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HIV-Postexpositionsprophylaxe nach Nadel - tropen@med.uni ...

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<strong>HIV</strong>-<strong>Postexpositionsprophylaxe</strong> <strong>nach</strong> <strong>Nadel</strong>stichverletzung<br />

C. Fritzsche, M. Löbermann, E. C. Reisinger<br />

in Zusammenarbeit mit dem AIDS-Ausschuß der Ärztekammer M-V (Mitglieder: H. Bernt, M. Bolz, R. Bruns,<br />

R. Dennin, C. Fritzsche, L. Gürtler, G. Hauk, M. Lafrenz, M. Löbermann, E. C. Reisinger, S. Schaefer, S. Sollberg)<br />

In Deutschland sind <strong>nach</strong> Schätzungen des Robert-Koch-<br />

Instituts ca. 63 500 Menschen mit dem HI-Virus infiziert, im<br />

Jahr 2008 sind ca. 3000 Neuinfektionen aufgetreten (RKI,<br />

EpiBull). Insbesondere im Gesundheitswesen kommt es häufig<br />

zu Risikokontakten, z.B. im Rahmen von <strong>Nadel</strong>stichverletzungen<br />

(NSV), in Deutschland schätzungsweise 500 000<br />

pro Jahr. Insgesamt wurden in Deutschland bisher 57 <strong>HIV</strong>/<br />

AIDS - Erkrankungen bei Beschäftigten im Gesundheitssystem<br />

als Berufserkrankung von der Berufsgenossenschaft<br />

AUSGABE 9/2009 19. JAHRGANG<br />

für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und von den<br />

Unfallkassen anerkannt (1).<br />

Bereits 1989 wurde die postexpositionelle Einnahme von Zidovudin<br />

(Retrovir ® ) beim Risiko einer <strong>HIV</strong>-Infektion im beruflichen<br />

Alltag empfohlen. In einer retrospektiven Fallkontrollstudie<br />

von 1997 wurde ein statistisch gesicherter Vorteil einer<br />

<strong>Postexpositionsprophylaxe</strong> (PEP) mit Zidovudin (Retrovir ® )<br />

gegenüber der Nichtbehandlung gezeigt (2). Prospektive<br />

Seite 317


WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />

randomisierte Studien sind aus ethischen Gründen nicht<br />

durchführbar.<br />

Eine <strong>HIV</strong>-Übertragung kann stattfinden, wenn virushaltiges<br />

Material in den Körper eingebracht wird durch<br />

■ ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer <strong>HIV</strong>-infizierten<br />

Person<br />

■ Transfusion von <strong>HIV</strong>-kontaminiertem Blut oder Blutprodukten<br />

■ Gebrauch von <strong>HIV</strong>-kontaminiertem Injektionsbesteck<br />

■ Verletzung mit <strong>HIV</strong>-kontaminierten Instrumenten bzw.<br />

Injektionsbestecken<br />

■ Benetzung offener Wunden und Schleimhäute mit <strong>HIV</strong>kontaminierten<br />

Flüssigkeiten<br />

Das Risiko einer <strong>HIV</strong>-Übertragung bei beruflicher Exposition<br />

im Rahmen einer <strong>Nadel</strong>stichverletzung liegt bei positivem<br />

Indexpatienten durchschnittlich bei 1 : 300.<br />

Das Risiko einer Übertragung ist von verschiedenen Faktoren<br />

abhängig wie die Art und Dauer der Exposition, das Stadium<br />

der Erkrankung des Indexpatienten und damit die Höhe der<br />

Viruslast (<strong>HIV</strong>-RNA-Kopien/ml), die Menge der eingebrachten<br />

Viren und die antiretrovirale Therapie der Indexperson<br />

ggf. mit entsprechendem Resistenzprofil. So ist z. B. die Verletzung<br />

mit einer Hohlnadel unmittelbar <strong>nach</strong> einer Blutabnahme<br />

risikobehafteter als die Verletzung mit der gleichen<br />

<strong>Nadel</strong> wenige Minuten später, wenn das Blut in der <strong>Nadel</strong><br />

schon geronnen ist und somit die übertragbare Blutmenge<br />

deutlich kleiner ist.<br />

Das Risiko einer Ansteckung <strong>nach</strong> beruflicher Exposition variiert<br />

von der Art des Kontaktes und wird wie folgt eingeschätzt<br />

(3).<br />

Durchschnittliches Risiko 1 : 300<br />

Höher<br />

Sehr tiefe Stich-/Schnittverletzung<br />

Sichtbares Blut auf verletzenden<br />

Instrumenten<br />

Verletzende <strong>Nadel</strong> vorher in Vene<br />

Indexperson hat hohe Viruslast<br />

Niedriger<br />

Exponierte Schleimhaut<br />

Exponierte entzündliche Haut<br />

16 x höher<br />

5 x höher<br />

5 x höher<br />

6 x höher<br />

10 x niedriger<br />

10 x niedriger<br />

Um eine <strong>HIV</strong>-Infektion <strong>nach</strong> beruflicher Exposition zu verhindern,<br />

ist rasches Handeln erforderlich. Erstmaßnahmen sind<br />

eine sofortige Wundreinigung und Desinfektion. Bei einer<br />

<strong>Nadel</strong>stichverletzung soll die Wunde zunächst bluten und<br />

gleichzeitig mit Desinfektionsmittel (Ethanol-basierte Kombination<br />

mit PVP-Jod, z.B. Betaseptic ® ) für 10 Minuten desinfiziert<br />

werden. Nach Schleimhautexposition (Kontamination<br />

von Augen oder Mundschleimhaut) ist ein gründliches Ausspülen<br />

mit Ringer-, Kochsalzlösung oder Wasser durchzuführen.<br />

Nach diesen Maßnahmen sollte eine sofortige Entscheidung<br />

über die Einleitung einer PEP getroffen werden, da das<br />

Virus relativ schnell in die Zellen aufgenommen wird (4), und<br />

die besten Ergebnisse bei einem Beginn der PEP innerhalb<br />

der ersten zwei bis vier Stunden <strong>nach</strong> Kontakt erzielt werden.<br />

72 Stunden <strong>nach</strong> dem Risikokontakt ist die Einleitung<br />

einer PEP nicht mehr sinnvoll (3). Zur Abwägung von Nutzen<br />

und Risiko einer PEP sollte ein in der <strong>HIV</strong>-Therapie erfahrener<br />

Arzt hinzugezogen werden. Bei bekannt positivem <strong>HIV</strong>-Status<br />

der Indexperson sind die folgenden deutsch-österreichischen<br />

Empfehlungen für die Entscheidung zur Einleitung einer<br />

PEP zu beachten.<br />

- Perkutane Verletzung mit Injektions-<br />

oder anderer Hohlraumnadel<br />

- Tiefe Verletzung, sichtbares Blut<br />

- Falls Indexpatient AIDS oder hohe<br />

Viruslast hat<br />

- <strong>Nadel</strong> <strong>nach</strong> intravenöser Injektion oder<br />

Blutabnahme<br />

- Oberflächliche Verletzung (z.B. mit<br />

chirurgischer <strong>Nadel</strong>)<br />

- Kontakt von Schleimhaut oder verletzter/<br />

geschädigter Haut mit Flüssigkeiten mit<br />

hoher Viruskonzentration (z.B. Blut,<br />

Liquor)<br />

- Kontakt von intakter Haut mit Blut bzw.<br />

Körperflüssigkeiten<br />

- Schleimhautkontakt mit Urin oder<br />

Speichel<br />

Empfehlen<br />

Anbieten<br />

Nicht<br />

empfehlen<br />

Bei unbekanntem <strong>HIV</strong>-Status der Indexperson ist von dieser<br />

unverzüglich eine Serologie auf <strong>HIV</strong>, Hepatitis B und Hepatitis<br />

C durchzuführen. Dabei ist vorher jedoch das Einverständnis<br />

der Indexperson einzuholen und die Ablehnung ggf. zu<br />

respektieren. Auch die verletzte Person muß zur Dokumentation<br />

des Antikörperstatus zum Zeitpunkt der Exposition<br />

auf <strong>HIV</strong>, Hepatitis B und C getestet werden.<br />

Entscheidend für die Indikationsstellung der PEP ist die Abschätzung<br />

des Infektionsrisikos. Bei unbekanntem Status der<br />

Indexperson ist die Indikation für eine PEP zurückhaltender<br />

zu stellen. Es muß jedoch beachtet werden, daß <strong>HIV</strong> in bestimmten<br />

Risikogruppen gehäuft vorkommt (Homosexuelle,<br />

Seite 318 ÄRZTEBLATT MECKLENBURG-VORPOMMERN


Patienten aus Hochprävalenzländern wie Afrika, Drogenabusus).<br />

Bei Indikation einer PEP ist über Nutzen und Risiko einer <strong>HIV</strong>-<br />

PEP aufzuklären, insbesondere auch über Nebenwirkungen,<br />

Dauer und mögliches Prophylaxeversagen.<br />

Folgende Vorsichtsmaßnahmen müssen von der exponierten<br />

Person eingehalten werden:<br />

■ Bis zum Vorliegen eines negativen <strong>HIV</strong>-Tests – drei Monate<br />

<strong>nach</strong> der Exposition – sichere Sexualgewohnheiten<br />

(Kon dom) praktizieren.<br />

■ Bis zwölf Monate <strong>nach</strong> der Exposition kein Blut spenden.<br />

Folgende Medikamente sind unter Beachtung von Nebenwirkungen<br />

oder Begleitumständen wie Schwangerschaft u. a.<br />

<strong>nach</strong> den deutsch-österreichischen Empfehlungen für eine<br />

PEP für die Dauer von vier Wochen zu verabreichen:<br />

Combivir ® Filmtabl. 2 x 1<br />

(Zidovudin 300mg/<br />

Lamivudin 150mg)<br />

oder + oder<br />

Truvada ® Filmtabl. 1 x 1<br />

(Tenofovir 300mg/<br />

Emtricitabine 200mg)<br />

michael welz ■<br />

rechtsanwalt ■ kanzlei für arztrecht<br />

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AUSGABE 9/2009 19. JAHRGANG<br />

Kaletra ® 200/50 mg<br />

Filmtabl. 2 x 2<br />

(Lopinavir 200mg/<br />

Ritonavir 50mg)<br />

Sustiva ® 600 mg<br />

Filmtabl. 1 x 1<br />

(Efavirenz 600mg)<br />

<strong>HIV</strong>, Hepatitis B und Hepatitis C Antikörper (ggf. HCV-PCR)<br />

sollten sechs Wochen, sowie drei und sechs Monate <strong>nach</strong> der<br />

Exposition kontrolliert werden. Bezüglich der Kontrollen von<br />

Hepatitis B und C <strong>nach</strong> der Exposition verweisen wir auf die<br />

entsprechenden Leitlinien (5, 6). Vor dem Beginn und <strong>nach</strong><br />

dem Ende der PEP sind Blutbild, Transaminasen, yGT, alkalische<br />

A.S.I. Geschäftsstelle<br />

Rostock / Greifswald<br />

Dipl.-Kfm. Lutz Freitag<br />

Graf-Schack-Str. 6a<br />

18055 Rostock<br />

Tel. 0381- 25 222 30<br />

freitag@hro.asi-online.de<br />

www.asi-online.de<br />

WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />

Phosphatase, Kreatinin und Blutzucker zu kontrollieren.<br />

Zusammenfassend ist für einen optimalen Ablauf einer PEP-<br />

Beratung <strong>nach</strong> beruflicher Exposition mit <strong>HIV</strong> folgendes<br />

Vorgehen empfohlen:<br />

1. Blutfluß aus der Wunde fördern, Desinfektion, Spülung<br />

von Schleimhäuten<br />

2. Entscheidung über medikamentöse <strong>Postexpositionsprophylaxe</strong><br />

innerhalb von zwei bis vier Stunden<br />

3. Unfalldokumentation (Durchgangsarzt)<br />

4. <strong>HIV</strong>-Antikörpertest, Hepatitis-Serologie<br />

Bei unklaren Fällen oder Fragen bezüglich einer PEP kann<br />

mit der Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin der<br />

Universität Rostock jederzeit (24 Stunden) Kontakt aufgenommen<br />

werden (Tel.: (0381) 494-7515).<br />

In Mecklenburg-Vorpommern sind auf Initiative des AIDS-<br />

Ausschusses der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern<br />

PEP-Depots in den Krankenhäusern in Rostock, Greifswald,<br />

Schwerin, Stralsund, Neubrandenburg, Güstrow, Ludwigslust,<br />

Wismar, Bergen, Pasewalk und Waren eingerichtet<br />

worden, die ca. halbjährlich im Ärzteblatt Mecklenburg-<br />

Vorpommern oder im KV-Journal veröffentlicht werden und<br />

jederzeit kontaktierbar sind.<br />

Literatur bei den Verfassern<br />

Korrespondenzanschrift:<br />

Dr. med. Carlos Fritzsche<br />

Abteilung für Tropenmedizin und Infektiologie<br />

Klinik für Innere Medizin II<br />

Universität Rostock<br />

E.-Heydemann-Str. 6<br />

18057 Rostock<br />

E-Mail: fritzsch@med.<strong>uni</strong>-rostock.de<br />

Anz Rostock A?rzteblatt:Layout 1 12.09.2007 12:15 Uhr Seite<br />

■ Versicherungsvermittlung als<br />

Makler für Ärzte<br />

■ Finanzplanung/ Finanzierung<br />

■ Geldanlage/ Vermögensaufbau<br />

■ Praxisniederlassung<br />

■ Praxisübernahmevertrag/<br />

Praxisverträge<br />

■ Praxisbewertung/Praxisabgabe<br />

in Kooperation: Frau E. Lohpens –<br />

Steuerberaterin für Ärzte/<br />

Kanzlei Saß & Liskewitsch –<br />

Arzt- und Medizinrecht<br />

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Seite 319

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