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Das Deutsche Kulturforum östliches Europa WDR: Alte und neue ...

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<strong>Das</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Kulturforum</strong> <strong>östliches</strong> <strong>Europa</strong><br />

<strong>WDR</strong>: <strong>Alte</strong> <strong>und</strong> <strong>neue</strong> Heimat (Ausstrahlung im Oktober)<br />

Ms: Doris Liebermann<br />

Red: Christiane Ebermaier<br />

Autorin:<br />

Der Hauptbahnhof in Potsdam wartet mit weltstädtischem Ambiente auf: modische<br />

Geschäfte, Zeitungskioske, Blumenläden, Bäcker, Supermärkte. Hektische Reisende.<br />

Über die Lange Brücke gelangt man zu einem Teil des alten Potsdam, dem Neuen<br />

Markt. Hier stehen großzügige Bürgerhäuser, die den Krieg überdauert haben. In<br />

einem dieser renovierten Häuser hat das „<strong>Deutsche</strong> <strong>Kulturforum</strong> <strong>östliches</strong> <strong>Europa</strong>“<br />

seinen Sitz. Direktorin ist die Slawistin <strong>und</strong> Kunsthistorikerin Hanna Nogossek.<br />

O-Ton Hanna Nogossek 1´45:<br />

<strong>Das</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Kulturforum</strong> wurde genau am 19. Dezember 2000 hier in Potsdam<br />

gegründet. Und es ist eine Institution, die im Zuge der Umgestaltung der<br />

Kulturförderung nach § 96 gebildet worden ist. Sie geht zurück auf die <strong>neue</strong><br />

Konzeption der Kulturförderung, die unter Herrn Staatsminister Naumann erarbeitet<br />

worden ist, <strong>und</strong> da, in dieser <strong>neue</strong>n Konzeption, wurde festgelegt, dass eine<br />

Institution zur Vermittlung des Wissens <strong>und</strong> Verbreitung von Kultur <strong>und</strong> Information<br />

über die deutsche Geschichte im östlichen <strong>Europa</strong> gegründet werden soll. Und so<br />

entstand im Dezember letzten Jahres diese Institution.<br />

<strong>Das</strong> heißt, die deutsche Geschichte oder die deutsche Kultur- oder Siedlungsgeschichte<br />

im östlichen <strong>Europa</strong> spielt hier eine wesentliche Rolle?<br />

Ja, das ist die Basis, auf der wir hier arbeiten. Davon gehen wir aus. <strong>Das</strong> ist eben die<br />

deutsche Geschichte im östlichen <strong>Europa</strong>, die auf eine lange Geschichte<br />

zurückblickt. 1000 Jahre haben wir in diesem Jahr gefeiert, Begegnung von Otto <strong>und</strong><br />

Boleslaw Chrobry in Gnesen. In Siebenbürgen ist es eine Geschichte, die ins<br />

Mittelalter zurückgeht. Mit Böhmen verbindet uns eine Geschichte, man muss nur an<br />

Karl IV. denken, es ist eine deutsche Geschichte <strong>und</strong> die Geschichte der Völker im<br />

östlichen <strong>Europa</strong> ist lang <strong>und</strong> sehr verwoben, <strong>und</strong> daran wollen wir erinnern, darauf<br />

wollen wir bauen, <strong>und</strong> zwar heutige Kulturbeziehungen in Erinnerung an das, was uns<br />

verbindet.<br />

Autorin:<br />

In den Ländern Osteuropas ist erst seit dem politischen Umbruch von 1989 ein<br />

tabuloser Umgang mit der deutschen Kultur <strong>und</strong> Geschichte in den alten historischen<br />

Siedlungsgebieten <strong>und</strong> auch mit der Vertreibung der <strong>Deutsche</strong>n nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg möglich. Bei Museen, Wissenschaftlern, Schriftstellern, Künstlern <strong>und</strong> auch<br />

Laien in Osteuropa gibt es heute großes Interesse, sich mit der deutschen Geschichte<br />

zu beschäftigen. Vor dem Krieg waren deutsche – <strong>und</strong> auch jüdische – Siedlungen<br />

im östlichen <strong>Europa</strong> weit verbreitet. Es gilt, das kulturelle Erbe dieser Regionen in all<br />

ihrer Vielschichtigkeit zu bewahren. Neben dem <strong>Deutsche</strong>n <strong>Kulturforum</strong> wird in<br />

Potsdam auch ein Lehrstuhl eingerichtet, der sich der deutsch-jüdischen Geschichte<br />

im östlichen <strong>Europa</strong> widmen wird.


Hanna Nogossek ist geradezu prädestiniert, den Kontakt zwischen Deutschland <strong>und</strong><br />

dem östlichen <strong>Europa</strong> herzustellen. Sie wurde in Oberschlesien geboren <strong>und</strong> lebte<br />

dort bis zu ihrem 16. Lebensjahr. Sie besuchte eine polnische Schule <strong>und</strong> reiste 1968<br />

mit ihrer Familie nach Würzburg aus. Nach dem Abitur studierte sie Slawistik, um<br />

sogleich ein zweites Studium der Kunstgeschichte anzuhängen. In ihrer Arbeit<br />

beschäftigte sie sich fast ausschließlich mit der ost- <strong>und</strong> ostmitteleuropäischen<br />

Kunstgeschichte <strong>und</strong> dem deutschen Anteil daran. Ausgenommen war nur ihr<br />

Promotionsthema: es stellte die Kunstszene in Würzburg <strong>und</strong> Unterfranken im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert dar. Ihre berufliche Laufbahn führte Hanna Nogossek auch zur<br />

Künstlergilde Esslingen.<br />

O-Ton Hanna Nogossek<br />

Bei der Künstlergilde war ich sogar zweimal. Nach dem Studium ein halbes Jahr <strong>und</strong><br />

im letzten Jahr, also ein ganzes Jahr. Und leider ist die Künstlergilde, zählt die<br />

Künstlergilde zu den Institutionen, denen die Förderung des Ministeriums entzogen<br />

wurde. Es ist einerseits sehr traurig. Es ist eine so alte Institution gewesen, über 50<br />

Jahre alt, die ganz wichtige Aufbauarbeit nach dem Krieg geleistet hat. Die Künstler,<br />

die ihr ganzes Werk verloren haben durch den Krieg, versammelt hat, <strong>und</strong> ihnen eine<br />

<strong>neue</strong> Heimat gegeben hat. Die Künstler haben sich gegenseitig unterstützt <strong>und</strong><br />

versucht, in ihrer <strong>neue</strong>n Heimat Wurzeln zu fassen. Nach 50 Jahren, können Sie sich<br />

vorstellen, dass sehr viele von diesen Künstlern schon gestorben sind, <strong>und</strong> die noch<br />

leben, sind schon sehr betagt. Und insofern ist es schwierig, mit diesen alten Künstlern<br />

noch eine Kunstarbeit, eine Galeriearbeit zu machen, wie das eine professionelle<br />

Künstlervereinigung machen müsste. Es ist schwierig. Die Künstlergilde ist ein Verein,<br />

der Großes geleistet hat, aber dessen Zeit wohl vorübergegangen ist. Also wir haben<br />

versucht, ein Jahr lang da einen <strong>neue</strong>n Geist einzuhauchen, es ist uns zu einem Teil<br />

gelungen, denke ich. Wir haben ein paar schöne Veranstaltungen gemacht, wir<br />

haben auch noch eine schöne Nummer der Zeitschrift „Die Künstlergilde“<br />

herausgebracht, aber letztendlich hat das Ministerium anders entschieden. Und es ist<br />

vielleicht irgendwo auch verständlich, dass das Ministerium so entschieden hat. Aber<br />

die Geschichte der Künstlergilde bleibt, <strong>und</strong> das ist sicherlich auch ganz wichtig. Es<br />

gehört zur Geschichte der Nachkriegs-B<strong>und</strong>esrepublik. <strong>Das</strong> auf jeden Fall.<br />

Autorin<br />

<strong>Das</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Kulturforum</strong> <strong>östliches</strong> <strong>Europa</strong> versteht sich nicht als Nachfolgerin der<br />

Künstlergilde Esslingen, des Ostdeutschen Kulturrates oder der Ostpreußischen<br />

Kulturstiftung, will aber Traditionen dieser Institutionen pflegen.<br />

Wenn alle Stellen besetzt sind, wird das <strong>Deutsche</strong> <strong>Kulturforum</strong> <strong>östliches</strong> <strong>Europa</strong> ab<br />

dem <strong>neue</strong>n Jahr mit internationalen Kulturinstitutionen, Museen, Universitäten <strong>und</strong><br />

Künstlerorganisationen zusammenarbeiten. Bei Tagungen, Sommerakademien,<br />

Lesungen, öffentlichen Diskussionen <strong>und</strong> Ausstellungen soll die deutsche <strong>und</strong> die<br />

deutsch-jüdische Kultur in Ostmittel-, Nordost-, Ost- <strong>und</strong> Südosteuropa einem<br />

interessierten Publikum vermittelt werden. Dabei ist sowohl an Wissenschaftler als<br />

auch an Laien gedacht. <strong>Das</strong> <strong>Kulturforum</strong> wird auch Publikationen fördern <strong>und</strong><br />

Stipendien an junge Künstler vergeben.<br />

Atmo: Bahnhof in Potsdam, darauf:<br />

Mit ihrem Aufbaustab von bislang sechs Mitarbeitern hat Hanna Nogossek seit<br />

diesem Sommer schon zwei Ausstellungen organisiert – <strong>und</strong> zwar im Hauptbahnhof<br />

Potsdam. Inmitten der vielen Geschäfte steht ein Supermarkt leer. Die Wände der


ohen, baustellenhaft wirkenden Räume laden geradezu ein, sie mit Bildern zu<br />

behängen.<br />

Die erste Foto-Ausstellung, die im Sommer eröffnet wurde, zeigte das Leben auf<br />

einem westpreußischen Gutshof um 1900 in der Kaschubei. Die zweite Ausstellung,<br />

die Mitte September eröffnet wurde, stellt Arbeiten des russischen Künstlers Igor<br />

Isajew vor. Isajew, Jahrgang 1959, ist Kaliningrader oder Neu-Königsberger. In seiner<br />

Kunst setzt er sich mit den Spuren des alten Königsberg auseinander. Vor einigen<br />

Jahren sah er Fotos alter Königsberger Kanaldeckel, die bis heute in der Stadt zu<br />

finden sind. Der Anblick der metallenen Platten, ihre vielfältige Struktur <strong>und</strong> die klaren<br />

geometrischen Zeichen faszinierten ihn. Er verwendete Fotos dieser alten<br />

Kanaldeckel als Gr<strong>und</strong>lage für seine Graphiken <strong>und</strong> zog collagenhaft auch Relikte<br />

des alten Königsberg hinzu, - zum Beispiel alte deutsche Briefe.<br />

O-Ton Igor Isajew, russisch<br />

In den Ruinen der im Krieg nicht völlig zerstörten deutschen Gebäude, erzählt Igor<br />

Isajew, fanden die <strong>neue</strong>n russischen Bewohner zum Beispiel deutsche Ansichtskarten<br />

oder Briefe. Sammler stellten sie Igor Isajew für seine künstlerische Arbeit <strong>und</strong> für<br />

Ausstellungen manchmal zur Verfügung. Solche Sachen, betont er, sind nicht in<br />

öffentlichen Archiven zu finden, sondern nur in Privatsammlungen.<br />

O-Ton russisch darunter hervor<br />

O-Ton Hanna Nogossek<br />

… <strong>und</strong> die dritte Ausstellung ist wieder eine Fotoausstellung von Kollegen in Allenstein<br />

erarbeitet, nennt sich “Atlantis des Nordens”, sie ist auch schon einmal gezeigt<br />

worden in Westdeutschland. Sie zeigt das untergegangene alte Ostpreußen auf<br />

Fotos des letzten Denkmalkonservators aus Königsberg. Diese Fotos werden in<br />

Warschau in der Akademie der Wissenschaften aufbewahrt <strong>und</strong> zeigen Objekte, die<br />

heute zum größten Teil nicht mehr existieren. Dazu gibt es auch einen dreisprachigen<br />

Katalog, <strong>und</strong> diese Ausstellung mit den Ausstellungsmachern werden wir hier<br />

gemeinsam in Potsdam präsentieren.<br />

Autorin<br />

Hanna Nogosseks Interesse gilt auch dem Balkan. Der sei viel zu sehr aus unserem<br />

Blickfeld geraten, findet sie.<br />

O-Ton Hanna Nogossek<br />

Gerade jetzt, wo auf dem Balkan eine sehr schwierige Phase stattfindet, dürfen wir<br />

Europäer nicht vergessen, dass wir auch eine Verantwortung haben, <strong>und</strong> wir<br />

<strong>Deutsche</strong>n sollten uns auch daran erinnern, dass sich da auch mal deutsche<br />

Geschichte abgespielt hat, dass da auch <strong>Deutsche</strong> gelebt haben. Und das kann uns<br />

heute eine Brücke sein zur Verständigung, mit Serbien, mit Kroatien, Rumänien dürfen<br />

wir nicht vergessen, Siebenbürgen, Banat. <strong>Das</strong> sind alles Brücken, denn die<br />

Menschen, die dort heute leben, sind sehr daran interessiert. Und das möchten wir<br />

hier mit unserer Arbeit auch vorantreiben.

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