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1 - Kobuk - Zeitschrift für Literatur und Wissenschaft

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1<br />

Manga<br />

im deutschsprachigen Raum


IMPRINT<br />

E I G E N T Ü M E R<br />

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www.societa.at<br />

Tel. +43 650 293 11 39, Rummelhardtgasse 3/1, 1090 Wien<br />

H E R A U S G E B E R<br />

Paul Ferstl<br />

R E D A K T I O N<br />

Daniel Syrovy<br />

Michael Winroither<br />

A R T D I R E C T I O N<br />

Harald Weber<br />

K O B U K 1 2 0 1 1 2


CONTENT<br />

EDITORIAL 4<br />

PATRICIA MINKS MANGAMARKT - EIN VERGLEICH ZWISCHEN<br />

JAPAN UND DEM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM 6<br />

PAUL M. MALONE SHIFTING GROUND AND SHIFTING BORDERS<br />

IN THE GERMAN-SPEAKING MANGASCAPE 55<br />

STEPHAN J. BERGER & ROBERT KÖNIG ZUM GOTTESBEGRIFF IN DRAGONBALL<br />

AUS CHRISTLICHER SICHT 86


EDITORIAL<br />

PAUL FERSTL<br />

<strong>Kobuk</strong> eröffnet das Jahr 2011 <strong>und</strong> damit seinen dritten Jahr-<br />

gang mit einer Neuerung: Statt einer Mischung liegt mit der<br />

ersten Ausgabe des Jahres erstmals ein „Sonderheft“ vor,<br />

das inhaltsverwandte Artikel zu einem Thema sammelt - eine<br />

Vorgehensweise, die in Zukunft zwar nicht die Regel, aber<br />

doch eine Erweiterung unseres Programms bilden wird.<br />

Zu „Manga im deutschsprachigen Raum“ wurde bereits<br />

ausgiebig publiziert. Dennoch wollen wir es uns nicht nehmen<br />

lassen, mit der aktuellen Ausgabe die Manga-Wechselbe-<br />

ziehungen zwischen Japan <strong>und</strong> dem deutschsprachigen<br />

Raum sowohl in der Breite wie auch vereinzelt in der Tiefe<br />

aufzuzeigen. Die unterschiedlichen generellen Publikati-<br />

onsbedingungen von Manga werden in der zusammenfas-<br />

senden Studie von Patricia Minks dargestellt, während Paul<br />

M. Malone in schon gewohnter Weise eine Momentaufnahme<br />

der deutschsprachigen Mangaka-Szene <strong>und</strong> deren Arbeits-<br />

bedingungen bietet.<br />

Stephan J. Berger <strong>und</strong> Robert König hingegen zeigen<br />

in ihrer Analyse des Gottesbildes in dem Über-Manga Dra-<br />

gonball, wie interkulturelle Rezeption neue Bedeutungs-<br />

spielräume öffnet <strong>und</strong> dadurch nicht zuletzt aus der vielge-<br />

schmähten Praxis transponierender Übersetzung wertvolle<br />

Anstöße gewinnen kann.<br />

Dadurch hoffen wir, dem Phänomen Manga einigermaßen<br />

K O B U K 1 2 0 1 1 4


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

gerecht zu werden - sowohl als japanischem Produkt, das<br />

in Übersetzung weltweit bekannt geworden ist - als Stil, der<br />

nicht nur in Japan Comics hervorbringt - als auch inhaltlich<br />

in Vertretung durch die Betrachtung eines Erfolgsmangas,<br />

der ausgehend von einer chinesischen Legende einen wei-<br />

ten Weg antrat, durch den Weltraum <strong>und</strong> um die Welt, um<br />

sich schließlich in <strong>Kobuk</strong> die Frage gefallen zu lassen, wie<br />

es Dragonball mit dem Glauben hält.<br />

5


MANGAMARKT - EIN<br />

VERGLEICH ZWISCHEN<br />

JAPAN UND DEM<br />

DEUTSCHSPRACHIGEN<br />

RAUM<br />

PATRICIA MINKS<br />

1. Vorbemerkungen<br />

Die stark ansteigende Anzahl an Sek<strong>und</strong>ärliteratur <strong>und</strong><br />

Zeitungsartikeln in der westlichen Hemisphäre r<strong>und</strong> um das<br />

Medium Manga ist nur ein Hinweis auf die Aktualität <strong>und</strong><br />

Wichtigkeit einer komparatistischen Marktanalyse seines<br />

Ursprungslandes <strong>und</strong> seiner Importnationen. In dem vor-<br />

liegenden Artikel sollen sozialgeschichtliche, publizistische<br />

<strong>und</strong> ökonomische Aspekte der kulturellen Interaktionen<br />

herausgearbeitet werden.<br />

Unterlegt mit einzelnen pragmatischen Beispielen die-<br />

nen meine Thesen sowohl einer Analyse der beidseitigen<br />

Verbindungen <strong>und</strong> der national eigenen Marktstrategien (in<br />

den Kapiteln 2 <strong>und</strong> 3) als auch einer Problematisierung der<br />

Vermarktung <strong>und</strong> Übertragung (im Kapitel 4) eines geistigen<br />

– besonders eines literarischen – Produktes.<br />

K O B U K 1 2 0 1 1 6


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Mein Anliegen ist es, neben einem Marktvergleich auch<br />

die medialen Verbindungen (aus der publizistisch-ökono-<br />

mischen Perspektive) zum Comic <strong>und</strong> im Schlusskapitel die<br />

Zukunftsperspektiven zu skizzieren.<br />

1.1 Spezifikation des Gebietes<br />

1.1.1 Medium Manga<br />

Trotz vieler Definitionsversuche variieren <strong>und</strong> widerspre-<br />

chen sich diese, da sie oft bewertend sind oder unkatego-<br />

rische, ambivalente Kriterien anwenden. Daher schließe ich<br />

inhaltlich-strukturelle, stilistische, historische oder rezeptive<br />

Bestimmungsfaktoren aus <strong>und</strong> konzentriere mich auf die<br />

nationale Ausgangsbasis, von der Produktion bestimmte<br />

Spezifikatoren <strong>und</strong> dem Manga eigene Marktmerkmale,<br />

die ich in diesem Artikel erörtere. Folglich sind Definitionen<br />

wie zum Beispiel von Susanne Phillipps, 1 die sich auf eine<br />

westliche Interpretation des Begriffes stützen, heute nicht<br />

mehr zutreffend <strong>und</strong> <strong>für</strong> einen internationalen Marktvergleich<br />

unzureichend, da sich auch der außerjapanische Markt über<br />

die Genregrenzen des typischen shônen <strong>und</strong> shôjo Manga<br />

(Genreunterteilung in Kapitel 3.2) hinaus entwickelt hat.<br />

Diesen stelle ich Jaqueline Berndts Dis/Kontinuitäts-<br />

theorie 2 <strong>und</strong> Joachim Kaps Begriffsbestimmung entgegen,<br />

1 Es sind Erzählungen, die – obwohl sie sich über mehrere tausende Seiten erstrecken<br />

– keine nennenswerten Inhalte aufweisen, realisiert in einem besonderen Zeichenstil,<br />

der sich vor allem durch starke Wechsel zwischen dynamischen, action-geladenen<br />

<strong>und</strong> statischen Sequenzen <strong>und</strong> eine grenzenlos übertriebene Mimik <strong>und</strong> Gestik der<br />

Figuren auszeichnet. [Phillipps, Susanne: Manga <strong>für</strong> ein deutschsprachiges Publikum:<br />

Möglichkeiten der Übertragung von Text-Bild-Verbindungen. In: Gebhardt, Lisette <strong>und</strong><br />

Kreitz-Sandberg, Susanne (Hg.): Japanstudien 8. Interkulturelle Perspektiven Japan -<br />

Deutschland. München: iudicium Verlag, 1996. S. 193.]<br />

2 Auf ähnlich Weise greifen Kontinuität <strong>und</strong> Diskontinuität bei dem Wort Manga<br />

ineinander. [...] Nicht ein bestimmter (spontaner) Stil oder (satirischer, witziger) Inhalt,<br />

7


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

welche sich auch meiner Definition annähert: „Manga sind<br />

kein Genre, sondern eine spezifische bildliterarische Aus-<br />

drucksform, die sich einer gewissen Grammatik, nicht aber<br />

spezifischer Inhalte bedient.” 3<br />

Differenzierung<br />

Da diese (mit der japanischen Deutung äquivalente 4 )<br />

Definition alle – auch die westlichen – Formen von Comic<br />

inkludiert, differenziere ich, im Sinne einer Limitation des<br />

Forschungsfeldes dieses Artikels, Manga von historischen<br />

Ausgangsformen, wie Holzschnitten oder Zeitungsstrips,<br />

<strong>und</strong> von medialen Verwertungs- bzw. Nebenprodukten,<br />

wie Anime (Zeichentrickfilme oder -serien), Artbooks oder<br />

kommerziellen Comics.<br />

Es erweisen sich zwischen Manga <strong>und</strong> westlichem Comic<br />

etliche mediale Parallelen <strong>und</strong> Überschneidungen 5 auch<br />

nicht comic-spezifische Wort-Bild-Verschränkungen, narrative Bildsequenzen oder gar<br />

Publikationssorte, sondern eine bestimmte Spannbreite <strong>und</strong> Funktionalität standen im<br />

Zentrum. [...] Auf Englisch sollte es million art heißen, denn, so Ishinomori, der Manga<br />

umfasse hinsichtlich seiner Themen, Stile <strong>und</strong> Leserschichten mehr als die kommerziell<br />

so erfolgreichen Magazinserien <strong>für</strong> Jugendliche. [...] Den Manga gibt es allerdings nicht,<br />

weder historisch noch zeitgleich. [Berndt, Jaqueline: Mangamania - Dis/Kontinuitäten,<br />

Perspektivenwechsel, Vielfalt. In: Menzel, M.-C., u. a. (Hg.): Ga-Netchu! das Manga<br />

Anime Syndrom Frankfurt: Henschel, 2008. S. 19-20.]<br />

3 Kaps, Joachim: Moderne Mangamythen. Chancen <strong>und</strong> Herausforderungen <strong>für</strong> Manga in<br />

den europäischen Märkten. http://www.jetro.de/d/mangamythen.pdf. Stand: 31. 1. 2010.<br />

S. 10.<br />

4 The word manga (pronounced “mahngah”) can mean caricature, cartoon, comic strip,<br />

comic book, or animation. Coined by the Japanese woodblock-print artist Hokusai<br />

in 1814, it uses the Chinese ideograms man (“involuntary” or “in spite of oneself) and<br />

ga (“picture”). [...] In addition to manga, one also hears today the word gekiga, or<br />

“drama pictures,” to describe the more serious, realistic story-comics. Some Japanese,<br />

however, simply adopt an English word to describe their favorite reading matter:<br />

komikkusu. [Schodt, Frederik L.: Manga! Manga! The World of Japanese Comics. Tokyo:<br />

Kodansha Int., 1983. S. 18.]<br />

5 Deren Differenzen <strong>und</strong> Analogien behandeln Elisabeth Lidauer [Lidauer, Elisabeth:<br />

Medium Manga. Die Veränderungen am deutschsprachigen Comic-Markt nach<br />

der Einführung des japanischen Massenmediums in den 1980er Jahren. Salzburg:<br />

Universität, 2007.] <strong>und</strong> Astrid Dobmeier [Dobmeier, Astrid: Japan-Pop. Auf den<br />

interkulturellen Spuren von Popmusik, Manga <strong>und</strong> Anime. Salzburg: Universität, 2003.].<br />

8


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

bezüglich deren Eigenheiten in Produktion <strong>und</strong> Handel --<br />

man bedenke, dass ein Großteil der deutschen Manga von<br />

traditionellen Comicverlagen publiziert werden. Auch die<br />

nationale Originalität <strong>und</strong> Exklusivität des Manga bricht auf,<br />

da sich zusehends eine produktive Mangakultur außerhalb<br />

Japans, zum Beispiel der populäre koreanische Manhwa<br />

oder einzelne amerikanische oder europäische Künstler,<br />

entwickelt. Trotzdem trennen den westlichen Comicmarkt<br />

vom Mangamarkt immer noch wesentliche Kennzeichen,<br />

besonders in den Bereichen Übersetzung, Marketing (Kapitel<br />

2.4), Zielgruppen (Kapitel 3.2), Publikationsform (Kapitel 2.1)<br />

<strong>und</strong> Druck. Letzteres wird in der Sek<strong>und</strong>ärliteratur beson-<br />

ders oft als Differenzierungskriterium genannt: Denn die<br />

japanische Produktionsökonomie prägte die monochrome<br />

Farbgestaltung, 6 <strong>und</strong> die nationale Typologie bestimmte die<br />

<strong>für</strong> westliche Kulturen umgekehrte Leserichtung.<br />

Definition<br />

Folglich verwende ich den Begriff Manga als eine aus der<br />

japanischen Kultur entstandene Unterkategorie (ohne sich<br />

diesem qualitativ oder quantitativ unterzuordnen) des Comics<br />

mit seinen Eigenschaften als „[z]u räumlichen Sequenzen<br />

angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informati-<br />

onen vermitteln <strong>und</strong>/oder eine ästhetische Wirkung beim<br />

Betrachter erzeugen sollen”, 7 die sich wegen ihrer peri-<br />

odische Erscheinungsform in episodenhaften Einheiten<br />

6 Der typische Schwarz/Weißdruck japanischer Manga auf billigem, aber in Magazinen<br />

meist verschiedenfärbig getöntem Papier weicht bloß bei anfangs nachcolorierten,<br />

westlichen Übertragungen oder bei Fanproduktionen ab. Durch die kostengünstige<br />

Produktion werden die Preise gesenkt <strong>und</strong> die Auflagenzahl erhöht. [Lidauer, Elisabeth:<br />

Medium Manga. S. 79.]<br />

7 McCloud, Scott: Comics neu erfinden. Hamburg: Carlsen, 2001. S. 17.<br />

9


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

fortsetzt. Seine Einfärbigkeit, originale Leserichtung <strong>und</strong><br />

breite Diversifikation auf alle gesellschaftlichen Gruppen<br />

<strong>und</strong> Altersstufen bestimmen die nationalen Qualitäten des<br />

Mediums.<br />

Kulturelle Positionierung <strong>und</strong> Kontextualisierung<br />

Der Manga ist in seiner Heimat omnipräsent, in die Kultur<br />

<strong>und</strong> den publizistischen Markt integriert. Doch im Ausland<br />

zählt er oft als Nischenprodukt <strong>und</strong> kämpft gegen Vorurteile,<br />

Xenophobien <strong>und</strong> degradierende Kritiken, die sich, wie Eli-<br />

sabeth Lidauer konstatiert, teilweise aus der Comicbranche<br />

übertrugen. Doch trotz anfänglicher Schwierigkeiten schaffte<br />

das Medium sich in zwei Bereichen zu etablieren <strong>und</strong> baut<br />

diese Positionen zunehmend aus:<br />

1. Manga als Massenmedium: Was in Japan schon seit<br />

Jahrzehnten praktiziert wurde, setzt sich allmählich auch in<br />

westlichen Ländern durch: Manga entwickelt sich zu einem<br />

Medium einer breiten Bevölkerungsschicht. Die medialen<br />

Eigenschaften folgert Lidauer nicht nur aus den Comic spezi-<br />

fischen Kommunikationsmitteln (universale, analphabetische<br />

Bildsprache, schnelle Rezeption etc.), sondern vor allem aus<br />

der spezialisierten, aber vielfältigen Zielgruppenorientierung<br />

der Mangagenres (Näheres im Kapitel 3.2). War in westlichen<br />

Kulturen der japanische Comic anfangs nur ein Medium von<br />

Subkulturen <strong>und</strong> Jugendlichen <strong>und</strong> durch Abgrenzung von<br />

Tradition <strong>und</strong> Mainstream bestimmt, wurde in den letzten 15<br />

Jahren Manga zum Massenprodukt einer Generation, was<br />

sich in Auflagen (Kapitel 2.3), Titelproduktion (Kapitel 3.4),<br />

10


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Fanbewegungen etc. widerspiegelt.<br />

2. Manga als kulturell gleichwertiges <strong>und</strong> wertneutrales<br />

Medium: Eine weitere Entwicklung des Nischenproduktes ist<br />

eine kulturelle <strong>und</strong> langsamere: die Etablierung als neutrales<br />

Medium der Kunst. Wie schon die Fotografie oder der Film<br />

im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert ihren Kampf um Anerkennung als künst-<br />

lerisches Medium ausfochten, folgt nun der Comic. Manga,<br />

als Unterkategorie, könnte mit diesen Bemühungen nicht<br />

nur mitziehen, sondern diese noch bestärken – nicht nur als<br />

neue Kunst einer Generation, sondern als bereits integriertes<br />

<strong>und</strong> instituiertes Kulturelement Japans.<br />

1.1.2 Räumliche Eingrenzung<br />

Der deutschsprachige Markt mit Deutschland, Österreich<br />

<strong>und</strong> der Schweiz bietet kein homogenes Forschungsfeld.<br />

Deutschland dominiert nicht nur den Buchmarkt, dort befin-<br />

den sich momentan auch die einzigen Verlage mit Manga<br />

im Programm. Ähnlich wie bei Comics zuvor ist folglich<br />

auch die Etablierung im Verlagswesen, Vermarktung <strong>und</strong><br />

Buchhandel in den beiden anderen Ländern zeitverzögert<br />

zu beobachten. So haben Manga in Deutschland bereits das<br />

literarische Feld infiltriert:<br />

Auf der Leipziger Buchmesse gewinnen im großen Comic-<br />

Bereich, auf dem sich 2007 sechzig Verlage präsentiert<br />

haben, Manga zusehends an Bedeutung <strong>und</strong> ziehen neben<br />

den VertreterInnen der Verlage zahlreiche Manga-LeserInnen<br />

an. Auch beim Comic-Salon in Erlangen werden Manga als<br />

Kulturgut gehandelt. 8<br />

8 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 131-2.<br />

11


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Die Frankfurter Buchmesse 9 veranstaltet seit 2007 sogar<br />

das Finale der Deutschen Cosplay Meisterschaften DCM<br />

<strong>und</strong> bietet seit Jahren schon eine internationale Plattform<br />

<strong>für</strong> Mangaverlage. Die BUCH WIEN <strong>und</strong> BuchBasel hingegen<br />

präsentieren weder internationale, noch nationale Mangaka. 10<br />

Bemerkenswert ist jedoch in den beiden Ländern, dass<br />

– ähnlich wie schon in den USA – die subkulturelle Fanbe-<br />

wegungen vor dem Markt agieren (Näheres im Kapitel 2.2).<br />

So finden sich in Österreich seit einigen Jahren regelmäßige<br />

Veranstaltungen zu Manga <strong>und</strong> japanischer Popkultur, wie<br />

AniNite in Wien, MACOnvention 2010 in Linz oder AnimeFilm-<br />

Festival in Graz. 11 JapAniManga Night als größtes schweizer<br />

Event findet 2010 bereits zum zehnten Mal statt. Es gibt auch<br />

schon etliche Mangaka, die jedoch in deutschen Verlagen<br />

publizieren, wie zum Beispiel: Vivianne Häne aus der Schweiz<br />

bei EMA oder die Österreicherin Melanie Schober (Aoki<br />

Nezumi 12 ) bei Carlsen. Trotz ökonomischer Heterogenität<br />

empfinden Autor/innen- <strong>und</strong> Fanbewegungen sich als eine<br />

9 In October 2002, the first independent Japanese manga corner was exhibited at the<br />

Frankfurt Book Fair in Germany. [Kinko, Ito: A History of Manga in the Context of<br />

Japanese Culture and Society. In: Journal of Popular Culture 38.3 Blackwell Publishing,<br />

2005. S. 472.]<br />

10 Mangaka bezeichnet das Berufsbild des/r Mangakünstlers/in, wobei die Einheit des/r<br />

Zeichners/in <strong>und</strong> Texters/in fast nur mehr bei dojinshi (Näheres im Kapitel 2.2) oder<br />

außerhalb Japans zu finden ist. Denn heutige, japanische Mangagenese profiliert sich<br />

durch eine stark differenzierte Arbeitsteilung <strong>und</strong> enge Zusammenarbeit mehrerer<br />

Akteur/innen, wie sie Gernot Prürer [Prürer, Gernot: Manga for Beginners. Traumberuf<br />

Mangaka? über die Arbeits verhältnisse in der japanischen Manga-Industrie. http://<br />

www.malmoe.org/artikel/tanzen/709. Stand: 18. 2. 2010.], Paul Gravett [Gravett,<br />

Paul: Manga. Sixty Years of Japanese Comics. London: Laurence King Publishing,<br />

2004. S. 16-7.], Sharon Kinsella [Kinsella, Shanon: Adult Manga. Culture and Power in<br />

Contemporary Japanese Society. Honolulu: Hawaii UP, 2000. S. 50-70.] oder Frederik<br />

Schodt [Schodt, Frederik L.: Manga! Manga! S. 142-5.] beschreiben.<br />

11 Über die österreichische Manga- <strong>und</strong> Animebewegung schrieb Monika Potkanski<br />

aus soziologischer Perspektive. [Potkanski, Monika: Das österreichische Manga-<br />

<strong>und</strong> Anime-Fandom. Analyse des Wiener Animexx Stammtisches anhand des<br />

Gruppendiskussionsverfahrens. Wien: Universität, 2009.]<br />

12 Viele westliche Mangaka publizieren unter japanischen Pseudonymen, um die Exotik<br />

<strong>und</strong> Originalität bei den Rezipient/innen zu bewahren, <strong>und</strong> sich von oft negativ<br />

konnotierten Fanarts abzuheben.<br />

12


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

internationale Community. 13 In meinem Artikel konzentriere<br />

ich mich jedoch auf Deutschland <strong>und</strong> beziehe mich nur bei<br />

Umsatzzahlen <strong>und</strong> Subkultur auf den gesamten deutsch-<br />

sprachigen Raum.<br />

1.1.3 Zeitliche Eingrenzung<br />

Dieser Artikel limitiert sich auf den Zeitraum, der beson-<br />

ders die aktuelle Situation <strong>und</strong> auch die wesentlichsten<br />

Entwicklungen des deutschsprachigen Mangamarktes im<br />

Vergleich zum japanischen integriert. Folglich spare ich die<br />

weitgreifende Historie in Japan 14 <strong>und</strong> die Voraussetzungen im<br />

deutschsprachigen Comicmarkt, 15 die Anfänge der Manga-<br />

<strong>und</strong> der Animebegeisterung aus. Der Zeitraum erstreckt<br />

sich daher von ersten großen Erfolgen, wie Sailor Moon <strong>und</strong><br />

Dragon Ball, 16 Mitte der 1990er bis heute.<br />

13 Österreichischer Manga-Sammler <strong>und</strong> -networker Thomas Mozgan im Artikel von Anna<br />

Burghardt: „Es ist schwierig, die Szenen in Österreich <strong>und</strong> Deutschland zu trennen [...]<br />

durch das Internet ist das Ganze eine große Community.“ [Burghardt, Anna: Japanische<br />

Comics: Manga Mia! http://diepresse.com/home/kultur/473897/index.do. Stand: 20. 2.<br />

2010.]<br />

14 Die Geschichte des Manga in Japan fassten Kinsella [Kinsella, Shanon: Adult Manga. S.<br />

19-50], Go Tchiei [Tchiei, Go: A History of Manga. http://www.dnp.co.jp/museum/nmp/<br />

nmp-i/articles/manga/manga1.html. Stand: 31.1.2010.], Kinko Ito [Ito, Kinko: A History<br />

of Manga in the Context of Japanese Culture and Society.] <strong>und</strong> Lidauer [Lidauer,<br />

Elisabeth: Medium Manga.] ausführlich <strong>und</strong> Jaqueline Berndt [Berndt, Jaqueline:<br />

Phänomen Manga. Comic-Kultur in Japan. Berlin: Edition q, 1995.] <strong>und</strong> Gravett [Gravett,<br />

Paul: Manga.] in übersichtlichen Zeittafeln zusammen.<br />

15 Über die Historie des deutschen Comicmarktes schrieb unter anderen Lidauer [Lidauer,<br />

Elisabeth: Medium Manga.].<br />

16 Toriyama, Akira: Dragonball. [aus dem Japanischen: J. Seebeck / J. Iwamoto] Hamburg:<br />

Carlsen, 1997 - 2000.<br />

13


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

2. Publikationsformen<br />

2.1 Publikationswege<br />

2.1.1 Japan<br />

Der traditionell japanische Publikationsweg eines Manga geht<br />

von den periodisch erscheinenden Magazinen (mangashi) 17<br />

aus, denen meist eine breite Palette von Weiterverarbei-<br />

tungen, wie zum Beispiel TV-Serien, Filme, Spielartikel oder<br />

Computerspiele, <strong>und</strong> schließlich ein Taschenbuch (tanko-<br />

bon) folgen (Abb. 2.1). Die Vorteile der Magazine haben sich<br />

häufig gezeigt, Astrid Dobmeier 18 hebt zum Beispiel deren<br />

Serialität als besondere Anziehungskraft <strong>für</strong> Konsumenten<br />

hervor. Das periodische Erscheinen senkt auch das Risiko<br />

der Verlage, da mehrere Serien <strong>für</strong> den Erfolg einer Auflage<br />

verantwortlich sind <strong>und</strong> eine unrentable Mangageschichte<br />

jederzeit abgesetzt werden kann. Erfolgreiche Serien wer-<br />

den als letzte <strong>und</strong> lukrativste Publikationsart gesammelt in<br />

Taschenbuchform in mehreren Bänden hochwertig gedruckt:<br />

The end product of manga is the compact, usually paperback<br />

book that gathers together episodes of particular serials,<br />

shrunk down and printed more sharply in black and white<br />

on thicker paper in handy tankobon volumes of aro<strong>und</strong> 200<br />

pages, or in the smaller, chunkier bunkobon of 300 pages<br />

17 There are a great number of magazines in Japan devoted exclusively to manga but<br />

it is difficult to give an exact accounting of their number given that it is not at all<br />

uncommon for smaller publishing houses to bring out one new magazine after another<br />

<strong>und</strong>er different titles. The core of the manga publishing industry consists of some<br />

13 weekly manga magazines published by the major publishers alone, along with 10<br />

biweeklies, and approximately twenty influential monthlies. At any given time there are<br />

at least ten magazines which boast over one million copies of each issue. [Tchiei, Go: A<br />

History of Manga.]<br />

18 Dobmeier, Astrid: Japan-Pop.<br />

14


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

or more. On the cover they tend to have a fairly sedate,<br />

one-color design, over which is wrapped a bright, attractive<br />

colour dust jacket. When you buy a book, instead of put-<br />

ting it in a bag, the store will often fold its own brown-paper<br />

wrapper over the cover, enabling you to read it discreetly in<br />

public. 19<br />

Abb. 2.1: japanische Verwertungskette von Manga<br />

Doch zeigten sich auch Abweichungen der Tradition, in<br />

denen Manga Weiterverwertungen sind, wie zum Beispiel<br />

bei einer Neuauflage von Akira:<br />

There is an Akira with coloured pictures available in Japan<br />

today (in the Japanese reading direction), but it has nothing<br />

to do with the American edition. It is based on the animated<br />

film version of Akira, an anime, which in turn was made into<br />

a fuirumu komikkusu or anime manga, a film comic. The<br />

coloured panels are cells from the anime. 20<br />

Die populärste, japanische Ausnahme ist Pokémons Publi-<br />

kationsgeschichte, in der Computerspiel <strong>und</strong> Sammelkarten<br />

zur begleitenden Comicversion führten:<br />

19 Gravett, Paul: Manga. S. 14.<br />

20 Jüngst, Heike: Manga in Germany - From Translation To Simulacrum. In: Perspectives:<br />

Studies in Translatology. 14.4 London: Routledge, 2007. S. 90.<br />

15


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

In 1996, Tajiri delivers Pokémon. Japanese kids take an<br />

immediate liking to the challenge of capturing, training, and<br />

fighting Pocket Monsters. Three million units are sold in the<br />

first three months of release. Kubo Masahiko, of Shogakukan,<br />

the publisher of Koro Koro comics, noticing that his readers<br />

have taken a real liking to this new video game, makes a<br />

deal with Nintendo for the comic-book rights to Pokémon.<br />

To Nintendo's surprise and delight, the comic-book stories<br />

are so popular with readers that they reignite sales of the<br />

Pokémon cartridges. [...] Koro Koro comics have added<br />

needed plot and character development to the Pokémon<br />

world. 21<br />

In diesem Fall erkennt man auch die starke Beeinflussung <strong>und</strong><br />

Interpendenzen zwischen den Medien <strong>und</strong> deren Umsätzen.<br />

Eine heute sehr gängige Vorpublikation oder gleichzei-<br />

tige Verwertung ermöglichte das Internet. So entwickelt<br />

sich eine Tendenz von den Magazinen zum periodischen,<br />

digitalen Publizieren, bei dem die Leser/innen ihre Manga<br />

auf das Mobiltelefon oder sonstige Speichermedien herun-<br />

terladen oder Online lesen. 22<br />

2.1.2 Deutschland<br />

Was in Japan das Ende der Verwertungskette bildet, steht im<br />

deutschsprachigen Raum meist am Anfang: das Taschenbuch.<br />

„Dass die deutschsprachigen Manga-Verlage in erster Linie<br />

Manga-Taschenbücher auf den Markt bringen, erklärt sich<br />

aus der Lesegewohnheiten <strong>und</strong> -vorlieben der heimischen<br />

21 Tobin, Joseph Jay: Pikachu's Global Adventure. The Rise and Fall of Pokémon. Durham:<br />

Duke University Press, 2004. S. 6-7.<br />

22 Koesch, Sascha, Magdanz, Fee <strong>und</strong> Stadler, Robert: Mobile Mangas. Das bessere<br />

E-Book. http://www.spiegel.de/netzwelt/mobil/0,1518,444475,00.html. Stand: 31. 1.<br />

2010.<br />

16


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Rezipienten.“ 23 Weitere Gründe hier<strong>für</strong> sind meines Erachtens<br />

vor allem in der Lizenzlage <strong>und</strong> bei ökonomischen Faktoren<br />

zu finden. Denn die höheren Verlagskosten (Übersetzung<br />

<strong>und</strong> Lizenz) ließen günstige Magazine bei Anfangsaufla-<br />

gen von unter 50.000 Exemplaren nicht zu, 24 was auch das<br />

Einstellen vieler deutscher Magazine wie Banzai! (Carlsen),<br />

Manga Power (Ehapa) oder MangaTwister (EMA) nach sich<br />

zog. Außerdem waren die Vorteile der japanischen Maga-<br />

zine (schnelles Absetzen <strong>und</strong> direkter Einfluss der Leser/<br />

innen auf die Serie) bei Übersetzungen nicht vorhanden.<br />

So etablierte sich die Publikationsform Taschenbuch mit<br />

begleitenden Merchandisingprodukten.<br />

Doch die Anfänge (teilweise auch heute noch) der<br />

japanischen Comics in Deutschland waren anders. Jedem<br />

Manga ging ein anderes Medium voraus: Anime oder Com-<br />

puterspiele (Abb. 2.2). Die Gründe da<strong>für</strong> seien laut Joseph<br />

Jay Tobin vor allem medial:<br />

The relative unimportance of language in computergames<br />

makes them inherently easier to adopt for foreign markets<br />

than are songs, televisions shows, movies, or cartoons.<br />

Another factor faciliating their exportability is that in<br />

computer games, as in cartoons, the settings can be entirely<br />

mythical and the protagonists of no particular race or<br />

ethicity. 25<br />

So ermöglichten die unethnischen Vorreiterbeispiele, wie<br />

Dragonball oder Pokémon 26 , einen breiten Zugang zu „japa-<br />

23 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 79.<br />

24 Das einzige Shojo-Magazin Deutschlands, die “Daisuki” von Carlsen Comics,<br />

geht monatlich 35 000 Mal über den Ladentisch. [Knümann, Bastian: Deutsche<br />

Mangabranche boomt weiterhin. http://www.handelsblatt.com/journal/kultur-lifestyle/<br />

deutsche.mangabranche-boomt-weiterhin;1059640;2. Stand: 18. 2. 2010.]<br />

25 Tobin, Joseph Jay: Pikachu's Global Adventure. S. 261.<br />

26 Ono, Toshiro: Pokémon. Tokyo: Shogakukan, 1997 - 2000.<br />

17


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

nischeren“ Manga (Kapitel 4.5).<br />

Abb. 2.2: deutsche Verwertungskette I von Manga<br />

Besonders <strong>für</strong> einheimische Mangaka bieten sich weitere<br />

Publikationswege an (Abb. 2.3), wie Magazine oder digitaler<br />

Vertrieb, da sie auf die Vorteile der periodischen <strong>und</strong> unmit-<br />

telbaren Veröffentlichung zurückgreifen können.<br />

Abb. 2.3: deutsche Verwertungskette II von Manga<br />

2.2 Subkultur <strong>und</strong> Fandom<br />

Bemerkenswert sind die starken Einflüsse der Rezipient/innen<br />

auf den Mangamarkt. In Japan können sie direkten Einfluss<br />

auf den Verlauf der Mangaserien über „questionnaires on<br />

detachable pre-paid postcards inside most mangashi“ 27 aus-<br />

üben. Durch die intensive Rezeption <strong>und</strong> die „zeichnerische<br />

Zugänglichkeit“ 28 des Mediums beginnen Fans häufig selbst<br />

27 Gravett, Paul: Manga. S. 14.<br />

28 Manche japanische Kritiker definieren den Manga heute sogar als eine<br />

Form des Comics, die sich durch Kopierbarkeit, sozusagen zeichnerische<br />

Zugänglichkeit, auszeichnet. [Berndt, Jaqueline: Mangamania - Dis/Kontinuitäten,<br />

Perspektivenwechsel, Vielfalt. S. 17.]<br />

18


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

zu zeichnen, wodurch sich nicht nur zukünftige Mangaka<br />

entwickelten, sondern ein eigenständiger, subversiver Markt:<br />

Not only do amateur and commercial manga diverge in<br />

their stylistic origins but the social networks of amateur and<br />

professional artists have become so distant that they have<br />

increasingly come to represent two virtually separate streams<br />

of the same cultural media. 29<br />

Doch der exportierte, populäre Manga entspringt groß-<br />

teils der japanischen Subkultur, die in den 1990er Jahren<br />

von den Verlagsriesen zum Massenprodukt vermarktet<br />

wurde. Kinsella erkennt in der Wechselwirkung von Massen-<br />

<strong>und</strong> Untergr<strong>und</strong>medium ein repressives Verhältnis: „While<br />

'<strong>und</strong>ergro<strong>und</strong>' manga of this earlier period was promoted<br />

and partially re-integrated into 'mainstream' manga, during<br />

the 1990s the contemporary amateur manga medium was<br />

simultaneously ostracized and repressed.“ 30 Diese Spannung<br />

von Unterdrückung der Subkultur <strong>und</strong> spätere Protektion<br />

zum Massenmedium führt zu einem repetitiven Wechselspiel,<br />

das vielen Medien <strong>und</strong> Marktprodukten eigen ist.<br />

Diese zirkuläre Struktur ist nicht nur auf dem japanischen<br />

Mangamarkt, der sich gewinnbringend neue Inspiration <strong>und</strong><br />

Mangaka aus der Subkultur sucht, sondern auch auf seinen<br />

ausländischen Pendants erkennbar.<br />

In Deutschland blickt dieses Wechselspiel auf eine kürzere<br />

Geschichte zurück, <strong>und</strong> die Beziehung zwischen Massen-<br />

<strong>und</strong> Subkultur ist eine andere, wobei es sich aber bei Erste-<br />

rem um eine importierte Produktion <strong>und</strong> Letzterem um die<br />

29 Kinsella, Shanon: Japanization of European Youth. http://www.kinsellaresearch.com/<br />

Japanization.html. Stand: 31. 1. 2010. S. 545.<br />

30 Ebd. S. 545.<br />

19


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

einheimische handelt. Daraus resultiert eine noch größere<br />

Divergenz zwischen den beiden Bewegungen, da die Sub-<br />

kultur nicht nur mit den Vorurteilen der Professionalität <strong>und</strong><br />

Subversivität, sondern auch mit denen der Originalität <strong>und</strong><br />

Imitation zu kämpfen hat. Doch weisen auch die importierten<br />

Manga Nachteile auf, da sie denLeser/innen zum Beispiel<br />

keinen rezeptiven Einfluss auf den Verlauf der Handlung<br />

erlauben. 31 Doch trotz aller Schwierigkeiten wagen viele den<br />

Schritt zur Publikation, den dôjinshi, wie Amateurmanga in<br />

Japan genannt wird:<br />

[Z]umeist werden die Ergebnisse des kreativen Schaffens nur<br />

digital veröffentlicht, zum Beispiel auf Seiten wie http://www.<br />

animexx.de. Vergleichsweise wenige Zeichner trauen sich,<br />

ihre Manga in einer Druckerei zu vervielfältigen <strong>und</strong> irgendwo<br />

zum Verkauf anzupreisen. [...] In einigen Fällen organisie-<br />

ren engagierte Fans jedoch den Druck von Doujinshi-Sam-<br />

melbänden namens “Doujinshi Star” <strong>und</strong> “Fantastic Neo-<br />

Mangas” per Books on Demand, die bereits mehrere Bände<br />

umfassen <strong>und</strong> das Risiko <strong>für</strong> einzelne Zeichner minimieren.<br />

[...] Aus diesem Gr<strong>und</strong> hat sich mit Doujinshi-Motion eine<br />

Plattform <strong>für</strong> solche Zeichner gebildet, die auf das Erscheinen<br />

ihrer Werke hinweisen wollen. Und auf der Leipziger Buch-<br />

messe 2005 soll es erstmals einen eigenen Doujinshi-Markt<br />

geben, bei dem die Comics in größeren Rahmen an den Mann<br />

gebracht werden können. 32<br />

Ebenso relevant sei nach Lidauer 33 auch Ebay als Verkaufs-<br />

platz <strong>für</strong> die nationalen, aber auch internationalen dôjinshi.<br />

31 Hierbei stellt sich die Schwierigkeit der Vorherbestimmung der rezeptiven Akzeptanz<br />

der Spannung zwischen exotischer Anziehung, verwirrender Fremdheit <strong>und</strong><br />

metanationaler <strong>und</strong> -kultureller Fiktionalität (Näheres im Kapitel 4.5).<br />

32 Schmidt, Christian: Doujinshi - Die Fan-Mangas. http://www.animestreet.de/artikel.<br />

php?aid=1. Stand: 5. 2. 2010.<br />

33 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 88.<br />

20


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

2.3 Auflagen <strong>und</strong> Umsätze<br />

Die Auflagen <strong>und</strong> Umsätze sinken am japanischen Markt<br />

seit ihrem Höhepunkt im Jahre 1995 stetig, 34 besonders<br />

klar erkennbar bei populären Magazinen (Abb. 2.4), wie<br />

zum Beispiel:<br />

The recession has bitten, so Shônen Jump's highs of over 6<br />

million copies may be a thing of the past, but it still shifts 3<br />

million every week, to a population of 126 million people [...].<br />

Out of the whole magazine industry, about onesixth, or some<br />

250 billion yen (about $3 billion), of that turnover is accounted<br />

for by manga periodicals. 35<br />

Abb. 2.4: aus: The Rise and Fall of Weekly Shonen: A Look<br />

at the Circulation of Weekly Jump. In: Comipress: http://<br />

comipress.com/article/2007/05/06/1923. Stand: 31. 1. 2010.<br />

34 Sales of comic books and comic magazines in 2005 edged down 0.5 % to 502.3 billion<br />

yen, and dropped 2.6 % to 1,348.74 million copies. Value included 260.2 billion yen<br />

for comic books (up 4.2 %) and 242.1 billion yen for comic magazines (down 5.0 %).<br />

Comic books outperformed comic magazines for the first time, thanks to strong sales<br />

of popular titles such as NANA, Hanayori Dango and Dragon Sakura. Comic magazine<br />

sales have tumbled since 1996 and were down nearly 30 % from the 1995 level in 2005.<br />

The slump is attributed to the growing popularity of book discounters and book rental<br />

stores, which offer cheaper access to new titles just several days after release. Another<br />

main factor is the spread of comic cafes, where customers can read comics for free,<br />

reducing the number of people who actually purchase comics. [Jetro: Industrial<br />

Reports. Japan Economic Report. October-November 2006. http://www.jetro.go.jp/en/<br />

reports/market/pdf/2006-25-r.pdf Stand: 10. 6. 2010.]<br />

35 Gravett, Paul: Manga. S. 14.<br />

21


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Dennoch verzeichnet Japan immer noch hohe Umsätze (4<br />

Milliarden Euro im Jahre 2005 36 ) <strong>und</strong> Auflagen mit Manga,<br />

besonders relativ zu anderen Publikationsformen gesehen<br />

(Abb. 2.5) <strong>und</strong> wenn man die Mehrfachverwertung 37 der<br />

Magazine bedenkt. Die Rekordauflage liegt seit 15 Jahren<br />

mit 160 Millionen Exemplaren 38 bei der Serie Dragon Ball, 39<br />

welche 1995 ihren Abschluss fand <strong>und</strong> den Höhepunkt des<br />

japanischen Mangamarktes markiert. Aber auch weniger<br />

populäre Manga erscheinen mit Auflagen „über 10.000<br />

Exemplaren, was anzeigt, dass selbst vermeintlich untypische,<br />

weil nicht kompromißlos kommerzielle Manga immer noch<br />

als Manga, das heißt als spannende Lektüre in einer mehr<br />

oder weniger geteilten Bildsprache, funktionieren.“ 40<br />

Abb. 2.5: Mangaanteil am japanischen Publikations-<br />

volumen. Nach: Gravett, Paul: Manga.<br />

Ein bereits erwähnter Sektor des japanischen Mangamarktes,<br />

der einen starken Einfluss auf die Magazinpublikationen hat,<br />

36 Knümann, Bastian: Deutsche Mangabranche boomt weiterhin.<br />

37 Ein wichtiges Merkmal ist die Mehrfachverwertung. [...] In Japan ist es gängig, Manga<br />

in U-Bahnen, Zügen oder öffentlichen Plätzen liegen zu lassen, so dass die Ausgabe<br />

weiter Personen lesen können. [Dobmeier, Astrid: Japan-Pop. S. 76.]<br />

38 International erreicht Dragonball die doppelte Anzahl, wobei Neuauflagen <strong>und</strong> neue<br />

Lizenzen die Auflage stetig steigen lassen.<br />

39 Toriyama, Akira: Dragonball. In: Weekly Shonen Jump. Tokyo: Shueisha, 1984 - 1995.<br />

40 Berndt, Jaqueline: Phänomen Manga. S. 20.<br />

22


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

sind die digitalen Veröffentlichungen: „Bei einem Kostenpunkt<br />

von 30 bis 40 Cent pro Comic-Episode <strong>für</strong> den japanischen<br />

Leser lag der Umsatz im März diesen Jahres [2006] in Japan<br />

bei 38,5 Millionen Dollar.“ 41 Ebenso zu den nationalen Umsät-<br />

zen sind die Lizenzeinnahmen zu zählen, die stetig durch die<br />

Marktexpansion steigen: „Overseas sales of manga in 2006<br />

were estimated at roughly 3 billion yen (18.5 million euro)“ 42 .<br />

„Bei Startauflagen von 300.000 bis 500.000 Exem-<br />

plaren pro Comic in Japan (zum Vergleich: bei uns sind es<br />

im Mittel pro Mangatitel um die 10.000 Exemplare)“ 43 kann<br />

man bereits die nationalen Unterschiede erkennen, die sich<br />

auch durch die Gesamtumsätze 44 <strong>und</strong> -auflagen ziehen:<br />

Den Rekord <strong>für</strong> die meistverkaufte Erstauflage eines<br />

Manga im Taschenbuchformat hat die Serie One piece mit<br />

2,5 Millionen Exemplaren. Geschlagen wurde dieser Rekord<br />

bisher nur durch die Vorbestellungen des als der letzte<br />

deklarierten Asterix-Bandes, der im Jahr 2001 erschien. 45<br />

41 Koesch, Sascha, Magdanz, Fee <strong>und</strong> Stadler, Robert: Mobile Mangas. Das bessere<br />

E-Book.<br />

42 O’Hagan, Minako: Anime, Manga and Video Games: Globalizing Japanese Cultural<br />

Production. In: Perspectives: Studies in Translatology. [14.4] London: Routledge, 2007.<br />

S. 243.<br />

43 Dierks, Andreas: Bestseller in die Buchläden. http://www.comic.de/buchmesse2003/<br />

bericht2.htmltafel1. Stand: 31. 1. 2010.<br />

44 Die Umsätze [...] generieren in 2005 zusammen mit der koreanischen Schwester<br />

Manhwa einen Bruttoumsatz von knapp 70 Millionen EUR, das Geschäft mit<br />

themenverwandten Magazinen am Kiosk nicht eingerechnet. [...] Im laufenden Jahr<br />

[2005] [...] legten die Umsätze mit Manga <strong>und</strong> Manhwa erneut um 6,9 % zu. [Kaps,<br />

Joachim: Moderne Mangamythen. S. 2-3.] Über themenverwandte <strong>Zeitschrift</strong>en schrieb<br />

Lidauer. [Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 81.]<br />

45 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 71.<br />

23


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

2.4 Merchandising <strong>und</strong> Verwertung<br />

Ein weiterer Zusatzumsatz, der in anderen <strong>Literatur</strong>segmenten<br />

eher unüblich <strong>und</strong> in Deutschland noch nicht ausgeschöpft<br />

ist, ist der Merchandising-Markt <strong>und</strong> die Verwertung einhei-<br />

mischer Manga. In Japan führte dieser Teilbereich zu Koo-<br />

perationen großer Unternehmen, wie das bereits erwähnte<br />

Beispiel Pokémon mit Nintendo, Shôgokukan, Bandai u.a.<br />

demonstriert, <strong>und</strong> deren internationalen Exporterfolgen.<br />

In diesen Fällen war der deutsche Markt immer Lizenzpart-<br />

ner <strong>und</strong> Abnehmer, wodurch Prognosen wie die Lidauers<br />

unterstützt würden:<br />

Es ist dabei allerdings fraglich, ob sich auch in Europa ein<br />

vergleichbarer Merchandise-Markt entwickeln wird wie in<br />

Japan. Eigene Osamu Tezuka-Geschenkartikelläden, wie sie<br />

in Japan verbreitetet sind, werden in unseren Breiten wohl nie<br />

zu finden sein. 46<br />

Doch durch die nationale Produktion kann ein eigener<br />

Verwertungs-, Lizenzen- <strong>und</strong> Merchandisingmarkt geschaf-<br />

fen werden. Aber obwohl die Eigenproduktion steigt <strong>und</strong><br />

von Verlagen gefördert wird (Kapitel 2.2), ist das Marketing<br />

nur auf Manga gerichtet, <strong>und</strong> Verarbeitungen zu Anime,<br />

Computerspielen oder Spielfiguren fehlen.<br />

46 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 118.<br />

24


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

2.5 Preisniveau<br />

„Der durchschnittliche Preis einer Wochenausgabe (bis 400<br />

Seiten stark) liegt unter 400 Yen (3 Euro), Manga-Bücher<br />

kosten zwischen 400 <strong>und</strong> 1000 Yen (d.h. zwischen 3 <strong>und</strong><br />

7,50 Euro).” 47 Während in Japan das niedrige Preisniveau<br />

Manga zu einem günstigen Genuss machen, waren die<br />

anfangs teuren deutschenTaschenbuchausgaben (Akira 48 :<br />

nachcoloriert, 15 Euro) ein exklusives Vergnügen <strong>für</strong> Lieb-<br />

haber/innen, wodurch neue Leser/innen kaum versucht<br />

wurden. Dies änderte sich mit der Dragonballausgabe von<br />

Carlsen, die wegen ihrer leistbaren Preislage, der transme-<br />

dialen Vermarktung <strong>und</strong> ihrer Zielgruppenorientierung ganz<br />

nach japanischer Art zum ersten großen Erfolg 49 wurde 50 .<br />

So hat sich nun ein Durchschnittspreis von 6 bis 10 Euro pro<br />

Band etabliert.<br />

47 Ebd. S. 78.<br />

48 Otomo, Katsuhiro: Akira. Hamburg: Carlsen, 1991 - 2000.<br />

49 Auflage von 7 Millionen Exemplare Carlsen: http://www.carlsen.de/ Stand: 31. 1. 2010;<br />

Neuauflage läuft 2009<br />

50 Mit der Serie Dragon Ball gelingt den Manga 1997 auch in Deutschland der Durchbruch.<br />

Zum einen liegt der Erfolg der Serie darin begründet, dass die Verlage nun dazu<br />

übergegangen waren, die Serie wie im japanischen Original im Taschenbuchformat<br />

<strong>und</strong> japanischer Leserichtung zu drucken <strong>und</strong> mit auch <strong>für</strong> Jugendliche leistbarem<br />

Verkaufspreis zu veröffentlichen. Zum anderen besaß Dragon Ball anderen Comics<br />

gegenüber einen entscheidenden Vorteil: Er gefiel den Eltern nicht. Im Sommer 1999<br />

wird Dragon Ball zum ersten Mal auf RTL2 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt.<br />

[Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 78.]<br />

25


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

3 Verlagssituation<br />

3.1 Verlage<br />

3.1.1 Japan<br />

Due to the potential for making massive profits, comics<br />

are the most competitive publishing sector of all. Roughly<br />

two-thirds of it is carved between the three market leaders:<br />

Kodansha, Shueisha and Shogakukan. The rest is devided<br />

up between other substantial publishers who might hope to<br />

corner up to 5 per cent of the market, while the crumbs fall to<br />

aro<strong>und</strong> 70 smaller companies, often specializing in subjects<br />

such as erotica, martial arts, golf and mahjong. 51<br />

Die Großkonzerne dominieren nicht nur den japanischen<br />

Markt, sondern sind mit ihren engen Kooperationen auch die<br />

stärksten Exporteure (Kapitel 4.3). Der Lizenzmarkt stellt<br />

heute eine große Sicherheit dar, denn: „l’èdition du manga<br />

est en crise“, was schon an den Umsatz- <strong>und</strong> Auflagezahlen<br />

im Kapitel 2.3 ersichtlich war:<br />

Après avoir atteint son apogée dans les années 1990, la vente<br />

des mangas a pourtant chuté dans l'archipel, en raison de la<br />

multiplication des librairies d'occasion et de prêt, des cafés<br />

mangas et des mangas que les abonnés de certains réseaux<br />

peuvent désormais lire sur leur téléphone portable. [...] [L]<br />

e public qui profite de ces nouvelles technologies est quant<br />

à lui en constante progression, le nombre de lecteurs de<br />

mangas sur les portables croissant de manière vertigeuse. Il<br />

semble légitime de se demander si cette nouvelle forme de<br />

51 Gravett, Paul: Manga. S. 14.<br />

26


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

diffusion du manga pourrait détroner à tout jamais les revues,<br />

d'ici quelque années. [...] La situation est préoccupante et les<br />

éditeurs tentent d'y pallier partiellement en développant le<br />

marché asiatique autant qu'occidental. 52<br />

3.1.2 Deutschland<br />

Die deutsche Situation der Mangaverlage wird von Printme-<br />

dien <strong>und</strong> direktem Handel dominiert, wodurch seit 15 Jahren<br />

eine steigende bis stabilisierende Tendenz zu beobachten<br />

ist. Hier sind nun die wichtigsten Verlage skizziert:<br />

Carlsen<br />

Die Tochterfirma des schwedischen Medienkonzern<br />

Bonnier Group eröffnete mit Erfolgstiteln wie Akira 53 oder<br />

Dragonball nicht nur den Mangamarkt in Deutschland,<br />

sondern ist seit Jahren mit durchschnittlich 18 Titeln pro<br />

Monat der produktivste Verlag. Die Gründe <strong>für</strong> die starke<br />

Positionierung des Kinderbuch- <strong>und</strong> Comicverlages sind<br />

zahlreich. So war die Ausgangssituation als Pionierverlag<br />

am noch nicht kommerziell erschlossenen Mangamarkt ein<br />

hervorragender Start, der durch Entscheidungen wie die<br />

kontinuierliche Publikation bereits erfolgreicher Serien,<br />

Nähe zum Zielpublikum (durch Wettbewerbe, Foren etc.)<br />

<strong>und</strong> niedriges Preisniveau 54 gefestigt wurde.<br />

52 Koyama-Richard, Brigitte: Mille Ans de manga. Paris: Flammarion, 2007. S. 159.<br />

53 Otomo, Katsuhiro: Akira. [19] Hamburg: Carlsen, 1991 - 2000.<br />

54 Das Chibi-Konzept des Carlsen Verlags ist ein deutlicher Ansatz in diese Richtung.<br />

Manga im Mini-Format zu Preisen von 2,50 Euro (Verkaufspreis in Österreich) sollen<br />

dem Verlag zusätzliche Käufer/innenschichten erschließen, die sich im Folgenden dann<br />

auch <strong>für</strong> die normal-formatigen Manga interessieren könnten. In diesem Format werden<br />

in erster Linie die Werke deutschsprachiger Manga-Zeichner/innen veröffentlicht.<br />

[Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 70.]<br />

27


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Tokyopop<br />

Als Tochterfirma des japanisch-amerikanischen Konzerns<br />

Tokyopop k.k. stieg der ehemalige Leiter der Carlsen Comics<br />

Joachim Kaps 2004 in den Mangamarkt ein. Mit steigender<br />

Titelproduktion liegt die monatliche Durchschnittsproduk-<br />

tion bei ebenfalls 18 Titeln.<br />

Egmont Anime & Manga<br />

Ebenfalls Teil einer skandinavischen Mediengruppe ist der<br />

Ehapa Egmont Verlag mit seiner Tochterfirma Egmont Anime<br />

& Manga EMA (seit 2000). Mit dem Durchbruch von Sailor<br />

Moon verschaffte sich der traditionelle Comicverlag einen<br />

Platz unter den größten nationalen Mangaverlagen, den er<br />

mit durchschnittlich 13 Manga im Monat hält.<br />

Planet Manga (Panini)<br />

Als Teil der Marvel Entertainment Group publiziert der<br />

italienische Konzern Panini unter Planet Manga seit 2000<br />

japanische Comics. Mit der Übernahme von Dino Comics<br />

<strong>und</strong> regelmäßiger Titelproduktion (etwa 3 Titel) eröffnet<br />

Planet Manga das Mittelfeld der Mangaverlage.<br />

Heyne, Schwarzer Turm <strong>und</strong> Schreiber &<br />

Leser<br />

Japanese publisher Kodansha and U.S. publisher Random<br />

House set up Random House Kodansha in 2003 to translate<br />

works by Japanese novel/comic authors and market them via<br />

Random House's networks in Australia, Britain, Germany, the<br />

United States and other countries. 55<br />

55 Jetro: Industrial Reports. Japan Economic Report. October-November 2006. http://<br />

www.jetro.go.jp/en/reports/market/pdf/2006-25-r.pdf Stand: 10. 6. 2010.<br />

28


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

In Deutschland übernahm dies Heyne, der als Publikums-<br />

verlag davor keine Comics herausgegeben hatte. Doch mit<br />

zehn nur japanischen Reihen im Programm kam Heyne nicht<br />

an die drei stärksten Mangaverlage heran. Nach einer im CIL<br />

Forum geposteten Pressemitteilung zieht sich Heyne nun<br />

aus dem Mangageschäft zurück:<br />

„Leider läuft unser gesamtes Manga-Programm aus, d.h.<br />

alle unsere Reihen werden nicht mehr fortgesetzt.“ 56 Dies<br />

unterstreicht Heynes inadäquate Marketingstrategie mit zu<br />

wenig Marktpräsenz, Konzentration auf japanische Manga<br />

<strong>und</strong> fehlendes symbolisches Kapital im Mangafeld (Näheres<br />

in den Kapiteln 3.1.3, 3.3 <strong>und</strong> 4.3).<br />

Ebenfalls zum Mittelfeld zählen die Verlage Schwarzer<br />

Turm oder Schreiber & Leser, die nicht Teil eines international<br />

agierenden Konzerns sind.<br />

Ein nicht unbedeutender Anteil der in Deutschland auf dem<br />

Markt befindlichen Comics erscheint allerdings bei Klein- <strong>und</strong><br />

Kleinstverlagen, die oftmals nur von einer Person <strong>und</strong> meist<br />

nebenberuflich betrieben werden. [...] Dass Kleinstverlage<br />

aber auch kommerziell erfolgreich sein können, beweist der<br />

Verlag Schwarzer Turm. Michael Möller <strong>und</strong> Rochus Hahn<br />

gegründeten [sic] den Verlag 1998 <strong>und</strong> vertreiben seither<br />

erfolgreich in erster Linie deutsche Independent-Comics wie<br />

Alraune <strong>und</strong> das Paper Theatre. Gegründet wurde der Verlag<br />

einzig aus dem Gr<strong>und</strong>, die von Ehapa eingestellte Serie Stray<br />

Bullets weiterführen zu können. 57<br />

Beide veröffentlichen vor allem Manga abseits der popu-<br />

lären <strong>für</strong> Jugendliche <strong>und</strong> schaffen sich trotzdem mit nahezu<br />

regelmäßigen Publikationen eine feste Position.<br />

56 Leviathan: Es ist aus. http://www.comicsinleipzig.de/Forum/thread.<br />

php?postid=4874669post4874669. Stand: 17. 2. 2010.<br />

57 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 52.<br />

29


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

comicstars.de<br />

Eine Alternative zu den obengenannten Printverlagen bietet<br />

das Verlagskonzept von comicstars.de, wie es CEO Steve<br />

Jones im Artikel von Daniel Lenz resümiert:<br />

In der Buchbranche agieren viele Anbieter, die Bücher in<br />

digitale Formate verwandeln, bei denen Autoren ihre Bücher<br />

hochladen oder Leser E-Books herunterladen können. Es<br />

fehlte aber ein Angebot, das all dies integriert: automatisierte<br />

Vertriebswege <strong>für</strong> Bücher-Inhalte, vom Up- zum Download.”<br />

Das Portal comicstars.de ist genau das: ein Web 2.0-Markt-<br />

platz <strong>für</strong> digitale Comics.<br />

Comic-Zeichner oder Verlage laden kostenlos ihre Inhalte<br />

hoch <strong>und</strong> können diese, anders als bei Myspace <strong>und</strong> You-<br />

tube, über die Marktplatzfunktion via iPhone, iPod <strong>und</strong> als<br />

E-Book kostenpflichtig vertreiben. Aktuell umfasst das Portal<br />

r<strong>und</strong> 3000 registrierte Nutzer sowie über 700 Titel von 650<br />

Autoren <strong>und</strong> Verlagen. Hinzu kommen Web 2.0-Elemente<br />

wie bloggen, kommunizieren <strong>und</strong> bewerten.<br />

Künftig wollen wir Prepaid-Karten <strong>für</strong> unsere Comics über<br />

den Buchhandel <strong>und</strong> Comicfachhandel vertreiben, wollen<br />

Kombiangebote aus digitalem <strong>und</strong> gedruckten Comics anbie-<br />

ten - <strong>und</strong> dazu beitragen, dass die stationären Sortimente im<br />

digitalen Zeitalter nicht ebenso auf der Strecke bleiben wie<br />

die Plattenläden in der Musikbranche. [...] Als einer der ersten<br />

Anbieter arbeiten wir daran, Comics <strong>für</strong> E-Book-Lesegeräte<br />

aufzubereiten. 58<br />

58 Lenz, Daniel: Online starten, alle Kanäle bedienen. http://www.buchreport.de/<br />

nachrichten/online/onlinenachricht=datum=2009=10=16=online-starten-alle-kanaelebedienen.htm.<br />

Stand: 20:2:2010.<br />

30


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Interessant sei nach Aussage Jones‘ das Joint Venture<br />

der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG <strong>und</strong> der<br />

Gorilla Concept GmbH, speziell <strong>für</strong> deutsche Mangaka. Dies<br />

ist verständlich <strong>und</strong> <strong>für</strong> das Portal wünschenswert, denn<br />

Lizenzen wären <strong>für</strong> dieses Konzept zu kostspielig. Unabhän-<br />

gig davon, ob die 2009 gestartete Seite Erfolg haben wird<br />

oder nicht, setzt es nun die etablierten Printverlage unter<br />

Druck <strong>und</strong> zeigt neue Wege, ganz nach japanischem Vorbild.<br />

Kleinverlage <strong>und</strong> Einzelpublikationen<br />

In den letzten Jahren folgten dem Mangaboom auch zahl-<br />

reiche Kleinverlage wie Fireangels, Butter and Cream, Infinity,<br />

Manga Sutra, BD Erotix, Alpfa Comics, Tsunami, Edition Kunst<br />

der Comics, Verlag Norman Rentrop, Tilsner Verlag, OVA 18<br />

Manga, Vieweg <strong>und</strong> Teubner, Epsilon, Ravensburger Verlag,<br />

Experienze oder The Wild Side. Diese setzen vor allem auf<br />

Nischengebiete, allen voran Erotik, <strong>und</strong> deutsche Mangaka.<br />

Besonders interessant ist der Okawa Verlag, der, wie<br />

Susanne Phillipps 59 ausführlich beschreibt, aus dem Bestre-<br />

ben von Charlotte Olderdissen, den klassischen Manga<br />

Genji Monogatari Asakiyumemishi 60 zu übersetzen, schon<br />

1992 gegründet wurde. Durch ihren Tod fand nicht nur die<br />

unvollendete Übertragung, sondern auch der Verlag sein<br />

jähes Ende.<br />

Ein weiteres Phänomen sind renommierte Verlage, die nur<br />

einen Titel aus dem Mangagenre publizierten, wie Rowohts<br />

Barfuß durch Hiroshima 61 <strong>und</strong> Eichborns Die Abenteuer von<br />

59 Phillipps, Susanne: Manga <strong>für</strong> ein deutschsprachiges Publikum.<br />

60 Waki, Yamoto: Genji Monogatari Asakiyumemishi. [aus dem Japanischen: K. Sato / H.<br />

Hahn] Böblingen: Okawa Verlag, 1992.<br />

61 Nakazawa, Kejii: hadashi no Gen. (Barfuß durch Hiroshima. Teil 1.) [aus dem Englischen<br />

<strong>und</strong> Japanischen: H. Kirchmann / K. Yasui)] Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1982.<br />

31


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Johnny Bunko, ein Business-Manga-Ratgeber.<br />

3.1.3 Marktpositionierung<br />

Wie bei der Segmentierung des Mangasortiments (Kapitel<br />

3.2) bereits erwähnt, erleichtern klare Programmschienen<br />

die Orientierung der Leser/innen, aber auch die Verlage<br />

können durch eine eindeutige Positionierung profitieren,<br />

da sie so ein kalkulierbares Stammpublikum halten <strong>und</strong> von<br />

Neuk<strong>und</strong>en besser gef<strong>und</strong>en werden können. Pierre Bourdieus<br />

soziologische Theorie <strong>und</strong> Terminologie auf den deutschen<br />

Mangamarkt anwendend, skizziere ich nun die Positionie-<br />

rungen der Verlage, basierend auf seinem Gr<strong>und</strong>satz:<br />

Die Akteure streben nach den bestmöglichen Positionen<br />

auf dem Feld. Zu diesem Zweck setzen sie alles ein, worüber<br />

sie verfügen <strong>und</strong> was auf dem Feld zählt. Das Gewicht eines<br />

Akteurs auf dem Feld, das sich durch sein Kapital bestimmt,<br />

bezeichnet Bourdieu als soziale Position. 62<br />

Die Akteure des Mangafeldes sind hier die Verlage, die<br />

jeweils über eine bestimmte Menge an ökonomischem,<br />

sozialem, kulturellem <strong>und</strong> symbolischem Kapital verfügen<br />

<strong>und</strong> versuchen, sich Vorteile gegenüber den anderen zu<br />

verschaffen. So verfügen Konzernverlage wie Carlsen, EMA,<br />

Tokyopop <strong>und</strong> Heyne über mehr ökonomisches Kapital <strong>und</strong><br />

haben Vorteile durch höhere Auflagen, großflächige Distri-<br />

bution <strong>und</strong> Marketingstrategien, bessere Konditionen im<br />

Buchhandel <strong>und</strong> auf dem Lizenzmarkt, <strong>und</strong> die Möglichkeit,<br />

weniger lukrative Serien fortzusetzen. Letzteres scheinen nur<br />

wenige wahrzunehmen, was zu vielen nicht abgeschlossenen<br />

62 Rehbein, Boike: Die Soziologie des Pierre Boudieu. Konstanz: UVK, 2006. S. 107.<br />

32


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Serien führt, wodurch sich gewinnorientierte von k<strong>und</strong>eno-<br />

rientierten Unternehmen unterscheiden. Diese Kontinuität<br />

würde jedoch zum Erwerb der nächsten Kapitalart führen,<br />

denn das Vertrauen des K<strong>und</strong>en stärkt die Bindung zum<br />

Verlag. Soziales Kapital kann auch durch Beziehungen im<br />

Mangafeld, beziehungsweise im Comicfeld, gesteigert werden.<br />

Auch wenn diese nicht in Zahlen empirisch nachgewiesen<br />

werden können, stelle ich die These auf, dass langjährige<br />

Comicverlage mehr soziale Kontakte als Genre-fremde oder<br />

junge Kleinverlage akkumulieren konnten. Eine Ausnahme ist<br />

jedoch Tokyopop, da seine Gründer <strong>und</strong> Mitarbeiter aus dem<br />

renommierten Carlsen Comic Verlag stammen. Außerdem<br />

können Teilnahme an oder Organisation von Veranstaltungen<br />

oder Kommunikationsplattformen <strong>und</strong> aktive Pressearbeit<br />

die Nähe zur Leserschaft <strong>und</strong> zu Institutionen stärken. Das<br />

kulturelle Kapital kann nur schwer gefasst werden, denn es<br />

„existiert inkorporiert (als Bildung, Fähigkeiten), objektiviert<br />

(als Kunstgegenstände, Bücher, Instrumente) <strong>und</strong> instituti-<br />

onalisiert (vor allem als Bildungstitel)“. 63 Die objektivierte<br />

Form ist meiner Ansicht das einzige von Außen beurteilbare,<br />

da sie sich im Programm realisiert <strong>und</strong> auch eine kulturelle<br />

Auswirkung auf die Gesellschaft <strong>und</strong> Rückschlüsse auf<br />

das symbolische Kapital zeigt. Die Übersetzung von Genji<br />

Monogatari Asakiyumemish 64 brachte dem Okawa Verlag<br />

bestimmt kaum ökonomisches oder soziales Kapital, doch<br />

Anerkennung <strong>und</strong> kulturelle Bereicherung: „Das was bei<br />

Kleinverlegern zählt, sind oft Achtungserfolge.“ 65<br />

63 Rehbein, Boike: Die Sozielogie des Pierre Boudieu. S. 117.<br />

64 Waki, Yamoto: Genji Monogatari Asakiyumemishi.<br />

65 Kemter, Frank: Küchentisch-Verlegerei: Ein Fall von Selbstausbeutung. http://www.<br />

xomic.de/webneu/kreativ/kuechentisch.html. Stand: 31. 1. 2010.<br />

33


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Doch auch bei größeren Verlagen kann kulturelles Kapital<br />

relevant sein. So gleichen <strong>für</strong> Carlsen hochwertige Titel wie<br />

die Klassiker von Osamu Tezuka oder die Neuauflage von<br />

Keiji Nakazawas Barfuß durch Hiroshima triviale Bestseller-<br />

Erfolge aus.<br />

Das symbolische Kapital kann aus dem sozialen <strong>und</strong><br />

kulturellen entstehen, da eine breite Wahrnehmung <strong>und</strong><br />

kulturell-wertvolle Produktion die Voraussetzung <strong>für</strong> Aner-<br />

kennung sind. Zusätzlich kann es durch qualitativ hochwer-<br />

tige Übersetzungen, Engagement <strong>für</strong> Nachwuchstalente,<br />

Auszeichnungen oder Veröffentlichung wissenschaftlicher<br />

Sek<strong>und</strong>ärtexte akkumuliert werden.<br />

Zusammenfassend lassen sich im Mangafeld die Verlage<br />

oberflächlich nach den Kapitalbesitzen verorten: Carlsen<br />

sammelte in allen Bereichen Kapital, wodurch sich seine<br />

starke, langjährige Dominanz erklären lassen würde. EMA<br />

<strong>und</strong> Tokyopop können auf ökonomisches <strong>und</strong> soziales Kapital<br />

zurückgreifen, wobei das kulturelle <strong>und</strong> symbolische schwä-<br />

cher ausgeprägt ist. Panini <strong>und</strong> Heyne verfügen nur über<br />

ökonomische Erfolge, während die Kleinverlage meist nur<br />

auf kulturelles Kapital setzen oder Nischenmärkte schaffen<br />

können.<br />

34


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

3.2 Genreunterteilung <strong>und</strong> Zielgruppen<br />

Auch wenn in Japan Manga unüberschaubar vielseitig wur-<br />

den <strong>und</strong> jedes Alter, Interesse <strong>und</strong> Thema ansprechen, hat<br />

sich eine Unterteilung etabliert: 66 Die den vier Altersgruppen<br />

(Kinder, Jugend, Erwachsene, Senioren) zugeteilten Seg-<br />

mente sind weiter nach Geschlecht getrennt. Ein weiterer<br />

besonders <strong>für</strong> den Buchhandel relevanter Schritt war die<br />

Differenzierung von jugendfreien <strong>und</strong> Erwachsenenmanga,<br />

die auf simple Weise gelöst wurde:<br />

There are two standard sizes, one for the youth market and<br />

the other for the adult market. [...] Thus the average book-<br />

shop browser can tell the maturity level of a standard comic<br />

art paperback at a glance by its size. 67<br />

In Deutschland existiert noch keine Strukturierung des<br />

Segmentes, besonders im Buchhandel, woraus eine Orien-<br />

tierungslosigkeit des/r K<strong>und</strong>ens/in resultiert. Doch Joachim<br />

Kaps gibt auch zu bedenken:<br />

Aber die Ausdifferenzierung der Programme birgt eben auch<br />

Risiken, die bedacht sein müssen, wenn der Prozess erfolg-<br />

reich sein soll. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir quasi<br />

im Zeitraffer Entwicklungen nachzubilden versuchen, die in<br />

66 Japanese manga can be divided into the following categories depending on the age<br />

of the audience targeted by the magazines in which they appear: The first category<br />

includes children’s magazines (yonenshi), teen magazines (shonenshi), and “young”<br />

magazines (yangushi, also known as seinenshi) which attract readers from their late<br />

teens to their late twenties. The second group includes adult magazines (known as<br />

seinenshi, where seinen refers to adults rather than young people, or otonashi) which<br />

are intended for a more mature audience with no upper age limit. Manga catering<br />

mainly to women are further divided by age into young-girls manga (shojoshi) and<br />

“Ladies” comics (known according to the Japanese pronunciation of the English<br />

“ladies” or “redizu.” )[Tchiei, Go: A History of Manga.]<br />

67 Patten, Fred: Mangamania! In: The Comics Journal. [94] 1984. Zitiert aus: Watching<br />

Anime and Reading Manga. 25 Years of Essays and Reviews. Berkley: Stone Bridge<br />

Press. 2004. S. 239.<br />

35


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Japan über Jahrzehnte hinweg gewachsen sind <strong>und</strong> zudem<br />

von dem mächtigen Werkzeug auflagenstarker Magazine<br />

kommunikativ begleitet wurden. An dieser Kommunikation<br />

scheint mir in Europa <strong>und</strong> auch in den USA derzeit noch<br />

starker Nachholbedarf zu herrschen. 68<br />

Eine Möglichkeit wäre auf westliche <strong>Literatur</strong>gattungen<br />

zurückzugreifen, die bereits tradiert <strong>und</strong> leicht fassbar <strong>für</strong><br />

das Publikum wären. Die Sek<strong>und</strong>ärliteratur versuchte dies<br />

mit Kategorien wie Kinderliteratur, Science Fiction oder<br />

Romanzen. Doch fallen viele Zwischenformen wie auch der<br />

große Bereich der Mädchenmanga weder in das eine noch<br />

in das andere Genre, da die japanischen Originale diesem<br />

System nicht folgen. Die japanische Einteilung würde sich<br />

besonders <strong>für</strong> Importe eignen, doch wäre es zeitaufwändig<br />

diese zu kommunizieren <strong>und</strong> wahrscheinlich wenig sinnvoll,<br />

da hier nicht die gleichen Genres (zum Beispiel fehlen Kin-<br />

der- <strong>und</strong> Seniorenmanga) wie in Japan publiziert werden.<br />

Die Fächerung basiert mehr auf thematischer Ebene,<br />

wodurch neue Genres abgegrenzt <strong>und</strong> benannt werden<br />

müssten. Das Fehlen der Magazine als Markierungen kann<br />

durch die Verlage als Marken, wie im vorhergehenden Kapitel<br />

besprochen, oder/<strong>und</strong> den Buchhandel durch Segmentie-<br />

rung seines Sortiments kompensiert werden.<br />

Wie auch anfangs in Japan sprach der Manga zuerst<br />

Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren an. „In dieser<br />

Altersklasse dient der Manga als Distinktionsmedium, als<br />

Ausdrucksform einer neuen Jugendkultur.“ 69 Dies ist bemer-<br />

kenswert, da die Elterngeneration bereits mit Comics auf-<br />

gewachsen war <strong>und</strong> somit verständnisvoll sein sollte. Doch<br />

werden die japanischen Bildergeschichten als Gegenpol zur<br />

68 Kaps, Joachim: Moderne Mangamythen. S. 8 - 9.<br />

69 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 153.<br />

36


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

amerikanischen Gegenkultur <strong>und</strong> klar differenziert von der<br />

westlichen Comickultur rezipiert, was durch eine ...<br />

... Umfrage des Online-Meinungsportals Sozioland unter-<br />

strichen wurde: Während nur noch die über 30-Jährigen<br />

„Asterix“, „Donald Duck” <strong>und</strong> „Superman” den Vorzug vor<br />

asiatischen Comics geben, drückten hier mehr als 70 % der<br />

19-24-Jährigen <strong>und</strong> sogar über 80 % der 14-19-Jährigen ihre<br />

Präferenz <strong>für</strong> Manga aus. 70<br />

Bliebe der Manga jedoch nur Mittel zur Distinktion einer<br />

Generation, wie es der amerikanische Comic zuvor war, wäre<br />

sein Ende mit dem Aufkommen einer neuen Generation<br />

bestimmt, so wie er zuvor den westlichen Comic verdrängt<br />

hat. So müsse auch in Deutschland der Manga ständig den<br />

Reiz der Abgrenzung bieten oder/<strong>und</strong> mit der jetzigen<br />

Generation mitwachsen.<br />

Dass die Zielgruppe der Verlage anfangs Jugendliche<br />

waren, resultiert auch aus der westlichen Comictradition;<br />

nach dieser „haftet dem Comic hartnäckig der Ruf an, ein<br />

Medium <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche zu sein“ 71 . Die Verlage<br />

fokussierten sich auf ihre bisherige Zielgruppe: jung <strong>und</strong><br />

männlich. Doch kam zum männlich orientierten Manga der<br />

stärker werdende Sektor der Mädchenmanga shôjo Manga<br />

hinzu.<br />

Das größte Potenzial, das Manga <strong>für</strong> den Comic-Markt<br />

mit sich bringen, ist die Erschließung einer völlig neuen Ziel-<br />

gruppe. Die Manga-LeserInnen sind in erster Linie Mädchen<br />

bis 15 Jahre, eine Zielgruppe, die dem Comic-Markt bisher<br />

70 Kaps, Joachim: Moderne Mangamythen. S. 2.<br />

71 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 49.<br />

37


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

nahezu völlig verschlossen geblieben ist. 72<br />

Ein weiterer Gr<strong>und</strong> liege bei den Rezipientinnen selbst,<br />

die offen <strong>für</strong> japanisches Gedankengut <strong>und</strong> Popkultur seien,<br />

wie Kinsella in ihrem Aufsatz über die subtile, aber effiziente<br />

Japanisierung einer Generation (besonders dessen weib-<br />

lichem Anteil) beschreibt. 73 Diese Entwicklung diente dem<br />

Manga als exzellente Vorarbeit, welche die Akzeptanz des<br />

fremden Mediums (Kapitel 4.5) unterstützte.<br />

Dies wirkt sich heute auf alle Bereiche des Mangamarktes<br />

aus: Daiski, ein shôjo-Magazin von Carlsen ist eines der weni-<br />

gen erfolgreichen Mangamagazine. Auch ein Großteil der<br />

Mangaka (Judith Park, Melanie Schober, Freya Hutter etc.)<br />

<strong>und</strong> mindestens die Hälfte der Leser/innen ist weiblich 74 .<br />

Wenn man dem Trend in Japan zur digitalen Publikation<br />

folgen würde, wären auch auf diesem zukünftigen Markt die<br />

Frauen in der Überzahl:<br />

72 Ebd. S. 53.<br />

So sind beispielsweise inzwischen 60 Prozent der K<strong>und</strong>en<br />

von NTT Solmare, einem der größten Content Provider<br />

Japans, Frauen. Einerseits scheint dieses Phänomen darauf<br />

zurückzuführen zu sein, dass aufgr<strong>und</strong> entsprechender<br />

Nachfrage mehr Frauen-orientierte Titel in das Programm mit<br />

aufgenommen worden sind. Daneben ist der Boom insgesamt<br />

wohl aber auch damit zu erklären, dass der weitestgehend<br />

anonyme Konsum es den Usern auch ermöglicht, gewagte<br />

Titel zu lesen, ohne dabei in der Öffentlichkeit -- wie bei-<br />

spielsweise beim Kauf in einem Mangashop -- ertappt zu<br />

werden. 75<br />

73 In fact, these images represent only the visible tip of a far more extensive and<br />

uncontrolled transfer of ideas, politics and culture from the East to the West. The<br />

themes <strong>und</strong>erpinning Japanese youth culture in the 1970s and 1980s have become<br />

meaningful and relevant to European and American youth in the 1990s. A prediction<br />

made by the French Hegelian philosopher, Alexander KojËve in 1959, that “the<br />

interraction of the West and Japan will result not in a vulgarisation of Japan but rather<br />

in a Japanization of the West,” is being born out. [Kinsella, Shanon: Japanization of<br />

European Youth.]<br />

74 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 60.<br />

75 Koesch, Sascha, Magdanz, Fee <strong>und</strong> Stadler, Robert: Mobile Mangas. Das bessere<br />

38


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

3.3 Autorenakquise <strong>und</strong> Motivation<br />

Wie bereits erwähnt versuchen Verlage ihren Mangaka-<br />

nachwuchs aus der aktiven Subkultur zu gewinnen, da<br />

diese dem Zielgruppenprofil entsprechen <strong>und</strong> durch ihren<br />

Einsteigerstatus zu niedrigeren Kosten zukünftiges Poten-<br />

tial liefern. Über Wettbewerbe versucht man in Japan wie<br />

in Deutschland 76 neue Talente zu fördern <strong>und</strong> anzuwerben.<br />

Im Vergleich zu den Importmanga liegen die ökonomischen<br />

Vorteile 77 bei den einheimischen Künstler/innen, auch wenn<br />

sie von der breiten Masse noch nicht genauso stark ange-<br />

nommen werden.<br />

Doch sind die Manga einheimischer Talente nur ein kleiner<br />

Anteil an der breiten Masse <strong>und</strong> vor allem bei Kleinstverlagen<br />

zu finden, bei denen oft wie zum Beispiel bei der Butter &<br />

Cream Verlagsgesellschaft Ltd Autoren <strong>und</strong> Verleger ident<br />

sind. Bei Lizenzkäufen war besonders am Anfang eine starke<br />

Orientierung am amerikanischen Markt erkennbar:<br />

E-Book.<br />

Einige Verleger, wie beispielsweise Rossi Schreiber vom<br />

Verlag Schreiber <strong>und</strong> Leser bedauern, daß es sich bei den<br />

Manga, die ihr Verlag veröffentlicht, um “Zufallsprodukte”<br />

handle: Vorbereitungen zur Veröffentlichung eines Manga<br />

76 „Connichi, die in Zusammenarbeit mit EMA veranstaltet werden <strong>und</strong> die der Leipziger<br />

Buchmesse, bei denen der Carlsen Verlag die Schirmherrschaft übernimmt. Die besten<br />

Beiträge werden im Shinkan Special (EMA) <strong>und</strong> dem Manga Talente Buch (Carlsen)<br />

veröffentlicht. Mit immer anspruchsvolleren Teilnahmebedingungen sorgen die Verlage<br />

<strong>für</strong> Einsendungen mit qualitativ hohem Niveau <strong>und</strong> müssen aus über 400 Beiträgen die<br />

Besten wählen.” [Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 89.] Tokyopop bietet mit dem<br />

Sammelband Manga Fieber ebenfalls eine Plattform <strong>für</strong> den Nachwuchs.<br />

77 Keine Lizenz- <strong>und</strong> Übersetzungskosten sind genauso reizvoll wie mögliche<br />

Lizenzvergaben, wie das Beispiel Christina Plaka beweist: „Mit ihren Werken ‘Plastic<br />

Chew’ (früherer Titel: ‘Prussian Blue’; erschienen bei Carlsen, demnächst bei Tokyopop)<br />

<strong>und</strong> ‘Yonen Buzz’ (erschienen bei Tokyopop) erobert sie nach den deutschen Lesern<br />

nun auch die französischen <strong>und</strong> amerikanischen Begeisterten.“ [Knümann, Bastian:<br />

Deutsche Mangabranche boomt weiterhin.]<br />

39


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

bestehen nicht darin, den japanischen Markt nach Serien zu<br />

durchforsten, die Chancen haben könnten, beim deutschen<br />

Publikum gut angenommen zu werden. Statt dessen wird aus<br />

finanziellen Gründen auf Manga zurückgegriffen, die schon in<br />

englischer oder französischer Übersetzung erschienen sind:<br />

Zum einen können sich die kleineren Verlage keine Mitarbei-<br />

ter leisten, die ausreichend Japanischkenntnisse aufweisen<br />

um in Japan recherchieren zu können, außerdem müssen die<br />

Kosten <strong>für</strong> den hohen technischen Aufwand, den die Spiege-<br />

lung mit sich bringt, vermieden werden. Die Verkaufszahlen<br />

der englischen Übertragung dienen außerdem als Trend<br />

<strong>für</strong> den deutschen Markt: Mit dem Angebot von in den USA<br />

erfolgreich verkauften Manga versuchen die Verlage das<br />

Risiko zu umgehen, sich bei der Übertragung <strong>für</strong> ein Manga<br />

entschieden zu haben, das sich in Deutschland als Ladenhüter<br />

entpuppt. 78<br />

Für Übersetzungen <strong>und</strong> Autorenakquise gibt es drei Haupt-<br />

motive, die meist ineinander fließen <strong>und</strong> gleichzeitig das<br />

Verlagsfeld bestimmen: ökonomische, kulturelle <strong>und</strong> persön-<br />

liche. In Japan dominieren bei den drei Riesen ökonomische<br />

Motivationen, die direkt von den Leser/innen bestimmt<br />

werden:<br />

Die herausgeberischen Planungen von Handlung, Charakte-<br />

ren <strong>und</strong> Themen werden zumeist nicht von den Manga-Zeich-<br />

nern, sondern von den Vertretern der Verlage, die wiederum<br />

auf höchst möglichen Absatz zielen, bestimmt. Die Verleger/<br />

Herausgeber orientieren sich stark an Leserprofilen. 79<br />

In Deutschland sind ebenfalls die ökonomischen Faktoren<br />

zentral, doch werden die Leser/innenbedürfnisse nur indirekt<br />

über Verkaufszahlen eruiert. Dadurch entgeht den Verlagen<br />

78 Phillipps, Susanne: Manga <strong>für</strong> ein deutschsprachiges Publikum. S. 199.<br />

79 Dobmeier, Astrid: Japan-Pop. S. 70.<br />

40


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

nicht nur die intensivere Zielgruppenbestimmung, sondern<br />

auch die starke Identifikation von japanischen Leser/innen.<br />

Nachdem sich das Potential des Manga herausstellte, folgten<br />

viele deutsche Verlage, um sich an diesem zu beteiligen. So<br />

begann zum Beispiel Heyne, ein Genre-fremder Verlag, am<br />

Höhepunkt des steigenden Marktes zu günstigen Konditionen<br />

(Kapitel 4.3) Umsatz versprechende Serien zu verlegen. Nun,<br />

da sich der Markt stabilisiert, die Hauptzielgruppe älter <strong>und</strong><br />

anspruchsvoller geworden ist, zieht er sich zurück.<br />

Zweite Motivation ist ein gewisser kultureller Auftrag, der<br />

sich vor allem bei Einzelprojekten wie den Übersetzungen<br />

hadashi no gen von Rowohlt oder Olderdissens Genji Mono-<br />

gatari Asakiyumemishi zeigt. Dass symbolisches Kapital<br />

auch mit Manga gewonnen werden kann, ist besonders auf<br />

dem deutschen Mark neu, der von Vorurteilen gegenüber<br />

dem Medium Comic geprägt ist. In Japan finden sich jedoch<br />

Manga in allen kulturellen Instanzen, von einer universitären<br />

Studienrichtung über Mangamuseen bis hin zur breitgefäch-<br />

erten Kunstmangaproduktion 80 .<br />

Die individuellen Bestrebungen finden sich vor allem<br />

auf der Autorenseite, die oft Selbstverlage oder eigene Pro-<br />

duktionsstudios gründen, wie es die Mangalegende Tezuka<br />

Osamu vorzeigte. Einheimische Autor/innen motivieren sich<br />

aus ihrem Hobby heraus <strong>und</strong> arbeiten eigenständig, werden<br />

nur über Selektion <strong>und</strong> Präferenzen des Verlages beeinflusst.<br />

Besonders auffällig in Deutschland ist auch das Engagement<br />

der Übersetzer (Näheres Kapitel 4.4).<br />

80 Weiteres in Gravett, Paul: Manga.<br />

41


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

3.4 Programm <strong>und</strong> Publikation<br />

Abb. 3.1: Vorschauauswertung der deutschen<br />

Mangapublikationen<br />

Meine Vorschauauswertung (Abb. 3.1) aus den Jahren 2009<br />

<strong>und</strong> 2008 ergab eine Reihung der kontinuierlich publizie-<br />

renden Verlage nach Titelproduktion mit Carlsen (489)<br />

an der Spitze, dicht gefolgt von Tokyopop (476) <strong>und</strong> EMA<br />

(356), mit Planet Manga (77) <strong>und</strong> Heyne (31) im Mittelfeld,<br />

<strong>und</strong> Schwarzer Turm (11) <strong>und</strong> Schreiber & Leser (7) als<br />

Schlusslichter. Während sich bei EMA die Produktion 2009<br />

gegenüber dem Vorjahr steigerte, sind bei den anderen<br />

Verlagen rückläufige Zahlen zu verzeichnen.<br />

Deutschsprachige Mangaka erscheinen bei Carlsen, EMA,<br />

Tokyopop <strong>und</strong> den Kleinstverlagen, während Panini auch<br />

42


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

einen großen Anteil an Manhwa <strong>und</strong> Heyne nur japanische<br />

Autor/innen veröffentlicht. Die kleinen Verlage konzentrie-<br />

ren sich entweder auf ein Nischengenre, wie Schreiber &<br />

Leser auf Erwachsenenmanga, oder auf deutschsprachige<br />

Mangaka, wie Fireangels.<br />

In allen Verlagsgrößen finden sich unvollendete Serien,<br />

deren Einstellung meist mit geringen Verkaufszahlen 81 begrün-<br />

det wird.<br />

4. Übersetzung <strong>und</strong> Export<br />

Jüngst fasst die Übersetzungssituation von japanischen<br />

Manga ins Deutsche <strong>und</strong> deren Probleme treffend zusammen:<br />

Translating manga [...] in [...] German, involves even more<br />

complex translation decisions than translating comics<br />

from one European language into another. These decisions<br />

concern words as well as pictures. Manga are written back<br />

to front; the text in the speech balloons must be read top to<br />

bottom (in a vertical direction) and right to left. In contrast<br />

to European or American comics, manga are black and white.<br />

Over the years, certain translation standards have developed<br />

for translating manga into German. Many of these standards<br />

have more to do with the demands of fan groups or with<br />

publishers' decisions than they do with translators' decisions.<br />

They influence the style of the translations and shape trans-<br />

lation standards. Twenty years ago, manga were 'Europeani-<br />

sed' in translation. Today, feigned authenticity corresponds to<br />

the expectations of the readers. 82<br />

81 Zum Beispiel: Thomine: Forumbeiträge zu Gantz. http://www.paninicomics.de/forum/<br />

index.php?page= ThreadthreadID=Stand: 17. 02. 2010.<br />

82 Jüngst, Heike: Manga in Germany - From Translation To Simulacrum. S. 83.<br />

43


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Dies wurde durch die Japanophilie, die kritische Haltung<br />

der Leser/innen gegenüber freier Übersetzung 83 <strong>und</strong> die<br />

Reduktion der Übertragungskosten auf der Seite der Ver-<br />

lage erreicht. Abgesehen von originaler Leserichtung <strong>und</strong><br />

Colorierung verwenden Übersetzer erläuternde Fußnoten 84<br />

statt der Verwestlichung fremder Eigenheiten (Namen,<br />

Floskeln, etc.).<br />

Generell lassen sich die Übersetzungen je nach Exaktheit<br />

der Übertragung einordnen, wobei die Menge der übertra-<br />

genen Punkte den Grad der Verfremdung bestimmen:<br />

Text<br />

Bild<br />

Gesamter Text<br />

Redewendungen<br />

Namen<br />

Onomatopoetika<br />

Mise en scéne<br />

Colorierung<br />

Leserichtung<br />

Zensur<br />

4.1 Sprachen<br />

Es lassen sich zwei sprachliche Translationsbewegungen<br />

unterscheiden. Die erste ist die direkte vom Japanischen<br />

ins Deutsche, <strong>und</strong> die zweite ist die vermittelte vom Japa-<br />

nischen über eine westliche Sprache ins Deutsche. Die direkte<br />

83 [M]anga readers are very critical about the translations. [Ebd. S. 85]<br />

84 As will be shown later, footnotes have become rather common in manga translations<br />

today, a feature that sets them apart from other comics translations. [Ebd. S. 88.]<br />

44


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Übertragung ist heute die gängigste <strong>und</strong> hat sich mit der<br />

treuen Übersetzungshaltung entwickelt. Bemerkenswert ist,<br />

dass populäre Serien wie Akira 85 , die anfangs nicht aus dem<br />

Japanischen übersetzt wurden, nun in treuer Übersetzung<br />

neuaufgelegt werden. Die medialen Sprachen waren meist<br />

dominante Sprachen, 86 allen voran Englisch. Damit waren<br />

die Manga bereits <strong>für</strong> den westlichen Markt adaptiert, <strong>und</strong><br />

man konnte durch die große Auswahl an Übersetzern die<br />

Kosten regulieren. Seltener waren mediale Übersetzungen<br />

aus semidominanten Sprachen wie aus dem Französischen,<br />

zum Beispiel bei der Serie von Kosuke Fujishima 87 . Die Vorteile<br />

sind ähnlich wie bei einer zentralen Sprache. Ein besonderes<br />

Ausnahmebeispiel bietet die Übersetzung des ersten Manga<br />

am deutschen Markt. Denn Rowohlts Ausgabe von hadashi<br />

no gen 88 war eine Übersetzung aus dem Japanischen <strong>und</strong><br />

Englischen, wodurch die Spiegelung der Panels übernommen<br />

<strong>und</strong> der Text noch einmal überarbeitet werden konnte. So<br />

wurden die Übersetzungskosten niedrig gehalten, ohne an<br />

qualitativen Anspruch zu verlieren.<br />

85 Otomo, Katsuhiro: Akira. [19] Hamburg: Carlsen, 1991 - 2000. / Otomo, Katsuhiro: Akira.<br />

[aus dem Japanischen: J. Seebeck / J. Iwamoto] Hamburg: Carlsen, 2000 - 2001.<br />

86 Zu unterscheiden ist insbesondere zwischen dominanten oder zentralen Sprachen,<br />

aus denen viel übersetzt wird, die sich aber ihrerseits gegen den ”Import” auf dem<br />

Weg von Übersetzungen abschotten -- allen voran das Englische --, <strong>und</strong> dominierten<br />

oder peripheren Sprachräumen, aus denen wenig übersetzt wird, die aber selbst<br />

offen <strong>für</strong> Übersetzungen sind. [Bachleitner, Norbert <strong>und</strong> Wolf, Michaela: Auf dem Weg<br />

zu einer Soziologie der literarischen Übersetzung im deutschsprachigen Raum. In:<br />

Internationales Archiv <strong>für</strong> Sozialgeschichte der deutschen <strong>Literatur</strong> [29.2]. Wien: Max<br />

Niemeyer Verlag, 2004. S. 2.]<br />

87 Fujishima, Kosuke: aa! megami-sama. (Oh! My Goddess.) [aus dem Französischen: F.<br />

Walter] Stuttgart: Egmont-Ehapa-Verlag, 1999-2003.<br />

88 Nakazawa, Kejii: hadashi no Gen. (Barfuß durch Hiroshima. Teil 1.) [aus dem Englischen<br />

<strong>und</strong> Japanischen: H. Kirchmann / K. Yasui)] Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1982.<br />

45


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

4.2 Amerika als Vermittler<br />

Durch den ökonomischen Vorteil der Übersetzungen aus<br />

dem Englischen bekamen die USA eine besondere Position<br />

zwischen dem japanischen <strong>und</strong> dem deutschen Markt. Sie<br />

lieferten nicht nur die Übersetzungen, sondern wurden<br />

zum Vermittler von Lizenzen, Trends <strong>und</strong> Marketingstrate-<br />

gien. Die deutschen Verleger orientieren sich an in Amerika<br />

publizierten Manga, wodurch sie mit geringerem Risiko<br />

selektieren können. Aus der anderen Perspektive dominieren<br />

amerikanische Konzerne über ihre Tochterunternehmen, wie<br />

Tokyopop 89 oder Heyne, oder Lizenzverträge von englischen<br />

Übersetzungen den deutschen Markt.<br />

Der amerikanische Markt, wie ihn Roland Kelts, 90 Antonia<br />

Levi 91 oder Kinsella 92 darstellen, weist etliche Parallelen in<br />

Übersetzungsweise <strong>und</strong> -entwicklung, Publikationsformen,<br />

Vermarktung, Dominanz der ökonomisch starken Comic-<br />

verlage, Lizenzhandel <strong>und</strong> Divergenz, beziehungsweise<br />

Interpendenzen zwischen Subkultur <strong>und</strong> Mainstream zum<br />

deutschen Mangamarkt auf. Doch durch die “Pionierstellung”<br />

am westlichen Markt ergeben sich auch exklusive Privilegien,<br />

die vor allem durch die lange <strong>und</strong> intensive Zusammenarbeit<br />

der Konzerne entstanden:<br />

89 In 2004, Tokyopop set up a branch office in Hamburg to make a full entry to the<br />

German-language market. In 2005, the company and VIZ Media announced a<br />

partnership in the German market. [Jetro: Industrial Reports.]<br />

90 Kelts, Roland: Japanamerica. How Japanese Pop Culture Has Invaded the U.S. New<br />

York: Palgrave Macmillan, 2007.<br />

91 Levi, Antonia: Cinema Anime: Critical Engagements with Japanese Animation. In: The<br />

Americatization of Anime and Manga: Negotiating Popular Culture. New York: Palgrave<br />

Macmillan, 2006. S. 43 - 63.<br />

92 Kinsella, Shanon: Adult Manga.<br />

46


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Shôgakukan and Shueisha have traditionally licensed<br />

out Japanese comic books and marketed them in 20-30<br />

countries. In the United States, Shôgakukan and Shueisha<br />

jointly set up VIZ LLC in San Francisco in 2000 to publish<br />

an English version of the popular comic monthly Shonen<br />

Jump, marking the first overseas release of a Japanese<br />

comic periodical. In response to growing female readership,<br />

the company also launched an English-language comic<br />

monthly for girls, Shôjo Beat, in 2005. In January 2005, VIZ<br />

and Shôgakukan Production Entertainment (capitalized by<br />

Shôgakukan and Shôgakukan Production) launched VIZ<br />

Media to market Japanese comics and animation in North<br />

America. Another firm, Los Angeles-based Tokyopop,<br />

publishes over 80 titles. 93<br />

4.3 Lizenzhandel<br />

Abgesehen von den regulären Konditionen <strong>und</strong> dem Handel<br />

am Lizenzmarkt haben sich am Mangamarkt besondere<br />

Tendenzen ergeben: Zum Einen gibt es die exklusiven oder<br />

internen Lizenzabkommen, zum Anderen ein Bündel an Ein-<br />

zellizenzen. Ersteres paradigmatisieren Kodansha--Random<br />

House--Heyne oder Shueisha--Viz--Tokyopop. So arbeitet<br />

Kodansha seit 2003 mit Random House zusammen, was<br />

sich in den exklusiven Lizenzproduktionen von Heyne nie-<br />

derschlägt, denn alle bisher erschienen Manga sind aus dem<br />

Hause Kodansha. Ob Komplikationen der Lizenzverträge<br />

auch <strong>für</strong> das Ende von Heyne Manga verantwortlich sind, ist<br />

nicht belegbar. Klar ist jedoch, dass die Diskontinuität der<br />

Erscheinungstermine <strong>und</strong> der Abbruch vieler Serien trotz<br />

finanzieller Stabilität nicht <strong>für</strong> exklusive Lizenzabkommen<br />

sprechen. Obwohl die deutsche Niederlassung Tokyopops in<br />

93 Jetro: Industrial Reports.<br />

47


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

einem ähnlichen Verhältnis zum japanisch-amerikanischen<br />

Mutterkonzern Tokyopop k.k., VIZ <strong>und</strong> Shueisha steht, weist<br />

deren Programm keine Homogenität auf.<br />

Die zweite Lizenztendenz findet sich in allen weiteren<br />

Unternehmen:<br />

Die Rechte werden bei längeren Serien nicht <strong>für</strong> die ganze<br />

Reihe gekauft, sondern lieber erst <strong>für</strong> 5 oder 10 Bände, damit<br />

der Verlag nicht umsonst Rechte bezahlt <strong>für</strong> Bände, die er<br />

mangels Erfolg der Serie nicht rausbringen wird. 94<br />

Doch auch diese Einzellizenzen bergen Nachteile, die sich in<br />

unvollendeten Serien oder langen Wartezeiten auswirken.<br />

4.4 Übersetzer<br />

Der Beginn der westlichen Mangaübersetzung liegt abgese-<br />

hen von einzelnen Verlagsprojekten in der amerikanischen<br />

Subkultur von unprofessionellen “Fansubs”:<br />

Early fans of anime either learned to speak Japanese or<br />

watched Japanese videotapes with an English script clutched<br />

in one hand. Later, fansubs -- illegally subtitled and copied<br />

Japanese videotapes created and distributed by fans --<br />

appeared. 95<br />

Als die Wirtschaft dieses Engagement <strong>und</strong> die Marktlücke<br />

entdeckte, reagierte sie schnell, begann zu übersetzen <strong>und</strong><br />

verurteilte diese privaten Übersetzungen. Ebenso gegen<br />

94 Schmidt, Christian: Doujinshi - Die Fan-Mangas.<br />

95 Levi, Antonia: Cinema Anime: Critical Engagements with Japanese Animation. S. 46.<br />

48


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

diese Übersetzungsströmung argumentiert die Translati-<br />

onswissenschaft unter dem Schutz des Urheberrechtes:<br />

While the sector may possibly have benefited from a wider<br />

distribution by turning a blind eye to certain fan activities<br />

(Leonard 2005), with a matured and ready market, the pro-<br />

tection of the original artists' rights, especially in new digital<br />

media contexts, is considered to be an urgent and important<br />

long-term goal to further promote the development of these<br />

areas of creative expression. 96<br />

In letzter Zeit stabilisierte sich der Übersetzungsmarkt zu<br />

Gunsten der Verlage, <strong>und</strong> auch am deutschen Markt ragen<br />

Übersetzer als interkulturelle Vermittlerpersönlichkeiten<br />

heraus, wie der Japanologe, Übersetzer (Carlsen), Jour-<br />

nalist (Stern) <strong>und</strong> Mangaka beziehungsweise E-Mangaka<br />

John Seebeck.<br />

4.5 Japans internationale Vermarktung<br />

Auch wenn kulturelle Güter nicht Japans stärkste Export-<br />

güter sind, tragen sie dazu bei, seinem Bild im Ausland eine<br />

neue Facette zu verleihen: von der hochindustriellen, tech-<br />

nologischen Zukunftsvision zum Kulturland. Der kulturelle<br />

Export zeigt nicht nur Effekt auf Japan, sondern vor allem<br />

auf das Ausland, dessen Kultur nach Kinsella 97 oder Kelts 98<br />

beeinflusst wurde. Denn anders als technische Produkte, bei<br />

denen die Funktionalität im Vordergr<strong>und</strong> steht, transportieren<br />

Manga auch Kultur <strong>und</strong> Werte des Ursprungslandes. Diese<br />

enge Verbindung zur Nation stellt die Position Japans im<br />

96 O'Hagan, Minako: Anime, Manga and Video Games. S. 246.<br />

97 Kinsella, Shanon: Japanization of European Youth.<br />

98 Kelts, Roland: Japanamerica.<br />

49


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Wertediskurs des jeweiligen Ziellandes in eine zentrale Rolle<br />

<strong>für</strong> die Vermarktung. Wie Harumi Befu herausarbeitet, gibt<br />

es negative (wie zum Beispiel durch den 2. Weltkrieg) oder<br />

positive Konnotationen. So kann sich die Adaptionsspanne<br />

an wertenden Nationsbildern orientieren: Negativere Kon-<br />

notation, höhere Transformation. Im deutschsprachigen<br />

Raum finden sich zwei positive Wertdiskurse:<br />

1. Japanische Kultur stellt einen Gegenpol zur bisher<br />

starken Orientierung an <strong>und</strong> Beeinflussung durch Ame-<br />

rika. So kann sich die jetzige Generation von den „ameri-<br />

kanisierten“ Vorgängern abgrenzen <strong>und</strong> die Kultur findet<br />

belebende Inspirationen. Bemerkenswert ist ebenso, dass<br />

Japan als „kolonialisierte“ Nation auch auf die Traditionen<br />

Amerikas zurückgreifen kann <strong>und</strong> somit nicht gänzlich als<br />

fremd empf<strong>und</strong>en wird.<br />

2. Auch im historischen Diskurs wirken sich die Parallelen<br />

zwischen Japan <strong>und</strong> Deutschland, von den besiegten, besetz-<br />

ten Nationen bis hin zum Aufbau einer neuen Wirtschafts-<br />

macht, auf die gegenseitigen Bewertung positiv aus. Auch<br />

wenn die heutige Generation die Ereignisse nicht erlebte,<br />

wurden Werte (wenn nicht sogar Traumata) „vererbt“.<br />

Angefangen mit Nischenmärkten <strong>und</strong> ethisch neutrali-<br />

sierten Produkten 99 eroberten sie bald eine Generation <strong>und</strong><br />

einen expandierenden Markt. Doch wirkten sich die globale<br />

Vermarktung auch auf die Manga aus, da die unterschied-<br />

99 Some cultural products, however, move into a new territory because they fill a vacant<br />

or near-vacant market niche, as manga, anime, karaoke, sushi, soy sauce, and tofu<br />

illustrate. Those products opened up new markets, and consumers quickly developed<br />

a taste for them. Once Japanese products move into niche markets, however, local<br />

industries are likely to produce their own creolized brands. [...] Not that cartoons are<br />

entirely lacking in these countries, but the topics, stories, artistry, and other features<br />

of the Japanese manga were radically different from what was available and were<br />

able to capture the minds and hearts of the audience. [Befu, Harumi: Globalization<br />

Theory from the Bottom Up: Japan's Contribution. In: Japanese Studies [23.1]. London:<br />

Routledge, 2003. S. 13.]<br />

50


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

lichen Jugendschutzrichtlinien oft zu Zensur oder Einstellung<br />

von Lizenzen führten:<br />

Viele Verlage griffen auf Gr<strong>und</strong> der sich formierenden Wider-<br />

stände gegen bestimmte Titel zur Selbstzensur, um dro-<br />

henden Verkaufsverboten entgegenzuwirken. [...] Dabei zei-<br />

gen sich japanische Verlage mittlerweile bei der Vergabe von<br />

Auslandslizenzen ebenfalls zurückhaltend. [...] Dabei musste<br />

Egmont Anime & Manga neben zahlreichen Kompromissen<br />

bei der Veröffentlichung des Manga (Ghost in the Shell 2) auf<br />

zwei Seiten gänzlich verzichten, da der japanische Verlag<br />

diese <strong>für</strong> den ausländischen Markt nicht freigeben wollte. Es<br />

kann auch zu Fällen kommen, in denen japanische Verlage<br />

eine im Ausland durchgeführte Zensur auch anderen Lizenz-<br />

nehmern aufzwingen. Bekanntester Fall ist hier die Manga-<br />

Veröffentlichung der Serie Pokémon. [...] Eine Möglichkeit,<br />

umfangreiche <strong>und</strong> komplizierte Zensurmaßnahmen zu verhin-<br />

dern ist es, bei der Übersetzung der Manga <strong>für</strong> den westlichen<br />

Markt, die Protagonistinnen älter zu machen, als sie es im<br />

Original-Manga sind. 100<br />

Trotzdem werden Manga in Japan nicht <strong>für</strong> den ausländi-<br />

schen, sondern heimischen (stärksten) Markt konzipiert 101 .<br />

Befu befasst sich vom kulturtheoretischen Standpunkt mit<br />

der Globalisierung japanischen Gedankengutes <strong>und</strong> Pop-<br />

kultur <strong>und</strong> hebt Elemente von Glocalization (Anpassung an<br />

das Zielland) <strong>und</strong> Authentizität hervor. Außerdem stellt Befu<br />

die Idee des „concept trade“ vor, dass sicher auch <strong>für</strong> Ver-<br />

lagskonzepte oder Manga <strong>und</strong> dessen Verwertung adaptiert<br />

werden kann: „What 'concept trade' implies is 'the sale of<br />

program concepts rather than the programs themselves'.“ 102<br />

100 Lidauer, Elisabeth: Medium Manga. S. 141.<br />

101 Anders als andere Güter der japanischen Populärkultur - wie die Zeichentrickfilme -<br />

waren Manga nie da<strong>für</strong> vorgesehen, auf anderen Märkten als dem Japanischen verkauft<br />

zu werden. [Ebd. S. 158]<br />

102 Befu, Harumi: Globalization Theory from the Bottom Up: Japan's Contribution. S.<br />

13. Ähnlich funktionierte es schon als Outsourcing der Produktion <strong>für</strong> Ostasien, wie<br />

51


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

4.6 Zukunftsszenarien<br />

Während man sich in den bereits entwickelten europäischen<br />

Manga-Märkten aktuell also fragen muss, welcher Maßnah-<br />

men es bedarf, um die erreichten Umsatzgrößen nicht nur zu<br />

festigen, sondern auch in den nächsten Jahren dynamisch<br />

weiter voranzutreiben, rüsten sich der europäische Norden<br />

<strong>und</strong> die meisten osteuropäischen Länder gerade erst zu<br />

ihrem Einstieg in die Welt der Manga <strong>und</strong> bauen – zur Zeit<br />

noch vorsichtig – ihre Programme aus oder gar erst auf. 103<br />

Das Potential der asynchronen Marktsituation in Europa<br />

kann sowohl japanische wie auch deutschsprachige Verlage<br />

bereichern. Die deutschen Verlage könnten die Vermittlerrolle<br />

der USA durch ihren Vorteil der geografischen <strong>und</strong> sprach-<br />

lichen Nähe zu den osteuropäischen Ländern übernehmen.<br />

Für den nationalen Markt sieht Kaps nur eine Möglich-<br />

keit der Stabilisierung <strong>und</strong> Expanision: langfristige, gedul-<br />

dige Strategien, K<strong>und</strong>enorientierung (z.B. Sortierung des<br />

Segments) <strong>und</strong> enge Zusammenarbeit von Lizenzgebern,<br />

Verlag, Buchhandel <strong>und</strong> Verwertung. Eine weitere Heraus-<br />

forderung <strong>für</strong> den Mangamarkt wird die bereits erwähnte<br />

Entscheidung zwischen einer Entwicklung als temporärer<br />

Ausdruck einer Generation oder als neutrales Kunstmedium.<br />

Letzteres würde Manga <strong>und</strong> Comic als Medien gleichstellen.<br />

Scott McCloud sieht <strong>für</strong> den Comic nur nachhaltige<br />

Existenz unter folgenden Punkten: Comic als <strong>Literatur</strong> <strong>und</strong><br />

es deutsche Filmstudios vor Jahrzehnten in Japan machten: „concept transplant'“<br />

the process by which the manga and anime industry becomes transplanted in East<br />

Asia from Japan. As with concept trade, the whole industry, including the styles of<br />

expression, the production and distibution systems, and the consumption patterns /<br />

with inevitable variations), is reproduced abroad.“ [ebd. S. 13.]<br />

103 Kaps, Joachim: Moderne Mangamythen. S. 3.<br />

52


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Kunst, Urheberschutz, öffentliche Wahrnehmung als wert-<br />

volle Ausdrucksform, Aufklärung der Institutionen, Gleichbe-<br />

rechtigung der Geschlechter, Repräsentation gesellschaft-<br />

licher Minderheiten <strong>und</strong> Differenzierung der Genres. 104 Der<br />

Manga in Japan zeigte das Potential dieser Bedingungen,<br />

<strong>und</strong> auch der Manga in Deutschland erfüllt bereits gewisse<br />

Konditionen wie Gleichberechtigung der Geschlechter <strong>und</strong><br />

Minderheiten (denn homosexuelle Beziehungen sind ein<br />

wichtiger Bestandteil des japanischen Mediums). Doch<br />

addiere ich diesen produktiven Entwicklungsschritten noch<br />

zwei weitere hinzu, die Förderung der nationalen Märkte<br />

(statt Abhängigkeit von Importen) <strong>und</strong> die Digitalisierung,<br />

die sich bereits bemerkbar macht <strong>und</strong> in Zukunft immer<br />

wesentlicher wird:<br />

Digitale Verbreitung erweitert nicht bloß die Möglich-<br />

keiten der Auswahl, sie richtet sich gegen das Prinzip der<br />

ökonomisch bedingten Vorselektion selbst. Wenn ein Werk<br />

per donwload zugänglich ist - warum sollte irgendein Autor<br />

dulden, dass sein Werk als “vergriffen” gilt? Wenn jedes<br />

Werk jederzeit <strong>und</strong> überall erhältlich ist ... warum sollte<br />

sich irgendjemand darum scheren, welcher Medienkonzern<br />

die größten Läden besitzt? Bald wird unser ganzer Planet<br />

eine riesige Jukebox <strong>für</strong> Musik, bildende Kunst, Kinofilme,<br />

Comics <strong>und</strong> geschriebene Texte sein... <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der neuen Ökonomie werden nicht diejenigen legen, denen<br />

es um schnellen Profit geht, sondern diejenigen, denen sie<br />

die Existenzgr<strong>und</strong>lage bietet. 105<br />

104 McCloud, Scott: Comics neu erfinden. S. 14-5.<br />

105 Ebd. S. 193-4.<br />

53


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Die Vorteile der Digitalisierung sind zahlreich: sinkende<br />

Produktionskosten <strong>und</strong> Preise, interaktive Partizipation der<br />

Rezipient/innen, globale Distributionsraum <strong>und</strong> ökologische<br />

Herstellung.<br />

McCloud prophezeit durch die Eigenschaften der digi-<br />

talen Distribution eine Hinwendung zu den Rezipient/innen.<br />

Denn während beim Printmedium der Markt von den Rezi-<br />

pient/innen nur indirekt durch die Verkaufszahlen gesteuert<br />

werden könne, zähle im Internet keine Marktpräsenz (Wer-<br />

bung) oder finanzielle Rücklagen, sondern die Inhalte <strong>und</strong><br />

die Interessen der Leser/innen. „Weil die Werbemacht der<br />

großen Konzerne im Web durchweg relativiert wird, steigen<br />

die Chancen der Kleinen.“ 106 Die großen Printverlage kön-<br />

nen jedoch durch rechtzeitigen Internetauftritt <strong>und</strong> klare<br />

Programmpositionierung zu einer Marke im Web werden,<br />

wodurch sie Vorteile gegenüber unbekannten Anbietern<br />

haben werden. Eine weitere Entwicklung auf dem digitalen<br />

Feld ist der E-Manga, der die Verbindung von digitalisiertem<br />

Comic mit intermedialen Elementen darstellt.<br />

So kann der globale Fortbestand des Manga nur durch<br />

Veränderungen <strong>und</strong> neue Perspektiven auf dem gesamten<br />

Markt (von den Publikationsmedien, der nationalen Produk-<br />

tion, der Verlagskonzeption bis zum Buchhandel) gesichert<br />

werden.<br />

106 Ebd. S. 198.<br />

54


SHIFTING GROUND AND<br />

SHIFTING BORDERS IN<br />

THE GERMAN-SPEAKING<br />

MANGASCAPE<br />

PAUL M. MALONE<br />

In 2007 I gave a conference paper in Lambrecht, Germany,<br />

entitled “Mangascape Germany: Comics as Intercultural<br />

Neutral Gro<strong>und</strong>.” This was revised and published in early<br />

2010 as a chapter in the book Comics as a Nexus of<br />

Cultures. 1 My argument, and the source of my original<br />

title, was that the huge popularity of Japanese manga in<br />

Germany (and, by extension, in Austria) had prompted<br />

the major German comics companies not only to corner<br />

the market for imported and translated manga, but also<br />

to leverage the extremely participatory nature of manga<br />

fandom to recruit and cultivate manga artists, or mangaka,<br />

closer to home. This investment in time and money was<br />

producing a small but vital generation of artists, largely<br />

young women and to a surprising degree first- or second-<br />

generation immigrants from Eastern Europe or Asia, who<br />

were given virtually unprecedented opportunities to publish<br />

1 Paul M. Malone: “Mangascape Germany: Comics as Intercultural Neutral Gro<strong>und</strong>.” In:<br />

Comics as a Nexus of Cultures: Essays on the Interplay of Media, Disciplines and<br />

International Perspectives. Ed. Mark Berninger, Jochen Ecke, and Gideon Haberkorn.<br />

Jefferson, N.C.: McFarland, 2010. Critical Explorations in Science Fiction and Fantasy<br />

22, pp. 223-34.<br />

K O B U K 1 2 0 1 1 55


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

their work—within the restraints of a certain level of fidelity<br />

to the formal conventions of manga, rather than to those<br />

of Western comics: a form of ersatz “authenticity,” also<br />

signalled in the very insistence upon using the Japanese<br />

term mangaka to describe these artists.<br />

For the most part, these artists were happy to embrace<br />

these restraints—manga, after all, was what they wanted to<br />

draw. Moreover, this ideal of “authenticity” was also fruitful,<br />

in that it created a kind of virtual community that I dubbed<br />

the “mangascape,” inspired by Arjun Appadurai’s description<br />

of spaces where “cultural material may be seen to be moving<br />

across national bo<strong>und</strong>aries.” 2 In the German mangascape,<br />

the overriding importance of this rather dubious formal<br />

authenticity de-emphasizes the actual ethnicity of the<br />

mangaka, thus giving rise to “an exotic but neutral meeting<br />

place for artists of differing backgro<strong>und</strong>s to contribute to<br />

a field that has become ‘multicultural’ beyond the simple<br />

opposition of Germany and Japan” (Malone, “Mangascape,”<br />

p. 232). In what follows, I attempt to bring my three-year-<br />

old observations up to date.<br />

The title of the Goethe-Institut’s new exhibition,<br />

“Comics, Manga & Co.: Die neue deutsche Comic-Kultur/<br />

The New Culture of German Comics,” would seem to imply<br />

that comics and manga are something like equal partners in<br />

the current German comics scene. When journalist Andreas<br />

Platthaus writes the introduction for the accompanying<br />

catalogue, however, he seems to be somewhat uncertain<br />

what to do with manga. This is in part because Platthaus<br />

2 Arjun Appadurai: Modernity at Large: Cultural Dimensions of Globalization.<br />

Minneapolis: University of Minnesota Press, 1996. P. 33.<br />

56


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

locates the resurgence of German comics—here meaning<br />

specifically comics from Germany—in the reunification<br />

twenty years ago: “Dass Deutschland wieder auf der<br />

Weltkarte der Comics verzeichnet ist, verdankt sich der<br />

Vereinigung von B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (BRD) <strong>und</strong><br />

Deutscher Demokratischer Republik (DDR). Und es ist<br />

der ostdeutsche Landesteil gewesen, der den wichtigeren<br />

Anteil an dieser Rückkehr hatte, zumindest wenn man das<br />

Augenmerk auf ästhetische Aspekte richtet statt auf rein<br />

ökonomische.” 3 This last is an important distinction. And this,<br />

of course, is exactly what Platthaus is doing; he continues,<br />

Natürlich gab es auch vor 1990 schon einzelne deutsche<br />

Comic-Zeichner <strong>und</strong> -Zeichnerinnen, die anerkannt waren,<br />

aber egal, ob man Matthias Schultheiss nennt oder Ralf<br />

König, wenn es um international beachtete Künstler geht,<br />

ob Walter Moers oder Rötger Feldmann alias Brösel, wenn<br />

man rein einheimische Erfolgsgeschichten hören will, oder ob<br />

mit Hannes Hegen <strong>und</strong> Rolf Kauka die 1950er- <strong>und</strong> 1960er-<br />

Jahre angesprochen warden—sie alle übernahmen längst<br />

etablierte Stil- <strong>und</strong> Erzählformen aus anderen Ländern, seien<br />

dies nun Einflüsse des in den 1950er Jahren gegründeten<br />

amerikanischen Comicsatiremagazins Mad, von Walt Disney,<br />

aus Frankreich oder aus dem amerikanischen Undergro<strong>und</strong>.<br />

Deutsche Bildergeschichten gab es zwar bereits von Wilhelm<br />

Busch oder e. o. plauen, eigentlich Erich Ohser, der von 1934<br />

bis 1937 die Comicserie Vater <strong>und</strong> Sohn zeichnete. Aber erst die<br />

Comic-Avant-garde ab 1990 kann man wieder als eigenständig<br />

bezeichnen. (Platthaus, “Der deutsche Comic,” p. 4)<br />

Platthaus is constructing two narratives here: one, perhaps<br />

coincidental though no less interesting for all that, seems<br />

to be conflating German comics independence, as the<br />

“wieder” in the final phrase implies, with German territorial<br />

and political unity—not in any reactionary sense, since in this<br />

account it is exactly the academically trained members of<br />

3 Andreas Platthaus: “Der deutsche Comic ist wieder da: Zeichner/innen <strong>und</strong> Tendenzen<br />

der letzten zwanzig Jahre.” In: Comics, Manga & Co.: Die neue deutsche Comic-Kultur/<br />

The New Culture of German Comics. Ed. Eva Maria Schmitt and Matthias Schneider.<br />

Munich: Goethe-Institut, 2010. Pp. 4-6; here: p. 4.<br />

57


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

former East Berlin collectives who, thanks to reunification,<br />

have played a major role in the aesthetic revivification<br />

of German comics: “Sie fertigten bevorzugt Comics an,<br />

auch wenn sie ihr Auskommen nur dank anderer grafischer<br />

Arbeit fanden. Diese Unabhängigkeit vom finanziellen Ertrag<br />

der Bildergeschichten ermöglichte jedoch Experimente,<br />

die etablierte west-deutsche Comic-Zeichner/innen gar<br />

nicht erst wagten, um ihren kommerziellen Erfolg nicht zu<br />

gefährden” (Platthaus, “Der deutsche Comic,” p. 4).<br />

The other narrative, however, certainly deliberate, is<br />

based on what Ole Frahm, in reference to a similar essay<br />

written ten years earlier, calls the “Dialektik der Comic-<br />

Geschichte.” 4 According to Frahm, Christian Gasser, writing<br />

the introductory essay to another catalogue, constructs a<br />

“hegelianisches Modell” of comics history in three stages:<br />

first, a period of early comic strips where aesthetic quality<br />

and popularity coexist, ending when syndication turned<br />

comics into a true mass medium before World War I; then<br />

a long, dark age of mere entertainment; and finally the<br />

rise of “independent comics” in the 1960s, when comics<br />

became “endlich erwachsen” and thus worthy of serious<br />

consideration. 5 Platthaus, writing ten years later, focusses<br />

upon German comics alone rather than taking a broader,<br />

global view, and thus the demarcations of the phases have<br />

been shifted later accordingly; but in both cases, as Frahm<br />

argues regarding Gasser’s essay, “bleibt die Frage, ob sich<br />

4 Ole Frahm: Die Sprache des Comics. Hamburg: Philo Fine Arts, 2010. F<strong>und</strong>us-Bücher<br />

179, pp. 292-4.<br />

5 Christian Gasser: “Mutantenkosmos: Von Mickey Mouse zu Explomaus.” In: Mutanten:<br />

Die deutschsprachige Comic-Avantgarde der 90er Jahre. Ed. Christian Gasser.<br />

Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 1999. Pp. 5-18; here: pp. 6-7. Three artists are represented<br />

in both Mutanten and Comics, Manga & Co. eleven years later: Martin tom Dieck, Anke<br />

Feuchtenberger and Henning Wagenbreth.<br />

58


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

der Begriff der Avantgarde, der kleinen hervorstechenden<br />

künstlerischen Vorhut, überhaupt auf Comics anwenden<br />

lässt” (Frahm, Sprache, p. 293). For Frahm, the essential<br />

qualities of all comics are self-reflexivity on the one<br />

hand, which is often seen as the exclusive territory of the<br />

avant-garde; and parody, stereotype, repetition, on the<br />

other—hardly qualities that can be reconciled with the<br />

high aesthetic ideals of that same avant-garde. Gasser’s,<br />

and hence Platthaus’s, use of such a term can only be<br />

interpreted by Frahm as a form of salesmanship: “Was<br />

Avantgarde ist, ist neu, was neu ist, bleibt interessant. In<br />

kapitalistischen Gesellschaften eine einfache <strong>und</strong> seit 200<br />

Jahren halbwegs verlässliche Gleichung” (Frahm, Sprache,<br />

p. 294); though, as Herbert Heinzelmann has observed—<br />

likewise in reference to Gasser’s essay—such salesmanship<br />

is strictly pro forma, since at the same time “Avantgarde<br />

ist nie <strong>und</strong> nirgends marktgängig,” and moreover, “ganz<br />

ohne Nabelschnüre zum Massenkörper kann kein Medium<br />

überleben.” 6 One need not share Frahm’s opinions in this<br />

regard, however, to be uncomfortable with the idea that<br />

comics need to transcend commercial considerations and<br />

“grow up” into a form of art (and/or literature) before they<br />

can become salonfähig. 7<br />

Platthaus’s discomfort, however, seems to lie more in finding<br />

something to say about manga and manga artists that can<br />

6 Herbert Heinzelmann: "Das Kaleidoskop der Bilder." Schau ins Blau 13 Sept. 2008. P.<br />

3. URL: http://www.schauinsblau.de/herbertheinzelmann/essays/das-kaleidoskop-derbilder.pdf.<br />

7 This metaphor of comics “growing up” continues to be popular in both English and<br />

German; see, for instance, Tanja Rupp. “Comics werden erwachsen.” Hochschule<br />

der Medien Stuttgart 5 Sept. 2010. URL: http://www.hdm-stuttgart.de/view_<br />

news?ident=news20100901150131; and Philipp Rimmele: “Der Comic ist erwachsen<br />

geworden: Der neue Trend zur Graphic Novel.” Aspekte 26 Nov. 2010. URL: http://<br />

aspekte.zdf.de/ZDFde/inhalt/24/0,1872,8146584,00.html.<br />

59


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

compare to the high aesthetic praise he has already heaped<br />

(quite deservedly) upon the independent, avant-garde and<br />

academic artists in the exhibition. In the last two of his<br />

eleven paragraphs, he allows: “Dagegen haben zahllose<br />

deutsche Zeichnerinnen <strong>und</strong> Zeichner aus der jüngeren<br />

Generation ihre Vorbilder in Fernost gef<strong>und</strong>en: Der seit<br />

den 1990er-Jahren anhaltende Siegeszug der Manga hat<br />

auch in Deutschland ein ganz neues Segment entstehen<br />

lassen, das mittlerweile eigene einheimische Künstlerinnen<br />

<strong>und</strong> Künstler hervorgebracht hat.” He rightly points out<br />

that many of these artists are women and that, unlike the<br />

avant-garde group, they are not academically trained as<br />

artists, and thus less bo<strong>und</strong> by “Schulen” or “Traditionen”<br />

(which may also be seen as a rather dubious claim—are<br />

the visible influences of Oda Eiichirô or Toriyama Akira,<br />

for instance, or the decision to work in a shônen or shôjo<br />

style, not comparable to schools or traditions?). Platthaus<br />

concludes: “Die offeneren Strukturen dieser Szene haben<br />

dem deutschen Comic gerade im kommerziell-populären<br />

Bereich viel frisches Blut zugeführt, <strong>und</strong> die längst weltweit<br />

reüssierte Mangaästhetik sorgt auch da<strong>für</strong>, dass die jungen<br />

Künstlerinnen <strong>und</strong> Künstler über die Grenzen hinaus bekannt<br />

werden” (Platthaus, “Der deutsche Comic,” 6). And that<br />

is a good thing for Platthaus, at least, since it returns us<br />

to Germany’s new place in the sun on the “Weltkarte der<br />

Comics,” where the essay began.<br />

Note, however, that we have simultaneously<br />

descended from sublime “ästhetische Aspekte” to the secular<br />

“kommerziell-populärer Bereich”; in the first, longer part<br />

of the introduction, the artists are named individually and<br />

60


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

given a historical and biographical context, their particular<br />

techniques of working are described in detail, and they<br />

are placed in relation to one another and to influences<br />

both artistic (Expressionism, Holbein, Bosch, Böcklin)<br />

and intellectual (Deleuze, Barthes, Foucault, Lacan, Ernst<br />

Haeckel). In the second, by contrast, seven mangaka are<br />

listed in a breath—chiefly to demonstrate that the group<br />

is predominantly made up of women—and no individual<br />

information is given about them, nor is anything said about<br />

their styles or methods (“manga” apparently subsuming<br />

all that in a single word). To be fair, two artists’ works are<br />

then singled out for praise, though indeed specifically for<br />

including aspects of German culture—Christina Plaka’s<br />

Prussian Blue (the colour was invented in Germany, you see,<br />

and mentioning it also permits a brief shout-out to Hokusai)<br />

and Anike Hage’s Gothic Sports (which is about football;<br />

Platthaus, “Der deutsche Comic,” p. 6)—even though Plaka<br />

is the only mangaka whose work is actually represented in<br />

the exhibition and catalogue, and that by Prussian Blue’s<br />

later incarnation Yonen Buzz. Despite the exhibition’s title,<br />

therefore, manga is as much marginalized as celebrated in<br />

its composition. This may represent an ideal of comics that<br />

can be “sold” as culture, but it is hardly an accurate portrayal<br />

of the current deutsche Comic-Kultur in the broader sense,<br />

where manga plays a much more prominent role both<br />

economically and, arguably, aesthetically.<br />

To be sure, many of the developments in recent<br />

years have not been positive for the manga market. In<br />

fact, not only in Europe, but globally, the manga market<br />

has been experiencing a lengthy downturn, reflecting hard<br />

61


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

times for comics of all kinds. Over two years of widespread<br />

economic recession, with its attendant high unemployment<br />

or <strong>und</strong>eremployment, have certainly had a negative impact<br />

on discretionary spending. As a result, at company after<br />

company in the West manga titles have been abandoned<br />

in mid-series or cancelled before publication; and smaller<br />

companies devoted to nothing but translating and printing<br />

manga have gone <strong>und</strong>er—according to received wisdom,<br />

because they continued to license and churn out increasingly<br />

minor titles, often with little or no advertising, as if their<br />

shrinking novelty value alone would be enough to sell<br />

them to sharp-eyed young readers who are manga-savvy<br />

enough to spot second-rate, derivative material. At the same<br />

time, the rise of freely available “scanlations,” or amateur<br />

translations of manga made available online, has reportedly<br />

taken a massive bite out of professional translators’ and<br />

publishers’ business, and all the more given many fans’<br />

reduced budgets.<br />

This, at least, is what can be read on h<strong>und</strong>reds of<br />

comics-related blogs, in English and German as well as<br />

in other languages. There is, indeed, a good deal of truth<br />

to these statements, particularly in the relatively easily<br />

quantifiable terms of publishing and retailing companies<br />

downsizing or shutting up shop, and in the number of titles<br />

appearing on bookstore shelves, as opposed to what can<br />

now be fo<strong>und</strong> on the internet for free. 8 Nonetheless, all<br />

8 See, for example, Calvin Reid: “Tokyopop Revamps; Cuts Titles, Lays Off 39.” Publishers<br />

Weekly 04 Jun. 2008. URL: http://www.publishersweekly.com/pw/by-topic/booknews/comics/article/43145-viz-media-lays-off-60.html<br />

. Kai-Ming Cha: “Manga<br />

Publishers Face Uphill Battle Against Scanlation.” Publishers Weekly 29 Jun. 2010.<br />

URL: HYPERLINK "http://www.publishersweekly.com/pw/by-topic/book-news/comics/<br />

article/43672-manga-publishers-face-uphill-battle-against-scanlations.html" http://<br />

www.publishersweekly.com/pw/by-topic/book-news/comics/article/43672-mangapublishers-face-uphill-battle-against-scanlations.html.<br />

62


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

is not doom and gloom; not even in North America, for<br />

example, where this crisis has been most evident: “Despite<br />

a serious downturn in the U.S. economy and a 20% drop in<br />

sales last year, manga, or Japanese comics, still represents<br />

more than $140 million in sales and continues to be a<br />

significant niche in the American comics market.” 9<br />

On the German-language market, by contrast, even<br />

the setbacks of the last two years have not yet <strong>und</strong>ermined<br />

the dominance of manga; although Didier Pasamonik begins<br />

a recent account of the comics publishing scene in Germany<br />

with the dispiriting statement, “les mangas perdent du terrain<br />

en Allemagne,” he then goes on to say that “en l’espace<br />

de deux ou trois ans, leur part de marché s’est réduite de<br />

75% à 60%.” 10 This may well mark the end of a boom—and<br />

booms by their very nature must reach an end—but it would<br />

hardly be described <strong>und</strong>er most circumstances as a bust,<br />

particularly in comparison with the U.S. market, where<br />

during the same time period manga have dropped from<br />

only about 30% at the height of their popularity to a mere<br />

20% of the total comics market. 11 Why is there such a huge<br />

discrepancy between the figures for these two countries?<br />

First of all, it should not be overlooked that due its very<br />

different historical, economic and institutional context,<br />

the German comics industry reacted to the huge wave of<br />

9 Kai-Ming Cha: “Down, but Not Out: Manga Holds On in a Tough Market.” Publishers<br />

Weekly 22 Jun. 2010. URL: http://www.publishersweekly.com/pw/by-topic/book-news/<br />

comics/article/43495-down-but-not-out-manga-holds-on-in-a-tough-market.html.<br />

10 Didier Pasamonik: “Erlangen 2010: Le Graphic Novel change la donne sur le marché<br />

allemande.” M<strong>und</strong>o B-D 8 Jun. 2010. URL: http://www.m<strong>und</strong>o-bd.fr/?p=2970.<br />

11 Based on figures given in “U.S. Graphic Novel Sales Down 6%.” Publishers Weekly<br />

26 Apr. 2010. URL: http://www.publishersweekly.com/pw/print/20100419/42976-u-sgraphic-novel-sales-down-6-.html.<br />

63


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

global interest in manga in a manner very different from<br />

most other Western comics producers. After World War II,<br />

economic developments and differences in population size<br />

in Germany and Austria gave Germany the upper hand in<br />

the spheres of book and periodical publishing, and so over<br />

the years of the Economic Miracle the comics industry was<br />

consolidated as a German, or at the time more specifically<br />

West German, <strong>und</strong>ertaking. Ironically, the firms that came<br />

to dominate this scene were themselves not of German<br />

origin: Egmont Ehapa in the 1950s, and later Carlsen in<br />

the late 1960s, were both branches of farsighted Danish<br />

firms, with their headquarters in Copenhagen. In the earlier<br />

decade, Egmont and a number of smaller foreign and locally-<br />

run publishers—among the former, the Danish Aller and<br />

the French Mondial; among the latter, Alfons Semrau and<br />

Gerstmayer—licensed and imported foreign comics from<br />

elsewhere in Europe, but also largely from the U.S.; Egmont,<br />

for instance, specialized in the lucrative Disney characters.<br />

The outcry against comics as Schmutz <strong>und</strong> Sch<strong>und</strong><br />

that arose in both Germany and Austria in the mid-1950s<br />

thus saw comics not only as a bad influence on children,<br />

but often as a foreign interloper to boot: there was a<br />

strong anti-American aspect to the German protests, and<br />

given the economic realities, an additional anti-German<br />

element in the Austrian objections. 12 In a further irony, this<br />

12 See, for example, Luke Springman: “Poisoned Hearts, Diseased Minds, and American<br />

Pimps: The Language of Censorship in the Sch<strong>und</strong> <strong>und</strong> Schmutz Debates.” In: The<br />

German Quarterly 68.4 (1995): pp. 408-29; here: p. 414; Goran Jovanovic and Ulrich<br />

Koch: “The Comics Debate in Germany: Against Dirt and Rubbish, Pictorial Idiotism,<br />

and Cultural Anaphabetism.” In: Pulp Demons: International Dimensions of the Postwar<br />

Anti-Comics Campaign. Ed. John A. Lent. Madison: Fairleigh Dickinson University Press,<br />

1999. Pp. 93-128; here: p. 107; Georg Vasold: “‘Zentralproblem Bild’: Zur Geschichte der<br />

Comics in Österreich.” In: Randzone: Zur Theorie <strong>und</strong> Archäologie von Massenkultur<br />

in Wien 1950-1970. Ed. Roman Horak, Wolfgang Maderthaner, Siegfried Mattl, Lutz<br />

Musner and Otto Penz. Vienna: Turia & Kant, 2004. Reihe Kultur.<strong>Wissenschaft</strong>en 10,<br />

pp. 81-102; here: pp. 86, 90; Edith Blaschitz: “Kampf gegen ‘Schmutz <strong>und</strong> Sch<strong>und</strong>’:<br />

64


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

counter-movement and the resulting institutionalization<br />

of both external and self-censorship for German-language<br />

comics did far more damage to the small publishers, some<br />

of which actually hired local, German artists, than they did<br />

to Egmont, whose Disney material was brilliantly translated,<br />

and deliberately much de-Americanized in the process,<br />

by Erika Fuchs, 13 but who never attempted to set up local<br />

production of Disney stories as other European countries<br />

did.<br />

Of the original smaller publishers, only a very few<br />

survived into the 1960s, such as the Walter Lehning Verlag,<br />

having carved itself a niche in sensationalistic boys’ adventure<br />

stories published in the handy and dirt-cheap “piccolo”<br />

format, a tiny, strip-sized comic imported, like much of<br />

Lehning’s material, from Italy. The Hannover-based Lehning<br />

also hired German artists like Walter Kellermann, Wilhelm<br />

“Bob” Heinz and the indefatigable Hansrudi Wäscher,<br />

though he paid them as little, and as seldom, as possible.<br />

Lehning ultimately fell victim to his own economies, as his<br />

cheaply-produced and hurriedly-executed comics became<br />

increasingly unattractive to ever more prosperous and<br />

discerning young readers; he went bankrupt for the last<br />

time in 1967. 14<br />

Platthaus is thus certainly not wrong to write that the<br />

Medienrezeption in Österreich (1945–1965).” In: Medienbildung in Österreich:<br />

Historische <strong>und</strong> aktuelle Entwicklungen, theoretische Positionen <strong>und</strong> Medienpraxis.<br />

Ed. Edith Blaschitz and Martin Seibt. Vienna, Berlin, Münster: LIT (2008). Pp. 136–147;<br />

here: pp. 179-80.<br />

13 Klaus Bohn: Das Erika-Fuchs-Buch. Disneys deutsche Übersetzerin von Donald Duck<br />

<strong>und</strong> Micky Maus: Ein modernes Mosaik. Lüneburg: Verlag Dreidreizehn, 1996. Pp. 53-<br />

60.<br />

14 Hartmut Becker: “Die b<strong>und</strong>esdeutsche Comic-Geschichte seit 1945.“ In: Comics. Ed.<br />

Annemarie Verweyen. Führer <strong>und</strong> Schriften des Rheinischen Freilichtmuseums <strong>und</strong><br />

Landesmuseums <strong>für</strong> Volksk<strong>und</strong>e in Kommern 30. Cologne: Rheinland-Verlag, 1986. Pp.<br />

37-50; here: pp. 43-4.<br />

65


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

German comics industry relied overwhelmingly on either<br />

copying or simply importing wholesale “längst etablierte<br />

Stil- <strong>und</strong> Erzählformen aus anderen Ländern”; a trend<br />

that was further consolidated when Carlsen, which would<br />

become the other major publisher, entered the comics<br />

market at the end of the 1960s, not without misgivings,<br />

by licensing Hergé’s Tintin as Tim <strong>und</strong> Struppi—a comic so<br />

respectable, in part due to its Franco-Belgian provenance<br />

and its status as an institution in the Francophone world,<br />

that it was hardly even regarded as a comic—while other<br />

publishers (Bildschriftenverlag, Condor) arose to import<br />

Marvel superheroes and other properties from America.<br />

Egmont, on top of its still wildly successful Disney licenses,<br />

also imported and translated French-language comics (chief<br />

among them Goscinny and Uderzo’s Astérix) and gained<br />

the license for Superman and the other DC characters.<br />

The long-running bandes dessinées in particular became<br />

Dauerbrenner for Egmont and Carlsen, who could afford to<br />

keep older albums in these popular series in print alongside<br />

the latest volumes (Becker, “Comic-Geschichte,” p. 49). By<br />

the end of the 1970s and into the 1980s, there were some<br />

domestic stars, but largely in the field of humour-oriented<br />

comics, foremost among them Rötger “Brösel” Feldmann,<br />

Ralf König and Walter Moers, who barely kept the German-<br />

language comics market from being completely swamped<br />

by foreign imports (Malone, “Mangascape,” p. 225). 15<br />

The 1980s, however, also saw the arrival of economic<br />

problems for the now dangerously overextended German<br />

15 Indeed, Heinzelmann places here the beginnings of “ das Wachsen einer nationalen<br />

deutschen Comic-Kultur,” since the establishment of the Erlangen Max-<strong>und</strong>-Moritz<br />

Prize in 1984 (Heinzelmann, “Kaleidoskop der Bilder,” p. 1).<br />

66


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

comics scene—many well-established series came to an end<br />

as their publishers jumped ship (Becker, “Comic-Geschichte,”<br />

p. 48). When the further post-Wende recession hit soon<br />

afterward, even many of the previous bestsellers finally<br />

began running out of steam—including Astérix and the<br />

venerable Micky Maus—and the popularity of manga was<br />

doubly fuelled by its novelty and the ready availability of<br />

free advertising, since the appearance of private television<br />

broadcasters throughout Western Europe had entailed the<br />

rise of a huge market for relatively cheap programming in<br />

order to sell advertising time, and a wave of Japanese anime<br />

series swept the continent, bringing in its wake a hunger<br />

for the manga upon which the cartoons had been based. 16<br />

In the US and France, arguably the twin capitals of<br />

Western comics, there were long-established local comics<br />

traditions and large publishers—nowadays frequently<br />

arms of diversified conglomerates such as Time Warner<br />

or Hachette—that had been fo<strong>und</strong>ed on exactly those<br />

traditions. These large firms showed little interest in manga<br />

when the boom began, and so small niche publishers were<br />

created, often with the participation of Japanese manga<br />

publishers eager to export, to fill the gap. By the time the<br />

majors realized how much money there was to be had in<br />

manga, it had developed into a separate subculture of both<br />

production and consumption, to which the bigger, older<br />

firms fo<strong>und</strong> little entry, and for which they still show little real<br />

enthusiasm or aptitude, particularly in the U.S. By contrast,<br />

16 See Andreas C. Knigge: Alles über Comics: Eine Entdeckungsreise von den<br />

Höhlenbildern bis zum Manga. Hamburg: Europa Verlag, 2004. Pp. 69-70; and Paul M.<br />

Malone: “The Manga Publishing Scene in Europe.” In: Manga: An Anthology of Global<br />

and Cultural Perspectives. Ed. Toni Johnson-Woods. New York: Continuum, 2010. Pp.<br />

315-31; here, in particular: pp. 324-6.<br />

67


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

in the 1990s the major German publishers, accustomed as<br />

they were to serving as colonial outposts of other countries’<br />

comics scenes, did not have the same kind of resistance<br />

to adopting Japanese manga as had their American and<br />

French counterparts—the less tradition, the less baggage.<br />

And so, in the new century manga became the lifeline<br />

for the mainstream German comics publishers (originally<br />

the “big three,” Egmont, Carlsen and the Italian Panini, a<br />

relative newcomer in Germany) rather than a niche market<br />

relegated to parvenu firms, as it had been elsewhere. As<br />

a result, where in the U.S., for example, the historical and<br />

institutional contexts make it perfectly <strong>und</strong>erstandable to<br />

see manga as “opposed” to comics in a kind of Darwinian<br />

competition, in the German-speaking world it makes more<br />

sense to emphasize the continuity of adopting manga as<br />

only one of the latest, if no longer the latest, in a series<br />

of foreign influences upon an already hybrid and shifting<br />

mix.<br />

The difference in the statistics between the two<br />

nations—manga occupy 20% of the comics market in the<br />

U.S., 60% in Germany—thus in part reflects these very<br />

different historical contexts. And so, German bookstores<br />

and comics shops still have plenty of manga on the shelves,<br />

and often you can still find young readers lounging in the<br />

section, even sitting on the floor, reading them; at least, if<br />

the bookstores in central Cologne can be considered typical,<br />

this is the case. And even in North America, it should be<br />

remembered, manga remains a “significant niche” in the<br />

market. Western kids have indeed now grown up with<br />

manga; if you can remember when nobody knew what<br />

68


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

they were, you are already middle-aged or worse. 17 Manga,<br />

it seems, are here to stay. But what of specifically German<br />

manga, by which I mean original German-language (OGL)<br />

manga? 18<br />

In the conclusion of the previous essay, I tried to strike<br />

a fairly optimistic tone. After all, as Martin Jurgeit would later<br />

say in 2008, “Diese Künstler [d.h., die deutschsprachigen<br />

Mangaka] haben mit ihren Auflagen <strong>und</strong> der Leserresonanz<br />

die besten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die der<br />

Comicnachwuchs in Deutschland je hatte.” Another two years<br />

down the road, however, it is certainly fair to ask whether<br />

that optimism has been borne out: to examine whether<br />

German-language manga have been a viable attempt to<br />

establish German-speaking artists on the comics market,<br />

and in particular the export market; or whether they have<br />

rather been merely a flash in the pan, another dead end<br />

that leaves Germany and Austria in the awkward position<br />

of having a long and notable comics history, and yet no<br />

comics tradition.<br />

To begin with a correspondingly optimistic<br />

observation: The downturn in the fortunes of manga need<br />

not be seen as striking a fatal blow to the publishers’ support<br />

of home-grown manga. In 2004, when Germany’s major<br />

comics-oriented specialty periodical Comixene first devoted<br />

sustained attention to the phenomenon of home-grown<br />

German-language manga, the article “Es muss nicht immer<br />

17 German mangaka Christina Plaka, born 1983: “Man merkt deutlich, dass meine<br />

Generation mit Manga, Anime <strong>und</strong> Videospielen aus Japan aufgewachsen ist.” In:<br />

Böckem, “Sind die süüüß!”: p. 11.<br />

18 The term OGL manga is coined here by analogy with original English-language or OEL<br />

manga, a commonly current term on the North American market; and in preference to<br />

the infelicitous portmanteau “Germanga,” which misleadingly deemphasizes language<br />

in favour of apparent nationality—and is difficult to pronounce to boot.<br />

69


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Japan sein” bore the preface:<br />

Mangas bleiben trotz stagnierender Verkaufszahlen <strong>und</strong> einigen<br />

eingestellten Serien sehr beliebt in diesen unseren Landen.<br />

Und mehr noch! Ehemals abwertend als Modeerscheinung<br />

bezeichnet, sind sie inzwischen ein fester Bestandteil der<br />

deutschen Comic-Kultur geworden. So ist es kein W<strong>und</strong>er,<br />

dass sich schon seit einiger Zeit auch deutsche Zeichner<br />

dem Phänomen Manga angenommen haben <strong>und</strong> auf den<br />

professionellen Markt vorgestoßen sind. Ein guter Gr<strong>und</strong>,<br />

sich einmal näher mit ihnen zu beschäftigen: den deutschen<br />

Mangaka—den Germangaka. 19<br />

Thus the decision to train and support German manga<br />

artists, even initially, was not simply taken as a means of<br />

spending “extra” money during a boom period; rather, like<br />

many investments, it was made in still uncertain times and<br />

in hopes of contributing to a more secure future. Six years<br />

later, the publishers seem indeed to have maintained a<br />

surprisingly strong level of commitment. As a result, many<br />

of the mangaka I mentioned in my previous essay are still<br />

publishing. Anike Hage, for instance, has finally produced<br />

the fifth and final volume of Gothic Sports, making her<br />

the first German mangaka to complete a major story arc<br />

of more than three volumes. She has also contributed the<br />

concluding story to Wilhelm Busch <strong>und</strong> die Folgen, a tribute<br />

volume spearheaded by Ralf König, featuring a number of<br />

contemporary comics artists of various styles, including<br />

Volker Reiche, Laska, Ulf S. Graupner, DuO, Flix, Martin tom<br />

Dieck, Ulf K. and Martin Baltscheit. 20 Most recently, Hage<br />

has illustrated a graphic adaptation of Gudrun Pausewang’s<br />

novel for young readers Die Wolke. Her style is well suited to<br />

crossing back and forth between manga and Western-style<br />

19 Steffi Holzer, Martin Jurgeit and Sascha Krämer: “Es muss nicht immer Japan sein:<br />

Mangas aus deutschen Landen.” In: Comixene 70 (2004). Pp. 6-14; here. p. 6.<br />

20 Anike Hage: “Die feindlichen Nachbarn.” In: Ralf König et al.: Wilhelm Busch <strong>und</strong> die<br />

Folgen. Cologne: Egmont, 2007. Pp. 129-44.<br />

70


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

comics, and she appears to have been given opportunities<br />

to do just that. 21<br />

Likewise, Christina Plaka has continued to turn out<br />

volumes of her rock-band saga Yonen Buzz, with the fifth<br />

and final volume still yet to appear for Tokyopop next year;<br />

progress has been slowed by her studies in Japanology,<br />

but she has had time to produce a one-shot volume for<br />

Carlsen, the magical romance-fantasy Herrscher aller<br />

Welten. 22 Judith Park has continued to publish regularly,<br />

if not frequently, for Carlsen, and to appear at conventions<br />

and book fairs; her projected volume KimChi, however,<br />

which would combine a Korean protagonist and a setting<br />

in Hamburg, has fallen behind schedule. 23 Alexandra Völker<br />

has had a career similar to those of Park and Plaka, with<br />

regular publications, though mostly for Egmont, with one<br />

one-shot in Carlsen’s small-sized Chibi Box series. Völker,<br />

too, often appears at conventions and book fairs. Her most<br />

recent work is the fantasy Dark Magic. 24 Carlsen and Egmont<br />

seem to be generally happier publishing shorter story arcs,<br />

with Park and Völker so far confined to single volumes or,<br />

at the most, two-volume series (though Völker’s Paris is a<br />

sequel of sorts to the two volumes of Catwalk).<br />

DuO (the team of Dorota Grabarcyck and Olga<br />

Andreienko) have also been slowed down by studies,<br />

21 Anike Hage: Gothic Sports. 5 vols. Hamburg: Tokyopop, 2006-2010; Die Wolke: Nach<br />

dem Roman von Gudrun Pausewang. Hamburg: Tokyopop, 2010.<br />

22 Christina Plaka: Prussian Blue. Hamburg: Carlsen, 2003; Yonen Buzz. 4 vols. to date.<br />

Hamburg: Tokyopop, 2005- ; Herrscher aller Welten. Hamburg: Carlsen, 2009.<br />

23 Judith Park: Dystopia: Love at Last Sight. Hamburg: Carlsen, 2003; Y Square. Hamburg:<br />

Carlsen, 2004; Y Square Plus, Hamburg: Carlsen, 2007; Luxus. Hamburg: Carlsen Chibi,<br />

2007.<br />

24 Alexandra Völker: Catwalk. 2 vols. Cologne: Egmont, 2006; Make a Date. Hamburg:<br />

Carlsen Chibi, 2007; Paris. Cologne: Egmont, 2008; Dark Magic. Cologne: Egmont,<br />

2010.<br />

71


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

with their series Indépendent still left hanging after three<br />

years and some dispute as to whether it will be continued;<br />

certainly, it does not appear in any of Egmont Manga’s<br />

promotional material for the foreseeable future. However,<br />

they most recently also took part in Wilhelm Busch <strong>und</strong><br />

die Folgen. 25 Finally, one of the few male mangaka of note<br />

on the German scene, Robert Labs, has returned to manga<br />

after attempting a more Western-style comic, Black Beach,<br />

in 2005. Although he had complained at the time that he<br />

had come to find the manga style too restrictive, it may be<br />

that he fo<strong>und</strong> his contract with Carlsen even more so. 26 Since<br />

that contract ran out in 2007, labs has changed publishers,<br />

following his former mentor Joachim Kaps from Carlsen to<br />

Tokyopop for his horror-fantasy Domicile, set in Cologne<br />

immediately after World War II. 27 With this new project<br />

already falling behind schedule, however, it remains to be<br />

seen whether the remaining two of the three projected<br />

volumes will appear on time, or at all.<br />

Other artists mentioned in the previous essay have<br />

been less conspicuous on the manga scene, though Nina<br />

Werner, whose Jibun-Jishun won the Sondermann Prize for<br />

best German manga in 2006, and Gina Wetzel, of Orcus<br />

Star, have fo<strong>und</strong>ed careers as illustrators, working in various<br />

styles besides manga; Lenka Buschová has concentrated<br />

more on her education than on publishing, but portions<br />

of a second volume of her Freaky Angel have been made<br />

25 DuO: Mon-Star Attack. 2 vols. Cologne: Egmont, 2004-5; Indépendent. 2 vols. to date.<br />

Cologne: Egmont, 2006; “Die beiden Enten <strong>und</strong> der Frosch.” In: König et al., Wilhelm<br />

Busch, pp. 75-92.<br />

26 Thomas Kögel: “Interview mit Robert Labs.” Comicgate: Unabhängiges Comicmagazin<br />

seit 2000 16 Dec. 2005. URL: http://www.comicgate.de/Interviews/labs-robert.html.<br />

27 Robert Labs: Dragic Master. 2 vols. Hamburg: Carlsen, 2001-5; Crewman 3. 2 vols.<br />

Hamburg: Carlsen, 2003-4; Black Beach. Hamburg: Carlsen, 2005; Domicile. Hamburg:<br />

Tokyopop, 2009.<br />

72


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

available online. 28 Detta Zimmermann followed up her<br />

charming fantasy series Iscel with a one-shot for Carlsen,<br />

Tarito Fairytale, and then moved to webcomics, though her<br />

online story The Tale of Yanlin is unfortunately currently<br />

nowhere to be fo<strong>und</strong>. 29<br />

Multicultural elements, as described in passing in<br />

“Mangascape Germany,” have continued to be present,<br />

particularly in the persons of two artists whose names<br />

quite coincidentally appeared in a list near the end of the<br />

essay. Ying Zhou Cheng’s Shanghai Passion overtly takes<br />

as a main theme Chinese, rather than Japanese, culture,<br />

and peripherally describes the historical tensions between<br />

the two, specifically at the time of Japan’s invasion of<br />

Manchuria. 30 Meanwhile, Reyhan Yildirim’s Tylsim introduces<br />

elements of Turkish ornament, language and folklore to<br />

striking effect. 31 Judith Park, of course, remains the greatest<br />

success story in this area, followed perhaps by the Japanese<br />

sisters Prin and Umi Konbu, whose three volumes so far<br />

of Tomoe for the smaller Eidalon Verlag are among the<br />

few German manga that delve into the Japanese historical<br />

genre of jidai-geki. 32 The long pause after the third volume,<br />

however, now looks likely to become permanent; in the<br />

present economic circumstances, Eidalon has cancelled<br />

many of its less profitable series, manga or otherwise.<br />

28 Nina Werner: Jibun-Jishun. Hamburg: Carlsen, 2006; Gina Wetzel: Orcus Star. Cologne:<br />

Egmont, 2005; Lenka Buschová: Freaky Angel. Cologne: Egmont, 2005; “Freaky Angel<br />

2” (djinshi). Animexx.de. URL: http://www.fanarts.eu/doujinshi/39495/.<br />

29 Detta Zimmermann: Iscel. 3 vols. Hamburg: Tokyopop, 2006-7; Tarito Fairytale.<br />

Hamburg: Carlsen Chibi, 2008.<br />

30 Ying Zhou Cheng: Shanghai Passion. Cologne: Egmont, 2005.<br />

31 Reyhan Yildirim: Tylsim. Hamburg: Tokyopop, 2008.<br />

32 Prin and Umi Konbu: Tomoe. 3 vols. to date. Brandenburg: Eidalon, 2004-5.<br />

73


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

The difficulties that will continue to face comics publishers<br />

in an ongoing weak economy, however, pale in comparison<br />

to the hurdles faced by the artists and writers who choose<br />

to try to make a living by producing comics of any kind. A<br />

common thread that runs through even the success stories<br />

enumerated above is the difficulty of keeping to schedule in a<br />

demanding and time-intensive job, particularly when German<br />

mangaka, unlike so many of their Japanese counterparts,<br />

work without assistants. At the same time, the relatively<br />

low remuneration in the comics industry makes it difficult<br />

to get by economically by drawing (and/or writing) comics<br />

alone—yet taking on additional, often better-paid work in<br />

more commercial fields is a further obstacle to keeping<br />

manga projects on schedule. The fact that so many of the<br />

mangaka are also of school or university age, and due to<br />

their interests and talents well-suited and motivated to<br />

acquire secondary education in art, design or Asian studies,<br />

leads to many of them juggling demanding class and study<br />

schedules with their creative work. No wonder, then, that<br />

so few of these young people have been able to sustain a<br />

consistent level of output, and so many of them have left<br />

the field or relegated it to an occasional sideline.<br />

In this respect, the warnings uttered by Claus D.<br />

Scholz in a 1980 Comixene article entitled “Comic-Zeichner:<br />

Traumberuf oder Alptraum?” remain current as ever: even in<br />

booming times, and in countries with more positive attitudes<br />

toward comics, the majority of artists have been economically<br />

marginalized. 33 In the 1950s and early 1960s, pioneering artist<br />

Hansrudi Wäscher, who has been trumpeted as “Bis heute<br />

33 Claus D. Scholz: “Comic-Zeichner: Traumberuf oder Alptraum?” In: Comixene 33 (1980).<br />

Pp. 4-6.<br />

74


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

… einer der erfolgreichsten, produktivsten, einflussreichsten<br />

<strong>und</strong> langjährigsten Comiczeichner Deutschlands,” 34 was<br />

an exception only because he was willing to submit to<br />

exploitative working conditions, at times working more<br />

than sixteen hours a day and producing five different series<br />

at once for Walter Lehning, all anonymously. On the one<br />

hand, this unbelievable productivity allowed him not only<br />

to make a decent living, but also to indulge his taste for<br />

fancy sports cars by buying an E-Type Jaguar; on the other,<br />

it frequently drove him to the verge of breakdown, and<br />

certainly did no favours to the quality of his drawing—<br />

on the contrary, it stunted his artistic development, as he<br />

relied increasingly on repetitive shortcuts to produce ever<br />

more similar plots, scenes and tableaux. 35 In these respects,<br />

Wäscher became the exact opposite of one of his models,<br />

Hal Foster, of whom Scholz writes: “Als ‘Star-Zeichner’<br />

konnte es sich Foster leisten, pro Woche nur eine Seite zu<br />

zeichnen. So hatte er die Möglichkeit, seine Grafik zu einer<br />

fast unübertreffbaren Perfektion zu entwickeln” (Scholz,<br />

“Comic-Zeichner,” p. 6).<br />

In his defense, the pragmatic Wäscher forthrightly<br />

declared in 1985: “Über eines müssen wir uns immer im<br />

klaren sein: Was ich hier mache, ist etwas Kommerzielles,<br />

es soll verkauft werden! Viele Leute scheinen zu glauben,<br />

ich säße hier im ‘Wolkenkuckucksheim’ <strong>und</strong> machte das<br />

zum Selbstzweck. Dem ist nicht so. Ich weiß nicht, ob ich<br />

34 “Deutsch: Hansrudi Wäscher erhält Peng!-Preis <strong>für</strong> sein Lebenswerk. Schöpfer der<br />

Sigurd-, Nick- <strong>und</strong> Falk-Comics wird von der deutschen Comicszene geehrt.” URL:<br />

http://www.comicradioshow.com/modules.php?op=modload&name=News&file=article&<br />

sid=2968&mode=thread&order=0&thold=0 .<br />

35 Gerhard Förster: Das grosse Hansrudi Wäscher Buch. Schönau: Norbert Hethke Verlag,<br />

1987. Pp. 9, 84, 87; Karlheinz Borchert: “Im Schlupfwinkel des Vertrauten: Hansrudi<br />

Wäscher <strong>und</strong> das Golden Age deutscher Comics.” In: Comic Almanach 1993. Ed.<br />

Joachim Kaps. Wimmelbach: Comicpress Verlag, 1993. Pp. 20-29; here: p. 27-9.<br />

75


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Comics machen würde, wenn ich nicht gleichzeitig damit<br />

Geld verdienen könnte” (Förster, Hansrudi Wäscher, p.<br />

15). The need to make a living impelled Wäscher, who<br />

luckily had an <strong>und</strong>erstanding spouse and no children, to<br />

accept such conditions; most other comics artists—and<br />

even Wäscher, in the early stages of his career—have had<br />

to supplement their incomes with other graphic work, and<br />

even so they are likely to remain, as the title of a 2004<br />

Spiegel Online article has it, “Zeichner ohne Zaster.” 36 Three<br />

of the four artists profiled in this article, incidentally—Felix<br />

“Flix” Görmann, Jens Harder and Markus “Mawil” WItzel—<br />

are also represented in this year’s Comics, Manga & Co.,<br />

where their inability to make a living from their work is<br />

celebrated as “Unabhängigkeit vom finanziellen Ertrag”<br />

(Platthaus, “Der deutsche Comic,” p. 4). 37<br />

The continuing currency of these concerns was<br />

<strong>und</strong>erlined two years later by Jörg Böckem in describing<br />

the work habits of young German mangaka: “Tatsächlich<br />

sitzen Anike [Hage], Asu [<strong>und</strong>] Reami [Mitglieder von DuO:<br />

Dorota Grabarczyk <strong>und</strong> Olga Andryienko], Marie Sann <strong>und</strong><br />

ihre Kolleginnen oft bis zu zwölf St<strong>und</strong>en täglich an ihren<br />

Zeichnungen, einige zeichnen neben dem Studium, nachts<br />

<strong>und</strong> an den Wochenenden” (Böckem, “Sind die süüüß,” p.<br />

11). Similarly, the necessity of long working hours and the<br />

uncertainty of adequate remuneration were reconfirmed<br />

as recently as October 2010, both at the international<br />

conference “Intercultural Crossovers, Transcultural Flows:<br />

Manga/Comics,” held at the Cultural Institute of Japan in<br />

36 Stefan Pannor: “Comic-Absolventen: Zeichner ohne Zaster.” Spiegel Online 24 Aug.<br />

2004. URL: http://www.spiegel.de/jahreschronik/0,1518,331495,00.html.<br />

37 The fourth artist, Stefan Atzenhofer, is the only one who claims in 2004 to be making<br />

ends meet with comics; he is not featured in the 2010 Goethe-Institut exhibition.<br />

76


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Cologne at the beginning of the month, and a couple of<br />

weeks later at the Frankfurt Book Fair. At the former venue,<br />

a panel discussion with German mangaka Christina Plaka<br />

(Yonen Buzz, Herrscher aller Welten), Anne Delseit and<br />

Martina Peters (writer and artist of Lilientod, each with<br />

several individual projects and manga as well) stressed<br />

exactly these facts; at the latter, a ro<strong>und</strong>table consisting of<br />

German mangaka Anike Hage (Gothic Sports) and Natalie<br />

Wormsbecher (Summer Rain, Dämonenjunge Lain, Life Tree’s<br />

Guardian) and their Swedish counterpart Natalia Batista not<br />

only made the same point, but also <strong>und</strong>erscored the fact<br />

that real earning conditions have deteriorated somewhat in<br />

five decades, since Hage and Wormsbecher, unlike Wäscher,<br />

have little hope of ever buying a sports car with their<br />

earnings: “Vermutlich werde ich auch niemals einen Porsche<br />

haben.” 38 The title of the Frankfurt discussion, probably<br />

coincidentally, even echoes that of Scholz’s Comixene article<br />

of thirty years previously: “Mangaka in Europa–Albtraum<br />

oder Traumberuf?” Plus ça change… 39<br />

Six years ago, in 2004, the Comixene article “Es muss nicht<br />

immer Japan sein” concluded its examination of German-<br />

speaking manga by opining: “Es bleibt nur zu hoffen, dass<br />

die meist blutjungen Talente nicht rücksichtslos verheizt<br />

werden, sondern auch die Förderung von Seiten der Verlage<br />

38 I was present at the Cologne conference, and I extend my gratitude to Christina Plaka,<br />

Anne Delseit and Martina Peters for speaking with me individually as well as sharing<br />

their experiences in plenum; the Frankfurt Book Fair discussion was video-recorded,<br />

and is available at the Splashcomics.de website: “Mangaka in Europa–Albtraum oder<br />

Traumberuf?” URL: http://www.splashcomics.de/php/messen/berichte/869/mangaka_<br />

in_europa__albtraum_oder_traumberuf.<br />

39 The fact that these difficulties are not only confined to Germany, but also extend to<br />

the lands where comics are more popular and more highly esteemed, is evidenced by<br />

a recent study by Morgan Di Salvia and Pascal Lefèvre, with Haruyuki Nakano: Bande<br />

dessinée et illustration en Belgique: État des lieux et situation socio-économique<br />

du secteur. Brussels: SMartBe, 2010. Di Salvia announced the study’s publication in<br />

an online article entitled “Profession dessinateur ou illustrateur, comment en vivre?”<br />

ActuaBD 18 Nov. 2010. URL: http://www.actuabd.com/Morgan-Di-Salvia-Profession.<br />

77


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

erhalten, die sie benötigen, um sich zu entwickeln. Wir<br />

dürfen gespannt sein, was die Zukunft uns noch bringt”<br />

(Holzer, Jurgeit and Kramer, “Es muss nicht,” p. 14). In<br />

the same year, however, Andreas C. Knigge, a stalwart of<br />

the German comics industry as journalist, publisher and<br />

agent, made the pessimistic prediction: “Auch wenn der<br />

Manga in Deutschland seinen Zenit mit Sicherheit noch<br />

nicht überschritten hat, hat er, in langfristigen Perspektiven<br />

gedacht, keine Zukunft.” 40<br />

Nonetheless, in 2006 Tokyopop GmbH editor Joachim<br />

Kaps, no less experienced than Knigge in the industry (and<br />

at one point Knigge’s successor as editor at Carlsen), told<br />

KulturSpiegel: “Im Moment investieren wir in die deutschen<br />

Mangaka. Aber eigene Produktionen sind <strong>für</strong> uns eine Chance,<br />

uns langfristig an das andere Ende der Wertschöpfungskette<br />

zu setzen … nämlich: Auslandslizenzen zu verkaufen <strong>und</strong><br />

vielleicht in absehbarer Zeit Merchandising-Produkte <strong>und</strong><br />

Videospiele zu unseren deutschen Serien.” He further spoke<br />

of plans, “den Anteil der deutschen Eigenproduktionen<br />

bei Tokyopop auf 20 Prozent zu steigern.” 41 The Hamburg<br />

branch of Tokyopop was then only two years old, and<br />

already had two German tentpole series in production,<br />

Plaka’s Yonen Buzz and Hage’s Gothic Sports. The more<br />

diversified, elder publishers Egmont and Carlsen were also<br />

already fostering local artists ambitiously, though it seems<br />

unlikely that they ever envisioned devoting one-fifth even<br />

of their manga output to home-grown artists. In any case,<br />

Gothic Sports has concluded, Yonen Buzz will soon do so<br />

40 Julia Neugebauer: Interview mit Andreas C. Knigge. ARTE.tv 19 Oct. 2004. URL: http://<br />

www.arte.tv/de/Printing/677614.html.<br />

41 Jörg Böckem: “Sind die süüüß!” KulturSpiegel 9 (2006): pp. 8-11; here: p. 11.<br />

78


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

as well, and Kaps’s plan simply has not been realized. It<br />

now seems, on the contrary, to have been impractical from<br />

the very beginning.<br />

And yet, with manga still the dominant form on the<br />

German-language market, established publishers are still<br />

entering the fray even now: earlier this year the venerable<br />

Verlagsgruppe Droemer Knaur, hitherto involved with manga<br />

only as a publisher of how-to manuals for aspiring artists<br />

(mainly written by Americans, rather than Japanese), took<br />

up manga directly, and now markets manga by German<br />

artists <strong>und</strong>er the Knaur Taschenbuch imprint, with not only<br />

one-shots and anthologies, but also several projected series<br />

in the works. 42<br />

The last few years have also seen impressive growth<br />

in the sub-genre of boys’ love manga (in the West often also<br />

called BL or yaoi, and in German frequently labelled shônen<br />

ai), dedicated to women’s depictions of male homosexual<br />

relationships for a female readership. The first home-grown<br />

BL manga was the abovementioned Shanghai Passion,<br />

by Ying Zhou Cheng, published by Egmont; since then,<br />

Carlsen and Tokyopop have also published boys’ love stories,<br />

including Martina Peters’ and Anne Delseit’s Lilientod and<br />

Anna Holmann’s successful Stupid Story. 43 The passion<br />

that BL fans put into both producing and consuming these<br />

42 To name only a few: Rebecca Jeltsch: Sternenstaub. 1 vol. to date. Munich: Knaur TB,<br />

2010; Marika Paul: Daftball. 1 vol. to date. Munich: Knaur TB, 2010; Daniela Winkler:<br />

Grablicht. 1 vol. to date. Munich: Knaur TB, 2010; Nina Nowacki: Guns and Swords. 1 vol.<br />

to date. Munich: Knaur TB, 2010.<br />

43 Martina Peters and Anne Delseit: Lilientod. 3 vols. to date. Hamburg: Carlsen, 2009- ;<br />

Anna Holmann: Stupid Story. 2 vols. Hamburg: Tokyopop, 2008-9. See also Paul M.<br />

Malone: “From BRAVO to Animexx.de to Export: Capitalizing on German Boys’ Love<br />

Fandom, Culturally, Socially and Economically.” In: Boys’ Love Manga: Essays on the<br />

Sexual Ambiguity and Cross-Cultural Fandom of the Genre. Ed. Antonia Levi, Mark<br />

McHarry and Dru Pagliassotti. Jefferson, NC: McFarland, 2010. Pp. 23-43.<br />

79


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

stories has been leveraged by a growing number of niche<br />

publishers; since the mainstream presses such as Carlsen and<br />

Egmont, who also publish comics and books intended for<br />

children, have felt themselves constrained from producing<br />

material that might be too controversial on the basis of<br />

erotic and particularly homoerotic content, 44 these smaller<br />

publishers such as Fireangels Verlag, Cursed Side (result of<br />

a merger between The Wild Side and Cursed Publishing),<br />

and most recently Hotate Books have rushed in to fill the<br />

breach. 45 On a correspondingly smaller scale, these boys’<br />

love publishers (and perhaps to a certain extent the more<br />

heterosexually oriented Experienze and Delfinium Prints<br />

Intoxicated, both of which specialize in erotic and sometimes<br />

violent material) serve as the nearest equivalent to the<br />

independent publishers that were created in the U.S. and<br />

France when the mainstream firms hesitated to take up<br />

the manga trend at all. 46<br />

It becomes clear in retrospect that for at least the<br />

last half-decade, there have been reasons to argue both<br />

sides of the question as to whether the German publishers’<br />

adoption of manga, and particularly their decision to foster<br />

home-grown talent by means of the popularity of manga,<br />

has been a successful strategy or not. Knigge’s pessimism<br />

and Kaps’s optimism both reflect an intimate knowledge of<br />

the historical backgro<strong>und</strong>, the economic situations, and the<br />

industrial realities. Certainly, it is true that manga remain the<br />

44 Christian Könen: “Interview mit Georg Tempel, Verlagsleiter von EMA.” AnimePRO 13<br />

April 2006. URL: http://www.animepro.de/interviews/georg-tempel-2006.htm.<br />

45 See Paul M. Malone: “Home-grown Shojo Manga and the Rise of Boys’ Love among<br />

Germany’s ‘Forty-Niners.’” Intersections: Gender and Sexuality in Asia and the Pacific<br />

20 (April 2009). URL: http://intersections.anu.edu.au/issue20/malone.htm.<br />

46 Special thanks to Anne Delseit for furnishing detailed information regarding some of<br />

the smaller publishers.<br />

80


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

dominant factor on the German-language comics market<br />

for the time being, and German manga artists have also<br />

increasingly been officially tied into a specifically German-<br />

language comics history: not only have DuO and Anike<br />

Hage taken part in the tribute Wilhelm Busch <strong>und</strong> die<br />

Folgen, but Asu (Olga Andryienko, the artist half of the<br />

DuO team) is also one of the forty-two German comics<br />

artists who contributed a page to Wäscher: Pionier der<br />

Comics, the volume created to commemorate Hansrudi<br />

Wäscher’s receipt of the PENG! Comic Prize at the 2009<br />

Munich Comic Festival. 47 Whatever the aesthetic judgement<br />

of Wäscher’s work, this paean to his long and successful<br />

career in a crushingly difficult industry unites Wäscher’s<br />

surviving contemporaries (Helmut Nickel) with artists from<br />

every succeeding generation to the present, and bridges<br />

commercial, academic and avant-garde spheres, including<br />

no fewer than four artists who are also featured in Comics,<br />

Manga & Co.: Hendrik Dorgathen, Ulf K. (i.e., Keyenburg),<br />

Reinhard Kleist and Isabel Kreitz.<br />

Kleist and Kreitz, of course, along with Mawil, Jens<br />

Harder and Ulli Lust—only the first three of whom are<br />

represented in Comics, Manga & Co., though Platthaus<br />

mentions them all and several others—are subsumed into<br />

the avant-garde by virtue of their academic training, but in<br />

fact they have come to form the leaders of a new movement<br />

in German-language comics: the graphic novel, which will<br />

hopefully unite commercial appeal and intellectual prestige<br />

in a manner that comics have never before achieved in<br />

German-speaking Europe. Didier Pasamonik, in describing<br />

47 Gerhard Schlegel, ed.: Wäscher: Pionier der Comics. Wuppertal: Edition 52, 2009. P. 15.<br />

81


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

the recent drop in manga sales in Germany, openly links<br />

this drop to the growing popularity of this newer import:<br />

“Cette décrue se fait au profit d’une forte progression<br />

des romans graphiques dans ce pays.” Pasamonik places<br />

the victory of the graphic novel firmly at the feet of Ralf<br />

König, “le grand auteur allemand de sa génération, un<br />

peu l’équivalent de notre [Claire] Brétecher”; König, by<br />

publishing his lengthy but popular comics of the 1990s (in<br />

particular Der bewegte Mann) with the respectable literary<br />

publishing firm of Rowohlt rather than a comics press,<br />

“fait prendre conscience aux jeunes créateurs allemands<br />

que la bande dessinée n’est pas seulement un produit<br />

d’importation” (Pasamonik).<br />

There may be some truth to this, but König’s comics<br />

predate the import of the Anglophone label “graphic novel”<br />

and become such a thing only retroactively. It may be more<br />

pertinent that the German comics publishers have taken note<br />

of how successful their American counterparts have been<br />

with “umfangreichere Comicerzählungen, die sich an ein<br />

erwachsenes Publikum wenden,” and as a result, “Seit einiger<br />

Zeit verwenden auch deutsche Comicverlage das Etikett<br />

‘Graphic Novel.’ Zur inhaltlichen Abgrenzung von Asterix,<br />

Tim <strong>und</strong> Struppi <strong>und</strong> Co., aber auch als Marketingbegriff, um<br />

Comics besser in normalen Buchhandlungen platzieren zu<br />

können, wo ein literarisch interessiertes Publikum Comics<br />

entdecken kann.” 48 Graphic novels by Arne Bellstorf (Acht,<br />

neun zehn), Line Hoven (Liebe schaut weg) and Ulli Lust<br />

48 Martin Gramlich: “Comics in Deutschland: Die Bildgeschichten sindwieder da!” SWR 2,<br />

broadcast 14 Oct. 2010, 8:30 A.M. URL: http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/<br />

wissen/comics-in-deutschland/-/id=660374/nid=660374/did=6807216/1x9m9ma/index.<br />

html. The transcript of the broadcast is available as a .pdf file. URL: http://www.swr.de/<br />

swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=6807218/property=download/nid=660374/<br />

b6wupe/swr2-wissen-20101014.pdf. Here: p. 9.<br />

82


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

(Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens) have<br />

won the ICOM Independent Comic Prize (in 2006, 2008<br />

and 2010 respectively); and Reinhard Kleist’s graphic<br />

biography of Johnny Cash, Cash: I see a darkness, took<br />

2007 Munich’s PENG! Prize and Frankfurt’s Sondermann<br />

Prize in 2007 and the Max-<strong>und</strong>-Moritz Prize at Erlangen<br />

in 2008. The English translation of Kleist’s work, perhaps<br />

thanks in part to its American-oriented subject matter, went<br />

on to be nominated in the U.S. for both a Will Eisner Comic<br />

Industry Award and a Harvey Award (named for Harvey<br />

Kurtzman) for Best New Talent in 2010, prompting Carlsen’s<br />

current comics editor Ralf Keiser to observe, “da sind wir<br />

auch froh, dass wir da mittlerweile an einem Punkt sind,<br />

wo uns die anderen [Länder] als Comicproduzenten auch<br />

ernst nehmen, das war ja nicht immer der Fall” (Gramlich,<br />

“Comics in Deutschland,” p. 10). 49 The German publishers<br />

have thus now pinned their hopes on this new trend; the<br />

extensive German website Graphic Novels offers news<br />

and advertising devoted to the form, set up jointly by the<br />

commercial giant Carlsen and the smaller but prestigious<br />

art presses avant-verlag, Edition 52, Edition Moderne and<br />

Reprodukt. 50 Moreover, they are now looking at manga<br />

(whether imported or home-grown) in a new light, and<br />

hoping to leverage the success of manga in attracting<br />

readers as a tool to draw an audience for graphic novels in<br />

turn: as Carlsen’s Keiser puts it, “das sind ja auch Comics,<br />

allen Unterscheidungen zum Trotz, es sind Comics, <strong>und</strong><br />

man kann glaub ich sagen, dass auch noch nie so viele<br />

49 Arne Bellstorf: Acht, neun zehn. Berlin: Reprodukt, 2005; Line Hoven: Liebe schaut<br />

weg. Berlin: Reprodukt, 2007; Ulli Lust: Heute ist der erste Tag vom Rest deines<br />

Lebens. Berlin: Avant-Verlag, 2006; Reinhard Kleist: Cash: I see a darkness. Hamburg:<br />

Carlsen, 2006.<br />

50 Graphic Novels. URL: http://www.graphic-novel.info/?page_id=3408.<br />

83


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Leute wie heute in Deutschland Comics gelesen haben,<br />

so in der Breite <strong>und</strong> das ist eigentlich ganz ermutigend”<br />

(Gramlich, “Comics in Deutschland,” p. 10). Whether these<br />

expectations can be met remains to be seen; though here,<br />

too, Keiser’s erstwhile predecessor Andreas C. Knigge was<br />

already pessimistic six years ago: “Es wäre vermessen,<br />

zu glauben, dass Dragonball-Leser irgendwann zu Corto<br />

Maltese greifen, von Einzelfällen vielleicht abgesehen.” 51<br />

In summary, it seems that the German publishers<br />

are likely to continue supporting German home-grown<br />

manga (the good news), if only as a means to the end of<br />

maintaining an interest in German creators that can then be<br />

transferred to graphic novels (not necessarily bad news).<br />

The latter form is now a serious rival to manga in terms of<br />

offering the German publishers potential export material,<br />

and yet manga remain too strong in market terms simply<br />

to discard. However, this strength is not particular to home-<br />

grown OGL manga, and it may well be that OGL manga is<br />

one of the weaker aspects of manga’s market performance in<br />

the German-speaking countries. It will be interesting, in the<br />

context of this tension between the continuing dominance<br />

of manga on the German-language comics market and the<br />

small part of that market share devoted to OGL manga, to<br />

see whether German mangaka as a group are either willing<br />

or able to take up this newly imported form (as Anike Hage<br />

seems already to have done with her adaptation of Gudrun<br />

Pausewang’s Die Wolke), or perhaps to combine elements<br />

of manga and graphic novel into a new genre. To finish once<br />

51 Matthias Wieland: Interview mit Andreas Knigge. Subway.de 21 Dec. 2004. URL: http://<br />

www.subway.de/themenpark/interviews/?hnr=217&tx_mfarticle_pi1[showUid]=4471&cH<br />

ash=99fd812c8d&hnr=206.<br />

84


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

more on a more optimistic aspect, it is here that we might<br />

fruitfully combine a more upbeat, if still pragmatic, closing<br />

statement of Knigge’s from 2004—“Auf unsere heutige Zeit<br />

bezogen sind Manga einfach die überlegene Erzählform. …<br />

Die Zeit des klassischen Comics ist vorbei. ... Das sind alles<br />

Übergangsmedien, trotzdem wird es sicher immer Bücher<br />

geben <strong>und</strong> damit auch Comics” (Wieland interview)—with<br />

Platthaus’s perceptive close to the problematic essay with<br />

which we began: “Und so bewährt sich der deutsche Comic<br />

auch als Manga vor allem darin, dass er seine eigenen<br />

Geschichten <strong>und</strong> Stile sucht <strong>und</strong> findet” (Platthaus, “Der<br />

deutsche Comic,” p. 6). And perhaps the German-speaking<br />

audience will come to see that as their tradition after all.<br />

85


ZUM GOTTESBEGRIFF<br />

IN DRAGONBALL AUS<br />

CHRISTLICHER SICHT<br />

STEPHAN J. BERGER & ROBERT KÖNIG<br />

1. Einleitung<br />

Als der Carlsen Verlag 1997 begann, Dragonball auf den<br />

deutschen Markt zu bringen, waren Mangas bestenfalls<br />

eine Randerscheinung. Bis auf ein paar Enthusiasten hier<br />

<strong>und</strong> dort interessierte sich kaum jemand <strong>für</strong> die japanische<br />

Interpretation des Massenmediums Comic. So schrieb Chri-<br />

stoph Dallach im KulturSPIEGEL 10/1997 etwa:<br />

Daß Manga das japanische Wort <strong>für</strong> Comics ist, hat sich in Eur-<br />

opa kaum rumgesprochen, schon gar nicht in Deutschland.<br />

Und alle Versuche, die in Japan mega-populären Bilderbü-<br />

cher hier bekanntzumachen, verliefen eher trostlos. So wird<br />

es nur wenige beeindrucken, daß "Dragon Ball" vermutlich<br />

nicht nur der längste, sondern auch der erfolgreichste Manga<br />

(Gesamtauflage: über 200 Millionen) überhaupt ist. Zehn<br />

Jahre hat Akira Toriyama, ein Fan von Action-Held Jackie<br />

Chan aus Hongkong, in die 42teilige Geschichte investiert<br />

- <strong>und</strong> das hat sich gelohnt. "Dragon Ball" ist ein w<strong>und</strong>erbar<br />

durchgedrehtes Abenteuer-Märchen, so wüst <strong>und</strong> schnell<br />

K O B U K 1 2 0 1 1 86


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

erzählt, wie es nur die Manga-Meister vermögen. Die Suche<br />

nach den sieben Dragonballs, die dem Finder alle Wünsche<br />

erfüllen sollen, wird von Prügeleien, Hinterhalten, Verschwö-<br />

rungen, Scherzen <strong>und</strong> allerlei Monstern begleitet. Abenteu-<br />

erlich ist auch das Lesen, denn "Dragon Ball" wird wie im<br />

Original von hinten nach vorn erzählt. Und wie war noch das<br />

japanische Wort <strong>für</strong> Comics? 1<br />

13 Jahre später gestaltet sich die Situation wesentlich anders:<br />

Mangas sind nicht mehr bloß in Comic-Fachgeschäften zu<br />

finden, sondern besetzen eigene Drehständer <strong>und</strong> Regale<br />

in Bahnhofskiosken, Trafiken <strong>und</strong> Buchhandlungen aller Art.<br />

Auch das Tempo, in dem es die Publikationen nach Deutsch-<br />

land schaffen, hat sich drastisch beschleunigt. Dauerte es bei<br />

Dragonball, dessen erstes Kapitel in Japan 1984 erschien, noch<br />

mehr als ein Jahrzehnt, bis es überhaupt zu einer Publikation<br />

kam, erscheinen etwa aktuelle Bände der Serie Naruto – die<br />

in vielerlei Hinsicht als geistiger Nachfolger Dragonballs ver-<br />

standen werden kann – nahezu zeitgleich in Deutschland <strong>und</strong><br />

Japan. Dieser Umstand ist sicher der Tatsache geschuldet,<br />

dass die deutschsprachige Jugend der späten 90er Jahre<br />

durch die Ausstrahlung erfolgreicher japanischer Animes<br />

wie etwa Sailor Moon, mit dem fremdartig anmutenden<br />

Zeichenstil <strong>und</strong> den stark differenten Handlungsmotiven<br />

der japanischen Comics vertraut gemacht wurde. Es kam<br />

zu einem regelrechten Manga Boom, 2 der im beginnenden<br />

neuen Jahrtausend erst richtig Fahrt aufnahm.<br />

Doch warum erscheinen uns die japanischen Fantasie-<br />

welten mitunter so fremd? Die Differenzen sind mannigfaltig<br />

<strong>und</strong> beginnen mit den f<strong>und</strong>amentalen Unterschieden zwi-<br />

1 http://www.spiegel.de/spiegel/kulturspiegel/d-8786582.html<br />

2 http://www.jugendszenen.com/Cosplay/Anime-<strong>und</strong>-Manga.html bzw. http://www.faz.<br />

net/s/RubCC21B04EE95145B3AC877C874FB1B611/Doc~E708345CCBDC440E8A7FACB<br />

3A8A5C8E58~ATpl~Ecommon~Scontent.html<br />

87


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

schen den westlichen <strong>und</strong> den fernöstlichen Mythologien<br />

<strong>und</strong> Religionen. Auch wenn sich in vielen Kernaspekten<br />

moralischer Fragestellungen Überschneidungen finden,<br />

so ist die Ebene der Letztbegründung, also jener Punkt, an<br />

dem wir auch an das Göttliche rühren, doch stark different<br />

zu deduzieren.<br />

Der Gottesbegriff 3 in Dragonball bietet einen geeigneten<br />

Anknüpfungspunkt, da er sowohl interessante Parallelen als<br />

auch zentrale Unterschiede zum Konzept des Göttlichen in<br />

der westlichen Geistesgeschichte bietet. Natürlich kann ein<br />

solcher Überblick in diesem Rahmen nur kursorischer Natur<br />

sein, dennoch aber lassen sich einige interessante Ansätze<br />

zu klassischen philosophischen <strong>und</strong> theologischen Frage-<br />

stellungen aus dem dichten Narrativ in Dragonball gewinnen.<br />

2. Son Goku, ein Erlöser?<br />

Für unsere Zwecke besonders interessant sind in erster<br />

Linie zwei Figuren: Die Hauptfigur der Erzählung Son-Goku<br />

<strong>und</strong> sowie die Figur Gott, der im Dragonball-Universum ein<br />

außerirdisches Wesen vom Planeten Namek 4 ist <strong>und</strong> in der<br />

Handlung sowohl einen Vorgänger als auch einen Nachfol-<br />

5, 6 ger hat.<br />

3 An diesem Punkt tut sich auch die Frage auf, ob man im Falle von Dragonball<br />

überhaupt von „Gott“ sprechen kann. Zwar wird das Wort in der deutschen<br />

Übersetzung verwendet, im Original allerdings heißt die entsprechende Figur Kami-<br />

Sama (神様), wobei das Wort Kami auch als Bezeichnung <strong>für</strong> etwa Natur- oder<br />

Schutzgeister in der Japanischen Mythologie auftritt. (Siehe auch Vance 1983)<br />

4 Toriyama, Akira: Dragonball. Bd. 22. Hamburg: Carlsen Verlag. 1998.<br />

5 Vgl. Toriyama: Dragonball. Bd. 14. Kap. 164<br />

6 Dass die deutsche Übersetzung als „Gott“ nicht unproblematisch ist, sei an dieser<br />

Stelle der Vollständigkeit halber erwähnt, wird im Zuge dieses Aufsatzes nicht näher<br />

betrachtet werden, da die Problematik um das westliche Verständnis der japanischen<br />

Gottheiten, den Kami, wesentlich größer angelegte Arbeiten erfordert <strong>und</strong> bereits<br />

hervorgebracht hat. An dieser Stelle sei Timothy Vances Arbeit The Etymology of Kami<br />

(1983) als einführender Text herausgestellt.<br />

88


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Auch Son-Goku stammt ursprünglich von einem fernen<br />

Planeten, landet als Baby auf der Erde <strong>und</strong> wird als Findel-<br />

kind adoptiert. 7 Nachdem er sich als Kind den Kopf schwer<br />

stößt, vollzieht sich eine charakterliche Wandlung, <strong>und</strong><br />

das vormals rastlose <strong>und</strong> wütende Kind zeigt sich seither<br />

ruhig <strong>und</strong> gehorsam. Seine naive Art <strong>und</strong> Weltfremdheit,<br />

die daher rührt, dass er fernab aller Zivilisation mit seinem<br />

Ziehvater als einzige Bezugsperson aufwächst, bleiben ein<br />

wesentliches Merkmal der Figur über sämtliche Episoden<br />

der Geschichte hinweg. Son-Goku ist zunächst ein überna-<br />

türlich starkes Kind, das in der realen Welt verloren wirkt<br />

<strong>und</strong> durch seine forsche Art wiederholt in Probleme gerät.<br />

Seine naive Auffassung ist es allerdings auch, die ihn ethisch<br />

vertretbare Handlungen setzen lässt, ein Aspekt, der ihm<br />

von den anderen Charakteren durch seine Eigenschaft<br />

„reinen Herzens“ zu sein zugeschrieben wird. Dieses reine<br />

Herz ist auch der Gr<strong>und</strong>, weshalb er auf der Wolke Jindujun<br />

reiten kann, die ein Geschenk Gottes <strong>für</strong> Menschen reinen<br />

Herzens ist, ein Umstand, der ihn vom Großteil der anderen<br />

Charaktere in der Erzählung abhebt. 8<br />

Son-Gokus übermenschliche Stärke gepaart mit seinem<br />

kindlichen Gemüt rufen bei den anderen Figuren regelmä-<br />

ßig Verw<strong>und</strong>erung hervor: Selbst wenn die Lage noch so<br />

aussichtslos scheint, gibt sich Son-Goku niemals auf, stets<br />

getrieben von seinem Ehrgeiz, ein noch stärkerer Kämpfer<br />

zu werden. Besonders hervorgehoben sei hier jene Stelle im<br />

Kapitel 162 Das Geheimnis des Mönchsstabs, als er erfährt,<br />

dass er vermittels seines Stabes (ein Vermächtnis seines Groß-<br />

7 Vgl. Toriyama: Dragonball. Bd. 17<br />

8 Ebd. Bd. 1<br />

89


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

-vaters) vom Quittenturm aus in den Himmel gelangen<br />

kann, um dort mit Gott zu trainieren. 9 Son Goku stellt auf<br />

dem Quittenturm fest, dass er seinen Stab vergessen hat, <strong>und</strong><br />

macht sich hastig auf, diesen zu holen. Sämtliche Figuren,<br />

die er dabei antrifft, reagieren verblüfft, aber auch begeistert<br />

darüber, was der kleine Junge zu erreichen vermag. In sei-<br />

nem Ausruf „Ich gehe jetzt zu Gott! Bin bald wieder da!“ 10<br />

werden die wesentlichen Aspekte des Charakters manifest:<br />

Das Unmögliche ist <strong>für</strong> ihn möglich (Son-Goku trifft Gott),<br />

er stellt seine Kräfte stets in die Dienste der Menschheit (er<br />

geht in den Himmel, um seine Fre<strong>und</strong>e wieder lebendig zu<br />

machen <strong>und</strong> <strong>für</strong> den Kampf gegen das Böse in Gestalt von<br />

Oberteufel Piccolo gewappnet zu sein), <strong>und</strong> er tut all dies<br />

aus seinem kindlichen Antrieb heraus, der ihn Gutes tun lässt<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> das Böse unempfänglich macht.<br />

Son-Gokus persönliche Entwicklung ist stets an das<br />

Schicksal der Menschheit bzw. der Bewahrung selbiger vor<br />

der Vernichtung geb<strong>und</strong>en. Die Piccolo-Storyline ist die erste<br />

im Verlauf der Handlung, in der ein wesentlich übermächtiger<br />

<strong>und</strong> darüber hinaus absolut böser Feind auftritt. 11 In den<br />

Episoden davor gelang es Son-Goku immer Antagonisten,<br />

die von den anderen Menschen als Bedrohung empf<strong>und</strong>en<br />

wurden, zu besiegen <strong>und</strong> sie schließlich auch zu seinen Freun-<br />

den zu machen. In diesem Sinne ist Son-Goku tatsächlich<br />

eine Art Erlöser, ein Erwecker des Guten im Bösen.<br />

9 Ebd. Bd. 14<br />

10 Wiederum sei kurz auf die Übersetzung hingewiesen: In der englischen Übersetzung<br />

sagt Son-Goku etwa „I’m going to go see Kami-sama“. Da die deutschen Übersetzer<br />

allerdings wohl bewusst die problematische Übertragung des Namens gewählt haben,<br />

ist es legitim in der Rezeption primär von einer Bedeutungsebene auszugehen, die an<br />

westliche Konzepte Gottes anschließt, immerhin entsteht damit in der angesprochenen<br />

Szene ein Witz, der der deutschen Übersetzung eigen ist.<br />

11 Auszunehmen wäre hierbei die Auseinandersetzung mit dem Profikiller Tao Bai Bai<br />

(Dragonball, Bd. 8).<br />

90


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

In der Folge gelingt ihm dies auch im Falle Piccolos, der<br />

sich Son-Goku <strong>und</strong> seinen Fre<strong>und</strong>en schließlich anschließt,<br />

um gemeinsam einer größeren Macht (den Saiyajin) gegen-<br />

über zu treten. 12 Hierin zeigt sich, dass Dragonball keine<br />

absoluten Kategorien wie „Gut“ oder „Böse“ zugr<strong>und</strong>e<br />

liegen, sondern vielmehr formt die Ambivalenz zwischen<br />

den beiden Prinzipien eine Gr<strong>und</strong>säule des moralischen<br />

Verständnisses der Welt <strong>und</strong> somit der Menschen. Beide<br />

Prinzipien haben aneinander Teil <strong>und</strong> sind in einem Modus<br />

des ständigen Progresses verworren. Die Charaktere ändern<br />

sich, wachsen kontinuierlich an den Herausforderungen,<br />

die sich ihnen in den Weg stellen. Es gibt keine ethischen<br />

Apriorismen, es gilt das Primat der Beurteilung im Vollzug.<br />

Dennoch muss Dragonball nicht als eine Parabel auf den<br />

Utilitarismus gelesen werden, schließlich ist doch mit Son-<br />

Goku genau jene Figur herausragend <strong>und</strong> erfolgreich, die<br />

einen genuinen Altruismus praktiziert, indem sie in ihrer<br />

vermeintlichen Naivität die Ereignisse im Moment beurteilt,<br />

<strong>und</strong> nicht anhand vorausbestimmter Kategorien.<br />

3. Die gr<strong>und</strong>sätzliche Ambivalenz im Gottesbegriff<br />

von Dragonball<br />

Wer über den Gottesbegriff des Comics Dragonball schreiben<br />

will, sieht sich zunächst vor ein Problem gestellt: Existiert<br />

in Dragonball überhaupt ein Begriff des Göttlichen, wie wir<br />

ihn aus den monotheistischen Religionen kennen? – Neben<br />

einigen hier zu vernachlässigenden Aspekten umfassen<br />

deren gr<strong>und</strong>legende Dogmen immerzu die Lehre von der All-<br />

12 Vgl. Toriyama: Dragonball. Bd. 17<br />

91


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

macht Gottes, die sich aus seiner Einzigkeit speist. Gott kann<br />

keine Einschränkung, weder in Sachen seiner Handlungen,<br />

noch in Sachen seiner Existenz (sofern dieser Unterschied<br />

überhaupt besteht) in sich schließen. Belege hier<strong>für</strong> finden<br />

sich zumindest in Bezug auf die christliche Tradition von<br />

den frühen Kirchenvätern (vgl. Augustinus‘ Confessiones)<br />

über das Hochmittelalter (etwa Anselm von Canterburys<br />

Proslogion) <strong>und</strong> die frühe Neuzeit (Rene Descartes‘ Medita-<br />

tiones de prima philosophia) bis hin in die Moderne (Hegels<br />

<strong>Wissenschaft</strong> der Logik) <strong>und</strong> Zeitgeschichte (auch Gödels<br />

Gottesbeweis arbeitet mit diesem Dogma).<br />

Wer den Blick auf die Dragonball-Comics richtet, findet<br />

dort jedoch eine gewisse Ambivalenz vor, die – vordergründig<br />

oberflächlich – eine gewaltige theologische Sprengkraft in<br />

sich birgt, <strong>und</strong> eine der Gr<strong>und</strong>diskussionen der traditionellen<br />

Theologie aufwirft. Es handelt sich dabei um die alte Frage<br />

der Rechtfertigung des Bösen in der Welt angesichts der<br />

Allmacht Gottes (vgl. z.B. Leibniz‘ berühmte Theodizee). Der<br />

Gottesbegriff in Dragonball wird in Antithese zum Begriff des<br />

Bösen eingeführt, <strong>und</strong> lässt sich schließlich auf zwei Arten<br />

lesen, welche Ausdruck der erwähnten Ambivalenz sind.<br />

Die erste, angesichts klassischer Lehren unchristliche Art,<br />

versteht die beiden antithetischen Figuren, die im Comic <strong>für</strong><br />

das Göttliche <strong>und</strong> das Widergöttliche gelten als <strong>für</strong> sich selbst<br />

existente Wesenheiten, gleichsam als Gott <strong>und</strong> Gegengott.<br />

Letzterer, genannt „Oberteufel Piccolo“, wird zunächst als<br />

Repräsentant einer Unsterblichkeitssehnsucht eingeführt,<br />

welcher in zerstörerischer Weise die Herrschaft über die Welt<br />

an sich reißen will. Piccolo sagt über sich selbst: „Was ich mir<br />

wünsche, ist ewige Jugend. Wenn ich die habe, beherrsche<br />

92


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

ich die Welt <strong>für</strong> immer!“ 13 Protagonist Son-Goku will dies<br />

verhindern, ist auch erfolgreich <strong>und</strong> schlägt Piccolo. 14 Er<br />

müsse aber, um seine vom Oberteufel getöteten Fre<strong>und</strong>e<br />

wiederzubeleben, zu „Gott“ (zur Übersetzungsproblema-<br />

tik, siehe unten) gehen. 15 Dort erfährt Son-Goku, Piccolo<br />

habe aus sich selbst seinen Sohn geschaffen, der wiederum<br />

bemüht wäre, die Weltherrschaft zu übernehmen. Hierbei<br />

entsteht nun das Problem. Gott teilt Son-Goku mit, Piccolo<br />

<strong>und</strong> alle seine Nachkommen wären ursprünglich ein Teil seiner<br />

selbst gewesen, bevor er der Erdengott geworden sei. Er<br />

hätte alles Böse aus sich ausgesondert, um Gott zu werden.<br />

Dies Böse wurde in Piccolo manifest. Den Oberteufel (bzw.<br />

seine Nachkommen) zu töten, hieße auch, Gott zu töten.<br />

Beider Schicksale werden von Dragonball als untrennbar<br />

miteinander verwoben dargestellt, da sie am Ende beide<br />

eins <strong>und</strong> dasselbe seien. 16 Das Böse wird mithin einerseits<br />

als ein notwendiges Gegenprinzip zur göttlichen Güte<br />

betrachtet. Hierbei handelt es sich um diejenige Position, die<br />

in der christlichen Tradition etwa als Manichäismus bekannt<br />

ist. 17 Die Manichäer kannten zu Gott, dem Repräsentanten<br />

des Guten, ein Gegenprinzip als Repräsentanten des Bösen.<br />

Beiden Instanzen wurde selbstständige Existenz <strong>und</strong> Macht<br />

zugewiesen, <strong>und</strong> das Nichts der einen würde das Nichts der<br />

anderen bedeuten. Die Welt besteht geradezu aus dem ewi-<br />

gen Konflikt dieser beiden Seiten. Die durch Jesus Christus<br />

vermittelte endgültige Trennung von Gut <strong>und</strong> Böse (bzw. Licht<br />

<strong>und</strong> Finsternis) führt nicht zu einer Vernichtung einer der<br />

13 Ebd. Bd. 12. S.48<br />

14 Ebd. Bd. 13<br />

15 Ebd. Bd.14<br />

16 Vgl. Toriyama: Dragonball. Bd.14 S.119<br />

17 Vliet, Robert van: Der Manichäismus. Stuttgart: Urachhaus. 2007<br />

93


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

beiden Aspekte, sondern nur zu ihrer ewigen Trennung. Ein<br />

ähnliches Motiv tritt in Dragonball auf, insofern der endgül-<br />

tige Tod jedweder Inkarnation Piccolos auch den Tod Gottes<br />

bedeuten würde, ja beide sogar äußerlich gleich aussehen.<br />

Anstatt ihn zu töten, hatte man 18 Piccolo ursprünglich nur<br />

in einen Reiskocher gesperrt <strong>und</strong> im Meer versenkt, man<br />

könnte meinen, um ihn gleichsam ewig vom Göttlichen zu<br />

trennen. Dieser manichäistische Gr<strong>und</strong>gedanke lässt sich in<br />

Dragonball finden <strong>und</strong> ausweisen, insofern handelt es sich<br />

um im dogmatischen Sinne unchristliche Gottesbegriffe,<br />

die das Comic etabliert, da der Manichäismus schon früh als<br />

Häresie bezeichnet wurde (vgl. Augustinus: Confessiones),<br />

weil er Gott die Allmacht abspricht (auch der Gott in Dra-<br />

gonball ist weit entfernt davon, allmächtig zu sein, er kann<br />

sogar sterben).<br />

Die Sache gestaltet sich allerdings etwas komplexer.<br />

Man könnte nämlich nur dann von purem Manichäismus des<br />

Comics sprechen, wenn nicht der Hinweis Gottes stattgefun-<br />

den hätte, Piccolo wäre als das Böse aus Gott ausgeschie-<br />

den worden, damit dieser überhaupt Gott werden konnte.<br />

Beide haben also entgegen der manichäistischen Lesart<br />

keineswegs eine gleiche Daseinsberechtigung <strong>und</strong> bildeten<br />

<strong>für</strong>derhin entgegengesetzte Prinzipien. Stattdessen finden<br />

wir hier einen Gedanken, der sehr wohl v.a. in der christlichen<br />

Tradition großen Widerhall fand <strong>und</strong> von einer Reihe von<br />

Kirchenvätern, Theologen <strong>und</strong> Philosophen seit der Antike<br />

immer wieder affirmativ aufgenommen wurde. Es handelt<br />

sich dabei um dasjenige, das etwa Thomas von Aquin die<br />

berühmte Privatio Boni genannt hat (vgl. Thomas v. Aquin:<br />

18 Vgl. Toriyama: Dragonball. Bd. 13<br />

94


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Summa Theologiae). Das Böse ist in dieser Lesart nicht etwa<br />

ein Gegenprinzip zum Guten <strong>und</strong> zur Göttlichkeit, sondern<br />

eine bloße Mangelerscheinung dieses Göttlichen. Das betrifft<br />

vor allem die Existenz selbst. Was an der Allmacht des<br />

Göttlichen mangelt, tut dies dadurch, dass es <strong>für</strong> sich selbst<br />

weniger Existenz als Gott selbst hat, da es in seiner Existenz<br />

von anderem abhängig ist. Nur Gott genügt in seinem Sein<br />

sich selbst. Man kann nun die Darstellungen Dragonballs<br />

ebenso im Sinne dieses Privatio-Gedankens lesen. Piccolo<br />

tritt dabei gleichsam als Mangel Gottes auf, den dieser aus<br />

sich ausgeschieden hat, <strong>und</strong> dessen Manifestation das Böse<br />

in der Welt ist, das sich ständig erneuert (Jugendsehnsucht<br />

Piccolos). Dass das Göttliche nämlich in seiner Allmacht dem<br />

Bösen (als Mangel) doch überlegen sei, zeigt sich selbst in<br />

der Genealogie Gottes, wie sie Dragonball versteht. Der<br />

jetzige Gott sei nämlich selbst bereits ein Nachfolger eines<br />

ungenannten Gottes, der vor ihm geherrscht habe, als Pic-<br />

colo noch gar nicht existierte. 19 Ob jener alte Gott selbst<br />

auch eine Gegeninstanz hatte, erfahren wir nicht. Jedenfalls<br />

ist aber sicher, dass das Göttliche längere <strong>und</strong> mächtigere<br />

Existenz hat, als seine Mangelerscheinung, das Böse. Gott<br />

teilt überdies Son-Goku mit, in seinem Palast könne ihm<br />

Piccolo nichts anhaben. 20 Hierin schlägt sich die Privatio<br />

Boni am meisten nieder.<br />

Nun sind es jene beiden Positionen, einerseits der<br />

Manichäismus, andererseits die Privatio Boni im Gottesbegriff<br />

Dragonballs, die einander unvermittelt gegenüber stehen.<br />

19 Ebd. Bd.14<br />

20 Vgl. Toriyama: Dragonball. Bd. 14, S.126<br />

95


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Der Comic kann in seiner Darstellung des Göttlichen so oder<br />

so gelesen werden. So steht auch etwa die Frage nach dem<br />

Tod Gottes genau auf der Linie von einerseits Omnipotenz<br />

(Gott kann sich sogar selbst töten, indem Piccolo stirbt), <strong>und</strong><br />

andererseits Ohnmacht (Gott kann überhaupt sterben, was<br />

bereits Ausdruck eingeschränkter Allmacht ist).<br />

4. Der Tod in Dragonball<br />

Auch weil sich Dragonball potenziell an ein jüngeres<br />

Publikum richtet, ist der Tod zentraler Figuren naturgemäß<br />

ein heikles Thema. Während sich die Handlung in den ersten<br />

Episoden noch primär um die Suche nach den Dragonballs<br />

dreht, so rücken später immer mehr die Kämpfe des Son-<br />

Goku in den Vordergr<strong>und</strong>. Spätestens mit der Einführung von<br />

Piccolo wird Dragonball auch atmosphärisch etwas düsterer,<br />

<strong>und</strong> die Sterblichkeit der Hauptfiguren wird manifest. 21 Als<br />

Vehikel um diese zurückzubringen dient der Drache Shenlong,<br />

der später in der Handlung fast ausschließlich beschworen<br />

wird, um verstorbene Fre<strong>und</strong>e wieder zu beleben. 22 In der<br />

Storyline um Piccolo liegt hierin auch der Gr<strong>und</strong>, weshalb<br />

Gott Piccolo nicht vernichten kann: Da die Dragonballs eine<br />

Schöpfung Gottes sind, würden diese verschwinden, wenn<br />

Gott oder Piccolo sterben würden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> kann<br />

Gott auch keinen Suizid begehen, der zwar zur Folge hätte,<br />

dass Piccolo vernichtet würde, die Erde allerdings auch ohne<br />

Gott zurücklassen würde. 23<br />

Es ist eine sehr pragmatische, in der Logik Dragonballs<br />

21 Ebd. Bd.e 13 <strong>und</strong> 14<br />

22 Ebd. Bd. 16<br />

23 Ebd. Bd. 14<br />

96


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

auch schlüssige Argumentation gegen einen selbstver-<br />

schuldeten Tod Gottes, die ohne dogmatisch-moralischen<br />

Impetus auskommt, <strong>und</strong> fügt sich damit nahtlos in das inhä-<br />

rente System der Ambivalenz ein. Doch Gott ist nicht nur<br />

sterblich, er ist auch fehlbar: Er leidet unter der Tatsache,<br />

dass Piccolo, der aus ihm hervorging <strong>und</strong> in gewisser Hinsicht<br />

auch stets mit ihm verb<strong>und</strong>en bleibt, den Menschen Leid<br />

zufügt, <strong>und</strong> trägt aus diesem Gr<strong>und</strong> Selbstzweifel mit sich.<br />

Aus diesem Gedanken heraus entsteht auch seine Frage an<br />

Son-Goku, ob dieser ihm nicht als Erdengott nachfolgen<br />

möchte. 24 Natürlich lehnt Son-Goku dies in seiner kindlichen<br />

Beschaffenheit sofort ab, würde er sich im Himmel doch nur<br />

langweilen. Dennoch, das Bild eines sterblichen <strong>und</strong> auch<br />

fehlbaren Gottes ist ein wesentlicher Bruch mit den Got-<br />

tesauffassungen der westlichen Traditionen, die großteils<br />

einen unendlichen (unsterblichen) <strong>und</strong> ebenso unfehlbaren<br />

Gott kennen. Gott ist in Dragonball ein endliches Wesen<br />

(wie im Laufe der Handlung später klar wird außerirdischen<br />

Ursprungs), das leidet, lacht <strong>und</strong> über die Menschen wacht,<br />

ohne dabei jemals ein unantastbares Prinzip zu sein.<br />

Mit der Frage nach dem zumindest potentiellen Tod<br />

Gottes bzw. Piccolos steht auch der v.a. Piccolo antreibende<br />

Wunsch nach Unsterblichkeit in Zusammenhang. Die leibliche<br />

Unsterblichkeit spielt in der christlich-jüdischen Tradition<br />

eine große Rolle, sowohl im Alten, als auch im Neuen Testa-<br />

ment. Ersteres präsentiert das Streben nach Unsterblichkeit<br />

als gerade Manifestation der (Erb)Sünde, ist es doch dieses<br />

Streben, welches keinen anderen Wunsch darstellt, als zu<br />

sein wie Gott. So sprechen die Texte der Genesis in diesem<br />

24 Ebd. Bd. 17 (Kap. 193)<br />

97


K O B U K 1 2 0 1 1<br />

Zusammenhang davon, der Mensch sei „geworden wie wir<br />

(Gott – Anm. d. Autors), er erkennt Gut <strong>und</strong> Böse. Dass er<br />

jetzt nicht die Hand ausstreckt, auch vom Baum des Lebens<br />

nimmt, davon isst <strong>und</strong> ewig lebt!“ 25 . Die Unsterblichkeit wird<br />

von der Genesis als Verbot an den Menschen präsentiert.<br />

Man muss sogar einsehen, dass die Erkenntnis des Guten<br />

<strong>und</strong> Bösen überhaupt erst das Streben nach Unsterblich-<br />

keit initiiert, Adam <strong>und</strong> Eva haben nicht zuerst vom Baum<br />

des Lebens gegessen. Ebenso verhält es sich mit Piccolo in<br />

Dragonball als derjenigen Instanziierung des Bösen, deren<br />

einziges Streben in demjenigen nach ewiger Jugend besteht.<br />

Im Anschluss an das Verbot der Unsterblichkeitsbestrebung<br />

im Alten Testament entwickelt das Neue Testament das<br />

Problem weiter. Konsequent wird der Bogen weitergeführt,<br />

ewiges Leben von dem alttestamentlichen Verbotsgedan-<br />

ken transformiert in etwas, das der Mensch sich nicht selbst<br />

aneignen kann, sondern das als Geschenk von Gott kommt.<br />

„Vater, die St<strong>und</strong>e ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der<br />

Sohn dich verherrliche; denn du hast ihm Macht gegeben<br />

über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen,<br />

die du ihm gegeben hast. Das ist aber das ewige Leben, daß<br />

sie dich, der du allein wahrer Gott bist, <strong>und</strong> den du gesandt<br />

hast, Jesus Christus, erkennen.“ 26 Schon zuvor lesen wir:<br />

„Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebo-<br />

renen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren<br />

werden, sondern das ewige Leben haben.“ 27 An anderer<br />

Stelle fragt Petrus: „… wir haben alles verlassen <strong>und</strong> sind dir<br />

25 Gen 3, 22<br />

26 Joh. 17, 1-3<br />

27 Joh. 3, 16<br />

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nachgefolgt; was wird uns da<strong>für</strong> gegeben?“ 28 <strong>und</strong> Jesus<br />

antwortet: „Und wer Häuser oder Brüder oder Schwestern<br />

oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verläßt um<br />

meines Namens willen, der wird’s h<strong>und</strong>ertfach empfangen<br />

<strong>und</strong> das ewige Leben ererben.“ 29<br />

Der Zusammenhang zwischen Altem Testament (Unsterb-<br />

lichkeit als Verbot) <strong>und</strong> Neuem Testament (Unsterblichkeit<br />

als Geschenk) tritt auch in Dragonball auf. Es ist der altte-<br />

stamentlich motivierte Piccolo, der als Instanz des Bösen<br />

nach Unsterblichkeit strebt <strong>und</strong> sie sich selbst aneignen will,<br />

während Gott Son-Goku nach dem Sieg über Piccolos Nach-<br />

kommen von sich aus anbietet, der nächste Gott <strong>und</strong> damit<br />

sein Nachfolger zu werden. 30 Gegen einen zu christianise-<br />

renden Gedanken spricht nun wieder die oben angemerkte<br />

Ambivalenz, dass in Dragonball selbst das Göttliche sterben<br />

kann, <strong>und</strong> daher in diesem Sinne gar keine Unsterblichkeit<br />

schenkt, bzw. seine Unsterblichkeit im ewigen Austausch<br />

Gottes selbst begriffen ist. Wollte man eher diesen Strang<br />

verfolgen, wäre von einer christlichen-jüdischen Lesart<br />

von Dragonball Abstand zu nehmen, <strong>und</strong> stattdessen etwa<br />

hinduistische Motive darin zu verorten, insofern das Gött-<br />

liche sich offenbar durch einander abwechselnde Avatare<br />

manifestiert. Das Konzept des avatarâ begegnet uns etwa in<br />

der Bhagavad Gita. „Obgleich ich ungeboren bin, weil mein<br />

Selbst unzerstörbar ist, obwohl ich der Herr der Wesen bin,<br />

verfüge ich doch über meine eigene Natur <strong>und</strong> entstehe<br />

so durch meine Schöpfermacht stets neu.“ 31 Auch unter<br />

28 Mt. 19, 27<br />

29 Mt. 19, 29<br />

30 Toriyama: Dragonball. Bd.17, S.34<br />

31 Baghavad Gita, K.4 Strophe 6<br />

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diesem fernöstlichen Kontext ließe sich der Gottesbegriff<br />

in Dragonball rekonstruieren. Diese Bezüge sind natürlich<br />

nicht zu vernachlässigen, sollen aber hier wie alles andere<br />

nur Erwähnung finden.<br />

5. Dragonball <strong>und</strong> die Apokalypse<br />

Stattdessen sei noch etwas zur Figur Son-Gokus gesagt, die<br />

zumindest in christlicher Lesart große Relevanz <strong>für</strong> die Dar-<br />

stellung des Göttlichen hat. Neben dem auch auftretenden<br />

buddhistischen Aspekt, der ihn im Rahmen einer ersten<br />

Leid- <strong>und</strong> Begrenztheitserfahrung (als Kind stößt er sich den<br />

Kopf) 32 Mitleid <strong>für</strong> die Menschen entwickeln lässt: inwieweit<br />

existieren Parallelen zwischen Jesus Christus <strong>und</strong> Son-Goku<br />

in der Form des menschlichen Vermittlers der Göttlichkeit?<br />

Hierbei ist weniger an die Darstellungen von Leben <strong>und</strong><br />

Passion Christi in den Evangelien zu denken, als vielmehr an<br />

die Ausführungen der Offenbarung des Johannes am Ende<br />

des Neuen Testaments. Durch Dragonball zieht sich nämlich<br />

eine ähnliche Motivik des Unterganges <strong>und</strong> der Rettung der<br />

Welt, wie dies in der christlichen Endzeiterzählung der Fall<br />

ist. Ständig sehen sich die Protagonisten, allen voran Son-<br />

Goku, vor die Aufgabe gestellt, den Fall der gesamten Welt<br />

durch einen übermächtigen Widersacher zu verhindern. Diese<br />

apokalyptische Szenerie erlaubt Bezüge zur Offenbarung<br />

des Johannes. So liest man, was eine starke szenische Par-<br />

allele darstellt, in der Apokalypse: „Und ich sah, <strong>und</strong> siehe,<br />

eine weiße Wolke. Und auf der Wolke saß<br />

32 Toriyama: Dragonball. Bd.17, S.67f<br />

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einer, der gleich war einem Menschensohn.“ 33 Auch Son-Goku<br />

reist <strong>und</strong> reitet auf einer Wolke zu denjenigen Destinationen,<br />

an denen er die Welt zu retten hat.<br />

Auf der anderen Seite lässt sich die Darstellung Piccolos<br />

ganz in Richtung der christlichen Offenbarung vom Ende<br />

aller Tage auslegen. Der Oberteufel erhält in Dragonball die<br />

von ihm ersehnte ewige Jugend durch den Drachen Shen<br />

Long. 34 Hierdurch erfährt er einen ungemeinen Anstieg an<br />

Macht. „Und die ganze Erde w<strong>und</strong>erte sich über das Tier,<br />

<strong>und</strong> sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Macht<br />

gab, <strong>und</strong> beteten das Tier an <strong>und</strong> sprachen: Wer ist dem<br />

Tier gleich <strong>und</strong> wer kann mit ihm kämpfen?“ 35 Das auch in<br />

Dragonball omnipräsente Motiv des Kampfes wird in der<br />

Offenbarung weiter ausgeführt. Zuvor mag allerdings der<br />

Hinweis angebracht sein, dass jenes „Tier“ aus dem Meer<br />

auf die Erde steigt. 36 Das gilt ebenfalls <strong>für</strong> den Oberteu-<br />

fel, welcher, um die Macht über die Welt an sich zu reißen<br />

(welches in der Johannesoffenbarung das Projekt Satans ist),<br />

aus seiner Gefangenschaft im Meer emporsteigt. 37 Wie im<br />

Comic ist es in der Apokalypse nicht Gott selbst, der gegen<br />

seinen Widersacher kämpft. Mit „Widersacher“ ist nicht nur<br />

Piccolo selbst gemeint, sondern auch dessen Nachfolger, so<br />

wie es auch Johannes von einem zweiten Tier spricht. „Und<br />

ich sah ein zweites Tier aufsteigen aus der Erde; das hatte<br />

zwei Hörner wie ein Lamm <strong>und</strong> redete wie ein Drache, <strong>und</strong><br />

es übt alle Macht des ersten Tieres aus vor seinen Augen,<br />

<strong>und</strong> es macht, daß die Erde <strong>und</strong> die darauf wohnen, das<br />

33 Offb. 14,14<br />

34 Toriyama: Dragonball. Bd.13, S.44ff<br />

35 Offb. 13,4<br />

36 Offb. 13.1<br />

37 Vgl. Toriyama: Dragonball. Bde. 12 <strong>und</strong> 13<br />

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erste Tier anbeten, dessen tödliche W<strong>und</strong>e heil geworden<br />

war.“ 38 Der von Son-Goku besiegte Piccolo (tödliche W<strong>und</strong>e)<br />

bringt seine eigene Verdopplung in seinem Sohn hervor,<br />

<strong>und</strong> gestaltet sich hierdurch wiederum zum Antagonisten<br />

(Heilen der W<strong>und</strong>e).<br />

Der alles entscheidende Kampf findet schließlich zwi-<br />

schen dem Menschensohn (auch „das Lamm“ genannt) <strong>und</strong><br />

dem Tier, 39 d.h. zwischen Son-Goku <strong>und</strong> Piccolo bzw. dessen<br />

Reinkarnation statt. Wie in Dragonball kämpft Gott nicht<br />

selbst als Gott, sondern durch seinen Mittler. Dies könnte nun<br />

erneut hin auf die Frage eines omnipotenten oder in seiner<br />

Macht beschränkten Gott (s.o.) gedeutet werden. In der<br />

Apokalypse jedenfalls lässt sich lesen: „Denn der Herr, unser<br />

Gott, der Allmächtige, hat das Reich eingenommen.“ 40 Ob<br />

sich dies im Comic genauso verhält, wurde durch die oben<br />

angezeigte Ambivalenz im Gottesbegriff problematisiert.<br />

Wie in Dragonball triumphiert letztendlich der Menschen-<br />

sohn über seinen Widersacher <strong>und</strong> dessen verschiedene<br />

Erscheinungsformen: „Und der Teufel, der sie verführte,<br />

wurde geworfen in den Pfuhl von Feuer <strong>und</strong> Schwefel, wo<br />

auch das Tier <strong>und</strong> der falsche Prophet waren; <strong>und</strong> sie werden<br />

gequält werden Tag <strong>und</strong> Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ 41<br />

Gleich dem Oberteufel Piccolo wird Gottes Widersacher in<br />

der Apokalpyse also auch nicht einfach völlig ausgelöscht,<br />

sondern von Ewigkeit zu Ewigkeit eingesperrt.<br />

38 Offb. 13,11-12<br />

39 Offb. 17,14<br />

40 Offb. 19,6<br />

41 Offb. 20,10<br />

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6. Eine Welt ohne Katharsis?<br />

Die gesamte Handlung in Dragonball gliedert sich in meh-<br />

rere einzelne Episoden, an deren Anfang sich die Protago-<br />

nisten stets vor einer unüberwindbar scheinenden Aufgabe<br />

sehen, dann Wege finden sich darauf vorzubereiten <strong>und</strong><br />

schließlich überwinden können. Diese Herausforderungen<br />

bedingen immer einen Fortschritt als Kämpfer, vor allem in<br />

der Figur des Son-Goku, der seine Grenzen immer wieder<br />

auf ein Neues zu überwinden vermag. Es ist eine laufende<br />

Geschichte eines wachsenden Potenzials analog zu einer<br />

wachsenden Herausforderung.<br />

Son-Goku kennt keine Selbstaufgabe, wird immer getrie-<br />

ben vom unbedingten Willen, ein stärkerer Kämpfer zu<br />

werden. Es gibt keine Stelle im Verlauf der Geschichte, an<br />

der er aufhört, an sich selbst zu arbeiten <strong>und</strong> sich in eine<br />

Stagnation fügt, ein Umstand, der bei vielen anderen Figuren<br />

– einschließlich ehemaliger Antagonisten, deren Kraft einst<br />

die Son-Gokus überragte – sehr wohl eintritt. Dieses ständige<br />

Überwinden der eigenen Unzulänglichkeit versetzt Son-<br />

Goku, oberflächlich betrachtet, in einen ständigen Zustand<br />

der Unzufriedenheit. Offensichtlich aber, das lehrt uns die<br />

Erfahrung der Lektüre von Dragonball, kann dieser nicht an<br />

den normativen Kriterien der Gesellschaft bemessen wer-<br />

den. Vielmehr ist es so, dass er das herkömmliche Gefühl<br />

der Unzufriedenheit gar nicht kennt, bestimmt ihn doch<br />

fast ausschließlich der Wille zur eigenen Fortentwicklung<br />

als Kämpfer. Allerdings weist er moralisches Empfinden auf,<br />

übernimmt Verantwortung <strong>für</strong> das Wohl der Menschheit <strong>und</strong><br />

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später auch <strong>für</strong> seine Frau <strong>und</strong> seine Kinder. 42<br />

In dieser Konstellation ist die Frage interessant, ob es im<br />

Horizont der Figur Son-Goku so etwas wie eine Katharsis gibt,<br />

eine Art Punkt, an dem sich die Spannungen der ständigen<br />

Herausforderung <strong>für</strong> einen Moment lösen. Hier lässt sich eine<br />

weitere Differenz zu westlichen Erzählungen aufmachen: Eine<br />

solche Katharsis wird in der durchwegs ambivalenten Welt<br />

Dragonballs nicht benötigt. Die Spannung erfährt, zumindest<br />

in Gestalt der Hauptfigur, niemals Auflösung, weil die Kate-<br />

gorien des Absoluten, die eine solche Spannung überhaupt<br />

bedingen, niemals in den Vordergr<strong>und</strong> rücken. Es ist keine<br />

Geschichte der ständigen Bedrohung, der Angst vor dem<br />

Scheitern, es ist eine durchwegs affirmative Schilderung<br />

des individuellen Wachstums eines einzigartigen Menschen<br />

(bzw. anthropomorphen Wesens), dessen kindliches Gemüt<br />

uns (<strong>und</strong> die Figuren, die ihm begegnen) schmunzeln lässt,<br />

ja ihn belächeln lässt, gleichzeitig aber auch Ursprung all<br />

seines Potenzials ist. Es braucht keine Katharsis im drama-<br />

turgischen Sinne, weil die Beschaffenheit des Protagonisten<br />

eine solche von vornherein unerheblich werden lässt.<br />

Verstehen wir die Katharsis als Läuterung der Figuren,<br />

in dem Sinne, dass sie sich vom Schlechten (egozentrisches,<br />

asoziales Verhalten) zum Guten (selbstloses, altruistisches<br />

Verhalten) hinwenden, so stoßen wir auch hier auf eine ambi-<br />

valente Darstellung im Narrativ Dragonballs: Die Figuren<br />

ändern sich innerhalb der Möglichkeiten ihres persönlichen<br />

Progresses innerhalb der Handlung. Gewisse Ereignisse <strong>und</strong><br />

Zusammenkünfte lassen sie, mehr oder weniger offenk<strong>und</strong>ig<br />

<strong>für</strong> den Leser, ihre Positionen überdenken, verändern ihre<br />

42 Vgl. Toriyama: Dragonball. Bd 17<br />

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Perspektiven <strong>und</strong> damit ihr Verhalten. Wie bereits erwähnt<br />

gibt es in Dragonball praktisch keine ausschließlich bösen<br />

Charaktere, sie alle sind viel eher Kind ihrer Umstände, <strong>und</strong><br />

werden durch die Verbesserung selbiger (meist geb<strong>und</strong>en<br />

an die Person Son Goku) auch zu anderen, besseren Men-<br />

schen bzw. Lebewesen.<br />

Der Umstand, dass in Dragonball vielfach auf einen Rück-<br />

griff auf vorhandene Kategorien <strong>und</strong> Klischees verzichtet wird,<br />

macht die Lektüre, insbesondere aus westlicher Perspektive,<br />

ausgesprochen interessant <strong>und</strong> bietet Anschlussmöglich-<br />

keiten <strong>und</strong> Anstöße, um die eigenen Moralitätshorizonte zu<br />

reevaluieren.<br />

LITERATUR:<br />

Die Bibel. Freiburg: Herder. 2005<br />

Das Neue Testament. Nestle/Aland (Hg.). Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft. 1993<br />

Baghavad Gita. Frankfurt am Main/Leipzig: Verlag der Weltreligionen. 2007<br />

Toriyama, Akira: Dragonball. 42 Bde. Hamburg: Carlsen Verlag. 1997-2000<br />

Augustinus: Confessiones. Stuttgart: Reclam. 2009<br />

Anselm von Canterbury: Proslogion. Stuttgart: Reclam. 2005<br />

Thomas von Aquin: Summa Theologiae. 3 Bde. Stuttgart: Kröner. 1985<br />

Descartes, René: Meditationes. Hamburg: Meiner. 1993<br />

Leibniz, G.W.: Theodizee. Berlin: Suhrkamp. 1996<br />

Hegel, G.W.F.: <strong>Wissenschaft</strong> der Logik. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1986<br />

Vliet, Robert van: Der Manichäismus. Stuttgart: Urachhaus. 2007<br />

Allerlei Monster (Kurzrezension). In KulturSPIEGEL Ausgabe 10/1997. S. 41. Siehe:<br />

http://www.spiegel.de/spiegel/kulturspiegel/d-8786582.html (Zuletzt eingesehen<br />

am 29.11.2010)<br />

Comic: Der Manga-Boom: Die Superhelden haben ausgedient. In: Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung vom 2.6.2002. Siehe: http://www.faz.net/-00pr0s (Zuletzt<br />

eingesehen am 29.11.2010)<br />

Anime <strong>und</strong> Manga. Jugendszenen.com – Das Portal <strong>für</strong> Szenenforschung. Technische<br />

Universität Dortm<strong>und</strong>. Siehe: http://www.jugendszenen.com/Cosplay/Anime-<strong>und</strong>-<br />

Manga.html (Zuletzt eingesehen am 29.11.2010)<br />

105

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