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Seelische Bindung

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Verlusttraumata<br />

und ihre Folgen<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Was kann ein Mensch verlieren?<br />

• Eltern<br />

• Kinder<br />

• Geschwister<br />

• Partner<br />

• Verwandte<br />

• Freunde<br />

• Kollegen<br />

• Arbeitsplatz<br />

• Geld<br />

• Besitz<br />

• Heimat<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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• Zugehörigkeit<br />

• Ansehen<br />

• Gesundheit<br />

• Körperteile<br />

• Spiele<br />

• Schönheit<br />

• ...


etwas verlieren<br />

sich verlieren<br />

verloren sein<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Verluste gehören zum<br />

menschlichen Dasein dazu. Sie<br />

können plötzlich und unerwartet<br />

oder vorhersehbar auftreten.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Verlustgefühle entstehen, wenn<br />

wir zu einer Person, einer Sache<br />

oder zu einer Situation eine<br />

seelische <strong>Bindung</strong> aufgebaut<br />

haben.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


John Bowlby (2006). Verlust.<br />

Trauer und Depression.<br />

München: Ernst Reinhardt<br />

Verlag.<br />

Original: Attachment and Loss, Volume 3:<br />

Loss – Sadness and Depression. 1980<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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<strong>Seelische</strong> <strong>Bindung</strong><br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München<br />

• ist auf besondere Personen<br />

bezogen und begrenzt,<br />

• ist exklusiv,<br />

• beruht auf Gefühlen,<br />

• ist auf Dauer angelegt,<br />

• vermittelt Zugehörigkeit.<br />

• <strong>Bindung</strong>sgefühle an<br />

Personen können mit<br />

Gegenständen, Tieren und<br />

Situationen verknüpft<br />

werden.


Merkmale der <strong>Bindung</strong> nach<br />

Bowlby (2006, S. 45ff.)<br />

• <strong>Bindung</strong>sverhalten äußert sich als:<br />

Beobachten, Schauen, Horchen,<br />

Blickwechsel, Begrüßungen, Nachfolgen,<br />

Rufen, Schreien, Anklammern<br />

• <strong>Bindung</strong>sverhalten ist ebenso wichtig wie<br />

Nahrungs- und Sexualverhalten<br />

• <strong>Bindung</strong>sverhalten ist immer aktiv<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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• <strong>Bindung</strong>sverhalten ist zielkorrigiertes Verhalten<br />

• <strong>Bindung</strong>sverhalten wird besonders aktiviert, wenn<br />

erforderlich<br />

• <strong>Bindung</strong>sverhalten ist mit den tiefsten Emotionen<br />

verknüpft<br />

• <strong>Bindung</strong>sverhalten trägt zum Überleben bei<br />

• <strong>Bindung</strong>sverhalten ruft Pflegeverhalten hervor<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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• Aktives <strong>Bindung</strong>sverhalten lebenslang ist<br />

nicht pathologisch<br />

• Es gibt gestörte Muster von<br />

<strong>Bindung</strong>sverhalten.<br />

• <strong>Bindung</strong>smuster werden durch<br />

frühkindliche Erfahrungen geprägt.<br />

• <strong>Bindung</strong>smuster wiederholen sich im Leben<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Merkmale von <strong>Bindung</strong> (Fallbeispiel Jane (17<br />

Monate) aus Bowlby 2006, S. 402 f.)<br />

• Nach der Trennung von der Mutter Überspielen der<br />

Verlassenheitsangst durch Fröhlichkeit, Lachen,<br />

Lebhaftigkeit<br />

• Nach 4 Tagen Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Weinen,<br />

Selbsttröstung (Daumenlutschen) und Suche nach<br />

Körperkontakt, offenkundiger Stress und Verwirrung<br />

• Nach 5 Tagen aktives Suchen und Rufen nach der Mutter<br />

• Nach der Wiederkehr der Mutter sofortige Annäherung, in<br />

der Folge auch vermehrt ungehorsames Verhalten<br />

• Beim Ablösen von der Pflegemutter Ambivalenzkonflikte<br />

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Attachment: Aufbau einer<br />

<strong>Bindung</strong><br />

Detachment: Lösung aus einer<br />

<strong>Bindung</strong><br />

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Merkmale von <strong>Bindung</strong> (Fallbeispiel John (17<br />

Monate) aus Bowlby 2006, S. 405 ff.)<br />

• Nach der Trennung von der Mutter zunächst 2 Tage Kooperationsbereitschaft,<br />

freundliches Verhalten gegenüber der Kinderkrankenschwester, ruhiges<br />

Spielverhalten<br />

• Enttäuschung und Protest bei Trennungen von der K.k.<br />

• Ab dem 3. Tag steigender Kummer, weinen und Traurigkeit, Rückzug,<br />

Festhalten am Teddy als Ersatzobjekt<br />

• Ab dem 5. Tag stille Verzweiflung, keine Kontaktsuche mehr, aggressives<br />

Verhalten, Apathie, Interesselosigkeit<br />

• Heftiges Weinen, kann nicht mehr getröstet werden<br />

• Wehrt sich gegen der Kontakt mit der Mutter nach deren Rückkehr, Wut auf<br />

die Mutter und den Vater<br />

• Noch mit 4,5 Jahren deutliche Angst vor Verlust der Mutter und plötzlich<br />

provozierendes und feindseliges Verhalten<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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<strong>Seelische</strong> <strong>Bindung</strong><br />

beginnt mit dem Zeitpunkt der<br />

Zeugung/Empfängnis,<br />

entwickelt sich während der<br />

Schwangerschaft,<br />

prägt sich bei und nach der<br />

Geburt und<br />

verfestigt sich in den ersten drei<br />

Lebensjahren.<br />

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Die zentrale <strong>Bindung</strong> für jeden<br />

Menschen ist die <strong>Bindung</strong> an die<br />

Mutter.<br />

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Wesentliche seelische<br />

<strong>Bindung</strong>en<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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• Mutter-Kind<br />

• Vater-Kind<br />

• Mann-Frau<br />

• Kind-Kind<br />

• Täter-Opfer


Durch <strong>Bindung</strong> entsteht zwischen zwei<br />

Lebewesen eine gemeinsame seelische<br />

Struktur. <strong>Bindung</strong>en werden aufgebaut durch<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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• Kontakt über alle<br />

Sinne (Körper, Augen,<br />

Ohren ...)<br />

• Austausch von<br />

Gefühlen (Angst,<br />

Liebe, Ärger ...)<br />

• Austausch von Bildern<br />

und Gedanken


<strong>Seelische</strong> <strong>Bindung</strong> beruht auf<br />

einem <strong>Bindung</strong>sbedürfnis und auf<br />

<strong>Bindung</strong>sbereitschaft. Beide<br />

Prozesse entwickeln und<br />

verstärken sich wechselseitig.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Biochemische Grundlagen<br />

• Lustgefühle Sexualhormone<br />

(Testosteron, Oestrogen)<br />

• Verliebtsein Dopamin, Adrenalin,<br />

Serotonin<br />

• <strong>Bindung</strong> Oxytocin<br />

• Treue Vasopressin<br />

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Oxytocin („schnelle Geburt“)<br />

• Löst Geburtswehen aus<br />

• Befördert den Milchfluss<br />

• Verringert Stresshormon Cortisol<br />

• Wird bei Zärtlichkeiten ausgeschüttet<br />

• Wird beim Geschlechtsakt stimuliert<br />

• Fördert die Mutter-Kind-<strong>Bindung</strong><br />

• Stabilisiert die Paarbindung<br />

• Fördert das Eingehen zwischenmenschlicher Kontakte<br />

• Fördert Ruhe, Wohlbefinden und Vertrauen<br />

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Hypothese: Die Fähigkeit zur<br />

<strong>Bindung</strong> beruht auch auf der<br />

Existenz von Spiegelnervenzellen<br />

im menschlichen Gehirn.<br />

Dadurch haben Menschen die<br />

Fähigkeit, andere Menschen in<br />

sich zu simulieren.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Wenn zwei Personen sich wie<br />

eine Einheit erleben, hat ihre<br />

<strong>Bindung</strong> eine symbiotische<br />

Qualität.<br />

Auch größere Menschengruppen<br />

können symbiotisch verbunden<br />

sein.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Beziehung ist eine<br />

Rahmenbedingung für <strong>Bindung</strong>,<br />

nicht ihre Ursache. Es gibt<br />

Beziehungen ohne und mit <strong>Bindung</strong><br />

(z.B. eine seelische <strong>Bindung</strong> an ein<br />

abgetriebenes Kind).<br />

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„<strong>Bindung</strong>sbeziehung“<br />

Karin Grossmann und Klaus<br />

Grossmann (2004). <strong>Bindung</strong>en –<br />

das Gefüge psychischer<br />

Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

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Jeder Mensch lebt<br />

auf der seelischen Ebene<br />

in einem Geflecht von<br />

<strong>Bindung</strong>sbeziehungen,<br />

das mindestens vier Generationen<br />

umfasst.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Arten von <strong>Bindung</strong>en<br />

(nach Bowlby, Ainsworth)<br />

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• Sichere <strong>Bindung</strong><br />

• Unsicher-ambivalente<br />

<strong>Bindung</strong><br />

• Unsicher-vermeidende<br />

<strong>Bindung</strong><br />

Franz Ruppert


Formen der <strong>Bindung</strong><br />

nach M. Maine und E. Hesse<br />

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• Organisierte <strong>Bindung</strong><br />

• Desorganisierte,<br />

chaotische <strong>Bindung</strong>


Das Konzept der „Feinfühligkeit“<br />

(M. Ainsworth)<br />

• - die kindlichen Signale mit großer<br />

Aufmerksamkeit und ohne Verzögerung<br />

wahrnehmen,<br />

• - die Signale aus der Perspektive des<br />

Säuglings richtig deuten (z.B. bedeutet<br />

Weinen Hunger, Unwohlsein,<br />

Schmerzen oder Langeweile?),<br />

• - angemessen auf die kindlichen Signale<br />

reagieren und zwar<br />

• - innerhalb einer für das Kind tolerablen<br />

Frustrationszeit.<br />

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Kinder reagieren mit hoher<br />

Sensibilität auf <strong>Bindung</strong>sverluste.<br />

Sie erleben sie als seelische<br />

Verletzung.<br />

Ihr Vertrauen schwindet und<br />

verwandelt sich in Misstrauen<br />

und Ärger.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Ein Verlusttrauma ist ein<br />

Ereignis, bei dem ein Mensch<br />

etwas für ihn existentiell<br />

Wichtiges verliert, zu dem er eine<br />

emotionale <strong>Bindung</strong> aufgebaut<br />

hat.<br />

Je stärker die <strong>Bindung</strong> ist, desto<br />

größer ist das Verlusttrauma.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Größtmögliche Verlusttraumata<br />

• Den Tod der Mutter<br />

entstehen durch<br />

• Die Trennung von der Mutter<br />

• Den Tod eines eigenen Kindes<br />

• Den Tod des Vaters<br />

• Den Tod eines Geschwisters<br />

• Den Tod eines Partners<br />

• Den Tod eines Freundes<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Gefühle und Reaktionsweisen bei<br />

drohenden oder erlebten<br />

<strong>Bindung</strong>sverlusten<br />

• Alarmreaktionen, Angst bis<br />

hin zur Panik<br />

• Protest, Ärger und Wut<br />

• Rückzug, Traurigkeit bis<br />

hin zur Depression<br />

• Spaltung der Persönlichkeit<br />

• Verschiebung der<br />

seelischen Schmerzen in<br />

körperliche Schmerzen<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Je jünger ein Kind ist, desto<br />

weniger kann es eine zeitweise<br />

oder dauernde Trennung von<br />

seiner Mutter seelisch ertragen.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Kinder können den Tod nicht nur<br />

auf der <strong>Bindung</strong>sebene nicht<br />

begreifen, sie haben auch noch<br />

kein geistiges Konzept für Tod.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Kindliche Bewältigungsversuche<br />

• Tod spielen<br />

von Tod<br />

• Fragen, Fragen, Fragen, um zu verstehen<br />

• In die Rolle des Verstorbenen schlüpfen<br />

• Sich Ersatzpersonen wählen<br />

• An die Rückkehr des Toten glauben<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Für ein Kind, das seine Mutter<br />

verliert, ist es sinnvoll, möglichst<br />

lange daran zu glauben, dass die<br />

Mutter noch lebt und wieder<br />

zurück kommt.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Kinder, die ihre Eltern verlieren,<br />

verlieren allmählich ihre<br />

<strong>Bindung</strong>sfähigkeit, weil ihr<br />

<strong>Bindung</strong>ssystem abgeschaltet<br />

werden muss, um eine<br />

Übererregung und damit den Tod<br />

des Kindes zu verhindern.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Die Folge sind wahllose und<br />

oberflächliche <strong>Bindung</strong>sversuche<br />

an potentielle Ersatzeltern.<br />

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Der Trauma-<br />

Schutzmechanismus, die<br />

seelische Spaltung, verhindert<br />

den Trauerprozess.<br />

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Langfristige Symptome von Kindern,<br />

die früh ihre Eltern verlieren<br />

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• Überängstlichkeit<br />

• Anhänglichkeit<br />

• Aggressionshemmung<br />

• Bleiben in der<br />

Kindlichkeit<br />

• Suche nach dem<br />

verstorbenem Elternteil in<br />

Partnern oder eigenen<br />

Kindern<br />

• Suizidneigung


Todesfälle können<br />

• ein Schocktrauma hervorrufen, wenn sie<br />

plötzlich geschehen (z.B. bei einem<br />

Verkehrsunfall)<br />

• eine lang anhaltende traumatische Situation<br />

erzeugen, wenn sie sich lange ankündigen<br />

(z.B. bei einer unheilbaren Krankheit).<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Reaktionen von Eltern auf den Tod eines<br />

eigenen Kindes, das plötzlich stirbt<br />

• Abgrundtiefer seelischer Schmerz<br />

• Wut und Verzweiflung<br />

• Suche nach Schuld und<br />

Verantwortung<br />

• Suche nach dem Sinn,<br />

Orientierungslosigkeit<br />

• Partnerschaftskonflikte<br />

• Vernachlässigung der anderen<br />

Kindern<br />

• Wunsch nach sozialem Rückhalt<br />

• dissoziative Abwehrreaktionen<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Traumatische Reaktionen bei<br />

traumatischen Verlusten<br />

• Übererregung, Überflutung durch Schmerz<br />

• Betäubung<br />

• Trennung von Denken und Fühlen<br />

• Depersonalisation<br />

• Derealisation<br />

• Abspaltung der Erfahrung<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Nicht hilfreiche Reaktionen des sozialen<br />

Umfeldes auf Verlusttraumata<br />

• Beschwichtigen<br />

• Aufforderungen, schnell zu vergessen<br />

• Tabuisieren<br />

• Aufdrängen von Trauerhilfe<br />

• Bürokratische Forderungen<br />

• Ausnützen der Hilflosigkeit<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Hilfreiche Reaktionen des<br />

sozialen Umfeldes<br />

• Klares, einfühlsames Überbringen der<br />

Todesnachricht<br />

• bei der Wahrheit bleiben<br />

• Unterstützung bei behördlichen Kontakten<br />

• Hilfe bei der Gegenwartsorientierung<br />

• Orientierungsmöglichkeit an anderen mit gleichen<br />

Erfahrungen<br />

• Hilfe nicht aufdrängen, Angebote machen, präsent<br />

sein<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Marion Krüssmann und Andreas<br />

Müller-Cyran (2005). Trauma<br />

und frühe Intervention.<br />

Möglichkeiten und Grenzen der<br />

Krisenintervention. Stuttgart:<br />

Pfeiffer bei Klett-Cotta.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Verluste müssen betrauert<br />

werden. Nur durch das Zulassen<br />

von Schmerz und Tränen wird<br />

eine <strong>Bindung</strong> abgeschwächt und<br />

gelöst.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Verlusttraumata erschüttern das<br />

Weltverständnis. Sie bringen<br />

religiöse Menschen in<br />

Glaubenszweifel und wecken bei<br />

nicht-religiösen Menschen ein<br />

Bedürfnis nach Sinnvermittlung.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Was erschwert es, ein Verlusttrauma<br />

seelisch zu integrieren?<br />

• Weigerung, den Verlust zu akzeptieren<br />

• Verharren im Vorwurf und in der Wut<br />

• Verschweigen des Verlustes<br />

• Sozialer Rückzug<br />

• Einschränkung der eigenen Lebensfreude<br />

• Aufgeben von Lebenszielen<br />

• Betäubung durch Drogen und Medikamente<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Verlusttraumata führen zu einer<br />

besonderen Variante von<br />

Suizidalität: Sterben wollen, um<br />

mit dem geliebten Verstorbenen<br />

wieder zusammen zu sein.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Was hilft, ein Verlusttrauma<br />

seelisch zu integrieren?<br />

• Akzeptanz des Verlustes<br />

• Keine Schuldzuweisungen mehr<br />

• Zulassen aller Gefühle, auch der Wut und<br />

der Enttäuschung Raum geben<br />

• Zulassen von Schmerz und Trauer<br />

• Vorstellung, dass eine verstorbene Person in<br />

Frieden ist und sich freut, dass die anderen,<br />

die sie lieben, gut weiterleben.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Depressive Episoden<br />

(ICD 10, F32)<br />

• Andere häufige Symptome sind:<br />

• 1. Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit<br />

• 2. Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen<br />

• 3. Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit<br />

• 4. Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven<br />

• 5. Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder<br />

Suizidhandlungen<br />

• 6. Schlafstörungen<br />

• 7. Verminderter Appetit<br />

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Depressive Episoden<br />

(ICD 10, F32)<br />

• ... gedrückte Stimmung,<br />

Interessensverlust,<br />

Freudlosigkeit, Verminderung<br />

des Antriebs, Verminderung der<br />

Energie, erhöhte Ermüdbarkeit,<br />

Aktivitätseinschränkung ...<br />

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Depressionstheorien, die eher<br />

beschreiben als erklären<br />

• Medizinisch: Stoffwechselstörung<br />

• Tiefenpsychologisch: chronifizierte Trauer<br />

und Wendung der Aggression gegen die<br />

eigene Person<br />

• Lerntheoretisch: erlernte Hilflosigkeit<br />

• Kognitionstheoretisch: falsche, negative<br />

Einstellungen und Denkweisen<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Depressive Symptome sind<br />

aus Sicht der MP Reaktionen<br />

der menschlichen Seele auf<br />

den Verlust von<br />

Gefühlsbindungen. In ihnen<br />

spiegelt sich eine<br />

Verlusttrauma-Erfahrung<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München<br />

wieder.


Die schwersten Depressionen<br />

entstehen durch den Verlust der<br />

Mutter-Kind-<strong>Bindung</strong>, d.h. wenn<br />

ein Kind die <strong>Bindung</strong> an seine<br />

Mutter verliert und nicht fähig<br />

ist, diese aus eigener Kraft<br />

wieder herzustellen.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


„Endogene“ Depressionen<br />

können das Ergebnis sein,<br />

• dass eine Mutter, die ein<br />

Verlusttrauma erlitten hat,<br />

für ihr Kind emotional nicht<br />

erreichbar ist;<br />

• dass ein Kind das<br />

Verlusttrauma seiner Mutter<br />

als seine eigene seelische<br />

Struktur übernimmt und<br />

erlebt.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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Adoption:<br />

Rechtliche Regelungen durch<br />

- das Adoptionsgesetz<br />

(§§1741- 1772 BGB, Buch 4)<br />

- das Adoptionsvermittlungsgesetz<br />

- Adoptionswirkungsgesetz<br />

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Durch eine Adoption erwirbt ein<br />

angenommenes Kind die gleiche<br />

Rechtsstellung, die ein leibliches<br />

Kind von Eltern hat (Name,<br />

elterliche Sorge, Unterhalt, Erbe,<br />

Sozialleistungen, Steuer ...).<br />

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Adoptionsprozess<br />

• Freigabe eines Kindes zur Adoption (Einwilligung<br />

der leiblichen Eltern, 8 Wochen Frist)<br />

• Suchen geeigneter Eltern für ein Kind (u.a.<br />

Mindestalter 21+25, Höchstalter 41+35;<br />

gesichertes Einkommen,ausreichender Wohnraum,<br />

Gesundheit, Religionszugehörigkeit)<br />

• Adoptionspflege (ca. 1 Jahr), Beratung<br />

• Vollzug der Adoption durch das<br />

Vormundschaftsgericht<br />

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Edda Harms und Barbara Strehlow (Hg.)<br />

(2004). Adoptivkind – Traumkind in der<br />

Realität. Göttingen: Vandenhoeck &<br />

Ruprecht.<br />

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Adoption bedeutet für das<br />

<strong>Bindung</strong>en sind<br />

nicht ersetzbar.<br />

Ihr Verlust kann nur<br />

betrauert werden.<br />

adoptierte Kind<br />

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KSFH München<br />

• einen Abbruch und<br />

Verlust der Mutterbindung<br />

• keinen Aufbau oder<br />

Verlust der Vaterbindung<br />

• Verlust der Zugehörigkeit<br />

zu einer Herkunftsfamilie<br />

• Bei Auslandsadoption:<br />

Verlust der Zugehörigkeit<br />

zu einem Land und Volk


Adoptionen stellen für Säuglinge<br />

und kleine Kinder ein<br />

Verlusttrauma dar. Sie erleben<br />

sich hilflos und ohnmächtig, die<br />

<strong>Bindung</strong> zu ihrer Mutter<br />

wiederherzustellen.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Eine als traumatisch erlebte Trennung<br />

von der Mutter führt zu einer<br />

Aufspaltung der Identitätsstruktur des<br />

Kindes. Ein Teil versucht zu<br />

überleben und die Trennung zu<br />

verdrängen. Der andere Teil ist in<br />

seinem Schmerz ohnmächtig erstarrt<br />

Er zieht sich auf ein<br />

Existenzminimum zurück.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Adoptionen dienen für Adoptiveltern zuweilen dazu,<br />

das Adoptivkind unbewusst als Ersatz<br />

• für ein eigenes verstorbenes Kind<br />

• einen früh verstorbenen Elternteil<br />

• ein verstorbenes Kind der Eltern oder<br />

Großeltern<br />

• Eine im Familiensystem<br />

verheimlichte Person (z.B. einen<br />

verschwiegenen Vater) zu nehmen.<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Mögliche mehrgenerationale Folge einer<br />

Adoption: der traumatisierte<br />

Identitätsanteil einer adoptierten Mutter<br />

wird durch ihr Kind sichtbar gemacht.<br />

Folge: schwere Depressionssymptomatik<br />

in der 2. Generation, d.h. beim Kind einer<br />

adoptierten Mutter (Ruppert 2005, S. 135<br />

ff.)<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

KSFH München


Geschafft!<br />

Prof. Dr. Franz Ruppert<br />

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