06.01.2013 Aufrufe

Ruth Witzenmann geb. Wolber - DAV-Sektion Pforzheim

Ruth Witzenmann geb. Wolber - DAV-Sektion Pforzheim

Ruth Witzenmann geb. Wolber - DAV-Sektion Pforzheim

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ehrendes Gedenken<br />

<strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong> <strong>geb</strong>. <strong>Wolber</strong><br />

16.Juli 1909 – 26.März 2012<br />

30.03.2012


Rede bei der Trauerfeier von <strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong><br />

Liebe Trauergemeinde, sehr geehrter, lieber Trutz von Trotha-<br />

<strong>Witzenmann</strong> und Angehörige der Familie, liebe Frau Voichita<br />

Wolff, die Sie als Wölfle von Frau <strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong> nicht<br />

wegzudenken sind,<br />

wir alle können es eigentlich kaum fassen, dass uns <strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong><br />

so unerwartet verlassen hat. Noch wollte Sie eigentlich heute Abend<br />

bei der Jubiläumsveranstaltung der <strong>Sektion</strong> <strong>Pforzheim</strong> im Alpenverein<br />

dabei sein und auch die Einweihung des Betriebskindergartens der<br />

Firma <strong>Witzenmann</strong> am 21. April war für Sie ein Ereignis, das Sie<br />

mitfeiern wollte, zumal der Kindergarten Ihren Namen tragen wird.<br />

Vor vier Wochen erlebten wir zusammen noch eine Diareise durch<br />

Ägypten, bei der natürlich auch nicht Bilder von ihren geliebten<br />

Bergen fehlen durften und vor etwas mehr als 14 Tage verabschiedete<br />

ich mich in die Berge mit dem Versprechen, wenn ich zurückkomme,<br />

mit ihr wieder einmal eine Fahrt zur Wendelinuskapelle zu<br />

unternehmen. Nun kam alles anders. Es fällt schwer die talentierte,<br />

stets charmante aber auch impulsive Frau, die über Jahrzehnte an der<br />

Seite ihres Mannes Dr. Walter <strong>Witzenmann</strong> mit großem<br />

Einfühlungsvermögen, Klugheit und Charme ihn bei allen seinen<br />

herausragenden Positionen begleitete, in dürftigen Worten zu<br />

beschreiben. Sie, da bin ich mir sicher, wollte auch keine Trauerrede<br />

sondern so wie Sie bis zuletzt im Leben stand, einen Abschied, der zu<br />

ihr passt und bei dem fröhliche Elemente nicht fehlen dürfen.<br />

Doch zunächst zu Ihrem Lebenslauf. Am 16. Juli 1909 in <strong>Pforzheim</strong><br />

<strong>geb</strong>oren, war sie in ihrer Kindheit ihrer Großmutter Emma Bürkle im<br />

Würmtal sehr verbunden. Dort lernte sie auch, wie sie mir einmal<br />

erzählte, in der aufgestauten Würm das Schwimmen. Die junge und<br />

hübsche Frau studierte nach ihrem Abitur Zeitungswissenschaften,<br />

Literatur und Kunstgeschichte an den Universitäten in Heidelberg und<br />

München. Die Liebe zur Kunst bekam <strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong> durch ihren<br />

Vater den Bildhauer Fritz <strong>Wolber</strong>, der an der Großherzoglichen<br />

Badischen Gewerbeschule in der Holzgartenstraße lehrte, in die Wiege<br />

gelegt. Auch in ihrem familiären Umfeld stand man der Kunst sehr<br />

aufgeschlossen gegenüber. Zunächst machte sich die junge Frau einen<br />

Namen als Schauspielerin. So hatte sie ein Engagement bei den


Münchner Kammerspielen. Danach stand sie auf Bühnen in Luzern,<br />

Augsburg, Königsberg, Essen und Karlsruhe. Sie spielte dabei<br />

klassische Rollen von „ Don Carlos „ über die „ Heilige<br />

Johanna„ „Faust II „ bis hin zur „ Widerspenstigen Zähmung „. Aber<br />

auch Operetten waren für sie eine reizvolle Herausforderung.<br />

Die Liebe zu Dr. Walter <strong>Witzenmann</strong> führte sie nach ihrer Heirat 1937<br />

schweren Herzens weg von den Bühnen hin zu einer ganz neuen Rolle<br />

an der Seite ihres Mannes. Recht schnell entwickelte sie sich dabei zu<br />

einer starken Stütze ihres Mannes und ihr soziales Engagement in der<br />

Firma <strong>Witzenmann</strong> wissen die Betriebsangehörigen bis heute zu<br />

schätzen. Nach wie vor war sie als Chefin verehrt und ließ sich auch<br />

stets über alles, was sich in der Firma abspielte, berichten. Nach dem<br />

Krieg, da in vielen Familien große Not herrschte, verhandelte die<br />

Verstorbene nicht nur geschickt mit Lieferanten, sondern tauschte<br />

auch Wertgegenstände gegen Essbares für ihre Familie, der sie auch<br />

eine hervorragende Köchin war. Ihr Sohn Trutz von Trotha –<br />

<strong>Witzenmann</strong> schrieb in dem Buch „ Augenblicke „ in Erinnerung an<br />

ihren 99. Geburtstag, dass sie in ihrer Impulsivität ihrem Sohn<br />

Michael nach einem Streit kinoreif den gefüllten Suppenteller<br />

nachwarf, was beweist, das es ihr an Temperament nicht mangelte.<br />

Mit ihrer immensen Bildung und ihrer unerschöpflichen Fantasie,<br />

gepaart mit einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe und Witz<br />

verstand sie es stets Gesprächspartner für sich einzunehmen. Spielend<br />

erlernte sie Sprachen und pflegte bis vor kurzem noch wöchentlich<br />

ihre Englischkenntnisse zu vertiefen. Auch Reisen in die Schweiz und<br />

Italien liebte sie.<br />

Mit ihrem Mann war sie bis ins hohe Alter in den Bergen unterwegs.<br />

Noch mit 88 Jahren ging sie auf Mallorca mit ihrer Schwiegertochter<br />

Claudia auf einen Berg, der ihr beim Abstieg zwar große Probleme<br />

bereitete aber nach kurzer Erfrischungspause, war sie wieder voller<br />

Tatendrang und wollte unbedingt ein gutes Essen.<br />

Daneben war sie eine rasante Skifahrerin und bis ins hohe Alter war<br />

sie mit einem roten Flitzer unterwegs. Einmal verblüffte sie dabei<br />

ihren Sohn Trutz von Trotha-<strong>Witzenmann</strong> den sie in Freiburg besucht<br />

hatte und bei dem sie sich 70 Minuten danach von <strong>Pforzheim</strong> aus<br />

meldete. Er meinte zu ihr, dass sie recht schnell gefahren sein müsse.<br />

Ihre schlagfertige Antwort dazu war: „ Bei 160 habe ich die Augen<br />

zugemacht“.


Während sich Dr. Walter <strong>Witzenmann</strong> um das Gemeinwohl sorgte und<br />

in vielen Bereichen neben der Firma öffentlich aktiv war, nahm <strong>Ruth</strong><br />

<strong>Witzenmann</strong> eine andere Rolle ein. Sie half überall dort<br />

unkonventionell, wo Hilfe erforderlich war. Sie hängte dies nie an die<br />

große Glocke. Aber kein Bittsteller, der begründet bei ihr vorsprach,<br />

ging leer aus. Während sie früher redemäßig sprudelte, entwickelte sie<br />

sich mit zunehmendem Alter zu einem aufmerksamen Zuhörer und<br />

suchte mit einer ungewohnten Ruhe bei schwierigen Notlagen, nach<br />

praktikablen Lösungen.<br />

67 Jahre dauerte die Ehe des Paares, bis 2004 Dr. Walter <strong>Witzenmann</strong><br />

starb. Im gleichen Jahr konnte die Firma <strong>Witzenmann</strong> ihr 150 jähriges<br />

Firmenjubiläum begehen. Im Sinne von Dr. Walter <strong>Witzenmann</strong> wurde<br />

das Jubiläum trotzdem gefeiert und dabei war <strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong><br />

gefordert. Sie hielt eine engagierte und dynamische Rede, die alle<br />

Zuhörer mitriss und die sie mühselig auf ihrer alten klapprigen<br />

Schreimaschine getippt hatte.<br />

Zwei Söhne Michael und Trutz hatte sie erzogen, wobei Michael<br />

bereits 2002 verstarb, was sie verkraften musste. <strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong><br />

hat sich aber immer durch alle Schwierigkeiten durchgekämpft. Die<br />

drei Enkel Adrian, Daniel und Jakob sowie die beiden Urenkel Enya<br />

und Götz bereicherten das Familienleben, das sie sehr pflegte und so<br />

war Weihnachten stets ein großes Familienfest.<br />

Nach Weihnachten kamen auch seit Jahren die Sternsinger bei ihr<br />

vorbei, um den Segen für das neue Jahr zu bringen. Dabei wollte die<br />

Gruppe, die einmal bei ihr war, jedes Jahr wieder kommen. Da <strong>Ruth</strong><br />

<strong>Witzenmann</strong> den Gesang der Jugendlichen liebte, musste manches<br />

Lied wiederholt werden.<br />

<strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong> war auch diejenige, die organisatorische Probleme<br />

zu meistern hatte und diese mit Bravur löste. Sie verhandelte vor<br />

Reisen der Reuchlin – Gesellschaft geschickt mit Hoteliers und<br />

Restaurantbesitzern und war auch stets beim Festival „ Musik der<br />

Welt„ aktiv.<br />

Ihre Liebe galt auch dem Eselsgestüt. Es waren, wie sie mir oft sagte,<br />

sicher die gepflegtesten und ältesten Esel Deutschlands, die sich auf<br />

dem Gelände tummelten. Sie dienten als Schmuckbild der<br />

Weihnachtsgrüße und es bedrückte sie sehr als der letzte Esel starb.<br />

Mit erstaunlicher Kraft und Energie steckte sie den komplizierten<br />

Bruch kurz vor ihrem 100 – jährigen Geburtstag weg und fühlte sich


danach so wohl, dass sie mit Wölfle eine mehrtägige Reise auf dem<br />

Schiff auf dem Rhein antrat. Danach hat es leider auf der Loire nicht<br />

mehr geklappt. Mit zunehmendem Alter entwickelte sich das Wölfle<br />

zu ihrem zweiten Gedächtnis.<br />

Sie war immer gefragt, wenn sie am Ende eines Gespräches, wenn der<br />

Gesprächspartner bereits weg war, sich nicht mehr an alles erinnern<br />

konnte. Dann stellte sie entsprechende Nachfragen.<br />

Wenn der Mann mit dem Bart mal einige Zeit nicht aufkreuzte, wurde<br />

Frau Wolf beauftragt mal nachzufragen, wo er bleibt.<br />

Auf ihr äußeres Erscheinungsbild legte sie stets großen Wert.<br />

Wehmut überkam sie, wenn man über die Berge und das <strong>Pforzheim</strong>er<br />

Berghaus sprach, das sie mit ihrem Mann letztmals zum 100 –<br />

jährigen Jubiläum vor 19 Jahren erstieg. So blieb ihr als Ersatz das<br />

Schauen der Bilder von Reisen und Bergen.<br />

Sie hatte ein tiefes Verhältnis zu Natur und Schöpfung. Die Tiere, ob<br />

Enten die sich im Teich des ehemaligen Schwimmbades tummelten<br />

oder Eichhörnchen. Es ging allen gut und sie bekamen auch<br />

entsprechendes Futter. Nur mit den Krähen stand sie auf Kriegsfuß.<br />

Diese konnte sie nicht leiden. Aber diese Vögel verstanden es immer<br />

allen Vertreibungen stand zu halten.<br />

Achtung, Toleranz, Respekt vor dem anderen, verknüpft mit einer<br />

religiösen Grundhaltung lebte sie einen Glauben, der geprägt war von<br />

Nächstenliebe. Möge Gott ihr Vergelten, was Sie Gutes getan hat. Wir<br />

fühlen in dieser Stunde mit ihren Angehörigen. Es hilft den Schmerz<br />

zu lindern, wenn wir glauben, dass da einer ist, der uns in Händen<br />

hält, der gestorben und auferstanden ist. Er ist unsere Hoffnung und<br />

unsere Zuversicht<br />

Es fällt schwer diese außergewöhnliche Frau, die das gesellige Leben<br />

sehr liebte, in Worte zu fassen und so konnten es auch nur einige<br />

Pinselstriche sein, die ein wenig anklingen ließen, wie vielfältig<br />

talentiert unsere <strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong> war.<br />

Zum 100. Geburtstag von Frau <strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong> entwickelte die<br />

<strong>Sektion</strong> <strong>Pforzheim</strong> im Deutschen Alpenverein zu Ehren der<br />

Bergsteigerfamilie <strong>Witzenmann</strong> und unserem Ehrenmitglied und<br />

großzügigen Gönnerin der <strong>Sektion</strong> ein modernes Kreuz, das<br />

inzwischen die Haidenspitze, den Hausberg mit 2974 Metern Höhe bei<br />

der <strong>Pforzheim</strong>er Hütte ziert. Von daher passen auch meine<br />

abschließenden Gedanken mit dem Psalm 104. nach der Übersetzung


von Romano Guardini, den sowohl Dr. Walter <strong>Witzenmann</strong> wie<br />

<strong>Ruth</strong> <strong>Witzenmann</strong> liebte und auch der anschließende Chorsatz des<br />

Werkchores „ Bergheimat „<br />

Du hast die Erde auf ihren Festen gegründet,<br />

in Ewigkeit wankt sie nicht.<br />

Du hast sie mit der Urflut gedeckt<br />

Wie mit einem Kleid,<br />

bis über die Berge standen die Wasser.<br />

Sie wichen vor Deinem Dräun zurück,<br />

sie flohen bebend vor Deinem Donner.<br />

Nun steigen die Berge empor,<br />

und es fielen die Täler,<br />

jegliches an dem Ort, den Du ihm gewiesen.<br />

Die <strong>Sektion</strong> <strong>Pforzheim</strong> im Deutschen Alpenverein<br />

wird ihr stets ehrend gedenken.<br />

rolf constantin

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!