Licht sieht man nicht – die Wahrnehmung von Farbe und Licht - IBO
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<strong>Licht</strong> <strong>sieht</strong> <strong>man</strong> <strong>nicht</strong> <strong>–</strong> <strong>die</strong> <strong>Wahrnehmung</strong> <strong>von</strong> <strong>Farbe</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Licht</strong><br />
DI MMag. Markus Canazei, Dr. Walter Witting; Bartenbach <strong>Licht</strong>Labor<br />
Wann sagen wir, etwas sei „sichtbar“? In stockdunkler Nacht oder in<br />
einem völlig verdunkelten Raum ist erfahrungsgemäß <strong>nicht</strong>s außer <strong>die</strong> Dunkelheit,<br />
d.h. <strong>die</strong> Abwesenheit <strong>von</strong> <strong>Licht</strong> „sichtbar“. Bei Hinzutreten <strong>von</strong><br />
<strong>–</strong> so genanntem sichtbaren <strong>–</strong> <strong>Licht</strong> werden Objekte mehr oder weniger<br />
sichtbar. Aber ist dann auch das <strong>Licht</strong> 'an sich' „sichtbar“? Warum erscheint<br />
uns außerhalb der Erdatmosphäre der Weltraum lichtlos schwarz, wo er<br />
doch <strong>von</strong> <strong>Licht</strong> der irdischen Sonne <strong>und</strong> der kosmischen Sonnen (Sterne)<br />
erfüllt ist? Wir sind gewohnt bzw. wir glauben, das <strong>Licht</strong> selbst zu sehen,<br />
sobald wir irgend etwas sehen. Wenn wir <strong>die</strong> Quelle des <strong>Licht</strong>es <strong>nicht</strong><br />
sehen <strong>und</strong> das <strong>Licht</strong> aus <strong>die</strong>ser <strong>Licht</strong>quelle an <strong>nicht</strong>s in unserem Gesichtsfeld<br />
auftrifft <strong>und</strong> somit <strong>nicht</strong> in unser Auge gelangt, so können wir <strong>die</strong>ses<br />
<strong>Licht</strong>, obwohl es im aktuellen Sehraum (Gesichtsfeld) vorhanden ist,<br />
<strong>nicht</strong> sehen. Erst wenn <strong>Licht</strong> auf ein Material trifft <strong>und</strong> <strong>von</strong> dort in unser<br />
Auge reflektiert wird, wird das Material respektive der Raum sichtbar.<br />
Das heißt: <strong>Licht</strong> an sich ist <strong>nicht</strong> sichtbar, <strong>Licht</strong> macht sichtbar! <strong>Licht</strong> ist<br />
als Ursache der Sichtbarkeit „wahr“-nehmbar, d.h. induktiv als Seinswahrheit<br />
erschließbar, aber selbst <strong>nicht</strong> sichtbar.<br />
Ein visueller Raum wird <strong>–</strong> soweit <strong>man</strong> überhaupt in der Lage ist, einen Raum zu definieren <strong>–</strong><br />
durch <strong>die</strong> ihn begrenzenden Oberflächen bestimmt <strong>und</strong> wahrnehmbar.<br />
Die Betrachtung der Oberflächen ist insofern wichtig, als sie <strong>die</strong> physikalischen Me<strong>die</strong>n Luft<br />
<strong>und</strong> <strong>Licht</strong> <strong>von</strong> der festen Substanz, oder allgemeiner, <strong>von</strong> reflektierender Substanz, trennen.<br />
Das Material bzw. dessen Oberfläche hat in Bezug auf <strong>die</strong> optische <strong>Wahrnehmung</strong> den größten<br />
Einfluss. Zum Beispiel haben <strong>die</strong> raumbegrenzenden Oberflächen ein charakteristisches Reflexionsvermögen,<br />
das <strong>von</strong> der Materialbeschaffenheit abhängt.<br />
Die Strahlung des an sich <strong>nicht</strong> sichtbaren primären <strong>Licht</strong>es, geprägt durch <strong>die</strong> <strong>Licht</strong>verteilung<br />
des <strong>Licht</strong>systems <strong>und</strong> <strong>die</strong> Eigenschaften des Leuchtmittels (Spektrum), fällt mit einer bestimmten<br />
Beleuchtungsstärke auf <strong>die</strong> „Oberfläche“ <strong>und</strong> wird <strong>von</strong> <strong>die</strong>ser entsprechend der Materialstruktur<br />
moduliert <strong>und</strong> kommt so als reflektiertes <strong>Licht</strong> in unser Auge, um schließlich als<br />
Leuchtdichte wahrgenommen zu werden. Damit wäre nach der geläufigen Vorstellung der<br />
Beleuchtungsvorgang erklärt. Diese Betrachtungsweise beschränkt sich jedoch nur auf <strong>die</strong> physikalische<br />
Strahlenoptik.<br />
Wir wissen freilich, dass <strong>die</strong>ses über das Material reflektierte <strong>Licht</strong> bereits als strukturiertes<br />
Sek<strong>und</strong>ärlicht <strong>die</strong> Netzhaut des Auges erreicht <strong>und</strong> <strong>die</strong> Reizmuster zum Sehen auslöst. Diese<br />
bereits „höhere“ Erklärungsebene für visuelle <strong>Wahrnehmung</strong> betrifft das Gebiet der physiologischen<br />
Optik. Unser visueller Raum, den wir definieren wollten, wird indessen erst durch seine<br />
ihn begrenzenden Oberflächen „wahrnehmbar“, womit wir uns in <strong>die</strong> Begriffswelt der ökologischen<br />
Optik begeben, <strong>die</strong> das <strong>Licht</strong> hauptsächlich als Informationsquelle für <strong>die</strong> visuelle<br />
<strong>Wahrnehmung</strong> betrachtet.<br />
Die Ökologie ist Teildisziplin der Biologie <strong>und</strong> definiert<br />
sich als <strong>die</strong> Wissenschaft <strong>von</strong> den „Beziehungen<br />
des ORGANISMUS“ zur ihn umgebenden<br />
Umwelt. In der ökologischen Optik ist der<br />
Unterschied zwischen leuchtenden <strong>und</strong> beleuchteten<br />
Flächen ganz entscheidend.<br />
K NGRESS<br />
Gute Aussichten <strong>–</strong> Tageslicht in Gebäuden<br />
Abb. 1: <strong>Licht</strong> in Physik, Psychologie<br />
<strong>und</strong> Ökologie<br />
9
<strong>Licht</strong> wirkt durch das<br />
Material <strong>–</strong> das Material<br />
wirkt durch das <strong>Licht</strong>!<br />
Abb. 2: Ein Raummilieu entsteht<br />
durch <strong>Licht</strong> <strong>und</strong> Material.<br />
Abb. 3: Wird tageslicht-rotes Material mit weißen <strong>und</strong>/oder rotem Kunstlicht<br />
bestrahlt, so erscheint <strong>die</strong>ses Material mehr oder weniger ähnlich rot<br />
wie bei Tageslicht.<br />
Wird tageslicht-rotes Material mit blauem oder grünem Kunstlicht bestrahlt,<br />
so erscheint <strong>die</strong>se Material farblos grau bis schwarz<br />
10<br />
Damit können wir Materialoberflächen einer erweiterten Betrachtungsweise unterziehen. In<br />
der ökologischen Optik wird zwischen <strong>Licht</strong> als Strahlung <strong>und</strong> <strong>Licht</strong> als Beleuchtung bzw. zwischen<br />
leuchtenden <strong>und</strong> beleuchteten Oberflächen deutlich unterschieden.<br />
Strahlungslicht ist <strong>die</strong> Ursache für Beleuchtung, Umgebungslicht ist <strong>die</strong> Folge <strong>von</strong> Beleuchtung.<br />
Strahlungslicht hat keine Struktur, Umgebungslicht ist strukturiert. Umgebungslicht<br />
ist angewiesen auf eine Umwelt aus Oberflächen. Strahlungslicht ist Energie,<br />
Umgebungslicht kann Information sein.<br />
Bei der Charakterisierung <strong>von</strong> Materialien sind zwei wesentliche Beschreibungsbegriffe <strong>von</strong><br />
Bedeutung, nämlich „Substanz“ <strong>und</strong> „Oberfläche“. Substanz ist <strong>die</strong> innere Struktur eines Materials,<br />
<strong>die</strong> z.B. seine Fertigkeit konstituiert, während <strong>die</strong> Oberfläche ein <strong>und</strong> derselben Substanz<br />
unterschiedlich „bearbeitet“ sein kann, z.B. rau, glatt, glänzend, spiegelnd, diffus usw.<br />
Man denke nur an <strong>die</strong> vielfältigen Möglichkeiten der Oberflächenbehandlung <strong>von</strong> Holz oder<br />
Stein. So kann etwa ein schwarzer Stein durchaus zum Spiegel werden.<br />
In lichttechnischer, aber vor allem wahrnehmungspsychologischer<br />
bzw. wahrnehmungsökologischer Hinsicht ist es aber<br />
<strong>nicht</strong> so sehr <strong>die</strong> Substanz, sondern in erster Linie <strong>die</strong> Beschaffenheit<br />
der Oberfläche, <strong>die</strong> ein Material in „Erscheinung“<br />
treten lässt. Dies hat natürlich auch J.J. Gibson erkannt, indem<br />
er schreibt (Zitat p.24 f.):<br />
„Es ist <strong>die</strong> Oberfläche, an der am meisten geschieht. Es ist<br />
<strong>die</strong> Oberfläche, <strong>nicht</strong> das Innere der Substanz, an der <strong>Licht</strong><br />
reflektiert oder absorbiert wird. Es ist <strong>die</strong> Oberfläche, <strong>die</strong> mit<br />
dem Lebewesen in Berührung kommt, <strong>nicht</strong> das Innere. Es<br />
ist <strong>die</strong> Oberfläche, an der chemische Reaktionen vorwiegend<br />
ablaufen. ….. Es ist <strong>die</strong> Oberfläche, an der <strong>die</strong> Vibration in<br />
das Medium übertragen werden kann“.<br />
Die Bilder (Abb. 3<strong>–</strong>6) zeigen, wie das Zusammenwirken <strong>von</strong> <strong>Licht</strong>farbe <strong>und</strong> Materialfarbe zu<br />
unterschiedlichen Farbwahrnehmungen (Punkte in den „Köpfen“ der Abbildungen) führen.<br />
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Abb. 4: Wird tageslicht-grünes Material mit weißem <strong>und</strong>/oder grünem Kunstlicht<br />
bestrahlt, so erscheint <strong>die</strong>ses Material mehr oder weniger ähnlich grün<br />
wie bei Tageslicht.<br />
Wird tageslicht-grünes Material mit rotem oder blauem Kunstlicht bestrahlt,<br />
so erscheint <strong>die</strong>se Material farblos grau bis schwarz.
Abb. 5: Wird tageslicht-weißes Material mit weißem <strong>und</strong>/oder farbigem Kunstlicht<br />
bestrahlt, so erscheint <strong>die</strong>ses Material mehr oder weniger ähnlich farbig<br />
wie das Kunstlicht.<br />
Gleiches Objekt in ungleichem <strong>Licht</strong> (Abb. 7<strong>–</strong>10)<br />
Abb. 7: neutral dunkel<br />
Abb. 6: Wird tageslicht-gelbes Material mit rotem Kunstlicht bestrahlt, so<br />
erscheint <strong>die</strong>ses Material mehr oder weniger ähnlich rot. Wird tageslichtgelbes<br />
Material mit grünem Kunstlicht bestrahlt, so erscheint <strong>die</strong>ses Material<br />
mehr oder weniger grün. Wird tageslicht-gelbes Material mit blauem<br />
Kunstlicht bestrahlt, so erscheint <strong>die</strong>ses Material farblos grau bis schwarz.<br />
Abb. 9: rötlich-warm Abb. 10: bläulich-kalt<br />
K NGRESS<br />
Abb. 8: neutral hell<br />
Gute Aussichten <strong>–</strong> Tageslicht in Gebäuden<br />
11
<strong>Licht</strong>menge <strong>und</strong> <strong>Licht</strong>farbe<br />
müssen abgestimmt<br />
sein, um ein behagliches<br />
<strong>Licht</strong>milieu zu schaffen !<br />
Abb. 11: Nicht jede Kombination<br />
<strong>von</strong> <strong>Licht</strong>farbe <strong>und</strong> <strong>Licht</strong>menge<br />
wirkt angenehm<br />
12<br />
Vor allem bei der Verwendung <strong>von</strong> Kunstlicht sind „naturgegebene Verbindungen“ <strong>von</strong> Helligkeit<br />
<strong>und</strong> <strong>Licht</strong>farbe im Sinne psychologischer Behaglichkeitsgrenzen zu beachten. So gibt es<br />
nach der Regel <strong>von</strong> Kruithoff <strong>und</strong> Wald (Abb. 11) einen <strong>von</strong> zwei Kurven eingeschlossenen<br />
Bereich, der ein angenehmes Verhältnis <strong>von</strong> Beleuchtungsstärke <strong>und</strong> <strong>Licht</strong>farbe kennzeichnet.<br />
Das Diagramm macht ersichtlich, dass <strong>Licht</strong> mit niedriger Farbtemperatur, z.B. Glühlampen- <strong>und</strong><br />
Halogenglühlampenlicht (2800 bis 3000 K) bereits bei Beleuchtungsstärken <strong>von</strong> 50<strong>–</strong>100 Lux als<br />
angenehm empf<strong>und</strong>en wird. Zu hohe Helligkeiten ten<strong>die</strong>ren bei solchen (warmen) <strong>Licht</strong>quellen<br />
zum Auslösen einer gewissen Unbehaglichkeit. Zu einem niedrigen Beleuchtungsniveau „passt“<br />
demnach der Farbton einer warmweißen <strong>Licht</strong>quelle (Glühlampe oder Leuchtstofflampe warmweiß)<br />
besser, d.h. er wirkt behaglicher als eine tageslichtweiße <strong>Licht</strong>quelle mit sehr hoher Farbtemperatur.<br />
Beleuchtungen z.B. durch Leuchtstofflampen mit einer Farbtemperatur <strong>von</strong> 4000<strong>–</strong>5000 K (<strong>Licht</strong>farbe<br />
hellweiß, tageslicht-weiß) müssen mindestens Beleuchtungsstärken <strong>von</strong> 300<strong>–</strong>400 Lux <strong>und</strong><br />
mehr „liefern“, um als angenehm empf<strong>und</strong>en zu werden.<br />
Umgekehrt soll also mit zunehmendem Beleuchtungsniveau <strong>und</strong> damit steigenden Leuchtdichten<br />
im Gesichtsfeld <strong>die</strong> Farbtemperatur des <strong>Licht</strong>es ansteigen, weil solche Kombinationen<br />
<strong>von</strong> der Urerfahrung her <strong>und</strong> physiologisch treffender harmonieren.<br />
So wie alle Organfunktionen des Menschen mit zunehmendem Alter nachlassen, nimmt auch<br />
<strong>die</strong> Leistungsfähigkeit des Auges mit steigendem Alter ab. Der Gr<strong>und</strong> dafür liegt in einer stetigen<br />
Verminderung der <strong>Licht</strong>durchlässigkeit der Augenoptik durch Erstarrung <strong>und</strong> Trübung<br />
der Hornhaut, der Linse <strong>und</strong> des Glaskörpers im Augeninneren. Die Folge da<strong>von</strong> ist, dass der<br />
<strong>Licht</strong>bedarf des Menschen steigt, um <strong>die</strong>selbe Sehleistung zu erreichen <strong>die</strong> ein „junges Auge“<br />
vollbringt. Die Verminderung der Transmissionseigenschaften der menschlichen Augenlinse<br />
mit zunehmendem Alter ist dabei <strong>nicht</strong> nur absolut feststellbar, sondern schreitet für kurze<br />
Wellenlängen (blaues <strong>Licht</strong>) schneller voran als für langwelliges rotes <strong>Licht</strong> (Abb. 12). Eine<br />
altersgerechte Beleuchtung muss also berücksichtigen, dass ab einem Alter <strong>von</strong> 50-60 Jahren<br />
vor allem der Blau-Weiß-Anteil des <strong>Licht</strong>es nahezu verdoppelt werden muss, um für Senioren<br />
eine ausreichende <strong>Licht</strong>menge zu gewährleisten.<br />
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Für <strong>die</strong> gleiche Sehleistung<br />
brauchen ältere Menschen<br />
bis zu 100% mehr <strong>Licht</strong> als<br />
jüngere!<br />
Da das Auge an das ausgewogene Spektrum<br />
des Sonnenlichts angepasst ist, kann es „einfärbiges“<br />
(monochromatisches) <strong>Licht</strong> nur sehr<br />
schwer verkraften. Dies gilt für reines Rotlicht<br />
<strong>und</strong> vor allem für reines Blaulicht. Wenn das<br />
visuelle System zu lange einer monochromatischen<br />
<strong>Licht</strong>quelle ausgesetzt ist, kann es zu<br />
bleibenden Fehlsichtigkeiten kommen.<br />
Allgemein gilt:<br />
Unter Blaulicht kann das Auge<br />
<strong>nicht</strong> scharf sehen!<br />
Nur rotes <strong>Licht</strong>, nur blaues <strong>Licht</strong>, das mag das Auge <strong>nicht</strong>!<br />
Abb. 14: Monochromatisches <strong>Licht</strong> (rot-blau)<br />
führt zu Fehlsichtigkeiten<br />
K NGRESS<br />
Gute Aussichten <strong>–</strong> Tageslicht in Gebäuden<br />
Abb. 12: Der <strong>Licht</strong>bedarf steigt mit<br />
dem Alter<br />
Abb. 13: Die Augen älterer Menschen<br />
können weniger <strong>Licht</strong> aufnehmen<br />
als <strong>die</strong> Augen junger<br />
Menschen<br />
Abb. 15: Chromostereopsie<br />
13
Abb. 16: Sieben Kriterien für gutes<br />
<strong>Licht</strong><br />
14<br />
Zusammenfassung<br />
Gutes <strong>Licht</strong> hat viele Gesichter!<br />
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