Gesellschaftliche Voraussetzungen der Erwachsenenbildung
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tisch sei, weil das höhere Alter eine gesellschaftlich undefiniert gelassene „rollenlose“<br />
Lebensphase sei. Es ist denkbar, daß sich in dieser These nur die Unangemessenheit<br />
einer rollentheoretischen Konzeptualisierung von Sozialisation<br />
zeigt. Allerdings wird sich wohl erweisen, daß auch an<strong>der</strong>e Sozialisationskonzepte<br />
für das höhere Alter nicht ohne weiteres anwendbar sind.<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Familie werden die relevanten Übergänge unter dem Konzept<br />
des Familienzyklus (vgl. GLICK 1978) als <strong>der</strong> typischen Folge von voneinan<strong>der</strong><br />
abgehobenen Personenkonstellationen im Lauf <strong>der</strong> Entstehung und Auflösung<br />
einer Familie analysiert. Entsprechende Studien gelten dem Übergang in die<br />
Ehe, in die Elternschaft, in die „nachelterliche Phase“ und in die Phase des Alleinlebens<br />
nach dem Verlust des Ehepartners durch Scheidung o<strong>der</strong> Tod (vgl.<br />
die Übersichten in NAVE-HERZ 1981). Im Zusammenhang mit dem Familienzyklus<br />
ist auch die Existenz eines „Wohnzyklus“ als typische Folge von Wohnformen<br />
postuliert worden (vgl. MATTHES 1978 a).<br />
Die gesellschaftliche Bedeutung von Statusübergängen wird durch Übergangsriten<br />
unterstrichen, mit denen die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Handlungserwartungen für<br />
den Betroffenen und seine Interaktionspartner klar markiert werden. Sie sind vor<br />
allem in <strong>der</strong> kulturanthropologischen Literatur thematisiert worden (vgl. BENE-<br />
DICT 1978). Für mo<strong>der</strong>ne Gesellschaften wird oft über eine Deritualisierung geklagt,<br />
wodurch die Sozialisation für die neuen Handlungserwartungen erschwert<br />
werde. Immerhin lassen sich noch gewisse rituelle Markierungen des Lebenslaufs<br />
ausmachen, beispielsweise durch die entsprechenden kirchlichen Amtshandlungen<br />
(vgl. MATTHES 1978 b).<br />
Im Arbeitsbereich sind innerhalb <strong>der</strong> beiden erwähnten Einschnitte – Beginn und<br />
Ende <strong>der</strong> Berufstätigkeit – auf den ersten Blick keine Verän<strong>der</strong>ungen in Form<br />
von Statusübergängen erkennbar. Dennoch ist es ein Mangel, daß die Sozialisationsforschung<br />
die Zeitstruktur des Arbeitslebens bisher nicht berücksichtigt<br />
hat, was durch folgende Überlegungen verdeutlicht werden kann (vgl. KOHLI<br />
1980). Es lassen sich drei Aspekte von Erwerbsarbeit unterscheiden, die sozialisierend<br />
wirken: Erstens ist Arbeit eine Folge einzelner Tätigkeiten, die sich im<br />
Alltag ständig wie<strong>der</strong>holen. Die Sozialisationswirkung <strong>der</strong> einzelnen Tätigkeit ist<br />
dabei verschwindend gering, nicht jedoch die <strong>der</strong> Kumulation dieser immer gleichen<br />
Tätigkeiten. Das bedeutet, daß erst nach einer beträchtlichen Dauer des<br />
Arbeitslebens mit relevanten Effekten zu rechnen ist. Zweitens treten technischorganisatorische<br />
o<strong>der</strong> wirtschaftliche Verän<strong>der</strong>ungen auf, die sich für den einzelnen<br />
als Verän<strong>der</strong>ung seiner Arbeitsbedingungen und -anfor<strong>der</strong>ungen, <strong>der</strong> sozialen<br />
Geltung seiner Arbeit und des mit ihr erzielbaren Einkommens auswirken<br />
können, im Extremfall auch als Arbeitslosigkeit. Letzteres kann als negativer und<br />
unerwünschter Statusübergang gelten. Diese Ereignisse treten während <strong>der</strong><br />
gesamten Dauer des Arbeitslebens auf, sind aber in ihren Auswirkungen stark<br />
altersspezifisch.<br />
Der dritte Aspekt betrifft nicht die betriebliche Organisation <strong>der</strong> beruflichen Laufbahn,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en subjektive Verarbeitung, zum Beispiel in Form <strong>der</strong> „subjektiven<br />
Zeitökonomie des Lebenslaufs“. Es kann angenommen werden, daß sich