August 2011 - Nossner Rundschau
August 2011 - Nossner Rundschau
August 2011 - Nossner Rundschau
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Um 1900 besaß Nossen und<br />
seine Umgebung eine Vielzahl<br />
von Gasthöfen als Treffpunkte<br />
für Tanz- und andere Veranstaltungen.<br />
Da war auch stets<br />
Musik gefragt. Eine der heute<br />
längst vergessenen Tanzmusikkapellen<br />
dieser Zeit war der<br />
um 1900 gegründete „<strong>Nossner</strong><br />
Conzertina-Chor“ unter Leitung<br />
von Kurt Friedrich aus<br />
Gruna. Das dominierende Instrument<br />
dieser Gruppe war die<br />
Harmonika ähnliche Konzertina,<br />
die 1834 von dem Chemnitzer<br />
Klarinettisten Carl Friedrich<br />
Uhlig erfunden wurde und um<br />
1900 große Popularität erlangte.<br />
Ihr Vorzug liegt gegenüber der<br />
Ziehharmonika in einem wesentlich<br />
höheren Ton umfang<br />
(bis 120). Das weitere Instrumentarium<br />
bestand aus Kornett,<br />
Trompete, Tuba, Klarinette<br />
und Schlagzeug. Später<br />
kamen noch Posaune und Bass -<br />
tuba (Sousaphon) dazu. Die<br />
Kapelle einschließlich ihres<br />
Leiters bestand ausschließlich<br />
aus engagierten Laienmusikern,<br />
vorwiegend Landwirte und<br />
Handwerker aus Gruna, Nossen<br />
und Umgebung. Notenkenntnisse<br />
und Spieltechniken<br />
eigneten sich die Musiker autodidaktisch<br />
an. Für das Zusammenspiel<br />
wurden gedruckte<br />
Notenheftchen benutzt, die getrennt<br />
für jedes Instrument von<br />
Musikverlagen angeboten wurden.<br />
Die künstlerische und organisatorische<br />
Leitung lag in<br />
den Händen des „Kapellmeisters“,<br />
der mehrere Instrumente<br />
beherrschte, die Musikstücke<br />
auswählte und in Proben (meist<br />
bei sich zuhause) einstudierte.<br />
Zum Repertoire gehörten zeitgenössische<br />
Tänze (Marsch,<br />
28<br />
Unsere Heimat vor 100 Jahren – Die Friedrich‘sche Musikkapelle<br />
<strong>Nossner</strong> <strong>Rundschau</strong> I <strong>August</strong> <strong>2011</strong><br />
Walzer, Polka, Galopp) sowie<br />
damals populäre Lieder und<br />
Volksmusik. Die meisten Titel<br />
wie auch ihre Komponisten<br />
sind heute unbekannt.<br />
Gespielt wurde an den freien<br />
Sonntagen zu Tanzveranstaltungen,<br />
Schul- und Vereinsfesten,<br />
oder zum „Jagdschmaus“ oder<br />
„guten Montag“. Zu Fuß oder<br />
per Fahrrad mit Musikinstrument<br />
wurde selbst in weit abgelegenen<br />
Orten, wie Ziegenhain,<br />
Mochau, Mutzschwitz, Seifersdorf<br />
u.a. musiziert. Beliebt waren<br />
aber auch die Gasthöfe in<br />
Saultitz, Raußlitz, Neubodenbach<br />
oder das Bergschlößchen.<br />
Schon 1904 hatte sich die Kapelle<br />
ausschließlich auf Blasmusik<br />
umgestellt und führte den<br />
Namen „Friedrich’sche Kapelle“.<br />
Die Zahl der Mitwirkenden war<br />
bis 1910 auf 18 gestiegen und<br />
betrug im 25. Jubiläumsjahr<br />
1929 sogar 21.<br />
Der Gründer und Leiter der<br />
Kapelle Kurt Friedrich wurde<br />
1883 in Gruna geboren. Die<br />
Geschichte seiner Familie lässt<br />
sich lückenlos bis 1778 zurückverfolgen.<br />
Das Musizieren wur-<br />
Friedrich‘sche Kapelle 1910 in Gruna anläßich des 27. Geburtstages von<br />
Kurt Friedrich (mittl. Reihe, 4. v.l.)<br />
<strong>Nossner</strong> Conzertina-Chor 1903 (Kurt Friedrich mittl. Reihe, 2. v. l.)<br />
de in der Familie seit Generationen<br />
gepflegt. Bereits sein<br />
Großvater Traugott Leberecht<br />
Friedrich wird 1844 anlässlich<br />
eines Rechtsstreits als „Pseudo-<br />
Musikus“ erwähnt. Damals beklagte<br />
sich der Nossener Stadtmusikus<br />
<strong>August</strong> Friedrich<br />
Thierfelder beim Gasthofsbesitzer<br />
Sachse in Gruna darüber,<br />
das bei einer Hochzeit mit<br />
Kindtaufe Tanzmusik durch<br />
Friedrich gehalten wurde, ohne<br />
ihn zuvor zu fragen. Thierfelder<br />
besaß als Stadtmusikus das<br />
Vorrecht, bei Hochzeiten,<br />
Kurt Friedrich um 1920<br />
Kindtaufen, Familienfesten und<br />
privaten Ereignissen in Nossen<br />
und den dazugehörigen Kirchdörfern<br />
die Musik auszurichten.<br />
Doch 2 Jahre später erlaubte<br />
sich Gastwirt Sachse erneut,<br />
„durch Friedrich u. Cons.<br />
(3 Musiker) beim Erntefest<br />
oder sogenannten guten Montag<br />
Musik zu halten“.<br />
Kurt Friedrich war gelernter<br />
Zimmermann, übernahm 1914<br />
die elterliche Wirtschaft und<br />
war ab 1919 bis zur Gemeindereform<br />
1935 auch Bürgermeister<br />
der Gemeinde Gruna. In<br />
Die Kapelle Friedrich im Jubiläumsjahr 1929, aufgenommen vermutlich in der<br />
Gaststätte Bergschlößchen<br />
Notenheft mit 22 Titeln für die Orchesterstimme „Tromba“ (Trompete),<br />
um 1910