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Tourismus im gesellschaftlichen Wandel - SWS-Rundschau

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<strong>Tourismus</strong> <strong>im</strong> <strong>gesellschaftlichen</strong> <strong>Wandel</strong> 247<br />

pekte von Gefahr und Prüfung enthalten waren (Hlavin­Schulze 1998). Hlavin­Schulze<br />

weist in ihrer Untersuchung der sprachlichen Wurzeln des Reisebegriffs auch darauf<br />

hin, dass dieser Begriff jenem der Erfahrung nahe ist – jemand, der viel gereist ist, ist<br />

»bewandert« und erfahren (ebd., 14).<br />

Was ist nun unter »<strong>Tourismus</strong>« zu verstehen und wodurch unterscheidet sich<br />

dieser vom »Fremdenverkehr« ? In der Alltagssprache bezieht sich der Begriff »Tourist«<br />

in der Regel auf Urlaubsreisende. Die Gleichsetzung von privatem Reiseverkehr<br />

mit <strong>Tourismus</strong> erweist sich aber als unzureichend, da für die Reiseveranstalter der<br />

Reiseanlass ihrer Gäste unerheblich ist. In der alltagssprachlichen Verwendung hat<br />

der Begriff »<strong>Tourismus</strong>« vielfach negative Zuschreibungen (vorgefertigt, vorausbezahlt,<br />

bequem), während der Begriff »Reise« oftmals mit positiven Zuschreibungen<br />

wie Abenteuer, authentische Erfahrung, Geschmack, Individualität verbunden wird.<br />

<strong>Tourismus</strong> / Fremdenverkehr einerseits, Reisen andererseits eignen sich in ihrem Spannungsverhältnis<br />

vortrefflich für soziale Positionierung und Abgrenzung. Damit ist eine<br />

soziale Differenzierung <strong>im</strong> <strong>Tourismus</strong> möglich. Soziale Identität gewinnt Kontur und<br />

bestätigt sich in der Differenz. Der Begriff wird gewissermaßen als Zeichen der Distinktion<br />

verwendet.<br />

In der fachwissenschaftlichen Diskussion findet sich neben den Begriffen »Reisen«<br />

und »<strong>Tourismus</strong>« jener des »Fremdenverkehrs«. Gemeint ist damit erstens der Verkehr<br />

von Reisenden zwischen He<strong>im</strong>atort und Reiseziel, zweitens der vorübergehende Aufenthalt<br />

der Fremden am Ziel­ oder Fremdenverkehrsort sowie drittens die Organisation<br />

der Reisevorbereitung (Freyer 1995, 1). Der Begriff »<strong>Tourismus</strong>« bezieht sich auf den<br />

Reiseverkehr in organisierter Form. Wird eine Reise von einer Person selbst geplant,<br />

dann spricht man von Individualtourismus bzw. Individualreisen, handelt es sich um<br />

die Buchung standardisierter Angebote, dann spricht man von Pauschaltourismus bzw.<br />

Pauschalreisen (Mundt 1998, 34).<br />

In einer anderen Unterscheidung ist »<strong>Tourismus</strong>« die Mobilität des Nicht­Fremden<br />

aus der eigenen Umwelt, der wiederkommt (nach dem griechischen »tornos« =<br />

zirkelähnliches Werkzeug), währenddessen der Fremde aus dem Unbekannten kommt<br />

und nach einer Weile als Fremdgebliebener wieder weggeht (Mundt 1998, 1). Fremd<br />

bleiben TouristInnen schon deshalb, weil sie sich in ihren Motiven, Interessen und<br />

Erwartungen von den Einhe<strong>im</strong>ischen unterscheiden. Während erstere das Außeralltägliche<br />

suchen, leben letztere <strong>im</strong> Alltäglichen. <strong>Tourismus</strong> lebt vom jährlichen Turnus,<br />

von der ständigen Wiederholung, vom Kreislauf zwischen versprochener Bedürfnisbefriedigung<br />

und wiederholter Weckung von Bedürfnissen (Ellenberg / Scholz / Beier<br />

1997, 52).<br />

In der Folge wird in diesem Artikel nicht <strong>im</strong>mer genau zwischen »Reisen« und<br />

»<strong>Tourismus</strong>« unterschieden. Von »<strong>Tourismus</strong>« wird insbesondere dann gesprochen,<br />

wenn die von der Welttourismusorganisation entwickelte und inzwischen allgemein<br />

gültige Definition des <strong>Tourismus</strong> <strong>im</strong> Hintergrund der Argumentation steht.<br />

»<strong>Tourismus</strong>« bezieht sich laut UNWTO auf Aktivitäten von Personen, die an<br />

Orte außerhalb der gewohnten Umgebung reisen, dort nicht länger als ein Jahr bleiben,<br />

keiner bezahlten Tätigkeit nachgehen, als Zweck den <strong>Tourismus</strong> angeben und<br />

www.sws-rundschau.at <strong>SWS</strong>-<strong>Rundschau</strong> (46.Jg.) Heft 3/ 2006: 245–270

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