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Verena Redmann - kd-kunst

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<strong>Verena</strong> redmann<br />

„eine Möhre MuSS Charakter haben“<br />

gegenüberliegende Seite<br />

„Apfel ‘Royal Gala’, Malus domestica“,<br />

Farbstift auf Papier, 2010,<br />

16 × 24 cm.<br />

unten<br />

„Küchenzwiebel ‘Stuttgarter Riesen’ Allium cepa“,<br />

Farbstift auf Papier, 2011,<br />

40 × 30 cm.<br />

Warum aber die aufwendige Technik der Farbstiftzeichnung?<br />

„Sie erlaubt mir, langsam, in meinem eigenen Tempo<br />

zu malen. Die Stifte kann ich jederzeit zur Seite<br />

legen und innehalten, um der Form, der genauen<br />

Farbe oder der Oberflächenstruktur nachzuspüren.“<br />

Darüber hinaus gibt es noch einen ganz praktischen<br />

Grund. „Ich hatte ja die kleinen Kinder und musste<br />

dauernd meine Arbeit unterbrechen. Beim Aquarellmalen<br />

ist das ein Problem, nicht bei den Farbstiften.<br />

Die lege ich einfach ab und fange wieder an, wo ich<br />

aufgehört habe. Ich konnte also jede freie Minute<br />

zum Zeichnen nutzen.“<br />

Die heute 60-Jährige lebt mit ihrer Familie in Nottuln,<br />

einem kleinen Ort bei Münster. Wegen der<br />

Kinder ist das Ehepaar aus der Stadtwohnung ins<br />

Reihenhaus in ländlicher Umgebung gezogen. Im<br />

kleinen Garten hat sie ein Gemüsebeet angelegt.<br />

Eigentlich hat sie mit Gartenarbeit nichts am Hut,<br />

doch das Beet ist ihr ungeheuer wichtig. Denn hier<br />

zieht sie das Gemüse, das sie zeichnen will.<br />

Zuvor aber möchte sie die Pflanzen während einer<br />

Wachstumsperiode studieren – von der Aussaat bis<br />

zum Verwelken. „Nur so kann ich meine Objekte<br />

kennenlernen und gut Freund mit ihnen werden.<br />

Vor allem muss ich die Blätter, Blüten und Früchte<br />

immer wieder zwischen die Finger nehmen können.<br />

Nur so kann ich malen, wie es sich anfühlt, die<br />

Pflanze anzufassen.“<br />

Einige Jahre wuchs das zeichnerische Talent ganz<br />

im Verborgenen. Da gab es zwar den befreundeten<br />

Kunstprofessor, der <strong>Verena</strong> <strong>Redmann</strong>s Anstrengungen<br />

mit kritischem Blick begleitete und korrigierte.<br />

„Ansonsten war es schwer hier, ganz allein in der<br />

Provinz. Ich hatte keine Ansprechpartner, keine<br />

Kollegen, an deren Arbeiten ich mich hätte messen<br />

können. Es gab keine Fortbildungsmöglichkeiten.<br />

Mir blieb nur die gut bestückte Münsteraner Stadtbibliothek.“<br />

Dann erschien im Jahr 2000 in der Zeitschrift Architektur<br />

& Wohnen ein Artikel über die bekannte Londoner<br />

Kunstsammlerin Shirley Sherwood, die sich der<br />

modernen Botanischen Malerei verschrieben hat,<br />

und <strong>Verena</strong> <strong>Redmann</strong> las mit Erstaunen und wachsender<br />

Freude von einer höchst lebendigen angelsächsischen<br />

Szene von Pflanzenkünstlern. „Mit diesem<br />

Artikel hat mein botanisches Leben eigentlich<br />

begonnen, denn mir wurde klar, dass ich mit meiner<br />

Kunst nicht alleine war. Das macht Mut!“ <strong>Verena</strong><br />

<strong>Redmann</strong> nahm Kontakt auf zur gestrengen britischen<br />

Society of Botanical Artists (s.S. 52) und zur American<br />

Society of Botanical Artists. Bei der wurde sie dann<br />

auch Mitglied und reist seither jedes Jahr zu den<br />

Kongressen in die USA und kann sich an der par-<br />

allel verlaufenden Ausstellung berauschen, in der<br />

Künstler aus aller Welt ihre Werke zeigen. „Um daran<br />

teilzunehmen, muss man sich bewerben. Wird<br />

man tatsächlich angenommen, weiß man: Jetzt habe<br />

ich einen bestimmten Standard erreicht.“<br />

<strong>Verena</strong> <strong>Redmann</strong> hat den Aufstieg in diese inter-<br />

nationale Liga geschafft. Und sie ist stolz darauf. Sie<br />

selbst zählt sich zu den eher traditionellen Künstlern<br />

in der aktuellen Szene der Botanischen Kunst. Sie<br />

legt Wert auf die wissenschaftliche Exaktheit ihrer<br />

Zeichnungen. Sie platziert ihre Objekte vor einem<br />

neutralen, weißen Hintergrund. Auch die Farbe<br />

muss genau stimmen. Und doch erlaubt sie sich<br />

Freiheiten. Es sind die unkonventionellen Bildausschnitte,<br />

die sofort auffallen.<br />

Da drängt sich die Küchenzwiebel<br />

‘Stuttgarter Riese’ stark vergrößert von links<br />

ins Bild, nur halb ist sie zu sehen,<br />

die andere Hälfte bleibt im Nirgendwo.<br />

Ähnlich der rotschalige Apfel ‘Royal Gala’. Der<br />

sitzt stark angeschnitten rechts unten in der Ecke<br />

und streckt seinen ungewöhnlich langen, geraden<br />

Stiel durchs Bild. „Der Stiel war für mich das eigentlich<br />

Interessante an diesem Supermarkt-Apfel“, sagt<br />

<strong>Verena</strong> <strong>Redmann</strong>. „Dieser Stiel unterscheidet meinen<br />

Apfel von hunderttausend anderen.“<br />

Solch eigenwillige Gewichtungen individueller<br />

Merkmale sind in der Botanischen Malerei eigentlich<br />

tabu, ein spontaner, dem Lustprinzip gehorchender<br />

und persönlicher Blick widerspricht dem wissenschaftlichen<br />

Auftrag, eine möglichst typische Pflanze<br />

mit allen für die Art charakteristischen Merkmalen<br />

abzubilden, damit man sie eindeutig identifizieren<br />

kann. <strong>Verena</strong> <strong>Redmann</strong> stellt dagegen nur die eine<br />

Zwiebel dar, die sie tatsächlich vor Augen hat.<br />

„Ich male ja nicht wie bei den Entdeckungsfahrten<br />

vergangener Jahrhunderte etwas ganz Neues. Erbsen<br />

und Möhren, Sellerie und Gurken – meine Motive<br />

sind doch alle schon zigmal gezeichnet worden.<br />

für natur und umwelt<br />

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