Allgemeinmedizin im Wandel der Zeit - maderallgemeinmedizin.de
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mend an öffentlicher Aufmerksamkeit. Eine Krankheit wird <strong>de</strong>mnach als selten eingestuft,<br />
wenn sie weniger häufig ist als einmal auf 2.000 Personen. Die Zahl solcher darunter fallen<strong>de</strong>n<br />
Entitäten beläuft sich <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit auf 6.000 bis 7.000. In Deutschland sind etwa 4 Millionen<br />
Menschen von einer als selten eingestuften Erkrankung betroffen (30). Damit Sie einen Eindruck<br />
bekommen: Allein die medikamentösen Behandlungskosten liegen je nach Krankheit<br />
und Medikament zwischen 15.000 und über eine halbe Million Euro. Wohlgemerkt pro Jahr<br />
und pro Patient. Da n<strong>im</strong>mt sich die gegenwärtige Diskussion um die zunehmen<strong>de</strong> Verordnung<br />
von sog. Biologika vergleichsweise harmlos aus, ebenso auch die Ankündigung von 4 neuen<br />
Osteoporose-Medikamenten bis zum Jahr 2013.<br />
Feminisierung <strong>de</strong>s Arztberufes<br />
Ein weiteres Phänomen unserer Tage gilt es zu betrachten: Die Medizin ist weiblich. Diesen<br />
Eindruck vermittelt zumin<strong>de</strong>st <strong><strong>de</strong>r</strong> Blick in die Hörsäle <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitäten. Damit komme ich<br />
nun zu <strong>de</strong>n Medizinstu<strong>de</strong>nten und Jungärzten. 65 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizinstu<strong>de</strong>nten sind Frauen, bei<br />
<strong>de</strong>n berufstätigen Ärzten sind es inzwischen 40 %. Nahezu i<strong>de</strong>ntische Zahlen gelten für Österreich.<br />
Je<strong>de</strong>nfalls wird aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> heutigen Geschlechterverteilung <strong>im</strong> Medizinstudium <strong>im</strong><br />
Jahr 2020 <strong><strong>de</strong>r</strong> Hausarztberuf – zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschsprachigen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n – eine<br />
Frauendomäne sein.<br />
Zur Konsequenz hat das aber auch eine verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Lebensprojektion für unsere Berufsgruppe.<br />
Frauen und Männer in einer Bremer Studie unter Medizinstudieren<strong>de</strong>n beschäftigt elementar<br />
ein generelles Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensplanung. Nicht, dass sie nicht bereit wären, sich <strong>de</strong>n hohen<br />
gesellschaftlichen Erwartungen an <strong>de</strong>n Beruf <strong>de</strong>s Hausarztes zu stellen. Sie sehen jedoch <strong>im</strong><br />
ambulanten Versorgungssektor <strong>de</strong>n dringen<strong>de</strong>n Bedarf, die Vereinbarkeit von Erwerbs- und<br />
Familienarbeit zu verbessern (43). Damit gehört die Biographie eines Kollegen meiner Altersklasse<br />
– glücklicherweise – endgültig <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit an und ist Anekdote, als er mir<br />
erzählte: „Als Kind bin ich auf <strong>de</strong>n Knien unserer Patienten <strong>im</strong> Wartez<strong>im</strong>mer aufgewachsen.<br />
Meine Mutter stand an <strong><strong>de</strong>r</strong> Anmeldung und mein Vater hat gedoktert.“<br />
Der Trend zur Spezialisierung<br />
Sehr <strong>de</strong>utlich scheint sich in <strong>de</strong>n Köpfen <strong><strong>de</strong>r</strong> Studieren<strong>de</strong>n bereits <strong>im</strong> frühen Studiumsverlauf<br />
auch das Kalkül festzusetzen, dass eine medizinische Karriere nur mit einer größeren Spezialisierung<br />
einhergeht. Zweifellos: eine spätere Tätigkeit als Spezialarzt ist für viele Medizinstu<strong>de</strong>nten<br />
und Assistenten wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> faszinieren<strong>de</strong>n wissenschaftlich-technischen Entwicklungen,<br />
<strong>de</strong>s übersichtlich strukturierten klinischen Curriculums und <strong><strong>de</strong>r</strong> komfortablen Option<br />
zwischen Spitalstätigkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassung attraktiver als eine komplexe und komplizierte<br />
Aus- und Weiterbildung zum Allgemeinarzt mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschränkung auf die künftige hausärztliche<br />
Tätigkeit (36). Natürlich sind auch Prestige und Einkommen <strong>de</strong>s Spezialisten unwi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprochen<br />
höher. So verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>t es nicht, dass nur 17 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Studieren<strong>de</strong>n später einmal <strong>de</strong>n<br />
Weg als Hausarzt einschlagen wollen, wie eine Studie unter 4.000 <strong>de</strong>utschen Medizinstu<strong>de</strong>nten<br />
ergab. „<strong>Allgemeinmedizin</strong>“, so die drastische Aussage eines Befragten, „be<strong>de</strong>utet: alte<br />
Leute und Erkältungen“ (37). O<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Zitat aus einer explorativen Interview-Erhebung unter<br />
Medizinstu<strong>de</strong>nten an 4 nord<strong>de</strong>utschen Universitäten: „Als Stu<strong>de</strong>nt kategorisiert man einfach.<br />
Lern ich jetzt was über die Niere, weiß ich, das macht später mal <strong><strong>de</strong>r</strong> Nephrologe. So, und<br />
wenn dich was mit <strong>de</strong>m Herz interessiert, dann wirst du mal Kardiologe. Und die <strong>Allgemeinmedizin</strong><br />
… wann sagt man schon mal, ja, das macht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Allgemeinmedizin</strong>er“ (43).<br />
Frank H. Ma<strong><strong>de</strong>r</strong>: <strong>Allgemeinmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>l</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Zeit</strong><br />
40. Kongress für <strong>Allgemeinmedizin</strong>, Graz, 26.11.2009<br />
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