanzgruppen gründen. So kam es, dass Erich Krause im November 1945 zu einem bunten Abend<br />
für die Jugend aufrief. (Kopie des Aufrufes am Anfang dieser schriftlichen Arbeit) Viele waren gekommen<br />
und so gründete sich daraufhin im Frühjahr 1946 der Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis. Anfangs gehörte die<br />
Gruppe zum Bezirk 61 in Prenzlauer Berg in Berlin. Ab 1951 war dann die <strong>Berliner</strong> Volksbühne der Träger.<br />
Erich begeisterte sehr viele Kinder und Jugendliche. Ab Mitte der 60er Jahre wurde aus dem Groß-<strong>Berliner</strong><br />
Volkstanzkreis das Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzensemble. Zu dieser Zeit bekam die Tanzgruppe neue<br />
Auftrittskleidung. Man konnte von einer anderen Gruppe blaue<br />
Miederkleider übernehmen. Diese wurden mit weißen Blusen und<br />
weißen Schürzen ergänzt. Zusätzlich ließ man von einer privaten<br />
Schneiderin noch rote und goldene Miederkleider nähen. Die<br />
verschiedenfarbigen Kleider kennzeichneten die verschiedenen<br />
Altersgruppen der Tänzer.<br />
Der rote Vortanzkreis waren die<br />
Kinder im Alter von 10-12 Jahren<br />
Der blaue Vortanzkreis waren die<br />
12-14 Jährigen.<br />
Ab 14 Jahren gehörte man zum goldenen Vortanzkreis. Die meisten<br />
Jugendlichen schieden dann mit ca. 18-20 Jahren aus beruflichen oder<br />
familiären Gründen aus der<br />
Gruppe aus. Die jungen<br />
Erwachsenen, die gerne<br />
weitertanzen wollten, trafen sich anfangs noch am Montagabend in den<br />
Räumen des VEB Schuhreparatur Prenzlauer Berg. Irgendwann gab es<br />
diese Gruppe aber nicht mehr. Es gab sehr<br />
viele Kindergruppen. In ca. 6 Schulen,<br />
verteilt auf die Bezirke Pankow, Prenzlauer<br />
Berg und Friedrichshain, gab Anfänger- und Fortgeschrittenenkreise. Erich<br />
Krause leitete die Proben und spielte dabei auf seinem Akkordeon. Später<br />
übernahm Erich zusätzlich die Betriebstanzgruppe der Charité. Dort lernte er<br />
Otto Reisewitz kennen, der die Gruppe auf dem Akkordeon begleitete.<br />
Später unterstütze Herr Reisewitz Jahrzehnte lang bis ins hohe Alter die vielen<br />
Gruppen des Groß-<strong>Berliner</strong> Volkstanzensembles auf dem Akkordeon oder am<br />
Klavier.<br />
Foto: Herr Reisewitz<br />
Das Ensemble nahm an sehr vielen Volkskunstwettbewerben und<br />
Einstufungen teil. Außerdem war die Gruppe bei Auftritten zum 1.Mai,<br />
bei Wahlen, beim jährlichen Presse- und Blumenfest, in Altersheimen,<br />
bei Betriebs- und Parteiversammlungen, Veranstaltungen der<br />
Volkssolidarität und auf den vielen Tanzfesten zu sehen.<br />
Viele Jahre wurde auch jährlich Gruppenfahrten in den Ferien<br />
durchgeführt. Beim Tanzfest in Rudolstadt war die Gruppe auch<br />
vertreten. Die Jugendgruppe war auch bei Großveranstaltungen, wie<br />
Jugendfestivals oder beim Festumzug zur 750 Jahrfeier vertreten.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 64
Für die Auftritte wurde man damals von der Schule oder Ausbildung freigestellt. Nur deshalb konnte man<br />
bei so vielen Veranstaltungen präsent sein. Das gehörte alles mit zum Gesamtkonzept der kulturellen<br />
Förderung der DDR.<br />
Erich Krause musste regelmäßig an den Versammlungen des Kulturamtes vom Bezirksamt teilnehmen.<br />
Immer wieder wollte man bestimmen, dass er politische Themen in Tänzen und Choreographien verarbeiten<br />
sollte. Das Kulturamt war der Meinung. dass Volkstanz museal sei. Doch Erich Krause ließ sich nicht von<br />
seinem Denken abbringen. Er entschied sich gegen das Kulturamt und vertrat weiterhin all die Jahrzehnte<br />
den traditionellen Volkstanz.<br />
1947 fand das 1.Volkstanzfest des damals noch Groß-<strong>Berliner</strong><br />
<strong>Volkstanzkreises</strong> statt. Es folgten viele weitere. In den 50er Jahren<br />
waren die Tanzfeste ein beliebter Treffpunkt in ganz Berlin und<br />
Umgebung. Sie fanden im EAW Treptow, in der Eberswalder Str.<br />
beim Postamt und im Haus der DSF (Deutsch Sowjetische<br />
Freundschaft)<br />
In den 60er Jahren fanden die Tanzfeste oft im Haus der DSF statt.<br />
Begleitet wurden die Tanzfeste immer vom Volkstanzorchester<br />
Willy Kremke. Die zweite Frau von Willy Kremke, Dorothea,<br />
tanzte noch bis ins hohe Alter begeistert im Tanzkreis.<br />
1958 Tanzfest im Haus der DSF<br />
Ab etwa 1970 gehörte die Gruppe zum Kreiskulturhaus Prater im Prenzlauer Berg. Von nun an fanden auch<br />
die Tanzfeste und die Proben der Jugendgruppe im Prater statt. Zu den Tanzfesten spielte nun nicht mehr<br />
Willy Kremke, sondern Otto Reisewitz mit seiner Kapelle Harmonia. In den 80er Jahren wurden die<br />
Tanzfeste von Kapelle Hinze begleitet. Zu jedem Tanzfest durften alle Vortanzgruppen in einem Auftritt zu<br />
Beginn des Festes ihr Können unter Beweis<br />
stellen. In gleicher Regelmäßigkeit wie die<br />
Tanzfeste für Erwachsene fanden auch<br />
Kindertanzfeste statt, an denen alle bestehenden<br />
Kindergruppen des <strong>Berliner</strong> Volkstanzensembles<br />
teilnahmen. Damit waren die Kindertanzfeste<br />
immer sehr gut besucht. In der Wendezeit<br />
erübrigte sich die Trägerschaft des Praters.<br />
Deshalb zogen die Tanzfeste in den 90er Jahren<br />
ins SEZ (Sport- und Erholungszentrum) an der<br />
Landsberger Allee. Von nun an trug sich der<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis (nun nicht mehr<br />
Volkstanzensemble) selbst.<br />
Foto: Volkstanzorchester Willy Kremke,<br />
stehend Erich Krause mit Tochter Anita<br />
Nach dem Verkauf des SEZ zogen die Tanzfeste 2003 ins Kulturhaus Peter Edel in Weißensee und seit 2008<br />
finden die Tanzfeste in der Tanzschule am Bürgerpark statt. Im März findet übrigens das 157.Tanzfest,<br />
gleichzeitig das 65jährige Bestehen des <strong>Berliner</strong> <strong>Volkstanzkreises</strong> statt. In den 70er Jahren wurde das<br />
Konzept des ausschließlichen Volkstanzfestes geändert. Da das Interesse am Volkstanz zurück ging, musste<br />
man versuchen die Tanzfeste für das allgemeine Publikum attraktiver zu machen. Die Volkstanzfeste wurden<br />
zu geselligen Tanzfesten. Das Konzept ging auf. Es fanden wieder mehr Menschen zum Tanz. Auf den<br />
Tanzfesten wurde nun auch Gesellschaftstanzmusik gespielt. Gemeinsam wurden gesellige Tänze wie<br />
Mexikanische Walzer, Jägermarsch, Jiffy Mixer … getanzt. Dann wurde wieder zur Polka- und Walzerrunde<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 65
eingeladen. Zwischendurch wurde dann ein Volkstanzblock mit drei Tänzen eingefügt. Diese Mischung<br />
machten die Feste allgemein beliebt. Die heutigen Tanzfeste sind nun wieder ausschließlich Volkstanzfeste.<br />
Sie sind immer gut besucht und es herrscht eine fröhliche Stimmung zwischen jung und alt.<br />
Als Erich Krause 1977 verstarb, entschied sich seine Frau Karin das Lebenswerk ihres Mannes<br />
weiterzuführen.<br />
Anfang der 80er Jahre kam von den damaligen<br />
Volkstänzern der Wunsch auf, eine Seniorengruppe zu<br />
gründen. Die Kinder waren inzwischen groß und man<br />
hatte wieder Zeit und Lust zum Tanzen. Karin erklärte<br />
sich bereit, so eine Gruppe, noch neben den Kinder-<br />
und Jugendgruppen, zu leiten. 1984 war es dann<br />
soweit und der Seniorentanzkreis des <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Volkstanzkreises</strong> war „geboren“. Musikalisch wurden<br />
die Probenabende bis Anfang der 90er Jahre<br />
traditionsgemäß von Herrn Reisewitz begleitet, der<br />
sich dann, inzwischen über 80jährig, zur Ruhe setzte.<br />
Seitdem werden von der Gruppe Tonträger genutzt.<br />
Da ab 1990 keine kostenlosen Übungsräume mehr zur Verfügung standen, lösten sich die Kindergruppen<br />
allmählich auf. Wir acht Tänzerinnen der Jugendgruppe waren nun alle in der Ausbildung oder gründeten<br />
Familien. Nun gab es nur noch den Seniorentanzkreis.<br />
Karin übernahm Anfang der 90er Jahre eine Gruppe bewegungsgestörter Kinder, mit denen sie einige Zeit<br />
tanzte.<br />
Die Seniorengruppe bildet nun den Kern des <strong>Volkstanzkreises</strong>. 1999 gab Karin dann die Gruppe aus<br />
gesundheitlichen Gründen ab. Mein Vater Horst Feurich übernahm nun die künstlerische Leitung. Wir<br />
tanzen jeden Montag ca. 3 Stunden. Die Gruppe hat im Moment ca.35 aktive Tänzer. Ab und zu kommen<br />
Gäste dazu. Unser Altersdurchschnitt liegt inzwischen bei ca.75 Jahren, was aber auf die Tanzfreude und<br />
Aktivität der Tänzer keine Auswirkung hat. Wir führen immer noch regelmäßig unsere Tanzfeste durch.<br />
Jährlich treten wir mehrmals auf, unter anderem im Britzer Garten, beim Turnerbund und in Altersheimen<br />
oder bei Veranstaltungen der Volkssolidarität. Auch beim großen Herbsttanzfest sind wir immer vertreten.<br />
Zu den Auftritten tragen die Damen grüne Röcke und weiße Blusen, dazu eine weiße Schürze und ein buntes<br />
Schultertuch. Die Herren tragen schwarze Hosen, weißes Hemd und dazu eine grün- oder hell gestreifte<br />
Weste. Unsere Kleidung ist keine Tracht, sondern nur eine Tanzkleidung. Ein sehr interessanter Höhepunkt<br />
im Gruppenleben waren die mehrmaligen Teilnahmen an den Educationprojekten der <strong>Berliner</strong> Philharmonie<br />
unter Leitung von Sir Simon Rattle in denen mehrere Generationen gemeinsam auftraten. Das war für alle<br />
eine sehr interessante Erfahrung.<br />
Einmal im Jahr führen wir eine einwöchige<br />
Trainingsfahrt durch. Wandern, singen und<br />
Geselligkeit kommen dabei auch nicht zu kurz.<br />
Leider haben auch wir Nachwuchssorgen. Wir<br />
hoffen aber sehr, dass sich das irgendwann<br />
einmal ändert, damit der <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis<br />
noch viele Jahre besteht.<br />
Im März 2011 wird sich mein Vater aus der<br />
Leitung zurückziehen. Oliver und ich werden<br />
dann die Gruppe weiterleiten.<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 66
Auf den nächsten Seiten habe ich einige Relikte aus der „guten alten Zeit“ zusammengestellt, von denen ich<br />
glaube, dass sie von Interesse sein könnten.<br />
Zeitungsausschnitt dem Nacht-Express 31.12.1951<br />
Windmüller, Auftritt ca. 1953 Rudolstadt, Juli 1969<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 67
Tanzfest in Rudolstadt, Juli 1969<br />
Foto rechts: Auftritt auf der Praterbühne<br />
ca. 1974<br />
Foto oben: „Verkaufte Braut“- getanzt vom<br />
Goldenen Vortanzkreis<br />
Foto rechts: „Tschechische Polka“-<br />
Abschlusstanz von allen drei Vortanzkreisen<br />
Internationales Volkstanzfest in Rudolstadt,<br />
Juli 1969<br />
September 1987<br />
100. Tanzfest im Prater<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 68
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 69
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 70
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 71
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 72
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 73
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 74
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 75
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 76
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 77
Probe in der Turnhalle der 1.Oberschule Prenzlauer Berg, Heinrich-Roller-Strasse, Tanzleiter Erich Krause<br />
spielt selbst auf dem Akkordeon<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 78
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 79
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 80
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 81
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 82
Neues Deutschland, 16.8.1988<br />
Neue Zeit, 26.3.1988<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 83
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 84
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 85
Quellennachweis:<br />
Literatur:<br />
1. Elvira Heising/Sigrid Römer „Der Tanz im ››künstlerischen Volksschaffen‹‹ der DDR“<br />
Amateurbühnentanz- Volkstanz zum Mitmachen,<br />
DBT e.V. Remscheid, 1.Auflage 1994<br />
2. Volker Klotzsche „Tanzen seit 1945“<br />
Personen, die den Laientanz maßgeblich beeinflusst haben<br />
DBT e.V. Remscheid 1988<br />
3. Zeitschrift „Volkstanz“ Juni 1952, Januar 1956<br />
Internetquellen:<br />
www.zte.de<br />
www.zpte.de<br />
www.folkloretanzgruppe-koepenick.de<br />
www.tanzensemble-rosenbluete.de<br />
Den größten Teil der hier verwendeten Informationen habe ich in Gesprächen mit Zeitzeugen aus den<br />
verschiedensten Tanzgruppen erhalten. Alle von mir befragten Personen stellten mir freundlicherweise Fotos<br />
und Dokumente zur Verwendung für diese schriftliche Arbeit zur Verfügung. Dafür bin ich allen sehr<br />
dankbar. Trotz der Vielzahl der Informationen, ist diese Arbeit nur ein kleiner Überblick über die <strong>Berliner</strong><br />
Volkstanzgeschichte. Es gibt noch viel mehr Tanzfreunde, die mir Rede und Antwort gestanden hätten und<br />
die Kontakte zu anderen Zeitzeugen herstellen könnten, aber um umfangreichere Informationen<br />
zusammenzutragen war die Zeit einfach zu kurz. So war ich gezwungen, eine Auswahl von Fakten zu<br />
treffen, um damit einen abwechslungsreichen Querschnitt über die Geschichte zu geben.<br />
Hier die Namen der von mir befragten Personen in alphabetischer Reihenfolge:<br />
Gisela Baudach<br />
Edith und Horst Feurich, meine Eltern<br />
Margot und Helmut Fiedler<br />
Anni Herrmann<br />
Volkhard Jähnert<br />
Annegret John<br />
Karin Krause, bei ihr habe ich meine ersten Tanzschritte gelernt<br />
Anita Ladewig, Tochter von Erich und Karin Krause<br />
Elke Lindemann<br />
Helga Preuss<br />
Roger Reinsch<br />
Ingeborg und Wolfgang Schöbel<br />
Andrea und Michael Stahl<br />
Martin Ströfer<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 86
<strong>Inhaltsverzeichnis</strong><br />
Vorwort Seite 3<br />
Nachkriegsjahre Seite 4<br />
Die 50er Jahre Seite 15<br />
Die 60er Jahre Seite 48<br />
Die 70er Jahre Seite 49<br />
Die 80er Jahre Seite 56<br />
Die 90er Jahre bis heute Seite 58<br />
Der Volkstanzkreis Tempelhof Seite 61<br />
Der Volkstanzkreis Reinickendorf Seite 62<br />
Der <strong>Berliner</strong> Volkstanzkreis Seite 64<br />
Quellennachweis Seite 86<br />
<strong>Berliner</strong> Volkstanzgeschichte Seite 87