quellen zum Thema Physio - Physio Austria
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FoTo: THZ<br />
P.b.b. · Verlagspostamt 1060 Wien · 02Z031875 M · 6 Euro<br />
inform exklusiv<br />
Nur in der Ausgabe für Mitglieder<br />
von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> enthalten:<br />
12 Seiten Berufspolitik, Tipps und<br />
Services für <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
Zeitschrift von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, dem Bundesverband<br />
der <strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />
Nr. 1 · Februar 2011<br />
<strong>Physio</strong>therapie<br />
nach Schlaganfall<br />
Die Neurorehabilitation ist integrierter Bestandteil<br />
der Behandlung nach Schlagan fällen. Und<br />
innerhalb dieser spielt die <strong>Physio</strong>therapie eine<br />
zentrale Rolle. Durch gezielte Therapien können<br />
noch Jahre nach einem Insult entscheidende<br />
Besserungen erzielt werden. »<br />
inform
Redcord ® (bekannt geworden unter<br />
dem Namen TerapiMaster) ist der<br />
Marktführer für die Themen<br />
Neuromuskuläre Aktivierung<br />
(NEURAC ® ), Gelenkstabilisation<br />
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<strong>Physio</strong>therapeuten empfehlen<br />
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A-1030 Wien • Auenbrugger Gasse 2/11 • Tel. 01-710 31 65 • therapie4you@ad-rem-team.com<br />
Mit System verbunden:<br />
www.redcord.at<br />
BEZAHlTE ANZEIgE
Impressum<br />
Medieninhaber, Herausgeber<br />
und Redaktion<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, Bundesverband der<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs<br />
linke Wienzeile 8/28, A1060 Wien<br />
Tel. (01) 587 99 510, Fax DW30<br />
www.physioaustria.at<br />
ZVR 511125857<br />
Geschäftsführung:<br />
Mag. Stefan Moritz, MSc,<br />
stefan.moritz@physioaustria.at<br />
Ressort Berufspolitik:<br />
Mag. Nicole Muzar, PT,<br />
nicole.muzar@physioaustria.at<br />
Ressort Berufspolitik-Medizinrecht:<br />
Mag. Agnes görny,<br />
agnes.goerny@physioaustria.at<br />
Ressort Bildung:<br />
Mag. Eva Eisl,<br />
Elisabeth Wilfinger,<br />
bildungsreferat@physioaustria.at<br />
Ressort Administration:<br />
Petra Ritzal, info@physioaustria.at,<br />
Eva Maierhofer, office@physioaustria.at<br />
Bibliothek: Donnerstag 15.00–18.00 h<br />
bibliothek@physioaustria.at<br />
Öffentlichkeitsarbeit:<br />
Constance Schlegl, PT<br />
Telefon: (0699) 1587 99 59<br />
oeffentlichkeitsarbeit@physioaustria.at<br />
Koordinatorin f. d. extramuralen Bereich:<br />
Ute Eberl, MSc, PT<br />
Telefon: (0699) 12587326<br />
ute.eberl@physioaustria.at<br />
Redaktionsschluss: Beiträge, Inserate<br />
und bezahlte Anzeigen für das mit<br />
Monats beginn er scheinende inform<br />
müssen bis spätestens 5. des Vormonats<br />
im Verbandsbüro eingelangt<br />
sein. Ist dieser Tag ein Samstag, Sonnoder<br />
Feiertag, so gilt der nächste darauf<br />
folgende Werktag.<br />
Weitere MitarbeiterInnen<br />
dieser Ausgabe:<br />
Mag. Regina Aistleithner, PT<br />
Bernd Anderseck, MSc, PT<br />
Prim. Univ.Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Brainin<br />
günter Ernst<br />
Dr. Michael Freilinger<br />
Valid Hanuna, PT<br />
Christian Körner, PT<br />
gerald Schnell, PT<br />
Chefredakteur: otto Havelka<br />
(RHIZoM PR), Telefon (02230) 2791,<br />
Fax DW27, EMail havelka@rhizom.at<br />
Gestaltung: Markus Hörl,<br />
Julia Kerschbaumer, www.designpraxis.at<br />
Mitarbeit: Andrea Reynolds<br />
Fotos: Helmut Wallner /<br />
© <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>, ausgenommen:<br />
wo gesondert angegeben<br />
Farbkorrektur und Retusche:<br />
Helmut Wallner<br />
Druck: Schmidbauer gmbH<br />
Wiener Straße 103, 7400 oberwart<br />
Bezugspreise: Einzelheft: 6 Euro;<br />
Abo (5 Ausgaben/Jahr): 28 Euro<br />
(Inland), 48 Euro (Ausland).<br />
Storno: schriftlich 2 Monate vor<br />
Ablauf des Abos.<br />
Editorial<br />
50 Jahre <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
Ich nehme an, es ist Ihnen schon aufgefallen: die Titelseite des ersten „inform“ im neuen<br />
Jahr ziert ein „neues“, geschmücktes <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>logo. – Der Bundesverband der<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen Österreichs feiert sein 50jähriges Bestehen.<br />
Am 30. Mai 1961 wurde erstmals die Eintragung des Verbandes von der Bundespolizeidirektion<br />
amtlich bestätigt.<br />
Aus dem damals kleinen Verein ist im laufe eines halben Jahrhunderts eine stattliche organisation<br />
mit knapp 4500 Mitgliedern geworden. Aus einem Beginn ohne Ressourcen,<br />
MitarbeiterInnen und Infrastruktur und nur einer Postadresse, die mit der damaligen<br />
<strong>Physio</strong>therapieschule im Allgemeinen Krankenhaus ident war, entwickelte sich eine professionelle<br />
organisation mit einem repräsentativen Verbandsbüro einschließlich einem<br />
hochklassigen Schulungszentrum mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern . Und aus<br />
dem ehemals Assistenzberuf ist ein eigenständiger akademischer gesundheitsberuf<br />
„<strong>Physio</strong>therapeutIn“ geworden.<br />
Eine liste markanter Entwicklungen und Ereignisse, fachlicher und berufspolitischer<br />
Highlights sowie verdienstvoller MitarbeiterInnen und unermüdlicher KämpferInnen<br />
in Sachen <strong>Physio</strong>therapie während der vergangenen 50 Jahre würde Bände füllen.<br />
Anlässlich des Jubiläums wird es auch die Aufgabe von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> sein, diese<br />
Meilensteine der <strong>Physio</strong>therapie in Österreich in straffer Form zu dokumentieren und zu<br />
präsentieren.<br />
Nicht, um selbstzufrieden der Vergangenheit zu huldigen, sondern um aufzuzeigen,<br />
welche unverzichtbare Rolle die <strong>Physio</strong>therapie für die Menschen und im gesundheitswesen<br />
einnimmt. Und es wird auch unsere Aufgabe sein, mit dem Rückblick einen<br />
starken Fokus auf die Zukunft der <strong>Physio</strong>therapie in Österreich zu richten.<br />
Salopp gesagt: Mit 50 Jahren steht ein einzelner Mensch mitten im leben. Eine<br />
organisation wie <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> tritt in dem Alter gerade zur Reifeprüfung an. letzteres<br />
ist üblicherweise der Zeitpunkt, wo einen alle fragen „und was willst du werden?“.<br />
Ich will auch die Antwort darauf einmal salopp formulieren: Ich will, dass bei allen<br />
Menschen ‚<strong>Physio</strong>therapie’ der erste gedanke ist, wenn es um gesunde Bewegung geht.<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen sind die SpezialistInnen für Bewegung.<br />
Silvia MériauxKratochvila, M.Ed., PT<br />
Präsidentin<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 3
Inhalt<br />
<strong>Physio</strong>therapie<br />
nach Schlaganfall<br />
Schwerpunktthema<br />
<strong>Physio</strong>therapie in der chronischen Phase nach Hirnschlag<br />
Es geht immer noch was 5<br />
<strong>Physio</strong>therapie in der Behandlung des Insult<br />
Konzepte, Evidenz und Leitlinien 7<br />
Ambulante Spätrehabilitation<br />
Hier haben die TherapeutInnen das Sagen 8<br />
Interview: DI günther lenhart<br />
Manche Verrechnungsweisen sind widersinnig 10<br />
Case und Caremanagement<br />
ManagerInnen für die Rückkehr ins soziale Leben 11<br />
Der kindliche Insult<br />
Wer denkt schon an die Möglichkeit eines Schlag anfalls … 12<br />
Interview: Brigitte Führer<br />
Es ist fast immer Langzeittherapie nötig 14<br />
Stroke Units<br />
Die Neurorehabilitation ist ein Standbein der<br />
Allgemeinneurologie 15<br />
Der zerebrale Insult<br />
Was PatientInnen wissen sollten 17<br />
literatur und Kurse <strong>zum</strong> Schwerpunktthema<br />
Aktuelle Literatur <strong>zum</strong> Schwer punkt thema in der <strong>Physio</strong><br />
<strong>Austria</strong>-Bibliothek 18<br />
Diplomarbeiten <strong>zum</strong> Schwer punkt thema 18<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>-Kurse 2011 <strong>zum</strong> Schwer punkt thema 18<br />
Wissenschaft & Forschung<br />
Fachtagung 2011: „Lebensqualität am Lebensende –<br />
<strong>Physio</strong>therapie in End of Life Care“ 19<br />
Der 4. Universitätslehrgang für Sportphysiotherapie startet<br />
im Herbst 2011 19<br />
Forschungsstrategie für gesundheitsberufe<br />
Eine Vision bis 2020 20<br />
Europäische Standards für physiotherapeutische Leistungen 20<br />
2nd Conference on Clinical guidelines – Amsterdam<br />
Europäische Strategie ist noch Zukunftsmusik 21<br />
Gesundheitspolitik<br />
MutterKindPass<br />
Forderung nach physiotherapeuti scher Betreuung 22<br />
Neuerungen in der WgKK<br />
WGKK vergibt Verträge für die Behandlung von Kindern 23<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
ExpertInnen im gespräch<br />
Forschung als selbstverständlicher Teil physiotherapeutischer<br />
Arbeit 25<br />
Bildung<br />
FH Joanneum graz<br />
<strong>Physio</strong>therapie meets American Football 28<br />
FoTo: BERND ANDERSECK KlINIK VAlENS CH<br />
In der akuten Phase ist die positive<br />
Wirkung der „Stroke Units“ gut<br />
belegt 3 . Es ist auch klar, dass die<br />
Erstrehabilitationsmaßnahmen,<br />
bei denen es vor allem darum geht,<br />
dass der/die PatientIn das Laufen<br />
wiedererlernt und im Alltag vor<br />
allem im Primärbereich wieder<br />
funktioniert, sinnvoll sind. Was aber<br />
passiert in der chronischen Phase die je<br />
nach Definition nach drei bis sechs Monaten<br />
beginnt? gibt es dort auch Nachweise,<br />
dass <strong>Physio</strong>therapie wirkt?<br />
Der größte Teil der <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />
die in der Neurologie arbeiten, behandeln<br />
schon lange HirnschlagpatientInnen auch<br />
in der chronischen Phase und wissen,<br />
dass sich auch dort gute Erfolge erzielen<br />
lassen. Ein wichtiger Aspekt, um diese<br />
Erfolge herauszufiltern, ist die richtige Auswahl<br />
der Assessments. Nicht immer sind<br />
die standardisierten Assessments, z.B.<br />
Chedoke Mc Master Stroke Assessment<br />
oder Tinetti Test sensibel genug um kleinere<br />
Veränderungen zu messen. Eine klare<br />
Zielformulierung zu Beginn der Therapie ist<br />
hier von Vorteil.<br />
Die Einbeziehung der PatientInnen<br />
in diese Formulierung ist hier wichtig.<br />
Ein geeignetes Instrument ist die goal<br />
Attainment Scale 4 . Das Besondere an der<br />
„gAS“ ist, dass PatientIn und TherapeutIn<br />
gemeinsam bestimmen, welches Ziel sie<br />
erreichen wollen, und gemeinsam auswerten,<br />
ob sie das Ziel erreicht haben. Somit<br />
überträgt man den PatientInnen mehr<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 4
Selbstverantwortung (Empowerment). Im<br />
gespräch mit den PatientInnen findet man<br />
erreichbare Ziele, die aus den Problemen<br />
und Einschränkungen im Alltag resultieren.<br />
Die Ziele sind in der Regel Aktivitäten des<br />
täglichen lebens. Es sind aber auch Ziele<br />
für Körperstrukturen und Körperfunktionen<br />
möglich. Man kann sowohl quantitative<br />
als auch qualitative Merkmale definieren.<br />
Wichtig ist, dass die Ziele möglichst<br />
konkret formuliert werden und überprüfbar<br />
sind 5 . Die gAS bietet sich also an, weil<br />
· sie sich individuell anpassen lässt<br />
· sie sich an den Zielen des/der PatientIn<br />
orientiert und<br />
Schwerpunktthema <strong>Physio</strong>therapie in der chronischen Phase nach Hirnschlag<br />
Es geht immer<br />
noch was Info-Tipp<br />
Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache weltweit und die zweithäufigste<br />
in Europa 1 . In Österreich allein erleiden jedes Jahr cirka 20.000 Menschen einen<br />
Hirnschlag und das kumulative Erkrankungsrisiko bis <strong>zum</strong> 84. Lebensjahr<br />
beträgt 25 Prozent. In den ersten vier Wochen sterben 15–20 Prozent, rund.<br />
50.000 Menschen leiden in Österreich unter den Folgen eines Hirnschlages. Im<br />
Rahmen der Altersentwicklung unserer Gesellschaft ist eine weitere deutliche<br />
Zunahme dieser Erkrankungen zu erwarten. Die Kosten die durch Hirnschläge<br />
entstehen sind immens, vor allem auch durch <strong>zum</strong> Teil erhebliche körperliche<br />
und kognitive Behinderungen, die durch die Hirnschädigung entstehen 2 .<br />
· sie ein zuverlässiges, empfindliches und<br />
aussagekräftiges Assessment ist.<br />
Was ist die Grundlage des Handelns<br />
in der <strong>Physio</strong>therapie beim Hirnschlag<br />
in der chronischen Phase?<br />
Eine grundlage ist die Neuroplastizität,<br />
die lebenslang besteht. Dort gibt es eine<br />
Fülle von Untersuchungen. Ramachandran,<br />
Frakowiak, Weiler, Nudo, Ward, liepert,<br />
Merzernich und andere haben gezeigt,<br />
dass sich unser gehirn laufend an Veränderungen,<br />
die aus der Umwelt kommen,<br />
anpasst und bis ins hohe Alter lernfähig<br />
Assessment-Tools<br />
www.thieme.de/physioonline ><br />
„physioassessments“ ><br />
„Goal Attainment Scale“<br />
Weitere Assessments im Internet:<br />
www.igptr.ch > „Assessments“<br />
Buch: Assessments in der<br />
Rehabilitation Band 1: Neurologie,<br />
Schädler et al., Verlag Hans Huber<br />
bleibt. Das bedeutet, dass obwohl ein<br />
gewisser Bereich des gehirns irreversibel<br />
geschädigt ist, durch intensives<br />
Training, möglichst im Alltagskontext, auch<br />
nach einer längeren Zeit noch deutliche<br />
Verbesserungen erzielt werden können.<br />
Welche Interventionen wirken wie?<br />
Krafttraining ist sehr wirkungsvoll. In<br />
einer randomisierten kontrollierten Studie<br />
zeigte ouelette 2004 5 , bei 42 Patient<br />
Innen in zwei randomisierten gruppen,<br />
dass Krafttraining mit hoher Intensität »<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 5
zu einer Zunahme der Kraft und zu einer<br />
Tendenz der Reduktion der funktionellen<br />
Einschränkung und Behinderung führt.<br />
Marigold (2005) 6 untersuchte in einer<br />
randomisierten Studie den Effekt von zwei<br />
unterschiedlichen ambulanten Übungsprogrammen<br />
in gruppen auf das funktionelle<br />
gleichgewicht und auf Stürze.<br />
Auch hier konnten alle gruppen auch<br />
in der chronischen Phase vom Training<br />
profitieren. Es zeigten sich kleine Unterschiede<br />
bei den einzelnen gruppen.<br />
Seine Schlussfolgerung lautet: Ein gleichgewichtstraining<br />
bei PatientInnen mit<br />
Hirnschlag in der chronischen Phase über<br />
zehn Wochen verbessert das gleichgewicht<br />
gemessen mit der BBS Berg balance scale<br />
und auch die Sturzhäufigkeit signifikant.<br />
Das gangtraining auf dem laufband und<br />
dem lokomaten zeigt sich als effektiv, um<br />
das gehen positiv zu beeinflussen. Drei<br />
Studien untersuchten die Wirksamkeit von<br />
lokomattraining im Vergleich <strong>zum</strong> manuell<br />
unterstütztem laufbandtraining nach Hirnschlag<br />
7 8 9 . Bei allen drei Studien konnten<br />
diese PatientInnen alle schon gehen,<br />
allerdings mit Hinkmechanismus. Alle PatientInnen<br />
konnten beim gehen durch die<br />
Maßnahmen profitieren. Während Hornby<br />
und Hidler bessere Resultate bei herkömmlicher<br />
Therapie bekamen, zeigte die Studie<br />
von Westlake Vorzüge des lokomattraining.<br />
Erstaunlich ist auf jeden Fall, dass<br />
die gangparameter bei allen Studien auch<br />
in dieser beginnenden chronischen Phase,<br />
Verbesserungen aufzeigten.<br />
Schwerpunktthema <strong>Physio</strong>therapie in der chronischen Phase nach Hirnschlag<br />
FoTo: BERND ANDERSECK KlINIK VAlENS CH<br />
Therapieziele sollten mit den Patient<br />
Innen gemeinsam möglichst konkret<br />
formuliert werden und überprüfbar<br />
sein.<br />
Auch Macko (2005) 10 zeigte in einer großen<br />
Studie, dass aufgabenorientiertes aerobes<br />
Training auf dem laufband über sechs<br />
Monate durchgeführt, bei chronischen<br />
HirnschlagpatientInnen zu einer Verbesserung<br />
der kardiovaskulären Fitness aber<br />
auch der ADl leistungen führte.<br />
Ferrarello und Mitarbeiter 11 veröffentlichten<br />
vor fünf Monaten im Journal of Neurology<br />
eine Metaanalyse die lautet „Wirksamkeit<br />
der <strong>Physio</strong>therapie in der chronischen<br />
Phase nach Hirnschlag“. Sie schlossen<br />
15 randomisierte kontrollierte Studien ein<br />
und bekamen Daten zu 700 PatientInnen<br />
mit Nachkontrolle. Hier zeigte sich ganz<br />
deutlich, dass eine Vielzahl von therapeutischen<br />
Interventionen zur Verbesserungen<br />
im funktionellen outcome, auch in der<br />
Spätphase nach Hirnschlag, führen. Vor<br />
allem ließen sich Verbesserungen auf<br />
kurzer und langer gehstrecke nachweisen.<br />
Verbesserungen im ADl Bereich zeigten<br />
einen Zusammenhang mit Trainingsdauer<br />
und Trainingsintensität. Das bedeutet,<br />
wenn man in der chronischen Phase<br />
Therapieerfolge auf ADl Ebene erreichen<br />
will, muss man sehr intensiv über einen<br />
längeren Zeitraum therapieren.<br />
Es gibt also schon einige Belege, dass<br />
<strong>Physio</strong>therapie in der chronischen Phase<br />
nach Hirnschlag zu guten Ergebnissen<br />
führt. Sicherlich sind noch weitere Studien<br />
in dieser Phase notwendig, um auch eine<br />
bessere Differenzierung der einzelnen<br />
Interventionen zu bekommen.<br />
Studien <strong>zum</strong> Beleg der Therapie sind sehr<br />
wichtig. TherapeutInnen sollten aber den<br />
Menschen und die Einzelbeobachtung<br />
nicht aus den Augen verlieren. Nur so<br />
können sie gewährleisten, dass auch ihre<br />
eigene klinische Erfahrung in die Beurteilung<br />
mit einfließt.<br />
Bernd Anderseck, MSc, PT<br />
1. Mancia g. (2004) Prevention and treatment of<br />
stroke in patients with hypertension. Clinical<br />
therapeutics 26:631648<br />
2. lyrer, P. (2000). Epidemiologie des<br />
Hirnschlages. Schweizerische Ärztezeitung<br />
3. Candelise l,(2007) Strokeunit care for acute<br />
stroke patients: an observational followup<br />
study. lancet 369:299305<br />
4. TurnerStokes l. (2004) goal attainment<br />
scaling: a direct comparison of alternative rating<br />
methods. Clinical rehabilitation 24:6673<br />
5. ouellette M. M. (2004) Highintensity<br />
resistance training improves muscle strength,<br />
Bernd Anderseck, MSc, PT<br />
Arbeitet seit fünfzehn Jahren im Rehabilitationszentrum<br />
Valens (Schweiz)<br />
Unterrichtet seit zehn Jahren an der Fachhochschule<br />
Neurologie und PNF<br />
2003 Abschluss IPNFA Instruktor<br />
2007 Abschluss MSc in Neurorehabilitation<br />
an der DonauUniversität Krems<br />
Vortragender bei internationalen Kongressen<br />
<strong>zum</strong> <strong>Thema</strong> Multiple Sklerose<br />
Seit 2007 Kursleiter für <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> zu<br />
den Themen aus der Neurologie: Multiple<br />
Sklerose, gangrehabilitation in der Neurologie,<br />
PNF, Neurologie Verstehen<br />
Seit 2008 lehrender beim European Master<br />
in Stroke Medicine an der DonauUniversität<br />
Krems<br />
FoTo: PRIVAT<br />
selfreported function, and disability in longterm<br />
stroke survivors. Stroke; a journal of<br />
cerebral circulation 35:14041409<br />
6. Marigold D. (2005) Exercise leads to faster<br />
postural reflexes, improved balance and<br />
mobility, and fewer falls in older persons<br />
with chronic stroke. Journal of the American<br />
geriatrics Society 53:416423<br />
7. Hornby T. g. (2008) Enhanced gaitrelated<br />
improvements after therapist versus roboticassisted<br />
locomotor training in subjects with<br />
chronic stroke: a randomized controlled<br />
study. Stroke; a journal of cerebral circulation<br />
39:17861792<br />
8. Hidler J. (2009) Multicenter randomized<br />
clinical trial evaluating the effectiveness<br />
of the lokomat in subacute stroke.<br />
Neurorehabilitation and neural repair 23:513<br />
9. Westlake K. P. (2009) Pilot study of lokomat<br />
versus manualassisted treadmill training for<br />
locomotor recovery poststroke. Journal of<br />
neuroengineering and rehabilitation 6:18<br />
10. Macko R. F. (2005) Treadmill exercise rehabilitation<br />
improves ambulatory function and<br />
cardiovascular fitness in patients with chronic<br />
stroke: a randomized, controlled trial. Stroke;<br />
a journal of cerebral circulation 36:22062211<br />
11. Ferrarello F. (2010) Efficacy of physiotherapy<br />
interventions late after stroke: a meta<br />
analysis. Journal of neurology, neurosurgery,<br />
and psychiatry<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 6
<strong>Physio</strong>therapie gilt nach einem<br />
Insult als zentraler Bestandteil der<br />
Behandlung. Auch wenn an der Effektivität<br />
einzelner Konzepte aufgrund der oft<br />
nicht eindeutigen Nachweisbarkeit durch<br />
wissenschaftliche Evaluationsstudien<br />
Zweifel geäußert werden, zählen neurophysiologische<br />
Behandlungskonzepte, wie<br />
<strong>zum</strong> Beispiel im mitteleuropäischen Raum<br />
verbreitet Bobath oder PNF (Propriozeptive<br />
Neuromuskuläre Fazilitation),<br />
<strong>zum</strong> Handwerkszeug von <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />
die in der Rehabilitation von<br />
PatientInnen tätig sind, die einen Insult<br />
erlitten haben.<br />
laut der derzeitigen Evidenz ist kein<br />
Konzept dem anderen überlegen. Multidisziplinäres<br />
Teammanagement mit Einbeziehung<br />
verschiedener Berufsgruppen<br />
(<strong>Physio</strong>therapeutInnen, logopädInnen,<br />
ErgotherapeutInnen, orthoptistInnen,<br />
Pflege, PsychologInnen, ÄrztInnen) aber<br />
auch Angehörige, ist ein wesentlicher<br />
Faktor für die Erreichung eines jeweils individuell<br />
definierten Therapieziels, das im<br />
Sinne des qualitätsgesicherten Arbeitens<br />
immer wieder überprüft und gegebenenfalls<br />
auch modifiziert werden muss.<br />
Das Bobath Konzept (Neurodevelopment<br />
Treatment Konzept) will Tonusregulation<br />
– z.B. Hemmung der spastischen Tonuserhöhung<br />
und Aktivierung paretischer<br />
Muskelgruppen – erreichen, um im Alltag<br />
benötigte Bewegungen wiederzuerlernen.<br />
Neben Übungen <strong>zum</strong> Wiedererlernen<br />
von gleichgewichtsreaktionen für die<br />
Haltungskontrolle werden Übungen<br />
zur Funktionsverbesserung der oberen<br />
Extremität mit den PatientInnen erarbeitet<br />
(vgl.Davies 1991; vgl. Davies 1993).<br />
Der Deutsche BobathVerband verweist<br />
auf eine aktuelle, 2010 in Deutschland<br />
und Australien durchgeführte Studie mit<br />
Schwerpunktthema <strong>Physio</strong>therapie in der Behandlung des Insult<br />
Konzepte, Evidenz<br />
und Leitlinien<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen haben auch im neurophysiologischen<br />
Bereich eine Reihe von Werkzeugen zur Verfügung, wenn es<br />
um die Behandlung von Erkrankungen bzw. um Maßnahmen<br />
im Rahmen der Rehabilitation geht.<br />
dem Titel „Bobath versus Task orientiertes<br />
Training“, in der nachgewiesen<br />
werden konnte, dass die therapeutische<br />
Intervention nach dem BobathKonzept<br />
signifikant dem rein taskorientiertem<br />
Training überlegen ist. Die Studie wird<br />
demnächst in der „Clinical Rehabilitation“<br />
erscheinen.<br />
PNF (Proziopreptive Neurormuskuläre<br />
Fazilitation) zielt auf Anbahnung<br />
syner gistischer Aktivierungsmuster<br />
der Muskeln durch die Stimulation von<br />
Propriozeptoren ab. Auch mit Bewegungen<br />
gegen Widerstand wird gearbeitet, es ist<br />
diese Methode somit auch zur Muskelkräftigung<br />
geeignet. Die Hemmung der<br />
spastischen Muskulatur erfolgt durch<br />
die Aktivierung der inaktiven antagonistischen<br />
Muskulatur, so wird die reziproke<br />
Innervation zur Behandlung der Spastizität<br />
genutzt. Es werden neben den propriozeptiven<br />
auch taktile, optische und akustische<br />
Reize gesetzt (vgl. Knott et al 1968; vgl.<br />
Buck et al 1996).<br />
Es gibt derzeit keine Evidenz für die<br />
Überlegenheit einer bestimmten<br />
Methode, ein Mix von physiotherapeutischen<br />
Techniken zur Verbesserung<br />
der posturalen Kontrolle, der Beinkraft,<br />
ganggeschwindigkeit und Alltagsfähigkeit<br />
erbrachte bessere Funktionsergebnisse<br />
als keine oder eine Placebobehandlung<br />
(vgl. Pollock et al 2007).<br />
Neueren Erkenntnissen zufolge zeigen<br />
Studien, dass ein gewichtsentlastendes<br />
laufbandtraining effektiver sein könnte,<br />
als ein laufbandtraining allein und dass<br />
laufbandtraining in Kombination mit<br />
aufgabenorientierten Übungen effektiver<br />
sein dürften als unspezifische Übungen<br />
(vgl. Moseley et al 2005).<br />
Constance Schlegl, PT<br />
Wichtige<br />
Informations<strong>quellen</strong><br />
<strong>zum</strong><br />
<strong>Thema</strong> <strong>Physio</strong>therapie<br />
nach<br />
Insult:<br />
Aktuelle literatur <strong>zum</strong> <strong>Thema</strong> Bobath<br />
findet man auf der Homepage der IBITA:<br />
http://ibita.org/<br />
Eine liste zur aktuellen Evidenz zu PNF<br />
gibt es auf der Seite der deutschen<br />
Arbeitsgemeinschaft für PNF des ZVK:<br />
http://www.agpnf.de/literatur1.<br />
htm#direct_PNF<br />
Die vorhandene Evidenz ist auch die<br />
grundlage verschiedener leitlinien,<br />
<strong>zum</strong> Beispiel hat die ESo (European<br />
Association of Stroke) im Jahr 2008<br />
erweiterte leitlinien für das Management<br />
des Schlaganfalls publiziert:<br />
http://www.esostroke.org/recommendations.php?cid=9&sid=1<br />
Die leitlinie der Deutschen gesellschaft<br />
für Neurologie findet sich hier:<br />
http://www.dgn.org/component/<br />
content/article/18/535leitlinienderdgnakuttherapiedesischaemischenschlaganfalls.html<br />
Die in ihrer Art bisher in Europa einzigartige<br />
physiotherapeutische leitlinie,<br />
auf Initiative des holländischen<br />
Berufsverbands KNFg erstellt, ist ein<br />
hochwertiges Tool zur qualitätsgesicherten<br />
Arbeit mit SchlaganfallpatientInnen:<br />
https://www.kngfrichtlijnen.nl/images/<br />
imagemanager/guidelines_in_english/<br />
KNgF_guideline_for_Physical_Therapy_in_patients_with_Stroke.pdf<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 7
Schwerpunktthema Ambulante Spätrehabilitation<br />
Hier haben die<br />
TherapeutInnen<br />
das Sagen<br />
Das Therapiezentrum für halbseitig Gelähmte (THZ) ist seit 15 Jahren das<br />
einzige ambulante Rehabilitationszentrum in Ostösterreich, das Langzeittherapie<br />
für neurologische PatientInnen im interdisziplinären Team anbietet.<br />
(Lediglich in Vorarlberg gibt es ein vergleichbares Zentrum.) Ein Großteil der<br />
PatientInnen sind SchlaganfallPatientInnen, die hier auch noch viele Jahre<br />
nach dem Insult erfolgreich Therapien absolvieren.<br />
Für viele Schlaganfall-PatientInnen<br />
endet der Weg der Besserung genau<br />
dort, wo die Hoffnung auf die Rückkehr<br />
in ein „normales“ Leben groß<br />
ist. Sie haben in einer Stroke Unit eine<br />
optimale Akutversorgung erhalten, haben<br />
danach einige Wochen in einem spezialisierten<br />
RehabZentrum verbracht – und<br />
dann, sechs Monate später, wenn sie je<br />
nach Schwere des Insults im wahren Sinn<br />
des Wortes wieder auf die Beine kommen,<br />
ist Schluss. Weiterführende Therapien<br />
wären oft sinnvoll, aber sie sind<br />
1. teuer: bei 50 bis 100 Therapieeinheiten<br />
ist die finanzielle Belastung auch<br />
dann groß, wenn „nur“ ein Selbstbehalt zu<br />
zahlen ist<br />
2. kaum organisierbar: gerade<br />
für SchlaganfallPatientInnen mit<br />
körperlichen Einschränkungen ist das<br />
permanente Bewilligungsritual bei der<br />
Krankenkassa für weitere sechs bis zehn<br />
Therapieeinheiten eine kaum zu nehmende<br />
Hürde – erst recht, wenn unterschiedliche<br />
Therapien (z.B. <strong>Physio</strong> und<br />
Ergotherapie) angesagt sind.<br />
Das von einer <strong>Physio</strong>therapeutin initiierte<br />
THZ (siehe Kasten) ist für solche Patient<br />
Innen eine oase in der Versorgungswüste.<br />
Dank einer Sonderregelung mit den Krankenkassen<br />
werden hier für PatientInnen<br />
pauschal Therapieblöcke von 50 mal 1<br />
Stunde bewilligt. Je nach Bedarf des/der<br />
PatientIn können die bewilligten Therapieeinheiten<br />
bei <strong>Physio</strong>therapeutInnen,<br />
ErgotherapeutInnen oder logopädInnen<br />
konsumiert werden. Auch „CoTherapien“<br />
(z.B. eine gemeinsame Therapieeinheit<br />
von Ergo und <strong>Physio</strong>therapeutIn) sind<br />
möglich. Und die PatientInnen brauchen<br />
auch keinen Selbstbehalt zu bezahlen.<br />
Was den PatientInnen gut tut, verursacht<br />
den Betreibern des THZ manche<br />
Schmerzen. Die großzügigen Pauschalbewilligungen<br />
der Krankenkassen gibt<br />
es nur zu reduzierten Tarifen. Sprich:<br />
Die Krankenkassa zahlt dem THZ pro<br />
Therapieeinheit weniger als anderen<br />
Vertragspartnern. Fazit: Die anfallenden<br />
Kosten von rund 550.000,– Euro pro Jahr<br />
können nur zu gut 80 Prozent mit den<br />
Kassenhonoraren abgedeckt werden. Der<br />
Rest muss über Spenden – z.B. vom nahe<br />
gelegenen Rotary Club Perchtoldsdorf<br />
– abgedeckt werden. Auch viele PatientInnen<br />
stehen auf der Spenderliste des THZ.<br />
Das Konzept<br />
Das THZ bietet Therapien zur neurologischen<br />
Rehabilitation für Menschen mit<br />
Behinderungen nach Schlaganfällen,<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 8<br />
FoTo: THZ
Üben, üben, üben: Die<br />
Plastizität des Gehirns<br />
ermöglicht auch noch<br />
viele Jahre nach einem<br />
Schlaganfall Therapie<br />
und Lernerfolge.<br />
Hirnblutungen, SchädelHirnTraumen,<br />
neurochirurgischen Eingriffen und<br />
System erkrankungen, deren Verlauf durch<br />
Therapie günstig beeinflusst werden kann.<br />
Voraussetzungen, um das THZ in<br />
Anspruch zu nehmen sind<br />
• Motivation und Kooperation des/der<br />
PatientIn und der Angehörigen<br />
• Ausreichende Belastbarkeit beim<br />
Transport und während der Therapien<br />
• Eigenständigkeit im Warteraum außerhalb<br />
der Therapieeinheiten oder Unterstützung<br />
durch eine Begleitperson<br />
Angeboten werden 60minütige Einzeltherapien<br />
folgender Disziplinen: <strong>Physio</strong>therapie,<br />
Ergotherapie und logopädie.<br />
Insgesamt stehen dafür 13 Therapeut<br />
Innen zur Verfügung.<br />
„Zu Beginn der Therapien erfolgt eine<br />
ausführliche therapeutische Befunderhebung<br />
sowie eine fachärztliche<br />
Begutachtung. Basierend darauf werden<br />
gemeinsam mit dem/der Patient/in und<br />
unter Einbeziehung der Angehörigen<br />
alltagsorientierte Therapieziele formuliert.<br />
Diese bilden die grundlage für einen<br />
detaillierten Behandlungsplan, der im<br />
Verlauf der Therapien dokumentiert und<br />
regelmäßig überprüft wird“, erklärt die<br />
leiterin des THZ, Christine Schreiner.<br />
Schwerpunktthema Ambulante Spätrehabilitation<br />
Um die interdisziplinäre Arbeit zu<br />
optimieren, werden regelmäßig Case<br />
Managements durchgeführt. Die TherapeutInnen<br />
eines/r PatientIn – jede/r PatientIn<br />
hat pro Therapieart immer den/die<br />
selbe/n TherapeutIn – evaluieren in diesen<br />
Besprechungen gemeinsam die Therapieinhalte<br />
und stimmen die therapeutischen<br />
Interventionen aufeinander ab.<br />
Bei Bedarf gibt es auch CoTherapien<br />
– sprich: zwei TherapeutInnen arbeiten<br />
gemeinsam mit einem/r PatientIn, was<br />
zur Umsetzung von speziellen therapeutischen<br />
Maßnahmen notwendig sein kann.<br />
Je nach Bedarf kommen die PatientInnen<br />
zwei bis viermal pro Woche zu einer bis<br />
drei Stunden Therapie. Empfohlen werden<br />
50 bis 125 Therapieeinheiten pro Jahr.<br />
„Viele PatientInnen kommen auch noch<br />
nach sechs bis sieben Jahren zu Therapieauffrischungen“,<br />
so Schreiner.<br />
In den Rehabilitationsprozess werden<br />
auch Angehörige und/oder andere Begleitpersonen<br />
mit einbezogen, um den Transfer<br />
des in der Therapie Erlernten in den Alltag<br />
zu unterstützen. Angehörigengespräche<br />
dienen dazu, gemeinsam an der Zielformulierung<br />
zu arbeiten sowie Ressourcen des<br />
Patienten/der Patientin im Alltag herauszuarbeiten.<br />
FoTo: THZ<br />
FoTo: PRIVAT<br />
„Viele PatientInnen kommen<br />
auch noch nach sechs bis<br />
sieben Jahren zu Therapieauffrischungen.“<br />
Christine Schreiner, leiterin des THZ<br />
Im Rahmen von Hausbesuchen wird eruiert,<br />
welche Aufgaben und Rollen der/die<br />
PatientIn daheim aufgrund der Wohnsituation<br />
wieder übernehmen kann. Therapeutischen<br />
Maßnahmen werden auf diese<br />
Bedürfnisse abgestimmt. Therapieinhalte<br />
wie etwa Transfer und lagerung sowie<br />
Heimübungsprogramme werden an<br />
die häusliche Situation angepasst. Die<br />
Notwendigkeit eventueller Adaptierungen<br />
der Wohnungseinrichtung wird ebenfalls<br />
abgeklärt. »<br />
THZ –<br />
eine physiotherapeutische<br />
Initiative<br />
Das Therapiezentrum für halbseitig<br />
gelähmte (THZ) wurde vor 30 Jahren von<br />
der <strong>Physio</strong>therapeutin lucie Schiefthaler<br />
ins leben gerufen, nachdem sie einen<br />
Schlaganfallpatienten aus ihrem nahen<br />
Umfeld zu Hause betreute.<br />
1981 wurde das THZ als Wohnheim für<br />
acht PatientInnen im 23. Bezirk in Wien<br />
eröffnet. Im laufe der nächsten 15<br />
Jahre werden insgesamt mehr als 250<br />
PatientInnen nach 12 bis 18monatigen<br />
stationären Aufenthalten ihr leben in<br />
ihrer häuslichen Umgebung wieder selbst<br />
gestalten.<br />
Aufgrund der steigenden Nachfrage und<br />
fehlender Kapazitäten wurde das THZ 1996<br />
auf ambulanten Betrieb umgestellt. Seither<br />
wurden von den derzeit 13 TherapeutInnen<br />
mehr als 1100 PatientInnen betreut.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 9
Schwerpunktthema Ambulante Spätrehabilitation · Interview: DI Günther Lenhart<br />
Manche Verrechnungsweisen<br />
sind widersinnig<br />
inform: Das THZ wird als<br />
PionierEinrichtung gepriesen,<br />
und der Andrang ist<br />
groß. Trotzdem sind Sie auf<br />
Spenden angewiesen …<br />
Lenhart: Einerseits sind wir<br />
sehr froh, dass wir mit den<br />
Krankenkassen eine Sondervereinbarung<br />
erzielt haben,<br />
die es ermöglicht, viele<br />
Therapieeineinheit im Block<br />
bewilligt zu bekommen. Und<br />
für die PatientInnen, die oft<br />
mehrere hundert Einheiten<br />
konsumieren, ist es eine<br />
große Entlastung, keinen<br />
Selbstbehalt zahlen zu müssen.<br />
Andererseits sind manche<br />
Verrechnungs weisen<br />
Mit den PatientInnen werden alltagsorientierte<br />
Therapieziele formuliert.<br />
schon widersinnig, wenn für<br />
die Therapieeinheit im THZ,<br />
wo die Qualität der Betreuung<br />
und der Infrastruktur<br />
besonders hochwertig ist,<br />
weniger bezahlt wird als bei<br />
Therapie zu Hause.<br />
inform: Wird die Spätrehabilitation<br />
nicht generell zu<br />
stiefmütterlich behandelt?<br />
Lenhart: Wir bringen dem<br />
Staat und den Krankenkassen<br />
zwar kein geld, aber<br />
wir reduzieren deren Kosten,<br />
wenn häufigere Spitalsaufenthalte<br />
vermieden werden<br />
können und Pflegegeld Stufen<br />
niedrig gehalten werden.<br />
Und etliche PatientInnen<br />
werden ja auch wieder<br />
erwerbstätig.<br />
Das Problem ist, dass verschiedene<br />
leistungen von<br />
verschiedenen Einrichtungen<br />
bezahlt werden und jeder<br />
versucht seine eigenen<br />
Kosten zu minimieren.<br />
Irgendwann wird man im<br />
gesundheitswesen auf eine<br />
volkswirtschaftliche Rechnung<br />
umstellen müssen.<br />
Es wird sich aber auch das<br />
Bewusstsein der PatientInnen<br />
ändern müssen.<br />
Die Menschen sparen oft<br />
einige Jahre, um sich etwas<br />
Bestimmtes kaufen zu können.<br />
Nur bei der gesundheit<br />
FoTo: THZ<br />
DI Günther<br />
Lenhart,<br />
Obmann des<br />
THZ (Therapiezentrum<br />
für<br />
halbseitig<br />
Gelähmte)<br />
ist das nicht so. Ich glaube,<br />
dass viele aber bereit wären,<br />
auch ein, zwei Jahre auf ihre<br />
gesundheit hin zu sparen<br />
und in Therapien investieren,<br />
wenn sie die gewissheit<br />
haben, dass sie dann <strong>zum</strong><br />
Beispiel wieder gehen<br />
können.<br />
Außerdem gibt es eine Nordic Walking und<br />
eine Bowling/Billardgruppe, wo PatientInnen<br />
nicht nur spielerisch ihre körperlichen<br />
Fähigkeiten trainieren können, sondern<br />
auch Kontakte und Erfahrungsaustausch<br />
mit anderen PatientInnen pflegen.<br />
Späte Vorbildwirkung<br />
Der Andrang auf einen Therapieplatz im<br />
THZ ist groß. Je nach Therapieart beträgt<br />
die Wartezeit bis zu neun Monate. Ein<br />
Ausbau der Kapazitäten ist dennoch<br />
nicht geplant. Die räumlichen Möglichkeiten<br />
sind begrenzt und die finanziellen<br />
Rahmenbedingungen erlauben auch keine<br />
großen Sprünge. Außerdem will man „das<br />
familiäre Klima, das von den PatientInnen<br />
sehr geschätzt wird, nicht gefährden“,<br />
sagt Schreiner.<br />
Das Modell könnte in näherer Zukunft<br />
aber doch noch Schule machen. Der<br />
Fonds Soziales Wien schickte Mitarbeiter<br />
Innen aus, um das Modell THZ zu begutachten<br />
und fragte auch um Unterstützung<br />
und Beratung an: Man überlege, in der<br />
Bundeshauptstadt eine Tagesklinik nach<br />
dem Vorbild THZ aufzubauen.<br />
otto Havelka<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 10<br />
FoTo: PRIVAT
Schwerpunktthema Case- und Caremanagement<br />
ManagerInnen für die Rückkehr<br />
ins soziale Leben<br />
Ursprünglich wurde Case und Caremanagement<br />
(CM) als Entlassungsmanagement<br />
angesehen, bei dem<br />
folgende Aspekte im Vordergrund<br />
stehen: Risiko einschätzung,<br />
Assessment, Information, Beratung<br />
und Edukation, Zielformulierung,<br />
Maßnahmenplanung, Vermittlungs<br />
und Koordinationsaufgaben, sowie<br />
die Evaluation. Vor einigen Jahren<br />
hat man auch in Österreich mit<br />
e inem Entlassungsmanagement<br />
in den meisten Krankenhäusern<br />
begonnen.<br />
Dennoch steckt in Österreich das<br />
Case- und Caremanagement noch<br />
in den Kinderschuhen. Bis heute liegt<br />
dieses in Händen der Pflege und Sozialarbeit<br />
der einzelnen Krankenhäuser.<br />
In der Zwischenzeit treibt der Strauß der<br />
Case und CaremanagerInnen immer<br />
buntere Blüten, denn die Sozialversicherungen<br />
machen MitarbeiterInnen (oft<br />
ohne gesundheitsberuf als grundberuf)<br />
zu Case und CaremanagerInnen, die<br />
Ärztekammer möchte ihre „HausärztInnen“<br />
als Case und CaremanagerInnen<br />
etablieren und somit die Regie über die<br />
nicht ärztlichen gesundheitsberufe in<br />
deren Hände legen.<br />
Mit dem Wissen um diese Entwicklungen<br />
sieht es <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> als unabdingbar<br />
an, sich als Berufsvertretung in diese<br />
Diskussion einzubringen.<br />
Mehrwert für die <strong>Physio</strong>therapie:<br />
gerade in den beiden wichtigen Sparten<br />
Neurorehabilitation und Schmerzbehandlung<br />
bei muskuloskelettalen Erkrankungen<br />
spielt die <strong>Physio</strong>therapie eine wichtige<br />
Rolle. Kaum eine andere Berufsgruppe<br />
weiß über die Bedürfnisse der Patient–<br />
Innen besser Bescheid und ist somit<br />
prädestiniert hier das Casemanagement<br />
zu übernehmen.<br />
Zum Beispiel könnten in Zukunft Kolleg<br />
Innen, die auf grund der körperlichen<br />
Belastung in Altersteilzeit oder Frühpension<br />
gehen müssten, eine Zusatzausbildung<br />
für Casemanagement absolvieren.<br />
gepaart mit der gesammelten<br />
FoTo: THZ<br />
Die Rückkehr in ein selbstständiges Leben ist das Ziel vieler<br />
SchlaganfallPatientInnen. Case und CaremanagerInnen sollen<br />
sie dabei unterstützen.<br />
langjährigen Erfahrung können sie mit<br />
ihrer „neuen Aufgabe“ auf eine andere<br />
Art und Weise den PatientInnen eine<br />
Rückkehr in ihr soziales und Arbeitsleben<br />
ermöglichen.<br />
Allerdings gibt es bei den Zusatzausbildungen,<br />
die auch für Ärzte und nicht<br />
ärztliche gesundheitsberufe unabdingbar<br />
sind, in Österreich Unterschiede, was<br />
Zulassung, Inhalte und Qualifikation<br />
anbelangen.<br />
Univ.Professor für gesundheitswissenschaften<br />
und ihre Didaktik an der<br />
CharitéUniversitätsmedizin Berlin, Dr.<br />
Michael Ewers, MPH, Experte in Sachen<br />
CM und Mitglied in einem Dutzend<br />
wissenschaftlicher gesellschaften und<br />
gremien wie z.B. der Deutschen gesellschaft<br />
für Care und Case Management<br />
(DgCC) oder der Case Management<br />
Society of America (CMSA) forderte bei<br />
der 3. Internationalen Fachtagung Casemanagement<br />
am 26.11.2010 in Innsbruck,<br />
dass Case und Caremanager Innen als<br />
grundberuf <strong>zum</strong>indest einen Abschluss<br />
auf Bachelorniveau haben sollen und<br />
anschließend eine in ganz Österreich<br />
einheitliche Zusatzausbildung absolvieren<br />
müssen.<br />
Dieser Forderung schließt sich auch<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> an.<br />
Ute Eberl, MSc, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 11
Wer denkt<br />
schon an die<br />
Möglichkeit<br />
eines Schlaganfalls<br />
…<br />
Dr. Michael Freilinger, Kinderarzt und<br />
Neuropädiater sowie Kinder- und Jugendpsychiater<br />
und Brigitte Führer,<br />
<strong>Physio</strong> therapeutin geben einen Einblick<br />
über die Ursachen, die Diagnosestellung<br />
und die Behandlung dieses relativ<br />
seltenen Krankheitsbildes aus ärztlicher<br />
sowie physiotherapeutischer Sicht.<br />
Der Insult im Kindesalter ist tatsächlich<br />
ein seltenes, aber gravierendes Ereignis. Bei<br />
einer in der literatur angegebenen gesamthäufigkeit<br />
von 3–13 Schlaganfällen pro<br />
100.000 Kinder pro Jahr ist der ischämische<br />
Insult der häufigste, gefolgt von Hämorrhagien<br />
und Sinusvenenthrombosen. Im Neugeborenenalter<br />
ist die Häufigkeit nochmals<br />
deutlich höher: 1 pro 4.000 pro Jahr.<br />
In der Praxis als Kinderneurologe ist<br />
man mit Kindern in jedem Stadium der<br />
Erkrankung konfrontiert. Das beginnt bei<br />
differential diagnostischen Überlegungen im<br />
Rahmen der akuten Vorstellung mit einem<br />
Symptom wie <strong>zum</strong> Beispiel einer Halbseitenschwäche<br />
oder Fazialislähmung, das betrifft<br />
am anderen Ende des zeitlichen Spektrums<br />
aber auch Fragen rund um die SpätRehabilitation<br />
oder sekundäre epileptische Anfälle.<br />
Der erste Punkt ist, bei akut einsetzenden<br />
neurologischen Symptomen an die<br />
Möglichkeit eines Schlaganfalls zu denken.<br />
gerade im Kindesalter gibt es noch eine<br />
bis zu Tage dauernde zeitliche latenz vom<br />
Schwerpunktthema Der kindliche Insult<br />
Die Erkrankung Schlaganfall kann – selten aber doch – Kinder aller<br />
Altersgruppen treffen. Die Ursachen sind andere als bei Erwachsenen, die<br />
Diagnosestellung erfordert von ärztlicher Seite großes Fachwissen und die<br />
Arbeit von <strong>Physio</strong>therapeutInnen spielt in der Rehabilitation von Kindern,<br />
die einen Schlaganfall erlitten haben, eine zentrale Rolle. Die Zusammenarbeit<br />
eines multidisziplinären Teams trägt wesentlich <strong>zum</strong> optimalen<br />
Therapieerfolg bei. Ein Beispiel für ein gut funktionierendes Team im<br />
extramuralen Bereich ist die Kinderpraxis Schlick gasse in Wien.<br />
Auftreten des Symptoms (am häufigsten<br />
Halbseitenzeichen, Fazialislähmung,<br />
Störungen der Vigilanz, Dysphasie) bis zur<br />
Diagnose stellung. Diese Tatsache hat auch<br />
mit der genannten Häufigkeit zu tun, andererseits<br />
aber mit primär falscher Einschätzung<br />
der Symptomatik. Nur etwa ein Drittel<br />
der betroffenen Kinder wird innerhalb der<br />
SechsStundengrenze diagnostiziert. Eine<br />
rasche Diagnose mit all seinen therapeutischen<br />
(bis hin zu einer möglichen lyse<br />
Therapie) und rehabilitativen Konsequenzen<br />
setzt jedoch auch die Betreuung in einem<br />
spezialisiertem Zentrum mit pädiatrischer<br />
AkutBetreuung und rasch verfügbarem<br />
MRI voraus. In weiterer Folge ist das gute<br />
Zusammenspiel multidisziplinärer Teams im<br />
AkutSpital sowie in den nachfolgenden Zentren<br />
für AkutRehabilitation und mittelfristige<br />
Rehabilitation wichtig und für die Betreuung<br />
des Kindes und seiner Familie entscheidend.<br />
Im gegensatz <strong>zum</strong> ErwachsenenAlter<br />
sind im Kindesalter Infektionen die wichtigste<br />
Ursache des ischämischen Schlaganfalls.<br />
Nach Infektionen und hier sind vor allem<br />
Varizellen, Mykoplasmen, Enteroviren und<br />
Parvoviren zu nennen, kann es nach einem<br />
kurzen zeitlichen Intervall im Rahmen einer<br />
<strong>zum</strong>eist parainfektiösen gefäß entzündung<br />
(Vaskulitis) <strong>zum</strong> ischämischen Insult kommen.<br />
Ebenfalls parainfektiös und traumatisch<br />
ist auch die Dissektion einer zuführenden<br />
Arterie eine wichtige und häufige Differentialdiagnose.<br />
Hierfür ist diagnostisch die MR<br />
Angiografie des gehirns inklusive Halsregion<br />
notwendig, weswegen generell aufgrund<br />
der wesentlich besseren Aussagekraft die<br />
Magnetresonanztomografie gegenüber der<br />
Computertomografie in der Erstdiagnostik<br />
eindeutig der Vorzug zu geben ist.<br />
Kardial bedingte Insulte sind meist<br />
embolisch bedingt, hier ist auch das erhöhte<br />
Risiko bei HerzkatheterEingriffen zu nennen.<br />
Neben hereditären und sekundären Koagulopathien<br />
(z.B. bei Sichelzell anämie) sind<br />
metabolische Erkrankungen wichtige Ursachen<br />
des kindlichen Insultes. Spezifische<br />
Störungen organischer Säuren, CDg<br />
Syndrome und am häufigsten Erkrankungen<br />
aus dem Kreis der Mitochondriopathien<br />
können Insulte verursachen. Hierbei kommt<br />
es bei mitochondrialen Erkrankungen (z.B.<br />
MElAS – mitochondrial encephalomyopathy<br />
with lactatacidosis and strokelike episodes)<br />
auf Basis genetischer Ursachen zu einer<br />
mangelnden Energiebereitstellung in der<br />
Zelle.<br />
Unter den Vaskulopathien ist die<br />
MoyamoyaErkrankung zu nennen, eine<br />
angeborene oder im Rahmen anderer<br />
grunderkrankungen Konstriktion zentraler<br />
gehirnarterien, weswegen es zu einer<br />
massiven Kollateralisation und – häufig –<br />
rezidivierenden Insulten kommt.<br />
Die diagnostische Abklärung bei einem<br />
stattgehabten Schlaganfall im Kindesalter<br />
sollte ein MRI inklusive MRAngiografie, eine<br />
DuplexSonografie, eine kardiale Abklärung<br />
(Herzecho, langzeitEKg), labor inklusive<br />
umfassender gerinnungsdiagnostik,<br />
Auto immundiagnostik besonders im Hinblick<br />
auf Vaskulitiden und ein Stoffwechsel<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 12
Screening (z.B. organoazidurien, CDg<br />
Syndrom) umfassen.<br />
Die Wahrscheinlichkeit eines rezidivierenden<br />
Insultes im Kindesalter wird mit 15–20<br />
Prozent angegeben. Dies ist wiederum<br />
abhängig von der zugrundeliegenden Ursache.<br />
Hier sind vor allem die Vaskulopathien,<br />
vor allem die MoyamoyaErkrankung, und<br />
Koagulopathien zu nennen. Hier soll die<br />
umfassende Primärdiagnostik und interdisziplinäre<br />
langzeitbetreuung dazu beitragen,<br />
dieses Risiko eines Wiederauftretens zu<br />
minimieren.<br />
Aus ärztlicher Sicht ist die physiotherapeutische<br />
Versorgung im AkutSpital derzeit<br />
sehr zufriedenstellend. Auch hier ist wie auf<br />
allen anderen Ebenen der Rehabilitation<br />
ein enger und interdisziplinärer Austausch<br />
zwischen allen mit den Patient Innen und<br />
ihren Familien arbeitenden Professionen<br />
– <strong>Physio</strong>therapie, Ergotherapie, logopädie,<br />
Pflegeteam, Psychologie, Sozialarbeit,<br />
ÄrztInnen und zukünftige auch<br />
extramurale BetreuerInnen – unerlässlich<br />
und zielführend.<br />
Schwerpunktthema Der kindliche Insult<br />
Der AkutRehabilitation wurde in den letzten<br />
Jahren und wird bundesweit vermehrt Augenmerk<br />
geschenkt. Im Raum Wien ist die<br />
Kooperation im Sinne einer nahtlosen Akut<br />
Rehabilitation – im SMZ Süd – Preyer’sches<br />
Kinderspital – sehr gut etabliert. Nachfolgende<br />
intramurale pädi atrische NeuroRehabilitation<br />
ist punktuell und schwerpunktmäßig<br />
in Österreich sehr gut ausgebaut.<br />
Die weiterführende ambulante physiotherapeutische,<br />
durch die Krankenkassen voll<br />
finanzierte Betreuung lastet auf Institutionen<br />
(Ambulatorien), wobei die physiotherapeutischen<br />
Angebote an Kinderabteilungen mit<br />
dem stationären Bedarf ausgelastet sind.<br />
Hier sind einerseits mehr Wohnortnahe,<br />
andererseits für die Familie kassenfinanzierte<br />
Möglichkeiten auch niedergelassener<br />
<strong>Physio</strong>therapeut Innen wünschenswert.<br />
optimal findet die erste Kontaktaufnahme<br />
bereits vor der Entlassung statt. Damit<br />
können die Übernahme besser geplant und<br />
Wartezeiten minimiert werden. Aufgrund<br />
der Vorbefunde wird bereits im Vorfeld ein<br />
Plan der Erstbegutachtungen besprochen,<br />
Kurse, die Sie weiter bringen:<br />
berufl ich und persönlich.<br />
Als führendes Therapie- und Ausbildungszentrum für Lymphologie<br />
genießen wir internationales Renommee. In unseren (Intensiv)-Kursen<br />
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die in Absprache mit den vorbetreuenden<br />
KollegInnen rasch in eine Therapiephase<br />
übergehen soll. Ziel der multidisziplinären<br />
Betreuung ist die symptomspezifische Rehabilitation,<br />
eingebettet in und ausgerichtet<br />
auf die Entwicklungsphase des Kindes und<br />
allen seinen familiären wie sozialen Bedürfnissen<br />
und Notwendigkeiten. Darin besteht<br />
die wichtigste Aufgabe eines betreuenden<br />
Teams, intra wie extramural. Für eine gute<br />
Begleitung des Prozesses ist ein „case<br />
manager“ zur Koordination aller Beteiligten<br />
sinnvoll, deren Austausch regelmäßig die<br />
Sicht von allen Seiten ergänzen soll.<br />
Dr. Michael Freilinger<br />
Innsbruck/ Walchsee Walchsee Walchsee Walchsee Walchsee Walchsee<br />
Hall Hall Steyr Steyr<br />
Dr. Michael<br />
Freilinger,<br />
Kinderarzt und<br />
Neuro pädiater,<br />
sieht eine<br />
symptom spezifische Rehabilitation<br />
beim Insult im Kindesalter als<br />
ein Ziel der multidiszipli nären<br />
Betreuung.<br />
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<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 13<br />
BEZAHlTE ANZEIgE<br />
FoTo: DR. M. FREIlINgER
Schwerpunktthema Interview: Brigitte Führer<br />
Es ist fast immer<br />
Langzeittherapie nötig Brigitte<br />
inform: Haben Sie schon<br />
Schlaganfälle bei Kindern<br />
behandelt?<br />
Führer: In meiner langen<br />
Zeit als Kinderphysiotherapeutin<br />
erinnere ich<br />
mich an vier Kinder, die ich<br />
an der Kinderklinik im AKH<br />
behandelte.<br />
inform: gestaltet sich die<br />
Therapie nach einem Insult<br />
meist als langzeittherapie?<br />
Führer: ob eine langzeittherapie<br />
notwendig ist,<br />
hängt von einigen Faktoren<br />
ab. Bei kleinen Kindern,<br />
die z.B. das gehen wieder<br />
erlernt haben, ist es oft<br />
schwieriger, ganz gezielt<br />
an der Verbesserung der<br />
Qualität des gangbildes zu<br />
arbeiten, weil sie oft schon<br />
mit der Funktion zufrieden<br />
sind. Ich persönlich finde<br />
es in solchen Fällen gut,<br />
auf andere physiotherapeutische<br />
Konzepte, wie z.B.<br />
Hippotherapie oder therapeutisches<br />
Klettern umzusteigen<br />
oder im Wasser mit<br />
dem Kind zu arbeiten, um<br />
so einen anderen Zugang<br />
<strong>zum</strong> Kind zu bekommen<br />
und die Behandlung optimal<br />
gestalten zu können.<br />
Kinder ab dem Schulalter<br />
kann man schon anders<br />
fordern. Hier gestaltet sich<br />
die Therapie auch anders.<br />
oft gibt es auch schon ein<br />
Bewusstsein für die motori<br />
FoTo: ARgE HIPPoTHERAPIE, PHySIo AUSTRIA<br />
sche Problematik, die sich<br />
durch den Insult ergibt.<br />
Ich glaube auch, dass sich<br />
die Dauer der Therapie<br />
durch die Schwere der<br />
Schädigung im gehirn<br />
ergibt. Aus physiotherapeutischer<br />
Sicht ist fast<br />
immer eine langzeittherapie<br />
nötig, um die Qualität<br />
der erlernten motorischen<br />
Fähigkeiten auch zu<br />
erhalten. Kinder sind im<br />
ständigen Wachstum und<br />
dadurch auch immer wieder<br />
Veränderungen durch ihre<br />
momentane körperliche<br />
Konstitution ausgesetzt.<br />
inform: Ist Ihrer Erfahrung<br />
nach die Möglichkeit der<br />
physiotherapeutischen<br />
Versorgung und Rehabilitation<br />
für betroffene Kinder in<br />
Wien zufrieden stellend?<br />
Führer: Ich glaube, dass<br />
die physiotherapeutische<br />
Versorgung in Wien noch<br />
nicht ausreichend ist.<br />
Es gibt, soweit ich weiß, in<br />
Wien nur das Preyer’sche<br />
Kinderspital, das eine<br />
Rehab nach dem Krankenhausaufenthalt<br />
anbietet.<br />
Ich weiß, dass wir oft<br />
Kinder nach Vogtareuth<br />
in Deutschland geschickt<br />
haben. Die Versorgung nach<br />
einem Rehabaufenthalt im<br />
extramuralen Bereich ist<br />
leider auch nicht optimal. In<br />
den Ambulatorien in Wien<br />
gibt es lange Wartezeiten.<br />
Wenn dann ein Kind einen<br />
Platz für eine Therapie<br />
Hippotherapie ist eine mögliche Therapieform<br />
zur Behandlung von Kindern, die einen<br />
Insult erlitten haben.<br />
Führer,<br />
<strong>Physio</strong>therapeutin<br />
in der<br />
Kinderpraxis<br />
Schlickgasse in<br />
Wien<br />
bekommt, darf es dann<br />
nicht „doppelt“ (z.B. physio<br />
und ergotherapeutisch) betreut<br />
werden. Doch so eine<br />
multidisziplinäre Betreuung<br />
ist besonders im ersten Jahr<br />
nach dem erlittenen Insult<br />
von immenser Bedeutung.<br />
inform: Wie sieht die<br />
optimale Versorgung für<br />
ein Kind, das nach der<br />
Behandlung im intramuralen<br />
Bereich zu Ihnen in die<br />
Praxis kommt, aus physiotherapeutischer<br />
Sicht aus?<br />
Führer: Ich finde den Austausch<br />
zwischen den verschiedenen<br />
Berufs gruppen<br />
äußerst wichtig und sehr<br />
bereichernd. Es ist viel<br />
leichter, die Therapie ganz<br />
gezielt auf das betroffene<br />
Kind abzustimmen<br />
und rasch auf etwaig<br />
auftretende Probleme<br />
zu reagieren. Auch die<br />
Beratung der Eltern<br />
kann direkt in der Praxis<br />
stattfinden. Eine Schwierigkeit<br />
ist jedoch, dass die<br />
Eltern die Therapie zuerst<br />
bezahlen müssen und dann<br />
erst einen Teil der Kosten<br />
rückerstattet bekommen.<br />
Meiner Meinung nach sollte<br />
da seitens der Kostenträger<br />
mehr geld investiert<br />
werden.<br />
Constance Schlegl, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 14<br />
FoTo: B. FÜHRER, PT
Schwerpunktthema Stroke Units<br />
Die Neurorehabilitation<br />
ist ein Standbein der<br />
Allgemeinneurologie<br />
Stroke Units stellen ein internationales<br />
Konzept dar, das aus kontrollierten Studien<br />
hervorgegangen ist. Man stellte fest, dass die<br />
Untersuchung und Betreuung von SchlaganfallpatientInnen<br />
auf Spezial stationen,<br />
eben Stroke Units, einen besseren Outcome<br />
ermöglicht als die Betreuung auf Allgemeinstationen.<br />
Daraus ergibt sich, dass Stroke<br />
Units einen eigenen Krankenhausbereich<br />
darstellen, wofür gesonderte personelle<br />
Aufgaben bestehen, welche auch die<br />
Rehabili tation umfassen.<br />
In Österreich (und in den meisten<br />
anderen europäischen Ländern) sind<br />
Stroke Units für die Akutversorgung<br />
und die ersten Tage nach einem<br />
Schlaganfall eingerichtet. Sie stellen<br />
vier bis acht Betten dar, die die unmittelbare<br />
Erstversorgung wahrnehmen (meist<br />
im Anschluss an eine Notfallaufnahme),<br />
Thrombolyse durchführen, Komplikationen<br />
vermeiden, Schluckassessment machen<br />
und die Schiene für die weitere neurologische<br />
und medizinische Akutversorgung und<br />
Frührehabilitation legen. Für Österreich ist<br />
gesondert festgelegt, dass pro vier Betten<br />
Stroke Unit jeweils ein Dienstposten für<br />
<strong>Physio</strong>therapie, Ergotherapie und logopädie<br />
bestehen muss. Dies ist sehr wichtig,<br />
da diese Dienstposten eben dadurch an die<br />
Stroke Units angebunden sind.<br />
Die <strong>Physio</strong>therapie ist damit ein obligater<br />
Bestandteil einer Stroke Unit, auch einer<br />
solchen, die „nur“ akute Aufgaben hat. Man<br />
sieht, dass die sehr frühe Mobilisation heute<br />
einen großen Vorteil bringt. Natürlich ist dies<br />
beschränkt auf PatientInnen, die kardiorespiratorisch<br />
stabil sind und keinen progressiven<br />
Stroke aufweisen oder Hirndruckzeichen<br />
haben. Die sehr frühe Mobilisation, so<br />
zeigt sich aus neuen Studien, hat Vorteile<br />
gegenüber der üblichen, sogenannten<br />
Frühmobilisation, die in der Regel erst nach<br />
einigen Tagen beginnt. Dafür ist die Rolle des<br />
<strong>Physio</strong>therapeut Innen entscheidend.<br />
Ich hatte die gelegenheit, die erste<br />
akute Stroke Unit in Österreich am<br />
landeskranken haus gugging (nunmehr<br />
übersiedelt ans landes klinikum Tulln, NÖ)<br />
1994 aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.<br />
Solche Stroke Units sind mittlerweile in<br />
Österreich in einem dichten Netz verteilt,<br />
insgesamt sind es 34. »<br />
FoTo: HAVElKA<br />
Neue neurologischwissenschaftliche Erkenntnisse<br />
zeigen, dass die Rehabilitation nach Schlaganfall nicht<br />
nach ein paar Monaten abgeschlossen ist. Langzeitrehabilitation<br />
bringt relevante Besserungen.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 15
Die Besonderheit daran ist, dass die<br />
Fahrstrecken zu diesen Stroke Units<br />
berechnet wurden und zwar so, dass ein<br />
idealer Transportweg möglich ist, ohne eine<br />
Zeitkonstante von 45 Minuten zu überschreiten.<br />
Dies haben wir fast durchwegs in<br />
Österreich erreicht und werden dafür auch<br />
in internationalen Fachkreisen respektiert.<br />
Die Versorgungssituation im<br />
Reha bilitationsbereich bzw. in der<br />
Langzeitrehabilitation<br />
Hier ist die Situation sehr unterschiedlich.<br />
Die Möglichkeit, direkt mit den <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
(und anderen therapeutischen<br />
Berufsgruppen) zusammen zu<br />
arbeiten, wie sie in Tulln besteht, ist leider<br />
nicht überall gegeben. Man muss sich meist<br />
das Personal mit anderen Stationen teilen,<br />
wobei hier seitens der Krankenhausdirektion<br />
und anderer Entscheidungsträger nicht<br />
ausreichend auf Subspezialisierungen,<br />
wie eben Neurorehabilitation, Rücksicht<br />
genommen wird. Das besondere ist heute,<br />
dass die Neurorehabilitation nicht primär<br />
ein Anschlussheilverfahren darstellt,<br />
sondern den gesetzen der „Brain Recovery“<br />
folgend, unmittelbar mit der Akuttherapie<br />
und der nachfolgenden Versorgung Hand<br />
in Hand geht. Es stellt also beim Schlaganfall<br />
die Rekanalisation des gefäßes die<br />
Sofortmaßnahme dar, die Brain Recovery<br />
unmittelbar danach. Damit rückt die<br />
Neurorehabilitation in die Akutklinik nach<br />
und ist zu einem wichtigen Standbein der<br />
Allgemeinneurologie geworden. Diese<br />
Tatsache richtet sich nach den physiologischen<br />
und chemischen Abläufen des<br />
gehirns und nicht nach dem System der<br />
Krankenkassen und ihrer Erholungsheime.<br />
Das sogenannte AnschlussHeilverfahren<br />
in der Ne urologie, vor allem im Bereich<br />
des Schlaganfalls, stellt daher keine allzu<br />
große Rolle dar, denn die Sofortrehabilitation<br />
hat unbedingt Vorrang. Dies ist meines<br />
Wissens im Rehabilitationsplan, der ja<br />
im wesentlichen Betten berechnet, nicht<br />
ausreichend dargestellt. Hinzu kommt, dass<br />
die langzeitrehabilitation, also die Rehabilitation<br />
über drei Monate und danach hinaus<br />
über Tageskliniken an den neurologischen<br />
Häusern geführt werden soll. Vor allem<br />
soll sie ein Angebot für jene PatientInnen<br />
stellen, die komplexe Störungen haben,<br />
die sich in der gemeinde oder durch eine<br />
freiberufliche Versorgung nur schwer<br />
therapieren lassen. gemeint sind hier<br />
orientierungsstörungen oder Sprachstörungen<br />
in Zusammenhang mit anderen neurokognitiven<br />
Ausfällen bei physiotherapeutisch<br />
behandlungsbedürftigen PatientInnen.<br />
Schwerpunktthema Stroke Units<br />
Seitens der neurologischen Wissenschaft<br />
wurden in letzter Zeit eindeutige Belege<br />
dafür gebracht, dass die Rehabilitation nach<br />
drei oder sechs Monaten keinesfalls abgeschlossen<br />
ist, sondern sich weitere wichtige,<br />
sozial relevante Besserungen in der Zeit<br />
danach ergeben, wenn man fachgerecht<br />
und kontinuierlich weiter behandelt. Dieser<br />
Tatsache Rechnung tragend erfordert auch,<br />
eine langzeitrehabilitation als Kontinuum in<br />
der Rehabilitation vorzusehen. Die Kosten,<br />
die damit eingespart werden können,<br />
sind erheblich und beziehen sich großteils<br />
auf unbezahlte Pflegearbeit seitens der<br />
Angehörigen, aber auch Frühpensionierungen,<br />
Besserung von schweren fixierten<br />
neurologischen Syndromen (z.B. Spastik),<br />
Schmerzsyndromen und unbehandelten<br />
psychischen Störungen, die sich oft erst<br />
später hinzugesellen können. Auch die<br />
kognitiven Einschränkungen, die sich<br />
nach einem Schlaganfall ergeben, können<br />
erst mehrere Wochen bis Monate später<br />
auftreten und bedürfen ebenfalls einer<br />
Behandlung.<br />
Die Behandlung von Schlaganfall-<br />
Patienten als Kosten-Nutzen-<br />
Rechnung?<br />
Selbstverständlich ist sie das, denn es wäre<br />
eine absolute Ausnahmestellung würde<br />
man dies verneinen. Ebenso ist ja für jedes<br />
Medikament im Rahmen des Zulassungsverfahrens<br />
eine KostenNutzenRechnung<br />
abzugeben, die sehr wohl seitens der<br />
Zulassungsbehörden berücksichtigt wird.<br />
Wie ausgeführt, ist die Ersparnis vor allem<br />
eine „soziale“. Es zeigt sich aber auch,<br />
dass die Kosten eines Schlaganfalls mit<br />
durchschnittlich 80.000,– Euro in Europa<br />
zu Buche schlagen, wenn man eine neu<br />
auftretende Zahl von 16.000 jährlich in<br />
BEZAHlTE ANZEIgE<br />
FoTo: PRIVAT<br />
Prim. Univ.Prof. Dr. Dr. h.c.<br />
Michael Brainin<br />
leiter des Departments für Klinische<br />
Medizin und Präventions medizin / leiter<br />
des Zentrums für Klinische Neurowissenschaften<br />
an der DonauUniversität Krems<br />
Vorsitzender des wiss Kommitees der<br />
European Federation of Neurological<br />
Societies (EFNS)<br />
President elect der European Stroke<br />
Society (ESo)<br />
Mitglied des Executive Board of the World<br />
Stroke organisation (WSo)<br />
Österreich hinzurechnet. Das Prävalenzreservoir<br />
mit 8–10 Schlaganfällen pro<br />
1000 Einwohner Innen, wobei etwa die<br />
Hälfte davon behindert ist, ist ebenfalls<br />
ein erheblicher Kosten faktor. Rechnet<br />
man nun die gesamtkosten, d. h. inklusive<br />
der sozialen indirekten Kosten hinzu,<br />
ergibt sich ein Kostenfeld, welches enorm<br />
hoch ist. gerade der Schlaganfall und<br />
seine erforderliche Behandlung inklusive<br />
der langzeit behandlung brauchen keine<br />
KostenNutzenRechnung scheuen.<br />
Prim. Univ.Prof. Dr. Dr. h.c. Michael<br />
Brainin<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 16
Schwerpunktthema Der zerebrale Insult<br />
<strong>Physio</strong>therapie<br />
ist ein zentraler<br />
Bestandteil der<br />
Rehabilitation nach<br />
einem Schlaganfall.<br />
Der zerebrale Insult wird umgangssprachlich<br />
als Schlaganfall bezeichnet.<br />
Weitere Begriffe in der Fachsprache<br />
sind: apoplektischer Insult, Apoplexia<br />
cerebri, medizinisch umgangssprachlich<br />
wird der zerebrale Insult oft als<br />
Appoplex oder Insult bezeichnet.<br />
Man versteht darunter eine plötzlich<br />
auftretende Erkrankung des Gehirns,<br />
die oft zu einem anhaltenden Ausfall<br />
von Funktionen des zentralen Nervensystems<br />
führt. Verursacht wird dies<br />
durch kritische Störungen der Blutversorgung<br />
des Gehirns.<br />
Formen des zerebralen Insults:<br />
• Ischämischer Insult oder Hirninfarkt:<br />
plötzliche Minderdurchblutung des<br />
gehirns<br />
• Transistorische ischämische Attacke<br />
(TIA): kürzer als 24 Stunden andauernde<br />
Minderdurchblutung des gehirns<br />
ohne sichtbare Folgen (wird nach<br />
neuesten Erkenntnissen aber gleich<br />
wie ein „vollendeter“ Schlaganfall<br />
gesehen, da bei vielen PatientInnen<br />
auch hier bereits morphologische<br />
Veränderungen nachweisbar sind)<br />
• Hämorrhagischer Infarkt oder Insult:<br />
akute Hirnblutung, die aufgrund ihrer<br />
raumfordernden Wirkung zu Minderdurchblutung<br />
der betroffenen Areale<br />
führt.<br />
• Subarchnoidalblutung: geplatzte<br />
Arterie z.B. infolge eines Aneurysmas<br />
Symptome des zerebralen Insults:<br />
Die Symptome können je nach Form<br />
und Schwere sehr unterschiedlich sein,<br />
es können auch mehrere der folgenden<br />
Symptome gleichzeitig auftreten:<br />
• Sehstörung, gesichtsfeldausfall,<br />
Doppelbilder<br />
• Neglect (Fehlende Wahrnehmung eines<br />
Teils der Umwelt auf der betroffenen<br />
Seite)<br />
• Schwindel, gangstörung, Koordinations<br />
und gleichgewichtsstörung<br />
• Taubheitsgefühl<br />
• lähmung oder Schwäche im gesicht,<br />
einer Extremität oder einer ganzen<br />
Körperhälfte<br />
• Verwirrung, Sprach, Verständnis, oder<br />
Wortfindungsstörung<br />
Was PatientInnen<br />
wissen sollten<br />
• Außergewöhnlich starker Kopfschmerz<br />
ohne erkennbare Ursache und<br />
eventuell entgleister Blutdruck<br />
• Schluckstörungen<br />
• orientierungsstörungen<br />
Diagnose des zerebralen Insults:<br />
Die Unterscheidung der verschiedenen<br />
Formen des Insults ist erst durch den<br />
Einsatz von bildgebenden Verfahren<br />
wie Computer oder Magnetresonanztomographie<br />
(CT oder MR) möglich. Eine<br />
Subarchnoidalblutung kann auch durch<br />
den Nachweis von Blut im liquor (gehirn<br />
Rückenmarksflüssigkeit) durch eine<br />
lumbalpunktion nachgewiesen werden.<br />
Behandlung des zerebralen Insults:<br />
Der/die PatientIn benötigt unverzüglich<br />
ärztliche Hilfe. Es ist die gabe von Blut<br />
verdünnenden Medikamenten notwendig.<br />
Da das gehirn den Schluckvorgang<br />
eventuell nicht mehr steuern kann,<br />
soll der/die PatientIn im Akutstadium<br />
aufgrund der Aspirationsgefahr nichts<br />
Essen und Trinken. Im Spital erfolgt die<br />
Versorgung auf sogenannten „Stroke<br />
Units“ (Stroke= Englisch für Schlaganfall)<br />
Rehabilitation des zerebralen Insults:<br />
Idealerweise beginnt die Rehabilitation<br />
bereits in der Stroke Unit. <strong>Physio</strong>therapie<br />
spielt eine zentrale Rolle und rehabilitative<br />
Ansätze mit physiotherapeutischen<br />
Konzepten sind für den positiven Therapieverlauf<br />
maßgeblich, um die verlorengegangenen<br />
motorischen Fähigkeiten und<br />
Bewegungsmuster wieder individuell optimal<br />
zu erarbeiten. Nach dem Aufenthalt in<br />
der Stroke Unit wird der/die PatientIn in<br />
einer Rehabilitationseinrichtung u.a. von<br />
einem/r <strong>Physio</strong>therapeutIn weiter betreut.<br />
Constance Schlegl, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 17
Schwerpunktthema Literatur und Kurse <strong>zum</strong> Schwerpunktthema<br />
Aktuelle Literatur <strong>zum</strong> Schwer punkt thema in<br />
der <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>Bibliothek<br />
Frühphase<br />
Schlaganfall:<strong>Physio</strong>therapie<br />
und<br />
medizinische<br />
Versorgung<br />
Jan Mehrholz,<br />
2008<br />
Neurorehabilitation<br />
von<br />
Schlaganfallpatienten<br />
P. van Keeken, M.<br />
Kaemingk, 2001<br />
Assessments<br />
in der<br />
Neurorehabilitation,<br />
Band 1:<br />
Neurologie<br />
Stefan Schädler,<br />
Jan Kool, Hansjörg<br />
lüthi, Detlef<br />
Marks, 2009<br />
Behandlung<br />
motorischer<br />
Störungen<br />
nach Schlaganfall<br />
H. Bauder, 2001<br />
Motorisches<br />
Strategietraining<br />
und<br />
PNF<br />
Renata Horst,<br />
2005<br />
Sekundärprophylaxe<br />
bei<br />
Hemiplegie<br />
C. Berting<br />
Hüneke, 2000<br />
Diplomarbeiten<br />
<strong>zum</strong> Schwer punktthema<br />
• Die Verbesserung der gehgeschwindigkeit<br />
beim langzeitschlaganfallpatienten,<br />
Nicole Krieger, Steyr, 2002<br />
• Sensomotorische Schnittstelle<br />
bei Patienten nach Schlaganfall,<br />
Katja Metzger, KFJ Wien, 2004<br />
• Welcher Stellenwert kommt den Angehörigen<br />
bei der Betreuung von Schlaganfallpatienten<br />
in der häuslichen Umgebung<br />
zu?, Stefan Schroeren, AKH Wien, 2004<br />
• Elektrostimulation der schmerzhaften<br />
und subluxierten Schulter des Hemiplegiepatienten,<br />
Monika Schwarz, Stolzalpe<br />
2006<br />
• <strong>Physio</strong>therapeut und Hemiplegiepatient<br />
zwischen Biofeedback und funktionellem<br />
Test, Maria gründhammer, Innsbruck,<br />
2004<br />
Steps to<br />
Follow. The<br />
Comprehensive<br />
Treatment of<br />
Patients with<br />
Hemiplegia<br />
Patricia M. Davies,<br />
2000<br />
Hemiplegie<br />
(Rehabilitation<br />
und<br />
Prävention)<br />
Patricia M. Davies,<br />
2002<br />
Pflege eines<br />
Menschen<br />
mit Hemiplegie<br />
nach<br />
dem Bobath<br />
Konzept<br />
lothar Urbas,<br />
2005<br />
Stroke Unit<br />
g. Kroczek [u.a.],<br />
2002<br />
• Auswirkungen des Transfers auf den<br />
hemiplegischen Patienten hinsichtlich<br />
subjektiver Wahrnehmung und<br />
Kompensation, Anna Kriechbaum,<br />
Bad Radkersburg, 2007<br />
• mögliche Einflussnahme auf die<br />
spontane Rumpfhaltung des hemiplegischen<br />
Patienten im Sitz, durch die<br />
Fazilitation von Chopping und lifting,<br />
Eva Zagler, Stolzalpe, 2006<br />
• Scapulavorbereitung beim Hemiplegiker,<br />
Petra Hinterplattner, Salzburg,<br />
2004<br />
• Die Auswirkung der manuellen lymphdrainage<br />
auf die oberflächensensibilität<br />
und das Vibrationsempfinden<br />
der Ödematösen oberen Extremität<br />
nach einem cerebralen Insult, Claudia<br />
Pehamberger, Horn, 2007<br />
• Die Verbesserung der Atemfunktion bei<br />
Insultpatienten durch <strong>Physio</strong>therapie<br />
nach dem BobathKonzept, Nicole Hell,<br />
KFJ Wien, 1997<br />
• Interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
auf den Stroke Units der Steiermark,<br />
Eva Christina Tatzel, Stolzalpe, 2005<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
Kurse 2011<br />
<strong>zum</strong> Schwerpunkt<br />
thema<br />
Klinische Tage –<br />
BobathKonzept<br />
Schwerpunkt: chronische Phase nach<br />
Schlaganfall/langzeitsymptomatik<br />
25.–26.2.2011<br />
St. Pölten, NÖ Hilfswerk<br />
Elfriede Jeglitsch<br />
Neuropsychologische Störungen<br />
26.–27.3.2011<br />
Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />
Dr. med. Mario Prosiegel<br />
Neurologie verstehen<br />
Wiedereinsteigerkurs im Bereich<br />
Neurologie<br />
4.–5.4.2011<br />
Salzburg, FH Campus Urstein<br />
25.–26.6.2011<br />
graz, FH Joanneum<br />
4.–5.8.2011<br />
Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />
Behandlung von Hemiplegikern<br />
5.5.2011<br />
Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />
Beate Carrière, PT<br />
Multimodaler Neglect und<br />
Raumstörungen<br />
(inkl. räumlichkonstruktive<br />
Störungen): Assessment und<br />
Therapie<br />
6.–7.5.2011<br />
Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />
Prof. Dr. georg Kerkhoff<br />
Gangrehabilitation bei<br />
neurologischen Störungen<br />
Funktionsorientierte Therapie<br />
19.–20.11.2011<br />
Dornbirn, landessportzentrum<br />
17.–18.12.2011<br />
Wien, <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Kurszentrum<br />
Bernd Anderseck, MSc, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 18
Fachtagung 2011:<br />
„Lebensqualität<br />
am Lebensende –<br />
<strong>Physio</strong>therapie in<br />
End of Life Care“<br />
Am 6. und 7. Mai 2011 findet im<br />
Vorfeld zur Generalversammlung<br />
von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> in graz die internationale<br />
Fachtagung „lebensqualität am<br />
lebensende – <strong>Physio</strong>therapie in End<br />
of life Care“ statt (siehe auch inform<br />
5/2010). Eine Einladung mit detailliertem<br />
Programm liegt dieser Ausgabe des<br />
„inform“ bei und ist auch auf der Website<br />
von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> zu finden.<br />
Beginn: 05.10.2011<br />
Ende der Anmeldefrist: 01.03.2011<br />
Studiendauer: 4 Semester berufsbegleitend<br />
Studienabschluss: „Master of Sports <strong>Physio</strong>therapy“<br />
(in Kurzform: MSPhT)<br />
Zulassungsvoraussetzung:<br />
• der Abschluss eines Fachhochschulstudienganges für<br />
<strong>Physio</strong> therapie oder<br />
• der Abschluss einer Ausbildung gemäß „Krankenpflegegesetz“<br />
BgBl 102<br />
aus 1961, bzw. MTDgesetz BgBl 1992/460 oder<br />
• ein gleichwertiger in oder ausländischer Abschluss<br />
• Interesse an den Themen Sport, Prävention und<br />
Rehabilitation<br />
Gesamtkosten geplant: € 9.200,–<br />
Veranstalter: Universität Wien, Zentrum für<br />
Sportwissenschaften und Universitätssport<br />
gemeinsam mit <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
Kontakt: <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Bildungsreferat<br />
Mag. Eva Eisl (eva.eisl@physioaustria.at, T: 01 587 99 51 20)<br />
Nähere Informationen auf<br />
www.physioaustria.at<br />
Wissenschaft & Forschung Fachtagung 2011 · Universitätslehrgang Sportphysiotherapie<br />
Lebens �ualitä�<br />
Der 4. Universitätslehrgang für<br />
Sportphysiotherapie startet im Herbst 2011<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 19
Wissenschaft & Forschung Forschungsstrategie für Gesundheitsberufe<br />
Eine Vision bis 2020<br />
Das Jahr 2006 stellte eine Zäsur für die Ausbildung zu <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
sowie zu den anderen gehobenen medizinischtechnischen Diensten (MTD)<br />
und Hebammen dar. In diesem Jahr starteten die ersten Bachelorstudiengänge<br />
in den Bundesländern Niederösterreich, Salzburg und Steiermark an<br />
Fachhochschulen. Vier Jahre später ist der Umstellungsprozess von Akademien<br />
auf Fachhochschulen insofern abgeschlossen, als alle Ausbildungen in<br />
Österreich zu MTD und Hebammen im Wintersemester als Fachhochschul<br />
Bachelorstudiengängen begonnen haben. Damit kommt Österreich dem Ziel<br />
des sogenannten BolognaProzesses näher, das ein gestuftes Bildungssystem<br />
mit europaweit vergleichbaren Bildungsabschlüssen vorsieht.<br />
Die Stufen bestehen aus einem<br />
Bachelor-, einem Master- und<br />
einem Doktorats- bzw. PhD-<br />
Abschluss. Während der Abschluss<br />
eines Bachelor und eines Masterabschlusses<br />
vorrangig zu einer Berufsqualifikation<br />
führt, dient ein Doktorats bzw.<br />
PhDStudium der Aneignung von Forschungskompetenzen.<br />
Dieser Zusammenhang<br />
von Bildung und Forschung stellt<br />
auch die grundlage einer Forschungsstrategie<br />
dar, die von der gesundheit<br />
Österreich gmbH, der Planungs und<br />
Forschungsgesellschaft des Bundes in<br />
gesundheitsangelegenheiten, im Auftrag<br />
des Bundesministeriums für gesundheit<br />
erarbeitet wird.<br />
Diese Forschungsstrategie umfasst mit<br />
der gesundheits und Krankenpflege, den<br />
Hebammen und den MTD für die gesund<br />
Die „<strong>Physio</strong>therapieleistungsstandards“<br />
beschreiben jene Aspekte der physiotherapeutischen<br />
leistung, für welche die<br />
organisation verantwortlich ist, um die<br />
Sicherheit und Qualität der leistungen<br />
für die PatientInnen zu gewährleisten<br />
und eine Umgebung, die der Sicherheit<br />
der Beschäftigten sowie ihrer laufenden<br />
Entwicklung dienlich ist, zu erhalten. Die<br />
Standards stellen eine Benchmark dar, an<br />
der die leistung gemessen werden kann.<br />
Sie bilden einen Rahmen, anhand dessen<br />
heitliche Versorgung der Bevölkerung<br />
zentrale Berufe. Wesentliche gesundheits<br />
und versorgungsrelevante Bereiche sind<br />
noch nicht beforscht. gleichzeitig sind<br />
mit der Anbindung der Ausbildung an die<br />
Fachhochschule rechtlich und politisch<br />
Forschungsaktivitäten vorgesehen. Aus<br />
diesem grund werden in einem partizipativen<br />
Prozess, unter anderem unter<br />
Einbindung von Berufsangehörigen aus<br />
Forschung, lehre und Wissenschaft, alle<br />
Handlungsfelder aufgelistet, die für die<br />
Etablierung einer Forschung in den genannten<br />
Berufen relevant sind. Mit kurz<br />
und mittelfristigen Zielen und Maßnahmen<br />
zu den einzelnen Handlungsfeldern<br />
werden umsetzbare Schritte erarbeitet,<br />
welche die Wettbewerbsfähigkeit dieser<br />
Berufe im nationalen und internationalen<br />
Umfeld langfristig sichern sollen. Damit<br />
unterstützt die Forschungsstrategie die<br />
eine organisation die Erbringung ihrer<br />
leistung prüfen und verbessern kann.<br />
Die Standards wurden für alle physiotherapeutischen<br />
leistungen entwickelt,<br />
unabhängig ob die Tätigkeit angestellt<br />
oder freiberuflich ausgeübt wird, sind dadurch<br />
jedoch auch abhängig vom Setting<br />
unterschiedlich anwendbar.<br />
Die leistungsstandards stellen eine<br />
Ergänzung zu den bereits veröffentlichten<br />
Kernstandards der physiotherapeutischen<br />
nationalen Bemühungen zur Stärkung des<br />
Wissenschaftsund Forschungsstandortes<br />
Österreich.<br />
Dem Forschungsdrang der Berufsangehörigen<br />
gegenüber stehen die budgetäre<br />
Situation öffentlich finanzierter Forschung<br />
und die Herausforderung, mehr Berufsangehörige<br />
für Forschung zu qualifizieren.<br />
Die Forschungsstrategie muss diesem<br />
Spannungsfeld Rechnung tragen. Der<br />
Erstentwurf der Strategie wurde Ende<br />
November 2010 mit einem ausgewählten<br />
Kreis von Personen diskutiert und<br />
abgestimmt. Ab Ende Jänner 2011 wird<br />
es für drei Wochen über eine online<br />
Beteiligung die Möglichkeit geben, zu<br />
diesem Erstentwurf Stellung zu beziehen<br />
und Ideen einzubringen. Die Ergebnisse<br />
werden in der Folge in der Strategie<br />
berücksichtigt. Anfang März 2011 wird die<br />
Strategie im Rahmen einer Konsensuskonferenz<br />
abgestimmt und fertig gestellt.<br />
Die Forschungsstrategie unterstützt<br />
damit die Erreichung von zwei Zielen: Die<br />
Festigung der fachlichwissenschaftlichen<br />
Ausrichtung der gesundheitsberufe und<br />
die Berücksichtigung versorgungsrelevanter<br />
Forschungsagenden.<br />
Mag. Regina Aistleithner<br />
Projektkoordination<br />
gesundheit Österreich gmbH<br />
Europäische Standards für<br />
physiotherapeutische Leistungen<br />
Die außerordentliche Generalversammlung der europäischen Region des<br />
Weltverbandes (ERWCPT) hat 2003 erstmals die „European <strong>Physio</strong>therapy<br />
Service Standards“ angenommen. Diese Standards liegen nun in einer neuen<br />
deutschen Übersetzung vor.<br />
Praxis dar (siehe www.physioaustria.at) und<br />
sollen nicht zuletzt der eigenen Reflexion<br />
und ständigen Verbesserung der Berufspraxis<br />
dienen.<br />
Die aktuelle Übersetzung der leistungsstandards<br />
steht inklusive Erläuterungen<br />
zur Anwendung ab Ende Februar<br />
online auf der <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> Webseite<br />
www. physioaustria.at zur Verfügung.<br />
Mag. Nicole Muzar, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 20
Am 2. Dezember 2010 hat in<br />
Amsterdam im Rahmen des<br />
jährlichen Kongresses des<br />
KNGF (niederländischer Verband<br />
der <strong>Physio</strong>therapeutInnen)<br />
die 2nd Conference on Clinical<br />
Guidelines unter dem Vorsitz<br />
von Sarah Bazin (Vorsitzende<br />
ERWCPT) und Phillip van der<br />
Wees (KNGF, Vorsitzender des<br />
Guidelines International Network)<br />
stattgefunden. Österreich war durch<br />
Elisabeth Eckerstorfer, M.A., PT,<br />
Karin Tresohlavy, MSc, PT und<br />
Constance Schlegl, PT vertreten.<br />
<strong>Thema</strong> der Konferenz war die<br />
Implementierung der <strong>Physio</strong>therapie<br />
in Form von klinischen<br />
Leit linien in Bezug auf chronische<br />
Erkrankungen. Die erste Konferenz zu<br />
diesem <strong>Thema</strong> hat bereits 2006 stattgefunden.<br />
Damals ging es um die Entwicklung<br />
einer Strategie zur Entwicklung und<br />
Implementierung von physiotherapeutischen<br />
leitlinien.<br />
In Vorträgen wurde zunächst ein Überblick<br />
über mögliche Strategien zur<br />
Implementierung physiotherapeutischer<br />
Behandlung in klinischen leitlinien<br />
anhand von verschiedenen Krankheitsbildern<br />
wie z.B. CoPD, Nikotinabusus<br />
geboten. Dabei wurde auch auf<br />
Widerstände Bedacht genommen, die von<br />
anderen Stakeholdern dabei zu erwarten<br />
sind.<br />
Im Rahmen von Workshops sollten<br />
anschließend die VertreterInnen der<br />
europäischen Mitgliedsverbände anhand<br />
eines bereits entwickelten Modells eine<br />
einheitliche Strategie zur Verbreitung der<br />
physiotherapeutischen Arbeit in Form<br />
von leitlinien erarbeiten. Dabei wurde<br />
deutlich, dass innerhalb Europas große<br />
Unterschiede in Bezug auf die (berufs)<br />
politischen Umwelten herrschen und dass<br />
es <strong>zum</strong> jetzigen Zeitpunkt nicht möglich<br />
ist, eine allgemeingültige Strategie zu<br />
entwickeln.<br />
In Österreich und Deutschland <strong>zum</strong><br />
Beispiel sind <strong>Physio</strong>therapeutInnen zwar<br />
in die Entwicklung von multidisziplinären<br />
Wissenschaft & Forschung 2nd Conference on Clinical Guidelines – Amsterdam<br />
FoTo: ERWPCT<br />
Europäische<br />
Strategie ist noch<br />
Zukunftsmusik<br />
leitlinien und Bundesleitlinien (Deutschland:<br />
nationale Versorgungsleitlinien)<br />
involviert, die Erstellung und Implementierung<br />
physiotherapeutischer leitlinien,<br />
wie <strong>zum</strong> Beispiel der Parkinsonleitlinie<br />
des niederländischen Verbandes wird<br />
aber wahrscheinlich noch einige zeit und<br />
kostenintensive Vorarbeit benötigen.<br />
Die holländische Parkinsonleitlinie wurde<br />
übrigens bereits in einigen europäischen<br />
ländern zur optimalen physiotherapeutischen<br />
Versorgung erfolgreich implementiert<br />
und ist im Internet einzusehen:<br />
https://www.kngfrichtlijnen.nl/images/<br />
imagemanager/guidelines_in_english/<br />
KNgF_guideline_for_Physical_Therapy_<br />
in_patients_with_Parkinsons_disease.pdf<br />
Conclusio der Konferenz war, dass es<br />
notwendig ist, in Europa ein einheitliches<br />
Niveau bei der Arbeit an und mit leitlinien<br />
zu erreichen, um die Qualität physiotherapeutischer<br />
Arbeit nach außen zu<br />
transportieren. Evidenz und therapeutische<br />
Erfahrung sollen sich hier nicht<br />
im Wege stehen, sondern auf hohem<br />
Niveau für die PatientInnen eine optimale<br />
Behandlung garantieren.<br />
Constance Schlegl, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 21
Seit seiner Einführung 1974 wurde<br />
der Mutter-Kind-Pass ständig<br />
weiterentwickelt. Im Sinne einer<br />
kinder- und zukunftsorientierten<br />
Änderung des Mutter-Kind-Passes<br />
ist es jedoch erforderlich, dass<br />
der MutterKindPass nicht alleiniges<br />
Instrument der Ärzteschaft bleibt. Hier<br />
unterscheiden sich die Standpunkte des<br />
Konsensuspapiers der liga für Kinder und<br />
Jugendgesundheit zur „MutterKindVorsorge<br />
– neu“ und <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong>s.<br />
Neben einer vorgeburtlichen Beratungsmöglichkeit<br />
durch Hebammen, wie es<br />
z.B. auch das Konsensuspapier der liga<br />
fordert, sind auch für die Betreuung nach<br />
der geburt Beratungsmöglichkeiten durch<br />
Ihr kompetenter Partner für Sport-, Therapie- & Freizeitprodukte<br />
• per Telefon<br />
07245 / 233-13<br />
Gesundheitspolitik Mutter-Kind-Pass<br />
• per Fax<br />
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Sportversand Skyrex GmbH • Sportstraße 1 • A-4650 Edt/Lambach<br />
Forderung nach<br />
physiotherapeuti scher<br />
Betreuung<br />
Der MutterKindPass ist unbestritten ein wertvolles Instrument für die<br />
Gesundheitsvorsorge sowie für die Früherkennung von Fehlentwicklungen im<br />
Säuglings und Kindesalter. Um eine bestmögliche Betreuung, Vorsorge und<br />
Früherkennung für Kinder gewährleisten zu können, sieht <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong><br />
jedoch noch dringenden Handlungsbedarf für eine Neuorientierung des<br />
MutterKindPasses und unterstützt diese grundsätzliche Forderung der Liga<br />
für Kinder und Jugendgesundheit, welcher auch <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> angehört.<br />
die entsprechenden gesetzlich geregelten<br />
gesundheitsberufe, in Ergänzung zur<br />
ärztlichen Betreuung vorzusehen – z. B. in<br />
Zusammenhang mit der Bewegungskontrolle,<br />
entwicklung und förderung durch<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen als ExpterInnen für<br />
Bewegung und Bewegungsentwicklung.<br />
Im MutterKindPass sollte daher in den<br />
ersten drei lebensmonaten explizit eine<br />
Beratungsmöglichkeit durch <strong>Physio</strong>therapeutInnen<br />
mit Schwerpunkt Kinderphysiotherapie,<br />
verankert werden.<br />
Dadurch könnten u.a. eventuelle Entwicklungsverzögerungen<br />
früher erkannt und<br />
behandelt, bzw. die Eltern im Handling,<br />
etc. gut beraten werden. Spätfolgen durch<br />
Unwissenheit über richtiges Handling und<br />
physiologische Bewegungsentwicklung<br />
könnten so in manchen Fällen vermieden<br />
werden.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> unterstützt weiters,<br />
dass parallel zur Überarbeitung<br />
des MutterKindPasses auch ein<br />
System der „Frühen Hilfe“ aufgebaut<br />
wird, welches neben dem somatisch<br />
• per E-Mail<br />
offi ce@eyblsport.com<br />
orientierten Vorsorgeinstrument des<br />
MutterKind Passes, ein soziales Frühwarn<br />
und Hilfesystem für Familien in<br />
Risikokonstellationen darstellen soll. Auch<br />
hier ist jedenfalls die <strong>Physio</strong>therapie,<br />
welche das Risikokind in seiner motorischen<br />
und psychosozialen Entwicklung<br />
professionell begleitet, zu verankern.<br />
<strong>Physio</strong> therapeutInnen kooperieren mit professionellen<br />
Berufsgruppen aus anderen<br />
Bereichen wie gesundheits und Krankenpflege,<br />
SozialarbeiterInnen, Psycholog<br />
Innen, ErgotherapeutInnen, logopädInnen,<br />
etc. und sind erfahrene ExpertInnen in der<br />
Beratung und Anpassung von Hilfsmitteln,<br />
machen Begleitung und Beratung zuhause,<br />
in Schulen und Kindergärten.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> wird sich 2011 verstärkt<br />
der <strong>Thema</strong>tik der physiotherapeutischen<br />
Betreuung der Kleinsten und der Neuerung<br />
des MutterKindPasses annehmen,<br />
um Kindern den bestmöglichen Start ins<br />
leben zu ermöglichen.<br />
Mag. Nicole Muzar, PT<br />
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<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 22<br />
BEZAHlTE ANZEIgE
Gesundheitspolitik Neuerungen in der WGKK<br />
WGKK vergibt Verträge<br />
für die Behandlung<br />
von Kindern<br />
Entsprechend dem oftmals in Ver tragsverhandlungen<br />
getätigten Vorschlag von <strong>Physio</strong><br />
<strong>Austria</strong>, wurde in der Wiener Gebietskrankenkassa<br />
die Vergabe von Verträgen zur Behandlung von<br />
Kindern ab 2011 beschlossen.<br />
Wien ist somit das erste –<br />
und derzeit einzige –<br />
Bundesland, in dem<br />
nach bestimmten<br />
Qualifikationskriterien<br />
zusätzliche<br />
Ressourcen für<br />
die Behandlung<br />
von Kindern<br />
im Vertragsbereich<br />
geschaffen<br />
werden.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> fordert schon lange<br />
und nicht nur in Wien, den Zugang<br />
zur <strong>Physio</strong>therapie im Bereich<br />
der Pädiatrie niederschwellig zu<br />
gestalten. Mit der Vergabe von Kassenverträgen<br />
für Behandlungen von Kindern<br />
ist nun ein wichtiger Schritt in diese<br />
Richtung gelungen.<br />
Erfreulich ist auch, dass die Vertragsvergabe<br />
– da die Behandlung von<br />
Kindern meist neben der Arbeit in einer<br />
Klinik, einem Institut oder einer Reha<br />
Einrichtung erfolgt – bereits ab fünf<br />
Wochenstunden möglich ist. Die WgKK<br />
sucht nun TherapeutInnen, die sich für<br />
einen Kassenvertrag zur Behandlung von<br />
Kindern interessieren und ersucht diese,<br />
sich direkt an Frau DDr. Andrea Fleischmann<br />
in der WgKK zu wenden<br />
(email: andrea.fleischmann@wgkk.at).<br />
Behandlungsplan für den Vertrags-<br />
und Wahlbereich<br />
Resultierend aus den teilweise nicht nachvollziehbaren<br />
Kürzungen und der restriktiven<br />
Handhabung bei der chefärztlichen<br />
Bewilligung von Verordnungen vor allem<br />
im Wahlbereich sah der Wiener landesverband<br />
Handlungsbedarf. In Zusammenarbeit<br />
mit dem Medizinischen Dienst der<br />
WgKK wurde ein Formular ausgearbeitet,<br />
das gemeinsam ab der ersten zu bewilligenden<br />
Verordnung an den chefärztlichen<br />
Dienst übermittelt werden soll.<br />
Hier können von therapeutischer<br />
Seite zusätzliche, oft für die Bewilligung<br />
einer adäquaten Anzahl und Dauer von<br />
Therapien notwendige Angaben gemacht<br />
werden. Es ist auf diesem Weg möglich,<br />
den ChefärztInnen Informationen<br />
zukommen zu lassen, die TherapeutInnen<br />
über den Zustand Patienten/der Patientin<br />
haben, die aber auf der ärztlichen Verordnung<br />
nicht ersichtlich sind.<br />
Der Behandlungsplan ist online auf der<br />
Website der WgKK abrufbar:<br />
http://www.wgkk.at/<br />
mediaDB /676053_<strong>Physio</strong>therapie_<br />
Behandlungsplan.pdf<br />
Constance Schlegl, PT<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 23
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> ExpertInnen im Gespräch<br />
StichworteSchlag<br />
worteReizworte<br />
Dr. Gudrun Diermayr über …<br />
… Bildungsreform<br />
„Sehr wichtig für alle! Es scheint mir jedoch, dass es oft mehr um die<br />
Anliegen verschiedener Interessensgruppen geht als um eine inhaltliche<br />
Diskussion über Bildung und relevante Bezugsthemen. Das ist<br />
sehr schade, weil es ein zentrales <strong>Thema</strong> in unserer gesellschaft ist.“<br />
… PisaTest<br />
„Prinzipiell erscheinen mir standardisierte, internationale Assessments<br />
im Schulsystem als sinnvoll und hilfreich. Ich bin aber nicht sicher,<br />
ob die Methodik, die dem PisaTest zugrunde liegt (z.B., Auswahl der<br />
Stichprobe, Standardisierung der Testdurchführung) die internationale<br />
Vergleichbarkeit zulässt.“<br />
… Grundlagenforschung<br />
„Deren Wichtigkeit sollte man in der <strong>Physio</strong>therapie nicht unterschätzten.“<br />
… Studiengebühren<br />
„Studiengebühren im Sinne eines finanziellen Beitrags der Studierenden<br />
finde ich <strong>zum</strong>utbar. Nach sieben Jahren auf amerikanischen Unis<br />
sieht man die Diskussion in Österreich mit anderen Augen. gute Förderprogramme<br />
für Studierende aus finanziell benachteiligten Familien<br />
sind natürlich wichtig. Derzeit müssen Studierende in Masterlehrgängen<br />
der gesundheitsberufe das gesamte Studium privat finanzieren.<br />
Solche Unterschiede im Finanzierungsmodell zwischen den einzelnen<br />
Studienrichtungen finde ich sehr problematisch und unfair.“<br />
… Multitasking<br />
„Wird uns allen immer mehr abverlangt. Und gehört (zufällig) auch zu<br />
meinen Forschungsinteressen.“<br />
… Evidenz<br />
„Ist natürlich sehr wichtig; deren Wichtigkeit wird international auch<br />
gar nicht mehr diskutiert. Schön wäre es, wenn wir uns auch in<br />
Österreich beteiligen, durch wissenschaftliches Arbeiten Evidenz zu<br />
erbringen. Wenn das Wort ‚Evidencebased <strong>Physio</strong>therapy’ nur als<br />
Schlagwort gilt, ist das schade.“<br />
… Masterlehrgang <strong>Physio</strong>therapie<br />
„Erfreulich, dass wir das endlich auch in Österreich anbieten. Und<br />
ich freue mich auch sehr, dass ich die Möglichkeit habe, einen der<br />
lehrgänge in Österreich zu leiten.“<br />
… Cochrane Reviews (CR)<br />
„Bestimmt hilfreich für KlinikerInnen. Soll und kann aber nicht das<br />
lesen von originalArtikeln ersetzen (vor allem für diejenigen, die<br />
aktiv wissenschaftlich arbeiten). Ich selber verwende CR kaum, weil<br />
ich die originalArtikel lese bzw. auch viele Arbeiten im Bereich der<br />
grundlagenforschung lese, die in den CR nicht abgedeckt sind.“<br />
… ÄrztInnen<br />
„Mitglieder (oft leiter) des interdisziplinären Teams in der Klinik.“<br />
… ÄrztInnen in der Forschung<br />
„ÄrztIn ist prinzipiell nicht gleich ForscherIn. In der akademisch/<br />
wissenschaftlichen Zusammenarbeit von ÄrztInnen und<br />
TherapeutInnen wäre wünschenswert, dass die Wichtigkeit der<br />
Berufsgruppenzuge hörigkeit abnimmt, und dafür vermehrt die<br />
akademischwissenschaftliche Kompetenz zählt. letzteres könnten<br />
sich beide Berufsgruppen in gleichem Maße aneignen.“<br />
… Interdisziplinären Erfahrungsaustausch<br />
„Unabdingbar und für alle bereichernd.“<br />
Dr. Gudrun Diermayr<br />
(re.) mit Studentinnen:<br />
„Ich möchte sicherstellen,<br />
dass<br />
Studieren de die den<br />
Master bei uns absolvieren,<br />
ausreichend<br />
Kompetenz erwerben,<br />
um ein Doktorat anschliessen<br />
zu können.“<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 24<br />
FoTo: FH CAMPUS WIEN
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> ExpertInnen im Gespräch<br />
Forschung als selbstverständlicher<br />
Teil physiotherapeutischer<br />
Arbeit<br />
In den vergangenen Jahren hat „inform“ in einer Reihe von Porträts ehrenamtliche<br />
FunktionärInnen von <strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> – Präsidiumsmitglieder, Landesverbandsvorsitzende,<br />
LeiterInnen von ARGEs und Fachgruppen –vorgestellt. Mit der ersten<br />
Ausgabe 2011 startet eine neue Serie: „inform“ bittet ExpertInnen und EntscheidungsträgerInnen<br />
<strong>zum</strong> Gespräch, um über wesentliche Belange der <strong>Physio</strong>therapie und des<br />
Gesundheitswesens zu diskutieren.<br />
Den Auftakt macht die Leiterin des Masterlehrgangs „<strong>Physio</strong>therapie“ an der FH<br />
Campus Wien, Dr. Gudrun Diermayr (siehe Seite 27). Sie spricht über Forschung in<br />
der <strong>Physio</strong>therapie, warum sie in Österreich noch in den Kinderschuhen steckt, über<br />
falsche Vorstellungen und fehlende Rahmenbedingungen und über ihre Motivation,<br />
physiotherapeutische Forschung auch hierzulande zu etablieren.<br />
inform: Frau Dr. Diermayr, nach sieben Jahren Forschungs und<br />
lehrtätigkeit an USUniversitäten sind Sie nach Österreich zurückgekommen,<br />
um die leitung des Masterlehrgangs <strong>Physio</strong>therapie zu<br />
übernehmen. Wird das eine Schmiede von österreichischen Forscher<br />
Innen in der <strong>Physio</strong>therapie?<br />
Diermayr: Da muss man realistisch bleiben. Diese Aufgabe kann ein<br />
Masterlehrgang nicht übernehmen. Das heißt, dass jemand, der den<br />
Master abschliesst, nicht gleich ein ForscherIn sein wird. Das Master<br />
Studium kann allerdings der erste Schritt <strong>zum</strong>/r ForscherIn sein – als<br />
Stufe zwischen dem Bachelor und dem Doktorat/PhD. letzteres ist<br />
dann die eigentliche Forschungsausbildung.<br />
Im MasterStudium beginnt der Kompetenzaufbau in wissenschaftlichem<br />
Arbeiten. Zum Beispiel lernen die Studierenden,<br />
wissenschaftliche Artikel zu verstehen und zu interpretieren, machen<br />
erste ‚ForschungsErfahrung’ durch das Erarbeiten der MasterThese.<br />
Dazu gehören grundkenntnisse in Forschungsmethodik ebenso wie<br />
in Statistik oder quantitativer Bewegungsanalyse. In diesem Sinne ist<br />
das MasterStudium die Vorbereitung <strong>zum</strong> PhD. Und dieser Aspekt<br />
liegt mir sehr am Herzen. Ich möchte sicherstellen, dass Studierende<br />
die den Master bei uns absolvieren, ausreichend Kompetenz erwerben,<br />
um ein Doktorat anschliessen zu können. Natürlich muss nicht<br />
jede/r AbsolventIn den Weg in Richtung Forschung einschlagen.<br />
Solide grundkenntnisse in wissenschatlichem Arbeiten sind ebenso<br />
wesentlich in der lehre, der eigenen Praxis oder in der Mitarbeit bei<br />
Forschungsprojekten.<br />
inform: In der Medizin gibt es ja immer wieder beachtliche<br />
Forschungserfolge aus Österreich. Aber gibt es hier überhaupt eine<br />
physiotherapeutische Forschung?<br />
Diermayr: Eigentlich nicht. Zumindest nicht auf internationalem<br />
Niveau. Forschung ist kontinuierliche Kommunikation und muss im<br />
Alltag passieren. An der Columbia University hatte ich immer viele<br />
Forscher um mich herum. Als ich meine Dissertation schrieb, war<br />
ich täglich mehrmals bei meinen Professoren. Da gibt es einen regen<br />
Austausch mit Forscher Innen wie mit KlinikerInnen, und man ist sehr<br />
schnell auf einer multidisziplinären Ebene. In Österreich ist man noch<br />
eher ein Einzelkämpfer. Da gibt es noch einigen Nachholbedarf.<br />
inform: Was soll man sich denn überhaupt unter physiotherapeutischer<br />
Forschung vorstellen: Bücher schmökern in der Bibliothek?<br />
Diermayr: Bücher schmökern definitiv nicht. Wissenschaftliche<br />
Journale und Artikel lesen: ja. Aber das ist nur ein BasisBestandteil<br />
einer seriösen Forschertätigkeit. <strong>Thema</strong>tisch arbeiten forschende<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen in der praxisnahen, klinischen Forschung.<br />
Zum Beispiel: Untersuchung von Behandlungskonzepten wie der<br />
constrained induced movement therapy, Mentales Training nach<br />
Schlaganfall, etc. Aber auch in der grundlagenforschung in Bereichen<br />
wie Bewegungswissenschaften oder Biomechanik. Erfreulich ist, dass<br />
man neben der quantitativen Forschung immer häufiger qualitative<br />
Forschung in unserem Bereich sieht; da geht es <strong>zum</strong> Beispiel um<br />
Themen der PatientInnenTherapeutInnenBeziehung.<br />
inform: Solche Forschungsprojekte könnten aber beispielsweise<br />
auch von PsychologInnen oder MedizinerInnen durchgeführt werden<br />
und nicht zwingend von <strong>Physio</strong>therapeutInnen …<br />
Diermayr: Das stimmt – wenn die ÄrztInnen auch ForscherInnen<br />
sind. Aber derartige Forschungen werden sowieso schnell interdisziplinär.<br />
In solchen Kooperationen sind dann vor allem PsychologInnen,<br />
SportwissenschafterInnen, NeurowissenschafterInnen,<br />
Ergo therapeutInnen und <strong>Physio</strong>therapeutInnen – alle mit Forschungsexpertise.<br />
Und die forschenden TherapeutInnen bringen da zusätzlich<br />
noch die klinische Expertise mit – die oft sehr wesentlich ist.<br />
inform: Sie haben ja selbst Forschungsprojekte durchgeführt, bzw.<br />
führen solche durch und arbeiten in internationalen Projekten mit.<br />
Wie läuft so ein Forschungsprojekt ab? »<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Dezember 2010 25
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> ExpertInnen im Gespräch<br />
BEZAHlTE ANZEIgE<br />
Diermayr: Zunächst einmal wird das Projekt konzipiert. Häufig<br />
ist das neue Projekt eine Folgefrage aus einem abgeschlossenen<br />
Projekt. Die Forschungsfrage klar und deutlich zu stellen und wissenschaftlich<br />
zu untermauern, ist eine der schwierigsten Aspekte. Und<br />
es bedarf <strong>zum</strong> Einen sehr guter Kenntnisse der wissenschaftlichen<br />
literatur zu diesem <strong>Thema</strong> und <strong>zum</strong> Anderen intensiven Austauschs<br />
mit KollegInnen. Im nächsten Schritt wird die richtige Methodik zur<br />
Beantwortung der Fragestellung entwickelt. In meinen Projekten war<br />
ich in diesem Stadium sehr viel im labor, beschäftigte mich mit den<br />
Messinstrumenten – <strong>zum</strong> Beispiel 3D BewegungsanalyseSystem<br />
Vicon, Kraftmessplatten für die Messung von Bodenreaktionskräften,<br />
Kraftsensoren für die Feinmotorik der Hand – sammelte erste Pilotdaten,<br />
adaptierte die Methodik, technisch und inhaltliche Aspekte.<br />
Nach wie vor ist man in ständigem Austausch mit KollegInnen und/<br />
oder ProfessorInnen. Um ein sauberes Experiment durchzuführen,<br />
sind oft mehrere Pilotversuche und Adaptationen notwendig.<br />
Im Konzipieren des Versuches legt man – gerade als TherapeutIn –<br />
Wert darauf, dass die untersuchten Tätigkeiten für den Alltag relevant<br />
und gleichzeitig im labor mess und wiederholbar sind – das zu<br />
vereinen ist eine grosse Herausforderung.<br />
inform: Das klingt nach sehr viel Technik …<br />
Diermayr: Ist es auch – gerade die Arbeit in einem Bewegungslabor!<br />
Ich war technisch ziemlich uninteressiert, und plötzlich musste ich<br />
Kameras einstellen, verschiedene Messinstrumente kalibrieren und<br />
synchronisieren, und auch selbst Programme schreiben. Mich damit<br />
anzufreunden, war nicht einfach. ‘Mehr TechnikFreundlichkeit’ in<br />
meiner Ausbildung hätte das vielleicht erleichtert.<br />
inform: Und wenn man die Technik im griff hat …<br />
Diermayr: … dann kommen die Probanden bzw. zuerst die Suche<br />
nach ihnen. Im labor müssen dann die Experimente akribisch<br />
genau durchgeführt werden. Die Arbeit mit den PatientInnen im<br />
labor mochte ich immer besonders gern – weil das ja doch der<br />
therapeutischen Arbeit am nächsten kommt. Und ich glaube, dass<br />
es vor allem auch im labor von grossem Wert ist, TherapeutInnen im<br />
ForscherTeam zu haben – sowohl für die Probanden als auch für die<br />
Forschungsarbeit.<br />
Nach den Datensammlungen geht’s an die Datenanalyse. Das ist<br />
– gerade im Bereich der Bewegungsanalyse/Motorischen Kontrolle –<br />
extrem langwierig. Für mein erstes Projekt innerhalb meiner Dissertation<br />
habe ich zwei Jahre lang nur analysiert. Nach dem Analysieren<br />
und den statistischen Auswertungen beginnt man, die Arbeit als<br />
Publikation niederzuschreiben – in vielen FeedbackSchleifen mit<br />
dem Professor. Das heißt: Während des PhDStudiums, fängt man<br />
auch schon an, wissenschaftlich zu publizieren.<br />
inform: Die Nagelprobe für ein Forschungsprojekt …?<br />
Diermayr: Ja, natürlich! Es kommt darauf an, dass die Ergebnisse<br />
international verbreitet werden. Meine erste Präsentation war<br />
bei einer grossen internationalen Konferenz, der Conference for<br />
the Society of Neuroscience, an der rund 30.000 ForscherInnen<br />
teilnahmen. Da kommen dann renommierte ForscherInnen auf einen<br />
zu und fragen ‚Warum haben Sie das so gemacht?’ Auch das muss<br />
man lernen: Sich anderen Meinungen auszusetzen, und das eigene<br />
forscherische Tun zu begründen.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 26
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> ExpertInnen im Gespräch<br />
inform: Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, um die<br />
Forschung durch <strong>Physio</strong>therapeutInnen in Österreich voranzutreiben?<br />
Diermayr: Zum Einen müssen wir uns selbst für wissenschaftliches<br />
Arbeiten öffnen. Neben der Wertschätzung der praktischen Arbeit,<br />
sollte auch die wissenschaftliche Arbeit als wichtig und wesentlich<br />
empfunden werden. Wahrscheinlich ist nach wie vor Aufklärung notwendig:<br />
was ist Forschung? Warum ist Forschung auch für die <strong>Physio</strong>therapie<br />
wichtig? Wesentlich erscheint mir vor allem der Austausch<br />
zwischen ForscherInnen und KlinikerInnen, <strong>zum</strong> Beispiel auf Konferenzen,<br />
Fachvorträgen, etc. Von institutioneller Seite wäre es wichtig,<br />
TherapeutInnen in ihrer Ausbildung (Master, PhD) zu unterstützen<br />
und Anreize zu schaffen für ausgebildete ForscherInnen, nach Österreich<br />
zurück zu kommen, internationale Kooperationen zu fördern.<br />
Dabei wird es auch nötig sein, ungewohnte Arbeitsmodelle zu<br />
entwickeln, um letztendlich den Aufbau von kleinen Forschungsteams<br />
voranzutreiben. Dann passiert wirklich Forschung.<br />
gleichzeitig ist wichtig, die praktische Erfahrung der Therapeut<br />
Innen in die Forschungsarbeit einfliessen zu lassen (Austausch<br />
ForscherIn und KlinikerIn) – gerade das wäre die Stärke der<br />
therapeutischen Forschung. Sich auch anzuschauen, wie Forschung<br />
bzw. Forschungsaufbau im Ausland passiert, ist bestimmt auch sehr<br />
hilfreich, ebenso die Bereitschaft, in andere Bereiche zu gehen,<br />
<strong>zum</strong>indest für die Dauer der Ausbildung, z.B., durch einen PhD in<br />
Biomechanik. Und die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen,<br />
die schon länger in der Forschung tätig sind.<br />
In Österreich müssen wir uns auch noch gegenüber der Ärzteschaft<br />
emanzipieren. Es geht um Forschungskompetenz und die ist<br />
nicht von Berufsbildern abhängig. In den USA wäre es <strong>zum</strong> Beispiel<br />
völlig unüblich, dass ein Arzt leiter eines Masterlehrgangs für<br />
<strong>Physio</strong>therapeutInnen ist.<br />
inform: Forschung kostet aber auch geld. Wo sollen – noch dazu<br />
in Zeiten, wo überall der Rotstift angesetzt wird – die nötigen Mittel<br />
aufgetrieben werden?<br />
Diermayr: Die Basisfinanzierung sollte über die FH oder die<br />
Universität erfolgen. Und internationale Zusammenarbeit sollte<br />
unterstützt werden. Das hätte ja auch Vorteile für den Standort. Ich<br />
plane zur Zeit ein Projekt in Zusammenarbeit mit einem Münchner<br />
labor und Dr. Tara McIsaac, einer international anerkannten<br />
Neurowissenschaftlerin, die ich von der Columbia University<br />
kenne. Im Rahmen ihres Besuches bei uns an der FH Campus<br />
Wien, hat sie <strong>zum</strong> Beispiel im Dezember vergangenen Jahres einen<br />
Vortrag über „Bewegungskontrolle bei Menschen mit Parkinson<br />
Syndrom“ gehalten, zu dem auch externe KlinikerInnen und<br />
ForscherInnen eingeladen wurden. Durch solche Kooperationen bzw.<br />
Veranstaltungen wird ja auch ein wissenschaftlichklinischer Diskurs<br />
hier in Wien gefördert, der für alle bereichernd sein könnte.<br />
Für das Forschungsprojekt selbst muss man versuchen, Forschungsgelder<br />
aufzutreiben. Zum Beispiel beim Wissenschaftsfonds oder<br />
bei der Forschungsförderungsgesellschaft. Es gibt in Österreich<br />
Forschungsgelder – wenn auch immer weniger – aber auch für uns.<br />
Es geht „nur“ darum, ein gutes Projekt zu präsentieren; Publikationen<br />
und auch inernationale Kooperationen sind dabei für die geldgeber<br />
wichtig, weil es auf wissenschaftliche Kompetenz schliessen lässt.<br />
Darüber hinaus sollten wir auch neue Wege suchen. Vielleicht könnte<br />
man mit gesundheitsökonomen eine solide KostenNutzenRechnung<br />
erstellen, an der auch die Sozialversicherungsträger Interesse haben.<br />
Dr. Gudrun Diermayr, MA, PT<br />
Seit einem Jahr leiterin des Masterlehrgangs<br />
<strong>Physio</strong>therapie und lektorin an<br />
der FH Campus Wien<br />
Davor Akademie für <strong>Physio</strong>therapie am<br />
AKH Wien<br />
Master of Arts in Physical Therapy (New<br />
york University)<br />
Dissertation in Motorischem lernen<br />
und Motorischer Kontrolle Columbia<br />
University, New york)<br />
Forschungsprojekte an der Columbia<br />
University<br />
zuletzt als <strong>Physio</strong>therapeutin am Miller<br />
Institute for Performing Arts Medicine in<br />
New york tätig<br />
inform: Fehlen nur noch die <strong>Physio</strong>therapeut Innen, die Forscher<br />
Innen werden wollen …<br />
Diermayr: Erfreulicher Weise gibt es schon welche. Und es<br />
werden hoffentlich noch mehr. Es sind allerdings sowohl für die<br />
Studierenden, die Interesse an einer Forschungsausbildung haben<br />
als auch für TherapeutInnen, die bereits ForscherInnen sind, die<br />
Rahmenbedingungen nicht ideal. Zum Beispiel, zahlt der Wiener<br />
Krankenanstaltenverbund seinen MitarbeiterInnen therapeutische<br />
Fortbildungskurse. Wer jedoch einen Masterlehrgang absolviert,<br />
muss diesen zurzeit zur gänze selber bezahlen und bekommt dafür<br />
auch keine Fortbildungstage. Weiters sind die in Frage kommenden<br />
PhDProgramme derzeit ja noch großteils im Ausland, und das<br />
ist natürlich zeitlich sowie finanziell mit einem sehr, sehr großen<br />
persönlichen Aufwand verbunden. Eine Unterstützung wäre da –<br />
vor allem, wenn man Forschung wirklich aufbauen will – sehr, sehr<br />
wichtig.<br />
otto Havelka<br />
FoTo: FH CAMPUS WIEN<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 27
Zwei Mal pro Woche stehen die<br />
Studierenden am Spielfeld der<br />
zweiten Mannschaft der Grazer<br />
„Giants“: Im Rahmen eines freiwilligen<br />
Praxisprojekts unterstützen die Studierenden<br />
die Sportler während der abendlichen<br />
Trainingseinheiten mit physiotherapeutischen<br />
Übungen – und das bei jeder<br />
Witterung. Neben Verletzungsprophylaxe<br />
und Verbesserung der Koordination soll<br />
dadurch für die Sportler auch eine gesteigerte<br />
Ausdauerfähigkeit und verbesserte<br />
Performance für die nächste Spielsaison<br />
erreicht werden.<br />
Die Idee zur Zusammenarbeit, die in<br />
diesem Winter Premiere hat, stammt von<br />
Helene Rathofer, Absolventin des Studiengangs<br />
„<strong>Physio</strong>therapie“, und „giants“<br />
Trainer Alex Fetz. Unter Supervision<br />
der beiden machen sechs Studierende<br />
mit den Sportlern gemeinsam zwei Mal<br />
pro Woche 20 Minuten lang spezielle<br />
Übungen, wobei <strong>zum</strong> Beispiel Halteübungen<br />
für eine verbesserte Rumpfkoordination<br />
eine wichtige Rolle spielen.<br />
„Durch diese Zusammenarbeit können<br />
unsere Studierenden in den leistungssport<br />
hineinschnuppern, gelerntes<br />
praktisch umsetzen und lernen, wie sie<br />
die Sportler auf professionelle Weise<br />
korrigieren und motivieren können“,<br />
beschreibt Maria Kormann, lehrende am<br />
Studiengang „<strong>Physio</strong>therapie“, die Vorteile<br />
des Projekts für die Studierenden.<br />
Die ehrenamtliche Zusammenarbeit<br />
wird durch ein Wahlpflichtfach, geleitet<br />
Bildung FH Joanneum Graz<br />
<strong>Physio</strong>therapie<br />
meets American<br />
Football<br />
Studierende des Studiengangs „<strong>Physio</strong>therapie“ an der<br />
FH Joanneum in Graz betreuen das Team der Grazer Football<br />
Mannschaft „Giants“ in den Winter monaten. Die Idee zur<br />
Zusammenarbeit stammt von einer Absolventin des Studiengangs.<br />
Das Team des Studiengangs<br />
„<strong>Physio</strong>therapie“ mit Betreuern<br />
der „Giants“ und einem Spieler<br />
am Trainings gelände.<br />
<strong>Physio</strong> <strong>Austria</strong> inform Februar 2011 28<br />
von Barbara gödlPurrer, das sich speziell<br />
mit leistungssport und Prävention<br />
auseinandersetzt, im Rahmen der lehre<br />
unterstützt. In diesem Kontext sind auch<br />
wissenschaftliche Untersuchungen und<br />
Studien <strong>zum</strong> Themenbereich „Prävention<br />
im Sport“ geplant.<br />
„Die Vereine sollen erkennen, wie<br />
wichtig eine ganzjährige physiotherapeutische<br />
Betreuung wäre, zusätzlich zur<br />
Betreuung durch die TrainerInnen“, so<br />
Kormann. Bei den Sportlern der „giants“<br />
jedenfalls komme die Zusammenarbeit<br />
sehr gut an, und auch für die Studierenden<br />
ist das Projekt offenbar nicht nur von<br />
fachlichem Interesse: Ein Studierender<br />
hat sich bereits von American Football<br />
begeistern lassen und trainiert nun selbst<br />
in der zweiten Mannschaft der „giants“.<br />
Die große FootballEuphorie soll in<br />
graz schon demnächst ausbrechen. In<br />
der steirischen landeshauptstadt findet<br />
heuer die Weltmeisterschaft im American<br />
Football statt.<br />
otto Havelka<br />
FoTo: FH JoANNEUM FoTo: ©ISToCKPHoTo.CoM / gRADyREESE