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quellen zum Thema Physio - Physio Austria

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FoTo: THZ<br />

P.b.b. · Verlagspostamt 1060 Wien · 02Z031875 M · 6 Euro<br />

inform exklusiv<br />

Nur in der Ausgabe für Mitglieder<br />

von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> enthalten:<br />

12 Seiten Berufspolitik, Tipps und<br />

Services für <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

Zeitschrift von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, dem Bundesverband<br />

der <strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />

Nr. 1 · Februar 2011<br />

<strong>Physio</strong>therapie<br />

nach Schlaganfall<br />

Die Neurorehabilitation ist integrierter Bestandteil<br />

der Behandlung nach Schlagan fällen. Und<br />

innerhalb dieser spielt die <strong>Physio</strong>therapie eine<br />

zentrale Rolle. Durch gezielte Therapien können<br />

noch Jahre nach einem Insult entscheidende<br />

Besserungen erzielt werden. »<br />

inform


Redcord ® (bekannt geworden unter<br />

dem Namen TerapiMaster) ist der<br />

Marktführer für die Themen<br />

Neuromuskuläre Aktivierung<br />

(NEURAC ® ), Gelenkstabilisation<br />

durch Training der Muskelschlingen.<br />

Redcord ® Medical startet mit<br />

mehreren Innovationen in<br />

Österreich:<br />

Redcord ® • Stimula als Ergänzung<br />

der Redcord ® Workstation<br />

Redcord ® • Workstation II –<br />

die perfekte „3te Hand“ mit drei<br />

Trainingsgeräten in einem<br />

Redcord ® • – Der Standard im<br />

internationalen Medical Markt<br />

Führende Sportmediziner und<br />

<strong>Physio</strong>therapeuten empfehlen<br />

Redcord ® als Standard für<br />

Prävention und Therapie.<br />

‚ad-rem-team – therapie4you’<br />

ist offizieller Redcord ® -Partner<br />

für den Medical Markt<br />

Österreich.<br />

AD REM TEAM • Gesellschaft für innovative Medizinprodukte und Dienstleistungen GmbH<br />

A-1030 Wien • Auenbrugger Gasse 2/11 • Tel. 01-710 31 65 • therapie4you@ad-rem-team.com<br />

Mit System verbunden:<br />

www.redcord.at<br />

BEZAHlTE ANZEIgE


Impressum<br />

Medieninhaber, Herausgeber<br />

und Redaktion<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, Bundesverband der<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />

linke Wienzeile 8/28, A­1060 Wien<br />

Tel. (01) 587 99 51­0, Fax DW­30<br />

www.physioaustria.at<br />

ZVR 511125857<br />

Geschäftsführung:<br />

Mag. Stefan Moritz, MSc,<br />

stefan.moritz@physioaustria.at<br />

Ressort Berufspolitik:<br />

Mag. Nicole Muzar, PT,<br />

nicole.muzar@physioaustria.at<br />

Ressort Berufspolitik-Medizinrecht:<br />

Mag. Agnes görny,<br />

agnes.goerny@physioaustria.at<br />

Ressort Bildung:<br />

Mag. Eva Eisl,<br />

Elisabeth Wilfinger,<br />

bildungsreferat@physioaustria.at<br />

Ressort Administration:<br />

Petra Ritzal, info@physioaustria.at,<br />

Eva Maierhofer, office@physioaustria.at<br />

Bibliothek: Donnerstag 15.00–18.00 h<br />

bibliothek@physioaustria.at<br />

Öffentlichkeitsarbeit:<br />

Constance Schlegl, PT<br />

Telefon: (0699) 1587 99 59<br />

oeffentlichkeitsarbeit@physioaustria.at<br />

Koordinatorin f. d. extramuralen Bereich:<br />

Ute Eberl, MSc, PT<br />

Telefon: (0699) 12587326<br />

ute.eberl@physioaustria.at<br />

Redaktionsschluss: Beiträge, Inserate<br />

und bezahlte Anzeigen für das mit<br />

Monats beginn er scheinende inform<br />

müssen bis spätestens 5. des Vormonats<br />

im Verbandsbüro eingelangt<br />

sein. Ist dieser Tag ein Samstag, Sonnoder<br />

Feiertag, so gilt der nächste darauf<br />

folgende Werktag.<br />

Weitere MitarbeiterInnen<br />

dieser Ausgabe:<br />

Mag. Regina Aistleithner, PT<br />

Bernd Anderseck, MSc, PT<br />

Prim. Univ.­Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Brainin<br />

günter Ernst<br />

Dr. Michael Freilinger<br />

Valid Hanuna, PT<br />

Christian Körner, PT<br />

gerald Schnell, PT<br />

Chefredakteur: otto Havelka<br />

(RHIZoM PR), Telefon (02230) 2791,<br />

Fax DW­27, E­Mail havelka@rhizom.at<br />

Gestaltung: Markus Hörl,<br />

Julia Kerschbaumer, www.designpraxis.at<br />

Mitarbeit: Andrea Reynolds<br />

Fotos: Helmut Wallner /<br />

© <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, ausgenommen:<br />

wo gesondert angegeben<br />

Farbkorrektur und Retusche:<br />

Helmut Wallner<br />

Druck: Schmidbauer gmbH<br />

Wiener Straße 103, 7400 oberwart<br />

Bezugspreise: Einzelheft: 6 Euro;<br />

Abo (5 Ausgaben/Jahr): 28 Euro<br />

(Inland), 48 Euro (Ausland).<br />

Storno: schriftlich 2 Monate vor<br />

Ablauf des Abos.<br />

Editorial<br />

50 Jahre <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />

Ich nehme an, es ist Ihnen schon aufgefallen: die Titelseite des ersten „inform“ im neuen<br />

Jahr ziert ein „neues“, geschmücktes <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>­logo. – Der Bundesverband der<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs feiert sein 50­jähriges Bestehen.<br />

Am 30. Mai 1961 wurde erstmals die Eintragung des Verbandes von der Bundespolizeidirektion<br />

amtlich bestätigt.<br />

Aus dem damals kleinen Verein ist im laufe eines halben Jahrhunderts eine stattliche organisation<br />

mit knapp 4500 Mitgliedern geworden. Aus einem Beginn ohne Ressourcen,<br />

MitarbeiterInnen und Infrastruktur und nur einer Postadresse, die mit der damaligen<br />

<strong>Physio</strong>therapieschule im Allgemeinen Krankenhaus ident war, entwickelte sich eine professionelle<br />

organisation mit einem repräsentativen Verbandsbüro einschließlich einem<br />

hochklassigen Schulungszentrum mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern . Und aus<br />

dem ehemals Assistenzberuf ist ein eigenständiger akademischer gesundheitsberuf<br />

„<strong>Physio</strong>therapeutIn“ geworden.<br />

Eine liste markanter Entwicklungen und Ereignisse, fachlicher und berufspolitischer<br />

Highlights sowie verdienstvoller MitarbeiterInnen und unermüdlicher KämpferInnen<br />

in Sachen <strong>Physio</strong>therapie während der vergangenen 50 Jahre würde Bände füllen.<br />

Anlässlich des Jubiläums wird es auch die Aufgabe von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> sein, diese<br />

Meilensteine der <strong>Physio</strong>therapie in Österreich in straffer Form zu dokumentieren und zu<br />

präsentieren.<br />

Nicht, um selbstzufrieden der Vergangenheit zu huldigen, sondern um aufzuzeigen,<br />

welche unverzichtbare Rolle die <strong>Physio</strong>therapie für die Menschen und im gesundheitswesen<br />

einnimmt. Und es wird auch unsere Aufgabe sein, mit dem Rückblick einen<br />

starken Fokus auf die Zukunft der <strong>Physio</strong>therapie in Österreich zu richten.<br />

Salopp gesagt: Mit 50 Jahren steht ein einzelner Mensch mitten im leben. Eine<br />

organisation wie <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> tritt in dem Alter gerade zur Reifeprüfung an. letzteres<br />

ist üblicherweise der Zeitpunkt, wo einen alle fragen „und was willst du werden?“.<br />

Ich will auch die Antwort darauf einmal salopp formulieren: Ich will, dass bei allen<br />

Menschen ‚<strong>Physio</strong>therapie’ der erste gedanke ist, wenn es um gesunde Bewegung geht.<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen sind die SpezialistInnen für Bewegung.<br />

Silvia Mériaux­Kratochvila, M.Ed., PT<br />

Präsidentin<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 3


Inhalt<br />

<strong>Physio</strong>therapie<br />

nach Schlaganfall<br />

Schwerpunktthema<br />

<strong>Physio</strong>therapie in der chronischen Phase nach Hirnschlag<br />

Es geht immer noch was 5<br />

<strong>Physio</strong>therapie in der Behandlung des Insult<br />

Konzepte, Evidenz und Leitlinien 7<br />

Ambulante Spätrehabilitation<br />

Hier haben die TherapeutInnen das Sagen 8<br />

Interview: DI günther lenhart<br />

Manche Verrechnungsweisen sind widersinnig 10<br />

Case­ und Caremanagement<br />

ManagerInnen für die Rückkehr ins soziale Leben 11<br />

Der kindliche Insult<br />

Wer denkt schon an die Möglichkeit eines Schlag anfalls … 12<br />

Interview: Brigitte Führer<br />

Es ist fast immer Langzeittherapie nötig 14<br />

Stroke Units<br />

Die Neurorehabilitation ist ein Standbein der<br />

Allgemeinneurologie 15<br />

Der zerebrale Insult<br />

Was PatientInnen wissen sollten 17<br />

literatur und Kurse <strong>zum</strong> Schwerpunktthema<br />

Aktuelle Literatur <strong>zum</strong> Schwer punkt thema in der <strong>Physio</strong><br />

<strong>Austria</strong>-Bibliothek 18<br />

Diplomarbeiten <strong>zum</strong> Schwer punkt thema 18<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>-Kurse 2011 <strong>zum</strong> Schwer punkt thema 18<br />

Wissenschaft & Forschung<br />

Fachtagung 2011: „Lebensqualität am Lebensende –<br />

<strong>Physio</strong>therapie in End of Life Care“ 19<br />

Der 4. Universitätslehrgang für Sportphysiotherapie startet<br />

im Herbst 2011 19<br />

Forschungsstrategie für gesundheitsberufe<br />

Eine Vision bis 2020 20<br />

Europäische Standards für physiotherapeutische Leistungen 20<br />

2nd Conference on Clinical guidelines – Amsterdam<br />

Europäische Strategie ist noch Zukunftsmusik 21<br />

Gesundheitspolitik<br />

Mutter­Kind­Pass<br />

Forderung nach physiotherapeuti scher Betreuung 22<br />

Neuerungen in der WgKK<br />

WGKK vergibt Verträge für die Behandlung von Kindern 23<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />

ExpertInnen im gespräch<br />

Forschung als selbstverständlicher Teil physiotherapeutischer<br />

Arbeit 25<br />

Bildung<br />

FH Joanneum graz<br />

<strong>Physio</strong>therapie meets American Football 28<br />

FoTo: BERND ANDERSECK KlINIK VAlENS CH<br />

In der akuten Phase ist die positive<br />

Wirkung der „Stroke Units“ gut<br />

belegt 3 . Es ist auch klar, dass die<br />

Erstrehabilitationsmaßnahmen,<br />

bei denen es vor allem darum geht,<br />

dass der/die PatientIn das Laufen<br />

wiedererlernt und im Alltag vor<br />

allem im Primärbereich wieder<br />

funktioniert, sinnvoll sind. Was aber<br />

passiert in der chronischen Phase die je<br />

nach Definition nach drei bis sechs Monaten<br />

beginnt? gibt es dort auch Nachweise,<br />

dass <strong>Physio</strong>therapie wirkt?<br />

Der größte Teil der <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />

die in der Neurologie arbeiten, behandeln<br />

schon lange HirnschlagpatientInnen auch<br />

in der chronischen Phase und wissen,<br />

dass sich auch dort gute Erfolge erzielen<br />

lassen. Ein wichtiger Aspekt, um diese<br />

Erfolge herauszufiltern, ist die richtige Auswahl<br />

der Assessments. Nicht immer sind<br />

die standardisierten Assessments, z.B.<br />

Chedoke Mc Master Stroke Assessment<br />

oder Tinetti Test sensibel genug um kleinere<br />

Veränderungen zu messen. Eine klare<br />

Zielformulierung zu Beginn der Therapie ist<br />

hier von Vorteil.<br />

Die Einbeziehung der PatientInnen<br />

in diese Formulierung ist hier wichtig.<br />

Ein geeignetes Instrument ist die goal<br />

Attainment Scale 4 . Das Besondere an der<br />

„gAS“ ist, dass PatientIn und TherapeutIn<br />

gemeinsam bestimmen, welches Ziel sie<br />

erreichen wollen, und gemeinsam auswerten,<br />

ob sie das Ziel erreicht haben. Somit<br />

überträgt man den PatientInnen mehr<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 4


Selbstverantwortung (Empowerment). Im<br />

gespräch mit den PatientInnen findet man<br />

erreichbare Ziele, die aus den Problemen<br />

und Einschränkungen im Alltag resultieren.<br />

Die Ziele sind in der Regel Aktivitäten des<br />

täglichen lebens. Es sind aber auch Ziele<br />

für Körperstrukturen und Körperfunktionen<br />

möglich. Man kann sowohl quantitative<br />

als auch qualitative Merkmale definieren.<br />

Wichtig ist, dass die Ziele möglichst<br />

konkret formuliert werden und überprüfbar<br />

sind 5 . Die gAS bietet sich also an, weil<br />

· sie sich individuell anpassen lässt<br />

· sie sich an den Zielen des/der PatientIn<br />

orientiert und<br />

Schwerpunktthema <strong>Physio</strong>therapie in der chronischen Phase nach Hirnschlag<br />

Es geht immer<br />

noch was Info-Tipp<br />

Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache weltweit und die zweithäufigste<br />

in Europa 1 . In Österreich allein erleiden jedes Jahr cirka 20.000 Menschen einen<br />

Hirnschlag und das kumulative Erkrankungsrisiko bis <strong>zum</strong> 84. Lebensjahr<br />

beträgt 25 Prozent. In den ersten vier Wochen sterben 15–20 Prozent, rund.<br />

50.000 Menschen leiden in Österreich unter den Folgen eines Hirnschlages. Im<br />

Rahmen der Altersentwicklung unserer Gesellschaft ist eine weitere deutliche<br />

Zunahme dieser Erkrankungen zu erwarten. Die Kosten die durch Hirnschläge<br />

entstehen sind immens, vor allem auch durch <strong>zum</strong> Teil erhebliche körperliche<br />

und kognitive Behinderungen, die durch die Hirnschädigung entstehen 2 .<br />

· sie ein zuverlässiges, empfindliches und<br />

aussagekräftiges Assessment ist.<br />

Was ist die Grundlage des Handelns<br />

in der <strong>Physio</strong>therapie beim Hirnschlag<br />

in der chronischen Phase?<br />

Eine grundlage ist die Neuroplastizität,<br />

die lebenslang besteht. Dort gibt es eine<br />

Fülle von Untersuchungen. Ramachandran,<br />

Frakowiak, Weiler, Nudo, Ward, liepert,<br />

Merzernich und andere haben gezeigt,<br />

dass sich unser gehirn laufend an Veränderungen,<br />

die aus der Umwelt kommen,<br />

anpasst und bis ins hohe Alter lernfähig<br />

Assessment-Tools<br />

www.thieme.de/physioonline ><br />

„physioassessments“ ><br />

„Goal Attainment Scale“<br />

Weitere Assessments im Internet:<br />

www.igptr.ch > „Assessments“<br />

Buch: Assessments in der<br />

Rehabilitation Band 1: Neurologie,<br />

Schädler et al., Verlag Hans Huber<br />

bleibt. Das bedeutet, dass obwohl ein<br />

gewisser Bereich des gehirns irreversibel<br />

geschädigt ist, durch intensives<br />

Training, möglichst im Alltagskontext, auch<br />

nach einer längeren Zeit noch deutliche<br />

Verbesserungen erzielt werden können.<br />

Welche Interventionen wirken wie?<br />

Krafttraining ist sehr wirkungsvoll. In<br />

einer randomisierten kontrollierten Studie<br />

zeigte ouelette 2004 5 , bei 42 Patient­<br />

Innen in zwei randomisierten gruppen,<br />

dass Krafttraining mit hoher Intensität »<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 5


zu einer Zunahme der Kraft und zu einer<br />

Tendenz der Reduktion der funktionellen<br />

Einschränkung und Behinderung führt.<br />

Marigold (2005) 6 untersuchte in einer<br />

randomisierten Studie den Effekt von zwei<br />

unterschiedlichen ambulanten Übungsprogrammen<br />

in gruppen auf das funktionelle<br />

gleichgewicht und auf Stürze.<br />

Auch hier konnten alle gruppen auch<br />

in der chronischen Phase vom Training<br />

profitieren. Es zeigten sich kleine Unterschiede<br />

bei den einzelnen gruppen.<br />

Seine Schlussfolgerung lautet: Ein gleichgewichtstraining<br />

bei PatientInnen mit<br />

Hirnschlag in der chronischen Phase über<br />

zehn Wochen verbessert das gleichgewicht<br />

gemessen mit der BBS Berg balance scale<br />

und auch die Sturzhäufigkeit signifikant.<br />

Das gangtraining auf dem laufband und<br />

dem lokomaten zeigt sich als effektiv, um<br />

das gehen positiv zu beeinflussen. Drei<br />

Studien untersuchten die Wirksamkeit von<br />

lokomattraining im Vergleich <strong>zum</strong> manuell<br />

unterstütztem laufbandtraining nach Hirnschlag<br />

7 8 9 . Bei allen drei Studien konnten<br />

diese PatientInnen alle schon gehen,<br />

allerdings mit Hinkmechanismus. Alle PatientInnen<br />

konnten beim gehen durch die<br />

Maßnahmen profitieren. Während Hornby<br />

und Hidler bessere Resultate bei herkömmlicher<br />

Therapie bekamen, zeigte die Studie<br />

von Westlake Vorzüge des lokomattraining.<br />

Erstaunlich ist auf jeden Fall, dass<br />

die gangparameter bei allen Studien auch<br />

in dieser beginnenden chronischen Phase,<br />

Verbesserungen aufzeigten.<br />

Schwerpunktthema <strong>Physio</strong>therapie in der chronischen Phase nach Hirnschlag<br />

FoTo: BERND ANDERSECK KlINIK VAlENS CH<br />

Therapieziele sollten mit den Patient­<br />

Innen gemeinsam möglichst konkret<br />

formuliert werden und überprüfbar<br />

sein.<br />

Auch Macko (2005) 10 zeigte in einer großen<br />

Studie, dass aufgabenorientiertes aerobes<br />

Training auf dem laufband über sechs<br />

Monate durchgeführt, bei chronischen<br />

HirnschlagpatientInnen zu einer Verbesserung<br />

der kardiovaskulären Fitness aber<br />

auch der ADl leistungen führte.<br />

Ferrarello und Mitarbeiter 11 veröffentlichten<br />

vor fünf Monaten im Journal of Neurology<br />

eine Metaanalyse die lautet „Wirksamkeit<br />

der <strong>Physio</strong>therapie in der chronischen<br />

Phase nach Hirnschlag“. Sie schlossen<br />

15 randomisierte kontrollierte Studien ein<br />

und bekamen Daten zu 700 PatientInnen<br />

mit Nachkontrolle. Hier zeigte sich ganz<br />

deutlich, dass eine Vielzahl von therapeutischen<br />

Interventionen zur Verbesserungen<br />

im funktionellen outcome, auch in der<br />

Spätphase nach Hirnschlag, führen. Vor<br />

allem ließen sich Verbesserungen auf<br />

kurzer und langer gehstrecke nachweisen.<br />

Verbesserungen im ADl Bereich zeigten<br />

einen Zusammenhang mit Trainingsdauer<br />

und Trainingsintensität. Das bedeutet,<br />

wenn man in der chronischen Phase<br />

Therapieerfolge auf ADl Ebene erreichen<br />

will, muss man sehr intensiv über einen<br />

längeren Zeitraum therapieren.<br />

Es gibt also schon einige Belege, dass<br />

<strong>Physio</strong>therapie in der chronischen Phase<br />

nach Hirnschlag zu guten Ergebnissen<br />

führt. Sicherlich sind noch weitere Studien<br />

in dieser Phase notwendig, um auch eine<br />

bessere Differenzierung der einzelnen<br />

Interventionen zu bekommen.<br />

Studien <strong>zum</strong> Beleg der Therapie sind sehr<br />

wichtig. TherapeutInnen sollten aber den<br />

Menschen und die Einzelbeobachtung<br />

nicht aus den Augen verlieren. Nur so<br />

können sie gewährleisten, dass auch ihre<br />

eigene klinische Erfahrung in die Beurteilung<br />

mit einfließt.<br />

Bernd Anderseck, MSc, PT<br />

1. Mancia g. (2004) Prevention and treatment of<br />

stroke in patients with hypertension. Clinical<br />

therapeutics 26:631­648<br />

2. lyrer, P. (2000). Epidemiologie des<br />

Hirnschlages. Schweizerische Ärztezeitung<br />

3. Candelise l,(2007) Stroke­unit care for acute<br />

stroke patients: an observational follow­up<br />

study. lancet 369:299­305<br />

4. Turner­Stokes l. (2004) goal attainment<br />

scaling: a direct comparison of alternative rating<br />

methods. Clinical rehabilitation 24:66­73<br />

5. ouellette M. M. (2004) High­intensity<br />

resistance training improves muscle strength,<br />

Bernd Anderseck, MSc, PT<br />

Arbeitet seit fünfzehn Jahren im Rehabilitationszentrum<br />

Valens (Schweiz)<br />

Unterrichtet seit zehn Jahren an der Fachhochschule<br />

Neurologie und PNF<br />

2003 Abschluss IPNFA Instruktor<br />

2007 Abschluss MSc in Neurorehabilitation<br />

an der Donau­Universität Krems<br />

Vortragender bei internationalen Kongressen<br />

<strong>zum</strong> <strong>Thema</strong> Multiple Sklerose<br />

Seit 2007 Kursleiter für <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> zu<br />

den Themen aus der Neurologie: Multiple<br />

Sklerose, gangrehabilitation in der Neurologie,<br />

PNF, Neurologie Verstehen<br />

Seit 2008 lehrender beim European Master<br />

in Stroke Medicine an der Donau­Universität<br />

Krems<br />

FoTo: PRIVAT<br />

self­reported function, and disability in longterm<br />

stroke survivors. Stroke; a journal of<br />

cerebral circulation 35:1404­1409<br />

6. Marigold D. (2005) Exercise leads to faster<br />

postural reflexes, improved balance and<br />

mobility, and fewer falls in older persons<br />

with chronic stroke. Journal of the American<br />

geriatrics Society 53:416­423<br />

7. Hornby T. g. (2008) Enhanced gait­related<br />

improvements after therapist­ versus roboticassisted<br />

locomotor training in subjects with<br />

chronic stroke: a randomized controlled<br />

study. Stroke; a journal of cerebral circulation<br />

39:1786­1792<br />

8. Hidler J. (2009) Multicenter randomized<br />

clinical trial evaluating the effectiveness<br />

of the lokomat in subacute stroke.<br />

Neurorehabilitation and neural repair 23:5­13<br />

9. Westlake K. P. (2009) Pilot study of lokomat<br />

versus manual­assisted treadmill training for<br />

locomotor recovery post­stroke. Journal of<br />

neuroengineering and rehabilitation 6:18<br />

10. Macko R. F. (2005) Treadmill exercise rehabilitation<br />

improves ambulatory function and<br />

cardiovascular fitness in patients with chronic<br />

stroke: a randomized, controlled trial. Stroke;<br />

a journal of cerebral circulation 36:2206­2211<br />

11. Ferrarello F. (2010) Efficacy of physiotherapy<br />

interventions late after stroke: a meta­<br />

analysis. Journal of neurology, neurosurgery,<br />

and psychiatry<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 6


<strong>Physio</strong>therapie gilt nach einem<br />

Insult als zentraler Bestandteil der<br />

Behandlung. Auch wenn an der Effektivität<br />

einzelner Konzepte aufgrund der oft<br />

nicht eindeutigen Nachweisbarkeit durch<br />

wissenschaftliche Evaluationsstudien<br />

Zweifel geäußert werden, zählen neurophysiologische<br />

Behandlungskonzepte, wie<br />

<strong>zum</strong> Beispiel im mitteleuropäischen Raum<br />

verbreitet Bobath oder PNF (Propriozeptive<br />

Neuromuskuläre Fazilitation),<br />

<strong>zum</strong> Handwerkszeug von <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />

die in der Rehabilitation von<br />

PatientInnen tätig sind, die einen Insult<br />

erlitten haben.<br />

laut der derzeitigen Evidenz ist kein<br />

Konzept dem anderen überlegen. Multidisziplinäres<br />

Teammanagement mit Einbeziehung<br />

verschiedener Berufsgruppen<br />

(<strong>Physio</strong>therapeutInnen, logopädInnen,<br />

ErgotherapeutInnen, orthoptistInnen,<br />

Pflege, PsychologInnen, ÄrztInnen) aber<br />

auch Angehörige, ist ein wesentlicher<br />

Faktor für die Erreichung eines jeweils individuell<br />

definierten Therapieziels, das im<br />

Sinne des qualitätsgesicherten Arbeitens<br />

immer wieder überprüft und gegebenenfalls<br />

auch modifiziert werden muss.<br />

Das Bobath Konzept (Neurodevelopment<br />

Treatment Konzept) will Tonusregulation<br />

– z.B. Hemmung der spastischen Tonuserhöhung<br />

und Aktivierung paretischer<br />

Muskelgruppen – erreichen, um im Alltag<br />

benötigte Bewegungen wiederzuerlernen.<br />

Neben Übungen <strong>zum</strong> Wiedererlernen<br />

von gleichgewichtsreaktionen für die<br />

Haltungskontrolle werden Übungen<br />

zur Funktionsverbesserung der oberen<br />

Extremität mit den PatientInnen erarbeitet<br />

(vgl.Davies 1991; vgl. Davies 1993).<br />

Der Deutsche Bobath­Verband verweist<br />

auf eine aktuelle, 2010 in Deutschland<br />

und Australien durchgeführte Studie mit<br />

Schwerpunktthema <strong>Physio</strong>therapie in der Behandlung des Insult<br />

Konzepte, Evidenz<br />

und Leitlinien<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen haben auch im neurophysiologischen<br />

Bereich eine Reihe von Werkzeugen zur Verfügung, wenn es<br />

um die Behandlung von Erkrankungen bzw. um Maßnahmen<br />

im Rahmen der Rehabilitation geht.<br />

dem Titel „Bobath versus Task orientiertes<br />

Training“, in der nachgewiesen<br />

werden konnte, dass die therapeutische<br />

Intervention nach dem Bobath­Konzept<br />

signifikant dem rein task­orientiertem<br />

Training überlegen ist. Die Studie wird<br />

demnächst in der „Clinical Rehabilitation“<br />

erscheinen.<br />

PNF (Proziopreptive Neurormuskuläre<br />

Fazilitation) zielt auf Anbahnung<br />

syner gistischer Aktivierungsmuster<br />

der Muskeln durch die Stimulation von<br />

Propriozeptoren ab. Auch mit Bewegungen<br />

gegen Widerstand wird gearbeitet, es ist<br />

diese Methode somit auch zur Muskelkräftigung<br />

geeignet. Die Hemmung der<br />

spastischen Muskulatur erfolgt durch<br />

die Aktivierung der inaktiven antagonistischen<br />

Muskulatur, so wird die reziproke<br />

Innervation zur Behandlung der Spastizität<br />

genutzt. Es werden neben den propriozeptiven<br />

auch taktile, optische und akustische<br />

Reize gesetzt (vgl. Knott et al 1968; vgl.<br />

Buck et al 1996).<br />

Es gibt derzeit keine Evidenz für die<br />

Überlegenheit einer bestimmten<br />

Methode, ein Mix von physiotherapeutischen<br />

Techniken zur Verbesserung<br />

der posturalen Kontrolle, der Beinkraft,<br />

ganggeschwindigkeit und Alltagsfähigkeit<br />

erbrachte bessere Funktionsergebnisse<br />

als keine oder eine Placebobehandlung<br />

(vgl. Pollock et al 2007).<br />

Neueren Erkenntnissen zufolge zeigen<br />

Studien, dass ein gewichtsentlastendes<br />

laufbandtraining effektiver sein könnte,<br />

als ein laufbandtraining allein und dass<br />

laufbandtraining in Kombination mit<br />

aufgabenorientierten Übungen effektiver<br />

sein dürften als unspezifische Übungen<br />

(vgl. Moseley et al 2005).<br />

Constance Schlegl, PT<br />

Wichtige<br />

Informations<strong>quellen</strong><br />

<strong>zum</strong><br />

<strong>Thema</strong> <strong>Physio</strong>therapie<br />

nach<br />

Insult:<br />

Aktuelle literatur <strong>zum</strong> <strong>Thema</strong> Bobath<br />

findet man auf der Homepage der IBITA:<br />

http://ibita.org/<br />

Eine liste zur aktuellen Evidenz zu PNF<br />

gibt es auf der Seite der deutschen<br />

Arbeitsgemeinschaft für PNF des ZVK:<br />

http://www.ag­pnf.de/literatur­1.<br />

htm#direct_PNF<br />

Die vorhandene Evidenz ist auch die<br />

grundlage verschiedener leitlinien,<br />

<strong>zum</strong> Beispiel hat die ESo (European<br />

Association of Stroke) im Jahr 2008<br />

erweiterte leitlinien für das Management<br />

des Schlaganfalls publiziert:<br />

http://www.eso­stroke.org/recommendations.php?cid=9&sid=1<br />

Die leitlinie der Deutschen gesellschaft<br />

für Neurologie findet sich hier:<br />

http://www.dgn.org/component/<br />

content/article/18/535­leitlinien­derdgn­akuttherapie­des­ischaemischenschlaganfalls.html<br />

Die in ihrer Art bisher in Europa einzigartige<br />

physiotherapeutische leitlinie,<br />

auf Initiative des holländischen<br />

Berufsverbands KNFg erstellt, ist ein<br />

hochwertiges Tool zur qualitätsgesicherten<br />

Arbeit mit SchlaganfallpatientInnen:<br />

https://www.kngfrichtlijnen.nl/images/<br />

imagemanager/guidelines_in_english/<br />

KNgF_guideline_for_Physical_Therapy_in_patients_with_Stroke.pdf<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 7


Schwerpunktthema Ambulante Spätrehabilitation<br />

Hier haben die<br />

TherapeutInnen<br />

das Sagen<br />

Das Therapiezentrum für halbseitig Gelähmte (THZ) ist seit 15 Jahren das<br />

einzige ambulante Rehabilitationszentrum in Ostösterreich, das Langzeittherapie<br />

für neurologische PatientInnen im interdisziplinären Team anbietet.<br />

(Lediglich in Vorarlberg gibt es ein vergleichbares Zentrum.) Ein Großteil der<br />

PatientInnen sind Schlaganfall­PatientInnen, die hier auch noch viele Jahre<br />

nach dem Insult erfolgreich Therapien absolvieren.<br />

Für viele Schlaganfall-PatientInnen<br />

endet der Weg der Besserung genau<br />

dort, wo die Hoffnung auf die Rückkehr<br />

in ein „normales“ Leben groß<br />

ist. Sie haben in einer Stroke Unit eine<br />

optimale Akutversorgung erhalten, haben<br />

danach einige Wochen in einem spezialisierten<br />

Rehab­Zentrum verbracht – und<br />

dann, sechs Monate später, wenn sie je<br />

nach Schwere des Insults im wahren Sinn<br />

des Wortes wieder auf die Beine kommen,<br />

ist Schluss. Weiterführende Therapien<br />

wären oft sinnvoll, aber sie sind<br />

1. teuer: bei 50 bis 100 Therapieeinheiten<br />

ist die finanzielle Belastung auch<br />

dann groß, wenn „nur“ ein Selbstbehalt zu<br />

zahlen ist<br />

2. kaum organisierbar: gerade<br />

für Schlaganfall­PatientInnen mit<br />

körperlichen Einschränkungen ist das<br />

permanente Bewilligungsritual bei der<br />

Krankenkassa für weitere sechs bis zehn<br />

Therapieeinheiten eine kaum zu nehmende<br />

Hürde – erst recht, wenn unterschiedliche<br />

Therapien (z.B. <strong>Physio</strong>­ und<br />

Ergotherapie) angesagt sind.<br />

Das von einer <strong>Physio</strong>therapeutin initiierte<br />

THZ (siehe Kasten) ist für solche Patient­<br />

Innen eine oase in der Versorgungswüste.<br />

Dank einer Sonderregelung mit den Krankenkassen<br />

werden hier für PatientInnen<br />

pauschal Therapieblöcke von 50 mal 1<br />

Stunde bewilligt. Je nach Bedarf des/der<br />

PatientIn können die bewilligten Therapieeinheiten<br />

bei <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />

ErgotherapeutInnen oder logopädInnen<br />

konsumiert werden. Auch „Co­Therapien“<br />

(z.B. eine gemeinsame Therapieeinheit<br />

von Ergo­ und <strong>Physio</strong>therapeutIn) sind<br />

möglich. Und die PatientInnen brauchen<br />

auch keinen Selbstbehalt zu bezahlen.<br />

Was den PatientInnen gut tut, verursacht<br />

den Betreibern des THZ manche<br />

Schmerzen. Die großzügigen Pauschalbewilligungen<br />

der Krankenkassen gibt<br />

es nur zu reduzierten Tarifen. Sprich:<br />

Die Krankenkassa zahlt dem THZ pro<br />

Therapieeinheit weniger als anderen<br />

Vertragspartnern. Fazit: Die anfallenden<br />

Kosten von rund 550.000,– Euro pro Jahr<br />

können nur zu gut 80 Prozent mit den<br />

Kassenhonoraren abgedeckt werden. Der<br />

Rest muss über Spenden – z.B. vom nahe<br />

gelegenen Rotary Club Perchtoldsdorf<br />

– abgedeckt werden. Auch viele PatientInnen<br />

stehen auf der Spenderliste des THZ.<br />

Das Konzept<br />

Das THZ bietet Therapien zur neurologischen<br />

Rehabilitation für Menschen mit<br />

Behinderungen nach Schlaganfällen,<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 8<br />

FoTo: THZ


Üben, üben, üben: Die<br />

Plastizität des Gehirns<br />

ermöglicht auch noch<br />

viele Jahre nach einem<br />

Schlaganfall Therapie­<br />

und Lernerfolge.<br />

Hirnblutungen, Schädel­Hirn­Traumen,<br />

neurochirurgischen Eingriffen und<br />

System erkrankungen, deren Verlauf durch<br />

Therapie günstig beeinflusst werden kann.<br />

Voraussetzungen, um das THZ in<br />

Anspruch zu nehmen sind<br />

• Motivation und Kooperation des/der<br />

PatientIn und der Angehörigen<br />

• Ausreichende Belastbarkeit beim<br />

Transport und während der Therapien<br />

• Eigenständigkeit im Warteraum außerhalb<br />

der Therapieeinheiten oder Unterstützung<br />

durch eine Begleitperson<br />

Angeboten werden 60­minütige Einzeltherapien<br />

folgender Disziplinen: <strong>Physio</strong>therapie,<br />

Ergotherapie und logopädie.<br />

Insgesamt stehen dafür 13 Therapeut­<br />

Innen zur Verfügung.<br />

„Zu Beginn der Therapien erfolgt eine<br />

ausführliche therapeutische Befunderhebung<br />

sowie eine fachärztliche<br />

Begutachtung. Basierend darauf werden<br />

gemeinsam mit dem/der Patient/in und<br />

unter Einbeziehung der Angehörigen<br />

alltagsorientierte Therapieziele formuliert.<br />

Diese bilden die grundlage für einen<br />

detaillierten Behandlungsplan, der im<br />

Verlauf der Therapien dokumentiert und<br />

regelmäßig überprüft wird“, erklärt die<br />

leiterin des THZ, Christine Schreiner.<br />

Schwerpunktthema Ambulante Spätrehabilitation<br />

Um die interdisziplinäre Arbeit zu<br />

optimieren, werden regelmäßig Case­<br />

Managements durchgeführt. Die TherapeutInnen<br />

eines/r PatientIn – jede/r PatientIn<br />

hat pro Therapieart immer den/die<br />

selbe/n TherapeutIn – evaluieren in diesen<br />

Besprechungen gemeinsam die Therapieinhalte<br />

und stimmen die therapeutischen<br />

Interventionen aufeinander ab.<br />

Bei Bedarf gibt es auch Co­Therapien<br />

– sprich: zwei TherapeutInnen arbeiten<br />

gemeinsam mit einem/r PatientIn, was<br />

zur Umsetzung von speziellen therapeutischen<br />

Maßnahmen notwendig sein kann.<br />

Je nach Bedarf kommen die PatientInnen<br />

zwei­ bis viermal pro Woche zu einer bis<br />

drei Stunden Therapie. Empfohlen werden<br />

50 bis 125 Therapieeinheiten pro Jahr.<br />

„Viele PatientInnen kommen auch noch<br />

nach sechs bis sieben Jahren zu Therapieauffrischungen“,<br />

so Schreiner.<br />

In den Rehabilitationsprozess werden<br />

auch Angehörige und/oder andere Begleitpersonen<br />

mit einbezogen, um den Transfer<br />

des in der Therapie Erlernten in den Alltag<br />

zu unterstützen. Angehörigengespräche<br />

dienen dazu, gemeinsam an der Zielformulierung<br />

zu arbeiten sowie Ressourcen des<br />

Patienten/der Patientin im Alltag herauszuarbeiten.<br />

FoTo: THZ<br />

FoTo: PRIVAT<br />

„Viele PatientInnen kommen<br />

auch noch nach sechs bis<br />

sieben Jahren zu Therapieauffrischungen.“<br />

Christine Schreiner, leiterin des THZ<br />

Im Rahmen von Hausbesuchen wird eruiert,<br />

welche Aufgaben und Rollen der/die<br />

PatientIn daheim aufgrund der Wohnsituation<br />

wieder übernehmen kann. Therapeutischen<br />

Maßnahmen werden auf diese<br />

Bedürfnisse abgestimmt. Therapieinhalte<br />

wie etwa Transfer und lagerung sowie<br />

Heimübungsprogramme werden an<br />

die häusliche Situation angepasst. Die<br />

Notwendigkeit eventueller Adaptierungen<br />

der Wohnungseinrichtung wird ebenfalls<br />

abgeklärt. »<br />

THZ –<br />

eine physiotherapeutische<br />

Initiative<br />

Das Therapiezentrum für halbseitig<br />

gelähmte (THZ) wurde vor 30 Jahren von<br />

der <strong>Physio</strong>therapeutin lucie Schiefthaler<br />

ins leben gerufen, nachdem sie einen<br />

Schlaganfallpatienten aus ihrem nahen<br />

Umfeld zu Hause betreute.<br />

1981 wurde das THZ als Wohnheim für<br />

acht PatientInnen im 23. Bezirk in Wien<br />

eröffnet. Im laufe der nächsten 15<br />

Jahre werden insgesamt mehr als 250<br />

PatientInnen nach 12­ bis 18­monatigen<br />

stationären Aufenthalten ihr leben in<br />

ihrer häuslichen Umgebung wieder selbst<br />

gestalten.<br />

Aufgrund der steigenden Nachfrage und<br />

fehlender Kapazitäten wurde das THZ 1996<br />

auf ambulanten Betrieb umgestellt. Seither<br />

wurden von den derzeit 13 TherapeutInnen<br />

mehr als 1100 PatientInnen betreut.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 9


Schwerpunktthema Ambulante Spätrehabilitation · Interview: DI Günther Lenhart<br />

Manche Verrechnungsweisen<br />

sind widersinnig<br />

inform: Das THZ wird als<br />

Pionier­Einrichtung gepriesen,<br />

und der Andrang ist<br />

groß. Trotzdem sind Sie auf<br />

Spenden angewiesen …<br />

Lenhart: Einerseits sind wir<br />

sehr froh, dass wir mit den<br />

Krankenkassen eine Sondervereinbarung<br />

erzielt haben,<br />

die es ermöglicht, viele<br />

Therapieeineinheit im Block<br />

bewilligt zu bekommen. Und<br />

für die PatientInnen, die oft<br />

mehrere hundert Einheiten<br />

konsumieren, ist es eine<br />

große Entlastung, keinen<br />

Selbstbehalt zahlen zu müssen.<br />

Andererseits sind manche<br />

Verrechnungs weisen<br />

Mit den PatientInnen werden alltagsorientierte<br />

Therapieziele formuliert.<br />

schon widersinnig, wenn für<br />

die Therapieeinheit im THZ,<br />

wo die Qualität der Betreuung<br />

und der Infrastruktur<br />

besonders hochwertig ist,<br />

weniger bezahlt wird als bei<br />

Therapie zu Hause.<br />

inform: Wird die Spätrehabilitation<br />

nicht generell zu<br />

stiefmütterlich behandelt?<br />

Lenhart: Wir bringen dem<br />

Staat und den Krankenkassen<br />

zwar kein geld, aber<br />

wir reduzieren deren Kosten,<br />

wenn häufigere Spitalsaufenthalte<br />

vermieden werden<br />

können und Pflegegeld­ Stufen<br />

niedrig gehalten werden.<br />

Und etliche PatientInnen<br />

werden ja auch wieder<br />

erwerbstätig.<br />

Das Problem ist, dass verschiedene<br />

leistungen von<br />

verschiedenen Einrichtungen<br />

bezahlt werden und jeder<br />

versucht seine eigenen<br />

Kosten zu minimieren.<br />

Irgendwann wird man im<br />

gesundheitswesen auf eine<br />

volkswirtschaftliche Rechnung<br />

umstellen müssen.<br />

Es wird sich aber auch das<br />

Bewusstsein der PatientInnen<br />

ändern müssen.<br />

Die Menschen sparen oft<br />

einige Jahre, um sich etwas<br />

Bestimmtes kaufen zu können.<br />

Nur bei der gesundheit<br />

FoTo: THZ<br />

DI Günther<br />

Lenhart,<br />

Obmann des<br />

THZ (Therapiezentrum<br />

für<br />

halbseitig<br />

Gelähmte)<br />

ist das nicht so. Ich glaube,<br />

dass viele aber bereit wären,<br />

auch ein, zwei Jahre auf ihre<br />

gesundheit hin zu sparen<br />

und in Therapien investieren,<br />

wenn sie die gewissheit<br />

haben, dass sie dann <strong>zum</strong><br />

Beispiel wieder gehen<br />

können.<br />

Außerdem gibt es eine Nordic Walking­ und<br />

eine Bowling/Billard­gruppe, wo PatientInnen<br />

nicht nur spielerisch ihre körperlichen<br />

Fähigkeiten trainieren können, sondern<br />

auch Kontakte und Erfahrungsaustausch<br />

mit anderen PatientInnen pflegen.<br />

Späte Vorbildwirkung<br />

Der Andrang auf einen Therapieplatz im<br />

THZ ist groß. Je nach Therapieart beträgt<br />

die Wartezeit bis zu neun Monate. Ein<br />

Ausbau der Kapazitäten ist dennoch<br />

nicht geplant. Die räumlichen Möglichkeiten<br />

sind begrenzt und die finanziellen<br />

Rahmenbedingungen erlauben auch keine<br />

großen Sprünge. Außerdem will man „das<br />

familiäre Klima, das von den PatientInnen<br />

sehr geschätzt wird, nicht gefährden“,<br />

sagt Schreiner.<br />

Das Modell könnte in näherer Zukunft<br />

aber doch noch Schule machen. Der<br />

Fonds Soziales Wien schickte Mitarbeiter­<br />

Innen aus, um das Modell THZ zu begutachten<br />

und fragte auch um Unterstützung<br />

und Beratung an: Man überlege, in der<br />

Bundeshauptstadt eine Tagesklinik nach<br />

dem Vorbild THZ aufzubauen.<br />

otto Havelka<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 10<br />

FoTo: PRIVAT


Schwerpunktthema Case- und Caremanagement<br />

ManagerInnen für die Rückkehr<br />

ins soziale Leben<br />

Ursprünglich wurde Case­ und Caremanagement<br />

(CM) als Entlassungsmanagement<br />

angesehen, bei dem<br />

folgende Aspekte im Vordergrund<br />

stehen: Risiko einschätzung,<br />

Assessment, Information, Beratung<br />

und Edukation, Zielformulierung,<br />

Maßnahmenplanung, Vermittlungs­<br />

und Koordinationsaufgaben, sowie<br />

die Evaluation. Vor einigen Jahren<br />

hat man auch in Österreich mit<br />

e inem Entlassungsmanagement<br />

in den meisten Krankenhäusern<br />

begonnen.<br />

Dennoch steckt in Österreich das<br />

Case- und Caremanagement noch<br />

in den Kinderschuhen. Bis heute liegt<br />

dieses in Händen der Pflege und Sozialarbeit<br />

der einzelnen Krankenhäuser.<br />

In der Zwischenzeit treibt der Strauß der<br />

Case­ und CaremanagerInnen immer<br />

buntere Blüten, denn die Sozialversicherungen<br />

machen MitarbeiterInnen (oft<br />

ohne gesundheitsberuf als grundberuf)<br />

zu Case­ und CaremanagerInnen, die<br />

Ärztekammer möchte ihre „HausärztInnen“<br />

als Case­ und CaremanagerInnen<br />

etablieren und somit die Regie über die<br />

nicht ärztlichen gesundheitsberufe in<br />

deren Hände legen.<br />

Mit dem Wissen um diese Entwicklungen<br />

sieht es <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> als unabdingbar<br />

an, sich als Berufsvertretung in diese<br />

Diskussion einzubringen.<br />

Mehrwert für die <strong>Physio</strong>therapie:<br />

gerade in den beiden wichtigen Sparten<br />

Neurorehabilitation und Schmerzbehandlung<br />

bei muskuloskelettalen Erkrankungen<br />

spielt die <strong>Physio</strong>therapie eine wichtige<br />

Rolle. Kaum eine andere Berufsgruppe<br />

weiß über die Bedürfnisse der Patient–<br />

Innen besser Bescheid und ist somit<br />

prädestiniert hier das Casemanagement<br />

zu übernehmen.<br />

Zum Beispiel könnten in Zukunft Kolleg­<br />

Innen, die auf grund der körperlichen<br />

Belastung in Altersteilzeit oder Frühpension<br />

gehen müssten, eine Zusatzausbildung<br />

für Casemanagement absolvieren.<br />

gepaart mit der gesammelten<br />

FoTo: THZ<br />

Die Rückkehr in ein selbstständiges Leben ist das Ziel vieler<br />

Schlaganfall­PatientInnen. Case­ und CaremanagerInnen sollen<br />

sie dabei unterstützen.<br />

langjährigen Erfahrung können sie mit<br />

ihrer „neuen Aufgabe“ auf eine andere<br />

Art und Weise den PatientInnen eine<br />

Rückkehr in ihr soziales und Arbeitsleben<br />

ermöglichen.<br />

Allerdings gibt es bei den Zusatzausbildungen,<br />

die auch für Ärzte und nicht<br />

ärztliche gesundheitsberufe unabdingbar<br />

sind, in Österreich Unterschiede, was<br />

Zulassung, Inhalte und Qualifikation<br />

anbelangen.<br />

Univ.­Professor für gesundheitswissenschaften<br />

und ihre Didaktik an der<br />

Charité­Universitätsmedizin Berlin, Dr.<br />

Michael Ewers, MPH, Experte in Sachen<br />

CM und Mitglied in einem Dutzend<br />

wissenschaftlicher gesellschaften und<br />

gremien wie z.B. der Deutschen gesellschaft<br />

für Care und Case Management<br />

(DgCC) oder der Case Management<br />

Society of America (CMSA) forderte bei<br />

der 3. Internationalen Fachtagung Casemanagement<br />

am 26.11.2010 in Innsbruck,<br />

dass Case­ und Caremanager Innen als<br />

grundberuf <strong>zum</strong>indest einen Abschluss<br />

auf Bachelorniveau haben sollen und<br />

anschließend eine in ganz Österreich<br />

einheitliche Zusatzausbildung absolvieren<br />

müssen.<br />

Dieser Forderung schließt sich auch<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> an.<br />

Ute Eberl, MSc, PT<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 11


Wer denkt<br />

schon an die<br />

Möglichkeit<br />

eines Schlaganfalls<br />

…<br />

Dr. Michael Freilinger, Kinderarzt und<br />

Neuropädiater sowie Kinder- und Jugendpsychiater<br />

und Brigitte Führer,<br />

<strong>Physio</strong> therapeutin geben einen Einblick<br />

über die Ursachen, die Diagnosestellung<br />

und die Behandlung dieses relativ<br />

seltenen Krankheitsbildes aus ärztlicher<br />

sowie physiotherapeutischer Sicht.<br />

Der Insult im Kindesalter ist tatsächlich<br />

ein seltenes, aber gravierendes Ereignis. Bei<br />

einer in der literatur angegebenen gesamthäufigkeit<br />

von 3–13 Schlaganfällen pro<br />

100.000 Kinder pro Jahr ist der ischämische<br />

Insult der häufigste, gefolgt von Hämorrhagien<br />

und Sinusvenenthrombosen. Im Neugeborenenalter<br />

ist die Häufigkeit nochmals<br />

deutlich höher: 1 pro 4.000 pro Jahr.<br />

In der Praxis als Kinderneurologe ist<br />

man mit Kindern in jedem Stadium der<br />

Erkrankung konfrontiert. Das beginnt bei<br />

differential diagnostischen Überlegungen im<br />

Rahmen der akuten Vorstellung mit einem<br />

Symptom wie <strong>zum</strong> Beispiel einer Halbseitenschwäche<br />

oder Fazialislähmung, das betrifft<br />

am anderen Ende des zeitlichen Spektrums<br />

aber auch Fragen rund um die Spät­Rehabilitation<br />

oder sekundäre epileptische Anfälle.<br />

Der erste Punkt ist, bei akut einsetzenden<br />

neurologischen Symptomen an die<br />

Möglichkeit eines Schlaganfalls zu denken.<br />

gerade im Kindesalter gibt es noch eine<br />

bis zu Tage dauernde zeitliche latenz vom<br />

Schwerpunktthema Der kindliche Insult<br />

Die Erkrankung Schlaganfall kann – selten aber doch – Kinder aller<br />

Altersgruppen treffen. Die Ursachen sind andere als bei Erwachsenen, die<br />

Diagnosestellung erfordert von ärztlicher Seite großes Fachwissen und die<br />

Arbeit von <strong>Physio</strong>therapeutInnen spielt in der Rehabilitation von Kindern,<br />

die einen Schlaganfall erlitten haben, eine zentrale Rolle. Die Zusammenarbeit<br />

eines multidisziplinären Teams trägt wesentlich <strong>zum</strong> optimalen<br />

Therapieerfolg bei. Ein Beispiel für ein gut funktionierendes Team im<br />

extramuralen Bereich ist die Kinderpraxis Schlick gasse in Wien.<br />

Auftreten des Symptoms (am häufigsten<br />

Halbseitenzeichen, Fazialislähmung,<br />

Störungen der Vigilanz, Dysphasie) bis zur<br />

Diagnose stellung. Diese Tatsache hat auch<br />

mit der genannten Häufigkeit zu tun, andererseits<br />

aber mit primär falscher Einschätzung<br />

der Symptomatik. Nur etwa ein Drittel<br />

der betroffenen Kinder wird innerhalb der<br />

Sechs­Stunden­grenze diagnostiziert. Eine<br />

rasche Diagnose mit all seinen therapeutischen<br />

(bis hin zu einer möglichen lyse­<br />

Therapie) und rehabilitativen Konsequenzen<br />

setzt jedoch auch die Betreuung in einem<br />

spezialisiertem Zentrum mit pädiatrischer<br />

Akut­Betreuung und rasch verfügbarem<br />

MRI voraus. In weiterer Folge ist das gute<br />

Zusammenspiel multidisziplinärer Teams im<br />

Akut­Spital sowie in den nachfolgenden Zentren<br />

für Akut­Rehabilitation und mittelfristige<br />

Rehabilitation wichtig und für die Betreuung<br />

des Kindes und seiner Familie entscheidend.<br />

Im gegensatz <strong>zum</strong> Erwachsenen­Alter<br />

sind im Kindesalter Infektionen die wichtigste<br />

Ursache des ischämischen Schlaganfalls.<br />

Nach Infektionen und hier sind vor allem<br />

Varizellen, Mykoplasmen, Enteroviren und<br />

Parvoviren zu nennen, kann es nach einem<br />

kurzen zeitlichen Intervall im Rahmen einer<br />

<strong>zum</strong>eist parainfektiösen gefäß entzündung<br />

(Vaskulitis) <strong>zum</strong> ischämischen Insult kommen.<br />

Ebenfalls parainfektiös und traumatisch<br />

ist auch die Dissektion einer zuführenden<br />

Arterie eine wichtige und häufige Differentialdiagnose.<br />

Hierfür ist diagnostisch die MR­<br />

Angiografie des gehirns inklusive Halsregion<br />

notwendig, weswegen generell aufgrund<br />

der wesentlich besseren Aussagekraft die<br />

Magnetresonanztomografie gegenüber der<br />

Computertomografie in der Erstdiagnostik<br />

eindeutig der Vorzug zu geben ist.<br />

Kardial bedingte Insulte sind meist<br />

embolisch bedingt, hier ist auch das erhöhte<br />

Risiko bei Herzkatheter­Eingriffen zu nennen.<br />

Neben hereditären und sekundären Koagulopathien<br />

(z.B. bei Sichelzell anämie) sind<br />

metabolische Erkrankungen wichtige Ursachen<br />

des kindlichen Insultes. Spezifische<br />

Störungen organischer Säuren, CDg<br />

Syndrome und am häufigsten Erkrankungen<br />

aus dem Kreis der Mitochondriopathien<br />

können Insulte verursachen. Hierbei kommt<br />

es bei mitochondrialen Erkrankungen (z.B.<br />

MElAS – mitochondrial encephalomyopathy<br />

with lactatacidosis and stroke­like episodes)<br />

auf Basis genetischer Ursachen zu einer<br />

mangelnden Energiebereitstellung in der<br />

Zelle.<br />

Unter den Vaskulopathien ist die<br />

Moyamoya­Erkrankung zu nennen, eine<br />

angeborene oder im Rahmen anderer<br />

grunderkrankungen Konstriktion zentraler<br />

gehirnarterien, weswegen es zu einer<br />

massiven Kollateralisation und – häufig –<br />

rezidivierenden Insulten kommt.<br />

Die diagnostische Abklärung bei einem<br />

stattgehabten Schlaganfall im Kindesalter<br />

sollte ein MRI inklusive MR­Angiografie, eine<br />

Duplex­Sonografie, eine kardiale Abklärung<br />

(Herzecho, langzeit­EKg), labor inklusive<br />

umfassender gerinnungsdiagnostik,<br />

Auto immundiagnostik besonders im Hinblick<br />

auf Vaskulitiden und ein Stoffwechsel­<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 12


Screening (z.B. organoazidurien, CDg<br />

Syndrom) umfassen.<br />

Die Wahrscheinlichkeit eines rezidivierenden<br />

Insultes im Kindesalter wird mit 15–20<br />

Prozent angegeben. Dies ist wiederum<br />

abhängig von der zugrundeliegenden Ursache.<br />

Hier sind vor allem die Vaskulopathien,<br />

vor allem die Moyamoya­Erkrankung, und<br />

Koagulopathien zu nennen. Hier soll die<br />

umfassende Primärdiagnostik und interdisziplinäre<br />

langzeitbetreuung dazu beitragen,<br />

dieses Risiko eines Wiederauftretens zu<br />

minimieren.<br />

Aus ärztlicher Sicht ist die physiotherapeutische<br />

Versorgung im Akut­Spital derzeit<br />

sehr zufriedenstellend. Auch hier ist wie auf<br />

allen anderen Ebenen der Rehabilitation<br />

ein enger und interdisziplinärer Austausch<br />

zwischen allen mit den Patient Innen und<br />

ihren Familien arbeitenden Professionen<br />

– <strong>Physio</strong>therapie, Ergotherapie, logopädie,<br />

Pflegeteam, Psychologie, Sozialarbeit,<br />

ÄrztInnen und zukünftige auch<br />

extramurale BetreuerInnen – unerlässlich<br />

und zielführend.<br />

Schwerpunktthema Der kindliche Insult<br />

Der Akut­Rehabilitation wurde in den letzten<br />

Jahren und wird bundesweit vermehrt Augenmerk<br />

geschenkt. Im Raum Wien ist die<br />

Kooperation im Sinne einer nahtlosen Akut­<br />

Rehabilitation – im SMZ Süd – Preyer’sches<br />

Kinderspital – sehr gut etabliert. Nachfolgende<br />

intramurale pädi atrische Neuro­Rehabilitation<br />

ist punktuell und schwerpunktmäßig<br />

in Österreich sehr gut ausgebaut.<br />

Die weiterführende ambulante physiotherapeutische,<br />

durch die Krankenkassen voll<br />

finanzierte Betreuung lastet auf Institutionen<br />

(Ambulatorien), wobei die physiotherapeutischen<br />

Angebote an Kinderabteilungen mit<br />

dem stationären Bedarf ausgelastet sind.<br />

Hier sind einerseits mehr Wohnort­nahe,<br />

andererseits für die Familie kassenfinanzierte<br />

Möglichkeiten auch niedergelassener<br />

<strong>Physio</strong>therapeut Innen wünschenswert.<br />

optimal findet die erste Kontaktaufnahme<br />

bereits vor der Entlassung statt. Damit<br />

können die Übernahme besser geplant und<br />

Wartezeiten minimiert werden. Aufgrund<br />

der Vorbefunde wird bereits im Vorfeld ein<br />

Plan der Erstbegutachtungen besprochen,<br />

Kurse, die Sie weiter bringen:<br />

berufl ich und persönlich.<br />

Als führendes Therapie- und Ausbildungszentrum für Lymphologie<br />

genießen wir internationales Renommee. In unseren (Intensiv)-Kursen<br />

lehren wir die Manuelle Lymphdrainage/KPE nach der Dr. Vodder-Originalmethode,<br />

die weltweit Achtung und Anerkennung fi ndet. Wer uns verlässt,<br />

zählt zur Elite. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.<br />

Alle Kurstermine für Österreich, weitere Infos<br />

und Anmeldung fi nden Sie unter:<br />

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Tel. +43 (0) 5374-5245-0<br />

Bludenz<br />

Int. anerkanntes Aus-, Fort- und Weiterbildungszentrum für Ärzte, <strong>Physio</strong>therapeuten und Masseure.<br />

Dr. Vodder Akademie – Wittlinger Therapiezentrum, 6344 Walchsee/Tirol, Alleestraße 30,<br />

Tel. +43 (0) 5374-5245-0, offi ce@vodderakademie.com, www.vodderakademie.com<br />

die in Absprache mit den vorbetreuenden<br />

KollegInnen rasch in eine Therapiephase<br />

übergehen soll. Ziel der multidisziplinären<br />

Betreuung ist die symptom­spezifische Rehabilitation,<br />

eingebettet in und ausgerichtet<br />

auf die Entwicklungsphase des Kindes und<br />

allen seinen familiären wie sozialen Bedürfnissen<br />

und Notwendigkeiten. Darin besteht<br />

die wichtigste Aufgabe eines betreuenden<br />

Teams, intra­ wie extramural. Für eine gute<br />

Begleitung des Prozesses ist ein „case<br />

manager“ zur Koordination aller Beteiligten<br />

sinnvoll, deren Austausch regelmäßig die<br />

Sicht von allen Seiten ergänzen soll.<br />

Dr. Michael Freilinger<br />

Innsbruck/ Walchsee Walchsee Walchsee Walchsee Walchsee Walchsee<br />

Hall Hall Steyr Steyr<br />

Dr. Michael<br />

Freilinger,<br />

Kinderarzt und<br />

Neuro pädiater,<br />

sieht eine<br />

symptom spezifische Rehabilitation<br />

beim Insult im Kindesalter als<br />

ein Ziel der multidiszipli nären<br />

Betreuung.<br />

ISO 9001:2008 zertifi ziert<br />

Klagenfurt Klagenfurt<br />

Wien<br />

Bad<br />

Tatzmannsdorf<br />

Tatzmannsdorf<br />

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<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 13<br />

BEZAHlTE ANZEIgE<br />

FoTo: DR. M. FREIlINgER


Schwerpunktthema Interview: Brigitte Führer<br />

Es ist fast immer<br />

Langzeittherapie nötig Brigitte<br />

inform: Haben Sie schon<br />

Schlaganfälle bei Kindern<br />

behandelt?<br />

Führer: In meiner langen<br />

Zeit als Kinderphysiotherapeutin<br />

erinnere ich<br />

mich an vier Kinder, die ich<br />

an der Kinderklinik im AKH<br />

behandelte.<br />

inform: gestaltet sich die<br />

Therapie nach einem Insult<br />

meist als langzeittherapie?<br />

Führer: ob eine langzeittherapie<br />

notwendig ist,<br />

hängt von einigen Faktoren<br />

ab. Bei kleinen Kindern,<br />

die z.B. das gehen wieder<br />

erlernt haben, ist es oft<br />

schwieriger, ganz gezielt<br />

an der Verbesserung der<br />

Qualität des gangbildes zu<br />

arbeiten, weil sie oft schon<br />

mit der Funktion zufrieden<br />

sind. Ich persönlich finde<br />

es in solchen Fällen gut,<br />

auf andere physiotherapeutische<br />

Konzepte, wie z.B.<br />

Hippotherapie oder therapeutisches<br />

Klettern umzusteigen<br />

oder im Wasser mit<br />

dem Kind zu arbeiten, um<br />

so einen anderen Zugang<br />

<strong>zum</strong> Kind zu bekommen<br />

und die Behandlung optimal<br />

gestalten zu können.<br />

Kinder ab dem Schulalter<br />

kann man schon anders<br />

fordern. Hier gestaltet sich<br />

die Therapie auch anders.<br />

oft gibt es auch schon ein<br />

Bewusstsein für die motori­<br />

FoTo: ARgE HIPPoTHERAPIE, PHySIo AUSTRIA<br />

sche Problematik, die sich<br />

durch den Insult ergibt.<br />

Ich glaube auch, dass sich<br />

die Dauer der Therapie<br />

durch die Schwere der<br />

Schädigung im gehirn<br />

ergibt. Aus physiotherapeutischer<br />

Sicht ist fast<br />

immer eine langzeittherapie<br />

nötig, um die Qualität<br />

der erlernten motorischen<br />

Fähigkeiten auch zu<br />

erhalten. Kinder sind im<br />

ständigen Wachstum und<br />

dadurch auch immer wieder<br />

Veränderungen durch ihre<br />

momentane körperliche<br />

Konstitution ausgesetzt.<br />

inform: Ist Ihrer Erfahrung<br />

nach die Möglichkeit der<br />

physiotherapeutischen<br />

Versorgung und Rehabilitation<br />

für betroffene Kinder in<br />

Wien zufrieden stellend?<br />

Führer: Ich glaube, dass<br />

die physiotherapeutische<br />

Versorgung in Wien noch<br />

nicht ausreichend ist.<br />

Es gibt, soweit ich weiß, in<br />

Wien nur das Preyer’sche<br />

Kinderspital, das eine<br />

Rehab nach dem Krankenhausaufenthalt<br />

anbietet.<br />

Ich weiß, dass wir oft<br />

Kinder nach Vogtareuth<br />

in Deutschland geschickt<br />

haben. Die Versorgung nach<br />

einem Rehabaufenthalt im<br />

extramuralen Bereich ist<br />

leider auch nicht optimal. In<br />

den Ambulatorien in Wien<br />

gibt es lange Wartezeiten.<br />

Wenn dann ein Kind einen<br />

Platz für eine Therapie<br />

Hippotherapie ist eine mögliche Therapieform<br />

zur Behandlung von Kindern, die einen<br />

Insult erlitten haben.<br />

Führer,<br />

<strong>Physio</strong>therapeutin<br />

in der<br />

Kinderpraxis<br />

Schlickgasse in<br />

Wien<br />

bekommt, darf es dann<br />

nicht „doppelt“ (z.B. physio­<br />

und ergotherapeutisch) betreut<br />

werden. Doch so eine<br />

multidisziplinäre Betreuung<br />

ist besonders im ersten Jahr<br />

nach dem erlittenen Insult<br />

von immenser Bedeutung.<br />

inform: Wie sieht die<br />

optimale Versorgung für<br />

ein Kind, das nach der<br />

Behandlung im intramuralen<br />

Bereich zu Ihnen in die<br />

Praxis kommt, aus physiotherapeutischer<br />

Sicht aus?<br />

Führer: Ich finde den Austausch<br />

zwischen den verschiedenen<br />

Berufs gruppen<br />

äußerst wichtig und sehr<br />

bereichernd. Es ist viel<br />

leichter, die Therapie ganz<br />

gezielt auf das betroffene<br />

Kind abzustimmen<br />

und rasch auf etwaig<br />

auftretende Probleme<br />

zu reagieren. Auch die<br />

Beratung der Eltern<br />

kann direkt in der Praxis<br />

stattfinden. Eine Schwierigkeit<br />

ist jedoch, dass die<br />

Eltern die Therapie zuerst<br />

bezahlen müssen und dann<br />

erst einen Teil der Kosten<br />

rückerstattet bekommen.<br />

Meiner Meinung nach sollte<br />

da seitens der Kostenträger<br />

mehr geld investiert<br />

werden.<br />

Constance Schlegl, PT<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 14<br />

FoTo: B. FÜHRER, PT


Schwerpunktthema Stroke Units<br />

Die Neurorehabilitation<br />

ist ein Standbein der<br />

Allgemeinneurologie<br />

Stroke Units stellen ein internationales<br />

Konzept dar, das aus kontrollierten Studien<br />

hervorgegangen ist. Man stellte fest, dass die<br />

Untersuchung und Betreuung von SchlaganfallpatientInnen<br />

auf Spezial stationen,<br />

eben Stroke Units, einen besseren Outcome<br />

ermöglicht als die Betreuung auf Allgemeinstationen.<br />

Daraus ergibt sich, dass Stroke<br />

Units einen eigenen Krankenhausbereich<br />

darstellen, wofür gesonderte personelle<br />

Aufgaben bestehen, welche auch die<br />

Rehabili tation umfassen.<br />

In Österreich (und in den meisten<br />

anderen europäischen Ländern) sind<br />

Stroke Units für die Akutversorgung<br />

und die ersten Tage nach einem<br />

Schlaganfall eingerichtet. Sie stellen<br />

vier bis acht Betten dar, die die unmittelbare<br />

Erstversorgung wahrnehmen (meist<br />

im Anschluss an eine Notfallaufnahme),<br />

Thrombolyse durchführen, Komplikationen<br />

vermeiden, Schluckassessment machen<br />

und die Schiene für die weitere neurologische<br />

und medizinische Akutversorgung und<br />

Frührehabilitation legen. Für Österreich ist<br />

gesondert festgelegt, dass pro vier Betten<br />

Stroke Unit jeweils ein Dienstposten für<br />

<strong>Physio</strong>therapie, Ergotherapie und logopädie<br />

bestehen muss. Dies ist sehr wichtig,<br />

da diese Dienstposten eben dadurch an die<br />

Stroke Units angebunden sind.<br />

Die <strong>Physio</strong>therapie ist damit ein obligater<br />

Bestandteil einer Stroke Unit, auch einer<br />

solchen, die „nur“ akute Aufgaben hat. Man<br />

sieht, dass die sehr frühe Mobilisation heute<br />

einen großen Vorteil bringt. Natürlich ist dies<br />

beschränkt auf PatientInnen, die kardio­respiratorisch<br />

stabil sind und keinen progressiven<br />

Stroke aufweisen oder Hirndruckzeichen<br />

haben. Die sehr frühe Mobilisation, so<br />

zeigt sich aus neuen Studien, hat Vorteile<br />

gegenüber der üblichen, sogenannten<br />

Frühmobilisation, die in der Regel erst nach<br />

einigen Tagen beginnt. Dafür ist die Rolle des<br />

<strong>Physio</strong>therapeut Innen entscheidend.<br />

Ich hatte die gelegenheit, die erste<br />

akute Stroke Unit in Österreich am<br />

landeskranken haus gugging (nunmehr<br />

übersiedelt ans landes klinikum Tulln, NÖ)<br />

1994 aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.<br />

Solche Stroke Units sind mittlerweile in<br />

Österreich in einem dichten Netz verteilt,<br />

insgesamt sind es 34. »<br />

FoTo: HAVElKA<br />

Neue neurologisch­wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

zeigen, dass die Rehabilitation nach Schlaganfall nicht<br />

nach ein paar Monaten abgeschlossen ist. Langzeitrehabilitation<br />

bringt relevante Besserungen.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 15


Die Besonderheit daran ist, dass die<br />

Fahrstrecken zu diesen Stroke Units<br />

berechnet wurden und zwar so, dass ein<br />

idealer Transportweg möglich ist, ohne eine<br />

Zeitkonstante von 45 Minuten zu überschreiten.<br />

Dies haben wir fast durchwegs in<br />

Österreich erreicht und werden dafür auch<br />

in internationalen Fachkreisen respektiert.<br />

Die Versorgungssituation im<br />

Reha bilitationsbereich bzw. in der<br />

Langzeitrehabilitation<br />

Hier ist die Situation sehr unterschiedlich.<br />

Die Möglichkeit, direkt mit den <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

(und anderen therapeutischen<br />

Berufsgruppen) zusammen zu<br />

arbeiten, wie sie in Tulln besteht, ist leider<br />

nicht überall gegeben. Man muss sich meist<br />

das Personal mit anderen Stationen teilen,<br />

wobei hier seitens der Krankenhausdirektion<br />

und anderer Entscheidungsträger nicht<br />

ausreichend auf Subspezialisierungen,<br />

wie eben Neurorehabilitation, Rücksicht<br />

genommen wird. Das besondere ist heute,<br />

dass die Neurorehabilitation nicht primär<br />

ein Anschlussheilverfahren darstellt,<br />

sondern den gesetzen der „Brain Recovery“<br />

folgend, unmittelbar mit der Akuttherapie<br />

und der nachfolgenden Versorgung Hand<br />

in Hand geht. Es stellt also beim Schlaganfall<br />

die Rekanalisation des gefäßes die<br />

Sofortmaßnahme dar, die Brain Recovery<br />

unmittelbar danach. Damit rückt die<br />

Neurorehabilitation in die Akutklinik nach<br />

und ist zu einem wichtigen Standbein der<br />

Allgemeinneurologie geworden. Diese<br />

Tatsache richtet sich nach den physiologischen<br />

und chemischen Abläufen des<br />

gehirns und nicht nach dem System der<br />

Krankenkassen und ihrer Erholungsheime.<br />

Das sogenannte Anschluss­Heilverfahren<br />

in der Ne urologie, vor allem im Bereich<br />

des Schlaganfalls, stellt daher keine allzu<br />

große Rolle dar, denn die Sofortrehabilitation<br />

hat unbedingt Vorrang. Dies ist meines<br />

Wissens im Rehabilitationsplan, der ja<br />

im wesentlichen Betten berechnet, nicht<br />

ausreichend dargestellt. Hinzu kommt, dass<br />

die langzeitrehabilitation, also die Rehabilitation<br />

über drei Monate und danach hinaus<br />

über Tageskliniken an den neurologischen<br />

Häusern geführt werden soll. Vor allem<br />

soll sie ein Angebot für jene PatientInnen<br />

stellen, die komplexe Störungen haben,<br />

die sich in der gemeinde oder durch eine<br />

freiberufliche Versorgung nur schwer<br />

therapieren lassen. gemeint sind hier<br />

orientierungsstörungen oder Sprachstörungen<br />

in Zusammenhang mit anderen neurokognitiven<br />

Ausfällen bei physiotherapeutisch<br />

behandlungsbedürftigen PatientInnen.<br />

Schwerpunktthema Stroke Units<br />

Seitens der neurologischen Wissenschaft<br />

wurden in letzter Zeit eindeutige Belege<br />

dafür gebracht, dass die Rehabilitation nach<br />

drei oder sechs Monaten keinesfalls abgeschlossen<br />

ist, sondern sich weitere wichtige,<br />

sozial relevante Besserungen in der Zeit<br />

danach ergeben, wenn man fachgerecht<br />

und kontinuierlich weiter behandelt. Dieser<br />

Tatsache Rechnung tragend erfordert auch,<br />

eine langzeitrehabilitation als Kontinuum in<br />

der Rehabilitation vorzusehen. Die Kosten,<br />

die damit eingespart werden können,<br />

sind erheblich und beziehen sich großteils<br />

auf unbezahlte Pflegearbeit seitens der<br />

Angehörigen, aber auch Frühpensionierungen,<br />

Besserung von schweren fixierten<br />

neurologischen Syndromen (z.B. Spastik),<br />

Schmerzsyndromen und unbehandelten<br />

psychischen Störungen, die sich oft erst<br />

später hinzugesellen können. Auch die<br />

kognitiven Einschränkungen, die sich<br />

nach einem Schlaganfall ergeben, können<br />

erst mehrere Wochen bis Monate später<br />

auftreten und bedürfen ebenfalls einer<br />

Behandlung.<br />

Die Behandlung von Schlaganfall-<br />

Patienten als Kosten-Nutzen-<br />

Rechnung?<br />

Selbstverständlich ist sie das, denn es wäre<br />

eine absolute Ausnahmestellung würde<br />

man dies verneinen. Ebenso ist ja für jedes<br />

Medikament im Rahmen des Zulassungsverfahrens<br />

eine Kosten­Nutzen­Rechnung<br />

abzugeben, die sehr wohl seitens der<br />

Zulassungsbehörden berücksichtigt wird.<br />

Wie ausgeführt, ist die Ersparnis vor allem<br />

eine „soziale“. Es zeigt sich aber auch,<br />

dass die Kosten eines Schlaganfalls mit<br />

durchschnittlich 80.000,– Euro in Europa<br />

zu Buche schlagen, wenn man eine neu<br />

auftretende Zahl von 16.000 jährlich in<br />

BEZAHlTE ANZEIgE<br />

FoTo: PRIVAT<br />

Prim. Univ.­Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

Michael Brainin<br />

leiter des Departments für Klinische<br />

Medizin und Präventions medizin / leiter<br />

des Zentrums für Klinische Neurowissenschaften<br />

an der Donau­Universität Krems<br />

Vorsitzender des wiss Kommitees der<br />

European Federation of Neurological<br />

Societies (EFNS)<br />

President elect der European Stroke<br />

Society (ESo)<br />

Mitglied des Executive Board of the World<br />

Stroke organisation (WSo)<br />

Österreich hinzurechnet. Das Prävalenzreservoir<br />

mit 8–10 Schlaganfällen pro<br />

1000 Einwohner Innen, wobei etwa die<br />

Hälfte davon behindert ist, ist ebenfalls<br />

ein erheblicher Kosten faktor. Rechnet<br />

man nun die gesamtkosten, d. h. inklusive<br />

der sozialen indirekten Kosten hinzu,<br />

ergibt sich ein Kostenfeld, welches enorm<br />

hoch ist. gerade der Schlaganfall und<br />

seine erforderliche Behandlung inklusive<br />

der langzeit behandlung brauchen keine<br />

Kosten­Nutzen­Rechnung scheuen.<br />

Prim. Univ.­Prof. Dr. Dr. h.c. Michael<br />

Brainin<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 16


Schwerpunktthema Der zerebrale Insult<br />

<strong>Physio</strong>therapie<br />

ist ein zentraler<br />

Bestandteil der<br />

Rehabilitation nach<br />

einem Schlaganfall.<br />

Der zerebrale Insult wird umgangssprachlich<br />

als Schlaganfall bezeichnet.<br />

Weitere Begriffe in der Fachsprache<br />

sind: apoplektischer Insult, Apoplexia<br />

cerebri, medizinisch umgangssprachlich<br />

wird der zerebrale Insult oft als<br />

Appoplex oder Insult bezeichnet.<br />

Man versteht darunter eine plötzlich<br />

auftretende Erkrankung des Gehirns,<br />

die oft zu einem anhaltenden Ausfall<br />

von Funktionen des zentralen Nervensystems<br />

führt. Verursacht wird dies<br />

durch kritische Störungen der Blutversorgung<br />

des Gehirns.<br />

Formen des zerebralen Insults:<br />

• Ischämischer Insult oder Hirninfarkt:<br />

plötzliche Minderdurchblutung des<br />

gehirns<br />

• Transistorische ischämische Attacke<br />

(TIA): kürzer als 24 Stunden andauernde<br />

Minderdurchblutung des gehirns<br />

ohne sichtbare Folgen (wird nach<br />

neuesten Erkenntnissen aber gleich<br />

wie ein „vollendeter“ Schlaganfall<br />

gesehen, da bei vielen PatientInnen<br />

auch hier bereits morphologische<br />

Veränderungen nachweisbar sind)<br />

• Hämorrhagischer Infarkt oder Insult:<br />

akute Hirnblutung, die aufgrund ihrer<br />

raumfordernden Wirkung zu Minderdurchblutung<br />

der betroffenen Areale<br />

führt.<br />

• Subarchnoidalblutung: geplatzte<br />

Arterie z.B. infolge eines Aneurysmas<br />

Symptome des zerebralen Insults:<br />

Die Symptome können je nach Form<br />

und Schwere sehr unterschiedlich sein,<br />

es können auch mehrere der folgenden<br />

Symptome gleichzeitig auftreten:<br />

• Sehstörung, gesichtsfeldausfall,<br />

Doppelbilder<br />

• Neglect (Fehlende Wahrnehmung eines<br />

Teils der Umwelt auf der betroffenen<br />

Seite)<br />

• Schwindel, gangstörung, Koordinations­<br />

und gleichgewichtsstörung<br />

• Taubheitsgefühl<br />

• lähmung oder Schwäche im gesicht,<br />

einer Extremität oder einer ganzen<br />

Körperhälfte<br />

• Verwirrung, Sprach­, Verständnis­, oder<br />

Wortfindungsstörung<br />

Was PatientInnen<br />

wissen sollten<br />

• Außergewöhnlich starker Kopfschmerz<br />

ohne erkennbare Ursache und<br />

eventuell entgleister Blutdruck<br />

• Schluckstörungen<br />

• orientierungsstörungen<br />

Diagnose des zerebralen Insults:<br />

Die Unterscheidung der verschiedenen<br />

Formen des Insults ist erst durch den<br />

Einsatz von bildgebenden Verfahren<br />

wie Computer­ oder Magnetresonanztomographie<br />

(CT oder MR) möglich. Eine<br />

Subarchnoidalblutung kann auch durch<br />

den Nachweis von Blut im liquor (gehirn­<br />

Rückenmarksflüssigkeit) durch eine<br />

lumbalpunktion nachgewiesen werden.<br />

Behandlung des zerebralen Insults:<br />

Der/die PatientIn benötigt unverzüglich<br />

ärztliche Hilfe. Es ist die gabe von Blut<br />

verdünnenden Medikamenten notwendig.<br />

Da das gehirn den Schluckvorgang<br />

eventuell nicht mehr steuern kann,<br />

soll der/die PatientIn im Akutstadium<br />

aufgrund der Aspirationsgefahr nichts<br />

Essen und Trinken. Im Spital erfolgt die<br />

Versorgung auf sogenannten „Stroke<br />

Units“ (Stroke= Englisch für Schlaganfall)<br />

Rehabilitation des zerebralen Insults:<br />

Idealerweise beginnt die Rehabilitation<br />

bereits in der Stroke Unit. <strong>Physio</strong>therapie<br />

spielt eine zentrale Rolle und rehabilitative<br />

Ansätze mit physiotherapeutischen<br />

Konzepten sind für den positiven Therapieverlauf<br />

maßgeblich, um die verlorengegangenen<br />

motorischen Fähigkeiten und<br />

Bewegungsmuster wieder individuell optimal<br />

zu erarbeiten. Nach dem Aufenthalt in<br />

der Stroke Unit wird der/die PatientIn in<br />

einer Rehabilitationseinrichtung u.a. von<br />

einem/r <strong>Physio</strong>therapeutIn weiter betreut.<br />

Constance Schlegl, PT<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 17


Schwerpunktthema Literatur und Kurse <strong>zum</strong> Schwerpunktthema<br />

Aktuelle Literatur <strong>zum</strong> Schwer punkt thema in<br />

der <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>­Bibliothek<br />

Frühphase<br />

Schlaganfall:<strong>Physio</strong>therapie<br />

und<br />

medizinische<br />

Versorgung<br />

Jan Mehrholz,<br />

2008<br />

Neurorehabilitation<br />

von<br />

Schlaganfallpatienten<br />

P. van Keeken, M.<br />

Kaemingk, 2001<br />

Assessments<br />

in der<br />

Neurorehabilitation,<br />

Band 1:<br />

Neurologie<br />

Stefan Schädler,<br />

Jan Kool, Hansjörg<br />

lüthi, Detlef<br />

Marks, 2009<br />

Behandlung<br />

motorischer<br />

Störungen<br />

nach Schlaganfall<br />

H. Bauder, 2001<br />

Motorisches<br />

Strategietraining<br />

und<br />

PNF<br />

Renata Horst,<br />

2005<br />

Sekundärprophylaxe<br />

bei<br />

Hemiplegie<br />

C. Berting­<br />

Hüneke, 2000<br />

Diplomarbeiten<br />

<strong>zum</strong> Schwer punktthema<br />

• Die Verbesserung der gehgeschwindigkeit<br />

beim langzeitschlaganfallpatienten,<br />

Nicole Krieger, Steyr, 2002<br />

• Sensomotorische Schnittstelle<br />

bei Patienten nach Schlaganfall,<br />

Katja Metzger, KFJ Wien, 2004<br />

• Welcher Stellenwert kommt den Angehörigen<br />

bei der Betreuung von Schlaganfallpatienten<br />

in der häuslichen Umgebung<br />

zu?, Stefan Schroeren, AKH Wien, 2004<br />

• Elektrostimulation der schmerzhaften<br />

und subluxierten Schulter des Hemiplegiepatienten,<br />

Monika Schwarz, Stolzalpe<br />

2006<br />

• <strong>Physio</strong>therapeut und Hemiplegiepatient<br />

zwischen Biofeedback und funktionellem<br />

Test, Maria gründhammer, Innsbruck,<br />

2004<br />

Steps to<br />

Follow. The<br />

Comprehensive<br />

Treatment of<br />

Patients with<br />

Hemiplegia<br />

Patricia M. Davies,<br />

2000<br />

Hemiplegie<br />

(Rehabilitation<br />

und<br />

Prävention)<br />

Patricia M. Davies,<br />

2002<br />

Pflege eines<br />

Menschen<br />

mit Hemiplegie<br />

nach<br />

dem Bobath­<br />

Konzept<br />

lothar Urbas,<br />

2005<br />

Stroke Unit<br />

g. Kroczek [u.a.],<br />

2002<br />

• Auswirkungen des Transfers auf den<br />

hemiplegischen Patienten hinsichtlich<br />

subjektiver Wahrnehmung und<br />

Kompensation, Anna Kriechbaum,<br />

Bad Radkersburg, 2007<br />

• mögliche Einflussnahme auf die<br />

spontane Rumpfhaltung des hemiplegischen<br />

Patienten im Sitz, durch die<br />

Fazilitation von Chopping und lifting,<br />

Eva Zagler, Stolzalpe, 2006<br />

• Scapulavorbereitung beim Hemiplegiker,<br />

Petra Hinterplattner, Salzburg,<br />

2004<br />

• Die Auswirkung der manuellen lymphdrainage<br />

auf die oberflächensensibilität<br />

und das Vibrationsempfinden<br />

der Ödematösen oberen Extremität<br />

nach einem cerebralen Insult, Claudia<br />

Pehamberger, Horn, 2007<br />

• Die Verbesserung der Atemfunktion bei<br />

Insultpatienten durch <strong>Physio</strong>therapie<br />

nach dem Bobath­Konzept, Nicole Hell,<br />

KFJ Wien, 1997<br />

• Interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

auf den Stroke Units der Steiermark,<br />

Eva Christina Tatzel, Stolzalpe, 2005<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>­<br />

Kurse 2011<br />

<strong>zum</strong> Schwerpunkt<br />

thema<br />

Klinische Tage –<br />

Bobath­Konzept<br />

Schwerpunkt: chronische Phase nach<br />

Schlaganfall/langzeitsymptomatik<br />

25.–26.2.2011<br />

St. Pölten, NÖ Hilfswerk<br />

Elfriede Jeglitsch<br />

Neuropsychologische Störungen<br />

26.–27.3.2011<br />

Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Dr. med. Mario Prosiegel<br />

Neurologie verstehen<br />

Wiedereinsteigerkurs im Bereich<br />

Neurologie<br />

4.–5.4.2011<br />

Salzburg, FH Campus Urstein<br />

25.–26.6.2011<br />

graz, FH Joanneum<br />

4.–5.8.2011<br />

Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Behandlung von Hemiplegikern<br />

5.5.2011<br />

Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Beate Carrière, PT<br />

Multimodaler Neglect und<br />

Raumstörungen<br />

(inkl. räumlich­konstruktive<br />

Störungen): Assessment und<br />

Therapie<br />

6.–7.5.2011<br />

Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Prof. Dr. georg Kerkhoff<br />

Gangrehabilitation bei<br />

neurologischen Störungen<br />

Funktionsorientierte Therapie<br />

19.–20.11.2011<br />

Dornbirn, landessportzentrum<br />

17.–18.12.2011<br />

Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />

Bernd Anderseck, MSc, PT<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 18


Fachtagung 2011:<br />

„Lebensqualität<br />

am Lebensende –<br />

<strong>Physio</strong>therapie in<br />

End of Life Care“<br />

Am 6. und 7. Mai 2011 findet im<br />

Vorfeld zur Generalversammlung<br />

von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> in graz die internationale<br />

Fachtagung „lebensqualität am<br />

lebensende – <strong>Physio</strong>therapie in End<br />

of life Care“ statt (siehe auch inform<br />

5/2010). Eine Einladung mit detailliertem<br />

Programm liegt dieser Ausgabe des<br />

„inform“ bei und ist auch auf der Website<br />

von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> zu finden.<br />

Beginn: 05.10.2011<br />

Ende der Anmeldefrist: 01.03.2011<br />

Studiendauer: 4 Semester berufsbegleitend<br />

Studienabschluss: „Master of Sports <strong>Physio</strong>therapy“<br />

(in Kurzform: MSPhT)<br />

Zulassungsvoraussetzung:<br />

• der Abschluss eines Fachhochschulstudienganges für<br />

<strong>Physio</strong> therapie oder<br />

• der Abschluss einer Ausbildung gemäß „Krankenpflegegesetz“<br />

BgBl 102<br />

aus 1961, bzw. MTD­gesetz BgBl 1992/460 oder<br />

• ein gleichwertiger in­ oder ausländischer Abschluss<br />

• Interesse an den Themen Sport, Prävention und<br />

Rehabilitation<br />

Gesamtkosten geplant: € 9.200,–<br />

Veranstalter: Universität Wien, Zentrum für<br />

Sportwissenschaften und Universitätssport<br />

gemeinsam mit <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />

Kontakt: <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Bildungsreferat<br />

Mag. Eva Eisl (eva.eisl@physioaustria.at, T: 01 587 99 51 20)<br />

Nähere Informationen auf<br />

www.physioaustria.at<br />

Wissenschaft & Forschung Fachtagung 2011 · Universitätslehrgang Sportphysiotherapie<br />

Lebens �ualitä�<br />

Der 4. Universitätslehrgang für<br />

Sportphysiotherapie startet im Herbst 2011<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 19


Wissenschaft & Forschung Forschungsstrategie für Gesundheitsberufe<br />

Eine Vision bis 2020<br />

Das Jahr 2006 stellte eine Zäsur für die Ausbildung zu <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

sowie zu den anderen gehobenen medizinisch­technischen Diensten (MTD)<br />

und Hebammen dar. In diesem Jahr starteten die ersten Bachelorstudiengänge<br />

in den Bundesländern Niederösterreich, Salzburg und Steiermark an<br />

Fachhochschulen. Vier Jahre später ist der Umstellungsprozess von Akademien<br />

auf Fachhochschulen insofern abgeschlossen, als alle Ausbildungen in<br />

Österreich zu MTD und Hebammen im Wintersemester als Fachhochschul­<br />

Bachelorstudiengängen begonnen haben. Damit kommt Österreich dem Ziel<br />

des sogenannten Bologna­Prozesses näher, das ein gestuftes Bildungssystem<br />

mit europaweit vergleichbaren Bildungsabschlüssen vorsieht.<br />

Die Stufen bestehen aus einem<br />

Bachelor-, einem Master- und<br />

einem Doktorats- bzw. PhD-<br />

Abschluss. Während der Abschluss<br />

eines Bachelor­ und eines Masterabschlusses<br />

vorrangig zu einer Berufsqualifikation<br />

führt, dient ein Doktorats­ bzw.<br />

PhD­Studium der Aneignung von Forschungskompetenzen.<br />

Dieser Zusammenhang<br />

von Bildung und Forschung stellt<br />

auch die grundlage einer Forschungsstrategie<br />

dar, die von der gesundheit<br />

Österreich gmbH, der Planungs­ und<br />

Forschungsgesellschaft des Bundes in<br />

gesundheitsangelegenheiten, im Auftrag<br />

des Bundesministeriums für gesundheit<br />

erarbeitet wird.<br />

Diese Forschungsstrategie umfasst mit<br />

der gesundheits­ und Krankenpflege, den<br />

Hebammen und den MTD für die gesund­<br />

Die „<strong>Physio</strong>therapie­leistungsstandards“<br />

beschreiben jene Aspekte der physiotherapeutischen<br />

leistung, für welche die<br />

organisation verantwortlich ist, um die<br />

Sicherheit und Qualität der leistungen<br />

für die PatientInnen zu gewährleisten<br />

und eine Umgebung, die der Sicherheit<br />

der Beschäftigten sowie ihrer laufenden<br />

Entwicklung dienlich ist, zu erhalten. Die<br />

Standards stellen eine Benchmark dar, an<br />

der die leistung gemessen werden kann.<br />

Sie bilden einen Rahmen, anhand dessen<br />

heitliche Versorgung der Bevölkerung<br />

zentrale Berufe. Wesentliche gesundheits­<br />

und versorgungsrelevante Bereiche sind<br />

noch nicht beforscht. gleichzeitig sind<br />

mit der Anbindung der Ausbildung an die<br />

Fachhochschule rechtlich und politisch<br />

Forschungsaktivitäten vorgesehen. Aus<br />

diesem grund werden in einem partizipativen<br />

Prozess, unter anderem unter<br />

Einbindung von Berufsangehörigen aus<br />

Forschung, lehre und Wissenschaft, alle<br />

Handlungsfelder aufgelistet, die für die<br />

Etablierung einer Forschung in den genannten<br />

Berufen relevant sind. Mit kurz­<br />

und mittelfristigen Zielen und Maßnahmen<br />

zu den einzelnen Handlungsfeldern<br />

werden umsetzbare Schritte erarbeitet,<br />

welche die Wettbewerbsfähigkeit dieser<br />

Berufe im nationalen und internationalen<br />

Umfeld langfristig sichern sollen. Damit<br />

unterstützt die Forschungsstrategie die<br />

eine organisation die Erbringung ihrer<br />

leistung prüfen und verbessern kann.<br />

Die Standards wurden für alle physiotherapeutischen<br />

leistungen entwickelt,<br />

unabhängig ob die Tätigkeit angestellt<br />

oder freiberuflich ausgeübt wird, sind dadurch<br />

jedoch auch abhängig vom Setting<br />

unterschiedlich anwendbar.<br />

Die leistungsstandards stellen eine<br />

Ergänzung zu den bereits veröffentlichten<br />

Kernstandards der physiotherapeutischen<br />

nationalen Bemühungen zur Stärkung des<br />

Wissenschafts­und Forschungsstandortes<br />

Österreich.<br />

Dem Forschungsdrang der Berufsangehörigen<br />

gegenüber stehen die budgetäre<br />

Situation öffentlich finanzierter Forschung<br />

und die Herausforderung, mehr Berufsangehörige<br />

für Forschung zu qualifizieren.<br />

Die Forschungsstrategie muss diesem<br />

Spannungsfeld Rechnung tragen. Der<br />

Erstentwurf der Strategie wurde Ende<br />

November 2010 mit einem ausgewählten<br />

Kreis von Personen diskutiert und<br />

abgestimmt. Ab Ende Jänner 2011 wird<br />

es für drei Wochen über eine online­<br />

Beteiligung die Möglichkeit geben, zu<br />

diesem Erstentwurf Stellung zu beziehen<br />

und Ideen einzubringen. Die Ergebnisse<br />

werden in der Folge in der Strategie<br />

berücksichtigt. Anfang März 2011 wird die<br />

Strategie im Rahmen einer Konsensuskonferenz<br />

abgestimmt und fertig gestellt.<br />

Die Forschungsstrategie unterstützt<br />

damit die Erreichung von zwei Zielen: Die<br />

Festigung der fachlich­wissenschaftlichen<br />

Ausrichtung der gesundheitsberufe und<br />

die Berücksichtigung versorgungsrelevanter<br />

Forschungsagenden.<br />

Mag. Regina Aistleithner<br />

Projektkoordination<br />

gesundheit Österreich gmbH<br />

Europäische Standards für<br />

physiotherapeutische Leistungen<br />

Die außerordentliche Generalversammlung der europäischen Region des<br />

Weltverbandes (ER­WCPT) hat 2003 erstmals die „European <strong>Physio</strong>therapy<br />

Service Standards“ angenommen. Diese Standards liegen nun in einer neuen<br />

deutschen Übersetzung vor.<br />

Praxis dar (siehe www.physioaustria.at) und<br />

sollen nicht zuletzt der eigenen Reflexion<br />

und ständigen Verbesserung der Berufspraxis<br />

dienen.<br />

Die aktuelle Übersetzung der leistungsstandards<br />

steht inklusive Erläuterungen<br />

zur Anwendung ab Ende Februar<br />

online auf der <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Webseite<br />

www. physioaustria.at zur Verfügung.<br />

Mag. Nicole Muzar, PT<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 20


Am 2. Dezember 2010 hat in<br />

Amsterdam im Rahmen des<br />

jährlichen Kongresses des<br />

KNGF (niederländischer Verband<br />

der <strong>Physio</strong>therapeutInnen)<br />

die 2nd Conference on Clinical<br />

Guidelines unter dem Vorsitz<br />

von Sarah Bazin (Vorsitzende<br />

ER­WCPT) und Phillip van der<br />

Wees (KNGF, Vorsitzender des<br />

Guidelines International Network)<br />

stattgefunden. Österreich war durch<br />

Elisabeth Eckerstorfer, M.A., PT,<br />

Karin Tresohlavy, MSc, PT und<br />

Constance Schlegl, PT vertreten.<br />

<strong>Thema</strong> der Konferenz war die<br />

Implementierung der <strong>Physio</strong>therapie<br />

in Form von klinischen<br />

Leit linien in Bezug auf chronische<br />

Erkrankungen. Die erste Konferenz zu<br />

diesem <strong>Thema</strong> hat bereits 2006 stattgefunden.<br />

Damals ging es um die Entwicklung<br />

einer Strategie zur Entwicklung und<br />

Implementierung von physiotherapeutischen<br />

leitlinien.<br />

In Vorträgen wurde zunächst ein Überblick<br />

über mögliche Strategien zur<br />

Implementierung physiotherapeutischer<br />

Behandlung in klinischen leitlinien<br />

anhand von verschiedenen Krankheitsbildern<br />

wie z.B. CoPD, Nikotinabusus<br />

geboten. Dabei wurde auch auf<br />

Widerstände Bedacht genommen, die von<br />

anderen Stakeholdern dabei zu erwarten<br />

sind.<br />

Im Rahmen von Workshops sollten<br />

anschließend die VertreterInnen der<br />

europäischen Mitgliedsverbände anhand<br />

eines bereits entwickelten Modells eine<br />

einheitliche Strategie zur Verbreitung der<br />

physiotherapeutischen Arbeit in Form<br />

von leitlinien erarbeiten. Dabei wurde<br />

deutlich, dass innerhalb Europas große<br />

Unterschiede in Bezug auf die (berufs)<br />

politischen Umwelten herrschen und dass<br />

es <strong>zum</strong> jetzigen Zeitpunkt nicht möglich<br />

ist, eine allgemeingültige Strategie zu<br />

entwickeln.<br />

In Österreich und Deutschland <strong>zum</strong><br />

Beispiel sind <strong>Physio</strong>therapeutInnen zwar<br />

in die Entwicklung von multidisziplinären<br />

Wissenschaft & Forschung 2nd Conference on Clinical Guidelines – Amsterdam<br />

FoTo: ERWPCT<br />

Europäische<br />

Strategie ist noch<br />

Zukunftsmusik<br />

leitlinien und Bundesleitlinien (Deutschland:<br />

nationale Versorgungsleitlinien)<br />

involviert, die Erstellung und Implementierung<br />

physiotherapeutischer leitlinien,<br />

wie <strong>zum</strong> Beispiel der Parkinson­leitlinie<br />

des niederländischen Verbandes wird<br />

aber wahrscheinlich noch einige zeit­ und<br />

kostenintensive Vorarbeit benötigen.<br />

Die holländische Parkinson­leitlinie wurde<br />

übrigens bereits in einigen europäischen<br />

ländern zur optimalen physiotherapeutischen<br />

Versorgung erfolgreich implementiert<br />

und ist im Internet einzusehen:<br />

https://www.kngfrichtlijnen.nl/images/<br />

imagemanager/guidelines_in_english/<br />

KNgF_guideline_for_Physical_Therapy_<br />

in_patients_with_Parkinsons_disease.pdf<br />

Conclusio der Konferenz war, dass es<br />

notwendig ist, in Europa ein einheitliches<br />

Niveau bei der Arbeit an und mit leitlinien<br />

zu erreichen, um die Qualität physiotherapeutischer<br />

Arbeit nach außen zu<br />

transportieren. Evidenz und therapeutische<br />

Erfahrung sollen sich hier nicht<br />

im Wege stehen, sondern auf hohem<br />

Niveau für die PatientInnen eine optimale<br />

Behandlung garantieren.<br />

Constance Schlegl, PT<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 21


Seit seiner Einführung 1974 wurde<br />

der Mutter-Kind-Pass ständig<br />

weiterentwickelt. Im Sinne einer<br />

kinder- und zukunftsorientierten<br />

Änderung des Mutter-Kind-Passes<br />

ist es jedoch erforderlich, dass<br />

der Mutter­Kind­Pass nicht alleiniges<br />

Instrument der Ärzteschaft bleibt. Hier<br />

unterscheiden sich die Standpunkte des<br />

Konsensuspapiers der liga für Kinder­ und<br />

Jugendgesundheit zur „Mutter­Kind­Vorsorge<br />

– neu“ und <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>s.<br />

Neben einer vorgeburtlichen Beratungsmöglichkeit<br />

durch Hebammen, wie es<br />

z.B. auch das Konsensuspapier der liga<br />

fordert, sind auch für die Betreuung nach<br />

der geburt Beratungsmöglichkeiten durch<br />

Ihr kompetenter Partner für Sport-, Therapie- & Freizeitprodukte<br />

• per Telefon<br />

07245 / 233-13<br />

Gesundheitspolitik Mutter-Kind-Pass<br />

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Forderung nach<br />

physiotherapeuti scher<br />

Betreuung<br />

Der Mutter­Kind­Pass ist unbestritten ein wertvolles Instrument für die<br />

Gesundheitsvorsorge sowie für die Früherkennung von Fehlentwicklungen im<br />

Säuglings­ und Kindesalter. Um eine bestmögliche Betreuung, Vorsorge und<br />

Früherkennung für Kinder gewährleisten zu können, sieht <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />

jedoch noch dringenden Handlungsbedarf für eine Neuorientierung des<br />

Mutter­Kind­Passes und unterstützt diese grundsätzliche Forderung der Liga<br />

für Kinder­ und Jugendgesundheit, welcher auch <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> angehört.<br />

die entsprechenden gesetzlich geregelten<br />

gesundheitsberufe, in Ergänzung zur<br />

ärztlichen Betreuung vorzusehen – z. B. in<br />

Zusammenhang mit der Bewegungskontrolle,<br />

­entwicklung und ­förderung durch<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen als ExpterInnen für<br />

Bewegung und Bewegungsentwicklung.<br />

Im Mutter­Kind­Pass sollte daher in den<br />

ersten drei lebensmonaten explizit eine<br />

Beratungsmöglichkeit durch <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />

mit Schwerpunkt Kinderphysiotherapie,<br />

verankert werden.<br />

Dadurch könnten u.a. eventuelle Entwicklungsverzögerungen<br />

früher erkannt und<br />

behandelt, bzw. die Eltern im Handling,<br />

etc. gut beraten werden. Spätfolgen durch<br />

Unwissenheit über richtiges Handling und<br />

physiologische Bewegungsentwicklung<br />

könnten so in manchen Fällen vermieden<br />

werden.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> unterstützt weiters,<br />

dass parallel zur Überarbeitung<br />

des Mutter­Kind­Passes auch ein<br />

System der „Frühen Hilfe“ aufgebaut<br />

wird, welches neben dem somatisch<br />

• per E-Mail<br />

offi ce@eyblsport.com<br />

orientierten Vorsorgeinstrument des<br />

Mutter­Kind­ Passes, ein soziales Frühwarn­<br />

und Hilfesystem für Familien in<br />

Risikokonstellationen darstellen soll. Auch<br />

hier ist jedenfalls die <strong>Physio</strong>therapie,<br />

welche das Risikokind in seiner motorischen<br />

und psychosozialen Entwicklung<br />

professionell begleitet, zu verankern.<br />

<strong>Physio</strong> therapeutInnen kooperieren mit professionellen<br />

Berufsgruppen aus anderen<br />

Bereichen wie gesundheits­ und Krankenpflege,<br />

SozialarbeiterInnen, Psycholog­<br />

Innen, ErgotherapeutInnen, logopädInnen,<br />

etc. und sind erfahrene ExpertInnen in der<br />

Beratung und Anpassung von Hilfsmitteln,<br />

machen Begleitung und Beratung zuhause,<br />

in Schulen und Kindergärten.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> wird sich 2011 verstärkt<br />

der <strong>Thema</strong>tik der physiotherapeutischen<br />

Betreuung der Kleinsten und der Neuerung<br />

des Mutter­Kind­Passes annehmen,<br />

um Kindern den bestmöglichen Start ins<br />

leben zu ermöglichen.<br />

Mag. Nicole Muzar, PT<br />

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<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 22<br />

BEZAHlTE ANZEIgE


Gesundheitspolitik Neuerungen in der WGKK<br />

WGKK vergibt Verträge<br />

für die Behandlung<br />

von Kindern<br />

Entsprechend dem oftmals in Ver tragsverhandlungen<br />

getätigten Vorschlag von <strong>Physio</strong><br />

<strong>Austria</strong>, wurde in der Wiener Gebietskrankenkassa<br />

die Vergabe von Verträgen zur Behandlung von<br />

Kindern ab 2011 beschlossen.<br />

Wien ist somit das erste –<br />

und derzeit einzige –<br />

Bundesland, in dem<br />

nach bestimmten<br />

Qualifikationskriterien<br />

zusätzliche<br />

Ressourcen für<br />

die Behandlung<br />

von Kindern<br />

im Vertragsbereich<br />

geschaffen<br />

werden.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> fordert schon lange<br />

und nicht nur in Wien, den Zugang<br />

zur <strong>Physio</strong>therapie im Bereich<br />

der Pädiatrie niederschwellig zu<br />

gestalten. Mit der Vergabe von Kassenverträgen<br />

für Behandlungen von Kindern<br />

ist nun ein wichtiger Schritt in diese<br />

Richtung gelungen.<br />

Erfreulich ist auch, dass die Vertragsvergabe<br />

– da die Behandlung von<br />

Kindern meist neben der Arbeit in einer<br />

Klinik, einem Institut oder einer Reha­<br />

Einrichtung erfolgt – bereits ab fünf<br />

Wochenstunden möglich ist. Die WgKK<br />

sucht nun TherapeutInnen, die sich für<br />

einen Kassenvertrag zur Behandlung von<br />

Kindern interessieren und ersucht diese,<br />

sich direkt an Frau DDr. Andrea Fleischmann<br />

in der WgKK zu wenden<br />

(email: andrea.fleischmann@wgkk.at).<br />

Behandlungsplan für den Vertrags-<br />

und Wahlbereich<br />

Resultierend aus den teilweise nicht nachvollziehbaren<br />

Kürzungen und der restriktiven<br />

Handhabung bei der chefärztlichen<br />

Bewilligung von Verordnungen vor allem<br />

im Wahlbereich sah der Wiener landesverband<br />

Handlungsbedarf. In Zusammenarbeit<br />

mit dem Medizinischen Dienst der<br />

WgKK wurde ein Formular ausgearbeitet,<br />

das gemeinsam ab der ersten zu bewilligenden<br />

Verordnung an den chefärztlichen<br />

Dienst übermittelt werden soll.<br />

Hier können von therapeutischer<br />

Seite zusätzliche, oft für die Bewilligung<br />

einer adäquaten Anzahl und Dauer von<br />

Therapien notwendige Angaben gemacht<br />

werden. Es ist auf diesem Weg möglich,<br />

den ChefärztInnen Informationen<br />

zukommen zu lassen, die TherapeutInnen<br />

über den Zustand Patienten/der Patientin<br />

haben, die aber auf der ärztlichen Verordnung<br />

nicht ersichtlich sind.<br />

Der Behandlungsplan ist online auf der<br />

Website der WgKK abrufbar:<br />

http://www.wgkk.at/<br />

mediaDB /676053_<strong>Physio</strong>therapie_<br />

Behandlungsplan.pdf<br />

Constance Schlegl, PT<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 23


<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> ExpertInnen im Gespräch<br />

StichworteSchlag<br />

worteReizworte<br />

Dr. Gudrun Diermayr über …<br />

… Bildungsreform<br />

„Sehr wichtig für alle! Es scheint mir jedoch, dass es oft mehr um die<br />

Anliegen verschiedener Interessensgruppen geht als um eine inhaltliche<br />

Diskussion über Bildung und relevante Bezugsthemen. Das ist<br />

sehr schade, weil es ein zentrales <strong>Thema</strong> in unserer gesellschaft ist.“<br />

… Pisa­Test<br />

„Prinzipiell erscheinen mir standardisierte, internationale Assessments<br />

im Schulsystem als sinnvoll und hilfreich. Ich bin aber nicht sicher,<br />

ob die Methodik, die dem Pisa­Test zugrunde liegt (z.B., Auswahl der<br />

Stichprobe, Standardisierung der Testdurchführung) die internationale<br />

Vergleichbarkeit zulässt.“<br />

… Grundlagenforschung<br />

„Deren Wichtigkeit sollte man in der <strong>Physio</strong>therapie nicht unterschätzten.“<br />

… Studiengebühren<br />

„Studiengebühren im Sinne eines finanziellen Beitrags der Studierenden<br />

finde ich <strong>zum</strong>utbar. Nach sieben Jahren auf amerikanischen Unis<br />

sieht man die Diskussion in Österreich mit anderen Augen. gute Förderprogramme<br />

für Studierende aus finanziell benachteiligten Familien<br />

sind natürlich wichtig. Derzeit müssen Studierende in Masterlehrgängen<br />

der gesundheitsberufe das gesamte Studium privat finanzieren.<br />

Solche Unterschiede im Finanzierungsmodell zwischen den einzelnen<br />

Studienrichtungen finde ich sehr problematisch und unfair.“<br />

… Multitasking<br />

„Wird uns allen immer mehr abverlangt. Und gehört (zufällig) auch zu<br />

meinen Forschungsinteressen.“<br />

… Evidenz<br />

„Ist natürlich sehr wichtig; deren Wichtigkeit wird international auch<br />

gar nicht mehr diskutiert. Schön wäre es, wenn wir uns auch in<br />

Österreich beteiligen, durch wissenschaftliches Arbeiten Evidenz zu<br />

erbringen. Wenn das Wort ‚Evidence­based <strong>Physio</strong>therapy’ nur als<br />

Schlagwort gilt, ist das schade.“<br />

… Masterlehrgang <strong>Physio</strong>therapie<br />

„Erfreulich, dass wir das endlich auch in Österreich anbieten. Und<br />

ich freue mich auch sehr, dass ich die Möglichkeit habe, einen der<br />

lehrgänge in Österreich zu leiten.“<br />

… Cochrane Reviews (CR)<br />

„Bestimmt hilfreich für KlinikerInnen. Soll und kann aber nicht das<br />

lesen von original­Artikeln ersetzen (vor allem für diejenigen, die<br />

aktiv wissenschaftlich arbeiten). Ich selber verwende CR kaum, weil<br />

ich die original­Artikel lese bzw. auch viele Arbeiten im Bereich der<br />

grundlagenforschung lese, die in den CR nicht abgedeckt sind.“<br />

… ÄrztInnen<br />

„Mitglieder (oft leiter) des interdisziplinären Teams in der Klinik.“<br />

… ÄrztInnen in der Forschung<br />

„ÄrztIn ist prinzipiell nicht gleich ForscherIn. In der akademisch/<br />

wissenschaftlichen Zusammenarbeit von ÄrztInnen und<br />

TherapeutInnen wäre wünschenswert, dass die Wichtigkeit der<br />

Berufsgruppenzuge hörigkeit abnimmt, und dafür vermehrt die<br />

akademisch­wissenschaftliche Kompetenz zählt. letzteres könnten<br />

sich beide Berufsgruppen in gleichem Maße aneignen.“<br />

… Interdisziplinären Erfahrungsaustausch<br />

„Unabdingbar und für alle bereichernd.“<br />

Dr. Gudrun Diermayr<br />

(re.) mit Studentinnen:<br />

„Ich möchte sicherstellen,<br />

dass<br />

Studieren de die den<br />

Master bei uns absolvieren,<br />

ausreichend<br />

Kompetenz erwerben,<br />

um ein Doktorat anschliessen<br />

zu können.“<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 24<br />

FoTo: FH CAMPUS WIEN


<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> ExpertInnen im Gespräch<br />

Forschung als selbstverständlicher<br />

Teil physiotherapeutischer<br />

Arbeit<br />

In den vergangenen Jahren hat „inform“ in einer Reihe von Porträts ehrenamtliche<br />

FunktionärInnen von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> – Präsidiumsmitglieder, Landesverbandsvorsitzende,<br />

LeiterInnen von ARGEs und Fachgruppen –vorgestellt. Mit der ersten<br />

Ausgabe 2011 startet eine neue Serie: „inform“ bittet ExpertInnen und EntscheidungsträgerInnen<br />

<strong>zum</strong> Gespräch, um über wesentliche Belange der <strong>Physio</strong>therapie und des<br />

Gesundheitswesens zu diskutieren.<br />

Den Auftakt macht die Leiterin des Masterlehrgangs „<strong>Physio</strong>therapie“ an der FH<br />

Campus Wien, Dr. Gudrun Diermayr (siehe Seite 27). Sie spricht über Forschung in<br />

der <strong>Physio</strong>therapie, warum sie in Österreich noch in den Kinderschuhen steckt, über<br />

falsche Vorstellungen und fehlende Rahmenbedingungen und über ihre Motivation,<br />

physiotherapeutische Forschung auch hierzulande zu etablieren.<br />

inform: Frau Dr. Diermayr, nach sieben Jahren Forschungs­ und<br />

lehrtätigkeit an US­Universitäten sind Sie nach Österreich zurückgekommen,<br />

um die leitung des Masterlehrgangs <strong>Physio</strong>therapie zu<br />

übernehmen. Wird das eine Schmiede von österreichischen Forscher­<br />

Innen in der <strong>Physio</strong>therapie?<br />

Diermayr: Da muss man realistisch bleiben. Diese Aufgabe kann ein<br />

Masterlehrgang nicht übernehmen. Das heißt, dass jemand, der den<br />

Master abschliesst, nicht gleich ein ForscherIn sein wird. Das Master­<br />

Studium kann allerdings der erste Schritt <strong>zum</strong>/r ForscherIn sein – als<br />

Stufe zwischen dem Bachelor und dem Doktorat/PhD. letzteres ist<br />

dann die eigentliche Forschungsausbildung.<br />

Im Master­Studium beginnt der Kompetenzaufbau in wissenschaftlichem<br />

Arbeiten. Zum Beispiel lernen die Studierenden,<br />

wissenschaftliche Artikel zu verstehen und zu interpretieren, machen<br />

erste ‚Forschungs­Erfahrung’ durch das Erarbeiten der Master­These.<br />

Dazu gehören grundkenntnisse in Forschungsmethodik ebenso wie<br />

in Statistik oder quantitativer Bewegungsanalyse. In diesem Sinne ist<br />

das Master­Studium die Vorbereitung <strong>zum</strong> PhD. Und dieser Aspekt<br />

liegt mir sehr am Herzen. Ich möchte sicherstellen, dass Studierende<br />

die den Master bei uns absolvieren, ausreichend Kompetenz erwerben,<br />

um ein Doktorat anschliessen zu können. Natürlich muss nicht<br />

jede/r AbsolventIn den Weg in Richtung Forschung einschlagen.<br />

Solide grundkenntnisse in wissenschatlichem Arbeiten sind ebenso<br />

wesentlich in der lehre, der eigenen Praxis oder in der Mitarbeit bei<br />

Forschungsprojekten.<br />

inform: In der Medizin gibt es ja immer wieder beachtliche<br />

Forschungserfolge aus Österreich. Aber gibt es hier überhaupt eine<br />

physiotherapeutische Forschung?<br />

Diermayr: Eigentlich nicht. Zumindest nicht auf internationalem<br />

Niveau. Forschung ist kontinuierliche Kommunikation und muss im<br />

Alltag passieren. An der Columbia University hatte ich immer viele<br />

Forscher um mich herum. Als ich meine Dissertation schrieb, war<br />

ich täglich mehrmals bei meinen Professoren. Da gibt es einen regen<br />

Austausch mit Forscher Innen wie mit KlinikerInnen, und man ist sehr<br />

schnell auf einer multidisziplinären Ebene. In Österreich ist man noch<br />

eher ein Einzelkämpfer. Da gibt es noch einigen Nachholbedarf.<br />

inform: Was soll man sich denn überhaupt unter physiotherapeutischer<br />

Forschung vorstellen: Bücher schmökern in der Bibliothek?<br />

Diermayr: Bücher schmökern definitiv nicht. Wissenschaftliche<br />

Journale und Artikel lesen: ja. Aber das ist nur ein Basis­Bestandteil<br />

einer seriösen Forschertätigkeit. <strong>Thema</strong>tisch arbeiten forschende<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen in der praxisnahen, klinischen Forschung.<br />

Zum Beispiel: Untersuchung von Behandlungskonzepten wie der<br />

constrained induced movement therapy, Mentales Training nach<br />

Schlaganfall, etc. Aber auch in der grundlagenforschung in Bereichen<br />

wie Bewegungswissenschaften oder Biomechanik. Erfreulich ist, dass<br />

man neben der quantitativen Forschung immer häufiger qualitative<br />

Forschung in unserem Bereich sieht; da geht es <strong>zum</strong> Beispiel um<br />

Themen der PatientInnen­TherapeutInnen­Beziehung.<br />

inform: Solche Forschungsprojekte könnten aber beispielsweise<br />

auch von PsychologInnen oder MedizinerInnen durchgeführt werden<br />

und nicht zwingend von <strong>Physio</strong>therapeutInnen …<br />

Diermayr: Das stimmt – wenn die ÄrztInnen auch ForscherInnen<br />

sind. Aber derartige Forschungen werden sowieso schnell interdisziplinär.<br />

In solchen Kooperationen sind dann vor allem PsychologInnen,<br />

SportwissenschafterInnen, NeurowissenschafterInnen,<br />

Ergo therapeutInnen und <strong>Physio</strong>therapeutInnen – alle mit Forschungsexpertise.<br />

Und die forschenden TherapeutInnen bringen da zusätzlich<br />

noch die klinische Expertise mit – die oft sehr wesentlich ist.<br />

inform: Sie haben ja selbst Forschungsprojekte durchgeführt, bzw.<br />

führen solche durch und arbeiten in internationalen Projekten mit.<br />

Wie läuft so ein Forschungsprojekt ab? »<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Dezember 2010 25


<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> ExpertInnen im Gespräch<br />

BEZAHlTE ANZEIgE<br />

Diermayr: Zunächst einmal wird das Projekt konzipiert. Häufig<br />

ist das neue Projekt eine Folgefrage aus einem abgeschlossenen<br />

Projekt. Die Forschungsfrage klar und deutlich zu stellen und wissenschaftlich<br />

zu untermauern, ist eine der schwierigsten Aspekte. Und<br />

es bedarf <strong>zum</strong> Einen sehr guter Kenntnisse der wissenschaftlichen<br />

literatur zu diesem <strong>Thema</strong> und <strong>zum</strong> Anderen intensiven Austauschs<br />

mit KollegInnen. Im nächsten Schritt wird die richtige Methodik zur<br />

Beantwortung der Fragestellung entwickelt. In meinen Projekten war<br />

ich in diesem Stadium sehr viel im labor, beschäftigte mich mit den<br />

Messinstrumenten – <strong>zum</strong> Beispiel 3­D Bewegungsanalyse­System<br />

Vicon, Kraftmessplatten für die Messung von Bodenreaktionskräften,<br />

Kraftsensoren für die Feinmotorik der Hand – sammelte erste Pilotdaten,<br />

adaptierte die Methodik, technisch und inhaltliche Aspekte.<br />

Nach wie vor ist man in ständigem Austausch mit KollegInnen und/<br />

oder ProfessorInnen. Um ein sauberes Experiment durchzuführen,<br />

sind oft mehrere Pilotversuche und Adaptationen notwendig.<br />

Im Konzipieren des Versuches legt man – gerade als TherapeutIn –<br />

Wert darauf, dass die untersuchten Tätigkeiten für den Alltag relevant<br />

und gleichzeitig im labor mess­ und wiederholbar sind – das zu<br />

vereinen ist eine grosse Herausforderung.<br />

inform: Das klingt nach sehr viel Technik …<br />

Diermayr: Ist es auch – gerade die Arbeit in einem Bewegungslabor!<br />

Ich war technisch ziemlich uninteressiert, und plötzlich musste ich<br />

Kameras einstellen, verschiedene Messinstrumente kalibrieren und<br />

synchronisieren, und auch selbst Programme schreiben. Mich damit<br />

anzufreunden, war nicht einfach. ‘Mehr Technik­Freundlichkeit’ in<br />

meiner Ausbildung hätte das vielleicht erleichtert.<br />

inform: Und wenn man die Technik im griff hat …<br />

Diermayr: … dann kommen die Probanden bzw. zuerst die Suche<br />

nach ihnen. Im labor müssen dann die Experimente akribisch<br />

genau durchgeführt werden. Die Arbeit mit den PatientInnen im<br />

labor mochte ich immer besonders gern – weil das ja doch der<br />

therapeutischen Arbeit am nächsten kommt. Und ich glaube, dass<br />

es vor allem auch im labor von grossem Wert ist, TherapeutInnen im<br />

Forscher­Team zu haben – sowohl für die Probanden als auch für die<br />

Forschungsarbeit.<br />

Nach den Datensammlungen geht’s an die Datenanalyse. Das ist<br />

– gerade im Bereich der Bewegungsanalyse/Motorischen Kontrolle –<br />

extrem langwierig. Für mein erstes Projekt innerhalb meiner Dissertation<br />

habe ich zwei Jahre lang nur analysiert. Nach dem Analysieren<br />

und den statistischen Auswertungen beginnt man, die Arbeit als<br />

Publikation niederzuschreiben – in vielen Feedback­Schleifen mit<br />

dem Professor. Das heißt: Während des PhD­Studiums, fängt man<br />

auch schon an, wissenschaftlich zu publizieren.<br />

inform: Die Nagelprobe für ein Forschungsprojekt …?<br />

Diermayr: Ja, natürlich! Es kommt darauf an, dass die Ergebnisse<br />

international verbreitet werden. Meine erste Präsentation war<br />

bei einer grossen internationalen Konferenz, der Conference for<br />

the Society of Neuroscience, an der rund 30.000 ForscherInnen<br />

teilnahmen. Da kommen dann renommierte ForscherInnen auf einen<br />

zu und fragen ‚Warum haben Sie das so gemacht?’ Auch das muss<br />

man lernen: Sich anderen Meinungen auszusetzen, und das eigene<br />

forscherische Tun zu begründen.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 26


<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> ExpertInnen im Gespräch<br />

inform: Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, um die<br />

Forschung durch <strong>Physio</strong>therapeutInnen in Österreich voranzutreiben?<br />

Diermayr: Zum Einen müssen wir uns selbst für wissenschaftliches<br />

Arbeiten öffnen. Neben der Wertschätzung der praktischen Arbeit,<br />

sollte auch die wissenschaftliche Arbeit als wichtig und wesentlich<br />

empfunden werden. Wahrscheinlich ist nach wie vor Aufklärung notwendig:<br />

was ist Forschung? Warum ist Forschung auch für die <strong>Physio</strong>therapie<br />

wichtig? Wesentlich erscheint mir vor allem der Austausch<br />

zwischen ForscherInnen und KlinikerInnen, <strong>zum</strong> Beispiel auf Konferenzen,<br />

Fachvorträgen, etc. Von institutioneller Seite wäre es wichtig,<br />

TherapeutInnen in ihrer Ausbildung (Master, PhD) zu unterstützen<br />

und Anreize zu schaffen für ausgebildete ForscherInnen, nach Österreich<br />

zurück zu kommen, internationale Kooperationen zu fördern.<br />

Dabei wird es auch nötig sein, ungewohnte Arbeitsmodelle zu<br />

entwickeln, um letztendlich den Aufbau von kleinen Forschungsteams<br />

voranzutreiben. Dann passiert wirklich Forschung.<br />

gleichzeitig ist wichtig, die praktische Erfahrung der Therapeut­<br />

Innen in die Forschungsarbeit einfliessen zu lassen (Austausch<br />

ForscherIn und KlinikerIn) – gerade das wäre die Stärke der<br />

therapeutischen Forschung. Sich auch anzuschauen, wie Forschung<br />

bzw. Forschungsaufbau im Ausland passiert, ist bestimmt auch sehr<br />

hilfreich, ebenso die Bereitschaft, in andere Bereiche zu gehen,<br />

<strong>zum</strong>indest für die Dauer der Ausbildung, z.B., durch einen PhD in<br />

Biomechanik. Und die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen,<br />

die schon länger in der Forschung tätig sind.<br />

In Österreich müssen wir uns auch noch gegenüber der Ärzteschaft<br />

emanzipieren. Es geht um Forschungskompetenz und die ist<br />

nicht von Berufsbildern abhängig. In den USA wäre es <strong>zum</strong> Beispiel<br />

völlig unüblich, dass ein Arzt leiter eines Master­lehrgangs für<br />

<strong>Physio</strong>therapeutInnen ist.<br />

inform: Forschung kostet aber auch geld. Wo sollen – noch dazu<br />

in Zeiten, wo überall der Rotstift angesetzt wird – die nötigen Mittel<br />

aufgetrieben werden?<br />

Diermayr: Die Basisfinanzierung sollte über die FH oder die<br />

Universität erfolgen. Und internationale Zusammenarbeit sollte<br />

unterstützt werden. Das hätte ja auch Vorteile für den Standort. Ich<br />

plane zur Zeit ein Projekt in Zusammenarbeit mit einem Münchner<br />

labor und Dr. Tara McIsaac, einer international anerkannten<br />

Neurowissenschaftlerin, die ich von der Columbia University<br />

kenne. Im Rahmen ihres Besuches bei uns an der FH Campus<br />

Wien, hat sie <strong>zum</strong> Beispiel im Dezember vergangenen Jahres einen<br />

Vortrag über „Bewegungskontrolle bei Menschen mit Parkinson<br />

Syndrom“ gehalten, zu dem auch externe KlinikerInnen und<br />

ForscherInnen eingeladen wurden. Durch solche Kooperationen bzw.<br />

Veranstaltungen wird ja auch ein wissenschaftlich­klinischer Diskurs<br />

hier in Wien gefördert, der für alle bereichernd sein könnte.<br />

Für das Forschungsprojekt selbst muss man versuchen, Forschungsgelder<br />

aufzutreiben. Zum Beispiel beim Wissenschaftsfonds oder<br />

bei der Forschungsförderungsgesellschaft. Es gibt in Österreich<br />

Forschungsgelder – wenn auch immer weniger – aber auch für uns.<br />

Es geht „nur“ darum, ein gutes Projekt zu präsentieren; Publikationen<br />

und auch inernationale Kooperationen sind dabei für die geldgeber<br />

wichtig, weil es auf wissenschaftliche Kompetenz schliessen lässt.<br />

Darüber hinaus sollten wir auch neue Wege suchen. Vielleicht könnte<br />

man mit gesundheitsökonomen eine solide Kosten­Nutzen­Rechnung<br />

erstellen, an der auch die Sozialversicherungsträger Interesse haben.<br />

Dr. Gudrun Diermayr, MA, PT<br />

Seit einem Jahr leiterin des Masterlehrgangs<br />

<strong>Physio</strong>therapie und lektorin an<br />

der FH Campus Wien<br />

Davor Akademie für <strong>Physio</strong>therapie am<br />

AKH Wien<br />

Master of Arts in Physical Therapy (New<br />

york University)<br />

Dissertation in Motorischem lernen<br />

und Motorischer Kontrolle Columbia<br />

University, New york)<br />

Forschungsprojekte an der Columbia<br />

University<br />

zuletzt als <strong>Physio</strong>therapeutin am Miller<br />

Institute for Performing Arts Medicine in<br />

New york tätig<br />

inform: Fehlen nur noch die <strong>Physio</strong>therapeut Innen, die Forscher­<br />

Innen werden wollen …<br />

Diermayr: Erfreulicher Weise gibt es schon welche. Und es<br />

werden hoffentlich noch mehr. Es sind allerdings sowohl für die<br />

Studierenden, die Interesse an einer Forschungsausbildung haben<br />

als auch für TherapeutInnen, die bereits ForscherInnen sind, die<br />

Rahmenbedingungen nicht ideal. Zum Beispiel, zahlt der Wiener<br />

Krankenanstaltenverbund seinen MitarbeiterInnen therapeutische<br />

Fortbildungskurse. Wer jedoch einen Master­lehrgang absolviert,<br />

muss diesen zurzeit zur gänze selber bezahlen und bekommt dafür<br />

auch keine Fortbildungstage. Weiters sind die in Frage kommenden<br />

PhD­Programme derzeit ja noch großteils im Ausland, und das<br />

ist natürlich zeitlich sowie finanziell mit einem sehr, sehr großen<br />

persönlichen Aufwand verbunden. Eine Unterstützung wäre da –<br />

vor allem, wenn man Forschung wirklich aufbauen will – sehr, sehr<br />

wichtig.<br />

otto Havelka<br />

FoTo: FH CAMPUS WIEN<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 27


Zwei Mal pro Woche stehen die<br />

Studierenden am Spielfeld der<br />

zweiten Mannschaft der Grazer<br />

„Giants“: Im Rahmen eines freiwilligen<br />

Praxisprojekts unterstützen die Studierenden<br />

die Sportler während der abendlichen<br />

Trainingseinheiten mit physiotherapeutischen<br />

Übungen – und das bei jeder<br />

Witterung. Neben Verletzungsprophylaxe<br />

und Verbesserung der Koordination soll<br />

dadurch für die Sportler auch eine gesteigerte<br />

Ausdauerfähigkeit und verbesserte<br />

Performance für die nächste Spielsaison<br />

erreicht werden.<br />

Die Idee zur Zusammenarbeit, die in<br />

diesem Winter Premiere hat, stammt von<br />

Helene Rathofer, Absolventin des Studiengangs<br />

„<strong>Physio</strong>therapie“, und „giants“­<br />

Trainer Alex Fetz. Unter Supervision<br />

der beiden machen sechs Studierende<br />

mit den Sportlern gemeinsam zwei Mal<br />

pro Woche 20 Minuten lang spezielle<br />

Übungen, wobei <strong>zum</strong> Beispiel Halteübungen<br />

für eine verbesserte Rumpfkoordination<br />

eine wichtige Rolle spielen.<br />

„Durch diese Zusammenarbeit können<br />

unsere Studierenden in den leistungssport<br />

hineinschnuppern, gelerntes<br />

praktisch umsetzen und lernen, wie sie<br />

die Sportler auf professionelle Weise<br />

korrigieren und motivieren können“,<br />

beschreibt Maria Kormann, lehrende am<br />

Studiengang „<strong>Physio</strong>therapie“, die Vorteile<br />

des Projekts für die Studierenden.<br />

Die ehrenamtliche Zusammenarbeit<br />

wird durch ein Wahlpflichtfach, geleitet<br />

Bildung FH Joanneum Graz<br />

<strong>Physio</strong>therapie<br />

meets American<br />

Football<br />

Studierende des Studiengangs „<strong>Physio</strong>therapie“ an der<br />

FH Joanneum in Graz betreuen das Team der Grazer Football­<br />

Mannschaft „Giants“ in den Winter monaten. Die Idee zur<br />

Zusammenarbeit stammt von einer Absolventin des Studiengangs.<br />

Das Team des Studiengangs<br />

„<strong>Physio</strong>therapie“ mit Betreuern<br />

der „Giants“ und einem Spieler<br />

am Trainings gelände.<br />

<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 28<br />

von Barbara gödl­Purrer, das sich speziell<br />

mit leistungssport und Prävention<br />

auseinandersetzt, im Rahmen der lehre<br />

unterstützt. In diesem Kontext sind auch<br />

wissenschaftliche Untersuchungen und<br />

Studien <strong>zum</strong> Themenbereich „Prävention<br />

im Sport“ geplant.<br />

„Die Vereine sollen erkennen, wie<br />

wichtig eine ganzjährige physiotherapeutische<br />

Betreuung wäre, zusätzlich zur<br />

Betreuung durch die TrainerInnen“, so<br />

Kormann. Bei den Sportlern der „giants“<br />

jedenfalls komme die Zusammenarbeit<br />

sehr gut an, und auch für die Studierenden<br />

ist das Projekt offenbar nicht nur von<br />

fachlichem Interesse: Ein Studierender<br />

hat sich bereits von American Football<br />

begeistern lassen und trainiert nun selbst<br />

in der zweiten Mannschaft der „giants“.<br />

Die große Football­Euphorie soll in<br />

graz schon demnächst ausbrechen. In<br />

der steirischen landeshauptstadt findet<br />

heuer die Weltmeisterschaft im American<br />

Football statt.<br />

otto Havelka<br />

FoTo: FH JoANNEUM FoTo: ©ISToCKPHoTo.CoM / gRADyREESE

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