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Elektronische Systeme für die Erfassung von Patienten bei größeren ...

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FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

<strong>Elektronische</strong> <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

<strong>bei</strong> <strong>größeren</strong> und großen rettungs<strong>die</strong>nstlichen Einsätzen (MANV)<br />

Abschnittsar<strong>bei</strong>t<br />

im Rahmen der Ausbildung<br />

zum gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst<br />

erstellt <strong>von</strong>:<br />

Oberbrandmeister<br />

Matthias Kaphengst<br />

Lehrgang 10/2010 g.D.<br />

Bear<strong>bei</strong>tungszeitraum:<br />

8. November 2010 bis 13. Februar 2011


Erklärung:<br />

FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Ich erkläre, dass ich <strong>die</strong> vorliegende Ar<strong>bei</strong>t selbständig verfasst und keine anderen als <strong>die</strong><br />

angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Ich bin damit einverstanden, dass <strong>die</strong> Ar<strong>bei</strong>t<br />

unter Wahrnehmung urheberrechtlicher Gesetze durch Dritte eingesehen und zitiert werden darf.<br />

Bremen, 11. Februar 2011<br />

_______________________________<br />

Oberbrandmeister Matthias Kaphengst<br />

- 1 -


Vorwort<br />

FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Sehr geehrte Leserin,<br />

sehr geehrter Leser,<br />

im Rahmen der Laufbahnausbildung zum Feuerwehrbeamten im gehobenen feuerwehrtechnischen<br />

Dienst wird <strong>die</strong>se Abschnittsar<strong>bei</strong>t erstellt.<br />

Neben allgemeinen Erläuterungen zum Thema „Massenanfall <strong>von</strong> Verletzten<br />

und Erkrankten (MANV)“ wird hier schwerpunktmäßig <strong>die</strong> elektronische <strong>Patienten</strong>datenerfassung<br />

<strong>bei</strong> einem solchen Ereignis behandelt. Unter anderem werden <strong>die</strong> Einsatzmöglichkeiten, mögliche<br />

Integration in bestehende <strong>Erfassung</strong>ssysteme und <strong>die</strong> Vor- und Nachteile beschrieben.<br />

Da sich <strong>die</strong> elektronischen Komponenten, also Hard- und Software, noch in der Entwicklungsphase<br />

befinden, sind <strong>die</strong> allgemein zugänglichen Informationen bezüglich der technischen Details schwer<br />

zu finden. Deshalb möchte ich Herrn Niemeyer, Herrn Benesch und Herrn Schulz <strong>von</strong> der Firma<br />

Siemens danken. Sie haben mir viele Informationen zur Verfügung gestellt.<br />

Herr Oberndörfer <strong>von</strong> der Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main war ebenfalls ein wichtiger<br />

Ansprechpartner <strong>für</strong> mich. Auch ihm gilt mein Dank.<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass sich <strong>die</strong>se Ar<strong>bei</strong>t sowohl auf männliche, als<br />

auch auf weibliche Feuerwehrangehörige bezieht. Aus Gründen der Vereinfachung ist <strong>die</strong>se<br />

Abschnittsar<strong>bei</strong>t geschlechtsneutral verfasst.<br />

- 2 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

THEMA: <strong>Patienten</strong>erfassung <strong>bei</strong>m Massenanfall <strong>von</strong> Verletzten und Erkrankten (MANV)<br />

Themenschwerpunkt: <strong>Elektronische</strong> <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

I N H A L T Seite<br />

1. Einleitung 4<br />

2. Einführung in das Thema „MANV“, Grundlagen und Abläufe 7<br />

2.1 Was ist ein „MANV“ = Besonderheiten und Probleme 7<br />

2.2 Wo und wann -insbesondere- kann es zu einem „MANV“ kommen 9<br />

2.3 Organisation der Abläufe <strong>bei</strong> einem „MANV“ in Bremen 11<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t mit Hilfsorganisationen<br />

Sichtung -rechtliche Aspekte<br />

3. Themenschwerpunkt: <strong>Elektronische</strong> <strong>Erfassung</strong> der <strong>Patienten</strong> <strong>bei</strong>m „MANV“ 14<br />

3.1 derzeitige <strong>Patienten</strong>erfassung 14<br />

Vor- und Nachteile der elektronischen <strong>Erfassung</strong><br />

3.2 Funktionalitäten elektronischer <strong>Erfassung</strong>ssysteme 18<br />

Beschreibung der Komponenten<br />

3.3 Beschreibung des Projektes „SOGRO“ 26<br />

Erkenntnisse und Erfahrungen mit der elektronischen <strong>Patienten</strong>registrierung<br />

3.4 Warum ist <strong>die</strong> (schnelle) <strong>Erfassung</strong> so wichtig? 28<br />

Zeitbedarf mit der elektronischen <strong>Erfassung</strong> <strong>bei</strong> <strong>größeren</strong> Einsatzlagen<br />

3.5 Bremer Sichtungssystem – mögliche „Eingliederung“ 29<br />

einer elektronischen <strong>Erfassung</strong><br />

4. Fazit > Schlussfolgerungen 30<br />

Abkürzungsverzeichnis 32<br />

Bildersammlung 33<br />

Quellenverzeichnis 35<br />

- 3 -


1. Einleitung<br />

FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Diese Auftragsar<strong>bei</strong>t beschäftigt sich mit dem Thema „elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Patienten</strong> <strong>bei</strong> <strong>größeren</strong> und großen rettungs<strong>die</strong>nstlichen Einsatzlagen (MANV)“<br />

– soweit der übermittelte Ar<strong>bei</strong>tsauftrag.<br />

Folgende Aspekte werden abdeckt:<br />

� Darstellung der Vor- und Nachteile einer schriftlichen und einer elektronischen<br />

<strong>Patienten</strong>erfassung<br />

� Zeitbedarfe der <strong>Patienten</strong>erfassung <strong>bei</strong> <strong>größeren</strong> Einsatzlagen<br />

� Zusammenwirken <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong>erfassung und Sichtungsdurchführung<br />

� Erstellung einer Markt- (und Preis-)übersicht „<strong>Elektronische</strong> <strong>Patienten</strong>erfassungssysteme <strong>für</strong><br />

den MANV“<br />

� Darstellung der Funktionalitäten elektronischer <strong>Erfassung</strong>ssysteme und der erforderlichen<br />

technischen Komponenten<br />

� Möglichkeiten der Adaption des Bremer Sichtungssystem auf ein elektronisches<br />

<strong>Patienten</strong>erfassungssystem<br />

� Zusammenfassung und Auswertung andernorts vorliegender Erkenntnisse und Erfahrungen<br />

<strong>bei</strong> der Verwendung elektronischer <strong>Erfassung</strong>ssysteme<br />

In <strong>die</strong>ser Abschnittsar<strong>bei</strong>t soll „in <strong>die</strong> Zukunft“ geschaut werden: Bisher steht das elektronische<br />

System zur <strong>Patienten</strong>erfassung <strong>bei</strong> Großschadenslagen noch in den Anfängen. Die <strong>Erfassung</strong><br />

erfolgt mittels kleiner, tragbarer Computer (PDA) und Chip-Armbändern (RFID) <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verletzten.<br />

Die genauen Funktionen erfahren Sie in den folgenden Kapiteln.<br />

Die Entwicklung <strong>die</strong>ses sogenannten „RFID based Triage“-Systems ist allerdings noch nicht<br />

abgeschlossen. Erfahrungen gibt es nur wenige, denn in der Praxis konnte sich das System erst<br />

viermal „bewähren“. Da<strong>von</strong> zwei große und somit auswertbare Übungen: Der erste erfolgreiche Test<br />

im September 2009 auf einer Übung des DRK in Bad Homburg. Hier wurde mit <strong>bei</strong>den <strong>Systeme</strong>n<br />

parallel gear<strong>bei</strong>tet: Herkömmliche Triage und <strong>die</strong> elektronische <strong>Erfassung</strong>. Etwa 20 Minuten sind<br />

durch Anwendung der RFID based Triage eingespart worden. Das sind etwa 50% Zeitersparnis<br />

gegenüber der herkömmlichen Triage.<br />

Auf der neuen Landebahn des Flughafens Frankfurt wurde am 10. Oktober 2010 eine der größten<br />

je in Europa durchgeführten Katastrophenschutzübungslagen veranstaltet. Angenommen wurde der<br />

- 4 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Zusammenstoß zweier Luftfahrzeuge. Umfassender beschrieben werden <strong>die</strong> Rettungsübung und<br />

das damit verbundene Projekt „SOGRO“ (Sofortrettung <strong>bei</strong> Großunfall mit Massenanfall <strong>von</strong><br />

Verletzten) im Kapitel 3.3.<br />

„MANV“ bedeutet „Massenanfall <strong>von</strong> Verletzten und Erkrankten“ und ist mit dem normalen,<br />

täglichen Rettungs<strong>die</strong>nstbetrieb einer Stadt oder Gemeinde nur schwer zu bewältigen. Diese<br />

Problematik wird in <strong>die</strong>ser Ar<strong>bei</strong>t noch ausführlich erläutert.<br />

In den meisten MANV-Konzepten ist <strong>die</strong> Triage 1 wie folgt geregelt:<br />

Ein Rettungsassistent und ein (Leitender-)Notarzt registrieren <strong>die</strong> angetroffenen <strong>Patienten</strong> und<br />

„teilen“ sie in Verletztenkategorien ein: Ein schwer verletzter Patient erhält eine rote<br />

Verletztenanhängekarte. Leichtverletzte werden mit einer grünen <strong>Patienten</strong>karte „markiert“.<br />

Anschließend werden <strong>die</strong> <strong>Patienten</strong>, in vor Ort, eingerichteten Behandlungszelten und- plätzen<br />

versorgt. Die Triage sollte möglichst schnell und dennoch gründlich erfolgen, damit alle <strong>Patienten</strong><br />

optimal versorgt werden können.<br />

Was bedeutet überhaupt „Einteilung in Kategorien“, „Sichtung“ oder „Triage 1 “?<br />

Sichtung ist <strong>die</strong> ärztliche Beurteilung und Entscheidung über <strong>die</strong> Priorität der Versorgung <strong>von</strong><br />

<strong>Patienten</strong> hinsichtlich Art und Umfang der Behandlung sowie Zeitpunkt, Art und Ziel des Transports<br />

– so <strong>die</strong> DIN 13050 vom Juni 1996, Begriffe Rettungswesen.<br />

Bei der Frankfurter Übung ist eine Besonderheit hervorzuheben: Die Triage wurde hauptsächlich<br />

<strong>von</strong> Rettungsassistenten durchgeführt. <strong>Patienten</strong> wurden nach der Sichtung direkt in geeignete<br />

Krankenhäuser transportiert und nicht in einem Behandlungszelt versorgt.<br />

Hier haben <strong>die</strong> Organisatoren -<strong>für</strong> sich- festgestellt, dass das althergebrachte medizinische<br />

Katastrophenschutzkonzept ausge<strong>die</strong>nt hat. Zumindest ist es <strong>bei</strong> so vielen Verletzten zu<br />

schwerfällig.<br />

1 Triage<br />

(französisch vom Verb „trier“ = sortieren, deutsch auch Sichtung, Einteilung) beschreibt zunächst ein allgemeines<br />

Konzept des „sortierens nach Dringlichkeit“. Besonders bekannt wurde <strong>die</strong> Triage durch <strong>die</strong> Militärmedizin.<br />

Sie steht <strong>für</strong> <strong>die</strong> ethisch schwierige Aufgabe, <strong>bei</strong> einem Massenanfall <strong>von</strong> Verletzten und erkrankten, darüber<br />

zu entscheiden wie <strong>die</strong> knappen Mittel (personelle und materielle Ressourcen) auf sie aufzuteilen sind. Aber<br />

nicht nur in der Militärmedizin findet <strong>die</strong> Triage Verwendung. Bekannt ist sie auch Bereich der Notfallmedizin:<br />

Einteilen der Verletzten <strong>bei</strong> einem Katastrophenfall nach der Schwere ihrer Verletzungen.<br />

[aus Wikipedia.de (http://de.wikipedia.org/wiki/Triage), abgerufen am 2.1.2011]<br />

- 5 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Bei einer solch großen Anzahl an Verletzten und Erkrankten, kann das bisherige, handschriftliche<br />

Verfahren nicht -oder nur unzureichend- angewandt werden. Das „Bremer Konzept“ ist<br />

<strong>bei</strong>spielsweise <strong>für</strong> maximal 50-60 zu Versorgende ausgelegt.<br />

Bei den bisher und aktuell angewandten MANV-Konzepten wurden sämtliche <strong>Patienten</strong> vom<br />

Notarzt gesichtet. Das Handbuch der Sichtung (siehe Quellenangabe in der Anlage) beschäftigt sich über<br />

mehrere Seiten mit der Mindestqualifikation <strong>von</strong> Notärzten <strong>bei</strong> der durchzuführenden Sichtung in<br />

Großschadensfällen. Das Fachbuch beschäftigt sich nicht nur mit der Ausbildung, Fortbildung, der<br />

regelmäßigen Teilnahme am Rettungs<strong>die</strong>nst sondern auch mit den persönlichen Qualifikationen.<br />

Es bleibt also festzustellen, dass <strong>die</strong> Befähigung der Notärzte –bessergesagt <strong>die</strong> Frage, wer<br />

Sichten darf und soll- ein großes Thema <strong>bei</strong> der <strong>Patienten</strong>versorgung <strong>bei</strong>m MANV ist.<br />

Wie bereits erwähnt - <strong>die</strong> Organisatoren der Frankfurter Übung gingen absolut Wege: Die Sichtung<br />

ausschließlich durch Rettungsassistenten!<br />

Wie bereits angemerkt, kann <strong>die</strong> bisherige <strong>Patienten</strong>registrierung- und sichtung schnell an seine<br />

Grenzen stoßen. Im Katastrophenfall oder <strong>bei</strong> großen Einsatzlagen wäre das „Chaos“ und somit<br />

möglicherweise auch lange Behandlungszeiten vorprogrammiert. Deshalb gibt es, vom<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung (BMBF) das Forschungsprojekt „SOGRO“. Dieses<br />

wird ausführlich im Kapitel 3.3 erläutert.<br />

Da das gesamte Vorhaben noch in der Entwicklungsphase steht, haben sich alle Verbundpartner<br />

<strong>bei</strong> technischen Daten und Detailfragen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Deshalb war es<br />

aufwendig, manchmal sogar unmöglich, detaillierte, technische und organisatorische Informationen<br />

zu erhalten.<br />

Jeder Beruf hat seine eigene Fachsprache und Ausdrucksweise – leider auch „seine“ Abkürzungen.<br />

Wenn Abkürzungen verwendet werden, werden <strong>die</strong>se im Text oder mittels Fußnoten erläutert.<br />

Zudem lässt sich auf Seite 32 auf ein Abkürzungsverzeichnis zurückgreifen.<br />

Der besseren Übersicht halber sind zusätzlich Bilder in einer Bildersammlung zusammengestellt.<br />

Dieses befindet sich auf der Seite 33.<br />

- 6 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

2. Einführung in das Thema „MANV“, Grundlagen und Abläufe<br />

2.1 Was ist ein „MANV“ = Besonderheiten und Probleme<br />

Die Abkürzung „MANV“ steht <strong>für</strong> „Massenanfall <strong>von</strong> Verletzten und Erkrankten“. In Bremen wird ab<br />

fünf <strong>Patienten</strong> MANV ausgerufen. Beachtet werden muss, dass nicht nur „klassische Verletzte und<br />

Erkrankte“ (also <strong>Patienten</strong> mit Wunden, Brüchen, Verbrennungen und internistischen Leiden)<br />

sondern auch psychisch betroffene versorgt werden müssen - hiermit sind <strong>die</strong> <strong>Patienten</strong> gemeint,<br />

<strong>die</strong> unter (umgangssprachlich) „Schock“ stehen.<br />

Die Schwierigkeiten des Rettungs<strong>die</strong>nstes <strong>bei</strong> einem MANV sind u.a.<br />

a) <strong>die</strong> möglichst schnelle und gleichzeitige Versorgung aller <strong>Patienten</strong><br />

b) „logistische“ Aufgaben: - Transport <strong>von</strong> Behandlungsdedürftigen <strong>von</strong> der Einsatzstelle<br />

zum Krankenhaus,<br />

- Versorgung der <strong>Patienten</strong> vor Ort,<br />

- Spezialisierung der <strong>Patienten</strong> auf verschiedene<br />

Krankenhäuser. Da<strong>bei</strong> gilt es <strong>die</strong> Fachrichtungen der Kliniken<br />

zu beachten<br />

c) Festlegung, welche <strong>Patienten</strong> zuerst behandelt werden müssen sowie <strong>die</strong> Entscheidung,<br />

welche <strong>Patienten</strong> zuerst Transportiert werden<br />

d) Auswertung, Verfolgung: Wie viele <strong>Patienten</strong> wurden/werden behandelt, transportiert,<br />

sind verletzt (+betroffen). In welcher Klinik ist welcher Patient?<br />

Eine einfach zu merkende Grundregel <strong>bei</strong>m MANV -<strong>die</strong> etwas zum schmunzeln verleitet- ist<br />

folgende: „Keiner darf entkommen!“. Das heißt, dass wirklich jeder Beteiligte registriert werden<br />

muss. Dies ist wichtig, damit verfolgt werden kann, ob auch wirklich jeder Patient gefunden und<br />

behandelt wurde. Menschen könnten unter Trümmern verschüttet sein und nicht entdeckt worden<br />

sein. Auch ist zu beachten, dass <strong>bei</strong> Großschadenslagen Menschen zu außergewöhnlichen<br />

Reaktionen und Verhaltensweisen neigen können. Personen, <strong>die</strong> unter Schock stehen, laufen <strong>von</strong><br />

der Unglücksstelle da<strong>von</strong> oder irren ziellos durch <strong>die</strong> Gegend. Auch wäre es fatal, wenn<br />

leichtverletzte Personen selbst zum nächstgelegenen Krankenhaus fahren. Dann wäre <strong>die</strong>se Klinik<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Versorgung akut Verletzter gar nicht mehr handlungsfähig, da es mit der Versorgung <strong>von</strong><br />

Leichtverletzten beschäftigt wäre.<br />

Auch gibt es <strong>bei</strong> großen Schadenslagen mit vielen Verletzen zahlreiche Anfragen <strong>von</strong> Angehörigen.<br />

Um <strong>die</strong> Anfragen qualifiziert und zeitnah beantworten zu können, sollte schon im Anfangsstadium<br />

- 7 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

an <strong>die</strong> Einrichtung einer <strong>Patienten</strong>auskunftsstelle (PAST) gedacht werden. Auch ist hier zu<br />

beachten, dass Sonderrufnummern vorgehalten und dann eingerichtet werden sollten. So würden<br />

<strong>die</strong> bekannten -und ohnehin schon überlasteten- (Notruf)Leitungen nicht durch Anfragen der<br />

Angehörigen blockiert werden.<br />

Verletzte und Erkrankte werden (nicht nur in Bremen) <strong>bei</strong> einer Großschadenslage in sogenannte<br />

Verletztenkategorien eingeteilt: I – V (Farblich: rot – weiss). Diesen äußert wichtigen Vorgang nennt<br />

man „Sichtung“ oder „Triage“ (siehe Definition und Erklärung in der Einleitung).<br />

Jede Einsatzkraft kann somit sofort erkennen, wie „schwer“ der Patient verletzt ist:<br />

Kategorie I (ROT) Schwerverletzte <strong>Patienten</strong> mit Vitalbedrohung<br />

Kategorie II (GELB) Schwerverletzte <strong>Patienten</strong><br />

Kategorie III (GRÜN) Leichtverletzte <strong>Patienten</strong><br />

Kategorie IV (BLAU)* Abwartende Behandlung*<br />

Kategorie V (WEISS+Kreuz) Tote<br />

*) Die Kategorie IV ist nur <strong>bei</strong> extremen Lagen denkbar <strong>für</strong> <strong>Patienten</strong>, <strong>die</strong> aufgrund ihrer Schädigung<br />

unter den besonderen Bedingungen keine Überlebenschance haben – z.B. <strong>bei</strong>m Terroranschlag.<br />

Alle Rettungsmittel, <strong>die</strong> mit einem Notarzt besetzt sind, führen ein Sichtungsset mit. Von jeder<br />

Verletztenkategorie sind je Set 25 <strong>Patienten</strong>anhänger vorhanden.<br />

Sichtungstasche des Bremischen Rettungs<strong>die</strong>nstes mit Verletztenanhängekarten<br />

und Übersichtsdokumentation<br />

- 8 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Zusammenfassend kann man wie folgt darstellen:<br />

Großunfall mit vielen Verletzten (MANV) = MANV ist gekennzeichnet durch<br />

> Flugzeugabsturz<br />

> Unfall<br />

> Anschlag<br />

> Zugunglück<br />

> Busunfall<br />

- 9 -<br />

= Hohe Anzahl Verletzter<br />

= Informationsdefizit<br />

= Überforderte Infrastruktur<br />

= Überforderte Einsatzkräfte<br />

= Chaos(phase)<br />

2.2 Wo und wann -insbesondere- kann es zu einem „MANV“ kommen<br />

Der tägliche, normale Bedarf an Rettungsmitteln wird <strong>von</strong> Fachleuten errechnet und im<br />

Rettungsmittelvorhalteplan (auch Regelvorhalt genannt) festgelegt.<br />

Kurzzeitig auftretende Transportspitzen lassen sich durch sogenannte „Spitzenabdecker“<br />

bewältigen. Dies sind in der Regel besondere Reserve-Rettungsfahrzeuge, <strong>die</strong> <strong>von</strong> den<br />

<strong>die</strong>nsthabenden Feuerwehrbeamten besetzt werden.<br />

Ein MANV liegt laut aktueller Ausrückeordnung (AO vom Januar 2010) der Feuerwehr Bremen dann<br />

vor, wenn Verletzte und/oder Erkrankte in einer solchen Anzahl anfallen, dass sie mit den Vorhalten<br />

des Rettungs<strong>die</strong>nstes nicht mehr ausreichend versorgt werden können.<br />

Das Vorliegen eines MANV hängt somit nicht nur <strong>von</strong> der absoluten Zahl der Verletzten/Erkrankten,<br />

sondern auch <strong>von</strong> den tageszeitlichen Vorhalten und der aktuellen Auslastung des<br />

Rettungs<strong>die</strong>nstes ab. In jedem Fall ist aber spätestens ab 13 Verletzten <strong>von</strong> einem MANV<br />

auszugehen.<br />

Wenn, laut Definition in der AO, im morgendlichen Berufsverkehr Eisregen und Blitzeis auf den<br />

Straßen auftritt und viele Rettungswagen eingesetzt werden müssen, kann es also schneller zu<br />

einem MANV kommen, als an einem ruhigen Sonntag-Nachmittag mit wenigen Einsätzen.


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Das MANV-Konzept trägt dem Missverhältnis <strong>von</strong> Verletzten/Erkrankten zu den verfügbaren<br />

Rettungsmitteln insbesondere Rechnung durch:<br />

> das Heranführen weiterer - Einsatzmittel zur Versorgung (G-RTW, AB-RD)<br />

- Rettungsfahrzeuge der Hilfsorganisationen<br />

- personeller Ressourcen (SEG´en)<br />

> das Zurückstellen <strong>von</strong> planbaren Krankentransporten<br />

> Einrichtung eines Einsatzabschnittes Rettungs<strong>die</strong>nst unter Leitung des OrgL und des LNA<br />

> eine geänderte Versorgungsstrategie (=Registrierung, Sichtung, Zuordnung in Kategorie,<br />

Behandlungsprioritäten)<br />

Der MANV tritt also dann ein, wenn der reguläre Rettungs<strong>die</strong>nst an seine Grenzen kommt.<br />

Praktisch kann es somit schnell zu einem solchen Fall kommen:<br />

- Busunfall mit mehreren Verletzten<br />

- Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten (umgangssprachlich „Massenkarambolage“)<br />

- Reizgas-Missbrauch an öffentlichen Plätzen oder in (öffentlichen) Gebäuden<br />

- Vergiftungserscheinungen (Lebensmittelvergiftungen) an Kantinen, Mensen,<br />

öffentlichen Küchen o.ä.<br />

- Unfälle mit Eisenbahnfahrzeugen<br />

- Anschläge, Unfälle, sog. „Massen-Panik“ auf besonders stark besuchten Veranstaltungen<br />

wie z.B. Weihnachtsmärkten, Jahrmärkten, Konzerten, Sport/Fußballveranstaltungen<br />

- 10 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

2.3 Organisation der Abläufe <strong>bei</strong> einem „MANV“ in Bremen<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t mit Hilfsorganisationen<br />

Sichtung –rechtliche Aspekte<br />

Für <strong>die</strong> Zusammenar<strong>bei</strong>t und Abläufe <strong>bei</strong>m MANV gibt es festgelegte Handlungsanweisungen. Das<br />

Bremische Hilfeleistungsgesetz (BremHilfeG vom 19.03.2009) behandelt im gesamten Kapitel 4<br />

(§§ 35, 36) Regelungen <strong>für</strong> den Großschadensfall im Rettungs<strong>die</strong>nst. Vertiefend hat <strong>die</strong><br />

Berufsfeuerwehr Bremen (BF), in enger Zusammenar<strong>bei</strong>t mit der Freiwilligen Feuerwehr Bremen<br />

(FF), dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), dem Malteser Hilfs<strong>die</strong>nst (MHD), dem Ar<strong>bei</strong>ter-<br />

Samariter-Bund (ASB) und der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) Ar<strong>bei</strong>tsabläufe festgelegt.<br />

Anzumerken ist, dass das MANV-Konzept ohne <strong>die</strong> überwiegend ehrenamtlichen Kräfte nicht -oder<br />

zumindest nur sehr eingeschränkt- durchzuführen wäre.<br />

Ablauf: Geht ein Notruf <strong>bei</strong> der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle in Bremen ein, entscheidet der<br />

annehmende Disponent, um welche Art <strong>von</strong> Einsatz es sich handelt. Dazu wird der Hilfeersuchende<br />

nach einem festgelegten Muster abgefragt. So wird sichergestellt, dass wichtige Informationen<br />

-selbst in hektischen Situationen- nicht vergessen werden.<br />

Kommt er schon <strong>bei</strong> der ersten Abfrage zu der Erkenntnis, dass mehrere (> fünf) Personen verletzt<br />

oder betroffen sind, löst er <strong>die</strong> erste Stufe (MANV 1) aus. Bei mehr als 12 Verletzten wird <strong>die</strong> zweite<br />

Stufe (also MANV II) alarmiert.<br />

Die Abläufe sind anders, wenn bereits Rettungskräfte an einem Einsatzort tätig sind:<br />

Die ausgebildeten Kräfte können <strong>die</strong> Einsatzlage erfahrungsgemäß viel gründlicher und objektiver<br />

einschätzen, als <strong>die</strong> Hilfeersuchenden selbst. Deshalb hat <strong>bei</strong> einer unklaren Lage durch <strong>die</strong><br />

Kollegen eine wichtige Rückmeldung zu erfolgen: Handelt es sich überhaupt um einen MANV?<br />

Falls ja: Bekanntgabe der groben Anzahl <strong>von</strong> Verletzten, sowie eine Ersteinschätzung, wieviel<br />

Personen in welche Verletzungskategorie eingeteilt werden.<br />

Zunächst wählt der Disponent, der <strong>die</strong> Notrufmeldung oder <strong>die</strong> Rückmeldung <strong>von</strong> den zuerst<br />

eingetroffenen Kollegen entgegennimmt, ein sogenanntes „Einsatzstichwort“ aus. Auf dem<br />

Einsatzleitrechner sind zu verschiedensten Einsatzstichworten Fahrzeuge und Funktionen<br />

festgelegt, <strong>die</strong> alarmiert werden müssen.<br />

- 11 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Beim MANV kann der Beamte zwischen zwei Stichworten entscheiden:<br />

MANV 1, auszulösen <strong>bei</strong> 5-12 Verletzten. Daraufhin rücken aus:<br />

5 RTW 3 NEF G-RTW LNA+OrgL SEG-T 5/43-1 ELD DD<br />

MANV 2, auszulösen <strong>bei</strong> > 12 Verletzten. Daraufhin rücken aus:<br />

13 RTW 4 NEF G-RTW LNA+OrgL SEG-T 5/43-1 ELD DD<br />

+<br />

AB-RD SEG-RD UStrG-SEG SEG KIT Seelsorge AL 2 HLF FmD<br />

FF Farge FF Grambkermoor FF Lesumbrok<br />

- 12 -<br />

(siehe Abkürzungsverzeichnis)<br />

Treffen <strong>die</strong> Einsatzkräfte an der Einsatzstelle ein, gilt es zunächst festzulegen, wo all <strong>die</strong><br />

angeforderten Fahrzeuge halten sollen beziehungsweise können - der sogenannte<br />

Bereitstellungsraum. Danach werden Behandlungsplätze eingerichtet und <strong>die</strong> sonstige Logistik<br />

aufgebaut. Anzumerken ist, dass <strong>bei</strong> einem ausgelösten „MANV 1“ ca. 60 Kräfte und <strong>bei</strong> einem<br />

„MANV 2“ circa 170 Helferinnen und Helfer alarmiert werden! Die grobe Raumordnung übernimmt<br />

das ersteintreffende Fahrzeug. Der Leitende Notarzt (LNA), sowie der Organisatorische Leiter<br />

Rettungs<strong>die</strong>nst (Orgl) regeln weitere Abläufe und <strong>die</strong> detaillierte Raumordnung.<br />

In Bremen beginnt <strong>die</strong> Besatzung des ersteintreffenden Notarzt-Einsatzfahrzeug (NEF) mit der<br />

Sichtung der Verletzten und Erkrankten. Auf jedem mit einem Notarzt besetzten Fahrzeug befindet<br />

sich ein Sichtungs-Set, auf das im nachfolgenden Kapitel noch näherer eingegangen wird.<br />

Da sich <strong>die</strong>se Abschnittsar<strong>bei</strong>t schwerpunktmäßig mit dem Thema „Triage“ mittels neuen <strong>Systeme</strong>n<br />

zur elektronischen <strong>Patienten</strong>erfassung befasst, wird zunächst auf <strong>die</strong>se eingegangen. Die Sichtung<br />

-insbesondere aus rechtlichen Gesichtspunkten-, beleuchtet das „Handbuch <strong>für</strong> Organisatorische<br />

Leiter“ aus dem Verlag „Stumpf und Kossendey“, aus dem ich nachfolgend Zitiere:<br />

U.B. Crespin und H. Peter : „Die Sichtung, sicherlich <strong>die</strong> schwierigste, verantwortungsreichste und<br />

das Gewissen am stärksten belastende Maßnahme überhaupt, ist eine originar ärztliche Aufgabe,<br />

sie ist keine Aufgabe des Organisatorischen Leiters. Sie setzt umfassende Kenntnisse in der<br />

Traumatologie, insbesondere in der Beurteilung <strong>von</strong> Brandverletzungen, voraus und erfordert


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Routine in der Diagnosestellung. […] Sichtungsentscheidungen eines Nichtarztes würden <strong>bei</strong><br />

Betroffenen, Angehörigen und Unbeteiligten nur geringfügige Akzeptanz finden. Mit der Zuweisung<br />

<strong>die</strong>ser Aufgabe an den LNA sowie – vor dessen Eintreffen – an den ersteintreffenden Notarzt wird<br />

auch das nichtärztliche Rettungs<strong>die</strong>nstpersonal <strong>von</strong> einer ihm dem Grunde nach nicht zumutbaren<br />

Verantwortung entlastet. Ist der Rettungssanitäter oder –assistent oder der zunächst eintreffende<br />

OrgL jedoch auf sich allein gestellt und sieht einer Vielzahl <strong>von</strong> Verletzten gegenüber, ohne daß<br />

abzusehen ist, ob überhaupt innerhalb eines akzeptablen Zeitraums ein Arzt am Einsatzort<br />

erscheint, muss er aufgrund seiner Notkompetenz – wie es ein Notarzt auch täte – <strong>die</strong> Verletzten<br />

sichten, ehe er mit der Behandlung beginnt. Entsprechend der so festgelegten Priorität muß er dann<br />

<strong>die</strong> Notfallopfer behandeln.<br />

Die Sichtung sowie <strong>die</strong> Festlegung <strong>von</strong> Behandlungs- und Transportprioritäten ist unerlässlich, um<br />

eine Effektive sowie patientengerechte Versorgung und Rettung <strong>bei</strong>m Großschadenereignis<br />

durchzuführen. […]“.<br />

Wie zu Beginn beschrieben, haben <strong>bei</strong> der Frankfurter Übung Rettungsassistenten gesichtet. In<br />

Bremen Sichten nur Notärzte, in anderen Landkreisen nur der LNA.<br />

Jede Rettungs<strong>die</strong>nstorganisation hat also seine eigenen Regularien und Rechtsauslegungen.<br />

Jedoch ist mit dem neuen System gründlich zu überlegen, ob künftig Ärzte mit dem Sichten<br />

beauftragt werden sollen, denn mit den elektronischen <strong>Erfassung</strong>sgeräten kann jeder RA<br />

„rechtssicher“ sichten, weil <strong>die</strong> Abfrage der Sichtungskategorie nach einem international<br />

anerkannten System erfolgt: Dem sog. „S.T.A.R.T-Algorithmus“, auf den in <strong>die</strong>ser Ar<strong>bei</strong>t noch<br />

genauer eingegangen wird.<br />

Anzumerken ist, dass <strong>die</strong> RA in Frankfurt auf der Landebahn lediglich eine Vorsichtung<br />

durchgeführt haben. Beim Eintreffen in der Klinik wurde der Patient, rechtlich gesichert,<br />

abschließend <strong>von</strong> einem Arzt gesichtet. Nähere Informationen sind im Kapitel 2.3. zu finden.<br />

Die Anzahl der im Großschadensfall zur Verfügung stehenden Ärzte ist erfahrungsgemäß geringer,<br />

als <strong>die</strong> Anzahl der ausgebildeten Rettungsassistenten. Ärzte könnten sich, <strong>bei</strong> Anwendung der<br />

elektronischen Sichtung, um akut verletzten <strong>Patienten</strong> kümmern. Dort wäre das<br />

Rettungs<strong>die</strong>nstpersonal tatsächlich auf medizinische Fachkompetenz angewiesen.<br />

- 13 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

3. Themenschwerpunkt: <strong>Elektronische</strong> <strong>Erfassung</strong> der <strong>Patienten</strong> <strong>bei</strong>m „MANV“<br />

3.1 derzeitige <strong>Patienten</strong>erfassung<br />

Vor- und Nachteile der elektronischen <strong>Erfassung</strong><br />

Die Feuerwehr Bremen hat <strong>die</strong> Sichtung der <strong>Patienten</strong> in <strong>die</strong>, bereits erwähnten, fünf Kategorien<br />

eingeteilt: Rot, gelb, grün, blau, weiss mit Kreuz.<br />

Alle beteiligte (also BF, FF, ASB, DRK, MHD, JUH) verwenden <strong>die</strong> bekannten Sichtungskarten in<br />

der jeweiligen Farbe. Jede Papierkarte (DIN A5 in Klarsichthülle) wird mittels Kugelschreiber oder<br />

wasserfestem Filzstift ausgefüllt. Mit handelsüblichen Kabelbindern werden Sichtungskarten am<br />

<strong>Patienten</strong> befestigt.<br />

Die bekannte Kennzeichnung durch <strong>die</strong> genannten Farben bleibt auch <strong>bei</strong>m elektronischen System<br />

erhalten: Mittels farbigen <strong>Patienten</strong>-Armbändern.<br />

Armband mit RFID-Chip, auf dem <strong>Patienten</strong>daten gespeichert werden<br />

Nachfolgend werden in einer Tabelle <strong>die</strong> Vor- und Nachteile <strong>bei</strong>der Sichtungs- und<br />

Registrierungsverfahren aufzeigt. Anzumerken ist, dass <strong>die</strong> elektronische <strong>Patienten</strong>datenerfassung<br />

lediglich auf zwei großen Übungen getestet wurde. Somit fehlen ausreichende Erfahrungen im<br />

Umgang mit dem neuen Registrierungs/Sichtungsverfahren.<br />

- 14 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

VORTEILE der <strong>Patienten</strong>karten<br />

= herkömmliche/bisherige <strong>Erfassung</strong><br />

+ das Verfahren ist garantiert ausfallsicher (im<br />

Bezug auf <strong>die</strong> Technik)<br />

+ keine Ausbildung/Einweisung notwendig. Ist<br />

<strong>von</strong> jedem einfach zu be<strong>die</strong>nen<br />

+ keine „üblichen“ EDV-Probleme:<br />

Systemfehler, lange Ladezeiten, Abstürze oder<br />

„Aufhänger“<br />

<strong>Patienten</strong>karten, Übersichtsdokumentation, Sichtungstasche<br />

- 15 -<br />

NACHTEILE der <strong>Patienten</strong>karten<br />

= herkömmliche/bisherige <strong>Erfassung</strong><br />

- schlechte Gesamtübersicht über <strong>die</strong> Anzahl<br />

der Verletzten sowie deren Kategorie<br />

- Probleme <strong>bei</strong>m Wechsel der Kategorie<br />

- Probleme <strong>bei</strong>m Einsatz mehrerer<br />

Sichtungssätze (sehr große Fehlerquelle!)<br />

- mühsames Ar<strong>bei</strong>ten (Schreiben mittels<br />

Kugelschreiber) im Regen und <strong>bei</strong> Dunkelheit<br />

- Fehlerquelle: Mehrere Personen auf einer<br />

Registrierungskarte. Beispielsweise <strong>bei</strong> kleinen<br />

Gruppen, Paaren oder Familien


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

SOGRO-PDA, <strong>Patienten</strong>-Armband mit RFID-Chip, Armbänder in verschiedenen Farben<br />

VORTEILE der elektronischen <strong>Erfassung</strong> NACHTEILE der elektronischen <strong>Erfassung</strong><br />

+ sehr leichter Wechsel der Verletztenkategorie<br />

+ sämtliche Vorteile der EDV wie <strong>bei</strong>spielsweise<br />

<strong>die</strong> Darstellung in farblichen Grafiken und<br />

Übersichten, Ausdruck <strong>von</strong> Tabellen,<br />

Suchfunktionen, Versand und Weiterleitung der<br />

Daten, perfekter Gesamtübersichten<br />

+ wenn „externe“ eingebunden werden:<br />

Optimale Auskunftsmöglichkeit <strong>für</strong> z.B. Kliniken<br />

und <strong>die</strong> Feuerwehr- und Rettungsleitstelle(n)<br />

+ es wird ein Gesichts-Foto des zu<br />

Registrierenden erstellt, somit ist auch eine<br />

(vorläufige) <strong>Erfassung</strong> der nicht ansprechbaren<br />

<strong>Patienten</strong> möglich<br />

+ Personal- und Organisationsaufwand sowie<br />

das Material <strong>für</strong> <strong>die</strong> „herkömmliche“ Behandlung<br />

entfällt, da <strong>Patienten</strong> direkt nach der Sichtung<br />

transportiert werden<br />

+ sehr leichte Auskunftsmöglichkeit über <strong>die</strong><br />

Gesamtsituation. Dies ist eine gute Hilfe <strong>für</strong> den<br />

Betrieb einer PAST und <strong>die</strong> Pressear<strong>bei</strong>t<br />

- 16 -<br />

- gründliche Einweisung und Ausbildung -auch<br />

des Klinikpersonals- nötig<br />

- soll als Rückfallebene <strong>die</strong> herkömmliche<br />

Sichtungsmethode angewendet werden, muss<br />

auch auf <strong>bei</strong>den <strong>Systeme</strong>n aus- und fortgebildet<br />

werden<br />

- Akkulaufzeit? Lebensdauer und Kosten der<br />

Akkus <strong>bei</strong> „ständigem Laden und seltener<br />

Nutzung/Entladung“<br />

- Höhere Kosten -im Vergleich zu der<br />

herkömmlichen <strong>Erfassung</strong>. Auch <strong>die</strong> sog.<br />

Peripherie (Ausstattung „externer“ wie z.B.<br />

Kliniken und anderer Leitstellen) ist<br />

kostenintensiv<br />

- noch sind (wie <strong>bei</strong> fast jeder neuen EDV-<br />

Technik) kleine Fehler in der Software<br />

- eventuell komplizierte und kostenintensive<br />

Anpassung an bestehende Datenbanken und<br />

EDV-<strong>Systeme</strong><br />

- aufwändiger Aufbau der Kommunikationsmittel


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

+ Dateneingabe sowohl <strong>bei</strong> Dunkelheit wie<br />

auch schlechten Wetter (Regen) möglich<br />

+ Einrichtung einer PAST ist „überall“ möglich<br />

+ leichte <strong>Erfassung</strong> und Änderung der<br />

Krankenhäuser (anstelle des Vordrucks<br />

„Übersichtsdokumentation“)<br />

+ multifunktionale Nutzung der PDA – nicht nur<br />

<strong>für</strong> den Rettungs<strong>die</strong>nst<br />

+ Anzeige der GPS-Daten der gesichteten<br />

+ S.T.A.R.T.-Unterstützung <strong>bei</strong> Sichtung<br />

Bei Aufzählung der Vor- und Nachteile ist erneut darauf hinzuweisen, dass <strong>die</strong> Sichtung -zumindest<br />

<strong>bei</strong> der SOGRO-Übung- hauptsächlich <strong>von</strong> RA durchgeführt wurde. Eventuell kann <strong>bei</strong> zukünftigen<br />

Anwendungen <strong>die</strong> Sichtung auch, wie bisher, durch ärztliches Personal durchgeführt werden, denen<br />

<strong>die</strong>se Aufgabe eigentlich vorbehalten ist.<br />

Das Thema wird in den Abschnitten 2.3 und 3.5 umfassend erläutert.<br />

- 17 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

3.2 Funktionalitäten elektronischer <strong>Erfassung</strong>ssysteme<br />

Beschreibung der Komponenten<br />

Herzstück der elektronischen <strong>Erfassung</strong> sind <strong>die</strong> PDA 1 mit den dazugehörigen RFID-Armbändern 2 .<br />

Jeder Patient erhält ein solches Armband. Fotos der Geräte konnten Sie bereits auf Seite 16 sehen.<br />

Die PDA -und alle anderen Komponenten- werden noch in <strong>die</strong>sem Kapitel detailliert beschrieben.<br />

Beschreibung der Armbänder:<br />

Auf dem RFID-Chip werden sämtliche relevanten Daten des <strong>Patienten</strong> gespeichert. Die eigentlichen<br />

Armbänder sind mit bekannten „Disco- oder Marathon-Armbändern“ vergleichbar. Es ist außerdem<br />

möglich ein Foto des <strong>Patienten</strong> auf „seinem“ Armband zu speichern. Somit können auch <strong>die</strong><br />

<strong>Patienten</strong> registriert werden, <strong>die</strong> nicht ansprechbar sind und keine Ausweisdokumente <strong>bei</strong> sich<br />

tragen. Die Entwickler haben <strong>die</strong> Armbänder bereits mehrfach nachgebessert: Die Länge beträgt<br />

nun 38cm – trotzdem hat sich <strong>bei</strong> einigen Praxistest herausgestellt, dass selbst <strong>die</strong>se Länge noch<br />

nicht ausreicht. Einmal geschlossene Armbänder können gewaltfrei nicht mehr geöffnet werden.<br />

Damit <strong>die</strong> elektronische Datenerfassung überhaupt ar<strong>bei</strong>ten kann, ist eine Kommunikation zwischen<br />

allen eingesetzten Komponenten erforderlich. Diese wird -der besseren Übersicht halber- in den<br />

nachfolgenden Graphiken aufgezeigt:<br />

_________________________________<br />

1 PDA<br />

= personal digital assistant (englisch <strong>für</strong> persönlicher, digitaler Assistent) ist ein kompakter, tragbarer Computer. Die<br />

Be<strong>die</strong>nung erfolgt über ein berührungsempfindliches LC-Display (Touchscreen)<br />

[aus Wikipedia.de (http://de.wikipedia.org/wiki/personal_digital_assistant), abgerufen am 4.1.2011]<br />

2 RFID<br />

= englisch „radio-frequency identification“. Deutsche Übersetzung: „Identifizierung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen“,<br />

was <strong>die</strong> automatische Identifizierung und Lokalisierung <strong>von</strong> Gegenständen und Lebewesen (z.B. [Haus]-Tieren)<br />

ermöglicht und so erheblich <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> Daten erleichtert.<br />

Ein RFID-System besteht aus zwei Komponenten: erstens, einem Transponder, der sich am oder im Gegenstand bzw.<br />

Lebewesen befindet sowie zweitens, einem Lesegerät zum Auslesen <strong>die</strong>ser Kennung.<br />

RFID-Transponder können so klein wie ein Reiskorn sein und implantiert werden. Bekannt ist z.B. das „Chippen“ <strong>von</strong><br />

Haustieren. Darüber hinaus besteht <strong>die</strong> Möglichkeit RFID-Transponder über ein spezielles Druckverfahren aus Polymeren<br />

herzustellen. Die Vorteile <strong>die</strong>ser Technik ergeben sich aus der Kombination der geringen Größe, der unauffälligen<br />

Auslesemöglichkeit (z.B. neuer Pass) und dem geringen Preis der Transponder (teilweise im Cent-Bereich).<br />

Die Kopplung geschieht durch vom Lesegerät erzeugte magnetische Wechselfelder geringer Reichweite oder durch<br />

hochfrequente Radiowellen. Damit werden nicht nur Daten übertragen, sondern auch der Transponder mit Energie<br />

versorgt. Nur wenn größere Reichweiten erzielt werden sollen und <strong>die</strong> Kosten der Transponder nicht sehr entscheidend<br />

sind, werden aktive Transponder mit eigener Stromversorgung eingesetzt. Das Lesegerät enthält eine Software, <strong>die</strong> den<br />

eigentlichen Leseprozess steuert.<br />

[aus Wikipedia.de (http://de.wikipedia.org/wiki/rfid), abgerufen am 6.1.2011]<br />

- 18 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

RFID-Armband < < < > > > PDA<br />

Anforderungen an Kommunikation<br />

zwischen den Armbändern und dem PDA:<br />

- Robuste Handhabung in Stress-Situationen<br />

- Schreib/Lese-Zeit < 5 sec<br />

- Schreib/Lese-Abstand: 5-20 cm<br />

- Speicherkapazität > 5 kB (<strong>Patienten</strong>-Foto)<br />

- Preis vergleichbar zur<br />

Verletztenanhängekarte (Vorteil:<br />

Preisgünstige Lösung <strong>für</strong> große Stückzahlen)<br />

PDA / alle PDA < < < > > > Triage Datacenter<br />

VOR ORT<br />

Kommunikation zwischen den<br />

eingesetzten PDA und dem Datencenter:<br />

Anforderungen:<br />

- sofortiger und intuitiver Überblick über den<br />

Triage-Fortschritt<br />

- Bereitstellung <strong>von</strong> Information vor Ort und<br />

zentral<br />

- Schaffung <strong>von</strong> Kommunikationssicherheit,<br />

also Beachtung der sog. Rückfallebenen<br />

Lösung:<br />

- Kommunikation via UMTS/GPRS (also<br />

Handynetz)<br />

- Speicherung der Daten auf PDA<br />

mit SD-Karte<br />

- WLAN-Router mit erhöhter Reichweite als<br />

Alternative (1. Rückfallebene)<br />

- Verbindung mittels TETRA (also<br />

BOS-Digitalfunk) möglich<br />

- 19 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Anzumerken ist, dass das „Triage Data Center“ ein Oberbegriff <strong>für</strong> <strong>die</strong> Software und den<br />

angeschlossenen Computer ist. Die Anlagen vor Ort erfassen <strong>die</strong> Daten der PDAs und zeigen den<br />

aktuellen Sichtungs-Status an. Der Einsatzleiter kann also auf einem handelsüblichen Laptop (siehe<br />

Foto) erkennen, welche Anzahl an <strong>Patienten</strong> in welcher Kategorie bereits gesichtet wurden.<br />

Der zentrale Server (Triage Datacenter Zentrale) hingegen ist ein Hochleistungsrechner, der sich im<br />

Prinzip überall auf der Welt befinden könnte. Jedoch ist es ratsam vorhandene Anlagen der<br />

Feuerwehr zu nutzen.<br />

Über das Internet haben dann alle anderen Nutzer Zugriff auf <strong>die</strong> Sichtungsdaten. Krankenhäuser,<br />

Einsatzleitstellen, <strong>die</strong> Polizei sowie andere Behörden und Hilfsorganisationen können nach<br />

Autorisierung und Programmeinweisung mit dem System ar<strong>bei</strong>ten.<br />

Triage Datacenter < < < > > > Triage Datacenter<br />

VOR ORT ZENTRALE<br />

Kommunikation zwischen der<br />

Recheneinheit vor Ort und dem zentralen<br />

Server:<br />

_________________________________<br />

Anforderungen:<br />

- Funktion auch <strong>bei</strong> einem möglichen<br />

Zusammenbruch des Handynetzes<br />

- sehr hohe Verfügbarkeit<br />

- Datensicherung = physische Sicherheit<br />

- hoher Datendurchsatz<br />

Lösung:<br />

- Kommunikation via UMTS/GPRS<br />

- Verbindung mittels Satellit (Rückfallebene)<br />

- Verbindung mittels TETRA 3<br />

(BOS-Digitalfunk) möglich<br />

3 TETRA<br />

= englisch „terrestrial trunked radio“ ist ein Standard <strong>für</strong> digitalen Bündelfunk<br />

- 20 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Triage Datacenter < < < > > > Triage Datacenter<br />

ZENTRALE externe PC´s<br />

Kommunikation zwischen dem zentralen<br />

Server und allen anderen Stellen (FRLSt,<br />

Klinik, etc.):<br />

Nachdem <strong>die</strong> Kommunikations-Anforderungen und –Wege beschrieben wurden, folgen Details zu<br />

den PDA:<br />

Anforderungen:<br />

- Funktion auch <strong>bei</strong> Zusammenbruch der<br />

Handynetze<br />

- sehr hohe Verfügbarkeit<br />

- Zugriff <strong>von</strong> verschiedenen Stellen und<br />

<strong>von</strong> verschiedenen Standorten<br />

- hoher Datendurchsatz<br />

Lösung:<br />

- Kommunikation via Internet<br />

Die PDA, also <strong>die</strong> Eingabegeräte <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong>sdaten „vor Ort“, werden <strong>von</strong> der Berliner Firma<br />

„Andres Industries AG“ hergestellt und auch vertrieben. Das Unternehmen hat Erfahrung mit der<br />

Herstellung und Reparatur der Geräte. Derzeit sind ca. 34 „SOGRO-PDA einsatzbereit und mit der<br />

Triage-Software bespielt. Die Grundzüge der Software werden noch in <strong>die</strong>sem Kapitel beschrieben.<br />

PDA mit Touchstift<br />

Die PDAs sind mit einem Akku ausgestattet, der sich ohne Werkzeug wechseln lässt. Es wird eine<br />

vier- bis fünfstündige Betriebszeit angestrebt (3000 mAh, Lithium-Ionen-Akku). Da sich <strong>die</strong> Soft- und<br />

Hardware noch in der Entwicklung befindet, kann derzeit nur eine Betriebszeit <strong>von</strong> circa zwei bis<br />

drei Stunden garantiert werden. Zum Laden muss der Akku jedoch nicht aus dem Gerät genommen<br />

- 21 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

werden: Es ist ein externer Ladeausgang vorhanden. Zudem soll eine Dockingstation entwickelt<br />

werden.<br />

Das Gerät ist so konstruiert, dass es sich auch <strong>bei</strong> Regen und Dunkelheit problemlos be<strong>die</strong>nen<br />

lässt. Alle üblichen Eingaben lassen sich via Tochscreen tätigen. Außerdem gibt es –sicher am<br />

Gerät befestigt- einen Touchpen, der allerdings nicht <strong>für</strong> normale Dateneingaben notwendig ist.<br />

Rückansicht: Touchstift-Halterung und RFID-Lese/Schrei<strong>bei</strong>nheit<br />

Der PDA „bespielt“ <strong>die</strong> Armbänder <strong>bei</strong> Annäherung an <strong>die</strong> RFID-Lese/Schrei<strong>bei</strong>nheit. Die Einheit<br />

kann künftig erweitert werden um <strong>die</strong> Anwendung <strong>von</strong> TETRA zu ermöglichen. Somit würde, neben<br />

UMTS/GPRS und WLAN, auch BOS-Digitalfunk zur Verfügung stehen. Weiterhin speichert das<br />

Gerät über einen eigenen Empfänger <strong>die</strong> GPS-Daten. Durch <strong>die</strong>ses System stehen der<br />

Einsatzleitung aktuell <strong>die</strong> Fund- also Sichtungsorte zur Verfügung. Somit lässt sich auch im<br />

Nachhinein erkennen, wo sich <strong>die</strong> meisten <strong>Patienten</strong> befanden – bessergesagt, in welchen<br />

Bereichen wie viel Verletzte welcher Kategorie gesichtet worden. Dies kann <strong>für</strong> eine spätere<br />

(Unfall)Aufklärung oder Auswertung sehr interessant sein.<br />

So ist <strong>die</strong> Software gegliedert:<br />

Die Software besteht aus zwei Programmen: Ein Programm befindet sich auf dem PDA. Es <strong>die</strong>nt<br />

(derzeit) ausschließlich zum Erfassen der <strong>Patienten</strong>. Das Zweite wird <strong>von</strong> der Einsatzleitung und<br />

den angeschlossenen Teilnehmern verwendet. Hier kann der Anwender sehen, wo sich welche<br />

Verletzte befinden. Zudem können <strong>die</strong> aktuellen Aufnahmekapazitäten der Krankenhäuser<br />

eingesehen werden.<br />

Wie <strong>die</strong> Software genau zu be<strong>die</strong>nen ist, wird in <strong>die</strong>ser Ausar<strong>bei</strong>tung nicht beschreiben, denn auch<br />

eine simple Be<strong>die</strong>nungsanleitung würde den Rahmen der Abschnittsar<strong>bei</strong>t übersteigen. Es ist<br />

jedoch zu erklären, dass <strong>bei</strong> der Sichtung drei wichtige Punkte im Hauptmenü ausgewählt werden<br />

können:<br />

- 22 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

- 23 -<br />

Screenshots der Firma Siemens<br />

Sichtung - Behandlung - Transport. Mehr soll der Sichter vor Ort nicht auswählen können. Was<br />

<strong>die</strong> Kontrollflächen auslösen, ist selbsterklärend – so wie übrigens <strong>die</strong> ganze Software! Unter dem<br />

Menüpunkt „Behandlung“ können Standartmedikamente ausgewählt werden, <strong>die</strong> dann auf dem<br />

Armband des Verletzten gespeichert werden. Unter dem Kontrollkästchen „Transport“ wird das<br />

Rettungsmittel (KTW, RTW, RTH), das Kennzeichen und <strong>die</strong> Zielklinik ausgewählt. Danach erfolgt<br />

der Transport in das Hospital.<br />

Bei der SOGRO-Übung wurden nicht nur sämtliche Sichtungen ausgewertet: Die Entwickler<br />

überprüften jede einzelne Handlung. Man konnte also im Nachhinein jede Be<strong>die</strong>nung des<br />

Touchscreens verfolgen.<br />

Da<strong>bei</strong> wurde festgestellt, dass selbst erfahrene Rettungsassistenten <strong>bei</strong> der Sichtung Fehler<br />

gemacht haben. So wurden über 90% der Sichtungen als „mangelhaft“ bewertet. Das lag, so<br />

vermutet man, an der möglichen Direktwahl der Verletztenkategorie. Da <strong>die</strong> Einschätzung der RA<br />

sehr oft falsch war, wird <strong>die</strong> Software nun verändert, dass nur mit einer genau festgelegten<br />

S.T.A.R.T-Unterstützung gesichtet werden kann. Die Kategorie wird <strong>von</strong> der Software festgelegt.<br />

Ein Wechsel der Kategorie ist nur nach ausdrücklicher Bestätigung durch den RA möglich, somit<br />

sollen in Zukunft Fehler <strong>bei</strong> der Einschätzung vermieden werden.


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Zusätzliche wichtige Komponenten sind <strong>die</strong> <strong>Systeme</strong> zur Auswertung:<br />

- 24 -<br />

Muster eines S.T.A.R.T-Algorithmus<br />

Software, <strong>die</strong> allen angeschlossenen Nutzern (Leitstelle, Einsatzleitung vor Ort, Kliniken)<br />

übersichtlich anzeigt, wie viele <strong>Patienten</strong> in welcher Kategorie gesichtet wurden. Mit <strong>die</strong>sem, <strong>von</strong><br />

der Firma „Siemens IT Solutions and Services gmbH“ entwickelten Programm, sind <strong>die</strong> üblichen<br />

EDV-Anwendungen möglich:<br />

- Anzeige/Darstellung in farbigen Grafiken, welche Anzahl der Verletzten in welcher<br />

Kategorie gesichtet wurden<br />

Das STaRT-Schema (engl. <strong>für</strong> Simple Triage and Rapid Treatment,<br />

sinngemäß auf Deutsch: einfache Triage und schnelle Behandlung) ist ein<br />

algorithmisches Verfahren, nachdem <strong>die</strong> Gehfähigkeit, Atmung,<br />

Durchblutung und der mentale Status geprüft werden.<br />

Algorithmen finden in der Notfallmedizin häufig Anwendung, da sie <strong>für</strong> das<br />

Personal gut zu erlernen sind, verinnerlicht werden und somit in<br />

Notfallsituationen einfach abzurufen sind.<br />

In der jetzigen Software-Version kann <strong>die</strong><br />

Verletztenkategorie direkt gewählt werden. Dies<br />

führte aber oft zu Fehleinschätzungen. Deshalb ist<br />

in Zukunft eine S.T.A.R.T.-Unterstützung zwingend<br />

notwendig!


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

- Gesamtübersicht -laufend aktualisiert- der bereits gesichteten <strong>Patienten</strong><br />

- Anzeige der verfügbaren Krankenhäuser sowie der möglichen Aufnahmekapazitäten<br />

(getrennt nach der jeweiligen Kategorie rot, gelb, grün)<br />

- Ausdruck verschiedenster Grafiken/Daten zum Beispiel zur Weitergabe an andere<br />

Beteiligte (Polizei, Presse, LNA, PAST)<br />

- Anzeige sämtlicher Fundorte (=Sichtungsorte) der Verletzten<br />

Der nachfolgende screenshot zeigt wie übersichtlich <strong>die</strong> Grafiken aufgebaut sind:<br />

- 25 -<br />

screenshot, Siemens


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

3.3 Beschreibung des Projektes „SOGRO“<br />

Erkenntnisse und Erfahrungen mit der elektronischen <strong>Patienten</strong>registrierung<br />

Wie bereits angemerkt, kann <strong>die</strong> bisher praktizierte <strong>Patienten</strong>registrierung und -sichtung schnell an<br />

seine Grenzen stoßen. Im Katastrophenfall oder <strong>bei</strong> großen Einsatzlagen wären Hektik, Streß und<br />

Unübersichtlichkeit quasi vorprogrammiert – und somit auch lange Behandlungszeiten. Deshalb gibt<br />

es, <strong>von</strong> der Bundesregierung beauftragt, folgendes Projekt:<br />

Das Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung (BMBF) hat ein umfassendes Forschungsprojekt<br />

gestartet. Unter der Bezeichnung „SOGRO“ (Sofortrettung <strong>bei</strong> Großschadenslagen) fördert das<br />

BMBF im Bereich des Themenschwerpunktes „Schutz und Rettung <strong>von</strong> Menschen“ <strong>die</strong><br />

elektronische <strong>Patienten</strong>erfassung. Seit Februar 2009 ar<strong>bei</strong>ten, noch bis Januar 2012, sechs<br />

Verbundpartner an dem „SOGRO-Projekt“. Die Fördersumme beträgt circa 3,1 Millionen Euro.<br />

Ziel des Projektes: Möglichst viele Menschenleben zu retten und Verletzte optimal zu versorgen<br />

> mit Hilfe der elektronischen <strong>Patienten</strong>erfassung. Das war somit letztendlich auch Ziel der<br />

organisierten Übung, <strong>die</strong> nachfolgend beschrieben wird.<br />

Damit <strong>die</strong> späteren Anwendungen praxisgerecht und „anwenderfreundlich“ sind, wurden<br />

nachfolgend aufgeführten Projektpartner als Praktiker in <strong>die</strong> Entwicklung einbezogen: Feuerwehr-,<br />

Rettungs<strong>die</strong>nst- und Krankenhauspersonal.<br />

Im Detail sind folgende Organisationen als Projektpartner tätig:<br />

- Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Bezirksverband Frankfurt<br />

- Siemens AG, C-Lab Paderborn<br />

- Andres Industries AG, Berlin<br />

- Universität Freiburg<br />

-Institut <strong>für</strong> Soziologie<br />

-Institut <strong>für</strong> öffentliches Recht<br />

-Institut zur Erforschung <strong>bei</strong> Wirtschaftlichen Entwicklung<br />

- Universität Paderborn<br />

-Fakultät <strong>für</strong> Elektrotechnik, Informatik und Mathematik<br />

- Universität Stuttgart<br />

-Institut <strong>für</strong> Flugzeugbau (IFB)<br />

-Fraport AG, Frankfurt am Main<br />

- 26 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Bisher steht das elektronische System zur <strong>Patienten</strong>erfassung <strong>bei</strong> Großschadenslagen noch in den<br />

Anfängen. Die <strong>Erfassung</strong> erfolgt mittels den bereits beschriebenen PDA und den dazugehörigen<br />

Chip-Armbändern (RFID) <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verletzten.<br />

Die Entwicklung <strong>die</strong>ses sogenannten „RFID based Triage“-Systems ist somit noch nicht<br />

abgeschlossen. Erfahrungen gibt es nur wenige - in der Praxis konnte sich das System erst viermal<br />

„bewähren“ - da<strong>von</strong> zwei große und somit auswertbare Übungen: Der erste erfolgreiche Test im<br />

September 2009 auf einer Übung des DRK in Bad Homburg. Hier wurde mit <strong>bei</strong>den <strong>Systeme</strong>n<br />

parallel gear<strong>bei</strong>tet: Herkömmliche Triage und <strong>die</strong> elektronische <strong>Erfassung</strong>. Etwa 20 Minuten sind<br />

durch Anwendung der RFID based Triage eingespart worden. Das sind etwa 50% Zeitersparnis<br />

gegenüber der herkömmlichen Triage.<br />

Die zweite Großübung mit dem hier beschriebenen System fand am 9. Oktober 2010 auf dem<br />

Flughafen Frankfurt am Main statt. Großübung ist hier noch vorsichtig ausgedrückt, da es <strong>die</strong><br />

größte, je in Deutschland stattgefundene Übung war. Die Organisatoren sprechen sogar da<strong>von</strong>,<br />

dass es <strong>die</strong> umfangreichste Übung europaweit war!<br />

Angenommen und dargestellt wurde der Zusammenstoß zweier Luftfahrzeuge auf der Landebahn.<br />

Hier auszugsweise einige Eckdaten: > ca. 560 Verletzte<br />

> über 2.500 Beteiligte<br />

> ca. 450 eingesetzte Fahrzeuge, da<strong>von</strong> ca. 270 RTW<br />

> innerhalb 2 Stunden wurden <strong>die</strong> Verletzten in<br />

16 Krankenhäuser transportiert und dort versorgt<br />

- 27 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Bei den bisher und aktuell angewandten MANV-Konzepten werden sämtliche <strong>Patienten</strong> <strong>von</strong> RA<br />

und/oder (Leitender-)Notarzt gesichtet. Angetroffenen <strong>Patienten</strong> werden in <strong>die</strong> bekannten<br />

Verletztenkategorien eingeordnet.<br />

Anschließend werden <strong>die</strong> <strong>Patienten</strong>, in den vor Ort eingerichteten Behandlungszelten und- plätzen,<br />

versorgt. Bei den bisherigen Sichtungsverfahren und der RFID based triage soll der Ablauf<br />

möglichst schnell und dennoch gründlich erfolgen, damit alle <strong>Patienten</strong> optimal versorgt werden<br />

können. Rechtliche Fragen bezüglich der Sichtung wurden bereits im Kapitel 2.3 erläutert.<br />

Bei der vergangenen Übung wurde <strong>die</strong> Triage hauptsächlich <strong>von</strong> RA durchgeführt.<br />

Um allerdings sicherzustellen, dass <strong>die</strong> Verletzten auch <strong>von</strong> einem Arzt beurteilt werden,<br />

unterscheiden <strong>die</strong> Verantwortlichen aus Frankfurt zwischen einer sogenannten Vorsichtung durch<br />

RA und einer Sichtung durch einen Mediziner. RA übernehmen <strong>die</strong> Vorsichtung an der<br />

Einsatzstelle. <strong>Patienten</strong> der Kategorie „gelb“ und „rot“ wurden <strong>bei</strong> der Flughafenübung nach der<br />

Sichtung direkt in geeignete Krankenhäuser transportiert und nicht in einem Behandlungszelt<br />

versorgt. In den Kliniken Sichten <strong>die</strong> Ärzte <strong>die</strong> Verletzten dann „rechtssicher“. Betroffene der<br />

Verletztenkategorie „grün“ wurden mit Bussen <strong>von</strong> der Landebahn direkt in ein geeignetes Gebäude<br />

am Airport gefahren und dort betreut.<br />

Die Organisatoren haben <strong>bei</strong> den SOGRO-Übungen erkannt, dass das althergebrachte<br />

medizinische Katastrophenschutzkonzept <strong>bei</strong> einer großen Anzahl an Verletzten zu schwerfällig ist.<br />

Das bisherige, handschriftliche Verfahren kann nicht -oder nur unzureichend- angewandt werden.<br />

3.4 Warum ist <strong>die</strong> (schnelle) <strong>Erfassung</strong> so wichtig?<br />

Zeitbedarf mit der elektronischen <strong>Erfassung</strong> <strong>bei</strong> <strong>größeren</strong> Einsatzlagen<br />

Bei einem Massenanfall <strong>von</strong> Verletzten stößt nicht nur <strong>die</strong> betroffene Feuerwehr an ihre Grenzen –<br />

auch <strong>die</strong> umliegenden Kliniken müssen sehr kurzfristig reagieren (können)! Denn zu beachten ist,<br />

dass auch <strong>die</strong> alltäglichen Versorgungsabläufe unbedingt problemlos weiter funktionieren müssen.<br />

Schließlich hat der Patient, der mit einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall via NEF/RTW zum<br />

Krankenhaus transportiert wird genauso Behandlungspriorität, wie <strong>die</strong> vom Großschadensfall<br />

betroffenen Menschen. Genau aus <strong>die</strong>sem Grund ist es wichtig, dass <strong>die</strong> Krankenhäuser, <strong>die</strong> sich in<br />

der Nähe der großen Unfallstelle befinden auf <strong>die</strong> zu erwartenden <strong>Patienten</strong> einstellen können.<br />

- 28 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Bei den „herkömmlichen“ MANV-<strong>Systeme</strong>n muss sich jedes Krankenhaus mit dem LNA vor Ort und<br />

der Leitstelle abstimmen, wie viel <strong>Patienten</strong>, welcher Kategorie noch aufgenommen werden können.<br />

Dieses Verfahren hat sich in der Praxis schon mehrfach als „kompliziert, träge und altmodisch<br />

herausgestellt“.<br />

Mit der elektronischen <strong>Patienten</strong>erfassung würde <strong>die</strong>se aufwendige Ar<strong>bei</strong>t entfallen: Jede beteiligte<br />

Stelle sieht „auf einen Blick“, graphisch ideal aufgear<strong>bei</strong>tet, welches Hospital mit welchen<br />

Verletztenkategorien belegt ist.<br />

Hinzu kommt, dass <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigentliche Sichtung mit dem PDA pro Patient mit nur circa 30 Sekunden<br />

angesetzt ist. Das haben <strong>die</strong> Praxistests bewiesen. Das heißt also, dass in kurzer Zeit allen<br />

Beteiligten ein aktueller Stand, der vom Schadensereignis betroffenen <strong>Patienten</strong> geliefert werden<br />

kann. Diese Informationen stehen <strong>bei</strong> den herkömmlichen Sichtungsmethoden immer nur<br />

Zeitverzögert und teilweise auch unzuverlässig zur Verfügung.<br />

Für den gesamtverantwortlichen Einsatzleiter ist es ebenfalls sehr wichtig, in möglichst kurzer Zeit<br />

zu wissen, wie viel <strong>Patienten</strong> verletzt sind. Denn er muss entscheiden, ob <strong>die</strong> vor Ort befindlichen<br />

und zusätzlich verfügbaren Einsatzkräfte zur Abar<strong>bei</strong>tung des Einsatzes ausreichen.<br />

Gegebenenfalls muss sonst mit Unterstützungsgesuchen an <strong>die</strong> benachbarten Landkreise<br />

begonnen werden.<br />

3.5 Bremer Sichtungssystem – mögliche „Eingliederung“<br />

einer elektronischen <strong>Erfassung</strong><br />

Die RFID based Triage ist <strong>von</strong> den Grundzügen her (Farben und Bedeutung der<br />

Verletztenkategorien, Grundsätzliche MANV-Abläufe und Verfahren) sicherlich den meisten<br />

Anwendern bekannt, jedoch müsste das gesamte, bisherige Sichtungs-Verfahren durch <strong>die</strong> neuen<br />

Anwendungen ersetzt werden. Die „klassischen“ Sichtungsmittel wie zum Beispiel<br />

<strong>Patienten</strong>anhängekarten, Übersichtsdokumentation, usw. würden vollständig entfallen. Es wäre zu<br />

überlegen <strong>die</strong> „alten“ Karten als Rückfallebene aufzuheben, obwohl das RFID-Verfahren<br />

ausreichend Rückfallmöglichkeiten bieten würde.<br />

Zu klären ist, ob <strong>die</strong> bereits bestehende <strong>Patienten</strong>erfassung und –Verwaltung in den<br />

Krankenhäusern in das RFID-System eingebunden werden kann. Schließlich hat jede Klinik eine<br />

eigene Verwaltungssoftware. Hier sind <strong>die</strong> EDV-Experten der jeweiligen Häuser gefragt. Sollte eine<br />

- 29 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Integration jedoch nicht möglich sein, wäre <strong>die</strong>s unproblematisch, da <strong>die</strong> Siemens-Software auch<br />

„solo“ zu verwenden wäre.<br />

Eine Integration in <strong>die</strong> vorhandene Leitstellensoftware wäre nicht zwingend erforderlich, könnte aber<br />

in Erwägung gezogen werden, da in naher Zukunft <strong>die</strong> vorhandene Einsatzleitsoftware <strong>für</strong> den<br />

Digitalfunk optimiert werden soll. Ob eine Einbindung in <strong>die</strong>, <strong>bei</strong> der BF Bremen vorhandene,<br />

Leitstellensoftware möglich ist, lässt sich am besten aktuell und vor Ort durch Fachkräfte der<br />

beteiligten Firmen klären. Da<strong>bei</strong> ist zu beachten, dass <strong>die</strong> Kompatibilität der unterschiedlichen<br />

EDV-Anwendungen oftmals kompliziert ist.<br />

Sollte eine Integration nicht möglich sein, würde es <strong>für</strong> <strong>die</strong> Leitstellendisponnenten lediglich einen<br />

zusätzlichen Monitor bedeuten. Ebenso könnte das RFID-System auch auf einem weiteren PC im<br />

Krankenhaus installiert werden. Die Be<strong>die</strong>nung des Programms ist sehr leicht zu erlernen. Deshalb<br />

ist eine tiefe Einar<strong>bei</strong>tung nicht notwendig.<br />

Die bestehenden und somit allen Einsatzkräften bekannten Abläufe müssen <strong>bei</strong> Anwendung der<br />

RFID-based triage nicht geändert werden. Optimierungen sind durch bessere Verfügbarkeit des<br />

ärztlichen Personals (RA sollen sichten) möglich. Zudem sind, wenn das System im MANV-Fall<br />

erfolgreich eingesetzt wird, bessere Einsatzlenkungen möglich, da frühzeitiger mit zuverlässigen<br />

Angaben über <strong>die</strong> Anzahl der Verletzten gear<strong>bei</strong>tet werden kann.<br />

4. Fazit > Schlussfolgerungen<br />

Darauf, dass das System noch in der Entwicklungsphase steht, habe ich bereits mehrfach<br />

hingewiesen. Mit anfänglichen Problemen <strong>bei</strong> Nutzung und Einführung neuer EDV-<strong>Systeme</strong> muss<br />

immer gerechnet werden. Hier können schnell einzurichtende und leicht zu be<strong>die</strong>nende<br />

Rückfallebenen den Nutzern helfen.<br />

Das hier beschriebene System ist mit der alleinigen Nutzung zur <strong>Patienten</strong>sichtung <strong>bei</strong><br />

Großschadensfällen nicht annähernd ausgelastet. Durch auswechselbare Module sind einige<br />

Zusatzoptionen möglich, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>ser Ar<strong>bei</strong>t aber nicht betrachtet werden konnten. Denkbar wären<br />

Navigationssysteme, <strong>Patienten</strong>datenerfassungen im Regelbetrieb des Rettungs<strong>die</strong>nstes,<br />

Einsatzleit-Informationen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Feuerwehr, usw. Die Technik dazu ist, wie bereits erwähnt, noch<br />

nicht vollständig entwickelt.<br />

Sollte der PDA nur <strong>bei</strong> MANV-Lagen benutzt werden, wären <strong>die</strong> Kosten –im Vergleich zur täglichen<br />

- 30 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Nutzung mit flächendeckender Ausstattung- zwar wesentlich geringer, Nachteile würden aber<br />

entstehen, da das Personal dann (trotz einfacher Menüführung und Be<strong>die</strong>nung) mit der täglichen,<br />

routinierten Handhabung nicht vertraut ist. Zudem würde so <strong>bei</strong> einer regelmäßigen Nutzung <strong>die</strong><br />

Betriebsbereitschaft und Akkulaufzeit der Geräte regelmäßig überprüft werden können.<br />

Bei einem Preis <strong>von</strong> circa 800-1.000 EUR pro PDA sollte aber eine flächendeckende Ausstattung<br />

gründlich überprüft werden.<br />

Mehrere Gespräche mit Herrn Oberndörfer <strong>von</strong> der Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main haben<br />

aufgezeigt, dass <strong>die</strong> vollständige und gründliche Integration der Krankenhäuser in ein<br />

MANV-Konzept und somit auch in das SOGRO-System erforderlich sind. Die Erfahrungen der<br />

Übung auf dem Airport Frankfurt hat <strong>die</strong>s gezeigt. Um nur <strong>die</strong> <strong>Patienten</strong> vor Ort zu Triagieren, ist<br />

das System nicht geplant.<br />

Die BF Frankfurt führt einen zentralen und gut funktionierenden Bettennachweis. Dieser ist ständig<br />

aktuell und unter anderen <strong>von</strong> der Leitstelle einsehbar. Das System ist nicht nur im<br />

Großschadensfall sehr sinnvoll. Es könnte <strong>bei</strong> Feuerwehren und Rettungs<strong>die</strong>nsten eingeführt<br />

werden, <strong>die</strong> einen umfassenden und stark frequentierten Rettungs<strong>die</strong>nst bereitstellen und ohne<br />

EDV-Stützung <strong>die</strong> <strong>Patienten</strong> in <strong>die</strong> nächstgelegene Klinik transportieren.<br />

- 31 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

- Verzeichnis der Abkürzungen<br />

Abkürzungen – allgemeiner Art Abkürzungen – Feuerwehrbezug Abkürz. - Rettungs<strong>die</strong>nstbezug<br />

MANV = Massenanfall <strong>von</strong><br />

Verletzten und Erkrankten<br />

RFID = radio-frequency<br />

identification<br />

PDA = personal digital assistant<br />

DRK = Deutsches Rots Kreuz<br />

ASB = Ar<strong>bei</strong>ter-Samariter-Bund<br />

JUH = Johanniter-Unfall-Hilfe<br />

MHD = Malteser Hilfs<strong>die</strong>nst<br />

BMBF = Bundesministerium <strong>für</strong><br />

Bildung und Forschung<br />

SOGRO = Sofortrettung <strong>bei</strong><br />

Großunfall<br />

S.T.A.R.T. = simple triage and<br />

rapid treatment<br />

GPS = global positioning<br />

system<br />

UMTS = universal mobile<br />

telecommunications system<br />

WLAN = wireless local area<br />

network<br />

PAST = <strong>Patienten</strong>-Auskunftsstelle<br />

AL = Amtsleiter (der Feuerwehr)<br />

HLF = Hilfeleistungs-<br />

Löschfahrzeug<br />

ELD = Einsatzleit<strong>die</strong>nst<br />

DD = Direktions<strong>die</strong>nst<br />

AB RD = Abrollbehälter<br />

Rettungs<strong>die</strong>nst<br />

FF = Freiwillige Feuerwehr<br />

FmD = Fernmelde<strong>die</strong>nst<br />

- 32 -<br />

NEF = Notarzt-Einsatzfahrzeug<br />

RTW = Rettungswagen<br />

G-RTW = Großraum-<br />

Rettungswagen<br />

RA = Rettungsassistent<br />

RS = Rettungssanitäter<br />

RH = Rettungshelfer<br />

NA = Notarzt<br />

LNA = Leitender Notarzt<br />

OrgL = Organisatorischer Leiter<br />

Rettungs<strong>die</strong>nst<br />

SEG-T = Schnelleinsatzgruppe<br />

-Transport<br />

-KIT = Krisenintervention<br />

-RD = Rettungs<strong>die</strong>nst<br />

UStrG-SEG =<br />

Unterstützungsgruppe der SEG´en<br />

RTH = Rettungshubschrauber


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

- Bildersammlung<br />

Sichtungstasche.<br />

Diese ist so<br />

konstruiert, dass der<br />

Sichtungsassistent sie<br />

wie einen Rucksack –<br />

allerdings vor der<br />

Brust- tragen kann, so<br />

ist ein leichter Zugriff<br />

auf <strong>die</strong> Karten<br />

möglich,<br />

Karten sind im<br />

unteren Bereich<br />

perforiert.<br />

= Abriss-Zettel<br />

nach<br />

Transportübern<br />

ahme <strong>für</strong> den<br />

OrgL<br />

Übersichts-<br />

dokumentation<br />

im DIN A 4<br />

Format. =fasst<br />

alle gesichteten<br />

Personen mit<br />

relevanten<br />

Angaben<br />

zusammen<br />

PDA mit<br />

farbigen<br />

Armbändern<br />

(links).<br />

PDA mit<br />

touchstift<br />

(rechts)<br />

- 33 -<br />

Sichtungskarten:<br />

“normales“,<br />

farbiges<br />

DIN A 4-Papier<br />

> gefaltet auf<br />

DIN A 5 und in<br />

handelsüblichen<br />

Klarsichthüllen


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

RFID-Chip (Visitenkartengröße) im<br />

Armband (links)<br />

Rückansicht PDA (rechts)<br />

Startmenü im PDA<br />

Sichtung, Behandlung, Transport<br />

- 34 -


FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Literaturverzeichnis:<br />

- Quellenverzeichnis<br />

U. B. Crespin, H. Peter Handbuch <strong>für</strong> Organisatorische Leiter (2. überar<strong>bei</strong>tete Auflage),<br />

Stumpf und Kossendey-Verlag<br />

Verlag W. Kohlhammer Zeitschrift „Brandschutz“, Ausgabe 2/2011<br />

U. B. Crespin, G. Neff Handbuch der Sichtung, Stumpf und Kossendey-Verlag<br />

Stumpf und Kossendey-Verlag, Rettungs<strong>die</strong>nst kompakt: Einsatztaktik<br />

„Bremer Fiebel“ (2. überar<strong>bei</strong>tete und erweiterte Auflage), Der Senator <strong>für</strong> Inneres und Sport in<br />

Bremen – Ärztlicher Leiter Rettungs<strong>die</strong>nst sowie Senatorin <strong>für</strong> Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Gesundheit, Jugend<br />

und Soziales in Bremen<br />

Druckschrift „Forschung <strong>für</strong> <strong>die</strong> zivile Sicherheit“ (2010), Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und<br />

Forschung<br />

Internet-Quellen:<br />

Wikipedia S.T.A.R.T. – Algorithmus<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Triage#STaRT-<br />

Schema:_Simple_Triage_and_Rapid_Treatment, abgerufen am<br />

20.01.2011<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Informationen zum SOGRO-Projekt<br />

Bildung und Forschung http://www.bmbf.de/_media/press/pm_20101008-177.pdf, zuletzt<br />

abgerufen am 07.02.2011<br />

http://www.bmbf.de/_media/bbb_pdf/SOGRO_Latasch_Auftakt_<br />

IPF_SuRvM.pdf, zuletzt abgerufen am 22.12.2010<br />

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FEUERWEHR BREMEN elektronische <strong>Systeme</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erfassung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

Wikipedia Triage: Begriffsbestimmung und Erläuterungen<br />

Wikipedia Personal Digital Assistant<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Triage, abgerufen am 15.01.2011<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/pda, abgerufen am 4.01.2011<br />

Wikipedia radio-frequency identification<br />

SOGRO Projektpartner<br />

weitere Quellen:<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Triage, abgerufen am 6.01.2011<br />

http://www.sogro.de/sogroprojekt.php, abgerufen am 3.01.2011<br />

Benesch, Matthias mündliche Auskunft sowie praktische Vorführung der Geräte<br />

Dipl.-Ing Gerhard Schulz am 12.01.2011 in Paderborn<br />

Oberndörfer, Dieter mündliche Auskunft am 24.01.2011<br />

Bilder<br />

Seiten 8, 14-16, 19-22 Matthias Kaphengst<br />

Bild<br />

Seite 21, oben rechts Feuerwehr Bremen<br />

Bild<br />

Seite 24, unten Verlag W. Kohlhammer<br />

Bilder(screenshots)<br />

Seiten 23-25 Matthias Niemeyer, Fa. Siemens<br />

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