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Zwischen Euphorie und Ernüchterung Internationale Märkte

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BauWIRTSCHaFT<br />

<strong>Zwischen</strong> <strong>Euphorie</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Ernüchterung</strong><br />

<strong>Internationale</strong> <strong>Märkte</strong>. Von Chinas Bauboom profitieren<br />

hauptsächlich jene österreichischen Firmen, die etwas<br />

anbieten, was man im Land selbst noch nicht kann.<br />

am 27. Februar gab der chinesische<br />

Baumaschinenhersteller Sany<br />

Heavy Industry in Changsha ein<br />

großes Fest zu Ehren seiner Salzburger<br />

Gäste – Edelweißklänge vom „So<strong>und</strong>-of-<br />

Music“-Film inklusive. Am nächsten Tag<br />

unterzeichneten die Palfinger-Vorstände<br />

Herbert Ortner <strong>und</strong> Christoph Kaml sowie<br />

Eigentümervertreter Hubert Palfinger<br />

jun. zwei Joint-Venture-Verträge mit Sany-<br />

Group-Präsident Xiuguo Tang. Selbst der<br />

reichste Mann Chinas, Liang Wengen,<br />

Gründer <strong>und</strong> Eigentümer von Sany, reiste<br />

von Peking an, um die Österreicher kennenzulernen.<br />

Palfinger wird mit Sany in Changsha<br />

für den chinesischen Markt produzieren<br />

<strong>und</strong> Sany wird mit Palfinger von Salzburg<br />

aus Sany-Produkte im Westen vermarkten.<br />

Je 100 Millionen Euro investieren Palfinger<br />

<strong>und</strong> Sany in den kommenden drei Jahren<br />

in das Joint Venture – <strong>und</strong> in die Hoffnung<br />

einer glorreichen Zukunft. „China wird<br />

unser zweiter Heimmarkt werden“, sagt<br />

Herbert Ortner. Ein Drittel des Umsatzes<br />

soll künftig in China erzielt werden. Liang<br />

Wengen wiederum betont, wie profitabel<br />

die Kooperation für ihn ist: „Wir werden<br />

Palfingers dichtes internationales Service-<br />

<strong>und</strong> Vertriebsnetz nutzen, um aus chinesischer<br />

Perspektive die Globalisierung von<br />

Sany zu forcieren.“ Das Joint Venture werde<br />

einen „bedeutenden Beitrag zum schnellen<br />

<strong>und</strong> nachhaltigen Wachstum von Sany<br />

leisten – schon heute ist das Unternehmen<br />

der größte Hersteller von Baumaschinen in<br />

China <strong>und</strong> der siebtgrößte weltweit.<br />

„Man wird oft hinausgeekelt“<br />

In der Anfangsphase sind die meisten österreichischen<br />

Unternehmer euphorisch,<br />

betört vom ungeheuerlichen Wachstumstempo<br />

in China <strong>und</strong> von den möglichen<br />

Chancen. Doch wenn klar wird, dass<br />

sich die dortigen Unternehmen ihre Partner<br />

unter einem knallharten Nutzenaspekt<br />

für den eigenen Profit aussuchen,<br />

bricht die große Enttäuschung aus. „Man<br />

wird oft hinausgeekelt“, sagt der Tiroler<br />

Architekt Joachim Wieser. Seit 2006 lebt<br />

er großteils in Peking, erst als Architekt<br />

des deutsch-chinesischen Planungsbüros<br />

GET, ab 2009 als Projektteilhaber an<br />

Modul 16 Architects, das von einem deutschen<br />

Architekten geleitet wird.<br />

Schon der Markteinstieg gestaltet sich<br />

oft langwierig. Seit einem Jahr ist ein<br />

oberösterreichischer Unternehmer am<br />

Sprung. Sein potentieller chinesischer<br />

Partner ist westlich gebildet, spricht<br />

mehrere Sprachen fließend, war bereits<br />

bei ihm in Österreich <strong>und</strong> zeigte sich von<br />

der hiesigen Technologie begeistert. Der<br />

Oberösterreicher, der hier ungenannt<br />

bleiben möchte, reiste mehrmals nach<br />

China. Im Prinzip ist man einig, doch<br />

Vertrag gibt es noch keinen. Was den<br />

Oberösterreicher, der ein eher kleineres<br />

Unternehmen führt, nun doch schon ein<br />

wenig unruhig macht.<br />

Rückzug aus China<br />

Über langjährige China-Erfahrung verfügt<br />

Alpine. Der Baukonzern ist seit den<br />

1990er Jahren bei zahlreichen Großprojekten<br />

engagiert. Doch nun, nach<br />

der Fertigstellung des letzten großen<br />

Tunnelbaus Ende 2011, ist Alpine eher<br />

auf dem Rückzug. „Derzeit bieten wir am<br />

Festland China keine Tiefbauprojekte an“,<br />

sagt Meik Müller, Asien-Bereichsleiter<br />

bei Alpine. „In Hongkong ja, dort ist das<br />

Preisniveau höher <strong>und</strong> der Markt anders.“<br />

Man wolle sich spezialisieren <strong>und</strong> nach Nischen,<br />

etwa im Umweltschutz, suchen. Nur<br />

der Hochbau läuft weiter. 130 Beschäftigte<br />

hat Alpine derzeit in China, vor einigen<br />

Jahren waren es dreimal so viele.<br />

So richtig eingestiegen ist Alpine 1997<br />

mit einem von der Weltbank finanzierten<br />

Infrastrukturprojekt. Das Konsortium, an<br />

dem Alpine beteiligt war, wurde beauftragt,<br />

zwei unterirdische Pumpenstationen<br />

zu bauen. Das Ganze war Teil eines<br />

gigantischen, über 50 Jahre angelegten<br />

Vorhabens, das unter dem Titel „Shanxi<br />

Wanjiazhai Yellow River Diversion Project“<br />

läuft. Dabei wird ein Teil des Wassers<br />

des Gelben Flusses in eine 170 Kilometer<br />

entfernte, sehr trockene <strong>und</strong> stark besie-<br />

delte Industrieregion umgeleitet. 2003<br />

kaufte Alpine die China-Aktivitäten des<br />

insolvent gewordenen deutschen Baukonzerns<br />

Philipp Holzmann <strong>und</strong> erwarb<br />

damit ein starkes Hochbau-Geschäft.<br />

Zwei Jahre später erhielt Alpine einen<br />

neuerlichen Auftrag im Rahmen des<br />

Wasserumleitungsprojekts. Nun sollte<br />

ein 25 km langer Wasserleitungstunnel<br />

durch geologisch sehr komplexes Gebiet<br />

gebohrt werden. Der Bau des Tunnels<br />

dauerte bis Ende letzten Jahres, der Auftrag<br />

kam auf 54 Millionen Euro.<br />

Trotz der vergangenen Erfolge sieht<br />

Meik Müller wenig Chancen für weitere<br />

Infrastrukturaufträge in China. Das<br />

Preisniveau divergiere viel zu stark. Lediglich<br />

für technisch sehr komplexe Pro-<br />

Alpine hat schon zahlreiche<br />

Bauten ins<br />

Reich der Mitte gestellt,<br />

Palfinger will China mit<br />

einem 100-Millionen-<br />

Joint-Venture heben.<br />

Industriebau<br />

22 Nr. 4 | April 2012 Nr. 4 | April 2012<br />

23<br />

Generalunternehmer<br />

Sonderkonstruktionen<br />

Produktionshalle Polierplanung<br />

Sondergründungen<br />

Andockrampen<br />

Kompetenz schlüsselfertig<br />

Qualität Professionistenarbeiten<br />

Stahlbetonbau<br />

Brandschutz<br />

Planung Bürobau Garagen<br />

Fertighalle Stahlbau Werkhalle<br />

Baumeisterarbeiten<br />

Betonbau Einreichplanung<br />

Spezialtiefbau Gewerbebau Statik<br />

Außenanlagen<br />

Lagerhalle<br />

Hallenbau<br />

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Fertigteilbau<br />

Sichtbetonbau


BauWIRTSCHaFT<br />

jekte werde wohl weiter Know-how aus<br />

Europa geholt werden.<br />

Auch das Linzer Ingenieurbüro D2<br />

Consult, das ab den 1990er Jahren bis circa<br />

2009 viele Engineeringaufträge für Tunnelbauten<br />

<strong>und</strong> Wasserversorgungsanlagen<br />

in China durchführte, hat sich zurückgezogen.<br />

„Derzeit verfolgen wir keine Angebote<br />

aus China“, sagt D2-Consult-Mitarbeiterin<br />

Marianne Walchshofer. „Das hat die<br />

Geschäftsführung so entschieden.“<br />

Anders sieht es im Hochbau aus. Da<br />

gibt es Nischen, wo chinesische Bauunternehmer<br />

trotz ihrer viel niedrigeren<br />

Preise nicht reüssieren. Denn europäische<br />

Unternehmen, die in China Büros<br />

<strong>und</strong> Fabriken bauen, vertrauen sich lieber<br />

europäischen Bauunternehmen <strong>und</strong><br />

Architekten an. „Die Europäer erwarten<br />

Vertragstreue <strong>und</strong> Qualität. Chinesische<br />

Baufi rmen sagen oft alles zu, doch das<br />

Ergebnis sieht anders aus“, so Müller.<br />

Derzeit baut Alpine u. a. Fabriken für<br />

Mannesmann, Jakob Müller, Sanofi Aventis<br />

<strong>und</strong> Hörmann sowie das Botschaftsgebäude<br />

für Estland.<br />

„Deutsche“ Qualität punktet<br />

Auch das deutsch-österreichische Architekturbüro<br />

Modul 16 Architects richtet<br />

einen Teil seiner Aufmerksamkeit auf<br />

europäische Auftraggeber. Siemens etwa<br />

war unzufrieden mit den chinesischen<br />

Planern seines neuen Hauptstandortes in<br />

Chengdu <strong>und</strong> zog Modul 16 Architects zu<br />

Hilfe. Für den Auftrag ist Architekt Joachim<br />

Wieser dankbar, aber das Ergebnis<br />

befriedigt ihn dennoch nicht. „Die Europäer<br />

sollten mit gutem Beispiel vorangehen<br />

<strong>und</strong> westliche Gebäudestandards<br />

durchziehen. Leider werfen sie die gesetzten<br />

Ziele aufgr<strong>und</strong> der Kosten oft über<br />

Bord.“ Harte Worte für die K<strong>und</strong>en, doch<br />

Wieser relativiert gleichzeitig seine Kritik.<br />

Die chinesischen Planungspartner hätten<br />

meist wenig Verständnis oder Know-how<br />

für die in Europa mittlerweile übliche<br />

Bauqualität.<br />

Lediglich Chinesen, die selber im<br />

Ausland gelebt oder aus anderen Gründen<br />

einen weiten Horizont haben, seien<br />

bereit, für die höhere Bauqualität auch<br />

mehr zu zahlen. Dabei punktet aber<br />

„deutsch“, nicht „österreichisch“. „In<br />

China hat deutsche Qualität einen hohen<br />

Stellenwert“, sagt Wieser. „Austria<br />

wird eher mit Umwelttechnologie assoziiert.“<br />

Das hänge auch damit zusammen,<br />

dass deutsche Bauzulieferfi rmen<br />

schon seit längerer Zeit in China produzieren<br />

<strong>und</strong> die deutsche Autobranche<br />

sehr präsent ist.<br />

Paradebeispiel: Der Bauherr von zwei<br />

Wohnhochhäusern, Zhuhai Hengda Real<br />

Estate Development, hörte auf die Empfehlungen<br />

der Modul-16-Architekten <strong>und</strong><br />

ließ sie einen für China überdurchschnittlich<br />

hohen Baustandard realisieren. Die<br />

Türme wurden mit Sto-Vollwärmeschutz,<br />

Schüco-Fenstern <strong>und</strong> Hörmann-Türen ausgestattet<br />

– alles deutsche Produkte, die in<br />

China produziert werden.<br />

Den derzeitigen Baustandard im<br />

Reich der Mitte sieht Wieser nüchtern:<br />

„Selbst der Baustandard, den wir Mitte<br />

„China wird zum<br />

größten Markt für uns.“<br />

Palfi nger-Chef Herbert Ortner<br />

der 1990er Jahre hatten, überfordert die<br />

Chinesen in fi nanzieller Hinsicht <strong>und</strong><br />

im technisch-handwerklich Machbaren.<br />

Es gibt nicht genügend kluge Köpfe, die<br />

einen Bau in seiner ganzen Lebensdauer<br />

betrachten.“<br />

Die Zeit fl ießt, doch in China macht sie<br />

Sprünge<br />

Die Entwicklung zum energieeffi zienten<br />

Bauen verläuft möglicherweise schneller<br />

als man gemeinhin annimmt. Denn im<br />

gerade angelaufenen zwölften Fünfjahresplan<br />

wird eine kohlenstoffarme Wirtschaft<br />

als explizites Ziel genannt. Acht<br />

Städte <strong>und</strong> viele Regionen sollen sie modellhaft<br />

entwickeln. In bewährter Weise<br />

holt sich China die beste Technologie, wo<br />

dieselbe zu fi nden ist – z. B. in Österreich.<br />

Seit einem Jahr herrscht eine rege Reisetätigkeit<br />

zwischen Wien <strong>und</strong> Nanchang,<br />

einer Fünf-Millionen-Stadt im Südosten<br />

Chinas. Das Energiedepartment des Aust-<br />

rian Institute of Technology arbeitet mit<br />

dem Bürgermeister, den Stadtplanern<br />

<strong>und</strong> vielen anderen Personen daran, Nanchang<br />

zu einer energieeffi zienten Modellstadt<br />

zu machen. „Im vergangenen Jahr<br />

haben wir die Stadtplanung wissenschaftlich<br />

begleitet“, sagt AIT-Energy-Leiterin<br />

Brigitte Bach. „Wir haben angeregt, über<br />

polyzentrische Stadtentwicklung nachzudenken<br />

statt alles auf ein einziges Zentrum<br />

zu konzentrieren <strong>und</strong> weit draußen<br />

in der Peripherie Wohnstädte zu bauen.“<br />

Eingeleitet wurde die Kooperation auf der<br />

Expo in Schanghai im Oktober 2010.<br />

Österreichs Vorreiterrolle in Sachen<br />

Energieeffi zienz ist der chinesischen<br />

Regierung schon länger bekannt. Eine<br />

Schlüsselrolle dabei spielt Botschaftsrat<br />

Ye Jianzhong, der bis Februar Wissenschaftsexperte<br />

der chinesischen<br />

Botschaft in Wien war <strong>und</strong> das energieeffi<br />

ziente Bauen aufmerksam verfolgte.<br />

Er war es, der den chinesischen<br />

Parlamentspräsidenten Wu Bangguo bei<br />

dessen Wien-Besuch im Mai 2009 in ein<br />

kleines Bürogebäude führte, das etwas<br />

verloren hinter alten Industriegebäuden<br />

in Wien Floridsdorf steht. Es nennt sich<br />

Energybase <strong>und</strong> benötigt nur ein Fünftel<br />

der Energie eines herkömmlichen Bürogebäudes.<br />

„So etwas wollen wir auch“,<br />

sagte Wu damals zur Architektin Ursula<br />

Schneider, die das Gebäude geplant hatte.<br />

Auch der Architekt Klaus Duda hat<br />

bereits mehrere chinesische Besucher<br />

in eine von ihm geplante Passivhaus-<br />

Wohnanlage in Wien geführt. Nach der<br />

zweiten Einladung, doch nach China zu<br />

kommen, unternahm er mit seinem Büropartner<br />

die erste Reise. Mittlerweile hat<br />

sein Architekturbüro DTS zwei Studien<br />

für Stadterweiterungen in Shangli <strong>und</strong><br />

Minquan erstellt, <strong>und</strong> mit der Universität<br />

Nanchang gibt es eine Absichtserklärung,<br />

ein Laborgebäude auf Energieeffi zienz zu<br />

trimmen.“ Ob sich der Einsatz fi nanziell<br />

lohnen wird, weiß Duda noch nicht. Vorerst<br />

zählt für ihn auch das Wissen, etwas<br />

Sinnvolles zu tun. „Wenn wir energieeffi<br />

zientes Bauen nach China bringen, in<br />

welcher Qualität auch immer, tun wir für<br />

den Klimaschutz mehr, als wenn wir hier<br />

irgendwo auf dem Land ein Passivhaus<br />

bauen.“ (me)<br />

Hotel made in China in 360 St<strong>und</strong>en<br />

China dreht auf. Eine südchinesische Baufi rma errichtet ein 30-stöckiges Hotel in exakt<br />

15 Tagen – angeblich schlüsselfertig. Das Internetvideo dazu verzeichnet wenige Wochen<br />

später 4,5 Mio. Zugriffe aus der ganzen Welt. Wir gehen dem Wirbel auf den Gr<strong>und</strong>.<br />

an allem, was aus China kommt,<br />

klebt automatisch dieses Image: Billig,<br />

schlecht <strong>und</strong> raubkopiert. Zwar<br />

verfolgte die Welt viele Jahre mit ungläubigem<br />

Staunen, wie man vom Entwicklungsland<br />

zur zweitgrößten Volkswirtschaft<br />

aufstieg – doch das Label „Made<br />

in China“ kämpft bis heute um Anerkennung.<br />

Das ist auch bei der Baufi rma Broad<br />

Sustainable Building in der Südprovinz<br />

Hunan nicht anders. BSB will vor allem<br />

eines sein: Rasend schnell. Und genau in<br />

diesem Punkt scheint ihr ein erster Erfolg<br />

gelungen zu sein – auf dem Bau, <strong>und</strong> wohl<br />

noch mehr in Sachen Eigenwerbung.<br />

Das Unternehmen mit 900 Mitarbeitern<br />

veröffentlichte im Jänner ein Video<br />

seines jüngsten Bauprojekts. Zu sehen ist<br />

im kaum dreiminütigen Clip die Arbeit<br />

auf einer Baustelle im Zeitraffer. Dazu informierten<br />

die Chinesen einige englischsprachige<br />

Fachblätter. Zwei Wochen später<br />

erschien ein kurzer Text in den Londoner<br />

„World Architecture News“ mit einem<br />

Verweis auf das Video. Es sollte nicht bei<br />

diesem Bericht bleiben. Heute fi nden sich<br />

im Internet Artikel aus den USA, Deutschland,<br />

der Türkei <strong>und</strong> mehreren Ländern<br />

Asiens sowie unzählige Blogeinträge. Und<br />

zwei Monate nach Veröffentlichung zählt<br />

das betreffende Filmchen auf dem Videoportal<br />

YouTube satte 4,5 Mio. Zugriffe. Darunter<br />

fi nden sich Kommentare auf Englisch<br />

<strong>und</strong> Spanisch neben chinesischen<br />

<strong>und</strong> arabischen Schriftzeichen – <strong>und</strong> gelegentlich<br />

Flüche auf Russisch, <strong>und</strong> zwar aus<br />

der untersten Schublade.<br />

Was ist da los?<br />

Der Bau ist weder ein weiteres Projekt<br />

eines eines Stararchitekten noch eine aufsehenerregende<br />

Konstruktion. „Es ist die genickbrechende<br />

Geschwindigkeit“, schreiben<br />

„World Architecture News“. Diese<br />

Eckdaten sind die Erklärung hinter dem<br />

Hype: Ein Hotel mit 30 Stockwerken <strong>und</strong><br />

einer Nutzfl äche von 17.000 m2 , von 200<br />

Mann errichtet in exakt 360 St<strong>und</strong>en. Vor<br />

dem Zeitraum von 15 Tagen gab es nichts<br />

als das F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> darum herum<br />

rotbraune Erde. Am Ende steht das Haus –<br />

<strong>und</strong> zwar schlüsselfertig, Deckchen auf<br />

den Hotelbetten inklusive. Bei der Arbeit<br />

sind Schwertransporter zu sehen, die<br />

Stahlteile liefern. Das Stahlgerüst wird<br />

vor Ort zusammengebaut, dann kommen<br />

vorgefertigte Wand- <strong>und</strong> Deckenelemente<br />

inklusive Haustechnik hinein. BSB<br />

vermeldet, dass es besonders nachhaltig<br />

sei <strong>und</strong> einem Erdbeben der Stärke 9<br />

auf der Richterskala widerstehen kann.<br />

Außerdem habe man 2011 ein ähnliches<br />

Projekt mit 15 Stockwerken in einer Woche<br />

gebaut. Und das ist auch noch nicht<br />

umgefallen, hört man.<br />

Allerdings hat kaum einer der Millionen<br />

Kommentatoren je selbst die<br />

Baustelle gesehen. SOLID fragte einen<br />

Experten nach seinem Urteil: Professor<br />

Josef Fink, Vorstand am Institut für<br />

Tragkonstruktionen der TU Wien. „Dass<br />

alles in dieser Zeit schlüsselfertig ist,<br />

kann ich mir nicht vorstellen, zumal<br />

nicht nach europäischen Standards“, sagt<br />

Fink. „Aber allein wenn in 15 Tagen der<br />

Rohbau inklusive Fassade <strong>und</strong> Vorinstallationen<br />

steht, wäre diese Leistung sensationell.“<br />

Das Projekt sei ein sehr gutes<br />

Beispiel dafür, so Fink, welche Schnelligkeit<br />

mit dem Stahlbau möglich ist – hohen<br />

Vorfertigungsgrad vorausgesetzt.<br />

„Damit dieses Baukastenprinzip<br />

funktioniert, ist höchste Präzision<br />

nötig, natürlich auch eine<br />

ausgeklügelte Logistik.“ Es<br />

sei offenbar ein Pilotprojekt<br />

gewesen, vermutet<br />

Fink: „Man<br />

wollte hier<br />

zeigen, was<br />

man kann. Koste es, was es wolle.“ Tatsächlich<br />

kündigt BSB-Sprecher Zhang<br />

Yue an, Dutzende dieser Projekte in Serie<br />

umsetzen zu wollen. Man stehe derzeit<br />

in Verhandlungen mit fremden Baufi rmen,<br />

auch international. Wohin es gehen<br />

soll, formuliert der Mann mit chinesischer<br />

Bescheidenheit: „Unsere Vision ist,<br />

dass in naher Zukunft jedes dritte Haus<br />

weltweit ein Haus von BSB ist.“<br />

Den Anfang soll der Heimatmarkt<br />

machen: 20 dieser Hotels sollen schon<br />

2013 in China errichtet werden. Im Idealfall<br />

stehen sie dann nicht allzu nah<br />

an den leerstehenden, nur zu Spekulationszwecken<br />

gebauten chinesischen<br />

Geisterstädten.<br />

Freilich könnte das Vorhaben auch<br />

auf China beschränkt bleiben. In der von<br />

US-Amerikanern dominierten Diskussion<br />

im Internet mischen sich Bew<strong>und</strong>erung<br />

<strong>und</strong> Spott. „Ich kann es kaum erwarten,<br />

in diese Kiste einzuziehen“,<br />

schreibt einer. Ein anderer<br />

formuliert es weniger ironisch:<br />

„Darin leben?<br />

Nein danke.“ (pm)<br />

Mehr Fotos auf<br />

www.solidbau.at<br />

24 Nr. 4 | April 2012 Nr. 4 | April 2012<br />

25

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