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Text und Nachweise - htwg konstanz

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übergeben. Am 24. Januar 1601 zogen die Missionare<br />

in Peking ein – geehrt wie ausländische Diplomaten<br />

– <strong>und</strong> am folgenden Tag wurden die ersten europäischen<br />

Kunstwerke dem Kaiser überreicht. 6)<br />

Die Kunst als Werkzeug der Mission<br />

Der Kaiser war, wie Ricci schreibt, tief beeindruckt.<br />

Er schenkte das Madonnenbild seiner Mutter, <strong>und</strong> die<br />

Gottesmutter im Himmel wird verständnisvoll gelächelt<br />

haben, als die alte, fromme Buddhistin vor ihrem<br />

Bild die Guanyin anbetete, die chinesisch - buddhistische<br />

Göttin der Barmherzigkeit – in Gestalt der Madonna<br />

mit dem Jesuskind.<br />

Das Bild, das beinahe W<strong>und</strong>er gewirkt hatte, war<br />

wahrscheinlich eine Kopie einer Madonna aus dem<br />

6. Jahrh<strong>und</strong>ert in der Kirche Santa Maria Maggiore in<br />

Rom „Die Jungfrau des Heiligen Lukas“. Es erregte<br />

großes Erstaunen auch außerhalb des Hofes. 1615 ist<br />

ein Bericht eines chinesischen Gelehrten überliefert,<br />

der Riccis Bilder beschreibt: Li Madou [Matteo Ricci]<br />

brachte ein Bild des Herrn des Himmels in der Art der<br />

westlichen Länder mit; es ist eine Frau die ein Kind in ihren<br />

Armen hält. Die Augenbrauen <strong>und</strong> die Augen, die Falten<br />

ihres Kleides sind so klar, als ob sie in einem Spiegel reflektiert<br />

würden. Und sie scheinen sich frei zu bewegen. Es ist<br />

von einer Majestät <strong>und</strong> Eleganz, die die chinesischen Maler<br />

nicht erreichen. 7)<br />

Von Anfang an erkannten Ricci <strong>und</strong> seine Gefährten<br />

die Bedeutung der Kunst für die Mission. Geschickt<br />

nutzen sie das Erstaunen der Chinesen über die Art<br />

der Bilder, um Interesse an ihrem Inhalt zu wecken,<br />

denn sie boten eine einzigartige Möglichkeit, biblische<br />

Geschichten zu erklären. Dabei erwiesen sich<br />

Kupferstiche praktischer als Ölgemälde. Sie waren in<br />

Büchern leichter zu beschaffen, zu transportieren <strong>und</strong><br />

leichter in chinesische Holzdrucke zu übertragen <strong>und</strong><br />

zu vervielfältigen. 8)<br />

Bereits 1598 schrieb Riccis Gefährte Pater Nicolò<br />

Longobardo nach Rom <strong>und</strong> bat um Zusendung von<br />

Pater Nadals prachtvoll illustriertem Werk „Evangelicae<br />

historiae imagines“ (Bilder zu den Geschichte<br />

der Evangelien): Vor allem den Analphabeten zu helfen<br />

– schrieb Longobardo – würde es besonders nützlich<br />

sein, wenn Sie uns einige Bücher mit Glaubensgestalten,<br />

den Zehn Geboten ... usw. schicken könnten. Hier betrachtet<br />

man alle diese Bücher als sehr kunstvoll <strong>und</strong> fein, weil sie<br />

Schatten verwenden, der in der chinesischen Malerei nicht<br />

existiert. 9)<br />

Erste Drucke europäischer Bilder in China – erste<br />

europäische Spuren in der chinesischen Kunst<br />

1605 richtete auch Ricci eine Bitte um Kupferstiche<br />

nach Europa. Gegen Ende des gleichen Jahres bat ein<br />

chinesischer Gelehrter, Cheng Dayue, Ricci um einige<br />

europäische Stiche, da er ein Musterbuch von<br />

gedruckten Illustrationen zusammenstellen wollte.<br />

Ricci überließ ihm vier Bilder mit biblischen Motiven,<br />

darunter als schönstes abermals ein Madonnenbild.<br />

Kreuzigungsszenen suchen wir in solchen<br />

frühen chinesischen Missionsdrucken vergebens. Spätestens<br />

seit ihren Abenteuern in Liqing <strong>und</strong> Tianjin<br />

wussten Ricci <strong>und</strong> seine Gefährten, welche Bilder sie<br />

den Chinesen zeigen konnten <strong>und</strong> welche sie besser<br />

zurückhielten. 10)<br />

Der Kölner Jesuitenpater Johann Adam Schall von Bell<br />

(1592 - 1666), ein vorzüglicher Mathematiker <strong>und</strong> Astronom<br />

<strong>und</strong> mehrere Jahre lang einer der Regenten<br />

Chinas, gehört neben Ricci zu den herausragenden<br />

Gestalten der Chinamission. 1640 überreichte er dem<br />

letzten Ming - Kaiser ein Bilderalbum zum Leben<br />

Christi, in das er gewagt hatte, eine Kreuzigungsszene<br />

aufzunehmen. Die Reaktion darauf blieb nicht aus:<br />

Das Bild wurde in einer christenfeindlichen Schrift<br />

nachgedruckt mit der Erklärung: Dies wird der ganzen<br />

Welt zeigen, dass Jesus kein gerechter <strong>und</strong> gesetzestreuer<br />

Mensch war, sondern ein aufrührerischer Rebellenführer, der<br />

für schuldig bef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> hingerichtet wurde.<br />

Die Missionare brachten nicht nur Bilder bib-<br />

lischer Szenen nach China. Unter Riccis Geschenken<br />

an den Kaiser befand sich der große Atlas der Welt<br />

von Abraham Ortelius (1579) „Theatrum Orbis Terrarum“<br />

mit fünf großen Kupferstichen, darunter einer<br />

von Kaiser Karls V. spanischem Prachtbau Escorial.<br />

Ricci schrieb nach Europa <strong>und</strong> bat um die Zusendung<br />

weiterer Bücher über Städte <strong>und</strong> Paläste. So kamen<br />

mehrere Bände des umfangreichen Werks von<br />

Braun <strong>und</strong> Hogenberg „Civitates Orbis Terrarum“<br />

(Die Städte des Erdkreises, 1572 - 1616) nach Peking.<br />

Zum ersten Mal erkennen wir in einem chinesischen<br />

Landschaftsbild aus dem Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

den Einfluss eines europäischen Kupferstichs, eines<br />

Bildes von Frankfurt..<br />

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