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Es bewegt sich 'was im ländlichen Raum - Nexus

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Dies ist die Bürgerausstellung aus den Schaufenstern des Sarower Landmarktes in Klein-<br />

format: Werfen Sie einen Blick hinein, teilen Sie mir Ihre Meinung auf den letzten Seiten<br />

schriftlich mit und/oder beteiligen Sie <strong>sich</strong> an der Diskussion am 16. Dezember 2011!<br />

<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ’was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen in Sarow<br />

Mobil zu sein kann vieles heißen - am öffentlichen Leben teilzunehmen, den Arzt zu besuchen<br />

oder den Einkauf zu erledigen. Wie macht man das als älter werdender Mensch auf dem Land?<br />

Welche Probleme entstehen und wie kann man sie lösen?<br />

1985 in Sarow: meine Urgroßmutter,<br />

unser Trabant und ich<br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

Potsdamer Straße 151<br />

10783 Berlin<br />

030 5306 6206<br />

anja.neubauer@mailbox.tu-berlin.de<br />

Als Studentin der Stadt- und Regionalplanung mit Sarower Wurzeln verfasse ich meine<br />

Diplomarbeit zum Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen <strong>im</strong> peripher<strong>ländlichen</strong><br />

<strong>Raum</strong>.<br />

Nicht nur in den Medien, sondern auch in meinem Studium werden der demographische Wandel,<br />

die knappen Kassen der öffentlichen Hand, die besonderen Schwierigkeiten des <strong>ländlichen</strong><br />

<strong>Raum</strong>es und die damit einhergehende Notwendigkeit, die Einrichtungen der Daseinsvorsorge<br />

neu zu organisieren, heftig diskutiert. Die peripheren Räume <strong>im</strong> südöstlichen Mecklenburg-<br />

Vorpommern gelten dabei als besonders betroffen.<br />

Um herauszufinden, wie – insbesondere <strong>im</strong> Hinblick auf die alltägliche Mobilität – vor<br />

Ort mit dieser Situation umgegangen wird und <strong>sich</strong> darüber auszutauschen, habe ich <strong>im</strong><br />

Herbst 2010 ältere Sarower Dorfbewohnerinnen und -bewohner interviewt, die nun <strong>im</strong> Rahmen<br />

dieser Bürgerausstellung auch öffentlich zu Wort kommen, ihre Meinung mit allen Interessierten<br />

teilen und zur Diskussion stellen möchten.<br />

Ergänzt werden diese Aussagen von einer bebilderten Mobilitätsgeschichte des Ortes und Erläuterungen von Experten: Prof. Dr. Dehne<br />

von der Hochschule Neubrandenburg sowie Frau Blanck und Herr Kaufmann vom Planungsverband Mecklenburgische Seenplatte haben<br />

Rede und Antwort gestanden. Alle drei befassen <strong>sich</strong> hauptberuflich mit den aktuellen Chancen und Problemen der Region sowie<br />

ländlicher Räume <strong>im</strong> Allgemeinen.<br />

Hiermit lade ich Sie herzlich dazu ein, <strong>sich</strong> vom 25. November - 15. Dezember 2011 die Plakate anzusehen, durchzulesen<br />

und <strong>sich</strong> darüber zu unterhalten!<br />

Am 16. Dezember, um 15 Uhr soll die Ausstellung <strong>im</strong> Gemeinderaum in der Sarower Grundschule, in<br />

der Dorfstraße 77 mit einem angeregten Austausch zu Ende gehen: Wie sehen Sie die Mobilität älterer Menschen in Sarow und<br />

Umgebung? Welche Probleme erkennen Sie? Welche Anregungen, Wünsche und Ideen haben Sie?<br />

Kommen Sie vorbei und diskutieren Sie bei Kaffee und Kuchen mit den Sarowerinnen und Sarowern,<br />

dem Bürgermeister Friedhelm Wyrwich und mir! Ich freue mich sehr auf Sie!<br />

Diplomvorhaben am<br />

Institut für Stadt- und Regionalplanung<br />

betreut durch Prof. Dr. Dietrich Henckel<br />

030 314 28089<br />

d.henckel@isr.tu-berlin.de


<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ’was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

Potsdamer Straße 151<br />

10783 Berlin<br />

030 5306 6206<br />

anja.neubauer@mailbox.tu-berlin.de<br />

Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>: Sarower Bürgerinnen und Bürger <strong>im</strong> Interview<br />

Die Mobilitätsgeschichte Sarows in Zitaten und Bildern – die letzten 100 Jahre<br />

2011 2010<br />

2011 2011<br />

„Also, in den ersten Nachkriegsjahren sind<br />

alle Menschen hier aus Sarow viel zu Fuß<br />

gegangen, auch zu Fuß nach Demmin! Bis<br />

zum Bahnhof in Sternfeld hat man schon<br />

eine Stunde eingeplant, und nach Demmin<br />

gut zweieinhalb, drei Stunden. Einige Kin-<br />

der hatten es sogar vier Kilometer weit zur<br />

Schule und alle gingen in Holzpantoffeln.<br />

Hier war noch Hoppelpflaster, sodass es rich-<br />

tig geklappert hat.“<br />

2010 2011<br />

1956<br />

„Von 1913 bis zum Kriegsende fuhren die Leute nach Demmin mit der Kleinbahn,<br />

auch nach Törpin, stiegen hier ein und stiegen da wieder aus. Das war auch eine Lö-<br />

sung. Sie brauchten nicht bis nach Sternfeld zur Bahn. 1945 haben die Russen dann<br />

die Loren und Gleisanlagen abmontiert.“<br />

1985<br />

„Mit dem Kommfahrzeug wurden wir jeden<br />

Morgen zur Arbeit gebracht und abends wie-<br />

der abgeholt. Das war ein LKW der LPG,<br />

der für den Personentransport umgebaut<br />

wurde. Plätze waren für zirka 16 Personen.“<br />

1965<br />

1946<br />

Und wie sieht die<br />

Mobilität der Sarowe-<br />

rinnen und Sarower<br />

in Zukunft aus?<br />

„In den 1950ern fuhr ein Bus<br />

zwe<strong>im</strong>al in der Woche. Ende der<br />

60er gab es dann einen stabilen<br />

Nahverkehr, mehrfach am Tag<br />

Busverkehr zur Stadt. Die Busse<br />

waren voll.“<br />

1943<br />

2015<br />

„Seit sonnabends keine Schule<br />

mehr ist, fährt auch sonnabends<br />

kein Bus mehr in die Stadt.“<br />

„In Sternfeld gab es <strong>im</strong> Bahnhofs-<br />

gebäude eine Gaststätte. <strong>Es</strong> gab<br />

einen Paketdienst und die Mög-<br />

lichkeit, das eigene Fahrrad oder<br />

Moped abzugeben.“<br />

1991<br />

1970<br />

1913<br />

2000<br />

1990<br />

1980<br />

1970<br />

1960<br />

1950<br />

1940<br />

1930<br />

1920<br />

1910<br />

„Die Straße des Ausbaus wurde erst 1994 gemacht. Das war so lange ein richtig oller<br />

Landweg. 13 Kinder wohnten auf diesem Ende, ohne dass ein Schulbus hochfahren<br />

konnte. Da musste man wirklich mit dem Fahrrad Slalom fahren: so viele tiefe Lö-<br />

cher und wenn es dann regnete... <strong>Es</strong> wurden Unterschriften gesammelt, mit der Bür-<br />

germeisterin beraten und ein paar Mal zum Kreis gefahren. Nach der Wende war es<br />

dann nicht ganz so schwierig, eine Straße bauen zu lassen.“<br />

1965<br />

„1956, ’57 tauchten hier die ers-<br />

ten PKW auf, noch mit Holzchas-<br />

sis, ganz lustige Dinger, die heute<br />

hohen Museumswert haben.“<br />

1982<br />

1953<br />

1977<br />

„Die ersten Mopeds kamen, die ersten Hilfs-<br />

motoren für die Fahrräder. Die Menschen<br />

wurden beweglicher. Im gleichen Zuge setzte<br />

aber auch schon die Konzentration ein, dass<br />

einige Dörfer zusammengelegt wurden.“<br />

„Wenn es nur ein Fahrrad in der Familie gab und zwei Kinder mussten zur Stadt,<br />

zum Zahnarzt oder so, dann wurde das Fahrrad an den Baum gestellt, wenn der eine<br />

ein Stück gefahren ist, aber <strong>im</strong>mer <strong>sich</strong>tbar. Wenn er’s da hinstellte, dann kam der<br />

nächste nach und der erste ist zu Fuß weiter. Und so wurde eben mit einem Rad diese<br />

Strecke zum Bahnhof zurückgelegt. Das waren etwa fünf Kilometer.“<br />

Metschow 1913<br />

„<strong>Es</strong> hatten nicht alle ein Auto und darum<br />

war das Mitfahren für die Bürger auf dem<br />

Dorf recht wichtig. <strong>Es</strong> standen auch manch-<br />

mal welche in Demmin an der Ausfahrt in<br />

unsere Richtung und guckten, ob sie nicht<br />

irgendwo mitfahren konnten. Heute ist das<br />

nicht mehr so. <strong>Es</strong> würde ja auch kaum ei-<br />

ner anhalten. Aber damals kannten <strong>sich</strong> die<br />

Die verwendeten Fotografien stammen größtenteils aus den privaten Alben der Interviewten. Die aktuellen Bilder habe ich selbst aufgenommen. Bei Interesse an einer konkreten Aufnahme fragen Sie mich!<br />

1994<br />

1956<br />

Leute.“<br />

Diplomvorhaben am<br />

Institut für Stadt- und Regionalplanung<br />

betreut durch Prof. Dr. Dietrich Henckel<br />

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d.henckel@isr.tu-berlin.de


<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ‘was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

Mobil, um den Kopf frei zu kriegen<br />

Was bedeutet Mobilität für Sie?<br />

Mobilität hat einen großen Stellenwert für mich. Wenn mir langweilig ist und<br />

mir zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, muss ich raus! Man kann doch nicht<br />

die ganze Zeit fernsehen. Ich fahre bei schönem Wetter Fahrrad, um den Kopf<br />

frei zu kriegen, oder setze mich einfach in den Bus und fahre nach Demmin. Im<br />

Winter mache ich Spaziergänge, damit ich in Bewegung bleibe. Ich bin froh, dass<br />

es mir noch so gut geht. Mit einer Freundin, die ein Auto hatte, aber mittlerweile<br />

Wie bewegen Sie <strong>sich</strong> fort?<br />

Ich erledige fast alle Einkäufe hier in Sarow, denn die Verkäuferin in der Verkaufs-<br />

stelle sorgt dafür, dass wir hier alles bekommen. <strong>Es</strong> ist zwar ein wenig teurer als<br />

in der Stadt, dafür spart man <strong>sich</strong> aber den Busfahrschein. Wenn man alleine ist,<br />

braucht man auch nicht viel; und wenn man alt ist, darf man auch nicht mehr so<br />

viel… Mein wichtigstes Fortbewegungsmittel ist das Fahrrad. Für weitere Entfer-<br />

nungen nutze ich den Bus, auf Reisen und <strong>im</strong> Alltag, z. B. um zum Arzt und zur<br />

Bank in Demmin zu kommen. Manchmal nehmen mich aber auch meine Nach-<br />

barn oder ehemalige Arbeitskolleginnen mit. Meine Tochter, die mit mir <strong>im</strong> glei-<br />

chen Haus wohnt, ist momentan leider zu eingespannt. Ich bin also meistens auf<br />

den Bus angewiesen. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen, weil die Taxifahrten<br />

viel zu teuer sind. Meine Arzttermine lege ich darum so, dass ich gut mit dem<br />

Bus hinkomme. Ich mache mir fürs ganze Jahr einen Ferienplan und schaue dort<br />

nach, weil dann fast kein Bus fährt. Da ich schon <strong>im</strong>mer mit dem Bus fahre, bin<br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

Potsdamer Straße 151<br />

10783 Berlin<br />

030 5306 6206<br />

anja.neubauer@mailbox.tu-berlin.de<br />

Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>: Sarower Bürgerinnen und Bürger <strong>im</strong> Interview<br />

<strong>Es</strong>ter Gäde<br />

<strong>Es</strong> ist sehr wichtig für mich,<br />

mobil zu sein, beweglich zu bleiben. Wenn<br />

ich mal nicht gut drauf bin, setze ich mich aufs<br />

Fahrrad und dann geht‘s ab! Hinterher geht es<br />

mir dann wieder richtig gut.<br />

ist 75 Jahre alt, verwitwet und Mutter einer Tochter. Als Lohnbuchhalterin war sie in der<br />

LPG Sarow von 1961-1991 tätig. Sie hat keinen Führerschein und auch nie ein Auto besessen.<br />

Von 1955-1960 hatte ihr Ehemann ein Motorrad.<br />

leider verstorben ist, bin ich viel herumgefahren, bis nach Polen und sonst wohin.<br />

Zu der Zeit war ich viel mobiler und das vermisse ich sehr, aber jetzt mache ich<br />

auch keinen Führerschein mehr. Da fahre ich doch nur alles kurz und klein. Vor<br />

kurzem bin ich das erste Mal Riesenrad gefahren, obwohl ich <strong>im</strong>mer solche Angst<br />

davor hatte. Das war so schön! Mit dem Flugzeug zu fliegen, würde ich auch ger-<br />

ne einmal ausprobieren.<br />

Wie stellen Sie <strong>sich</strong> in Zukunft Ihre Fortbewegung vor? Haben Sie Ängste, Hoffnungen, Anregungen?<br />

Ich habe wirklich große Angst vor der Zukunft. Was ist, wenn man auf die Hilfe<br />

von anderen angewiesen ist? Irgendwie muss es aber natürlich auch dann weiter-<br />

gehen. Wie andere <strong>im</strong> Dorf habe ich mir auch schon manchmal überlegt, wie es<br />

wäre, in die Stadt zu ziehen. Dann könnte ich zu so vielen verschiedenen Veran-<br />

staltungen gehen, … aber meiner Tochter gehört das Haus, wir haben es so ausge-<br />

baut und sie wohnt nebenan, und irgendwie hänge ich doch sehr daran.<br />

ich daran aber gewöhnt. Seitdem sonnabends keine Schule mehr ist, ist es schwie-<br />

rig geworden, am Wochenende in die Stadt zu kommen. Auf das Peenefest und<br />

andere bunte Veranstaltungen muss ich darum oft verzichten. <strong>Es</strong> kommt aber vor,<br />

dass ich mit meinen Nachbarn auf ein Konzert nach Neubrandenburg mitfahre.<br />

Als der Arzt in Törpin aufgehört hat, hätte ich nach Beggerow wechseln können.<br />

Dorthin kommt man mit dem Bus allerdings schlechter als nach Demmin. In<br />

Demmin kann ich außerdem gleich noch kleine Besorgungen machen. Gerade<br />

<strong>im</strong> Winter bin ich aber froh, wenn ich nicht in die Stadt muss, sondern <strong>im</strong> Dorf<br />

bleiben kann. An der Haltestelle in Demmin gibt es keine Unterstellmöglichkei-<br />

ten und man muss bei Wind und Wetter draußen stehen. Das finde ich nicht so<br />

gut. Abgesehen davon bin ich aber zufrieden. Wenn man freundlich zu den Bus-<br />

fahrern ist, kommt es auch so zurück.<br />

Ein Wochenendbus könnte meine Mobilität best<strong>im</strong>mt verbessern, aber das lohnt<br />

<strong>sich</strong> hier ja wahrscheinlich gar nicht, da die meisten ein Auto haben. Ich habe,<br />

um ehrlich zu sein, noch nicht so viel von alternativen Möglichkeiten gehört und<br />

weiß nicht genau, ob es einen entsprechenden Bedarf gibt. Darum bin ich skep-<br />

tisch gegenüber neuen Ideen, aber auch gespannt.<br />

Diplomvorhaben am<br />

Institut für Stadt- und Regionalplanung<br />

betreut durch Prof. Dr. Dietrich Henckel<br />

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d.henckel@isr.tu-berlin.de


<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ’was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

In die Pedale treten<br />

Was bedeutet Mobilität für Sie?<br />

<strong>Es</strong> ist wichtig, dass man mobil ist. Da es hier keinen Hausarzt mehr oder gar<br />

Hausbesuche wie früher gibt, muss man in die Stadt zu den verschiedenen Ärz-<br />

ten. Außerdem will man auch nicht nur am He<strong>im</strong>atort sein, nicht nur rumsitzen<br />

oder <strong>im</strong> Garten arbeiten. Gemeinsam mit meiner Frau bin ich seit jeher viel un-<br />

terwegs, auch in anderen Ländern, um mal etwas Anderes sehen. Außerdem muss<br />

Bewegung einfach sein! Solange wir gesund sind, wollen wir das auch so beibe-<br />

halten. Man kann nachher noch lange genug zu Hause zubringen.<br />

Wie bewegen Sie <strong>sich</strong> fort?<br />

Als meine Frau noch gearbeitet hat und das Auto brauchte, bin ich manchmal<br />

mit dem Rad nach Demmin gefahren. Das hatte aber vor allem einen sportlichen<br />

Hintergrund. Heute fahren wir nach Demmin fast <strong>im</strong>mer mit dem Pkw. Das ist<br />

auch angebracht, weil man zum Arzt manchmal zu Zeiten muss, die man mit<br />

dem Bus so nicht erreicht. Zwar wird mit den Bussen schon Einiges getan, aber<br />

ansonsten ist Sarow verkehrsmäßig doch abgelegen. Zur Bahn kommt man kaum.<br />

Ein Pkw ist hier wirklich notwendig. Da es in den Supermärkten billiger ist und<br />

eine größere Auswahl gibt, kaufen wir in Sarow nur Brot und Brötchen. Die Ein-<br />

käufe in Demmin verbinden wird mit den Arztbesuchen. Gelegentlich fahren<br />

wir aber auch in andere umliegende Städte: nach Stavenhagen und Altentrep-<br />

tow oder auch weiter weg, nach Neubrandenburg oder Greifswald. Wenn unsere<br />

Enkel zu Besuch sind, freuen sie <strong>sich</strong>, dort mit uns ins Schw<strong>im</strong>mbad zu gehen.<br />

Zu kulturellen Veranstaltungen fahren wir ebenfalls mit dem Auto, manchmal<br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

Potsdamer Straße 151<br />

10783 Berlin<br />

030 5306 6206<br />

anja.neubauer@mailbox.tu-berlin.de<br />

Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>: Sarower Bürgerinnen und Bürger <strong>im</strong> Interview<br />

Karsten Rilling<br />

Vor ein paar Jahren habe ich<br />

das Fahrrad für mich wiederentdeckt. Mobi-<br />

lität ist sozusagen mein Hobby. Für den Alltag<br />

- z. B. die häufigen Fahrten in die Stadt - ist<br />

allerdings das Auto unerlässlich.<br />

ist 67 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Von 1964-1999 war er Grundschullehrer<br />

in Sarow. Seit 1968 hat er einen Führerschein für Motorrad, Pkw und Lkw.<br />

Seitdem besitzt er auch ein eigenes Auto, das sowohl er als auch seine Frau fahren.<br />

Radfahren ist mein großes Hobby, das ich wiederentdeckt habe, als ich in den<br />

Vorruhestand ging. Ich bin Rennen gefahren – z. B. in Hamburg, auf Rügen und<br />

um den Vätternsee in Schweden. Heute jage ich nicht mehr so, sehe mir eher die<br />

Gegend an. Meine Frau und ich machen oft Radtouren durch die Dörfer. Wir<br />

möchten sehen, wie sie <strong>sich</strong> entwickeln. Und hier tut <strong>sich</strong> so Einiges in den letz-<br />

ten Jahren: Teichfeste, Kartoffelfeste, Rapsblütenfeste, ... <strong>Es</strong> ist eben doch noch<br />

lohnenswert, auf dem Land zu wohnen.<br />

allerdings auch mit dem Sonderbus nach Hamburg. Das alte Kollegium weiß,<br />

dass wir gerne zum Theater und Musical gehen und n<strong>im</strong>mt uns mit. Das klappt<br />

gut. Und wenn wir in den Urlaub fahren - mit dem Auto, dem Reisebus oder<br />

dem Flugzeug -, versorgt unsere Nachbarin die Tiere. Was mir nicht so gefällt,<br />

ist der Zustand der Straße zur Stadt. Durch die schweren Lkw, die dort fahren,<br />

ist der Untergrund sehr in Mitleidenschaft gezogen. Da die Gelder fehlen und<br />

andere Straßen vorrangig sind, wird einfach ein Tempol<strong>im</strong>it aufgestellt. Wenn<br />

man Gegenverkehr hat, sind aber auch die 80 Stundenkilometer schon zu viel.<br />

Der Winterdienst ist hingegen sehr zuverlässig und nur in den extremen Win-<br />

tern eingeschränkt. Dann steht auch das Fahrrad in der Ecke und wir machen<br />

Spaziergänge durchs Dorf. Das machen viele ältere Leute hier. Sie bewegen <strong>sich</strong><br />

häufig in kleinen Trupps: zu zweit, zu dritt. Dann treffen sie den nächsten Trupp,<br />

unterhalten <strong>sich</strong> ein bisschen und gehen weiter.<br />

Wie stellen Sie <strong>sich</strong> in Zukunft Ihre Fortbewegung vor? Haben Sie Ängste, Hoffnungen, Anregungen?<br />

Wir nutzen den Pkw und wollen dies auch weiterhin tun, da es ohne schwierig<br />

ist, in die Stadt zu kommen oder in abgelegene Ecken. Noch sind wir vom Alter<br />

her und gesundheitlich so, dass wir das gut machen können. Sollte das Auto ka-<br />

putt gehen, würden wir uns auch wieder ein neues kaufen. Aber wer weiß, wann<br />

wir selbst nicht mehr fahren können. Dann müssen wir eventuell doch den Bus<br />

nehmen. Der öffentliche Verkehr darf darum nicht wegbrechen oder gänzlich<br />

privat organisiert werden. Solange wie es die Grundschule noch gibt, ist es ge-<br />

geben, dass auch die Erwachsenen mit dem Schülerbus mitfahren können. Ich<br />

habe außerdem beobachtet, dass die großen Busse nicht mehr ausgelastet sind<br />

und daher oft Kleinbusse mit acht, neun Sitzplätzen genutzt werden. Das finde<br />

ich richtig. So ist eine Mindestversorgung gewährleistet. Die Möglichkeit, <strong>sich</strong><br />

telefonisch vorher anzumelden, garantiert, dass <strong>im</strong>mer alle mitkommen. Dann<br />

fahren auch mal zwei Kleinbusse hintereinander oder doch ein großer. Dass die<br />

Strecken manchmal länger sind und damit einen höheren Fahrpreis verursachen,<br />

muss so sein, wenn die abgelegenen Dörfer mit eingebunden werden sollen. Das<br />

war <strong>im</strong>mer so und muss so bleiben. Wer weiß, wie <strong>sich</strong> das entwickelt, ob mehr<br />

ausgebaut wird oder noch mehr wegfällt. <strong>Es</strong> muss aber auf jeden Fall die Mög-<br />

lichkeit bestehen bleiben, in die Stadt zu kommen.<br />

Diplomvorhaben am<br />

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<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ‘was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

Mobilität als Muss und Faszination<br />

Was bedeutet Mobilität für Sie?<br />

Nichts ist schöner für mich, als ein Fahrzeug zu haben und beweglich zu sein. <strong>Es</strong><br />

gibt wirklich nichts Schöneres! Ich könnte mir das gar nicht vorstellen, ohne ein<br />

Fortbewegungsmittel zu sein. <strong>Es</strong> gibt Leute, die brauchen das nicht, aber ich ge-<br />

höre nicht dazu. Auch von Berufs wegen bin ich <strong>im</strong>mer viel gefahren. Ohne Auto<br />

würde man doch <strong>im</strong> Dorf sitzen und versauern. Ich fahre mit meiner Lebens-<br />

Wie bewegen Sie <strong>sich</strong> fort?<br />

Mit dem Auto fahre ich mit meiner Lebensgefährtin ein- bis zwe<strong>im</strong>al pro Woche<br />

nach Demmin, seltener auch nach Altentreptow, weil dort der Orthopäde ist.<br />

Wenn wir einen Arzttermin in der Stadt haben, erledigen wir auch gleich den<br />

Einkauf, obwohl es einen kleinen Laden in Sarow gibt, wo wir ebenfalls einkau-<br />

fen. Bequemer als auf den Parkplatz des Supermarktes zu fahren und direkt alles<br />

einzuladen, geht es einfach nicht. Ansonsten müsste man die Einkäufe mit zur<br />

Haltestelle schleppen. Ich sehe manchmal, dass alte Leute auf den Bus warten.<br />

Für sie haben die öffentlichen Verkehrsmittel natürlich eine große Bedeutung.<br />

Zwar bin ich früher auch häufig mit dem Bus gefahren, aber jetzt wäre das nichts<br />

mehr für mich. Ich kenne auch die Fahrzeiten gar nicht mehr.<br />

Als älterer Mensch ist es sehr wichtig, dass man problemlos zu den Ärzten kommt.<br />

Wir brauchen das Auto deshalb unbedingt, wollen es aber auch nicht anders und<br />

sind sehr zufrieden damit. Da wir es finanzieren und natürlich Miete und vieles<br />

andere bezahlen müssen, sind deshalb leider keine großen Urlaubsreisen mög-<br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

Potsdamer Straße 151<br />

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Wandel und Erhalt Wandel der und Alltagsmobilität Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen älterer Menschen <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>: <strong>Raum</strong>: Sarower Sarower Bürgerinnen und und Bürger <strong>im</strong> <strong>im</strong> Interview<br />

Günter Kussmann<br />

Ich bin stolz auf unser Auto<br />

und die Fortbewegung, die heute so viel bes-<br />

ser ist. Um uns dies leisten zu können, verzich-<br />

ten wir lieber auf weite Urlaubsreisen, auch wenn<br />

mich Flugzeuge doch so faszinieren.<br />

ist 77 Jahre alt und Vater von sieben Kindern. Er wohnt mit seiner Lebensgefährtin zusammen.<br />

Als gelernter Traktorist hat er von 1951-1991 in der Sarower Landwirtschaft gearbeitet.<br />

Seit 1976 verfügt er auch über einen eigenen Pkw.<br />

gefährtin nicht nur zum Arzt in die Stadt, sondern auch mal einfach irgendwo-<br />

hin, wo es uns gefällt, zum Beispiel zum Weihnachtsmarkt. Ich bin Rentner und<br />

möchte mir das Leben schön machen. Wer weiß, wie lange noch… Außerdem<br />

sind Flugzeuge meine große Leidenschaft.<br />

lich. Wir fahren aber manchmal mit dem Auto zu unseren Kindern, unter ande-<br />

rem nach Bremen, oder mal nach Tschechien in den Urlaub. Weit wegzufliegen<br />

wäre für mich aber etwas ganz Besonderes. Flugzeuge üben auf mich eine gro-<br />

ße Faszination aus und mein Flug von Berlin nach Moskau sowie die Rundflüge<br />

in Anklam sind schon recht lange her… Vor kurzem waren wir in Parch<strong>im</strong>, wo<br />

Fahrschule mit dem Großraumflugzeug A380 gemacht wurde – sagenhaft. Auch<br />

dorthin sind wir mit dem Auto gefahren. In Sarow hingegen gehe ich sehr viel zu<br />

Fuß, etliche Male die 500 Meter in den Garten. Dort gibt es viel zu tun. Fahrrad<br />

fahre ich weniger und Bahn so gut wie nie. Da ich allerdings einen behinderten<br />

Sohn <strong>im</strong> Dorf habe und ihn gemeinsam mit meiner Exfrau, die weniger mobil<br />

ist, betreue, zeige ich ihm ein wenig die Welt und die verschiedenen Fortbewe-<br />

gungsmöglichkeiten. So bin ich auf einen Ausflug mit ihm bewusst mit dem Zug<br />

von Altentreptow nach Stralsund gefahren, statt die direkte Verbindung mit dem<br />

Pkw zu wählen. Das Autofahren kennt er gut und war neugierig auf die Bahn.<br />

Wie stellen Sie <strong>sich</strong> in Zukunft Ihre Fortbewegung vor? Haben Sie Ängste, Hoffnungen, Anregungen?<br />

Wir sind glücklich damit, wie es jetzt ist. Wir haben unser drittes Auto seit der<br />

Wende und werden damit auch in Zukunft auskommen. <strong>Es</strong> gibt also keine ge-<br />

planten Veränderungen. Solange wie wir gesund bleiben und keine Unfälle oder<br />

Pannen passieren, werde ich weiterhin selbst fahren. Mir ist es wichtig, mich so-<br />

lange wie möglich selbstständig fortzubewegen. Wenn das einmal nicht mehr ge-<br />

hen sollte, wird es eine sehr große Umstellung für mich sein. Vielleicht werde<br />

ich dann doch wieder Bus fahren müssen, vielleicht aber auch nicht. Mal sehen,<br />

was die Zeit mit <strong>sich</strong> bringt. Meine Lebensgefährtin und ich haben zwar lange<br />

und sehr viel darüber diskutiert, zu ihrer Tochter nach Bremen zu ziehen, doch<br />

ich bin hier aufgrund meines Sohnes einfach gebunden. Ich kann ihn doch nicht<br />

alleine lassen und will für ihn, solange es geht, da sein.<br />

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<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ’was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

Fluch und Segen der Mobilität<br />

Was bedeutet Mobilität für Sie?<br />

Mobilität bedeutet für mich, selber meine Wünsche befriedigen zu können und<br />

am öffentlichen Leben teilzunehmen. Das wiederum trägt dazu bei, dass man <strong>im</strong><br />

Alter geistig und körperlich aktiv bleibt. Ich bin kein Weltreisender, aber wenn<br />

ich mal mit meiner Frau sonntags zur Gaststätte fahren möchte, damit sie nicht<br />

kochen muss, soll das einfach möglich sein - dass man nicht anklopfen und fra-<br />

gen muss, sondern <strong>sich</strong> selbstständig fortbewegen kann. Wenn der Mond raus-<br />

kommt, setze ich mich mit fast 70 Jahren ins Auto, fahre auf den Hochstand und<br />

schieße die Sau. Das ist Unabhängigkeit! Auch meinen Enkeln möchte ich ihre<br />

Wünsche erfüllen können und sie abholen, wenn sie früher Schulschluss haben<br />

Wie bewegen Sie <strong>sich</strong> fort?<br />

Als Jäger muss ich ständig ins Revier nach Ganschendorf oder mache Bildungsar-<br />

beit in der Natur mit den Kindern der Gegend. Daher benutze ich das Auto fast<br />

jeden Tag. Außerdem habe ich neun Enkel und zwei Pflegekinder, die in Sarow<br />

wohnen, aber in der Stadt zur Schule oder in die Lehre gehen und oft abgeholt<br />

werden müssen. Eine Pflegetochter lernt in Malchin und das ist sehr schlecht an-<br />

gebunden. Wir fahren sie deshalb fast jeden Sonntag hin. Damit meine Kinder<br />

zur Arbeit kommen, brauchen sie jeder ein Auto, da man es auf dem Motorrad<br />

nicht lange aushält und mit dem Rad nicht weit kommt. Auf den Dörfern gibt es<br />

keine Arbeit mehr. Deshalb stehen bei uns auf dem Hof vier Pkw. Wer hätte das<br />

vor 20 Jahren für möglich gehalten? Früher ist der Arzt noch ins Dorf gekommen,<br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

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030 5306 6206<br />

anja.neubauer@mailbox.tu-berlin.de<br />

Wandel und Erhalt Wandel der und Alltagsmobilität Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen älterer Menschen <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>: <strong>Raum</strong>: Sarower Sarower Bürgerinnen und und Bürger <strong>im</strong> <strong>im</strong> Interview<br />

Ottmar Rapsch<br />

und der Bus noch nicht kommt. Mobilität ist sinnvoll und gut, kann aber auch<br />

zum Fluch werden: Auf den Straßen herrscht doch Krieg. <strong>Es</strong> hat keiner Zeit und<br />

deshalb rast man mit 180, 200 Stundenkilometern vorbei und beschwert <strong>sich</strong><br />

über mich als Greis am Steuer. Und von uns wird es <strong>im</strong>mer mehr geben – mehr,<br />

die in diese schwierige Situation kommen und <strong>sich</strong> fragen müssen, wie lange sie<br />

noch fahren können. Ich bin außerdem kritisch gegenüber der Konzentration<br />

der Schulen und Dienstleistungen. Die Kinder müssen um 5.30 Uhr aufstehen<br />

und um 6.15 Uhr <strong>im</strong> Bus sitzen. Alles ist in Bewegung, wie <strong>im</strong> Ameisenhaufen.<br />

Ich frage mich, ob diese Mobilität sein muss.<br />

Meine persönliche Unabhängig-<br />

keit wird durch das Auto ermöglicht. Gleich-<br />

zeitig ist die Mobilität aber auch ein unangeneh-<br />

mer Zwang, den die gesellschaftliche Entwicklung<br />

mit <strong>sich</strong> gebracht hat.<br />

ist 68 Jahre alt und verheiratet. Er lebt mit seiner Frau, einem seiner beiden Kindern und<br />

sechs Enkelkindern in einem Haus. Von 1959-1991 war er in Sarow als Landwirt tätig. Ab<br />

1959 besaß er ein eigenes Motorrad, seit 1980 hat er auch einen Pkw.<br />

heute kriegt man hier kaum mehr eine Briefmarke. Darum fahren wir häufig mit<br />

dem Auto nach Demmin – zum Amt, zur Apotheke, zur Bank und verbinden<br />

diese Wege. Wir sind es gewohnt, mit Bargeld umzugehen. Wer aus unserer Ge-<br />

neration nutzt denn den Computer und bestellt die Ware? In den Urlaub fahren<br />

wir selten. Manchmal geht es mit dem Auto in den Harz. Das ist für mich jedoch<br />

Schwerstarbeit. Dann schlafe ich die Nacht vorher schon schlecht. Ich empfin-<br />

de eine große Verantwortung gegenüber den Mitfahrenden und muss mich sehr<br />

be<strong>im</strong> Fahren konzentrieren, da ich erst spät damit angefangen habe. Nach Berlin<br />

nehmen wir lieber die Bahn, lassen uns von den Kindern nach Sternfeld bringen<br />

und in Berlin von Freunden abholen.<br />

Wie stellen Sie <strong>sich</strong> in Zukunft Ihre Fortbewegung vor? Haben Sie Ängste, Hoffnungen, Anregungen?<br />

Ich halte den Vorschlag, ältere Menschen einem Test zu unterziehen und ihnen<br />

gegebenenfalls den Führerschein wegzunehmen, für eine Anmaßung. Wenn ich<br />

aber tatsächlich nicht mehr Auto fahren kann, muss ich das Gewehr an den Ka-<br />

min hängen. Ob es dann eine Option für mich ist, den Bus zu nehmen, kann ich<br />

noch gar nicht sagen. Der öffentliche Nahverkehr bricht ja <strong>im</strong>mer mehr weg, da<br />

er weniger nachgefragt wird und <strong>sich</strong> natürlich auch rentieren muss. Fünf Euro,<br />

um in die Stadt zu kommen, sind nicht wenig. Nur <strong>im</strong> Dorf zu sitzen, könnte ich<br />

mir aber auch nicht vorstellen. Das wäre wie Stillstand oder gar zu degenerieren.<br />

Ich halte sehr viel von der Großfamilie und vertraue darauf, dass meine Familie<br />

einspringt, wenn meine Frau und ich nicht mehr so mobil sind. Das kann nicht<br />

glanzvoll sein. Das erwarte ich gar nicht. Zum Glück gibt es noch den Laden und<br />

die Schule <strong>im</strong> Ort. Sie garantieren eine Mindestversorgung; die Frage ist nur, wie<br />

lange noch. Und mit dem Krückstock muss man in den Bus auch erst mal hin-<br />

einkommen. Früher hatte der Bahnhof in Sternfeld eine Gaststätte, heute gibt es<br />

nicht mal eine Toilette oder einen Aufenthaltsraum. Das Auto ist das Fortbewe-<br />

gungsmittel Nr. 1 <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong> geworden. Dass die Älteren und Immo-<br />

bilen die Leidtragenden dieser Entwicklung sind, ist für mich eindeutig. Darum<br />

sollte man wieder mehr in die Familien und <strong>ländlichen</strong> Strukturen investieren<br />

– nicht unbedingt in Autobahnen, sondern vielleicht durch steuerlicher Anreize<br />

und kostenlose Praxisräume für junge Ärzte, die aufs Land wollen.<br />

Diplomvorhaben am<br />

Institut für Stadt- und Regionalplanung<br />

betreut durch Prof. Dr. Dietrich Henckel<br />

030 314 28089<br />

d.henckel@isr.tu-berlin.de


<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ‘was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

Auch bei Glätte nicht zu bremsen<br />

Was bedeutet Mobilität für Sie?<br />

<strong>Es</strong> ist schon eine Erleichterung, wenn man <strong>sich</strong> selbst fortbewegen kann, <strong>sich</strong> ins<br />

Auto setzen und fahren kann, aber irgendwann ist das bei Älteren auch vorbei.<br />

Ich habe das Autofahren leider versäumt in meinem Leben. Wenn ich noch mal<br />

geboren werde, dann mache ich es nicht wieder so. Dann fahre ich, ganz egal wie.<br />

<strong>Es</strong> war ja früher auch kein Problem, aber es fuhren auch nicht so viele Autos wie<br />

heute. <strong>Es</strong> gibt etliche Frauen, die fahren. Wenn man <strong>im</strong>mer gefahren ist, macht<br />

Wie bewegen Sie <strong>sich</strong> fort?<br />

Da es hier keinen mehr gibt, bin ich jetzt in Beggerow be<strong>im</strong> Arzt, den ich zwar<br />

nicht oft, aber doch regelmäßig wegen meines Diabetes aufsuchen muss. Im<br />

Sommer fahre ich die sechs Kilometer mit dem Rad. Wenn man den Mühlenweg<br />

n<strong>im</strong>mt, schneidet man viel ab, allerdings wird der so wenig befahren und gepflegt,<br />

dass das Gras dort schon sehr hoch steht. Wenn man stürzt, findet einen dort nie-<br />

mand. Darum fahre ich lieber auf der Straße, die zur Erntezeit aber voller Lkw ist.<br />

Im Winter muss mich jemand nach Beggerow bringen, da dorthin die Busverbin-<br />

dung viel schlechter ist als nach Demmin, wo ich meine Fachärzte habe. Häufig<br />

kann mich mein Sohn, der beruflich viel in der Nähe unterwegs ist, in Beggerow<br />

oder Demmin absetzen. Da ich ein Handy habe, können wir auch die Rückfahrt<br />

spontan absprechen. Ansonsten fahre ich mit dem Bus in die Stadt. Nur in den<br />

Ferien sieht es schlecht aus. Dann fährt der Bus nur zwe<strong>im</strong>al pro Woche. Ohne<br />

Anlass fahre ich aber auch nicht los. <strong>Es</strong> muss schon ein wichtiger Termin sein, da<br />

ich so gut wie alle Einkäufe <strong>im</strong> Dorf erledige, auf dem Feld und <strong>im</strong> Gewächshaus<br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

Potsdamer Straße 151<br />

10783 Berlin<br />

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Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>: Sarower Bürgerinnen und Bürger <strong>im</strong> Interview<br />

Edda Michael<br />

Als mein Mann starb, musste<br />

ich mich an den Bus gewöhnen, da ich keine<br />

Routine <strong>im</strong> Autofahren habe. Das hätte ich viel<br />

mehr machen sollen! Zum Glück habe ich aber<br />

auf dem Fahrrad eine große Sicherheit.<br />

ist 73 Jahre alt, verwitwet und hat einen Sohn. Von 1964-1990 arbeitete sie als Köchin<br />

in der Konsumgaststätte. Seit 1961 hat sie eine Fahrerlaubnis, diese allerdings kaum genutzt.<br />

Von 1971-2006 fuhr ihr Mann das Familienauto.<br />

es auch jetzt keine Probleme, aber ich als Neuanfängerin... Nach dem Tod meines<br />

Mannes wollte ich Fahrstunden nehmen, hatte dann aber doch nicht den Mut<br />

dazu. Ich habe schon Angst, wenn ein großes Auto entgegenkommt oder ein Bus.<br />

Die Straßen sind auch nicht so breit. Diejenigen, die <strong>im</strong>mer fahren, haben aber<br />

auch damit keine Schwierigkeiten. <strong>Es</strong> ist alles eine Übungssache - so wie ich noch<br />

Rad fahren kann bei Glatteis, weil ich es <strong>im</strong>mer gemacht habe.<br />

noch viel selbst anbaue. Bevor mein Enkel zum Arbeiten nach Süddeutschland<br />

gezogen ist, fuhr er mich jedoch abends manchmal zum Einkaufen in die Stadt.<br />

Er nutzt jetzt das Auto meines Mannes. Als der 2006 starb, war es auch in Bezug<br />

auf meine Fortbewegung eine große Umstellung. Ich musste mir die Buszeiten<br />

heraussuchen und mich daran gewöhnen, die Einkäufe über weitere Strecken zu<br />

tragen. Da ich auf dem Ausbau wohne, schneie ich manchmal <strong>im</strong> Winter ein und<br />

komme gar nicht aus dem Haus. Von früher bin ich aber noch auf die Vorratshal-<br />

tung eingestellt. Das klappt gut. Und wenn die Straße frei ist, bin ich bei Wind<br />

und Wetter mit dem Fahrrad unterwegs. <strong>Es</strong> ist mein wichtigstes Fortbewegungs-<br />

mittel und ich benutze es auch noch bei Glätte. Ich fahre es auch, um zur Bus-<br />

haltestelle unten <strong>im</strong> Dorf zu gelangen. Ich sehe dabei <strong>im</strong>mer zu, noch <strong>im</strong> Hellen<br />

nach Hause zu kommen, da ich es nicht mag, <strong>im</strong> Dunkeln das Haus aufzuschlie-<br />

ßen. Darum fahre ich auch nicht zu den Abendveranstaltungen wie Chor oder<br />

Tanz in Törpin.<br />

Wie stellen Sie <strong>sich</strong> in Zukunft Ihre Fortbewegung vor? Haben Sie Ängste, Hoffnungen, Anregungen?<br />

Gott sei Dank geht es mir verhältnismäßig gut. Ich brauche mich nicht zu be-<br />

klagen, aber es kann morgen schon anders sein. Darum fände ich es gut, wenn<br />

es wieder eine Arztsprechstunde <strong>im</strong> Dorf gäbe. Das wäre für uns Ältere wirklich<br />

goldwert. Ohne Bus und Bahn wären wir hier aufgeschmissen. Wenn man mal ei-<br />

nen Rollator oder Rollstuhl braucht, wird es aber noch schwieriger. <strong>Es</strong> gibt Leute<br />

aus Sarow, die deshalb in die Stadt gezogen sind. Auch ich hatte mich bereits für<br />

einen Platz <strong>im</strong> Betreuten Wohnen in Demmin beworben. Als dann die Zusage<br />

kam, habe ich doch erst einmal abgelehnt. Ich wohne hier seit 1948 <strong>im</strong> Haus, das<br />

meine Eltern gebaut haben. Das kann ich doch nicht <strong>im</strong> Stich lassen, solange ich<br />

noch laufen und Rad fahren kann. Ich kenne das Stadtleben auch gar nicht. Dort<br />

hätte ich keinen Garten und könnte nur die Straße rauf- und runterlaufen. Hier<br />

kenne ich alle und mache oft Kaffeenachmittage mit den Frauen. <strong>Es</strong> ist das Schö-<br />

ne, dass man hier nicht abgekapselt lebt.<br />

Um spontan oder am Wochenende aber zum Beispiel zu einer Geburtstagsfeier<br />

nach Demmin zu kommen, fände ich hier einen Taxiverkehr nicht schlecht. Ein-<br />

fach ein- und aussteigen, wo und wann man will. Dabei muss es allerdings finan-<br />

zierbar sein!<br />

Diplomvorhaben am<br />

Institut für Stadt- und Regionalplanung<br />

betreut durch Prof. Dr. Dietrich Henckel<br />

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<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ’was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

Potsdamer Straße 151<br />

10783 Berlin<br />

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Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>: Experten <strong>im</strong> Interview<br />

Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen in Sarow<br />

Um Mobilität in abgelegenen<br />

Dörfern wie Sarow langfristig zu bewahren,<br />

bedarf es innovativer Ansätze, z. B. flexible Be-<br />

dienungsformen <strong>im</strong> ÖPNV, aber auch bürger-<br />

schaftlichen Engagements.<br />

Der Regionale Planungsverband<br />

Mecklenburgische Seenplatte<br />

wurde vor 20 Jahren gegründet und umfasst ca. 250 Gemeinden. Er beschäftigt <strong>sich</strong> mit der<br />

räumlichen Entwicklung der Region und legt <strong>im</strong> Rahmen des Regionalen <strong>Raum</strong>entwicklungsprogramms<br />

Ziele und Grundsätze der <strong>Raum</strong>ordnung fest, anhand derer raumbedeutsame Vorhaben<br />

wie z. B. große Gasleitungen, Ortsumgehungen und Intensivtierhaltungsanlagen bezüglich<br />

ihrer Realisierbarkeit geprüft werden. Darüber hinaus befasst <strong>sich</strong> der Planungsverband in Form<br />

von Pilotprojekten vor Ort, aber auch in sog. Modellvorhaben der Bundesraumordnung sowie<br />

europäischer Projektarbeit mit den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, wie dem demographischen<br />

Wandel, und reagiert auf deren ganz konkrete räumliche Auswirkungen.<br />

Was bedeutet Mobilität für Sie? Inwiefern ist sie ein Thema Ihrer Arbeit <strong>im</strong> Planungsverband?<br />

Da Mobilität aus unserer Sicht ein Schlüssel ist, um die Daseinsvorsorge <strong>im</strong> länd-<br />

lichen <strong>Raum</strong> zu <strong>sich</strong>ern, beschäftigen wir uns intensiv mit diesem Thema: Für die<br />

ehemaligen Landkreise Demmin, Mecklenburg-Strelitz und Müritz sowie Neu-<br />

brandenburg haben wir die Koordinierung des neuen gemeinsamen Regionalen<br />

Nahverkehrsplans (RNVP) übernommen. Seit Mai 2011 wirksam, beschreibt er<br />

die Leitlinien einer bedarfsgerechten Entwicklung des Öffentlichen Personennah-<br />

verkehrs (ÖPNV) bis mindestens zum Jahr 2015 und dient damit der Sicherstel-<br />

lung einer wirtschaftlich tragfähigen Mindestbedienung der Bevölkerung. In den<br />

Untersuchungen, die dazu auch in dem Bundesmodellvorhaben der <strong>Raum</strong>ordnung<br />

(MORO) „Regionalplanerische Handlungsansätze zur Gewährleistung der öffent-<br />

lichen Daseinsvorsorge“ vorgenommen wurden, hat <strong>sich</strong> herausgestellt, dass die<br />

Mobilität durch den herkömmlichen ÖPNV nicht mehr aufrechterhalten werden<br />

kann. Dies haben auch die Verkehrsunternehmen in der Region bereits festgestellt<br />

und setzen kleinere Fahrzeuge und Rufbusse ein. Der Linienverkehr ist nur zwi-<br />

schen den Zentralen Orten dauerhaft machbar. Darum wird es in Zukunft für uns<br />

auch um die Umsetzung von alternativen Bedienungsformen gehen. Außerdem er-<br />

stellen wir gemeinsam mit dem Land ein Radwegekonzept.<br />

Welche aktuellen Herausforderungen beeinflussen die Mobilität älterer Menschen in Sarow?<br />

Die Mecklenburgische Seenplatte ist durch eine sehr disperse Siedlungsstruktur,<br />

eine geringe Bevölkerungsdichte und ein Netz vieler Klein- und Kleinststraßen be-<br />

st<strong>im</strong>mt. Der fortschreitende demographische Wandel, d. h. die Schrumpfung der<br />

Bevölkerung bei einer gleichzeitigen Alterung der Gesellschaft, verstärkt dieses Bild.<br />

Die Region n<strong>im</strong>mt eine Art europäische Vorreiterrolle ein, weil ähnliche Verhält-<br />

nisse anderswo erst 2030-2050 erwartet werden. Darum müssen hier schon jetzt<br />

viele Anpassungen der technischen und sozialen Infrastruktur vorgenommen wer-<br />

den. Sarow ist überdies weit entfernt von Zentralen Orten und Siedlungsschwer-<br />

punkten, und befindet <strong>sich</strong> gemäß dem neuen RNVP <strong>im</strong> sog. Ergänzungsnetz. Hier<br />

wird <strong>sich</strong> der ÖPNV aufgrund der anhaltend knappen Finanzlage der öffentlichen<br />

Hand definitiv wandeln. Eine weitere Herausforderung ist das Wegbrechen von<br />

Hausärzten auf dem Land sowie des informellen Pflegesektors, sprich der Familie.<br />

Dies erfordert eine erhöhte Mobilität, entweder der Patienten oder des medizi-<br />

nischen Personals. Das steigende Alter und folglich zunehmende Erkrankungen<br />

erschweren jedoch eine selbstständige Fortbewegung. Umso mehr freuen wir uns<br />

über bürgerschaftliches Engagement, wie die Einrichtung der Computerplätze in<br />

der Alten Schule in Törpin, die auch Senioren einen Zugang zu unseren häufig nur<br />

digital verfügbaren Informationen ermöglichen.<br />

Wie begegnen Sie den Zukunftsängsten und Vorschlägen der Sarowerinnen und Sarower?<br />

Wir folgen dem Motto „Aktiv handeln statt passiv erleiden“. Dass die Mobilitäts-<br />

kosten aufgrund knapper werdender Energieressourcen steigen werden, können wir<br />

trotzdem nicht verhindern. Eine Antwort auf die Ängste der Bevölkerung kann auch<br />

eine bessere Kommunikation von Planungsprozessen sein. Im Zuge des kommen-<br />

den Umsetzungskonzeptes zu alternativen Bedienungsformen wird es <strong>im</strong> Frühjahr<br />

einen öffentlichen Austausch an verschiedenen Orten geben. Zudem sind wir auf<br />

Anfrage <strong>im</strong>mer bereit, auch in einzelne Gemeinden zu kommen. In dem Modell-<br />

projekt „Zentrales Gesundheitshaus für den <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>“ in Woldegk wollen<br />

wir eine gebündelte Versorgung mit Gesundheitsleistungen erproben. Wir unter-<br />

stützen gleichzeitig das Schwester-Agnes-Modell und treten für den wohnortna-<br />

hen Erhalt von Grundschulen ein. Allerdings gilt es hier, auch auf die Grenzen des<br />

öffentlichen Handelns zu verweisen. Ein flächendeckendes separates Radwegenetz<br />

wird es nicht geben, womöglich aber neue Zubringerstrecken zu Haltestellen oder<br />

eine besser organisierte Mehrfachnutzung von Wegen. <strong>Es</strong> ist wichtig, dass Bürger<br />

ihre Wünsche artikulieren und gleichzeitig Verständnis dafür aufbringen, dass Vor-<br />

haben viel Zeit und Geld, viel Überzeugungsarbeit und Kooperation erfordern.<br />

Das Interview wurde mit Christoph Kaufmann, dem Dezernenten für Regionalplanung und Verbandsaufgaben, sowie Margit Blanck, der zuständigen Mitarbeiterin für Technische Infrastruktur, geführt.<br />

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<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ’was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

cand.-Ing. Anja Neubauer<br />

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Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen <strong>im</strong> peripher-<strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong>: Experten <strong>im</strong> Interview<br />

Wandel und Erhalt der Alltagsmobilität älterer Menschen in Sarow<br />

Prof. Dr. Peter Dehne<br />

Meines Erachtens sind es zwei<br />

große Themen, die den <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong> stär-<br />

ken können: der soziale Zusammenhalt und eine<br />

gut angepasste Infrastruktur. Mobilität ist nur zu<br />

gewährleisten, wenn beides gegeben ist.<br />

hat seit 1997 die Professur für Bau- und Planungsrecht an der Hochschule Neubrandenburg inne.<br />

Als Stadt- und Regionalplaner hat er bereits seit seinem Diplom einen Fokus auf die Herausforderungen<br />

und die Entwicklung ländlicher Räume gelegt. Ihm ist es ein Anliegen, die Hochschule<br />

in der Region zu verankern und arbeitet deshalb mit den Studierenden auch vor Ort. Im Rahmen<br />

von Seminaren werden gemeinsam mit Jugendlichen in Gemeinden neue Ansätze der Dorfgestaltung<br />

entwickelt. Zudem befasst er <strong>sich</strong> mit Fragen des regionalen Bildungsmanagements, mit<br />

zivilgesellschaftlichem Engagement und dem Erhalt der Daseinsvorsorge. Dabei begleitet er u.a.<br />

für das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) bundesweite Forschungsvorhaben<br />

und Wettbewerbe wie die „Regionalstrategie Daseinsvorsorge“, „Region schafft<br />

Zukunft“ oder „Menschen und Erfolge“.<br />

Was bedeutet Mobilität für Sie? Inwiefern ist sie ein Thema Ihrer Arbeit an der Hochschule?<br />

Mobilität ist für mich ein Querschnittsthema und muss daher überall mitgedacht<br />

werden. Sie ist – das ist einem manchmal gar nicht so klar – hier <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong><br />

<strong>Raum</strong> der entscheidende Faktor für die Lebensqualität, da man ohne die selbst-<br />

ständige Fortbewegung permanent auf andere angewiesen ist. <strong>Es</strong> ist auf dem Land<br />

selbstverständlich und angebracht, ein Auto zu haben. Die, die nicht fahren können,<br />

sind wenige, für die aber unbedingt eine tragfähige Mobilität organisiert werden<br />

muss. Meine Arbeitsgruppe und ich suchen z. B. in der „Regionalstrategie Daseins-<br />

vorsorge“ nach Möglichkeiten, verschiedenste Bereiche der Daseinsvorsorge, wie<br />

die Schul- und Arztversorgung, aber auch Dorfgemeinschaftshäuser und die Mo-<br />

bilitätsinfrastruktur an die Folgen des demographischen Wandels anzupassen. Da-<br />

rüber hinaus hat mein Kollege Joach<strong>im</strong> Burmeister die Fahrradmobilität Älterer in<br />

den ehemaligen Landkreisen Demmin und Nordwestmecklenburg untersucht und<br />

diesbezügliche Empfehlungen für Selbstorganisation und Vernetzung formuliert.<br />

Ich sehe uns als Wissenschaftler mit der Aufgabe betraut, solches Wissen zu schaf-<br />

fen, zu strukturieren und zu verbreiten sowie in Form von Prognosen, Modellen<br />

und Pilotprojekten den Akteuren vor Ort Informationen und Möglichkeiten zu<br />

geben, um über die Entwicklung von Gemeinde, Stadt und Region selbstbest<strong>im</strong>mt<br />

und eigenverantwortlich zu entscheiden.<br />

Welche aktuellen Herausforderungen beeinflussen die Mobilität älterer Menschen in Sarow?<br />

Ältere Menschen sind viel stärker an den Ort gebunden, verwurzelt. Während <strong>sich</strong><br />

junge Leute flexibel anpassen können, täglich pendeln oder auch wegziehen, sind<br />

die Älteren weniger mobil und bleiben heute häufiger alleine zurück. Im Vergleich<br />

zu manch anderen Orten der <strong>sich</strong> leerenden Gegend ist Sarow mit der Schule und<br />

dem Verkaufsladen aber noch sehr gut aufgestellt. Sie garantieren eine Mindestver-<br />

sorgung und über den Schülertransport auch den öffentlichen Verkehr. Die Frage<br />

ist, ob dies in Anbetracht des anhaltenden demographischen Wandels langfristig<br />

zu garantieren ist. <strong>Es</strong> wird in Fachkreisen darum schon manchmal diskutiert, ob<br />

tatsächlich alle Straßen weiterhin so gepflegt und erhalten werden können wie bis-<br />

lang. Ein weiterer Faktor ist das eher schlechte Image der hiesigen Räume. Die zu-<br />

nehmende Aufspaltung in Gewinner- und Verliererregionen wird durch das nega-<br />

tive Fremd- und Selbstbild noch erhöht und erschwert eine positive Entwicklung.<br />

Um dagegen anzugehen, braucht es viel Opt<strong>im</strong>ismus und Mut sowie eine stärkere<br />

öffentliche Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements.<br />

Wie begegnen Sie den Zukunftsängsten und Vorschlägen der Sarowerinnen und Sarower?<br />

Die Ängste, die die Interviewten äußern, sind aus meiner Sicht sehr verständlich,<br />

da die Mobilität <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong> so ausschlaggebend ist. Ich st<strong>im</strong>me den Wün-<br />

schen und Vorschlägen zu: <strong>Es</strong> ist wichtig, Schule und Kirche so lange wie möglich<br />

<strong>im</strong> Dorf zu lassen. Auch die Förderung von Familien sollte verbessert werden, da es<br />

neben dem Erhalt der Infrastruktur vor allem der soziale Zusammenhalt ist, der vie-<br />

le Schwierigkeiten beheben und die Angst vor Alleinsein und Unselbstständigkeit<br />

nehmen kann. Auch Nachbarschaftshilfe kann diese Geborgenheit vermitteln. <strong>Es</strong><br />

gilt daher, auf zwei Ebenen voranzukommen: Man muss fachlich diskutieren und<br />

Ideen entwickeln, aber auch das Engagement vor Ort fördern und mit dem Rück-<br />

halt der Gemeinde Anstöße geben. Ich bin zugegebenermaßen ein wenig skeptisch,<br />

ob Konzepte wie ein Bürgerbus in einer so dünn besiedelten Region tragfähig sind.<br />

Ich denke, dass man mit einem Blick ins äußerst dispers strukturierte Skandina-<br />

vien, aber auch in die eigene Vergangenheit die Herausforderungen relativieren<br />

sowie flexibel und anders denken kann. Die mobile Zahnarztpraxis in der Ucker-<br />

mark, den Bringedienst einer Musikschule in Uecker-Randow und Taxigutscheine<br />

für die ländliche schwedische Bevölkerung 65+ halte ich für gelungene Ansätze.<br />

Zudem sehe ich Gemeindeschwestern als wichtige Anker der medizinischen, aber<br />

auch der sozialen Versorgung. Und wenn die Häuser und Wohnungen nicht mehr<br />

altersgerecht sind, müssen auch hier Anpassungen vorgenommen werden, um in<br />

den eigenen vier Wänden beweglich zu bleiben.<br />

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<strong>Es</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> ’was <strong>im</strong> <strong>ländlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

Und Sie? Wie bewegen Sie <strong>sich</strong> fort? Wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten für <strong>sich</strong> und Ältere?<br />

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